SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
NICHOLAS EMILIOU
vom 15. September 2022 ( 1 )
Rechtssache C‑292/21
Administración General del Estado,
Confederación Nacional de Autoescuelas (CNAE),
UTE CNAE‑ITT‑FORMASTER-ECT
gegen
Asociación Unión para la Defensa de los Intereses Comunes de las Autoescuelas (AUDICA),
Ministerio Fiscal
(Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal Supremo [Oberster Gerichtshof, Spanien])
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Binnenmarkt – Richtlinie 2006/123/EG – Kurse zur Sensibilisierung und Nachschulung für den Straßenverkehr zur Wiedererlangung von Punkten für die Fahrerlaubnis – Art. 2 Abs. 2 Buchst. d – Anwendungsbereich – Ausschluss – ‚Verkehrsdienstleistungen‘ – Niederlassungsfreiheit – Konzession für eine öffentliche Dienstleistung – Voraussetzungen für die Vergabe der Konzession für eine öffentliche Dienstleistung – Art. 15 – Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse – Verhältnismäßigkeit – Über das zur Erreichung des verfolgten Ziels Erforderliche hinausgehende nationale Anforderungen“
I. Einleitung
1. |
Mit diesem Vorabentscheidungsersuchen fragt der Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien) nach der unionsrechtlichen Vereinbarkeit einer nationalen Maßnahme, nach der Aufträge über die Erteilung von Kursen zur Sensibilisierung und Nachschulung für den Straßenverkehr zur Wiedererlangung von Punkten für die Fahrerlaubnis als Konzessionen für eine öffentliche Dienstleistung vergeben werden müssen. Für jedes der fünf geografischen Gebiete, in die das nationale Hoheitsgebiet (mit Ausnahme von zwei Regionen, Katalonien und das Baskenland, für die eine andere Regelung gilt) zu diesem Zweck eingeteilt wurde, gibt es nur eine einzige Konzession für eine öffentliche Dienstleistung. Der erfolgreiche Konzessionsinhaber für das jeweilige Gebiet ist der einzige Anbieter, der die betreffenden Kurse in dem entsprechenden geografischen Gebiet erteilen darf. |
2. |
Im Streit vor dem vorlegenden Gericht geht es im Wesentlichen darum, ob eine solche Maßnahme den Bestimmungen der Dienstleistungsrichtlinie ( 2 ) zuwiderläuft, die allgemeine Bestimmungen enthält, die die Wahrnehmung der durch Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (freier Dienstleistungsverkehr) garantierten Grundfreiheiten erleichtern sollen ( 3 ). Zur Beantwortung dieser Frage ist zunächst zu prüfen, ob die Richtlinie in der vorliegenden Rechtssache anwendbar ist. |
3. |
Kurz gesagt, schlage ich dem Gerichtshof aus den nachstehenden Gründen vor, diese Vorfrage zu bejahen. Die nationale Maßnahme, die Gegenstand des Ausgangsverfahrens ist, schränkt allerdings, so fürchte ich, die Dienstleistungsfreiheit in einer Weise ein, die den Anforderungen dieser Richtlinie nicht in vollem Umfang genügt. |
II. Rechtlicher Rahmen
A. Unionsrecht
1. Dienstleistungsrichtlinie
4. |
Der 17. Erwägungsgrund der Dienstleistungsrichtlinie besagt im Wesentlichen, dass Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen, soweit es sich nicht um Verkehrsdienstleistungen handelt. |
5. |
Im 40. Erwägungsgrund der Dienstleistungsrichtlinie wird erläutert, dass der Begriff der zwingenden Gründe des Allgemeininteresses, auf den sich u. a. Art. 15 Abs. 3 dieser Richtlinie bezieht, „in der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu den Artikeln [49 und 56 AEUV] entwickelt worden [ist] und … sich noch weiterentwickeln [kann]“. Dieser Begriff umfasst eine Vielzahl von Gründen, auch die Straßenverkehrssicherheit. |
6. |
Art. 2 („Anwendungsbereich“) der Dienstleistungsrichtlinie bestimmt in Abs. 1, dass die Richtlinie vorbehaltlich gewisser in Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie vorgesehener Ausnahmen für Dienstleistungen gilt, die von einem in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Dienstleistungserbringer angeboten werden. Nach ihrem Art. 2 Abs. 2 Buchst. d findet die Richtlinie keine Anwendung auf „Verkehrsdienstleistungen …, die in den Anwendungsbereich von Titel [VI AEUV] fallen“. |
7. |
Art. 15 („Zu prüfende Anforderungen“) der Dienstleistungsrichtlinie bestimmt: „(1) Die Mitgliedstaaten prüfen, ob ihre Rechtsordnungen die in Absatz 2 aufgeführten Anforderungen vorsehen, und stellen sicher, dass diese Anforderungen die Bedingungen des Absatzes 3 erfüllen. Die Mitgliedstaaten ändern ihre Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um sie diesen Bedingungen anzupassen. (2) Die Mitgliedstaaten prüfen, ob ihre Rechtsordnung die Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit von folgenden nicht diskriminierenden Anforderungen abhängig macht:
…
… (3) Die Mitgliedstaaten prüfen, ob die in Absatz 2 genannten Anforderungen folgende Bedingungen erfüllen:
(4) Die Absätze 1, 2 und 3 gelten für Rechtsvorschriften im Bereich der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse nur insoweit, als die Anwendung dieser Absätze die Erfüllung der anvertrauten besonderen Aufgabe nicht rechtlich oder tatsächlich verhindert. …“ |
2. Richtlinie 2014/23/EU ( 4 )
8. |
Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2014/23/EU definiert „Dienstleistungskonzession“ als „einen entgeltlichen, schriftlich geschlossenen Vertrag, mit dem ein oder mehrere öffentliche Auftraggeber oder Auftraggeber einen oder mehrere Wirtschaftsteilnehmer mit der Erbringung und der Verwaltung von Dienstleistungen betrauen, …, wobei die Gegenleistung entweder allein in dem Recht zur Verwertung der vertragsgegenständlichen Dienstleistungen oder in diesem Recht zuzüglich einer Zahlung besteht“. |
9. |
Art. 8 der Richtlinie 2014/23 sah in seiner im maßgeblichen Zeitraum geltenden Fassung vor, dass die Richtlinie „für Konzessionen [gilt], deren Vertragswert mindestens 5186000 EUR beträgt“. |
B. Nationales Recht
10. |
Die Dienstleistungsrichtlinie wurde durch die Ley 17/2009 sobre el libre acceso a las actividades de servicios y su ejercicio (Gesetz 17/2009 über die freie Aufnahme von Dienstleistungstätigkeiten und ihre Ausübung) vom 23. November 2009 in das spanische Recht umgesetzt ( 5 ). In Art. 3 dieses Gesetzes ist der Begriff „Dienstleistung“ definiert als „jede von Art. [57 AEUV] erfasste selbstständige Tätigkeit, die in der Regel gegen Entgelt erbracht wird“. Nach Art. 5 dieses Gesetzes darf die Aufnahme einer Dienstleistungstätigkeit einer Genehmigungsregelung unterworfen werden, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind: Nichtdiskriminierung, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit. |
11. |
Gemäß der Ley 17/2005 por la que se regula el permiso y la licencia de conducción por puntos y se modifica el texto articulado de la ley sobre tráfico, circulación de vehículos a motor y seguridad vial (Gesetz 17/2005 über die punktebasierte Fahrerlaubnis und zur Neufassung des Gesetzes über Verkehr, Kraftfahrzeugverkehr und Straßenverkehrssicherheit) vom 19. Juli 2005 ( 6 ) muss der Vertrag über die Erteilung von Kursen zur Wiedererlangung von Fahrerlaubnispunkten gemäß den gesetzlichen Vergabevorschriften der öffentlichen Verwaltungen als Konzession für eine öffentliche Dienstleistung vergeben werden. |
12. |
Der Orden INT/2596/2005 por la que se regulan los cursos de sensibilización y reeducación vial para los titulares de un permiso o licencia de conducción (Erlass INT/2596/2005 über Kurse zur Sensibilisierung und Nachschulung für den Straßenverkehr für Fahrerlaubnisinhaber) vom 28. Juli 2005 ( 7 ) dient der Durchführung des Gesetzes 17/2005. Abs. 12 dieses Erlasses sieht vor, dass „[d]ie Kontrolle und Prüfung der Kurse zur Sensibilisierung und Nachschulung für den Straßenverkehr … nach den im Vertrag über die verwaltungsrechtliche Konzession enthaltenen fachlichen Vorgaben durchzuführen [ist]“. |
III. Sachverhalt, Ausgangsverfahren und Vorlagefrage
13. |
2014 schrieb die Dirección General de Tráfico (Generaldirektion Verkehr) die Vergabe einer „Konzession zur Organisation und Durchführung von Kursen zur Sensibilisierung und Nachschulung für den Straßenverkehr zur Wiedererlangung von Punkten für die Fahrerlaubnis: 5 Lose“ aus. Diese Kurse waren für Fahrer bestimmt, die wegen Verkehrsverstößen Punkte ihrer Fahrerlaubnis verloren hatten. |
14. |
Für die Zwecke der Ausschreibung wurde das nationale Hoheitsgebiet (ausgenommen Katalonien und das Baskenland) in fünf Gebiete eingeteilt, denen jeweils eines der fünf Ausschreibungslose entsprach. Für jedes Los wurde nur ein Vertrag vergeben, wobei jeder dieser Verträge als Konzession für eine öffentliche Dienstleistung zu vergeben war. Der hinsichtlich eines Loses erfolgreiche Bieter war somit die einzige Stelle, die berechtigt war, die Kurse in dem entsprechenden Gebiet anzubieten. |
15. |
Die Ausschreibung wurde von der Asociación Unión para la Defensa de los Intereses Comunes de las Autoescuelas (Interessenvereinigung der Fahrschulen, im Folgenden: AUDICA) beim Tribunal Administrativo Central de Recursos Contractuales (Zentrales Verwaltungsgericht für Vergabeangelegenheiten, Spanien) angefochten. AUDICA machte geltend, dass es gegen die Dienstleistungsfreiheit verstoße, die Verträge als Konzessionen für eine öffentliche Dienstleistung zu vergeben. |
16. |
Am Verfahren waren der Abogado del Estado (Vertreter des Staates, Spanien) für die Generaldirektion Verkehr als Beklagter sowie eine von der Confederación Nacional de Autoescuelas (Nationaler Fahrschulverband, im Folgenden: CNAE) und drei weiteren Unternehmen (FORMASTER, ECT und ITT) gebildete Bietergemeinschaft (im Folgenden: Bietergemeinschaft oder CNAE u. a.) als Mitbeklagte beteiligt. Die Bietergemeinschaft hatte im Vergabeverfahren den Zuschlag erhalten. |
17. |
Mit Entscheidung vom 23. Januar 2015 wies das Tribunal Administrativo Central de Recursos Contractuales (Zentrales Verwaltungsgericht für Vergabeangelegenheiten) die Klage der AUDICA ab. Gegen diese Entscheidung legte AUDICA bei der Sala de lo Contencioso-Administrativo de la Audiencia Nacional (Kammer für Verwaltungssachen des Nationalen Gerichtshofs, Spanien) ein Rechtsmittel ein. |
18. |
Mit Urteil vom 28. November 2018 gab dieses Gericht dem Rechtsmittel statt und hob sowohl die Entscheidung des Tribunal Administrativo Central de Recursos Contractuales (Zentrales Verwaltungsgericht für Vergabeangelegenheiten) als auch die Ausschreibungsbekanntmachung auf. Es entschied, dass die Erteilung der in Rede stehenden Kurse die Merkmale eines Dienstes von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (im Folgenden: DAWI) im Sinne von Art. 14 AEUV ( 8 ) aufweise. Die Anforderung, dass die Erteilung dieser Kurse im Rahmen einer Konzession für eine öffentliche Dienstleistung zu erfolgen habe, sei übertrieben und nicht gerechtfertigt, da es für die Verwaltung andere Möglichkeiten gebe, den verfolgten Zweck zu erreichen, ohne den Wettbewerb zwischen potenziellen Dienstleistungserbringern zu gefährden. |
19. |
Gegen dieses Urteil haben der Vertreter des Staates und die Bietergemeinschaft beim Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) Kassationsbeschwerde eingelegt. Da dieses Gericht Zweifel hinsichtlich der Auslegung der einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts hat, hat es das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Ist die nationale Regelung, wonach die Vergabe von Kursen zur Sensibilisierung und Nachschulung für den Straßenverkehr zur Wiedererlangung von Punkten für die Fahrerlaubnis im Wege einer Konzession für eine öffentliche Dienstleistung erfolgen muss, mit der Dienstleistungsrichtlinie – oder gegebenenfalls mit anderen Vorschriften oder Grundsätzen des Unionsrechts – vereinbar? |
20. |
Im vorliegenden Verfahren haben CNAE u. a., AUDICA, die tschechische, die spanische und die niederländische Regierung sowie die Europäische Kommission schriftliche Erklärungen eingereicht. Mit Ausnahme der tschechischen Regierung haben diese Beteiligten zudem in der Sitzung vom 1. Juni 2022 mündlich verhandelt. |
IV. Würdigung
21. |
Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob eine Maßnahme, nach der Verträge über die Erteilung von Kursen zur Sensibilisierung und Nachschulung für den Straßenverkehr, die sich an Fahrer richten, die wegen Verkehrsverstößen Fahrerlaubnispunkte verloren haben, als Konzessionen für eine öffentliche Dienstleistung vergeben werden müssen, wobei die Erteilung solcher Kurse in jedem der fünf vorab festgelegten geografischen Gebiete des nationalen Hoheitsgebiets (mit Ausnahme Kataloniens und des Baskenlands) nur einem Konzessionsinhaber gestattet ist, mit den Bestimmungen der Dienstleistungsrichtlinie vereinbar ist. |
22. |
Wie ich bereits oben in Nr. 2 ausgeführt habe, enthält die Dienstleistungsrichtlinie allgemeine Bestimmungen, die die Wahrnehmung der durch die Art. 49 und 56 AEUV garantierten Grundfreiheiten erleichtern sollen. Diese beiden Freiheiten beziehen sich auf verschiedene Aspekte der Ausübung einer Wirtschaftstätigkeit. Um die Niederlassungsfreiheit im Sinne von Art. 49 AEUV geht es, wenn ein Dienstleistungserbringer seine wirtschaftliche Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung auf unbestimmte Zeit tatsächlich auszuüben beabsichtigt, während der von Art. 56 AEUV garantierte freie Dienstleistungsverkehr alle Dienstleistungen erfasst, die nicht in solch stabiler und kontinuierlicher Weise von einem Berufsdomizil im Empfängermitgliedstaat aus angeboten werden ( 9 ). In diesem Zusammenhang bezieht sich Kapitel III der Dienstleistungsrichtlinie (Art. 9 bis 15) auf die Niederlassungsfreiheit, während Kapitel IV (Art. 16 bis 21) der Richtlinie den freien Dienstleistungsverkehr betrifft. |
23. |
Eingangs ist zu sagen, dass für mich unzweifelhaft ist, dass sich eine Tätigkeit wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, bei der es sich um eine „Dienstleistung“ im Sinne von Art. 4 Nr. 1 der Dienstleistungsrichtlinie ( 10 ) handelt, auf eine feste Einrichtung bezieht und dass sie auf unbestimmte Zeit ausgeübt werden soll. Folglich ist die Vereinbarkeit der fraglichen nationalen Maßnahme mit dem Unionsrecht anhand der Bestimmungen über die Niederlassungsfreiheit (Kapitel III der Dienstleistungsrichtlinie) und nicht derjenigen über den freien Dienstleistungsverkehr (Kapitel IV der Richtlinie) zu beurteilen, sofern sich herausstellt, dass diese Richtlinie im vorliegenden Fall Anwendung findet ( 11 ). |
24. |
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass eine nationale Regelung in einem Bereich, der auf Unionsebene abschließend harmonisiert wurde, nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht anhand der Bestimmungen des Primärrechts, sondern anhand dieser Harmonisierungsmaßnahme zu beurteilen ist ( 12 ). Zu Kapitel III der Dienstleistungsrichtlinie hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass mit deren Art. 9 bis 14 eine abschließende Harmonisierung in Bezug auf die in ihren Anwendungsbereich fallenden Dienstleistungen vorgenommen wird ( 13 ). Dasselbe gilt meiner Ansicht nach für Art. 15, der ebenfalls zu diesem Kapitel gehört ( 14 ). Wenn festgestellt wird, dass die Dienstleistungsrichtlinie im vorliegenden Fall Anwendung findet, würde es also meines Erachtens genügen, die Vereinbarkeit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Maßnahme mit dem Unionsrecht allein anhand dieser Bestimmungen zu prüfen, ohne dass es nötig wäre, auch Art. 49 AEUV heranzuziehen ( 15 ). |
25. |
Vor diesem Hintergrund nehme ich zur Kenntnis, dass das vorlegende Gericht in zweierlei Hinsicht Zweifel daran hat, dass die Dienstleistungsrichtlinie, und zwar insbesondere deren Art. 9 bis 13, im vorliegenden Fall anwendbar ist ( 16 ). |
26. |
Erstens bittet es den Gerichtshof um Klarstellung, ob die Erteilung der in Rede stehenden Kurse, auch wenn es sich um eine „Dienstleistung“ handelt, vom sachlichen Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie deshalb ausgeschlossen ist, weil sie in die Kategorie der „Verkehrsdienstleistungen“ im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie fällt, mit der Folge, dass die Vereinbarkeit der fraglichen nationalen Maßnahme mit dem Unionsrecht ausschließlich anhand von Art. 49 AEUV zu beurteilen ist (und die Dienstleistungsrichtlinie einschließlich ihres Kapitels III hier keine Anwendung findet) ( 17 ). |
27. |
Zweitens wirft das vorlegende Gericht die Frage auf, ob, selbst wenn die Erteilung der in Rede stehenden Kurse keine „Verkehrsdienstleistung“ sein sollte, der Umstand, dass die entsprechenden Aufträge als Konzession für eine öffentliche Dienstleistung vergeben werden, zur Folge hat, dass sie von bestimmten Bestimmungen der Dienstleistungsrichtlinie, nämlich deren Art. 9 bis 13, ausgenommen sind. Konzessionen für eine öffentliche Dienstleistung sind nicht unter den Tätigkeiten aufgeführt, die gemäß Art. 2 Abs. 2 der Dienstleistungsrichtlinie vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen sind. Im 57. Erwägungsgrund der Richtlinie wird jedoch im Wesentlichen erläutert, dass die Bestimmungen über Genehmigungsregelungen (also Art. 9 bis 13 der Richtlinie) nicht den Abschluss von Dienstleistungsverträgen „betreffen“, die bereits den Vorschriften über das öffentliche Beschaffungswesen unterliegen, die in anderen Sekundärrechtsakten der Union, etwa der Richtlinie 2014/23, enthalten sind. |
28. |
Im nächsten Abschnitt werde ich mich nacheinander diesen beiden Fragen zuwenden (A). Ich werde erläutern, weshalb ich die Dienstleistungsrichtlinie, einschließlich ihrer Art. 9 bis 13, im vorliegenden Fall für anwendbar halte. Sodann werde ich ausführen, aus welchen Gründen eine Maßnahme wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende meines Erachtens nicht mit den Anforderungen, die in Kapitel III (Niederlassungsfreiheit) der Richtlinie niedergelegt sind, vereinbar ist (B). |
A. Anwendbarkeit der Dienstleistungsrichtlinie
1. Ausschluss der „Verkehrsdienstleistungen“
29. |
Nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Dienstleistungsrichtlinie sind „Verkehrsdienstleistungen …, die in den Anwendungsbereich von [Titel VI AEUV] fallen“, vom sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen. Grund dafür ist, dass gemäß Art. 58 Abs. 1 AEUV für den freien Dienstleistungsverkehr auf dem Gebiet des Verkehrs die speziellen Bestimmungen in Titel VI AEUV gelten ( 18 ). Folglich kann der freie Dienstleistungsverkehr auf diesem Gebiet nicht in der Dienstleistungsrichtlinie geregelt sein ( 19 ). |
30. |
Der Begriff „Verkehrsdienstleistungen“ ist weder in der Richtlinie noch in Titel VI AEUV ausdrücklich definiert ( 20 ). Der Gerichtshof hat diesen Begriff dahin ausgelegt, „dass er nicht nur jede körperliche Handlung der Beförderung von Personen oder Waren von einem Ort zum anderen mittels eines Land‑, Luft- oder Wasserfahrzeugs umfasst, sondern auch jede Dienstleistung, die naturgemäß mit einer solchen Handlung verbunden ist“ ( 21 ). |
31. |
Aus der Rechtsprechung ergibt sich, dass eine Dienstleistung nicht allein deshalb unter Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Dienstleistungsrichtlinie fällt, weil sie in der einen oder anderen Weise mit Verkehr in Zusammenhang steht ( 22 ). In einem solchen Fall muss vielmehr geprüft werden, worin der Hauptgegenstand der fraglichen Dienstleistung besteht ( 23 ). Dabei ist zwischen Dienstleistungen zu unterscheiden, die insoweit untrennbar (oder naturgemäß) mit einer körperlichen Handlung der Beförderung von Personen oder Waren von einem Ort zum anderen mittels eines Verkehrsmittels verbunden sind (wie etwa Taxis und Krankenwagen sowie Hafendienste ( 24 )), als ihr Hauptzweck die Beförderung von Gütern oder Menschen ist, und Dienstleistungen, die insoweit nur nebensächlich sind, weil sie in erster Linie einem anderen Zweck dienen ( 25 ). |
32. |
Letztere Kategorie umfasst die Vermietung von Kraftfahrzeugen und Dienste von Reisebüros sowie Verbraucherdienstleistungen im Bereich des Fremdenverkehrs, einschließlich Leistungen von Fremdenführern ( 26 ). Sie beinhaltet auch in Zügen erbrachte Dienstleistungen wie Bordservice, Reinigung oder Verpflegung, die sich zwar als Ergänzung der Beförderungsleistung von Fahrgästen in Zügen darstellen, jedoch mit dieser nicht naturgemäß verbunden sind ( 27 ). Solche Dienstleistungen sind nicht vom sachlichen Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie ausgeschlossen ( 28 ). |
33. |
In seinen Schlussanträgen in den verbundenen Rechtssachen Trijber und Harmsen ( 29 ) hat Generalanwalt Szpunar die Aufnahme der Vermietung von Kraftfahrzeugen oder der Leistungen von Fremdenführern in den sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie damit erklärt, dass deren Hauptzweck für die Empfänger darin bestehe, Fahrzeuge zu mieten oder etwas über einen bestimmten Ort oder eine bestimmte Gegend zu erfahren, nicht darin, befördert zu werden. Gleichermaßen bestehe der Hauptzweck von Fahrschulen darin, dass der Dienstleistungsempfänger fahren lerne, und nicht darin, dass er befördert werde ( 30 ). |
34. |
Meines Erachtens gehören die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Dienstleistungen ebenfalls zu dieser Kategorie. Ganz ähnlich wie bei den Dienstleistungen von Fahrschulen besteht der Hauptzweck von Kursen zur Sensibilisierung und Nachschulung für den Straßenverkehr darin, den Dienstleistungsempfänger in einer sicheren und verantwortungsbewussten Fahrweise zu schulen, nicht darin, ihn zu befördern. |
35. |
Vor diesem Hintergrund teile ich die von der Kommission, der tschechischen Regierung und AUDICA vertretene Auffassung, dass davon auszugehen ist, dass die in Rede stehenden Kurse nicht der Kategorie der „Verkehrsdienstleistungen“ zuzuordnen sind. Diese Kurse dürften daher nicht gemäß Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Dienstleistungsrichtlinie von deren sachlichem Anwendungsbereich ausgenommen sein ( 31 ). |
36. |
An meiner diesbezüglichen Ansicht vermag auch erstens das Vorbringen der niederländischen Regierung nichts zu ändern, wonach die in Rede stehenden Kurse deshalb als „Verkehrsdienstleistungen“ im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Dienstleistungsrichtlinie anzusehen seien, weil sie untrennbar mit dem Besitz einer Fahrerlaubnis verbunden seien, die eine rechtliche Voraussetzung für das Führen eines Fahrzeugs sei. Ich bin mit der niederländischen Regierung darin einig, dass der Gerichtshof in mindestens einem Urteil, nämlich im Urteil Grupo Itevelesa u. a. ( 32 ), eine Auslegung, die weiter als die von mir oben in den Nrn. 30 und 31 vertretene ist, vorgenommen zu haben scheint, als er unter den Begriff der „Verkehrsdienstleistungen“ auch Dienstleistungen gefasst hat, die eine „notwendige Voraussetzung“ für die körperliche Handlung der Bewegung eines Fahrzeugs sind. Auf Grundlage dieser Definition ist er zu dem Schluss gelangt, dass der Begriff „Verkehrsdienstleistungen“ auch die Tätigkeit der technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen umfasst, da eine solche Überwachung eine vorgelagerte und unverzichtbare Bedingung für die Ausübung der Haupttätigkeit, nämlich den Transport ist ( 33 ), da diese Tätigkeit andernfalls illegal wäre. |
37. |
Dennoch bin ich, selbst angesichts dieses Urteils, nicht der Meinung, dass der Umstand, dass eine Dienstleistung mit dem Besitz einer Fahrerlaubnis zusammenhängt oder auch „untrennbar verbunden“ ist, dafür maßgeblich sein sollte, ob die betreffende Dienstleistung als eine „Verkehrsdienstleistung“ anzusehen ist. Meines Erachtens ist die Erlangung oder Aufrechterhaltung einer Fahrerlaubnis etwas anderes als die Untersuchung von Fahrzeugen im Rahmen der technischen Überwachung. Bei Ersterer geht es um das rechtliche Instrument, das es einer Person erlaubt, sich ein Transportmittel zu beschaffen ( 34 ), und das als solches an die Person und nicht an das Fahrzeug selbst gebunden ist; dagegen besteht die Tätigkeit der Stationen zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen in der direkten Überprüfung des Fahrzeugs (als gesetzlich geregelte notwendige Voraussetzung für die physische Bewegung des betreffenden Fahrzeugs). |
38. |
Aufgrund dessen bin ich der Ansicht, dass sich die im Ausgangsverfahren gegebene Situation von derjenigen unterscheidet, die zum Urteil in der Rechtssache Grupo Itevelesa u. a. ( 35 ) führte. Die Lösung, zu der der Gerichtshof in diesem Urteil gelangt ist, sollte deshalb nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden. |
39. |
Zweitens vermag mich auch das Vorbringen der spanischen Regierung nicht zu überzeugen, wonach der Begriff „Verkehrsdienstleistungen“ unter Berücksichtigung von Art. 91 Abs. 1 AEUV ausgelegt werden sollte. Die spanische Regierung ist der Ansicht, dass die in Rede stehenden Kurse „Verkehrsdienstleistungen“ seien, weil es sich um „Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit“ im Sinne dieser Bestimmung handele. Ich halte es jedoch für recht offensichtlich, dass in Art. 91 Abs. 1 AEUV die verschiedenen Aspekte aufgezählt werden sollen, die Teil des „Rahmens einer gemeinsamen Verkehrspolitik“ (im Sinne von Art. 90 AEUV) sind, und in diesem Zusammenhang die verschiedenen Maßnahmen aufgeführt werden sollen, die der Unionsgesetzgeber beschließen kann (um u. a. „Verkehrsdienstleistungen“ zu regeln). Entgegen der von der spanischen Regierung vertretenen Ansicht bezweckt die genannte Bestimmung also nicht die Definition des Begriffs „Verkehrsdienstleistungen“. |
40. |
Jedenfalls denke ich, dass die von der spanischen Regierung vorgeschlagene Auslegung, wonach jede auf die Verbesserung der Verkehrssicherheit abzielende Maßnahme notwendigerweise eine „Verkehrsdienstleistung“ darstelle, weit entfernt ist von der in der Rechtsprechung des Gerichtshofs vorgenommenen Auslegung, die darauf abstellt, ob es der Hauptzweck der betreffenden Dienstleistung ist, Güter oder Menschen zu befördern. |
41. |
Nach diesen Klarstellungen und der Erläuterung der Gründe, aus denen ich der Auffassung bin, dass die Erteilung der in Rede stehenden Kurse nicht unter die in Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Dienstleistungsrichtlinie vorgesehene Ausnahme („Verkehrsdienstleistungen“) fällt, werde ich nunmehr versuchen, die Zweifel des Gerichts auszuräumen, das sich fragt, ob der Umstand, dass die Erteilung der betreffenden Kurse eine Konzession für eine öffentliche Dienstleistung voraussetzt, Einfluss auf die Anwendbarkeit der Art. 9 bis 13 der Dienstleistungsrichtlinie hat. |
2. Folgen des Umstands, dass die Erteilung der betreffenden Kurse eine Konzession für eine öffentliche Dienstleistung voraussetzt
42. |
Ich erinnere daran, dass Art. 9 Abs. 3 der Dienstleistungsrichtlinie im Wesentlichen vorsieht, dass die Art. 9 bis 13 der Richtlinie „nicht für diejenigen Aspekte der Genehmigungsregelungen [gelten], die direkt oder indirekt durch andere Gemeinschaftsrechtsakte geregelt sind“, etwa durch die Richtlinie 2014/23 ( 36 ). Folglich wären die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Kurse, wenn sie der Richtlinie 2014/23 unterlägen, vom Anwendungsbereich der Art. 9 bis 13 der Dienstleistungsrichtlinie ausgenommen. Allerdings unterlägen sie meines Erachtens weiterhin den übrigen Bestimmungen der Dienstleistungsrichtlinie ( 37 ) (d. h. allen Bestimmungen außer den Art. 9 bis 13) ( 38 ). |
43. |
Die Richtlinie 2014/23 findet allerdings nur Anwendung, wenn mehrere kumulative Voraussetzungen erfüllt sind. |
44. |
Erstens muss die betreffende Dienstleistung als eine „Konzession“ organisiert sein ( 39 ). Die Richtlinie definiert „Dienstleistungskonzession“ als „einen entgeltlichen, schriftlich geschlossenen Vertrag, mit dem ein oder mehrere öffentliche Auftraggeber oder Auftraggeber einen oder mehrere Wirtschaftsteilnehmer mit der Erbringung und der Verwaltung von Dienstleistungen betrauen, … wobei die Gegenleistung entweder allein in dem Recht zur Verwertung der vertragsgegenständlichen Dienstleistungen oder in diesem Recht zuzüglich einer Zahlung besteht“ ( 40 ). Der Gerichtshof hat klargestellt, dass ein solcher Vertrag dadurch gekennzeichnet ist, dass auf der einen Seite ein öffentlicher Auftraggeber ein Recht zur Nutzung einer bestimmten Dienstleistung an einen Konzessionär überträgt, während auf der anderen Seite der Konzessionär über eine bestimmte wirtschaftliche Freiheit verfügt, die Bedingungen festzulegen, unter denen er dieses Recht verwertet, und parallel dazu weitgehend den mit dieser Nutzung verbundenen Risiken ausgesetzt ist ( 41 ). |
45. |
Im vorliegenden Fall sind alle Parteien und Verfahrensbeteiligten wie auch das vorlegende Gericht der Meinung, dass die in Rede stehenden Kurse auf der Grundlage einer Konzession für eine öffentliche Dienstleistung (und zwar einer Konzession für jedes geografische Gebiet) zu erbringen seien, so dass der Sachverhalt im Ausgangsverfahren eine Konzession für eine öffentliche Dienstleistung im Sinne der Richtlinie 2014/23 betreffe. Dem stimme ich zu. Tatsächlich folgt aus den Nrn. 13 und 14 oben, dass die im Ausgangsverfahren fraglichen Verträge die Erbringung einer bestimmten Dienstleistung betreffen und dass sie das Recht zur Erteilung der in Rede stehenden Kurse (offenbar zusammen mit den mit der Ausübung dieser Tätigkeit verbundenen Risiken) vom öffentlichen Auftraggeber auf den jeweiligen Konzessionsinhaber übertragen. |
46. |
Zweitens muss die Konzession nach dem 17. April 2014 ausgeschrieben oder vergeben worden sein, um in den zeitlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 2014/23 zu fallen ( 42 ). Es ist Sache der nationalen Gerichte, anhand der ihnen vorliegenden Tatsachen zu beurteilen, ob diese Voraussetzung erfüllt ist ( 43 ). Davon abgesehen, tragen die spanische Regierung und CNAE u. a. vor, dass die Richtlinie 2014/23 aus einem anderen (gesonderten) Grund nicht in den zeitlichen Anwendungsbereich falle. Sie machen geltend, dass die Frist für die Umsetzung der Richtlinie 2014/23 in nationales Recht im Februar 2016 abgelaufen sei und die im Ausgangsverfahren fraglichen Konzessionen vor Ablauf dieser Frist ausgeschrieben worden seien, nämlich zu einem Zeitpunkt, als die ältere nationale Regelung noch in Kraft war und die Richtlinie noch nicht in das nationale Recht umgesetzt gewesen sei. |
47. |
In diesem Zusammenhang weise ich darauf hin, dass der Gerichtshof in einer Rechtssache, die ein Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags betraf, von dem ein Angebot ausgeschlossen worden war, bevor die Frist für die Umsetzung der Richtlinie abgelaufen und diese in das nationale Recht umgesetzt worden war, bereits entschieden hat, dass es „gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen [würde]“, die Richtlinie anzuwenden, da die Entscheidung, durch die in dem Fall gegen Unionsrecht verstoßen worden sein sollte, vor dem Stichtag getroffen worden war ( 44 ). |
48. |
Ähnliche Erwägungen lassen sich meines Erachtens auch auf die vorliegende Rechtssache anwenden. Aus diesen Gründen würde ich (vorbehaltlich der Überprüfung durch das nationale Gericht) dazu neigen, der von der spanischen Regierung und CNAE u. a. vertretenen Ansicht zuzustimmen, dass in einer Situation wie derjenigen im Ausgangsverfahren der zeitliche Anwendungsbereich der Richtlinie 2014/23 nicht eröffnet ist, da zu der Zeit, als sich der relevante Sachverhalt zutrug, die Frist für die Umsetzung in das nationale Recht noch nicht abgelaufen und die Richtlinie tatsächlich noch nicht in das nationale Recht umgesetzt worden war. |
49. |
Drittens muss sich der Vertragswert des Konzessionsvertrags auf einen bestimmten Mindestwert belaufen ( 45 ). Zum maßgeblichen Zeitpunkt betrug dieser Mindestwert 5186000 Euro ( 46 ). Auch hier ist es Sache des nationalen Gerichts, auf Grundlage der ihm vorliegenden Informationen zu beurteilen, ob diese Voraussetzung erfüllt ist. Laut den Angaben, die CNAE u. a., die spanische Regierung und die Kommission in der mündlichen Verhandlung gemacht haben, scheint der Wert des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vertrags allerdings unter diesem Schwellenwert zu liegen. Die spanische Regierung hat erklärt, dass sich der Vertragswert zum Zeitpunkt der Ausschreibung auf 1285000 Euro belaufen habe. Dieser Betrag liegt deutlich unter dem Schwellenwert von 5186000 Euro. |
50. |
In Anbetracht dieser Informationen dürften die Verträge über die Erteilung der in Rede stehenden Kurse, weil sie (i) vor Ablauf der Umsetzungsfrist für die Richtlinie 2014/23 geschlossen wurden und (ii) unter dem in der Richtlinie vorgesehenen Schwellenwert liegen, sowohl vom zeitlichen als auch vom sachlichen Anwendungsbereich dieses Rechtsakts ausgenommen sein. Daraus folgt meines Erachtens, dass die Anwendung der Art. 9 bis 13 der Dienstleistungsrichtlinie bei einem Sachverhalt wie demjenigen im Ausgangsverfahren nicht deshalb ausgeschlossen sein sollte, weil ein solcher Sachverhalt in der Richtlinie 2014/23 geregelt ist. |
51. |
Somit muss ich prüfen, ob bei einem Sachverhalt wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden die Voraussetzungen der Art. 9 bis 13 der Dienstleistungsrichtlinie erfüllt sind. Diese Bestimmungen gelten für eine bestimmte Art von Verfahren, nämlich solche, die als „Genehmigungsregelungen“ eingestuft werden können. Ich werde also prüfen, ob das Verfahren, das Gegenstand des Ausgangsverfahrens ist, in diese Kategorie fällt. |
52. |
Nach Art. 4 Nr. 6 dieser Richtlinie ist unter Genehmigungsregelung jedes Verfahren zu verstehen, das einen Dienstleistungserbringer oder ‑empfänger verpflichtet, bei einer zuständigen Behörde eine förmliche oder stillschweigende Entscheidung über die Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit zu erwirken. |
53. |
Gemäß dem 39. Erwägungsgrund der Dienstleistungsrichtlinie erfasst der Begriff der Genehmigungsregelung Verwaltungsverfahren, in denen Konzessionen erteilt werden ( 47 ) (mit Ausnahme derjenigen, die – anders als das im Ausgangsverfahren in Rede stehende – in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2014/23 fallen) ( 48 ). |
54. |
Wie ich bereits oben in Nr. 45 ausgeführt habe, geht es im Ausgangsverfahren um von den zuständigen Behörden erteilte Konzessionen für eine öffentliche Dienstleistung, nämlich für die Erteilung von Kursen zur Sensibilisierung und Nachschulung für den Straßenverkehr, die sich an Fahrer richten, denen wegen Verkehrsverstößen Führerscheinpunkte abgezogen wurden. Bei diesen Konzessionen handelt es sich um förmliche Entscheidungen, die die Dienstleistungserbringer bei den nationalen Behörden erwirken müssen, um ihre wirtschaftliche Tätigkeit ausüben zu können ( 49 ). Sie lassen sich meines Erachtens daher als „Genehmigungen“ im Sinne der Bestimmungen der Dienstleistungsrichtlinie einstufen. |
55. |
Folglich bin ich der Ansicht, dass die Art. 9 bis 13 der Dienstleistungsrichtlinie in der vorliegenden Rechtssache anwendbar sind ( 50 ). |
3. Ergebnis bezüglich der Anwendbarkeit der Dienstleistungsrichtlinie
56. |
Insgesamt folgt aus den vorstehenden Erwägungen, dass Kapitel III der Dienstleistungsrichtlinie, einschließlich ihrer Art. 9 bis 13, auf den Sachverhalt im Ausgangsverfahren anwendbar ist. Die Konzessionen für eine öffentliche Dienstleistung, um die es im Ausgangsverfahren geht, sind Teil einer „Genehmigungsregelung“ im Sinne dieser Bestimmungen. Es handelt sich bei ihnen nicht um „Verkehrsdienstleistungen“, die unter den in Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie vorgesehenen Ausschluss fallen. |
B. Prüfung der Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht
57. |
Nunmehr werde ich mich der Beurteilung der Vereinbarkeit einer nationalen Maßnahme wie der im Ausgangsverfahren fraglichen mit den Bestimmungen der Dienstleistungsrichtlinie zuwenden und erläutern, weshalb ich der Ansicht bin, dass eine solche Maßnahme eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit der Dienstleistungserbringer darstellt, die mit den Anforderungen in Kapitel III (Art. 9 bis 15) der Richtlinie unvereinbar ist. |
58. |
Bevor ich im Einzelnen darauf eingehe, möchte ich zwei Anmerkungen vorausschicken. |
59. |
Erstens möchte ich darauf hinweisen, dass die Parteien und Verfahrensbeteiligten in der mündlichen Verhandlung erörtert haben, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Dienstleistungen einen „grenzüberschreitenden Bezug“ im Sinne der Rechtsprechung zu Art. 49 AEUV aufweisen ( 51 ). Dazu möchte ich lediglich feststellen, dass zwar nach ständiger Rechtsprechung die Bestimmungen des Vertrags über die Grundfreiheiten „nicht auf Betätigungen anwendbar [sind], deren Merkmale sämtlich nicht über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen“ ( 52 ), dass es jedoch einige Diskussionen darüber gegeben hat, ob ein grenzüberschreitender Bezug gegeben sein muss, damit eine Frage zur Auslegung der Dienstleistungsrichtlinie vom Gerichtshof beantwortet werden kann ( 53 ). Diese Diskussion hat der Gerichtshof nunmehr beendet und erläutert, dass die in Kapitel III der Dienstleistungsrichtlinie enthaltenen Bestimmungen dahin auszulegen sind, dass sie auch auf einen Sachverhalt anwendbar sind, dessen Merkmale sämtlich nicht über die Grenzen eines einzigen Mitgliedstaats hinausweisen ( 54 ). Die Prüfung der Vereinbarkeit einer Maßnahme wie der im Ausgangsverfahren fraglichen mit den Bestimmungen in Kapitel III der Dienstleistungsrichtlinie setzt also nicht voraus, dass ein grenzüberschreitender Bezug gegeben ist. |
60. |
Folglich bin ich der Ansicht, dass es in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens möglich ist, zu prüfen, ob eine Maßnahme mit den Bestimmungen in Kapitel III der Dienstleistungsrichtlinie vereinbar ist, selbst wenn festgestellt werden sollte, dass diese Maßnahme einen rein innerstaatlichen Sachverhalt betrifft, was zu prüfen Sache der nationalen Gerichte ist ( 55 ). |
61. |
Zweitens möchte ich auch das Verhältnis zwischen den Art. 9 bis 13 und Art. 15 der Dienstleistungsrichtlinie etwas erhellen. Nach Art. 9 dürfen die Mitgliedstaaten „Genehmigungsregelungen“ nur dann vorsehen, wenn diese nicht diskriminierend, durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt und in Bezug auf dieses im Allgemeininteresse liegende Ziel verhältnismäßig sind. Diese drei Voraussetzungen sind nicht nur in Art. 10 Abs. 2 der Dienstleistungsrichtlinie wiederzufinden, sondern auch in Art. 10 Abs. 4 verankert, den der Gerichtshof ( 56 ) dahin ausgelegt hat, dass Genehmigungsregelungen es den Dienstleistungserbringern grundsätzlich ermöglichen müssen, ihre Tätigkeit im gesamten nationalen Hoheitsgebiet auszuüben, es sei denn, die Beschränkung auf einen Teil dieses Hoheitsgebiets ist nicht diskriminierend, durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt und verhältnismäßig. Auch in Art. 15 Abs. 3 der Dienstleistungsrichtlinie sind diese drei Voraussetzungen ausdrücklich genannt. |
62. |
Die Art. 9 bis 13 der Dienstleistungsrichtlinie regeln konkret die Voraussetzungen, die eine nationale Genehmigungsregelung erfüllen muss, während Art. 15 Abs. 3 der Richtlinie ganz allgemein die Vereinbarkeit nationaler Anforderungen einschließlich mengenmäßiger oder territorialer Beschränkungen, die Dienstleistungserbringern auferlegt werden, mit der Richtlinie zum Gegenstand hat. Offensichtlich überschneiden sich diese verschiedenen Bestimmungen zu einem gewissen Grad. So hat der Gerichtshof im Wesentlichen entschieden, dass eine „Genehmigungsregelung“, die Dienstleistungserbringern, die ihre Wirtschaftstätigkeit ausüben wollen, eine territoriale Beschränkung auferlegt und nicht mit Art. 15 Abs. 3 der Richtlinie vereinbar ist, auch durch Art. 10 Abs. 4 der Richtlinie ausgeschlossen sein wird ( 57 ), und umgekehrt. |
63. |
In der vorliegenden Rechtssache haben sich die Parteien und Verfahrensbeteiligten in ihren Äußerungen und Schriftsätzen darauf konzentriert, ob eine Maßnahme wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende mit Art. 15 Abs. 3 der Dienstleistungsrichtlinie vereinbar ist. In den nachstehenden Abschnitten werde ich deshalb prüfen, ob eine solche Maßnahme mit dieser Bestimmung im Einklang steht. |
64. |
Dabei werde ich mit den Gründen beginnen, die meines Erachtens dafür sprechen, dass es sich bei der Maßnahme um eine „Anforderung“ im Sinne von Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie handelt, die eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit bedeutet (1). Sodann werde ich untersuchen, ob eine solche Beschränkung (i) nicht diskriminierend, (ii) durch „zwingende Gründe des Allgemeininteresses“ gerechtfertigt und (iii) verhältnismäßig ist, so wie es die drei in Art. 15 Abs. 3 der Dienstleistungsrichtlinie aufgestellten Voraussetzungen erfordern. Ich werde erläutern, weshalb es meines Erachtens Grund zum Zweifel daran gibt, dass eine solche Maßnahme die Voraussetzung der „Verhältnismäßigkeit“ erfüllt (2). Außerdem werde ich einige Ausführungen zu dem Umstand machen, dass die in Rede stehenden Kurse die Merkmale eines DAWI aufweisen (3). |
1. Zum Vorliegen einer Beschränkung (Art. 15 Abs. 2)
65. |
Um die unionsrechtliche Vereinbarkeit einer Maßnahme wie der im Ausgangsverfahren fraglichen anhand der in Art. 15 Abs. 3 der Dienstleistungsrichtlinie genannten Kriterien zu beurteilen, ist zunächst zu bestimmen, ob es sich bei der Maßnahme um eine der in Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie aufgeführten Kategorien von „Anforderungen“ handelt, worunter nach Art. 4 Nr. 7 der Richtlinie u. a. „alle Auflagen, Verbote, Bedingungen oder Beschränkungen, die in den Rechts- oder Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten festgelegt sind oder sich aus der Rechtsprechung … ergeben“, zu verstehen sind. |
66. |
Den mir in der Akte vorliegenden Informationen entnehme ich, dass die Hauptkritik von AUDICA an der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Maßnahme nicht allein darauf gerichtet ist, dass die Verträge für die Erbringung der fraglichen Dienstleistungen als Konzessionen für eine öffentliche Dienstleistung vergeben werden müssen, sondern in erster Linie darauf, dass es jeweils nur einem einzigen Konzessionsinhaber gestattet wird, diese Dienstleistungen in einem der fünf geografischen Gebiete zu erbringen, in die das Staatsgebiet (ohne Katalonien und das Baskenland) zuvor aufgeteilt wurde. |
67. |
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Art. 15 Abs. 2 Buchst. a der Dienstleistungsrichtlinie „mengenmäßige oder territoriale Beschränkungen“ für die Ausübung einer Tätigkeit ausdrücklich als „Anforderungen“ im Sinne von Art. 4 Nr. 7 der Richtlinie qualifiziert, die die Niederlassungsfreiheit der Dienstleistungserbringer berühren ( 58 ). |
68. |
Solche Beschränkungen liegen gemäß dieser Bestimmung insbesondere dann vor, wenn eine nationale Maßnahme die Anzahl der Marktteilnehmer begrenzt, denen die Niederlassung im jeweiligen Mitgliedstaat (oder in einem bestimmten Gebiet innerhalb des Mitgliedstaats) gestattet wird (mengenmäßige Beschränkungen), oder wenn bestimmte Mindestentfernungen zwischen Dienstleistungserbringern einzuhalten sind (territoriale Beschränkungen) ( 59 ). Der Gerichtshof hat ausgeführt, dass eine „territoriale Beschränkung“ auch gegeben ist, wenn das nationale Recht die Genehmigung zur Ausübung des Gewerbes insgesamt auf ein bestimmtes geografisches Gebiet beschränkt ( 60 ) oder den Handel in bestimmten geografischen Gebieten untersagt ( 61 ). |
69. |
In der vorliegenden Sache ist es nach den Angaben des vorlegenden Gerichts (sowie aller Parteien und Verfahrensbeteiligten) so, dass das spanische Hoheitsgebiet (mit Ausnahme Kataloniens und des Baskenlands) durch die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Maßnahme in fünf Gebiete aufgeteilt wird, wobei in jedem Gebiet jeweils nur ein Anbieter (der im Verfahren zur Vergabe der Konzession für eine öffentliche Dienstleistung erfolgreiche Auftragnehmer) befugt ist, die Kurse zur Sensibilisierung und Nachschulung für den Straßenverkehr zu erteilen ( 62 ). Der betreffende Anbieter hat über das Gebiet, für das er die Konzession für eine öffentliche Dienstleistung erhalten hat, die ausschließliche Kontrolle, was darauf hinausläuft, dass anderen Anbietern die Erbringung der in Rede stehenden Dienstleistungen im betreffenden Gebiet untersagt ist. |
70. |
Selbst wenn eine Maßnahme wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende einen Dienstleistungserbringer nicht daran hindert, am Verfahren zur Vergabe einer öffentlichen Konzession auf dem Markt für die Erteilung von Kursen zur Sensibilisierung und Nachschulung für den Straßenverkehr teilzunehmen, setzt sie doch Grenzen dafür, wie viele Dienstleistungserbringer dieses Recht ausüben können (je einer in den fünf vorab festgelegten geografischen Gebieten) und wo sie dies tun dürfen. |
71. |
Daraus folgt meines Erachtens, dass eine solche Maßnahme sowohl eine mengenmäßige als auch eine territoriale Beschränkung im Sinne von Art. 15 Abs. 2 Buchst. a der Dienstleistungsrichtlinie darstellt ( 63 ). Folglich beschränkt sie die Niederlassungsfreiheit und ist nur zulässig, wenn sie die Voraussetzungen nach Art. 15 Abs. 3 der Richtlinie erfüllt, auf die ich nun eingehen werde. |
2. Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Beschränkung (Art. 15 Abs. 3)
72. |
Art. 15 Abs. 3 der Dienstleistungsrichtlinie zählt drei Voraussetzungen auf, die erfüllt sein müssen, damit eine „Beschränkung“ zulässig ist. Konkret ist nach dieser Bestimmung erforderlich, dass eine solche Beschränkung (i) nicht aufgrund der Staatsangehörigkeit diskriminiert (Art. 15 Abs. 3 Buchst. a), (ii) erforderlich (d. h. durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt) (Art. 15 Abs. 3 Buchst. b) und (iii) verhältnismäßig (Art. 15 Abs. 3 Buchst. c) ist. |
73. |
In der vorliegenden Rechtssache bereitet die Frage, ob die ersten beiden Voraussetzungen erfüllt sind, meines Erachtens wenig Schwierigkeiten. |
74. |
Denn erstens diskriminiert eine Beschränkung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende offensichtlich nicht aufgrund der Staatsangehörigkeit (Art. 15 Abs. 3 Buchst. a) (erste Voraussetzung). |
75. |
Zweitens denke ich, dass eine solche Beschränkung durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses im Sinne von Art. 15 Abs. 3 Buchst. b in Verbindung mit Art. 4 Nr. 8 der Dienstleistungsrichtlinie gerechtfertigt ist (zweite Voraussetzung). |
76. |
Die spanischen Behörden haben die Zulassung nur jeweils eines Anbieters für die Erbringung der in Rede stehenden Dienstleistungen in jedem der fünf geografischen Gebiete vor dem nationalen Gericht damit begründet, dass eine solche Beschränkung erforderlich sei, um sicherzustellen, dass die Kurse zur Sensibilisierung und Nachschulung für den Straßenverkehr im gesamten relevanten Hoheitsgebiet angeboten würden. Eine Maßnahme wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende trage, indem sie den geografischen Zugang zu diesen Kursen erleichtere, zur wirksamen Schulung von Verkehrssündern bei und stärke damit insgesamt die Straßenverkehrssicherheit. |
77. |
Gemäß Art. 4 Nr. 8 der Dienstleistungsrichtlinie in Verbindung mit dem 40. Erwägungsgrund der Richtlinie zählt die „Straßenverkehrssicherheit“ zu den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, die Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit rechtfertigen können. Meiner Ansicht nach erfüllt eine Maßnahme wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, deren Zweck die Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit ist, deshalb die in Art. 15 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie aufgestellte zweite Voraussetzung. |
78. |
Schwieriger zu beurteilen ist die Frage, ob eine solche Maßnahme die dritte Voraussetzung erfüllt (die Verhältnismäßigkeit nach Art. 15 Abs. 3 Buchst. c der Dienstleistungsrichtlinie). Insoweit erinnere ich daran, dass dafür zwei Bedingungen erfüllt sein müssen. Die Maßnahme muss erstens geeignet sein, was nach dem Wortlaut von Art. 15 Abs. 3 Buchst. c der Dienstleistungsrichtlinie bedeutet, dass sie zur Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels geeignet sein muss. Zweitens darf die Maßnahme nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist. Stehen verschiedene Maßnahmen zur Erreichung des betreffenden Ziels zur Wahl, ist das Mittel zu wählen, das die durch die Richtlinie garantierte Niederlassungsfreiheit am wenigsten einschränkt ( 64 ). |
79. |
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist es letztlich Sache des nationalen Gerichts, das allein für die Beurteilung des Sachverhalts des Ausgangsrechtsstreits zuständig ist, darüber zu befinden, ob eine Maßnahme diesen Anforderungen entspricht ( 65 ). Um dem nationalen Gericht zweckdienliche Antworten geben zu können, ist der Gerichtshof jedoch befugt, dem vorlegenden Gericht auf der Grundlage der Akten des Ausgangsverfahrens und der vor ihm abgegebenen schriftlichen und mündlichen Erklärungen Hinweise zu geben, die diesem Gericht eine Entscheidung ermöglichen ( 66 ). |
80. |
Zur ersten Bedingung ist festzustellen, dass der Gerichtshof bei früheren Gelegenheiten Maßnahmen, die eine territoriale Beschränkung darstellen, für geeignet befunden hat, das verfolgte Ziel zu erreichen, soweit sie bezweckten, die Versorgung den Bedürfnissen der Bevölkerung anzupassen, das gesamte Hoheitsgebiet abzudecken oder geografisch isolierte oder in sonstiger Weise benachteiligte Regionen zu berücksichtigen ( 67 ). |
81. |
Angesichts dieser Rechtsprechung teile ich die von CNAE u. a. sowie der spanischen Regierung vertretene Auffassung, dass eine Maßnahme wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende insoweit, als sie gewährleistet, dass es in jedem der fünf Gebiete des relevanten Hoheitsgebiets zumindest einen Marktteilnehmer gibt, der für die Ausübung dieser Tätigkeit verantwortlich ist, dazu beiträgt, sicherzustellen, dass Fahrer im gesamten relevanten Hoheitsgebiet, also auch in den Gebieten, die benachteiligt oder weniger attraktiv sind, Zugang zu Schulungszentren haben. Eine solche Maßnahme ist daher geeignet, das verfolgte Ziel (nämlich die Verbesserung der „Straßenverkehrssicherheit“, indem Fahrern, die wegen Verkehrsverstößen Führerscheinpunkte verloren haben, der Zugang zu Schulungszentren erleichtert wird) zu erreichen. |
82. |
Was die zweite Bedingung angeht (d. h. die Frage, ob eine Maßnahme wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende über das zur Erreichung des verfolgten Ziels Erforderliche hinausgeht), habe ich allerdings gewisse Zweifel. |
83. |
So ist das gesamte spanische Hoheitsgebiet (ausgenommen Katalonien und das Baskenland) im Kontext des Ausgangsverfahrens in nur fünf Gebiete aufzuteilen. Für jedes dieser fünf Gebiete darf es jeweils nur einen Dienstleistungserbringer geben. Insgesamt dürfen also höchstens fünf Dienstleistungserbringer die in Rede stehenden Dienstleistungen erbringen. |
84. |
Meines Erachtens ist dies eine ganz erhebliche Beschränkung der Anzahl der Dienstleistungserbringer, wobei aber nicht klar ist, weshalb eine Aufteilung des relevanten Hoheitsgebiets in nur fünf (große) Gebiete die am wenigsten einschränkende Art und Weise sein soll, eine angemessene geografische Verteilung der Schulungszentren zu erzielen. Ohne zusätzliche, auf die Bevölkerungsgröße abstellende Anforderungen in Bezug auf u. a. die mindestens oder höchstens einzuhaltenden Entfernungen zwischen zwei Zentren oder die Anzahl der zu betreibenden Zentren bleibt meines Erachtens nämlich für jeden Konzessionsinhaber durchaus die Möglichkeit bestehen, die in Rede stehenden Dienstleistungen nur in den Teilen des ihm zugewiesenen Gebiets anzubieten, die für ihn am rentabelsten sind, und die weniger attraktiven Teile des Gebiets zu ignorieren. |
85. |
Der Akte sowie insbesondere den schriftlichen Erklärungen von AUDICA entnehme ich, dass die Ausschreibungsunterlagen und das Lastenheft (cahier des charges) solche zusätzlichen Anforderungen beinhalten, u. a. in Bezug auf die Anzahl der Zentren, die in jedem Gebiet in Abhängigkeit von der Bevölkerungsgröße einzurichten sind. Meiner Meinung nach sind es eher diese Anforderungen als die Aufteilung des relevanten Hoheitsgebiets in fünf Gebiete und die damit einhergehende Begrenzung der Anzahl der Dienstleistungserbringer, die die Marktteilnehmer daran hindert, ihre Tätigkeit ausschließlich auf die als attraktiv angesehenen Gegenden zu konzentrieren, was zum Vorteil der Einwohner dieser Gegenden wäre und zum Nachteil der Einwohner der weniger attraktiven Gegenden, die dann schlechteren Zugang zu den betreffenden Dienstleistungen hätten ( 68 ). |
86. |
Alles in allem denke ich, dass eine Aufteilung des relevanten Hoheitsgebiets in eine größere Anzahl (kleinerer) geografischer Gebiete (mehr als fünf) nicht nur in allen Teilen des relevanten Hoheitsgebiets ausreichenden Zugang zu Kursen zur Sensibilisierung und Nachschulung für den Straßenverkehr sicherstellen würde, sondern es gleichzeitig auch einer größeren Anzahl von Inhabern einer Konzession für eine öffentliche Dienstleistung ermöglichen würde, die fraglichen Dienstleistungen in allen Teilen des relevanten Hoheitsgebiets zu erbringen. Daraus folgt meines Erachtens, dass es weniger einschneidende Maßnahmen gibt, die zur Erreichung des verfolgten, im Allgemeininteresse liegenden Ziels geeignet sind (Art. 15 Abs. 3 Buchst. c der Dienstleistungsrichtlinie). |
87. |
In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen bin ich der Ansicht, dass eine Maßnahme wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende insoweit, als sie über das zur Erreichung des verfolgten Ziels Erforderliche hinausgeht, die in Art. 15 Abs. 3 der Dienstleistungsrichtlinie aufgestellte dritte Voraussetzung nicht erfüllt. |
88. |
Meines Erachtens sollte eine solche Maßnahme daher für mit dieser Bestimmung der Dienstleistungsrichtlinie unvereinbar befunden werden. Angesichts meiner Ausführungen oben in Nr. 62 steht einer solchen Maßnahme auch Art. 10 Abs. 4 dieser Richtlinie entgegen. |
89. |
Nachdem ich zu diesem Schluss gelangt bin, möchte ich allerdings noch hervorheben, dass man meiner Meinung nach nicht so weit zu gehen braucht, zu sagen, dass die in Rede stehenden Dienstleistungen nicht mittels einer Konzession für eine öffentliche Dienstleistung erbracht werden sollten. Ich halte es durchaus für möglich, die Verpflichtung, die einschlägigen Verträge als Konzession für eine öffentliche Dienstleistung zu vergeben, grundsätzlich beizubehalten, die Ausübung dieser Tätigkeit aber einer größeren Anzahl von Konzessionsinhabern zu gestatten. |
90. |
Insbesondere bin ich – entgegen der von AUDICA vertretenen Ansicht – der Meinung, dass der rechtliche Rahmen für die Erteilung der in Rede stehenden Kurse nicht demjenigen ähneln muss, der für Kurse zur erstmaligen Erlangung einer Fahrerlaubnis besteht, die lediglich einer Genehmigungsregelung, nicht jedoch einer Konzession für eine öffentliche Dienstleistung unterliegen. |
91. |
Insoweit bin ich offen für die Argumente, die die spanische Regierung zur Erläuterung der unterschiedlichen Behandlung dieser beiden Tätigkeiten vorgebracht hat. Die spanische Regierung führt (meines Erachtens überzeugend) aus, dass sich Kurse zum Erwerb einer Fahrerlaubnis und solche zur Wiedererlangung verlorener Fahrerlaubnispunkte in zweierlei Hinsicht unterschieden: Erstens seien Erstere nicht an Personen gerichtet, die Verkehrsverstöße begangen hätten, und zweitens dienten sie der Vorbereitung auf eine Prüfung, die unmittelbar von den zuständigen Behörden durchgeführt werde, so dass die Behörden jedenfalls im Einzelfall Kontrolle über die Fahrerlaubniserteilung ausüben könnten. Für die Wiedererlangung von wegen Verkehrsverstößen verlorenen Fahrerlaubnispunkten gebe es keine entsprechende Prüfung. Deshalb sei es erforderlich, dass die Behörden größere Kontrolle über die Erteilung der in Rede stehenden Kurse ausübten. |
92. |
Meines Erachtens ist die Art und Weise, in der zwei unterschiedliche Dienstleistungen innerhalb eines Mitgliedstaats organisiert werden, jedenfalls in erster Linie eine Frage, die die Kohärenz der nationalen Rechtsvorschriften betrifft. Sie gibt keinen Aufschluss darüber, ob eine Maßnahme, die nur eine dieser beiden Dienstleistungen betrifft, mit den in Art. 15 Abs. 3 der Dienstleistungsrichtlinie festgelegten Voraussetzungen vereinbar ist. |
3. Besonderer Maßstab für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (Art. 15 Abs. 4)
93. |
Abschließend möchte ich erläutern, weshalb der Umstand, dass die Erteilung der in Rede stehenden Kurse als DAWI im Sinne von Art. 14 und Art. 106 Abs. 2 AEUV ( 69 ) eingestuft werden kann, keinen Einfluss auf das Ergebnis hat, zu dem ich soeben hinsichtlich der Vereinbarkeit einer Maßnahme wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden mit Art. 15 Abs. 3 der Dienstleistungsrichtlinie gelangt bin. |
94. |
Insoweit erinnere ich erstens daran, dass für die Zwecke der Dienstleistungsrichtlinie Dienstleistungen nur dann als DAWI angesehen werden können, wenn sie der Erfüllung eines „besonderen Auftrags von öffentlichem Interesse dienen, mit dem der Dienstleistungserbringer von dem betreffenden Mitgliedstaat betraut wurde“ ( 70 ). Die Beweislast für das Bestehen eines solchen „besonderen Auftrags“ tragen die Mitgliedstaaten. Die Mitgliedstaaten verfügen dabei über ein weites Ermessen, den Umfang und die Organisation ihrer DAWI zu bestimmen, wobei sie insbesondere Ziele berücksichtigen können, die ihrer nationalen Politik eigen sind ( 71 ). |
95. |
Zweitens weise ich darauf hin, dass, wenn die nationalen Gerichte entscheiden sollten, dass es sich bei der Erteilung der in Rede stehenden Kurse um eine DAWI handelt, eine solche Dienstleistung unter Art. 15 Abs. 4 der Dienstleistungsrichtlinie ( 72 ) fiele, so dass die Vereinbarkeit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Maßnahme mit dem Unionsrecht anhand der in dieser Bestimmung enthaltenen besonderen Regel zu beurteilen wäre. |
96. |
Diese besondere Regel sieht im Wesentlichen vor, dass Art. 15 Abs. 1 bis 3 dieser Richtlinie für Rechtsvorschriften im Bereich der DAWI nur insoweit gelten, als die Anwendung dieser Absätze die Erfüllung der anvertrauten besonderen Aufgabe nicht rechtlich oder tatsächlich verhindert ( 73 ). |
97. |
Der Gerichtshof hat erläutert, dass sich aus dem Wortlaut der Bestimmung ergibt, dass DAWI nicht automatisch vom Anwendungsbereich von Art. 15 der Dienstleistungsrichtlinie ausgenommen sind ( 74 ). Er hat allerdings auch entschieden, dass im Anwendungsbereich von Art. 15 Abs. 4 der Richtlinie die ersten drei Absätze derselben Bestimmung dahin zu verstehen sind, dass sie einer nationalen Regelung, die eine Beschränkung einer DAWI vorsieht, nicht entgegensteht, soweit diese Beschränkung (i) erforderlich ist, damit die Aufgaben unter die wirtschaftliche Lebensfähigkeit ermöglichenden Bedingungen erfüllt werden können, und (ii) im Hinblick auf diese Aufgabenerfüllung verhältnismäßig ist ( 75 ). |
98. |
Ich verstehe die erste dieser beiden Bedingungen so, dass die in Art. 15 Abs. 1 bis 3 der Dienstleistungsrichtlinie genannten Voraussetzungen nicht anzuwenden sind, wenn sie verhindern würden, dass die als DAWI eingestufte Aufgabe unter Bedingungen erfüllt werden könnte, die die wirtschaftliche Lebensfähigkeit ermöglichen. |
99. |
Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, diese Beurteilung im vorliegenden Fall vorzunehmen, sollte festgestellt werden, dass die Erteilung der in Rede stehenden Kurse eine DAWI darstellt. Allerdings würde ich dazu neigen, der von der tschechischen Regierung vertretenen Auffassung zuzustimmen, dass die Anwendung der Art. 15 Abs. 1 bis 3 der Dienstleistungsrichtlinie hier der Erfüllung der besonderen Aufgabe, um deren Zuweisung es im Ausgangsverfahren geht, nicht entgegensteht. |
100. |
Wie ich bereits oben in Nr. 86 ausgeführt habe, bin ich der Meinung, dass eine Aufteilung des relevanten Hoheitsgebiets in eine größere Anzahl (kleinerer) Gebiete als die bestehenden fünf geografischen Gebiete (was auf eine entsprechend größere Anzahl von Konzessionsinhabern im relevanten Hoheitsgebiet hinauslaufen könnte) tatsächlich dazu beitrüge, die Erbringung der in Rede stehenden Dienstleistungen in weniger attraktiven Gegenden zu erleichtern. Dies führt mich zu dem Schluss, dass die Gebietsaufteilung und die mengenmäßige Beschränkung, die durch eine Maßnahme wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende festgelegt wird, nicht erforderlich ist, um die spezielle Aufgabe, um die es hier geht, unter die wirtschaftliche Lebensfähigkeit ermöglichenden Bedingungen zu erfüllen; ganz im Gegenteil. |
101. |
Im Licht dieser Erwägungen bin ich der Ansicht, dass der Umstand, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Tätigkeit als DAWI eingestuft werden kann, keinerlei Einfluss auf die Anwendung von Art. 15 Abs. 1 bis 3 der Dienstleistungsrichtlinie auf den vorliegenden Fall haben sollte. |
V. Ergebnis
102. |
Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien) wie folgt zu beantworten:
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( 1 ) Originalsprache: Englisch.
( 2 ) Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. 2006, L 376, S. 36).
( 3 ) Siehe Art. 1 Abs. 1 und Erwägungsgründe 5 bis 7 der Dienstleistungsrichtlinie.
( 4 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe (ABl. 2014, L 94, S. 1).
( 5 ) BOE Nr. 283 vom 24. November 2009.
( 6 ) BOE Nr. 172 vom 20. Juli 2005.
( 7 ) BOE Nr. 190 vom 10. August 2005.
( 8 ) Art. 14 AEUV sieht im Wesentlichen vor, dass die Union und die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, dass die Grundsätze und Bedingungen für das Funktionieren der DAWI so gestaltet sind, dass diese ihren Aufgaben nachkommen können.
( 9 ) Vgl. Urteil vom 23. Februar 2016, Kommission/Ungarn (C‑179/14, EU:C:2016:108, Rn. 148 bis 150). Vgl. auch 77. Erwägungsgrund der Dienstleistungsrichtlinie.
( 10 ) Der Begriff „Dienstleistung“ ist in dieser Bestimmung definiert als „jede von [Art. 57 AEUV] erfasste selbstständige Tätigkeit, die in der Regel gegen Entgelt erbracht wird“. Nach Art. 57 AEUV gelten als Dienstleistungen insbesondere gewerbliche Tätigkeiten, kaufmännische Tätigkeiten, handwerkliche Tätigkeiten und freiberufliche Tätigkeiten. Nähere Angaben dazu, wie dieser Begriff im Kontext der Anwendung der Dienstleistungsrichtlinie auszulegen ist, sind den Erwägungsgründen 33 und 34 der Richtlinie zu entnehmen.
( 11 ) Ich merke an, dass das vorlegende Gericht selbst, indem es sich hauptsächlich auf die Bestimmungen in Kapitel III (Art. 9 bis 15) der Dienstleistungsrichtlinie bezieht, ersichtlich annimmt, dass der vorliegende Fall den Bestimmungen über die Niederlassung und nicht denjenigen über Dienstleistungen unterliegt (Vgl. ähnlich Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar in der Rechtssache Hiebler, C‑293/14, EU:C:2015:472, Nrn. 21 und 22).
( 12 ) Vgl. Urteil vom 14. Juli 2016, Promoimpresa u. a. (C‑458/14 und C‑67/15, EU:C:2016:558, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).
( 13 ) Ebd., Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung. Vgl. auch Urteil vom 11. Juni 2020, KOB (C‑206/19, EU:C:2020:463, Rn. 32).
( 14 ) Insoweit verweise ich auf die Schlussanträge des Generalanwalts Bot in der Rechtssache Kommission/Ungarn (C‑179/14, EU:C:2015:619, Nrn. 69 bis 73). Ich möchte auch darauf hinweisen, dass sich der Gerichtshof, wie Generalanwalt Szpunar in seinen Schlussanträgen in den verbundenen Rechtssachen Promoimpresa u. a. (C‑458/14 und C‑67/15, EU:C:2016:122, Nr. 41) angemerkt hat, in mindestens zwei Urteilen auf eine Auslegung der Art. 10, 11 und 15 der Dienstleistungsrichtlinie beschränkt hat, ohne sich zu den Bestimmungen des AEU-Vertrags zu äußern (vgl. Urteile vom 1. Oktober 2015, Trijber und Harmsen, C‑340/14 und C‑341/14, EU:C:2015:641, sowie vom 23. Dezember 2015, Hiebler, C‑293/14, EU:C:2015:843).
( 15 ) Jedenfalls ist meines Erachtens klar, dass eine Maßnahme auch mit Art. 49 AEUV unvereinbar wäre, wenn sie als mit Art. 15 der Dienstleistungsrichtlinie unvereinbar angesehen werden sollte. So sind z. B. die in Art. 52 AEUV vorgesehenen Rechtfertigungsgründe (für „Beschränkungen“ etwa der durch Art. 49 AEUV geschützten Niederlassungsfreiheit) sämtlich als „zwingende Gründe des Allgemeininteresses“ im Sinne von Art. 15 Abs. 3 der genannten Richtlinie (in Verbindung mit deren Art. 4 Abs. 8) aufgeführt.
( 16 ) Das vorlegende Gericht führt im Vorabentscheidungsersuchen ferner aus, dass es sich bei der Erteilung der in Rede stehenden Kurse um eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (DAWI) handeln könnte. Auf diesen Begriff werde ich nachstehend in Abschnitt B eingehen. An dieser Stelle mag die Feststellung genügen, dass die Erteilung der in Rede stehenden Kurse selbst dann in den Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie fiele, wenn sie als Dienst von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse anzusehen wäre (vgl. 17. Erwägungsgrund, Art. 1 Abs. 2 und 3 sowie Art. 15 Abs. 4 der Richtlinie).
( 17 ) Zwar sind „Verkehrsdienstleistungen“ ausdrücklich vom sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen, nicht vom Anwendungsbereich von Art. 49 AEUV. Der Gerichtshof hat ausdrücklich festgestellt, dass die Bestimmungen des AEU-Vertrags über die Niederlassungsfreiheit „auf den Verkehr unmittelbar … Anwendung finden“ (vgl. Urteil vom 22. Dezember 2010, Yellow Cab Verkehrsbetrieb, C‑338/09, EU:C:2010:814, Rn. 33). Folglich wäre die Vereinbarkeit der fraglichen Maßnahme anhand von Art. 49 AEUV zu beurteilen, wenn die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Tätigkeit als „Verkehrsdienstleistung“ anzusehen sein sollte.
( 18 ) In diesem Sinne ist Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Dienstleistungsrichtlinie der in Art. 58 Abs. 1 AEUV verankerten Regel nachempfunden (vgl. Urteil vom 15. Oktober 2015, Grupo Itevelesa u. a.,C‑168/14, EU:C:2015:685, Rn. 44).
( 19 ) „Verkehrsdienstleistungen“ unterliegen vielmehr eigenen Regeln, die in Titel VI AEUV enthalten sind (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar in den verbundenen Rechtssachen Trijber und Harmsen, C‑340/14 und C‑341/14, EU:C:2015:505, Nr. 28).
( 20 ) Ebd., Nr. 29.
( 21 ) Vgl. Urteile vom 15. Oktober 2015, Grupo Itevelesa u. a. (C‑168/14, EU:C:2015:685, Rn. 46), und vom 20. Dezember 2017, Asociación Profesional Elite Taxi (C‑434/15, EU:C:2017:981, Rn. 41).
( 22 ) Insoweit schließe ich mich uneingeschränkt der von Generalanwalt Wahl in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Grupo Itevelesa u. a. (C‑168/14, EU:C:2015:351, Nr. 28) vertretenen Auffassung an.
( 23 ) Vgl. Urteil vom 1. Oktober 2015, Trijber und Harmsen (C‑340/14 und C‑341/14, EU:C:2015:641, Rn. 51).
( 24 ) Vgl. 21. Erwägungsgrund der Dienstleistungsrichtlinie.
( 25 ) Vgl. Gutachten 2/15 (Freihandelsabkommen EU–Singapur) vom 16. Mai 2017 (EU:C:2017:376, Rn. 61). Vgl. in diesem Sinne auch Schlussanträge des Generalanwalts Wahl in der Rechtssache Grupo Itevelesa u. a. (C‑168/14, EU:C:2015:351, Nr. 31).
( 26 ) Vgl. 33. Erwägungsgrund der Dienstleistungsrichtlinie.
( 27 ) Vgl. Urteil vom 19. Dezember 2019, Dobersberger (C‑16/18, EU:C:2019:1110, Rn. 26).
( 28 ) Ich nehme zur Kenntnis, dass „Verkehrsdienstleistungen“ gemäß dem 21. Erwägungsgrund der Dienstleistungsrichtlinie unter anderem Verkehrsdienstleistungen wie Personennahverkehr, Taxis und Krankenwagen sowie Hafendienste umfassen (Hervorhebung nur hier). Dies ist jedoch nicht Grund genug, den Anwendungsbereich von Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie zu weit auszudehnen.
( 29 ) C‑340/14 und C‑341/14, EU:C:2015:505, Nrn. 36 bis 38.
( 30 ) Dem nicht verbindlichen, aber dennoch aufschlussreichen Handbuch zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie der Kommission zufolge erstreckt sich die Ausnahme in Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie weder auf Dienstleistungen von „Fahrschulen, Umzugsservices, Fahrzeugvermietungen, Beerdigungsdienstleistungen und Luftfotografiedienstleistungen“ noch auf „geschäftliche Tätigkeiten in Häfen und Flughäfen, wie beispielsweise Geschäfte und Restaurants“ (vgl. Handbuch zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie, Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, 2007, S. 12, auf Deutsch im Internet abrufbar unter: https://op.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/a4987fe6-d74b-4f4f-8539-b80297d29715).
( 31 ) Selbstverständlich ist es Sache des nationalen Gerichts, diese Schlussfolgerung zu überprüfen (vgl. Urteil vom 1. Oktober 2015, Trijber und Harmsen, C‑340/14 und C‑341/14, EU:C:2015:641, Rn. 54).
( 32 ) Vgl. Urteil vom 15. Oktober 2015 (C‑168/14, EU:C:2015:685).
( 33 ) Ebd., Rn. 47 und 50. Der Gerichtshof hat daher festgestellt, dass die Tätigkeit der Stationen zur technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen vom Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie ausgenommen ist (vgl. Rn. 52 des Urteils).
( 34 ) Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Wahl in der Rechtssache Grupo Itevelesa u. a. (C‑168/14, EU:C:2015:351, Nr. 31).
( 35 ) Vgl. Urteil vom 15. Oktober 2015 (C‑168/14, EU:C:2015:685).
( 36 ) Zu diesem Schluss führt auch der 57. Erwägungsgrund der Dienstleistungsrichtlinie, in dem es im Wesentlichen heißt, dass die Bestimmungen dieser Richtlinie die Genehmigungsregelungen betreffen (d. h. Art. 9 bis 13), keine Anwendung auf öffentliche Dienstleistungskonzessionen finden, die u. a. unter die Richtlinie 2014/23 fallen können (vgl. Urteil vom 14. Juli 2016, Promoimpresa u. a., C‑458/14 und C‑67/15, EU:C:2016:558, Rn. 45). Umgekehrt heißt es im 14. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/23, dass „Genehmigungen oder Lizenzen“ nicht als „Konzessionen“ im Sinne der Richtlinie 2014/23 gelten, sondern weiterhin den Bestimmungen der Dienstleistungsrichtlinie unterliegen.
( 37 ) Entgegen dem Vorbringen von CNAE u. a. in der mündlichen Verhandlung bin ich der Ansicht, dass sich die Richtlinie 2014/23 und die Dienstleistungsrichtlinie nicht insgesamt wechselseitig ausschließen.
( 38 ) Umgekehrt können, falls die in Rede stehenden Kurse nicht unter die Richtlinie 2014/23 fallen sollten, die Art. 9 bis 13 der Dienstleistungsrichtlinie in der Situation, um die es im Ausgangsverfahren geht, anwendbar sein, sofern die fragliche nationale Maßnahme als „Genehmigungsregelung“ im Sinne dieser Bestimmungen anzusehen ist (siehe unten, Nrn. 51 bis 55).
( 39 ) Vgl. Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2014/23.
( 40 ) Vgl. Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2014/23.
( 41 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Juli 2016, Promoimpresa u. a. (C‑458/14 und C‑67/15, EU:C:2016:558, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).
( 42 ) Vgl. Art. 54 Abs. 2 der Richtlinie 2014/23.
( 43 ) Im vorliegenden Fall scheinen alle Parteien und Verfahrensbeteiligten darin übereinzustimmen, dass die Ausschreibung, um die es im Ausgangsverfahren geht, im November 2014 veröffentlicht wurde, d. h. nach dem Stichtag des 17. April 2014.
( 44 ) Vgl. Urteil vom 15. Oktober 2009, Hochtief und Linde-Kca-Dresden (C‑138/08, EU:C:2009:627, Rn. 30).
( 45 ) Vgl. 23. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/23.
( 46 ) Vgl. Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2014/23.
( 47 ) Vgl. Urteil vom 14. Juli 2016, Promoimpresa u. a. (C‑458/14 und C‑67/15, EU:C:2016:558, Rn. 39).
( 48 ) Insoweit teile ich daher nicht die von CNAE u. a. vertretene Auffassung, dass der Umstand, dass die Erteilung der in Rede stehenden Kurse eine „Konzession“ voraussetze, die Anwendbarkeit der Dienstleistungsrichtlinie ausschließe.
( 49 ) Dies war auch der entscheidende Faktor im Urteil Promoimpresa u. a. (C‑458/14 und C‑67/15, EU:C:2016:558, Rn. 41). Vgl. auch Nr. 6.1.1 (S. 29) im Handbuch zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie (Quellenangabe vorstehend in Fn. 30).
( 50 ) Der Vollständigkeit halber möchte ich für den Fall, dass in der vorliegenden Rechtssache weder die Richtlinie 2014/23 noch die Art. 9 bis 13 der Dienstleistungsrichtlinie Anwendung finden sollten, hinzufügen, dass die Behörden dann meines Erachtens gehalten wären, die Grundregeln des AEU-Vertrags im Allgemeinen sowie das Diskriminierungsverbot im Besonderen zu beachten (vgl. Urteil vom 14. Juli 2016, Promoimpresa u. a., C‑458/14 und C‑67/15, EU:C:2016:558, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung). Anders gesagt, die Vergabebedingungen für den Konzessionsvertrag, um den es im Ausgangsverfahren geht, müssten Art. 49 AEUV genügen.
( 51 ) Vgl. u. a. Urteil vom 11. März 2010, Attanasio Group (C‑384/08, EU:C:2010:133, Rn. 23).
( 52 ) Vgl. u. a. Urteil vom 22. Dezember 2010, Omalet (C‑245/09, EU:C:2010:808, Rn. 12 und die dort angeführte Rechtsprechung).
( 53 ) Vgl. z. B. für die Ansicht, dass dies nicht der Fall ist, Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar in den verbundenen Rechtssachen Trijber und Harmsen (C‑340/14 und C‑341/14, EU:C:2015:505, Nrn. 49 bis 57).
( 54 ) Vgl. Urteil vom 30. Januar 2018, X (C‑360/15 und C‑31/16, EU:C:2018:44, Rn. 110). Dies gilt jedoch nicht für die Dienstleistungsfreiheit (vgl. Rn. 102 dieses Urteils).
( 55 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Oktober 2015, Trijber und Harmsen (C‑340/14 und C‑341/14, EU:C:2015:641, Rn. 41). In dem Urteil genügte der vom vorlegenden Gericht in der Vorlageentscheidung angeführte Umstand, dass die fragliche Regelung jeden Dienstleistungserbringer in seinem Marktzugang beeinträchtigen könne, auch solche, die aus anderen Mitgliedstaaten stammten, für die Feststellung, dass es in den Vorlagefragen nicht um rein innerstaatliche Sachverhalte ging.
( 56 ) Vgl. Urteil vom 23. Dezember 2015, Hiebler (C‑293/14, EU:C:2015:843, Rn. 53).
( 57 ) Ebd., Rn. 55 ff.
( 58 ) Vgl. Urteil vom 23. Dezember 2015, Hiebler (C‑293/14, EU:C:2015:843, Rn. 51).
( 59 ) Vgl. Art. 15 Abs. 2 Buchst. a sowie die Erläuterungen im Handbuch zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie (Nr. 6.3.1, S. 38) (siehe oben, Fn. 30).
( 60 ) Vgl. Urteil vom 23. Dezember 2015, Hiebler (C‑293/14, EU:C:2015:843, Rn. 48 und 49).
( 61 ) Vgl. Urteil vom 30. Januar 2018, X (C‑360/15 und C‑31/16, EU:C:2018:44, Rn. 131).
( 62 ) Nach den Angaben, die von CNAE u. a. im Zusammenhang mit dem Ausgangsverfahren gemacht wurden, war für alle fünf Gebiete derselbe Bieter erfolgreich.
( 63 ) Ich halte es auch für möglich, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Maßnahme als eine Anforderung einzustufen sein könnte, die „die Aufnahme der betreffenden Dienstleistungstätigkeit aufgrund ihrer Besonderheiten bestimmten Dienstleistungserbringern [vorbehält]“ (vgl. Art. 15 Abs. 2 Buchst. d der Dienstleistungsrichtlinie), da eine solche Maßnahme, wie AUDICA ausführt, im Grunde darauf abzielt, fünf Monopole zu schaffen (eines in jedem Gebiet).
( 64 ) Vgl. Urteil vom 1. Oktober 2015, Trijber und Harmsen (C‑340/14 und C‑341/14, EU:C:2015:641, Rn. 70 und die dort angeführte Rechtsprechung).
( 65 ) Ebd., Rn. 71.
( 66 ) Ebd., Rn. 55.
( 67 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 1. Juni 2010, Blanco Pérez und Chao Gómez (C‑570/07 und C‑571/07, EU:C:2010:300, Rn. 70), und vom 26. September 2013, Ottica New Line di Accardi Vincenzo (C‑539/11, EU:C:2013:591, Rn. 36 und 37), zu territorialen Beschränkungen der Einrichtung von Optikergeschäften und Apotheken. Vgl. auch Urteil vom 23. Dezember 2015, Hiebler (C‑293/14, EU:C:2015:843, Rn. 60), zu vergleichbaren Beschränkungen des Rauchfangkehrergewerbes.
( 68 ) Vgl. entsprechend Urteil vom 1. Juni 2010, Blanco Pérez und Chao Gómez (C‑570/07 und C‑571/07, EU:C:2010:300, Rn. 73).
( 69 ) Nach dieser Bestimmung gelten für Unternehmen, die mit DAWI betraut sind, „die Vorschriften der Verträge, … soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert“.
( 70 ) Vgl. 70. Erwägungsgrund der Dienstleistungsrichtlinie.
( 71 ) Ebd. Im Zusammenhang mit der Dienstleistungsrichtlinie hat der Unionsgesetzgeber dieses Ermessen in ihrem Art. 1 Abs. 3 Unterabs. 2 bestätigt, der bestimmt, dass diese Richtlinie nicht das Recht der Mitgliedstaaten berührt, im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht festzulegen, welche Leistungen sie als von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse erachten.
( 72 ) Siehe oben, Nr. 7.
( 73 ) Vgl. auch 72. Erwägungsgrund der Dienstleistungsrichtlinie.
( 74 ) Vgl. Urteil vom 7. November 2018, Kommission/Ungarn (C‑171/17, EU:C:2018:881, Rn. 62).
( 75 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. Dezember 2015, Hiebler (C‑293/14, EU:C:2015:843, Rn. 73).