SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

NICHOLAS EMILIOU

vom 8. September 2022 ( 1 )

Rechtssache C‑270/21

A

(Vorabentscheidungsersuchen des Korkein hallinto-oikeus [Oberstes Verwaltungsgericht, Finnland])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Anerkennung von Berufsqualifikationen – Richtlinie 2005/36/EG – Recht auf Ausübung des Berufs des Erziehers gestützt auf Hochschulabschlüsse und pädagogische Kompetenz – Reglementierter Beruf – In der ehemaligen Sowjetunion erhaltene Berufsqualifikation – Drittland – Begriff“

I. Einleitung

1.

A (im Folgenden: Antragsteller) beantragte beim Opetushallitus, dem finnischen Amt für Bildungswesen (EDUFI), die Anerkennung seiner Qualifikation als Erzieher, wobei er sich auf die folgenden Dokumente stützte: ein im Jahr 1980 in der Estnischen Sozialistischen Sowjetrepublik (im Folgenden: ESSR), d. h. im Hoheitsgebiet der ehemaligen Sowjetunion erworbener Sekundarschulabschluss, zwei in den Jahren 2006 und 2013 in Estland nicht im Bereich des Bildungswesens erworbene Hochschulabschlüsse und ein vom Eesti Õpetajate Liit (Estnischer Lehrerverband) im Jahr 2017 erteiltes Zeugnis der pädagogischen Kompetenz von A.

2.

Der Antrag von A wurde abgelehnt und die Entscheidung des EDUFI wurde durch das Helsingin hallinto-oikeus (Verwaltungsgericht Helsinki, Finnland) bestätigt, das der Auffassung des EDUFI folgte, der Antragsteller erfülle im Wesentlichen nicht die Voraussetzungen für die Anerkennung seiner Berufsqualifikation nach den nationalen Reglungen zur Umsetzung der Richtlinie 2005/36 ( 2 ).

3.

Das Korkein hallinto-oikeus (Oberstes Verwaltungsgericht, Finnland) hat Zweifel in Bezug auf zwei in dieser Richtlinie verwendete Begriffe. Erstens fragt es sich unter Hinweis auf mehrere Merkmale der nationalen Rechtsvorschriften zur Regelung des Zugangs zum Beruf des Erziehers in Estland, ob dieser Beruf, so wie er in Estland behandelt wird, angesichts dessen als ein „reglementierter Beruf“ im Sinne der Richtlinie 2005/36 angesehen werden könne, dass dieser Begriff im Wesentlichen voraussetze, dass der Zugang zu einem bestimmten Beruf vom Besitz„bestimmter Berufsqualifikationen“ abhänge. Zweitens möchte es wissen, ob die in der ehemaligen Sowjetunion verliehene Berufsqualifikation als in einem Drittland erworben anzusehen ist.

II. Rechtlicher Rahmen

A.   Unionsrecht

4.

Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2005/36 bedeutet „reglementierter Beruf“„eine berufliche Tätigkeit oder eine Gruppe beruflicher Tätigkeiten, bei der die Aufnahme oder Ausübung oder eine der Arten der Ausübung direkt oder indirekt durch Rechts- und Verwaltungsvorschriften an den Besitz bestimmter Berufsqualifikationen gebunden ist“.

5.

Art. 13 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2005/36 lautet:

„(1)   Setzt die Aufnahme oder Ausübung eines reglementierten Berufs in einem Aufnahmemitgliedstaat den Besitz bestimmter Berufsqualifikationen voraus, so gestattet die zuständige Behörde dieses Mitgliedstaats den Antragstellern die Aufnahme oder Ausübung dieses Berufs unter denselben Voraussetzungen wie Inländern, wenn sie den Befähigungs- oder Ausbildungsnachweis nach Artikel 11 besitzen, der in einem anderen Mitgliedstaat erforderlich ist, um in dessen Hoheitsgebiet die Erlaubnis zur Aufnahme und Ausübung dieses Berufs zu erhalten.

Befähigungs- oder Ausbildungsnachweise werden in einem Mitgliedstaat von einer nach dessen Rechts- und Verwaltungsvorschriften benannten zuständigen Behörde ausgestellt.

(2)   Aufnahme und Ausübung eines Berufs, wie in Absatz 1 beschrieben, müssen auch den Antragstellern gestattet werden, die den betreffenden Beruf ein Jahr lang in Vollzeit oder während einer entsprechenden Gesamtdauer in Teilzeit in den vorangegangenen zehn Jahren in einem anderen Mitgliedstaat, in dem dieser Beruf nicht reglementiert ist, ausgeübt haben und die im Besitz eines oder mehrerer in einem anderen Mitgliedstaat, in dem dieser Beruf nicht reglementiert ist, ausgestellten Befähigungs- oder Ausbildungsnachweise sind.

Die Befähigungs- oder Ausbildungsnachweise müssen

a)

in einem Mitgliedstaat von einer entsprechend dessen Rechts- und Verwaltungsvorschriften benannten zuständigen Behörde ausgestellt worden sein;

b)

bescheinigen, dass der Inhaber auf die Ausübung des betreffenden Berufs vorbereitet wurde.

Die in Unterabsatz 1 genannte einjährige Berufserfahrung darf allerdings nicht verlangt werden, wenn durch den Ausbildungsnachweis, über den der Antragsteller verfügt, ein reglementierter Ausbildungsgang belegt wird.“

B.   Finnisches Recht

6.

Das Laki ammattipätevyyden tunnustamisesta (1384/2015) (Gesetz über die Anerkennung von Berufsqualifikationen, Nr. 1384/2015; im Folgenden: Berufsqualifikationsgesetz) sieht in § 1 Abs. 1 vor, dass es die Anerkennung beruflicher Qualifikationen und die Dienstleistungsfreiheit nach Maßgabe der Richtlinie 2005/36 regelt. § 6 dieses Gesetzes enthält die einzelnen Voraussetzungen dieser Anerkennung.

C.   Estnisches Recht

7.

Die Anforderungen an die Qualifikation von Erziehern in Estland sind durch die Koolieelse lasteasutuse pedagoogide kvalifikatsiooninõuded, Riigi teataja (Verordnung des Bildungsministers über Qualifikationsanforderungen an Erzieher) vom 26. August 2002 (im Folgenden: Verordnung über Qualifikationsanforderungen an Erzieher) geregelt, die vom Bildungsminister erlassen wurde. Gemäß § 1 Abs. 1 dieser Verordnung werden die Gleichwertigkeit der in dieser Verordnung geregelten Qualifikationsanforderungen und die Befähigung des Arbeitnehmers, in dem betreffenden Beruf zu arbeiten, vom Arbeitgeber beurteilt.

8.

Nach § 18 dieser Verordnung sind die Qualifikationsanforderungen an Erzieher ein Hochschulabschluss und pädagogische Kompetenz. Nach § 37 gelten die in diesem Rechtsinstrument geregelten Qualifikationsanforderungen nicht für Personen, die vor dem 1. September 2013 als Erzieher gearbeitet haben und über eine Qualifikation nach den Vorschriften dieser Verordnung, die vor diesem Zeitpunkt in Kraft waren, bzw. über eine als entsprechend befundene Qualifikation für ähnliche Arbeitsaufgaben verfügen.

III. Sachverhalt, nationales Verfahren und Vorlagefragen

9.

A beantragte beim EDUFI die Anerkennung seiner Berufsqualifikation als Erzieher, wobei er sich auf die folgenden Dokumente stützte: (i) ein Zeugnis über den Erwerb einer „Koolieelsete lasteasutuste kasvataja“ (Frühkindliche Erziehung)-Qualifikation im Jahr 1980 (im Folgenden: Diplom von 1980), (ii) ein Zeugnis über den Erwerb einer „Rakenduskõrghariduse tasemele vastava hotellimajanduse eriala õppekava“ (Spezialisierter Lehrplan für Hotelmanagement auf Hochschulniveau)-Qualifikation im Jahr 2006 (im Folgenden: Diplom von 2006) und (iii) ein Zeugnis über den Erwerb einer „Ärijuhtimise magistri kraad – Turismieetevõtlus ja teeninduse juhtimine“ (Master of Business Administration – Tourismus und Dienstleistungsmanagement)-Qualifikation im Jahr 2013 (im Folgenden: Diplom von 2013). Außerdem fügte A dem Antrag ein vom Estnischen Lehrerverband im Jahr 2017 erteiltes „Kutsetunnistus Õpetaja, tase 6“ (Berufszeugnis Lehrer, Niveau 6)-Zeugnis (im Folgenden: Zeugnis von 2017) bei.

10.

Mit Bescheid vom 8. März 2018 lehnte das EDUFI den Antrag von A ab.

11.

Mit Entscheidung vom 18. April 2019 wies das Helsingin hallinto-oikeus (Verwaltungsgericht Helsinki) den von A gegen den Bescheid des EDUFI eingelegten Rechtsbehelf mit der Begründung zurück, dass die von A erworbenen Abschlüsse und seine Berufserfahrung nicht die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufsqualifikation nach dem Berufsqualifikationsgesetz erfüllten.

12.

Es sei nicht ersichtlich, dass das Zeugnis von 2017 auf einem abgeschlossenen Studium und Berufserfahrung in Estland beruhe. Die Berufsqualifikation von A könne daher nicht in jeder Hinsicht als in Estland erworben angesehen werden. In Anbetracht der Art und Weise, auf die die pädagogische Kompetenz als Qualifikationsanforderung an Erzieher nach estnischem Recht nachzuweisen sei, sei dieser Beruf als in Estland nicht reglementiert anzusehen. Außerdem könne die von A in der ESSR und in Finnland erworbene Berufserfahrung ( 3 ) im Zusammenhang mit der Anerkennung von Berufsqualifikationen nicht berücksichtigt werden, da sie nicht in „einem anderen Mitgliedstaat“ erworben worden sei.

13.

Im Verfahren vor dem vorlegenden Gericht brachte A vor, er habe die erforderliche Ausbildung in seinem Herkunftsstaat erhalten, in dem ihm auch ein Zeugnis der pädagogischen Kompetenz erteilt worden sei. Auch wenn die Erfüllung der maßgeblichen Voraussetzungen vom Arbeitgeber zu beurteilen sei, stelle der Beruf des Erziehers in Estland einen reglementierten Beruf dar, und die pädagogische Kompetenz könne auf unterschiedliche Weise erworben und nachgewiesen werden.

14.

Außerdem sei, obwohl seine erste Qualifikation im Bereich frühkindlicher Erziehung in der ESSR erworben worden sei, diese durch ein Gesetz von 2005 in Estland erworbenen Qualifikationen gleichgestellt worden. Er habe auch das Zeugnis von 2017 erhalten und verfüge somit über zwei Qualifikationen im Bereich frühkindlicher Erziehung aus „einem anderen Mitgliedstaat“.

15.

Das EDUFI führte aus, der in Rede stehende Beruf könne nicht als in Estland reglementiert angesehen werden, da die estnischen Rechtsvorschriften das Erfordernis pädagogischer Kompetenz nicht an einen Ausbildungsnachweis, einen Befähigungsnachweis oder Berufserfahrung knüpften. Die Erfüllung der Voraussetzung der pädagogischen Kompetenz sei vielmehr vom Arbeitgeber zu beurteilen.

16.

Für das vorlegende Gericht ist nicht klar, ob der in Rede stehende Beruf, so wie er in Estland behandelt wird, als „reglementierter Beruf“ im Sinne der Richtlinie 2005/36 anzusehen ist. Einerseits seien die Anforderungen an die Qualifikation in der Verordnung über Qualifikationsanforderungen an Erzieher festgelegt und bestünden in einem Hochschulabschluss und pädagogischer Kompetenz, die in einem von einem für den damit verbundenen Beruf zuständigen Rat verabschiedeten Berufsstandard definiert werde. Zudem habe die Republik Estland den in Rede stehenden Beruf in die bei der Kommission eingerichtete Datenbank reglementierter Berufe aufnehmen lassen. Andererseits stelle die fragliche nationale Verordnung die Beurteilung, ob ein Einzelner die Qualifikationsanforderungen erfülle, in das Ermessen des Arbeitgebers, und es bestünden keine Rechtsvorschriften oder andere Dokumente, die regelten, wie das Vorliegen der erforderlichen pädagogischen Kompetenz nachgewiesen werden könne.

17.

Für den Fall, dass der Beruf des Erziehers in Estland als „reglementierter Beruf“ angesehen wird, besteht für das vorlegende Gericht angesichts des Umstands Unklarheit über die Art des Zeugnisses von 2017, dass es dem vorlegenden Gericht zufolge auf der Grundlage von in der ehemaligen Sowjetunion und in Finnland, dem Aufnahmestaat, erworbener Berufserfahrung erteilt worden sei.

18.

Schließlich hält es das vorlegende Gericht für erforderlich zu prüfen, ob die vom Antragsteller in der ESSR erworbene Berufsqualifikation als in einem Drittland erworben anzusehen sei.

19.

Unter diesen Umständen hat das Korkein hallinto-oikeus (Oberstes Verwaltungsgericht) entschieden, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2005/36 dahin auszulegen, dass als reglementierter Beruf ein Beruf anzusehen ist, bei dem die Qualifikationsanforderungen einerseits in einer vom Bildungsminister eines Mitgliedstaats erlassenen Verordnung festgelegt sind, der Inhalt der von einem Erzieher verlangten pädagogischen Kompetenz in einem Berufsstandard geregelt ist und der Mitgliedstaat den Beruf des Erziehers in die bei der Kommission eingerichtete Datenbank reglementierter Berufe hat aufnehmen lassen, bei dem aber andererseits nach dem Wortlaut der die Anforderungen an die Qualifikation für diesen Beruf betreffenden Verordnung dem Arbeitgeber Ermessen bei der Beurteilung der Erfüllung der Qualifikationsanforderungen, insbesondere hinsichtlich der Anforderung der pädagogischen Kompetenz, eingeräumt wird und die Art des Nachweises für das Vorliegen pädagogischer Kompetenz weder in der fraglichen Verordnung noch in anderen Gesetzen, Verordnungen oder Verwaltungsvorschriften geregelt ist?

2.

Falls die erste Frage bejaht wird: Kann ein von der zuständigen Behörde des Herkunftsmitgliedstaats erteiltes, sich auf eine Berufsqualifikation beziehendes Zeugnis, für dessen Erlangung Arbeitserfahrung im fraglichen Beruf vorausgesetzt wird, als Befähigungs- oder sonstiger Ausbildungsnachweis im Sinne des Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2005/36 angesehen werden, falls die den Grund für die Erteilung des Zeugnisses darstellende Berufserfahrung aus dem Herkunftsmitgliedstaat aus einer Zeit, in der dieser eine sozialistische Sowjetrepublik war, sowie aus dem Aufnahmemitgliedstaat stammt, nicht jedoch aus dem Herkunftsmitgliedstaat aus der Zeit nach dessen erneuter Selbständigkeit?

3.

Ist Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2005/36 dahin auszulegen, dass eine Berufsqualifikation, die auf einem Abschluss beruht, der in einer auf dem geografischen Gebiet eines Mitgliedstaats gelegenen Ausbildungseinrichtung zu einer Zeit erlangt wurde, in der der Mitgliedstaat nicht als selbständiger Staat, sondern als sozialistische Sowjetrepublik existierte, sowie auf Berufserfahrung, die aufgrund dieses Abschlusses in der fraglichen sozialistischen Sowjetrepublik vor der erneuten Selbständigkeit des Mitgliedstaats erworben wurde, als in einem Drittland erworbene Berufsqualifikation anzusehen ist, so dass die Geltendmachung dieser Berufsqualifikation zusätzlich drei Jahre Berufserfahrung in dem Herkunftsmitgliedstaat aus der Zeit nach dessen erneuter Selbständigkeit erfordert?

20.

Die estnische, die spanische, die niederländische und die finnische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Die estnische Regierung hat auch die Fragen beantwortet, die der Gerichtshof zur schriftlichen Beantwortung an sie gerichtet hatte.

IV. Würdigung

21.

Ich werde mit Vorbemerkungen zur Anwendbarkeit der Richtlinie 2005/36 auf den Fall des Ausgangsverfahrens beginnen (A). Sodann werde ich auf die in dieser Richtlinie eingeführte Anerkennungsregelung eingehen (B). Ich werde mit der Analyse fortfahren, indem ich die erste Frage prüfe, die den Begriff „reglementierter Beruf“ betrifft (C), und mich anschließend der dritten Frage zuwenden, ob die in der ehemaligen Sowjetrepublik erlangte Berufsqualifikation als in einem Drittland erlangt anzusehen ist (D). Die zweite Frage, mit der die Bedeutung des Zeugnisses von 2017 geklärt werden soll, wird nur für den Fall gestellt, dass die erste zu bejahen wäre. Da meine vorgeschlagene Antwort auf die erste Frage lautet, dass der in Rede stehende Beruf nicht als „reglementiert“ angesehen werden kann, ist die zweite Frage gegenstandslos. Ich werde jedoch als Teil der ersten Frage auf sie eingehen, soweit die Bedeutung des Zeugnisses von 2017 einen der Faktoren darstellt, die ich in diesem Zusammenhang prüfen werde. Abschließend werde ich für den Fall, dass das vorlegende Gericht feststellen sollte, dass die Richtlinie 2005/36 nicht auf das Ausgangsverfahren Anwendung finde, auf die regelmäßige Anwendbarkeit des Primärrechts der Union hinweisen (E).

A.   Anwendbarkeit der Richtlinie 2005/36 auf das Ausgangsverfahren

22.

Eine der Grundvoraussetzungen für die Anwendung der Richtlinie 2005/36 besteht darin, dass die Person, die um die Anerkennung ihrer Berufsqualifikationen ersucht, in ihrem Herkunftsstaat für die Ausübung des in Rede stehenden Berufs qualifiziert sein muss ( 4 ). Es sei darauf hingewiesen, dass im Ausgangsverfahren in dieser Hinsicht Zweifel bestehen.

23.

Insbesondere verweist die Vorlageentscheidung auf die Angaben des estnischen Bildungs- und Forschungsministeriums, denen zufolge A berechtigt ist, den in Rede stehenden Beruf in Estland auf der Grundlage der Diplome von 2006 und 2013 sowie des Zeugnisses von 2017 auszuüben. Gleichwohl ersuchte das vorlegende Gericht das EDUFI, von den estnischen Behörden Aufklärung darüber zu erlangen, ob A insbesondere auf der Grundlage des Diploms von 1980 unter Berücksichtigung des Umstands für den Beruf des Erziehers in Estland qualifiziert ist, dass er von 1980 bis 1984 als Erzieher in der ESSR gearbeitet hatte. Es ersuchte das EDUFI auch, Aufklärung darüber zu erlangen, ob A in den Anwendungsbereich einer Übergangsbestimmung fällt, die in § 37 der Verordnung über Qualifikationsanforderungen an Erzieher enthalten ist. Nach dieser Bestimmung gelten die in der Verordnung festgelegten Qualifikationsanforderungen nicht für Personen, die vor dem 1. September 2013 als Erzieher gearbeitet haben und nach den Bestimmungen dieser Verordnung, die vor diesem Zeitpunkt in Kraft waren, über eine Qualifikation bzw. über eine als entsprechend befundene Qualifikation für ähnliche Arbeitsaufgaben verfügen. Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts bleiben diese Fragen nach der von den estnischen Behörden erhaltenen Antwort ungeklärt.

24.

Wie von der Kommission ausgeführt, sollte die Frage, ob A für die Ausübung des in Rede stehenden Berufs in Estland qualifiziert ist, im Rahmen des Ausgangsverfahrens weiter untersucht werden, um zu klären, ob die Richtlinie 2005/36 Anwendung findet. Die folgende Analyse beruht auf der Annahme, dass dies in der Tat der Fall ist. Sollte das vorlegende Gericht zu einem anderen Ergebnis kommen, wird die Situation des Antragstellers im Anwendungsbereich der anwendbaren Vertragsbestimmungen, insbesondere der Art. 45 und 49 AEUV und der sich aus der Vlassopoulou-Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebenden Grundsätze verbleiben ( 5 ). Auf diesen Aspekt wird in Abschnitt E dieser Schlussanträge kurz eingegangen.

B.   Die mit der Richtlinie 2005/36 eingeführte Anerkennungsregelung

25.

Die Richtlinie 2005/36 zielt auf die Erleichterung der Anerkennung von Berufsqualifikationen ab, die in einem Mitgliedstaat (im Folgenden: Herkunftsmitgliedstaat) erworben wurden, um Antragstellern in einem anderen Mitgliedstaat (im Folgenden: Aufnahmemitgliedstaat) den Zugang zu dem Beruf zu ermöglichen, zu dem sie qualifiziert sind, und diesen dort unter denselben Bedingungen auszuüben wie Angehörige des Aufnahmemitgliedstaats ( 6 ), wobei wohlgemerkt die in Rede stehenden Berufe im Herkunfts- und Aufnahmemitgliedstaat gleich sein oder sich entsprechen oder „bloß gleichwertig“ sein mögen ( 7 ).

26.

Damit die Richtlinie 2005/36 Anwendung findet, muss der in Rede stehende Beruf im Aufnahmemitgliedstaat „reglementiert“ sein ( 8 ) (andernfalls fällt die Angelegenheit nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie). Der Begriff „reglementierter Beruf“, der ein Schlüsselelement der gesamten Richtlinie darstellt und in deren Art. 3 Abs. 1 Buchst. a definiert ist, wird in Abschnitt C dieser Schlussanträge eingehend untersucht werden. Gleichwohl ist hier der Hinweis zweckdienlich, dass er im Wesentlichen impliziert, dass der Zugang zu einem bestimmten Beruf und dessen Ausübung vom Besitz „bestimmter Berufsqualifikationen“ abhängig ist.

27.

Zur Erleichterung des Verfahrens zur Anerkennung von Berufsqualifikationen legt die Richtlinie 2005/36 drei Anerkennungsregelungen fest.

28.

Als Erstes betrifft die sogenannte automatische Anerkennungsregelung ausgewählte Berufe, für die in der Richtlinie 2005/36 Mindestanforderungen an die Ausbildung festgelegt sind ( 9 ). Als Zweites betrifft eine besondere Regelung für die Anerkennung von Berufserfahrung Berufe im Handwerk, im Handel und in der Industrie ( 10 ). Als Drittes betrifft eine allgemeine Anerkennungsregelung alle anderen Berufe ( 11 ).

29.

Wie von der estnischen Regierung und der Kommission ausgeführt, fällt die vorliegende Rechtssache unter das allgemeine Anerkennungssystem.

30.

Die spezifische Funktionsweise dieser Regelung hängt grundsätzlich davon ab, dass der in Rede stehende Beruf nicht nur im Aufnahmemitgliedstaat (was, wie ich bereits ausgeführt habe, immer der Fall sein muss), sondern auch im Herkunftsmitgliedstaat reglementiert ist.

31.

Erstens hat der Aufnahmemitgliedstaat, wenn der Beruf auch im Herkunftsmitgliedstaat reglementiert ist, gemäß Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2005/36 Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten, die einen Befähigungs- oder Ausbildungsnachweis besitzen, der im Herkunftsmitgliedstaat erforderlich ist, den Zugang zu diesem Beruf oder die Ausübung dieses Berufs unter denselben Voraussetzungen wie Inländern zu gestatten.

32.

Demgegenüber ergibt sich zweitens aus Art. 13 Abs. 2 der Richtlinie 2005/36, dass dann, wenn der in Rede stehende Beruf im Herkunftsmitgliedstaat nicht reglementiert ist, die vergleichbare Anerkennungsverpflichtung des Aufnahmemitgliedstaats nur besteht, wenn der Antragsteller den in Rede stehenden Beruf ein Jahr lang in Vollzeit (oder während einer entsprechenden Gesamtdauer in Teilzeit) in den vorangegangenen zehn Jahren in einem anderen Mitgliedstaat ausgeübt hat und im Besitz eines oder mehrerer im Herkunftsmitgliedstaat ausgestellter Befähigungs- oder Ausbildungsnachweise ist. Jedoch gilt die praxisbezogene Anforderung gemäß Art. 13 Abs. 2 Unterabs. 3 der Richtlinie 2005/36 nicht, wenn der Antragsteller im Besitz eines Ausbildungsnachweises über „reglementierte Ausbildung“ ist, die in Art. 3 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2005/36 definiert ist.

33.

Während die allgemeine Regelung somit auf der gegenseitigen Anerkennung von im Herkunftsmitgliedstaat erworbenen Diplomen und Berufsqualifikationen beruht, umfasst sie auch eine Einzelfallprüfung der Anträge und wahrt dem Aufnahmemitgliedstaat die Möglichkeit, „Ausgleichsmaßnahmen“, mit anderen Worten die Absolvierung eines Anpassungslehrgangs oder das Bestehen eines Eignungstests, zu verlangen ( 12 ).

34.

Hier verweist das vorlegende Gericht darauf, dass der Beruf des Erziehers in Finnland, wo A um Anerkennung seiner Berufsqualifikation ersucht, einen „reglementierten Beruf“ darstellt, da die finnischen Rechtsvorschriften den Abschluss einer bestimmten Ausbildung verlangten ( 13 ). Dies ist unstreitig. Somit hat das vorlegende Gericht zu klären, ob derselbe Beruf auch in Estland reglementiert ist, um festzustellen, ob der Antrag von A nach den Voraussetzungen von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2005/36 oder eher denen ihres Art. 13 Abs. 2 zu beurteilen ist.

C.   Ist der Beruf des Erziehers, wie er in Estland geregelt ist, ein „reglementierter Beruf“ im Sinne der Richtlinie 2005/36?

35.

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht klären, ob der Begriff „reglementierter Beruf“ anwendbar ist, wenn (i) die für den in Rede stehenden Beruf geltenden Anforderungen in einer von einem Ministerium für Bildung und Forschung erlassenen Verordnung festgelegt sind, (ii) der Inhalt der pädagogischen Kompetenz in einem Berufsstandard geregelt ist, der von einem für den bestimmten Beruf zuständigen Rat festgelegt wird, (iii) der Mitgliedstaat den in Rede stehenden Beruf in die Datenbank der reglementierten Berufe bei der Kommission eingetragen hat, jedoch (iv) die nationalen Bestimmungen die Beurteilung, ob eine bestimmte Person die Qualifikationsanforderungen erfüllt, in das Ermessen des Arbeitgebers stellen, und (v) die Art des Nachweises der pädagogischen Kompetenz nicht festgelegt ist.

36.

Um auf diese Frage einzugehen, werde ich den Begriff „reglementierter Beruf“ im Sinne der Richtlinie 2005/36 prüfen (1), bevor ich mich den vom vorlegenden Gericht angeführten Elementen zuwende (2).

1. Der Begriff „reglementierter Beruf“ nach der Richtlinie 2005/36

37.

Der Begriff „reglementierter Beruf“ stellt ein zentrales Element der Richtlinie 2005/36 dar. Wie bereits erwähnt, gilt die Richtlinie nur, wenn in einem Mitgliedstaat um Anerkennung ersucht wird, in dem der in Rede stehende Beruf „reglementiert“ ist ( 14 ), und bestimmt zweitens der Umstand, ob der Beruf auch im Herkunftsmitgliedstaat reglementiert ist oder nicht, welche der spezifischen, in Art. 13 Abs. 1 bzw. 2 der Richtlinie 2005/36 festgelegten Voraussetzungen anwendbar sind.

38.

Gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie verweist der Begriff „reglementierter Beruf“ auf „eine berufliche Tätigkeit oder eine Gruppe beruflicher Tätigkeiten, bei der die Aufnahme oder Ausübung oder eine der Arten der Ausübung direkt oder indirekt durch Rechts- und Verwaltungsvorschriften an den Besitz bestimmter Berufsqualifikationen gebunden ist; …“ ( 15 ). Außerdem wird der Begriff „Berufsqualifikationen“ in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie als „Qualifikationen, die durch einen Ausbildungsnachweis, einen Befähigungsnachweis nach Art. 11 Buchst. a Ziff. i und/oder Berufserfahrung nachgewiesen werden“, definiert. Daraus ergibt sich für die vorliegende Rechtssache, dass ein „reglementierter“ Beruf vorliegt, wenn der Zugang zu ihm von Rechts wegen an den Besitz „bestimmter Berufsqualifikationen“ gebunden ist. Gleichzeitig muss das nationale Recht, wie die Kommission ausführt, für einen solchen „reglementierten Beruf“ auch „einen Ausbildungsnachweis“, „einen Befähigungsnachweis“ und/oder „Berufserfahrung“ verlangen.

39.

Im Einzelnen hat der Gerichtshof aus der in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2005/36 enthaltenen Definition (die mit leicht unterschiedlichem Wortlaut bereits in den Richtlinien 89/48 ( 16 ) und 92/51 ( 17 ) enthalten war, die durch die Richtlinie 2005/36 ersetzt wurden) abgeleitet, dass, damit ein Beruf „reglementiert“ ist, der Zugang zu ihm ausdrücklich Personen vorbehalten sein muss, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen und denjenigen versagt sein muss, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen ( 18 ). Darüber hinaus hat der Gerichtshof auch entschieden, dass unter die erforderlichen Berufsqualifikationen, damit ein bestimmter Beruf als „reglementiert“ anzusehen ist, „nicht jede durch einen allgemeinen Ausbildungsnachweis bescheinigte Qualifikation fällt, sondern nur eine solche, die speziell dazu dient, die Inhaber auf die Ausübung eines bestimmten Berufs vorzubereiten“ ( 19 ). Wie die Kommission im Wesentlichen ausführt, müssen sich aus diesem Grund die Worte „bestimmte Berufsqualifikationen“, die in der Definition der „reglementierten Berufe“ in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2005/36 Verwendung finden, von dem weiter gefassten Begriff einer akademischen Qualifikation unterscheiden ( 20 ).

40.

In mehreren Beispielen hat der Gerichtshof Ausbildungsnachweise (wie einen Abschluss in Rechtswissenschaften), die Zugang zu einer ganzen Bandbreite von Berufen gewähren, statt ihre Inhaber auf eine bestimmte Position vorzubereiten, vom Begriff „bestimmte Berufsqualifikation“ ausgenommen ( 21 ). Er hat auch den Beruf des Geologen als nicht „reglementiert“ angesehen, da dieser Beruf in Deutschland keiner rechtlichen Regelung unterlag, selbst wenn tatsächlich nur Inhaber des „Diplom-Geologe“-Hochschulzeugnisses auf dem Arbeitsmarkt in Erscheinung traten. Wie der Gerichtshof erläutert hat, lag dies daran, dass die Frage, ob ein Beruf reglementiert ist, von der im Aufnahmemitgliedstaat bestehenden Rechtslage und nicht von den Arbeitsmarktbedingungen abhängt ( 22 ).

41.

Demgegenüber hat der Gerichtshof den Beruf im höheren Dienst der französischen Krankenhausverwaltung als „reglementiert“ angesehen. Diese Entscheidung beruhte auf dem Umstand, dass dieser Beruf gesetzlich denen vorbehalten war, die eine Ausbildung an der Ecole nationale de la santé publique (Nationale Schule für Gesundheitswesen, Frankreich) abgeschlossen und das Abschlussexamen bestanden hatten, das die für die Krankenhausverwaltung erforderlichen praktischen und theoretischen Fähigkeiten bescheinigt (obwohl diese Ausbildung nicht durch ein Diplom oder ein anderes Papier bescheinigt wurde) ( 23 ). Entsprechend hat der Gerichtshof den Beruf des Mediators als „reglementiert“ angesehen, da die Aufnahme dieses Berufs nach nationalem Recht einer angemessenen Ausbildung zum Erwerb einer beruflichen Qualifikation und eines Ausbildungsnachweises bedurfte, der spezifisch zur Ausübung dieses Berufs berechtigte ( 24 ). Der Gerichtshof kam im Hinblick auf den Beruf des Zahntechnikers in Malta zu demselben Ergebnis, da die Aufnahme dieses Berufs von einem für den Zugang zu den ergänzenden Heilberufen erforderlichen Universitätsausbildungsnachweis abhing. Diese Ausbildung war speziell darauf ausgerichtet, die Inhaber auf die Ausübung solcher Berufe vorzubereiten, wobei der Beruf des Zahntechnikers ausdrücklich unter ihnen aufgeführt war ( 25 ).

42.

Nach diesen Klarstellungen werde ich mich nun den spezifischen Merkmalen des in Rede stehenden Berufs zuwenden, wie er nach estnischem Recht behandelt wird.

2. Die spezifischen Gesichtspunkte, die zu berücksichtigen sind

43.

Das vorlegende Gericht führt zur Beurteilung, ob der in Rede stehende Beruf in Estland „reglementiert“ ist, mehrere Gesichtspunkte an. Ich werde mich zunächst der Bedeutung der Aufnahme des in Rede stehenden Berufs in die Datenbank der reglementierten Berufe bei der Kommission zuwenden (a) und sodann auf die weiteren, vom vorlegenden Gericht dargelegten Elemente eingehen (b).

a) Aufnahme in die Datenbank der reglementierten Berufe bei der Kommission

44.

Art. 59 („Transparenz“) der Richtlinie 2005/36, verpflichtet die Mitgliedstaaten, der Kommission u. a. ein Verzeichnis der derzeit reglementierten Berufe zu übermitteln. Der aktuelle Wortlaut (und die aktuelle Überschrift) dieser durch die Richtlinie 2013/55/EU ( 26 ) eingeführten Bestimmung legen fest, dass die Kommission eine öffentlich verfügbare Datenbank der reglementierten Berufe einzurichten und zu unterhalten hat, und beschreibt ausführlich die Anforderungen an die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten in diesem Zusammenhang.

45.

Die Definition des Begriffs „reglementierter Beruf“ in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2005/36 verweist weder auf den Inhalt der Datenbank bei der Kommission noch auf das innerstaatliche Recht der Mitgliedstaaten. Auch sei darauf hingewiesen, dass der Gerichtshof wiederholt entschieden hat, dass die Definition des Begriffs „reglementierter Beruf“„unter das Unionsrecht [fällt]“ ( 27 ). Dementsprechend ist davon auszugehen, dass die Aufstellung bei der Kommission Hinweischarakter hat ( 28 ).

46.

Dementsprechend ist, wie sowohl die niederländische Regierung als auch die Kommission vertreten, der Umstand, dass ein Mitgliedstaat wie in der vorliegenden Rechtssache die Republik Estland, einen Beruf für die Aufnahme in die Datenbank bei der Kommission als „reglementiert“ ansieht, als solcher nicht entscheidend für die Frage, ob dieser Beruf „reglementiert“ im Sinne der Richtlinie 2005/36 ist. Die Merkmale der nationalen Verordnung müssen anhand des Standards geprüft werden, der insoweit in dieser Richtlinie festgelegt wird.

b) Die spezifischen Merkmale der in Rede stehenden nationalen Verordnung

47.

Wendet man sich den Merkmalen der anwendbaren nationalen Verordnung zu, die das vorlegende Gericht im Rahmen seiner Frage ausdrücklich anführt, ob der in Rede stehende Beruf „reglementiert“ ist, erinnere ich daran, dass nach § 18 dieser Verordnung über Qualifikationsanforderungen an Erzieher die anwendbaren Qualifikationsanforderungen (i) ein Hochschulabschluss und (ii) pädagogische Kompetenz sind.

48.

Aus der Vorlageentscheidung ergibt sich, dass in Estland das Erfordernis eines Hochschulabschlusses nicht auf einen bestimmten Bereich, wie etwa Erziehungswissenschaften, verweist, sondern er in irgendeinem Bereich erworben worden sein kann.

49.

Unter Berücksichtigung der allgemeinen Art des Erfordernisses eines Hochschulabschlusses stimme ich der niederländischen und der finnischen Regierung zu, dass dieses Element nicht zur Stützung der Auffassung dienen kann, dass der in Rede stehende Beruf „reglementiert“ ist, da es ersichtlich keine Qualifikation betrifft, die auf die Ausübung eines bestimmten Berufs im Sinne des Urteils Brouillard ausgerichtet ist.

50.

Es bleibt jedoch zu prüfen, ob der in Rede stehende Beruf aufgrund des Erfordernisses der „pädagogischen Kompetenz“, der zweiten Anforderung nach § 18 der Verordnung über Qualifikationsanforderungen an Erzieher, gleichwohl als „reglementiert“ eingestuft werden kann.

51.

Ich glaube das nicht.

52.

Der Vorlageentscheidung und der Antwort der estnischen Regierung auf die ihr vom Gerichtshof gestellte Frage ist zu entnehmen, dass die erforderliche pädagogische Kompetenz in einem Berufsstandard definiert ist ( 29 ), nämlich dem Berufsstandard Õpetaja tase 6 (Lehrer, Niveau 6), der mit Entscheidung Nr. 10 des Hariduse Kutsenõukogu (Rat für berufliche Qualifikation: Bildung, Estland) vom 25. April 2017 verabschiedet wurde ( 30 ).

53.

Nach meinem Verständnis ist der Zugang zum Beruf des Erziehers in Estland somit denjenigen vorbehalten, die u. a. über pädagogische Kompetenz im Sinne des fraglichen Berufsstandards verfügen. Aus den Angaben in der Verfahrensakte ergibt sich jedoch, dass die Erfüllung dieses Standards keinem verbindlichen Kontrollmechanismus unterliegt und nicht auf eine bestimmte Weise nachzuweisen ist. Vielmehr ergibt sich aus § 1 Abs. 1 der Verordnung über Qualifikationsanforderungen an Erzieher, dass die Erfüllung jeweils vom Arbeitgeber beurteilt wird. Angesichts dieser Umstände ist die Anforderung der pädagogischen Kompetenz ersichtlich nicht an eine der Formen geknüpft, in denen „Berufsqualifikationen“ nachzuweisen sind und die, wie ich bereits in Nr. 38 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt habe, in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2005/36 aufgeführt sind, nämlich als „Ausbildungsnachweis“, „Befähigungsnachweis“ und/oder „Berufserfahrung“.

54.

Es trifft zu, dass sich A im Ausgangsverfahren auch auf das Zeugnis von 2017 stützt, das vom estnischen Lehrerverband erteilt wurde.

55.

Die estnische Regierung hat erläutert, dass der estnische Lehrerverband bei der Erteilung der Berufszeugnisse der Erzieher (Kutsetunnistus, Õpetaja tase 6) wie dem Zeugnis von 2017 als berufsbescheinigende Stelle nach Art. 10 Abs. 1 des Gesetzes über Berufe handele. Außerdem sei das Zeugnis von 2017 auf der Grundlage des in Nr. 52 dieser Schlussanträge angeführten Berufsstandards Õpetaja tase 6 (Lehrer, Niveau 6) erteilt worden.

56.

Gleichwohl enthält die Verfahrensakte unterschiedliche Auffassungen zur genauen Art dieses Zeugnisses und zu seiner Bedeutung für den Zugang zum Beruf des Erziehers in Estland.

57.

Das vorlegende Gericht leitet aus dem ihm vorliegenden Sachverhalt ab, dass die Erteilung eines solchen Zeugnisses freiwillig sei und von einer Gebühr abhänge. Im Ergebnis beruhe eine solche Erteilung auf dem Besitz eines Hochschuldiploms und der Beurteilung, ob die zuvor erworbenen Kompetenzen dem Berufsstandard entsprächen. Die Erteilung des in Rede stehenden Zeugnisses setze faktisch Berufserfahrung als Erzieher voraus.

58.

Die estnische Regierung führt in ihren schriftlichen Erklärungen aus, dieses Zeugnis bescheinige, dass (i) der Inhaber zum Lehrerberuf zugelassen worden sei und (ii) seine Kompetenz bereits im Rahmen des Verfahrens zur Gewährung des Zugangs zu diesem Beruf beurteilt worden sei. In ihrer Antwort auf die ihr vom Gerichtshof gestellte Frage hat diese Regierung im Wesentlichen ausgeführt, das in Rede stehende Zeugnis bescheinige gemäß Art. 21 Abs. 1 des Gesetzes über Berufe, dass die Kompetenz des Inhabers den im Berufsstandard festgelegten Anforderungen entspreche.

59.

In dieser Hinsicht sei erstens darauf hingewiesen, dass die Verfahrensakte über die sich aus § 1 Abs. 1 und § 18 der Verordnung über Qualifikationsanforderungen an Erzieher ergebende Verpflichtung des Bewerbers, über einen Hochschulabschluss und pädagogische Kompetenz zu verfügen, wobei letztere vom Arbeitgeber beurteilt wird, hinaus keine weiteren Angaben über ein Verfahren zur Gewährung des Zugangs zu dem in Rede stehenden Beruf enthält. Zweitens erachte ich es unabhängig von der genauen Einordnung des Zeugnisses von 2017 im Sinne der Richtlinie als entscheidend, dass, wie die estnische Regierung unter Verweis auf Art. 15 Abs. 2 des Gesetzes über Berufe erläutert hat, der Besitz dieses Zeugnisses keine Vorbedingung für den Zugang zum Beruf des Erziehers ist.

60.

Allerdings hat die estnische Regierung darauf hingewiesen, dass der Arbeitgeber, wenn ihm ein vom estnischen Lehrerverband erteiltes Zeugnis vorgelegt werde, keinen Grund habe, die pädagogische Kompetenz des Bewerbers in Zweifel zu ziehen. Gleichzeitig hat sie jedoch bestätigt, dass die estnischen Rechtsvorschriften keine dahin gehende Regelung enthalten. Nach meinem Verständnis ist es daher, wie es in § 1 Abs. 1 der Verordnung über Qualifikationsanforderungen an Erzieher heißt, gleichwohl Sache des Arbeitgebers, selbst wenn ihm ein solches Zeugnis vorgelegt wird, zu beurteilen, ob der betreffende Bewerber die die pädagogische Kompetenz betreffenden Anforderungen erfüllt.

61.

Ich möchte betonen, dass es entgegen der offenbar von der niederländischen Regierung vertretenen Auffassung nicht offensichtlich ist, dass die vom Arbeitgeber vorgenommene Beurteilung die Eignung des Bewerbers z. B. im Licht der spezifischen Bedürfnisse des Arbeitgebers oder der Kompetenzen der konkurrierenden Bewerber betrifft. Eine solche Beurteilung hat nämlich im Zusammenhang mit jedem Einstellungsverfahren zwingend zu erfolgen, ob der in Rede stehende Beruf nun reglementiert ist oder nicht. Demgegenüber betrifft die Beurteilung im Sinne von § 1 Abs. 1 der Verordnung über Qualifikationsanforderungen an Erzieher nach meinem Verständnis gerade die Qualifikationskriterien, die dem Bewerber Zugang zu dem Beruf als solchen gestatten. Nach meinem Verständnis kann der Besitz einer Bescheinigung wie dem Zeugnis von 2017 die Beurteilung erleichtern, er berührt jedoch nicht das Ermessen, das der Arbeitgeber in diesem Zusammenhang offenbar genießt.

62.

Dies bedeutet auch, dass die pädagogische Kompetenz auf unterschiedliche Weisen nachgewiesen werden kann, von denen keine zwingend ist. Somit fehlt es, wie die spanische Regierung im Wesentlichen ausgeführt hat, für die Schlussfolgerung, ob bestimmte Bewerber den erforderlichen „Eingangs“-Standard für den Zugang zum Beruf des Erziehers erfüllen, an einer einheitlichen, verbindlichen Grundlage.

63.

Unter diesen Umständen gelange ich in Übereinstimmung mit der spanischen und der finnischen Regierung sowie der Kommission zu dem Ergebnis, dass der Beruf des Erziehers, so wie er in Estland geregelt ist, nicht als „reglementiert“ im Sinne der Richtlinie 2005/36 angesehen werden kann, wenn der Zugang zu diesem Beruf und seine Ausübung zum einen von einem Hochschuldiplom, das nicht spezifisch auf die Ausübung dieses Berufs ausgerichtet ist, und zum anderen von pädagogischer Kompetenz abhängen, die in einem Berufsstandard definiert ist, deren Vorliegen jedoch jeweils vom Arbeitgeber beurteilt wird.

D.   Die Bedeutung der in der ehemaligen Sowjetunion erworbenen Berufsqualifikation

64.

Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die auf einem in der ehemaligen Sowjetunion erworbenen Diplom beruhende Berufsqualifikation (d. h. das Diplom von 1980, das A den finnischen Behörden zusammen mit dem Zeugnis von 2017 und anderen Dokumenten vorgelegt hat) mit dem Ergebnis als in einem Drittland im Sinne von Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2005/36 erworben anzusehen ist, dass A den in Rede stehenden Beruf für die Anerkennung einer solchen Qualifikation in Finnland drei Jahre in Estland ausgeübt haben müsste (1).

65.

Nach meinem Verständnis wird dem Gerichtshof diese Frage gestellt, da das vorlegende Gericht, wie sich aus der Vorlageentscheidung ergibt, auch die Möglichkeit ins Auge fasst, dass das Diplom von 1980 den Nachweis einer „reglementierten Ausbildung“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2005/36 darstellen könnte, da dies zur Anerkennung der Berufsqualifikation von A auf der Grundlage von Art. 13 Abs. 2 Unterabs. 3 dieser Richtlinie führen würde (2) ( 31 ).

1. Ist die in der ehemaligen Sowjetunion erworbene Berufsqualifikation eine solche, die in einem „Drittland“ erworben wurde?

66.

Die durch die Richtlinie 2005/36 eingeführte Anerkennungsregelung setzt im Wesentlichen voraus, dass die ursprüngliche Berufsqualifikation für ihre Anerkennung in einem der Mitgliedstaaten erworben worden sein muss. Dies ergibt sich aus Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2005/36 ( 32 ). In Abweichung von dieser Regel heißt es in Art. 2 Abs. 2 dieser Richtlinie, dass „[j]eder Mitgliedstaat … in seinem Hoheitsgebiet nach Maßgabe seiner Vorschriften den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten, die eine Berufsqualifikation vorweisen können, die nicht in einem Mitgliedstaat erworben wurde, die Ausübung eines reglementierten Berufs im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a gestatten [kann]“.

67.

Geschieht dies, wird ein in einem Drittland ausgestellter Ausbildungsnachweis für die gemeinsame Anerkennungsregelung erst nach dreijähriger Praxis in dem Mitgliedstaat relevant, der ihn anerkannt hat. Dies folgt aus Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2005/36, in dem es heißt, dass „[e]inem Ausbildungsnachweis … jeder in einem Drittland ausgestellte Ausbildungsnachweis [gleichgestellt ist], sofern sein Inhaber in dem betreffenden Beruf drei Jahre Berufserfahrung im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, der diesen Ausbildungsnachweis nach Artikel 2 Absatz 2 anerkannt hat, besitzt und dieser Mitgliedstaat diese Berufserfahrung bescheinigt“.

68.

Das vorlegende Gericht fragt daher nach der Bedeutung des in dieser Bestimmung verwendeten Begriffs „Drittland“, um, wie bereits ausgeführt, zu klären, ob die Voraussetzung der dreijährigen Praxis für A gilt.

69.

Der Vorlageentscheidung ist zu entnehmen, dass es sich bei dem Diplom von 1980 um ein Sekundarschuldiplom im Bereich frühkindlicher Erziehung handelt, das A in der ehemaligen Sowjetunion erworben hat und das durch ein Gesetz von 2005 einem in Estland erworbenen Sekundarschuldiplom gleichgestellt wurde.

70.

Dies beantwortet meines Erachtens die dritte Frage dahin, dass das Diplom von 1980 nicht als in einem Drittland ausgestellt angesehen werden kann.

71.

Entgegen der von der finnischen Regierung vorgetragenen Ansicht, bin ich nicht der Auffassung, dass aus dem in Nr. 67 dieser Schlussanträge angeführten Wortlaut von Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2005/36 das Gegenteil abgeleitet werden kann. Dieser Wortlaut hat einen offenen Charakter und gibt keinen Hinweis darauf, wie Situationen wie diejenige im Ausgangsverfahren zu beurteilen ist.

72.

Tatsächlich enthält die Richtlinie 2005/36, was die allgemeine Anerkennungsregelung angeht, keine Bestimmung zu dieser Frage. Zugegebenermaßen steht diesem Fehlen eine entsprechende ausdrückliche Erwähnung im Rahmen der automatischen Anerkennungsregelung gegenüber ( 33 ).

73.

Was insbesondere Estland betrifft, geht nämlich Art. 23 („Erworbene Rechte“) Abs. 4 der Richtlinie 2005/36 auf die Frage der vor dem 20. August 1991, d. h. in der ehemaligen Sowjetunion erworbenen Ausbildungsnachweise für Berufe ein, die, wie etwa Ärzte, Krankenschwestern und Krankenpfleger oder Architekten, der automatischen Regelung unterfallen. Aus dieser Bestimmung ergibt sich, dass diese unter die automatische Regelung fallende Berufe betreffenden Ausbildungsnachweise von den anderen Mitgliedstaaten anzuerkennen sind, wenn die estnischen Behörden bescheinigen, dass solche Nachweise in deren Hoheitsgebiet die gleiche Rechtsgültigkeit besitzen wie die von ihnen ausgestellten Nachweise ( 34 ).

74.

Andere Teile von Art. 23 der Richtlinie 2005/36 sehen Ähnliches im Hinblick auf Berufsqualifikationen vor, die im Hoheitsgebiet anderer ehemaliger Staaten erworben wurden, nämlich der Deutschen Demokratischen Republik (Art. 23 Abs. 2), der Tschechoslowakei (Art. 23 Abs. 3) und Jugoslawien (Art. 23 Abs. 5).

75.

Daraus ergibt sich die ausdrückliche Anerkennung, dass die Zuständigkeit für die Entscheidung über den Fortbestand der Rechtsgültigkeit der von diesen ehemaligen Staaten erteilten Ausbildungsnachweise, die die Berufe betreffen, die der automatischen Anerkennungsregelung unterliegen, bei den Behörden der betreffenden Mitgliedstaaten liegt.

76.

Führt das Fehlen vergleichbarer Regelungen für die allgemeine Anerkennungsregelung, um die es im Fall des Ausgangsverfahrens geht, zu einem anderen Ergebnis? Ich glaube nicht.

77.

Der Umstand, dass der Unionsgesetzgeber im Hinblick auf Situationen, die in den Anwendungsbereich der automatischen Anerkennungsregelung fallen, die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Entscheidung über den Fortbestand der Gültigkeit der in den betreffenden ehemaligen Staaten erworbenen Qualifikationen ausdrücklich anerkannt hat, kann, wie die Kommission im Wesentlichen vorträgt, mit der Tatsache erklärt werden, dass diese Regelung mit eingehenden Bestimmungen über Mindestberufsanforderungen Hand in Hand geht. In diesem Zusammenhang musste auf den zeitlichen Aspekt zusammen mit anderen Gesichtspunkten eingegangen werden.

78.

Demgegenüber enthält die allgemeine Anerkennungsregelung keine solche Mindestharmonisierung von Berufsanforderungen, die somit vorbehaltlich der Beachtung des Unionsrechts unter der Kontrolle der Mitgliedstaaten verbleiben ( 35 ). Es ist daher Sache der Mitgliedstaaten zu entscheiden, was in ihrem Hoheitsgebiet als Ausbildungsnachweis anzuerkennen ist.

79.

In diesem Sinne erkennt Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2005/36 die Möglichkeit der (Herkunfts‑)Mitgliedstaaten an, die erworbenen Rechte zu wahren, wenn Berufsqualifikationen betroffen sind, die nach Regelungen erworben wurden, die nicht länger in Kraft sind; dies gilt auch dann, wenn die Anforderungen in der Zwischenzeit strenger geworden sind. In solchen Fällen muss der Aufnahmemitgliedstaat für die Zwecke der allgemeinen Anerkennungsregelung nach Art. 13 der Richtlinie ( 36 ) die früher (im Herkunftsmitgliedstaat) erhaltene Ausbildung als dem Niveau der neuen entsprechend ansehen ( 37 ).

80.

Meines Erachtens muss man entsprechend zu demselben Ergebnis gelangen, wenn es um die Entscheidung eines Mitgliedstaats wie der Republik Estland geht, festzustellen, ob Berufsqualifikationen, die in seinem Hoheitsgebiet erworben wurden, als dieses Gebiet Teil eines anderen Staates war, dem Mindestqualifikationsniveau entsprechen, das von den aktuell geltenden Regelungen verlangt wird.

81.

Dieses Ergebnis wird meines Erachtens durch das von Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2005/36 verfolgte Ziel bestätigt. Das darin festgelegte Erfordernis der dreijährigen Berufspraxis zielt meines Erachtens und vergleichbar mit dem einjährigen Erfordernis nach Art. 13 Abs. 2 der Richtlinie 2005/36 ( 38 ) darauf ab, sicherzustellen, dass die in die gemeinsame Anerkennungsregelung „aufgenommenen“ Berufsqualifikationen anhand der Realität des relevanten Berufsmarktes geprüft worden sind. Es kann auch als Garantie gegen die Umgehung der Berufsqualifikationsanforderungen angesehen werden, die in den jeweiligen Mitgliedstaaten in Kraft sind.

82.

Was Berufsqualifikationen angeht, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats zu einer Zeit erworben wurden, als dieses Gebiet Teil eines anderen Staates war, besteht jedoch keine vergleichbare Notwendigkeit. Historisch erhebt sich in dieser Hinsicht in erster Linie eine Frage des Fortbestands der Rechtsgültigkeit ( 39 ) innerhalb des neu gegründeten (oder rekonstruierten) Staates (zusammen mit der Gültigkeit anderer Elemente des Rechtssystems). Ist eine Entscheidung über den Fortbestand der Gültigkeit einer Berufsqualifikation gefallen, wird diese Teil des Rechtssystems dieses Mitgliedstaats und sollte sodann von der Regelung der gegenseitigen Anerkennung nach den in der Richtlinie 2005/36 festgelegten Bedingungen profitieren.

83.

Daher gelange ich im Licht der vorstehenden Ausführungen in Übereinstimmung mit der estnischen Regierung und der Kommission zu dem Ergebnis, dass eine Berufsqualifikation, die in der ehemaligen Sowjetunion erworben und in der Republik Estland durch deren Rechtsvorschriften einer in diesem Mitgliedstaat erworbenen Qualifikation gleichgestellt wurde, als in diesem Mitgliedstaat und nicht in einem Drittland erworben anzusehen ist.

2. Bescheinigt das Diplom von 1980 eine „reglementierte Ausbildung“?

84.

Wie ich bereits ausgeführt habe, ergibt sich aus der Vorlageentscheidung, dass das vorlegende Gericht nicht sicher ist, ob das Diplom von 1980 als Nachweis einer „reglementierten Ausbildung“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2005/36 angesehen werden kann. Wäre dies der Fall, folgte aus Art. 13 Abs. 2 Unterabs. 3 dieser Richtlinie, dass von dem Bewerber für die Anerkennung seiner Berufsqualifikation in Finnland nicht verlangt werden kann, in den vorangegangenen zehn Jahren eine einjährige Berufserfahrung als Erzieher in einem anderen Mitgliedstaat erworben zu haben.

85.

Art. 3 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2005/36 definiert „reglementierte Berufsausbildung“ als „eine Ausbildung, die speziell auf die Ausübung eines bestimmten Berufes ausgerichtet ist und aus einem abgeschlossenen Ausbildungsgang oder mehreren abgeschlossenen Ausbildungsgängen besteht, der gegebenenfalls durch eine Berufsausbildung, durch ein Berufspraktikum oder durch Berufspraxis ergänzt wird“. Hinzu kommt nach seinem Satz 2, dass „[d]er Aufbau und das Niveau der Berufsausbildung, des Berufspraktikums oder der Berufspraxis … in den Rechts- und Verwaltungsvorschriften des jeweiligen Mitgliedstaats festgelegt sein oder von einer zu diesem Zweck bestimmten Behörde kontrolliert oder genehmigt werden [müssen]“.

86.

Zugegebenermaßen ist das Verständnis dieser Definition insofern nicht einfach, als erstens „Berufsausbildung, … Berufspraktikum… oder … Berufspraxis“ offenbar nur „gegebenenfalls“ Teil der „reglementierte[n] Ausbildung“ sind und zweitens das von den nationalen Regelungen festgelegte, den „Aufbau und das Niveau“ betreffende Erfordernis im Gegensatz zum theoretischen Teil ersichtlich nur einen solchen (praktischen) Teil der Ausbildung betrifft ( 40 ).

87.

Allerdings stimme ich mit der Kommission darin überein, dass das erforderliche Niveau und der erforderliche Aufbau der Ausbildung, wie von den nationalen Rechtsvorschriften festgelegt, sowohl für die theoretischen als auch für die praktischen Teile einer solchen Ausbildung gelten müssen; andernfalls wäre ich nämlich nicht sicher, wie die „reglementierte Ausbildung“, die mit dieser Definition angesprochen wird, insgesamt als reglementiert angesehen werden könnte.

88.

Daher wird das vorlegende Gericht zu klären haben, ob (i) das Diplom von 1980 einen Nachweis des Abschlusses einer Ausbildung darstellt, die auf die Ausübung des in Rede stehenden bestimmten Berufes ausgerichtet war, (ii) der Aufbau und das Niveau einer solchen Ausbildung in nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften festgelegt oder von einer zu diesem Zweck bestimmten Behörde kontrolliert oder genehmigt wurden, wie es in Art. 3 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2005/36 heißt, und (iii) ein solcher Nachweis von einer zuständigen, gemäß den Rechts- und Verwaltungsvorschriften festgelegten Behörde ausgestellt wurde und bescheinigt, dass der Inhaber entsprechend Art. 13 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2005/36 auf die Ausübung des betreffenden Berufs vorbereitet wurde.

89.

Ist dies der Fall, bin ich unter Berücksichtigung des Umstands, dass dieses Diplom in der Republik Estland von diesem Mitgliedstaat ausgestellten Diplomen gleichgestellt wurde, der Ansicht, dass diese Berufsqualifikation unbeschadet der Möglichkeit der Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, Ausgleichsmaßnahmen im Sinne (und in den Grenzen) des Art. 14 der Richtlinie 2005/36 zu verlangen, anerkannt werden muss.

E.   Schlussbemerkungen zur (regelmäßigen) Anwendbarkeit des Primärrechts

90.

Wie der Gerichtshof wiederholt ausgeführt hat, können die zuständigen Behörden ihre Beurteilung nicht beenden, wenn ein Fall nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2005/36 fällt, sondern müssen diese Beurteilung im Licht der vom AEUV garantierten Grundfreiheiten fortsetzen ( 41 ). In der Tat „haben die Richtlinien für die gegenseitige Anerkennung von Diplomen, insbesondere die Richtlinie 2005/36 nicht das Ziel, die Anerkennung von Diplomen, Prüfungszeugnissen und sonstigen Befähigungsnachweisen in nicht von ihnen erfassten Sachverhalten zu erschweren und dürfen dies auch nicht bewirken“ ( 42 ).

91.

Bei einem Antrag auf Anerkennung beruflicher Qualifikationen, der nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2005/36 fällt, kommen somit die Art. 45 und 49 AEUV zum Tragen. Somit müssen die zuständigen Behörden die Berufsqualifikationen der betreffenden Person berücksichtigen, indem sie die durch ihre Diplome, Zeugnisse oder andere Ausbildungsnachweise sowie ihre relevante Berufserfahrung bescheinigten Qualifikationen mit den Berufsqualifikationen vergleichen, die nach den maßgeblichen nationalen Regelungen für die Ausübung des betreffenden Berufs vorgeschrieben sind, wie dies im Urteil Vlassoupoulou und der nachfolgenden Rechtsprechung ausgeführt wird ( 43 ).

92.

Aus diesen Grundsätzen ergibt sich, dass der betreffende Mitgliedstaat objektiv überprüfen muss, ob ein ausländisches Diplom seinem Inhaber zumindest gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten bescheinigt wie das innerstaatliche Diplom, und er, wenn dem so ist, anerkennen muss, dass dieses Diplom die in seinen nationalen Rechtsvorschriften aufgestellten Voraussetzungen erfüllt. Im Fall wesentlicher Unterschiede können die Mitgliedstaaten Ausgleichsmaßnahmen festlegen, die insbesondere mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang stehen müssen, nachdem sie allerdings überprüft haben, ob die vom Antragsteller bereits – auch im Aufnahmemitgliedstaat – erworbenen Kenntnisse für den Nachweis des Erwerbs der vom Aufnahmemitgliedstaat verlangten Kenntnisse ausreichen ( 44 ).

93.

Somit sind, wie die Kommission im Grundsatz vertritt, bei der Prüfung im Licht von Art. 45 oder von Art. 49 AEUV die Qualifikationen des Antragstellers unter Berücksichtigung aller seiner Diplome, der in der ehemaligen Sowjetunion und in Finnland erworbenen Berufserfahrung ( 45 ) sowie des Zeugnisses von 2017 eingehend zu beurteilen, um festzustellen, ob seine Qualifikationen und die nach den Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats erforderlichen Berufsqualifikationen für die Ausübung des Berufs des Erziehers äquivalent sind, und zu klären, ob eventuell fehlende Fähigkeiten tatsächlich erworben worden sind.

V. Ergebnis

94.

Im Licht der vorstehenden Ausführungen schlage ich dem Gerichtshof vor, dem Korkein hallinto-oikeus (Oberstes Verwaltungsgericht, Finnland) wie folgt zu antworten:

Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen ist dahin auszulegen, dass

der Beruf des Erziehers nicht als „reglementiert“ im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden kann, wenn der Zugang zu diesem Beruf und seine Ausübung erstens von einem Hochschuldiplom, das nicht spezifisch auf die Ausübung dieses Berufs ausgerichtet ist, und zweitens von pädagogischer Kompetenz abhängen, die in einem Berufsstandard definiert ist, deren Vorliegen jedoch jeweils vom Arbeitgeber beurteilt wird.

Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2005/36 ist dahin auszulegen, dass

eine Berufsqualifikation, die in der ehemaligen Sowjetunion erworben und in der Republik Estland durch deren Rechtsvorschriften einer in diesem Mitgliedstaat erworbenen Qualifikation gleichgestellt wurde, als in diesem Mitgliedstaat und nicht in einem Drittland erworben anzusehen ist.


( 1 ) Originalsprache: Englisch.

( 2 ) Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABl. 2005, L 255, S. 22). Diese Richtlinie wurde mehrfach geändert.

( 3 ) Der Vorlageentscheidung ist zu entnehmen, dass A den Beruf des Erziehers in der ESSR zwischen 1980 und 1984 sowie in Finnland in den Jahren 2016 und 2017 ausgeübt hat.

( 4 ) Vgl. in diesem Sinne Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2005/36 und die Urteile vom 19. Januar 2006, Colegio de Ingenieros de Caminos, Canales y Puertos (C‑330/03, EU:C:2006:45, Rn. 19), und vom 8. Juli 2021, Lietuvos Respublikos sveikatos apsaugos ministerija (C‑166/20, EU:C:2021:554, Rn. 26).

( 5 ) Urteil vom 7. Mai 1991, Vlassopoulou (C‑340/89, EU:C:1991:193, im Folgenden: Urteil Vlassopoulou, Rn. 15 bis 21). Zu einer jüngeren Anwendung vgl. z. B. Urteil vom 16. Juni 2022, Sosiaali- ja terveysalan lupa- ja valvontavirasto (Psychotherapeuten) (C‑577/20, EU:C:2022:467, im Folgenden: Urteil Valvira-Psychotherapeuten, Rn. 40 bis 43).

( 6 ) Vgl. Art. 1 der Richtlinie 2005/36, gemäß dem dieses Instrument „Vorschriften fest[legt], nach denen ein Mitgliedstaat, der den Zugang zu einem reglementierten Beruf oder dessen Ausübung in seinem Hoheitsgebiet an den Besitz bestimmter Berufsqualifikationen knüpft (im Folgenden „Aufnahmemitgliedstaat“ genannt), … die in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten (im Folgenden „Herkunftsmitgliedstaat“ genannt) erworbenen Berufsqualifikationen anerkennt, die ihren Inhaber berechtigen, dort denselben Beruf auszuüben.“

( 7 ) Urteil vom 21. September 2017, Malta Dental Technologists Association und Reynaud (C‑125/16, EU:C:2017:707, im Folgenden: Urteil Malta Dental Technologists Association, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 8 ) Vgl. Art. 1 der Richtlinie 2005/36, angeführt in Fn. 6, oder Art. 2 Abs. 1, gemäß dem die Richtlinie 2005/36 für „alle Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats [gilt], die als Selbstständige oder abhängig Beschäftigte, … einen reglementierten Beruf in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem sie ihre Berufsqualifikationen erworben haben, ausüben wollen. …“. Hervorhebung nur hier.

( 9 ) Arzt, Facharzt, Krankenschwester und Krankenpfleger für allgemeine Pflege, Zahnarzt, Fachzahnarzt, Tierarzt, Apotheker, Architekt und Hebamme. Vgl. Titel III Kapitel III der Richtlinie 2005/36.

( 10 ) Deren Verzeichnis ist in Anhang IV der Richtlinie 2005/36 festgelegt. Vgl. Titel III Kapitel II dieser Richtlinie.

( 11 ) Titel III Kapitel I der Richtlinie 2005/36 und deren Art. 10.

( 12 ) Unter den in Art. 14 der Richtlinie 2005/36 festgelegten Voraussetzungen. Vgl. elfter Erwägungsgrund dieser Richtlinie und z. B. Urteil vom 26. Juni 2019, Kommission/Griechenland (C‑729/17, EU:C:2019:534, im Folgenden: Urteil Kommission/Griechenland, Rn. 91).

( 13 ) Das vorlegende Gericht verweist darauf, dass die Qualifikationsanforderung zumindest in einem Abschluss in Erziehungswissenschaften, der eine Ausbildung zum Erzieher einschließt, oder in einem Berufshochschulabschluss im Gesundheits- und Sozialbereich besteht, der eine Spezialisierung auf frühkindliche Erziehung und Sozialpädagogik einschließt.

( 14 ) Vgl. z. B. Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2005/36, oben angeführt in Fn. 6 und 8.

( 15 ) Weiter heißt es in dieser Definition, dass „eine Art der Ausübung … die Führung einer Berufsbezeichnung [ist], die durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften auf Personen beschränkt ist, die über eine bestimmte Berufsqualifikation verfügen“. Diese Bestimmung verweist in ihrem letzten Satz auf Berufe, die von Mitgliedern von Verbänden oder Organisationen im Sinne des Anhangs I der Richtlinie 2005/36 ausgeübt werden, und legt fest, dass diese Berufe „als reglementierter Beruf behandelt [werden]“. Diese Elemente der Definition sind in der vorliegenden Rechtssache nicht von Bedeutung.

( 16 ) Art. 1 Buchst. c und d der Richtlinie 89/48/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen (ABl. 1989, L 19, S. 16).

( 17 ) Art. 1 Buchst. e und f und Art. 2 der Richtlinie 92/51/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über eine zweite allgemeine Regelung zur Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise in Ergänzung zur Richtlinie 89/48 (ABl. 1992, L 209, S. 25).

( 18 ) Vgl. z. B. Urteile vom 1. Februar 1996, Aranitis (C‑164/94, EU:C:1996:23, im Folgenden: Urteil Aranitis, Rn. 19), und vom 8. Mai 2008, Kommission/Spanien (C‑39/07, EU:C:2008:265, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 19 ) Urteil vom 6. Oktober 2015, Brouillard (C‑298/14, EU:C:2015:652, im Folgenden: Urteil Brouillard, Rn. 38).

( 20 ) Vgl. auch Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Brouillard (C‑298/14, EU:C:2015:408, im Folgenden: Schlussanträge in der Rechtssache Brouillard, Nrn. 54 und 55).

( 21 ) Die Rechtssache betraf den Beruf des Referenten bei der Cour de cassation (Kassationshof, Belgien); Urteil Brouillard, Rn. 39.

( 22 ) Urteil Aranitis, Rn. 22 und 23.

( 23 ) Urteil vom 9. September 2003, Burbaud (C‑285/01, EU:C:2003:432, Rn. 44 bis 53).

( 24 ) Urteil Kommission/Griechenland, Rn. 88.

( 25 ) Urteil Malta Dental Technologists Association, Rn. 36.

( 26 ) Richtlinie 2013/55/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. November 2013 (ABl. 2013, L 354, S. 132) (im Folgenden: Richtlinie 2013/55).

( 27 ) Für eine jüngere Feststellung vgl. Urteil Malta Dental Technologists Association, Rn. 34.

( 28 ) Wie bereits in den Schlussanträgen in der Rechtssache Brouillard, Nr. 50, festgestellt worden ist.

( 29 ) Im Sinne von Art. 5 des Kutseseadus (Gesetz über Berufe), RT I, 13.03.2019, 10, gemäß dem, wie die estnische Regierung erläutert hat, ein Berufsstandard ein Dokument darstellt, das den Beruf beschreibt und die erforderlichen Kompetenzen festlegt.

( 30 ) Die estnische Regierung hat für den in Rede stehenden Berufsstandard die folgende Quelle genannt: https://www.kutseregister.ee/ctrl/et/Standardid/vaata/10640560.

( 31 ) Siehe oben, Nr. 32 der vorliegenden Schlussanträge.

( 32 ) Siehe oben, Fn. 8.

( 33 ) Wie oben erläutert, stellt die automatische Anerkennungsregelung eine der drei in der Richtlinie 2005/36 vorgesehenen Regelungen dar und betrifft bestimmte ausgewählte Berufe wie etwa Ärzte, Krankenschwestern und Krankenpfleger oder Architekten. Siehe oben, Nr. 28 der vorliegenden Schlussanträge.

( 34 ) Und dass die betreffende Tätigkeit von den betreffenden Personen in den fünf Jahren vor der Ausstellung des Zeugnisses mindestens drei Jahre ununterbrochen in ihrem Hoheitsgebiet ausgeübt worden ist. Vgl. Art. 23 Abs. 4 vorletzter Unterabsatz der Richtlinie 2005/36.

( 35 ) Vgl. elfter Erwägungsgrund der Richtlinie 2005/36. Vgl. auch Urteil Vlassopoulou, Rn. 9, und Urteil Malta Dental Technologists Association, Rn. 47 und 53 sowie die dort angeführte Rechtsprechung.

( 36 ) Dargestellt oben, in den Nrn. 31 und 32 der vorliegenden Schlussanträge.

( 37 ) Vgl. auch im Zusammenhang mit der Richtlinie 89/48 Urteil vom 29. April 2004, Beuttenmüller (C‑102/02, EU:C:2004:264, Rn. 45).

( 38 ) Der Gerichtshof hat im Zusammenhang mit der Richtlinie 89/48 entschieden, dass „[d]as Erfordernis einer Berufserfahrung von dieser Dauer … sich daher auf die tatsächlich bestehende Möglichkeit für den Antragsteller [bezieht], den fraglichen Beruf im Herkunftsmitgliedstaat auszuüben“. Urteil vom 5. April 2011, Toki (C‑424/09, EU:C:2011:210, Rn. 31).

( 39 ) Es sei darauf hingewiesen, dass die vorgenannten Bestimmungen des Art. 23 der Richtlinie 2005/36 den Begriff Rechtsgültigkeit der betreffenden Berufsqualifikationen verwenden.

( 40 ) Es sei darauf hingewiesen, dass Beispiele „reglementierter Ausbildung“ in Anhang III der ursprünglichen Fassung der Richtlinie 2005/36 gegeben wurden, dieser Anhang jedoch vermutlich in der Absicht, den Anwendungsbereich dieses Begriffs zu erweitern, durch Art. 1 Nr. 52 der Richtlinie 2013/55 gestrichen wurde. Vgl. Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen (Commission Staff Working Paper, Impact Assessment, Accompanying document to the Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council amending Directive 2005/36/EC on the recognition of professional qualifications and Regulation on administrative cooperation through the Internal Market Information System, SEC(2011) 1558 final, Abschnitt 6.4.2; S. 33). Der Vorschlag der Kommission für die Richtlinie definierte „reglementierte Ausbildungsgänge“ als u. a. „speziell auf die Ausübung eines bestimmten Berufs ausgerichtet“. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Anerkennung von Berufsqualifikationen, KOM(2002) 119 endg. (ABl. 2002, C 181 E, S. 183), Entwurf von Art. 11 Abs. 4 Buchst. b, Art. 11 Abs. 5 und 6 sowie Art. 13 Abs. 2 Unterabs. 3.

( 41 ) Vgl. für eine jüngere Feststellung Urteil Valvira-Psychotherapeuten, Rn. 35 bis 44.

( 42 ) Urteil vom 3. März 2022, Sosiaali- ja terveysalan lupa- ja valvontavirasto (Ärztliche Grundausbildung) (C‑634/20, EU:C:2022:149, im Folgenden: Urteil Valvira – Ärztliche Grundausbildung, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 43 ) Das Urteil Vlassopoulou beruhte auf einem Sachverhalt, auf den noch kein Sekundärrechtsinstrument betreffend die Anerkennung von Berufsqualifikationen anwendbar war, und der Gerichtshof legte somit seinen Feststellungen die maßgeblichen Vertragsbestimmungen zugrunde (damals Art. 52 EWG-Vertrag, jetzt Art. 49 AEUV). Obwohl diese Rechtssache die Niederlassungsfreiheit betraf, gilt seine Begründung auch für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Vgl. zu einer jüngeren Anwendung Urteil Valvira-Psychotherapeuten, Rn. 40 bis 41, und Urteil Valvira – Ärztliche Grundausbildung, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung.

( 44 ) Vgl. z. B. Urteil Valvira – Ärztliche Grundausbildung, Rn. 42 bis 46 und die dort angeführte Rechtsprechung.

( 45 ) Vgl. im Hinblick auf die Bedeutung der im Aufnahmemitgliedstaat erworbenen Erfahrung Urteil vom 8. Juli 2021, BB/Lietuvos Respublikos sveikatos apsaugos ministerija (C‑166/20, EU:C:2021:554, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).