SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

NICHOLAS EMILIOU

vom 16. Februar 2023 ( 1 )

Rechtssache C‑216/21

Asociaţia „Forumul Judecătorilor din România“,

YN

gegen

Consiliul Superior al Magistraturii

(Vorabentscheidungsersuchen der Curtea de Apel Ploieşti (Berufungsgericht Ploieşti, Rumänien))

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Entscheidung 2006/928/EG – Verfahren für die Zusammenarbeit und die Überprüfung der Fortschritte Rumäniens bei der Erfüllung bestimmter Vorgaben in den Bereichen Justizreform und Korruptionsbekämpfung – Art. 2 EUV – Rechtsstaatlichkeit – Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV – Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Unabhängigkeit der Richter – Nationale Maßnahme zur Änderung der Vorschriften für die Beförderung von Richtern an unteren Gerichten“

I. Einleitung

1.

„Gerechtigkeit muss nicht nur geübt werden, es muss auch nach außen erkennbar sein, dass sie geübt wird.“ Dieser bekannte Rechtssatz wird häufig herangezogen, wenn es um Fragen der richterlichen Unabhängigkeit geht, denn im Mittelpunkt dieser Fragen steht das Vertrauen, das die Gerichte in einer demokratischen Gesellschaft bei den Rechtsunterworfenen schaffen müssen ( 2 ).

2.

Im Jahr 2019 erließ der Consiliul Superior al Magistraturii (Oberster Richterrat, Rumänien, im Folgenden: Oberster Richterrat) eine nationale Verordnung zur Reform des Beförderungsverfahrens für Richter der unteren Gerichte in Rumänien (im Folgenden: angefochtene Verordnung) ( 3 ). Die Kläger des Ausgangsverfahrens, die Asociaţia „Forumul Judecătorilor din România“ (Verein „Forum der Richter Rumäniens“, im Folgenden: Forum der Richter Rumäniens) und YN, haben bei der Curtea de Apel Ploieşti (Berufungsgericht Ploieşti, Rumänien), vorliegend das vorlegende Gericht, beantragt, diesen Rechtsakt teilweise für nichtig zu erklären.

3.

Sie machen geltend, dass die mit der angefochtenen Verordnung eingeführte Reform insofern problematisch sei, als das für die Richter der unteren nationalen Gerichte geltende Beförderungsverfahren von den Präsidenten und Mitgliedern der Berufungsgerichte, bei denen Stellen zu besetzen seien, durchgeführt werde und auf subjektiven und Ermessenskriterien beruhe und nicht auf einer objektiven Beurteilung der Bewerber für dieses Verfahren, der, wie es in der Zeit vor dem Erlass der angefochtenen Verordnung der Fall gewesen sei, nur deren Leistungen in einer schriftlichen Prüfung zugrunde lägen.

4.

Mit dem vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen möchte das vorlegende Gericht wissen, ob eine solche Reform mit dem Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit, wie er sich aus Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) (Grundrecht auf ein faires Verfahren) und Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV (Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz) sowie aus dem Wert der Rechtsstaatlichkeit im Sinne von Art. 2 EUV ergibt, vereinbar ist.

5.

Zusammenfassend bin ich aus den nachstehend dargelegten Gründen der Auffassung, dass Rechtsänderungen, wie sie durch die angefochtene Verordnung bewirkt werden, nicht gegen den Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit verstoßen.

II. Rechtlicher Rahmen

A.   Unionsrecht

6.

Gemäß Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV schaffen die „Mitgliedstaaten … die erforderlichen Rechtsbehelfe, damit ein wirksamer Rechtsschutz in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen gewährleistet ist“.

7.

Art. 47 („Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht“) Abs. 2 der Charta bestimmt:

„Jede Person hat ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. …“

B.   Rumänisches Recht

8.

Die Legea nr. 303/2004 privind statutul judecătorilor și procurorilor (Gesetz Nr. 303/2004 über den Status von Richtern und Staatsanwälten) vom 28. Juni 2004, neu bekannt gemacht im Monitorul Oficial al României, Partea I, Nr. 826 vom 13. September 2005 (im Folgenden: Gesetz Nr. 303/2004) wurde geändert und ergänzt durch die Legea nr. 242/2018 pentru modificarea și completarea Legii nr. 303/2004 privind statutul judecătorilor și procurorilor (Gesetz Nr. 242/2018 zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes Nr. 303/2004 über den Status von Richtern und Staatsanwälten) vom 12. Oktober 2018, Monitorul Oficial al României, Partea I, Nr. 868 vom 15. Oktober 2018 (im Folgenden: Gesetz Nr. 242/2018), die am 18. Oktober 2018 in Kraft getreten ist.

9.

Durch das Gesetz Nr. 242/2018 wurden die Art. 461 bis 463 in das Gesetz Nr. 303/2004 eingefügt. Nach diesen Bestimmungen können Richter und Staatsanwälte ausschließlich im Rahmen nationaler Auswahlverfahren befördert werden, bei denen die Arbeitsleistung und das Verhalten der Bewerber in den letzten drei Jahren vor dem Beförderungsverfahren bewertet werden. Die spezifischen Regeln für die Organisation und die Durchführung dieser Beförderungsverfahren werden in einer von der Richter- bzw. Staatsanwaltsabteilung des Obersten Richterrats erlassenen Verordnung festgelegt.

10.

Die angefochtene Verordnung, die Regeln für die Organisation und Durchführung von Auswahlverfahren für die Beförderung amtierender Richter enthält, wurde in Anwendung der Art. 461 bis 463 des Gesetzes Nr. 303/2004 erlassen. Diese Verordnung wurde mit dem Beschluss Nr. 1348 der Richterabteilung des Obersten Richterrates vom 17. September 2019 genehmigt.

III. Sachverhalt, Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

11.

Mit ihrer am 12. November 2019 eingegangenen Klage haben die Kläger des Ausgangsverfahrens bei der Curtea de Apel Ploieşti (Berufungsgericht Ploieşti) beantragt, den Beschluss Nr. 1348 der Richterabteilung des Obersten Richterrats vom 17. September 2019, mit dem die angefochtene Verordnung genehmigt wurde, teilweise für nichtig zu erklären. Sie sind der Auffassung, dass diese Verordnung gegen den Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit verstoße und unter Missachtung der Empfehlungen erlassen worden sei, die in den verschiedenen Berichten der Europäischen Kommission im Rahmen des im Zusammenhang mit dem Beitritt Rumäniens zur Europäischen Union geschaffenen „Verfahrens für die Zusammenarbeit und die Überprüfung“ (im Folgenden: VÜZ) enthalten seien.

12.

Sie machen erstens geltend, dass die angefochtene Verordnung den Präsidenten der Berufungsgerichte eine zu große Befugnis einräume, da sich der für die Durchführung des Beförderungsverfahrens zuständige Prüfungsausschuss aus dem Präsidenten des betreffenden Berufungsgerichts und anderen Mitgliedern dieses Gerichts zusammensetze, deren Ernennung in den Prüfungsausschuss auf Vorschlag des Leitungsgremiums des Berufungsgerichts (dem auch der Präsident angehöre) erfolge. Die Mitglieder des Prüfungsausschusses seien in der Praxis auch für die Entscheidung über die Berufung gegen die von den Bewerbern in den unteren Gerichten erlassenen Urteile und für die regelmäßige Bewertung der Arbeitsleistung der Bewerber als Richter, wenn und sobald sie zu den Berufungsgerichten befördert würden, zuständig ( 4 ).

13.

Zweitens machen sie geltend, in dem mit dieser Verordnung eingeführten Beförderungsverfahren werde einer subjektiven Einschätzung der Tätigkeiten und des Verhaltens der Bewerber in den drei Jahren vor ihrer Teilnahme an diesem Verfahren zu viel Gewicht beigemessen. Im Rahmen dieser Beurteilung überprüfe der Prüfungsausschuss nur eine kleine Anzahl der von den Bewerbern verfassten Entscheidungen. Darüber hinaus hänge der Erfolg der Bewerber im Beförderungsverfahren von der subjektiven Meinung des Prüfungsausschusses über die Bewerber und von den Meinungen der Kollegen über ihr Verhalten ab und nicht von ihren Leistungen.

14.

Die Kläger des Ausgangsverfahrens sind der Ansicht, dass die durch die angefochtene Verordnung herbeigeführten Änderungen eine Haltung der hierarchischen Unterordnung gegenüber den Mitgliedern der Berufungsgerichte hervorrufen könnten, da die Bewerber möglicherweise dazu angehalten würden, sich gegenüber den Präsidenten und anderen Mitgliedern der Berufungsgerichte, die den Prüfungsausschüssen angehörten, unterwürfig zu verhalten, um befördert zu werden.

15.

Die Curtea de Apel Ploieşti (Berufungsgericht Ploieşti) hat Zweifel an der Vereinbarkeit der mit der angefochtenen Verordnung eingeführten Reform mit dem Unionsrecht und hat daher beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist das VZÜ als Handlung eines Organs der Union im Sinne von Art. 267 AEUV anzusehen, die dem Gerichtshof zur Auslegung vorgelegt werden kann? Fallen Inhalt, Charakter und zeitlicher Geltungsbereich des VZÜ unter den Vertrag über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union ( 5 )? Sind die in den im Rahmen des VZÜ erstellten Berichten aufgestellten Anforderungen für Rumänien verbindlich?

2.

Kann der in Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV und Art. 47 der Charta sowie in der Rechtsprechung des Gerichtshofs verankerte Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit unter Berücksichtigung von Art. 2 EUV dahin ausgelegt werden, dass er auch Verfahren zur Beförderung amtierender Richter betrifft?

3.

Verstößt es gegen diesen Grundsatz, wenn ein Beförderungssystem bei einem höheren Gericht eingeführt wird, das ausschließlich auf einer summarischen Beurteilung der Tätigkeit und des Verhaltens durch einen Prüfungsausschuss beruht, der sich aus dem Präsidenten des Berufungsgerichts und Richtern dieses Gerichts zusammensetzt, die separat neben der periodischen Beurteilung der Richter sowohl die Beurteilung der Richter zum Zweck der Beförderung als auch die gerichtliche Kontrolle der von diesen Richtern verkündeten Entscheidungen vornehmen?

4.

Verstößt es gegen den in Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV und Art. 47 der Charta sowie in der Rechtsprechung des Gerichtshofs verankerten Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit unter Berücksichtigung von Art. 2 EUV, wenn der rumänische Staat die Vorhersehbarkeit und Sicherheit des Rechts der Europäischen Union missachtet, indem er das VZÜ und seine Berichte akzeptiert und ihnen mehr als zehn Jahre lang nachkommt und dann ohne Vorankündigung das Beförderungsverfahren für Richter mit Exekutivaufgaben entgegen den Empfehlungen des VZÜ ändert?

16.

Das Vorabentscheidungsersuchen vom 16. Februar 2021 ist am 6. April 2021 eingegangen. Der Verein „Forum der Richter Rumäniens“, der Oberste Richterrat, die polnische Regierung und die Kommission haben schriftliche Stellungnahmen eingereicht. Eine mündliche Verhandlung hat nicht stattgefunden.

IV. Würdigung

17.

Die vorliegende Rechtssache gibt dem Gerichtshof erstmals Gelegenheit, seine Rechtsprechung zur richterlichen Unabhängigkeit auf die Beförderungsverfahren für Richter anzuwenden und zu prüfen, ob eine Reform, wie sie in Rumänien mit der angefochtenen Verordnung eingeführt wurde, mit den in dieser Rechtsprechung entwickelten Erfordernissen vereinbar ist.

18.

Bevor ich die Vorlagefragen behandele, möchte ich kurz auf die für den vorliegenden Fall maßgebenden Rahmenbedingungen eingehen.

A.   Hintergrund der Rechtssache und Vorbemerkungen

19.

Während der Verhandlungen, die zum Beitritt Rumäniens zur Europäischen Union im Jahr 2007 führten, wurden Bedenken über schwerwiegende Mängel im Justizsystem und bei der Korruptionsbekämpfung in diesem Staat geäußert ( 6 ). Um diese Bedenken auszuräumen, hat die Kommission, wie es ihr nach den Art. 37 und 38 der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Bulgarien und Rumäniens ( 7 ) zusteht, eine Entscheidung erlassen ( 8 ), in der sie die Bedeutung der Rechtsstaatlichkeit als Voraussetzung für den Beitritt eines jeden Staates zur Europäischen Union hervorhebt ( 9 ) und daran erinnert, dass alle Mitgliedstaaten über ein unparteiisches und unabhängiges Justizsystem verfügen müssen ( 10 ). Mit dieser Entscheidung wurde das VZÜ eingeführt, eine Übergangsmaßnahme, die Rumäniens fortgesetzte Bemühungen um eine Reform des Justizwesens und eine verstärkte Korruptionsbekämpfung in den Jahren nach seinem Beitritt zur Europäischen Union erleichtern soll.

20.

Konkret sieht die VZÜ-Entscheidung die Erstellung regelmäßiger Berichte durch die Kommission vor. In diesen Berichten werden in regelmäßigen Abständen anhand einer Reihe von Vorgaben (im Folgenden: VZÜ-Vorgaben) die Fortschritte bewertet, die Rumänien bei der Reform seines Justizsystems erzielt hat ( 11 ), die den von diesem Mitgliedstaat eingegangenen spezifischen Verpflichtungen und den von ihm beim Abschluss der Beitrittsverhandlungen übernommenen Vorgaben, insbesondere hinsichtlich der Wahrung und Verbesserung der richterlichen Unabhängigkeit in seinem gesamten Staatsgebiet, konkreten Ausdruck verleihen ( 12 ).

21.

In diesem Rahmen wurde sowohl auf nationaler als auch auf Unionsebene besonders darauf geachtet, ob die jüngsten Reformen des Justizsystems in Rumänien die Unabhängigkeit der nationalen Richter ausreichend schützen. Im Jahr 2019 hat der Gerichtshof bereits eine Reihe von Rechtssachen behandelt, die sich auf Änderungen beziehen, die in Rumänien zwischen 2018 und 2019 erlassen wurden und die sich auf die Straf- und Disziplinarverfahren beziehen, denen Mitglieder der rumänischen Justiz unterworfen werden können, sowie auf die für sie geltenden Vorschriften zur zivilrechtlichen Haftung.

22.

Der Gerichtshof hat die Vereinbarkeit dieser Änderungen mit dem Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit in seinem Urteil in der Rechtssache Asociaţia „Forumul Judecătorilor din România“ u. a. geprüft ( 13 ). In diesem Urteil hat der Gerichtshof auch klargestellt, dass die VZÜ-Entscheidung und die von der Kommission auf der Grundlage dieser Entscheidung erstellten Berichte Rechtsakte eines Unionsorgans darstellen, die der Auslegung durch den Gerichtshof zugänglich sind. Außerdem hat er festgestellt, dass die VZÜ-Entscheidung in allen ihren Teilen für Rumänien verbindlich ist, ebenso wie die VZÜ-Vorgaben, die sicherstellen sollen, dass dieser Mitgliedstaat den in Art. 2 EUV niedergelegten Wert der Wahrung der Rechtsstaatlichkeit einhält. Er hat ferner darauf hingewiesen, dass Rumänien verpflichtet ist, unter gebührender Berücksichtigung der von der Kommission auf der Grundlage der VZÜ-Entscheidung erstellten Berichte und insbesondere der darin enthaltenen Empfehlungen geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um diese Vorgaben zu erfüllen ( 14 ).

23.

Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen ist nur wenige Wochen vor dem Urteil in der Rechtssache Asociaţia „Forumul Judecătorilor din România“ u. a. ergangen ( 15 ). Ich stelle jedoch fest, dass das vorlegende Gericht mit seiner ersten Frage wiederum um die Klärung des Charakters und der Rechtswirkungen der VZÜ-Entscheidung und der in ihrem Rahmen erstellten Berichte ersucht.

24.

Da diese Frage durch die Feststellungen des Gerichtshofs in diesem früheren Urteil bereits geklärt ist, werden sich die vorliegenden Schlussanträge, wie vom Gerichtshof gewünscht, nur auf die übrigen drei Vorlagefragen beziehen.

25.

Meine Analyse gliedert sich wie folgt. Zuerst werde ich einige Ausführungen zur Tragweite und Relevanz der verschiedenen Bestimmungen des Unionsrechts machen, auf die das vorlegende Gericht in seinem Vorabentscheidungsersuchen verweist (B). Ich werde auch auf die vom Obersten Richterrat und der polnischen Regierung vorgebrachten Einwände gegen die Zuständigkeit des Gerichtshofs eingehen (C). Danach werde ich die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur richterlichen Unabhängigkeit (wie sie sich aus dem Urteil Asociaţia „Forumul Judecătorilor din România“ u. a. und weiteren Rechtssachen ergibt) darlegen und erläutern, warum nach meiner Auffassung auch im Rahmen von Beförderungsverfahren für amtierende Richter ausreichende Garantien für die richterliche Unabhängigkeit gewahrt werden müssen (Frage 2) (D). Im Licht dieser Rechtsprechung werde ich darlegen, aus welchen Gründen ich vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Überprüfungen der Ansicht bin, dass eine Reform wie die mit der angefochtenen Verordnung eingeführte nicht gegen den Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit verstößt (Frage 3) (E). Schließlich möchte ich auf die Bedenken des vorlegenden Gerichts eingehen, dass eine solche Reform im Widerspruch zu den Empfehlungen stehen könnte, die in einigen Berichten enthalten sind, die von der Kommission gemäß dem VZÜ erstellt wurden (Frage 4).

B.   Einschlägige unionsrechtliche Bestimmungen: Art. 2 und Art. 19 Abs. 1 EUV und/oder Art. 47 der Charta

26.

In den Vorlagefragen werden Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV, Art. 47 der Charta und Art. 2 EUV als die einschlägigen unionsrechtlichen Bestimmungen genannt, anhand deren die Vereinbarkeit der angefochtenen Verordnung zu prüfen sei. Der Zusammenhang zwischen diesen verschiedenen Bestimmungen ergibt sich eindeutig aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs. Der Gerichtshof hat nämlich festgestellt, dass das Erfordernis der Unabhängigkeit der Gerichte zum Wesensgehalt sowohl des Rechts auf wirksamen Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV) als auch des Grundrechts auf ein faires Verfahren (Art. 47 Abs. 2 der Charta) gehört, dem als Garant u. a. für die Wahrung der in Art. 2 EUV niedergelegten gemeinsamen Werte der Mitgliedstaaten, insbesondere die Achtung der Rechtsstaatlichkeit, grundlegende Bedeutung zukommt ( 16 ). Somit ist klar, dass es innerhalb der Unionsrechtsordnung nur einen einzigen Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit gibt und dass der Inhalt von Art. 19 Abs. 1 EUV und Art. 47 der Charta im Hinblick auf die richterliche Unabhängigkeit im Wesentlichen derselbe ist ( 17 ).

27.

Die Tatsache, dass es sich um eigenständige Rechtsgrundlagen handelt und dass Art. 19 EUV und Art. 47 der Charta unterschiedliche Funktionen haben, bedeutet jedoch, dass die Art der Prüfung, die der Gerichtshof vorzunehmen hat, um die Einhaltung des Grundsatzes der richterlichen Unabhängigkeit zu überprüfen, voneinander abweichen kann.

28.

Hierzu hat Generalanwalt Bobek ausgeführt ( 18 ), dass Art. 19 EUV einen weiten Anwendungsbereich hat. Er verpflichtet die Mitgliedstaaten u. a. dazu, „Rechtsbehelfe [zu schaffen], damit ein wirksamer Rechtsschutz … gewährleistet ist“. Es handelt sich also um eine Bestimmung, die sich hauptsächlich mit den strukturellen und systemischen Elementen des nationalen Rechtsrahmens und nicht so sehr mit Elementen befasst, die sich auf spezifische Rechtssachen oder Einzelfälle beziehen. Zugleich ist die Schwelle für einen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 1 EUV recht hoch. Mit dieser Bestimmung sollen nicht alle erdenklichen Probleme erfasst werden, die im Zusammenhang mit der nationalen Justiz auftreten können, sondern nur solche, die so schwerwiegend und/oder dermaßen systemisch sind, dass sie das ordnungsgemäße Funktionieren des nationalen Justizsystems bedrohen und die Fähigkeit des betreffenden Mitgliedstaats gefährden, dem Einzelnen ausreichenden Rechtsschutz zu gewähren.

29.

Art. 47 der Charta zielt umgekehrt auf den Schutz des subjektiven Rechts der Verfahrensbeteiligten auf ein wirksames und faires Verfahren vor einem „unabhängigen, unparteiischen, zuvor durch Gesetz errichteten Gericht“. Die Überprüfung der „Unabhängigkeit“ eines Gerichts erfordert in diesem Zusammenhang eine detaillierte und fallspezifische Bewertung der relevanten Umstände, während Aspekte, die sich auf ein strukturelles oder systemisches Merkmal des Justizsystems der Mitgliedstaaten beziehen, nur insoweit von Bedeutung sind, als sie einen Einfluss auf das konkrete Verfahren haben können ( 19 ). Um sich auf Art. 47 der Charta berufen zu können, müssen jedoch bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Damit die Charta in ihrer Gesamtheit anwendbar ist, muss die betreffende Situation in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen ( 20 ). Darüber hinaus kann ein etwaiger Verstoß gegen Art. 47 der Charta grundsätzlich nur im Hinblick auf ein individuelles, durch das Unionsrecht garantiertes Recht geltend gemacht werden.

30.

Aufgrund dieses Unterschieds in der Tragweite und im Zweck von Art. 19 Abs. 1 EUV und Art. 47 der Charta sowie in den Voraussetzungen für die Anwendbarkeit dieser Bestimmungen kann es dazu kommen, dass der Gerichtshof mit zwei Arten von Rechtssachen, die die Vereinbarkeit nationaler Bestimmungen mit dem Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit betreffen, befasst wird ( 21 ). Einerseits gibt es Fälle, in denen die Frage der richterlichen Unabhängigkeit von einer Einzelperson als Nebenfrage in einem Fall aufgeworfen wird, in dem diese die Verletzung ihrer durch das Unionsrecht geschützten individuellen Rechte geltend macht. In solchen Fällen wird die richterliche Unabhängigkeit in der Regel unter dem Blickwinkel von Art. 47 der Charta geprüft. Andererseits gibt es Fälle, in denen es „abstrakt“ um die Frage geht, ob bestimmte gesetzgeberische Instrumente oder strukturelle Elemente, die in den Mitgliedstaaten vorgesehen wurden, mit den Anforderungen des Unionsrechts vereinbar sind, ohne dass ein konkreter Fall einer Verletzung des individuellen Rechts auf ein faires Verfahren gegeben ist. In diesem Zusammenhang wird der Gerichtshof in der Regel Art. 19 Abs. 1 EUV als hauptsächlichen oder alleinigen Maßstab heranziehen ( 22 ).

31.

Der vorliegende Fall ist etwas ungewöhnlich. Zum einen geht aus den Verfahrensakten hervor, dass die Kläger des Ausgangsverfahrens keine Verletzung ihrer durch das Unionsrecht geschützten individuellen Rechte geltend machen, sondern dass es ihnen darum geht, dass durch die mit der angefochtenen Verordnung eingeführte Reform ein Problem systemischer, transversaler Natur geschaffen werde. Sie begehren eine „abstrakte“ Beurteilung der Vereinbarkeit dieser Reform mit dem Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit. Andererseits ist schwerlich davon auszugehen, dass der hauptsächliche oder alleinige Maßstab für diese Beurteilung Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV ist und dass in diesem Sinne Art. 47 der Charta im vorliegenden Fall keine Anwendung findet. Wie Generalanwalt Bobek in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Asociaţia „Forumul Judecătorilor din România“ u. a. ausgeführt hat ( 23 ), weisen nationale Vorschriften wie die fraglichen im Ausgangsverfahren die Besonderheit auf, dass sie, wie ich oben in Abschnitt A ausgeführt habe, von Rumänien als „nationale Umsetzung“ der VZÜ-Entscheidung und der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Bulgarien und Rumäniens erlassen wurden. Es geht also um das Verhalten eines Mitgliedstaats (in diesem Fall Rumäniens) in einer Situation, in der er seinen Verpflichtungen aus dem Unionsrecht nachkommt und somit im Rahmen des Unionsrechts handelt und in der dadurch die Anwendung der Charta ausgelöst wird.

32.

Ich teile die Auffassung des Generalanwalts Bobek, dass dieser spezifische Kontext die Tür zu einem zweiten Szenario öffnet, das sich von dem oben in Nr. 29 dargelegten unterscheidet und in dem die Bestimmungen der Charta (einschließlich ihres Art. 47) – die denselben Wert haben wie die Bestimmungen der Verträge ( 24 ) – vom Gerichtshof nicht im Hinblick auf eine Verletzung individueller Rechte (wie ich bereits ausgeführt habe, wird hier keine Verletzung solcher Rechte behauptet), sondern als objektiver Prüfungsmaßstab oder Vorgabe für die Beurteilung der Vereinbarkeit der Umsetzung der Anforderungen des Unionsrechts durch Rumänien heranzuziehen sind.

33.

Daraus folgt meines Erachtens, dass die vorliegende Rechtssache in die zweite Kategorie der oben in Nr. 30 beschriebenen Fälle fällt, da sie eine „abstrakte“ Prüfung der Vereinbarkeit der mit der angefochtenen Verordnung eingeführten Reform mit dem Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit und keine konkrete Prüfung in Bezug auf eine angebliche Verletzung individueller Rechte erfordert. In Anbetracht des besonderen Kontexts, in dem sich der vorliegende Fall abspielt (Rumänien unterliegt dem VZÜ, wobei die Charta im Hintergrund bei den nationalen Rechtssetzungsentscheidungen berücksichtigt werden muss), glaube ich jedoch, dass sowohl Art. 47 der Charta als auch Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV in Verbindung mit Art. 2 EUV als maßgebliche Bezugspunkte für die Durchführung dieser Überprüfung angesehen werden können, und nicht nur Art. 19 Abs. 1 EUV ( 25 ).

C.   Zuständigkeit des Gerichtshofs

34.

Der Oberste Richterrat und die polnische Regierung haben eine Reihe von Einwänden erhoben, mit denen sie im Wesentlichen geltend machen, dass die dem Gerichtshof vorgelegten Fragen unzulässig seien, weil der Gerichtshof für ihre Prüfung nicht zuständig sei. Die Organisation der Justiz – zu der auch Fragen wie die Verfahren zur Beförderung nationaler Richter gehörten – falle in die ausschließliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten und nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts. Daher sei der Gerichtshof für diesen Bereich nicht zuständig.

35.

Meines Erachtens sind diese Argumente nicht stichhaltig und ohne Weiteres zurückzuweisen. Wie ich oben in Nr. 31 dargelegt habe, wurde die angefochtene Verordnung von Rumänien erlassen, während es dem VZÜ unterlag. Sie ist daher als „Umsetzung“ der Verpflichtungen anzusehen, die die VZÜ-Entscheidung diesem Mitgliedstaat auferlegt, da es sich um einen Rechtsakt eines Unionsorgans handelt, der in seiner Gesamtheit für diesen Mitgliedstaat verbindlich ist ( 26 ). Unter diesen Umständen ist es falsch, anzunehmen, dass der vorliegende Fall nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts falle.

36.

Darüber hinaus sind die vom Obersten Richterrat und von der polnischen Regierung vorgebrachten Einwände keineswegs neu, sondern wurden u. a. von dieser Regierung bereits in einer Reihe anderer Rechtssachen vorgebracht, die ebenfalls die richterliche Unabhängigkeit betrafen ( 27 ).

37.

In diesen früheren Rechtssachen hat der Gerichtshof diese Einwände immer auf die gleiche Art und Weise behandelt und betont, dass die Organisation der Justiz in den Mitgliedstaaten zwar in deren Zuständigkeit fällt, die Mitgliedstaaten bei der Ausübung dieser Zuständigkeit jedoch ihre Verpflichtungen aus dem Unionsrecht, einschließlich der Verpflichtungen aus Art. 2 und Art. 19 Abs. 1 EUV, einzuhalten haben ( 28 ).

38.

Gegenstand des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens sind wiederum genau die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten, die sich aus diesen Bestimmungen in Verbindung mit Art. 47 der Charta und der VZÜ-Entscheidung ergeben, sowie die Frage, ob die fraglichen nationalen Bestimmungen tatsächlich mit diesen Verpflichtungen in Einklang stehen. Darüber hinaus betreffen die vom Obersten Richterrat und der polnischen Regierung vorgebrachten Einwände im Wesentlichen die tatsächliche Tragweite des Grundsatzes der richterlichen Unabhängigkeit, wie er in Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV und Art. 47 der Charta in Verbindung mit Art. 2 EUV festgelegt ist, und damit die Auslegung dieser Bestimmungen. Wie der Gerichtshof festgestellt hat, fällt eine solche Auslegung eindeutig in seine Zuständigkeit nach Art. 267 AEUV ( 29 ).

D.   Richterliche Unabhängigkeit und Verfahren zur Beförderung amtierender Richter (Frage 2)

39.

Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob der Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit dahin auszulegen ist, dass er auch auf Verfahren zur Beförderung amtierender Richter Anwendung findet.

40.

Der Oberste Richterrat hält die zweite Frage für unzulässig, weil die Antwort auf diese Frage nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs so offenkundig sei, dass sie keinen Raum für vernünftige Zweifel lasse. Insoweit möchte ich nur daran erinnern, dass ein solcher Umstand, wenn er erwiesen ist, den Gerichtshof zwar dazu veranlassen kann, durch Beschluss nach Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs zu entscheiden, aber weder das nationale Gericht daran hindern kann, eine Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen, noch zur Unzulässigkeit dieser Frage führen kann ( 30 ). Es gibt daher meines Erachtens keinen Grund, die zweite Frage, wie der Oberste Richterrat geltend macht, für unzulässig zu halten.

41.

Um diese Frage zu beantworten, werde ich zunächst die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Unabhängigkeit der nationalen Richter in Bezug auf Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV und Art. 47 der Charta in Verbindung mit Art. 2 EUV darlegen (1), bevor ich erläutere, warum der Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit meines Erachtens auf die für sie geltenden Beförderungsverfahren Anwendung findet (2).

1. Rechtsprechung zur Unabhängigkeit der Richter

42.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten weder nach Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV noch nach Art. 47 der Charta verpflichtet sind, ein bestimmtes Modell für die Organisation ihrer Justizsysteme anzunehmen. Diese Bestimmungen zielen vielmehr darauf ab, nationale Vorschriften über die Organisation der Justiz auszuschließen, die in den betreffenden Mitgliedstaaten den Schutz des Wertes der Rechtsstaatlichkeit nach Art. 2 EUV beeinträchtigen ( 31 ). Die Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit konzentriert sich insoweit auf die Mindestanforderungen, die die nationalen Systeme erfüllen müssen. Die Mindestanforderungen dürfen insbesondere nicht unter das in Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention (im Folgenden: EMRK) in der Auslegung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte festgelegte Schutzniveau absinken ( 32 ).

43.

In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof festgestellt, dass der Begriff der Unabhängigkeit der Richter zwei Aspekte umfasst. Der erste, das Außenverhältnis betreffende Aspekt erfordert, dass die betreffende Einrichtung ihre Funktionen in völliger Autonomie ausübt, ohne mit irgendeiner Stelle hierarchisch verbunden oder ihr untergeordnet zu sein und ohne von irgendeiner Stelle Anordnungen oder Anweisungen zu erhalten, so dass sie auf diese Weise vor Eingriffen oder Druck von außen geschützt ist, die die Unabhängigkeit des Urteils ihrer Mitglieder gefährden und deren Entscheidungen beeinflussen könnten. Der zweite, das Innenverhältnis betreffende Aspekt steht mit dem Begriff der Unparteilichkeit in Zusammenhang und bezieht sich darauf, dass den Parteien des Rechtsstreits und ihren jeweiligen Interessen am Streitgegenstand mit dem gleichen Abstand begegnet wird. Dieser Aspekt verlangt, dass Sachlichkeit obwaltet und neben der strikten Anwendung der Rechtsnormen keinerlei Interesse am Ausgang des Rechtsstreits besteht ( 33 ). Beide Aspekte sind selbstverständlich eng miteinander verbunden ( 34 ).

44.

Insoweit hat der Gerichtshof ein einziges Kriterium entwickelt, das im Wesentlichen verlangt, dass es Regeln insbesondere für die Zusammensetzung der Einrichtung, die Ernennung, die Amtsdauer und die Gründe für Enthaltung, Ablehnung und Abberufung ihrer Mitglieder gibt, die es ermöglichen, bei den Rechtsunterworfenen jeden berechtigten Zweifel an der Unempfänglichkeit dieser Einrichtung für äußere Faktoren und an ihrer Neutralität in Bezug auf die widerstreitenden Interessen auszuräumen ( 35 ). Darüber hinaus hat er festgestellt, dass die Richter vor möglichen Versuchungen geschützt werden müssen, und zwar nicht in Bezug auf direkte Einflussnahme in Form von Weisungen, sondern auch hinsichtlich eher indirekter Einflussnahme, die sich auf die Entscheidungen der betreffenden Richter auswirken kann ( 36 ).

45.

Der Gerichtshof hat in mehreren Urteilen bestätigt, dass der Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit weit gefasst ist. Er gilt für die Vorschriften über die Ernennung von Richtern ( 37 ), die Bedingungen für den Verlauf und das Ende ihrer Laufbahn (einschließlich Änderungen der Bezüge) ( 38 ), ihre Entfernung aus dem Amt ( 39 ), die Disziplinarordnung ( 40 ) oder Strafverfahren ( 41 ), denen sie unterzogen werden können, und die Möglichkeit, die Dauer der richterlichen Tätigkeit über das normale Alter für den Eintritt in den Ruhestand hinaus zu verlängern ( 42 ). Dieser Grundsatz gilt im Übrigen auch für die Vorschriften über ihre Abordnung an ein höheres Gericht durch den Justizminister. Derartige Vorschriften müssen ausreichende Garantien bieten, um insbesondere zu verhindern, dass diese Abordnung als Mittel zur Ausübung einer politischen Kontrolle über den Inhalt gerichtlicher Entscheidungen genutzt wird ( 43 ).

2. Anwendung auf Verfahren zur Beförderung amtierender Richter

46.

In Anbetracht der soeben in Erinnerung gerufenen Rechtsprechung habe ich keinen Zweifel daran, und die Verfahrensbeteiligten des Ausgangsverfahrens bestreiten dies auch nicht, dass der Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit auf die für sie geltenden Beförderungsverfahren Anwendung findet. Die oben in Nr. 45 aufgeführten Beispiele zeigen, dass dieser Grundsatz vom Gerichtshof bereits auf ein breites Spektrum von Aspekten und Bestandteilen der strukturellen Organisation der nationalen Gerichte angewendet wurde und so auszulegen ist, dass er einen breiten Anwendungsbereich hat. Insbesondere hat der Gerichtshof bereits festgestellt, dass ausreichende Garantien für die richterliche Unabhängigkeit in Bezug auf die Regeln für die Ernennung der Richter, ihre Abordnung an höhere Gerichte und die Bedingungen für den Verlauf und das Ende ihrer Laufbahn im Allgemeinen gewahrt werden müssen. Die Beförderungsverfahren zwischen den verschiedenen Ebenen von Gerichten betreffen genau die Art und Weise, in der Richter der unteren Gerichte ausgewählt werden, um an höheren Gerichten ernannt oder dorthin abgeordnet zu werden ( 44 ). Außerdem sind sie Teil der Bedingungen, unter denen die Laufbahn der Richter verläuft und endet. Somit müssen sie dem Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit genügen ( 45 ).

47.

In Anbetracht dessen bin ich der Auffassung, dass Art. 47 der Charta und Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV in Verbindung mit Art. 2 EUV in dem Sinne auszulegen sind, dass der Grundsatz der Unabhängigkeit der Richter auch auf Verfahren zur Beförderung amtierender Richter Anwendung findet.

E.   Verstößt eine Reform, wie sie Rumänien eingeführt hat, gegen den Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit? (Fragen 3 und 4)

48.

Mit seiner dritten und seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob eine Reform, wie sie in Rumänien mit der fraglichen Verordnung eingeführt wurde, mit dem Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit vereinbar ist. Es möchte auch wissen, ob eine solche Reform den Empfehlungen widerspricht, die in den von der Kommission gemäß dem VZÜ erstellten Berichten enthalten sind.

49.

Bevor ich diese Fragen behandle, möchte ich drei Vorbemerkungen machen.

50.

Erstens: Der Oberste Richterrat macht geltend, dass die dritte und die vierte Frage unzulässig seien, weil sie auf einer unzutreffenden Darstellung des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Beförderungsverfahrens beruhten. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung für Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts, die von einem nationalen Gericht in einem bestimmten tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang vorgelegt werden und deren Richtigkeit der Gerichtshof nicht zu prüfen hat, eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen gilt ( 46 ). Im Übrigen betrifft das Vorbringen des Obersten Richterrats zur Unzulässigkeit der dritten und der vierten Frage in Wirklichkeit den Inhalt dieser Fragen und die Antwort, die der Gerichtshof darauf geben wird. Die dritte und die vierte Frage sind daher meines Erachtens zulässig.

51.

Zweitens bedeutet der Umstand, dass im vorliegenden Fall, wie ich oben in Abschnitt B ausgeführt habe, eine abstrakte Prüfung ( 47 ) der Vereinbarkeit der durch die angefochtene Verordnung eingeführten Reform erforderlich ist, nicht, dass die bloße Möglichkeit eines Missbrauchs des durch diese Reform eingeführten Verfahrens dafür ausreicht, um dieses Verfahren in seiner Gesamtheit zu verurteilen. Wie Generalanwalt Bobek ausgeführt hat ( 48 ), muss vor dem Gerichtshof überzeugend dargelegt werden, wie konkret und speziell ein bestimmtes Verfahren, wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die richterliche Unabhängigkeit zu gefährden geeignet ist.

52.

Insbesondere müssen die in diesem Zusammenhang zu Recht aufgeworfenen Fragen gemäß dem oben in Nr. 44 dargelegten Kriterium beim Einzelnen begründete Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der betreffenden Richter aufkommen lassen; andernfalls stellt sich das strukturelle Problem der richterlichen Unabhängigkeit nicht. Wie der Gerichtshof unter Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ausgeführt hat, ist für die Feststellung des Kriteriums der „Unabhängigkeit“ u. a. die Frage maßgebend, ob die Einrichtung den „Eindruck von Unabhängigkeit“ vermittelt, da es in einer demokratischen Gesellschaft gerade um das Vertrauen geht, das die Gerichte in der Öffentlichkeit schaffen müssen. Das Schlüsselelement besteht mit anderen Worten darin, wie die Öffentlichkeit die fraglichen Regelungen legitimerweise wahrnehmen könnte ( 49 ). Diese Regelungen müssen in ihrer Gesamtheit betrachtet werden, da bestimmte Aspekte des betreffenden Verfahrens oder Systems, die auf den ersten Blick problematisch erscheinen mögen, durch andere ausgeglichen werden können ( 50 ).

53.

Drittens ist es letztlich Sache des vorlegenden Gerichts, nachdem es die entsprechenden Feststellungen getroffen hat, darüber zu entscheiden, ob im vorliegenden Fall ein strukturelles Problem der richterlichen Unabhängigkeit besteht. Es ist nämlich zu bedenken, dass der Gerichtshof nach Art. 267 AEUV keine Befugnis hat, die Normen des Unionsrechts auf einen Einzelfall anzuwenden, sondern nur die, sich zur Auslegung der Verträge und der Rechtsakte der Unionsorgane zu äußern. Nach ständiger Rechtsprechung kann der Gerichtshof aber das Unionsrecht im Rahmen der durch Art. 267 AEUV begründeten Zusammenarbeit zwischen den Gerichten unter Berücksichtigung der Akten auslegen, soweit dies dem innerstaatlichen Gericht bei der Beurteilung der Wirkungen einer unionsrechtlichen Bestimmung dienlich sein könnte ( 51 ).

54.

Im Anschluss an diese Klarstellungen stelle ich fest, dass das Verfahren zur Beförderung von Richtern an unteren Gerichten in Rumänien, wie das vorlegende Gericht ausführt, offenbar zweistufig aufgebaut ist. Die erste Stufe, die in Kapitel II der angefochtenen Verordnung geregelt wird, ist die „umgehende Beförderung“ im Amt. Sie beruht auf einem schriftlichen Auswahlverfahren, mit dem sowohl die theoretischen Kenntnisse als auch die praktischen Fähigkeiten der Bewerber geprüft werden. Die erfolgreichen Bewerber werden dann in eine höhere Besoldungsgruppe befördert, verbleiben aber tatsächlich im selben Amt ( 52 ).

55.

Die zweite Stufe, die als „Versetzungsbeförderung“ bezeichnet wird, ist in Kapitel III der genannten Verordnung geregelt. Sie ermöglicht es, Bewerber, die bereits „umgehend“ in ihrem Amt befördert wurden und über die erforderliche berufliche Qualifikation verfügen, tatsächlich einem Regionalgericht oder Berufungsgericht zuzuweisen ( 53 ).

56.

Die Kläger des Ausgangsverfahrens erheben keine Einwendungen gegen die erste Stufe des Beförderungsverfahrens, d. h. die „umgehende“ Beförderung im Amt. Sie wenden sich lediglich gegen die Modalitäten der zweiten Stufe dieses Verfahrens (das Verfahren der „Versetzungsbeförderung“), auf der der Prüfungsausschuss die Arbeit und das Verhalten der Bewerber in den letzten drei Jahren vor ihrer Teilnahme an dieser zweiten Stufe bewerten muss ( 54 ). Zwei Aspekte dieses Verfahrens erscheinen ihnen besonders problematisch: (i) die Art und Weise, wie die Mitglieder des Prüfungsausschusses, die am Verfahren der „Versetzungsbeförderung“ teilnehmen, benannt werden, sowie die Zusammensetzung dieses Ausschusses, und (ii) die Kriterien, die die Mitglieder des Prüfungsausschusses anwenden, um zu entscheiden, welche Bewerber befördert werden sollen ( 55 ).

1. Erster Aspekt: die Benennung und Zusammensetzung des Prüfungsausschusses

57.

Die angefochtene Verordnung sieht vor, dass die Beurteilung der Bewerber für eine „Versetzungsbeförderung“ von einem Prüfungsausschuss vorgenommen wird, dessen Mitglieder von der Richterabteilung des Obersten Richterrats bestimmt werden ( 56 ). Dieser Ausschuss setzt sich auf der Ebene jedes Berufungsgerichts aus dem Präsidenten dieses Gerichts und vier seiner Mitglieder zusammen, deren Spezialisierung derjenigen der zu besetzenden Stellen entsprechen muss. Diese vier Mitglieder werden von der Richterabteilung des Obersten Richterrats auf Vorschlag des Leitungsausschusses des Berufungsgerichts (dem der Präsident dieses Gerichts angehört) ausgewählt ( 57 ).

58.

Die Kläger des Ausgangsverfahrens machen geltend, dass die angefochtene Verordnung den Präsidenten der Berufungsgerichte zu viele Befugnisse einräume. Außerdem berge die Reform die Gefahr, dass die Bewerber für das Verfahren der „Versetzungsbeförderung“ ein unterwürfiges Verhalten“ gegenüber den Präsidenten und den Mitgliedern der Berufungsgerichte an den Tag legten und sich diesen gegenüber verpflichtet fühlten. In diesem Zusammenhang weisen sie darauf hin, dass die Mitglieder des Prüfungsausschusses auch für die Überprüfung der von den Bewerbern während ihrer Tätigkeit an den unteren Gerichten erlassenen Urteile in der Berufungsinstanz zuständig seien und dass sie in regelmäßigen Abständen die Arbeitsleistung der Bewerber als Richter bewerteten, wenn und sobald sie an die Berufungsgerichte befördert würden. Sie vertreten die Auffassung, dass die richterliche Unabhängigkeit nicht nur dann gefährdet sei, wenn die Richter politischem Druck ausgesetzt seien, sondern auch, wenn Voreingenommenheit und Vetternwirtschaft innerhalb der Justiz gefördert würden.

59.

Meines Erachtens ergeben sich vorbehaltlich der Prüfung durch das vorlegende Gericht aus den von den Klägern des Ausgangsverfahrens vorgetragenen Gesichtspunkten gemäß den oben in Nr. 44 dargelegten Kriterien für sich genommen keine begründeten Zweifel Einzelner an der Unempfindlichkeit der Bewerber für das Verfahren der „Versetzungsbeförderung“ gegenüber äußeren Faktoren.

60.

Zwei Gründe sind für mich maßgebend für diese Schlussfolgerung.

61.

Erstens: Der Gerichtshof hat in seiner Rechtsprechung zwar nachdrücklich darauf hingewiesen, dass die Unabhängigkeit der Justiz insbesondere gegenüber der Legislative und der Exekutive gewährleistet sein muss ( 58 ), er hat aber bisher die Tatsache, dass Unterordnungs- oder Kontrollverhältnisse zwischen verschiedenen Gerichten (ohne Beteiligung der Exekutive oder Legislative) Fragen der richterlichen Unabhängigkeit aufwerfen könnten, nicht besonders hervorgehoben ( 59 ).

62.

Für diese unterschiedliche Behandlung gibt es meines Erachtens eine naheliegende Erklärung. Rechtssachen, die die Unabhängigkeit der Justiz von den anderen Staatsorganen betreffen (z. B. Rechtssachen, die die Ernennung von Mitgliedern eines Justizorgans durch einen Minister betreffen), werden vom Gerichtshof häufiger behandelt, weil sie, worauf der Gerichtshof hingewiesen hat ( 60 ), den Kern der Lehre von der „Gewaltenteilung“ berühren. Dadurch lassen sie sich leichter erkennen und als potenziell problematisch kennzeichnen. Die Fälle, in denen es um die Einflussnahme bestimmter Mitglieder der Justiz auf ihre Kollegen geht, sind subtiler. Aber auch sie können Fragen der richterlichen Unabhängigkeit aufwerfen. So ist es durchaus möglich und unschwer vorstellbar, dass bestimmte Formen der richterlichen Selbstverwaltung zu einem „System abhängiger Richter in einer unabhängigen Justiz“ führen, in dem Justizbeamte, wie z. B. Gerichtspräsidenten oder Beamte der richterlichen Selbstverwaltungsorgane, innerhalb der Justiz unzulässigen Einfluss ausüben ( 61 ). Fragen der richterlichen Unabhängigkeit sind insofern nicht auf Fälle beschränkt, in denen andere Gewalten oder Dritte betroffen sind, sondern können sich auch innerhalb des Justizsystems selbst stellen, wo immer die Gefahr besteht, dass Richter von ihren Kollegen unzulässig beeinflusst werden könnten ( 62 ). Während jedoch schon die bloße Beteiligung der Exekutive oder der Legislative an Entscheidungen, die die Judikative betreffen, möglicherweise eine „Warnflagge“ aus dem Blickwinkel der Lehre von der Gewaltenteilung zur Folge hat, bedeutet die Tatsache, dass bestimmte Richter Kontrolle über ihre Kollegen ausüben, an und für sich (und sofern die Exekutive oder die Legislative in dieser Hinsicht nicht eingreift ( 63 )) noch nicht, dass ein potenzielles Problem der richterlichen Unabhängigkeit besteht ( 64 ).

63.

Allerdings stimme ich mit den Klägern des Ausgangsverfahrens darin überein, dass es keinem demokratischen System guttut, wenn einer einzigen Person oder einem einzigen Gremium zu viel Macht anvertraut wird (unabhängig davon, um welches Regierungsorgan es sich handelt). Zu viel Macht in den Händen von zu wenigen bedeutet weniger Rechenschaftspflicht und mehr Möglichkeiten für willkürliche Entscheidungen, Voreingenommenheit, Vetternwirtschaft und Missbrauch ( 65 ). Im vorliegenden Fall ist es richtig, dass die Mitglieder des Prüfungsausschusses mehrere Funktionen innehaben, die sich auf das Berufsleben und die Laufbahn der Richter der unteren Gerichte auswirken können. Sie sind sowohl für die Durchführung des Beförderungsverfahrens für Richter der unteren Gerichte als auch für die Überprüfung der von diesen Richtern erlassenen Urteile in der Berufungsinstanz sowie für die regelmäßige Bewertung ihrer Arbeit, wenn und sobald sie schließlich befördert und an ein Berufungsgericht versetzt werden, und (was die Präsidenten der Berufungsgerichte angeht) für Empfehlungen hinsichtlich der Besetzung des Prüfungsausschusses zuständig.

64.

Ist dies jedoch ausreichend, um bei den Betroffenen begründete Zweifel an der Unempfindlichkeit der Richter der unteren Gerichte gegenüber äußeren Faktoren zu haben? Meines Erachtens bedarf es mehr. Es müssen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine solche Konzentration von Befugnissen tatsächlich zu einer Einmischung oder einem Druck von außen führen könnte, die bzw. der geeignet ist, das unabhängige Urteilsvermögen der Richter der unteren Gerichte zu beeinträchtigen und ihre Entscheidungen zu beeinflussen, indem beispielsweise ein Anreiz für sie geschaffen wird, in den bei ihnen anhängigen Verfahren eher im Sinne der einen als der anderen Partei oder im Sinne derjenigen, die sie ernennen oder befördern, zu entscheiden ( 66 ). Mir scheint, dass die bloße Tatsache, dass die Richter der unteren Gerichte, um ihre Beförderungschancen zu erhöhen, ermutigt werden (ohne von anderen Erwägungen beeinflusst zu werden, wie z. B. der Frage, ob die von ihnen erlassenen Urteile einem bestimmten Mitglied wie dem Präsidenten des Berufungsgerichts gefallen), sich nach Kräften darum zu bemühen, dass diese Urteile von höchstmöglicher Qualität sind, und damit das Risiko zu verringern, dass sie in der Berufungsinstanz aufgehoben werden, ein vergleichsweise unbedenklicher Zustand in einem System ist, in dem die unteren Gerichte, sofern keine stichhaltigen Gründe dagegen sprechen ( 67 ), der Rechtsprechung der höheren Gerichte folgen müssen.

65.

Im Übrigen könnte man – im Gegensatz zu dem eher negativen Bild, das die Kläger des Ausgangsverfahrens zeichnen – argumentieren, dass die Mitglieder der Berufungsgerichte der Mitgliedstaaten, die nach dem Unionsrecht selbst zur Einhaltung des Grundsatzes der richterlichen Unabhängigkeit verpflichtet sind und sich von äußerem Einfluss oder Druck freihalten müssen, grundsätzlich gut in der Lage sind, die Arbeit der Bewerber zu beurteilen und zu entscheiden, wer von ihnen eine Beförderung verdient. Der Umstand, dass sie möglicherweise für die Überprüfung von Urteilen, die die Bewerber als Richter in den unteren Gerichten erlassen haben, in der Berufungsinstanz zuständig sind und dass sie mit der Arbeitsweise der Gerichte und der Abfassung von Gerichtsentscheidungen vertraut sind, bestätigt meines Erachtens nur, dass sie in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens, in der ihre eigene Unabhängigkeit nicht in Frage gestellt wird, für diese Beurteilung geeignet sind.

66.

Zweitens: Die bloße Tatsache, dass Entscheidungen über die Ernennung von Richtern (oder, wie im vorliegenden Fall, ihre Beförderung) bestimmten Personen oder Personengruppen anvertraut werden und nicht anderen, reicht meines Erachtens nicht aus, um das Fehlen ausreichender Garantien für die richterliche Unabhängigkeit festzustellen. Irgendjemand muss für diese Ernennungen verantwortlich sein, seien es Mitglieder der Exekutive oder der Legislative oder andere Mitglieder der Judikative oder eine Mischung aus allen dreien oder sogar ein ganz anderes Gremium, und oft fällt der Gedanke nicht leicht, wer ein idealer Kandidat für die betreffende Aufgabe sein könnte. Wie soeben dargelegt, sind die Mitglieder der Richterschaft im Grundsatz gut geeignet, diese Aufgaben zu erfüllen. Doch selbst wenn die Richter tatsächlich von der Exekutive ernannt oder befördert werden, dürfte dies unter dem Gesichtspunkt der richterlichen Unabhängigkeit für sich genommen noch nicht problematisch sein ( 68 ).

67.

Der Gerichtshof hat diesen Ansatz u. a. in den Urteilen A. B. u. a. (Ernennung von Richtern am Obersten Gericht – Klagen) ( 69 ) und Prokuratura Rejonowa w Mińsku Mazowieckim u. a. ( 70 ) bekräftigt. Dieses letztere Urteil betraf die Bedingungen, unter denen der Justizminister einen Richter an ein höheres Gericht abordnen und diese Abordnung beenden kann. Darin hat der Gerichtshof im Wesentlichen hervorgehoben, dass es zur Vermeidung von Willkür und der Gefahr von Manipulationen nicht so sehr darauf ankommt, „wer“ die Entscheidungen trifft, sondern dass diese Entscheidungen auf der Grundlage von im Vorhinein bekannten Kriterien getroffen werden und ordnungsgemäß begründet werden ( 71 ). Das bedeutet natürlich nicht, dass es irrelevant ist, „wer“ für die Ernennung oder Beförderung der Richter zuständig ist: Je mehr sich herausstellt, dass die Frage nach dem „wer“ z. B. unter dem Gesichtspunkt der Gewaltenteilung oder aufgrund des Grades der Unterordnung zwischen dem für die Ernennung zuständigen Gremium und den Richtern, denen sie zugutekommt, als problematisch anzusehen ist, desto mehr materiell- und verfahrensrechtliche Garantien sind meines Erachtens erforderlich, um den Eindruck der Unsachlichkeit auszugleichen, der sonst entstehen könnte. Insoweit sind es also diese Garantien, auf die es ankommt.

68.

Dieses Ergebnis kann meines Erachtens auch auf den vorliegenden Fall angewendet werden. In allen Fällen – auch denen, in denen die Stelle, die für die Entscheidung über die Ernennung oder Beförderung nationaler Richter zuständig ist, für die Wahrnehmung dieser Aufgaben gut geeignet erscheint – ist im Hinblick auf die richterliche Unabhängigkeit nicht so sehr die Frage entscheidend, wer ein Beförderungsverfahren, wie es die angefochtene Verordnung vorsieht, durchführt, sondern vielmehr, ob die Kriterien, die von der mit der Durchführung eines solchen Verfahrens betrauten Stelle angewandt werden, hinreichend genau, objektiv und überprüfbar sind ( 72 ) und ob diese Stelle zu einer Begründung verpflichtet ist. Von Bedeutung ist auch, ob die Entscheidungen in einem Gerichtsverfahren angefochten werden können ( 73 ).

69.

Es ist nunmehr zu prüfen, ob in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens die vom Prüfungsausschuss anzuwendenden Kriterien diesen Anforderungen genügen.

2. Zweiter Aspekt: die vom Prüfungsausschuss angewendeten Kriterien

70.

Im vorliegenden Fall ist es, wie ich bereits hervorgehoben habe, Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die vom Prüfungsausschuss im Rahmen des Verfahrens der „Versetzungsbeförderung“ angewendeten Kriterien den Anforderungen genügen, die ich oben in Nr. 68 dargestellt habe, oder ob sie im Gegenteil geeignet sind, seinen Mitgliedern ein „zu weites Ermessen“ einzuräumen, das beim Einzelnen begründete Zweifel an der Unabhängigkeit der von diesem Verfahren betroffenen Richter der unteren Gerichte aufkommen lassen kann. Ein zu weites Ermessens liegt insbesondere dann vor, wenn die Bedingungen für ein bestimmtes Verfahren oder die bei der Durchführung dieses Verfahrens angewendeten Kriterien nicht gesetzlich festgelegt (und somit nicht überprüfbar), unbestimmt oder nicht sachgerecht sind oder Anlass geben, einen Einfluss politischer oder anderer Kräfte zu vermuten (z. B. wenn die anzuwendenden Kriterien nicht hinreichend objektiv sind) ( 74 ).

71.

In diesem Zusammenhang erscheinen mir bestimmte Einzelheiten aus den Akten besonders erwähnenswert.

72.

Erstens: Für das Verfahren der „Versetzungsbeförderung“ gelten zwei verschiedene, klar umrissene Gruppen von Kriterien. Bei der Bewertung der Arbeit der Bewerber sind nach der angefochtenen Verordnung nämlich drei Kriterien zu berücksichtigen: (i) die Fähigkeit, zu analysieren und zusammenzufassen; die Folgerichtigkeit im Ausdruck; (ii) die Klarheit und Logik der Argumentation; die Analyse der Argumente des Vorbringens und der Einwendungen der Parteien; die Beachtung der Rechtsprechung der Înalta Curte de Casație şi Justiție (Oberster Kassations- und Gerichtshof, Rumänien) und der Berufungsgerichte und (iii) die Einhaltung angemessener Fristen für die Bearbeitung von Rechtssachen und die Ausarbeitung von Entscheidungen ( 75 ). Für die Bewertung des Verhaltens der Bewerber werden außerdem zwei Kriterien herangezogen: (i) die Angemessenheit der Haltung oder des Verhaltens des Bewerbers gegenüber Verfahrensbeteiligten, Anwälten, Sachverständigen und Dolmetschern bei Gerichtsverhandlungen und anderen beruflichen Tätigkeiten sowie seine Fähigkeit, mit Situationen im Gerichtssaal umzugehen, und (ii) die Fähigkeit des Bewerbers, mit anderen Mitgliedern des Gerichts zusammenzuarbeiten und mit anderen Richtern und Mitarbeitern zu kommunizieren ( 76 ). Diese Kriterien sind in der angefochtenen Verordnung ausdrücklich aufgeführt und somit überprüfbar. Außerdem sind sie alle relevant, um sich ein Bild von der richterlichen Tätigkeit und den Verdiensten eines Bewerbers zu machen ( 77 ).

73.

Was zweitens die Frage betrifft, ob diese Kriterien hinreichend objektiv sind, so ist darauf hinzuweisen, dass der Prüfungsausschuss für die Prüfung, ob die ersten beiden Kriterien erfüllt sind, eine Stichprobe von zehn Entscheidungen des Bewerbers aus den letzten drei Jahren heranzieht ( 78 ). Diese Entscheidungen werden mit Hilfe einer Computersoftware nach dem Zufallsprinzip ausgewählt, wobei wiederum einheitliche Kriterien zugrunde gelegt werden ( 79 ). Um die Eignung der Bewerber anhand der verschiedenen Verhaltenskriterien zu beurteilen, sieht sich der Prüfungsausschuss außerdem eine Stichprobe von Aufzeichnungen der mündlichen Verhandlungen an, die der jeweilige Bewerber geleitet hat ( 80 ). Der Ausschuss berücksichtigt auch die Informationen in der Personalakte der Bewerber, die von der Inspecția Judiciarâ (Justizaufsichtsbehörde) zur Verfügung gestellten Informationen über mögliche disziplinarische und ethische Verstöße für den betreffenden Zeitraum sowie alle anderen überprüfbaren Informationen über die Bewerber ( 81 ).

74.

Es ist natürlich nicht auszuschließen und sogar unvermeidlich, dass ein gewisses Maß an Subjektivität ins Spiel kommt, wenn der Prüfungsausschuss diese verschiedenen Elemente auslegt, um sich ein Bild von der Arbeit und dem Verhalten der Bewerber zu machen. Ich bin jedoch der Ansicht, dass die Informationsquellen und Nachweise, auf die sich die Mitglieder des Prüfungsausschusses bei ihrer Entscheidung über die einzelnen Bewerber stützen müssen, recht zahlreich und vielfältig sind. Dies trägt dazu bei, dass das gesamte Verfahren der „Versetzungsbeförderung“ zunächst einmal auf einer objektiven und nicht auf einer ermessensabhängigen Beurteilung zu beruhen scheint.

75.

Drittens ist festzustellen, dass die angefochtene Verordnung, wie aus den Verfahrensakten hervorgeht, auch vorsieht, dass der Prüfungsausschuss bei seiner Entscheidung, welche Kandidaten befördert werden, die mit Gründen versehenen Stellungnahmen der Abteilung, der jeder Bewerber zum Zeitpunkt des Beförderungsverfahrens angehört ( 82 ), und der Abteilung, die seiner Fachrichtung bei dem hierarchisch übergeordneten Gericht entspricht ( 83 ), berücksichtigt. Insoweit hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass das Einschalten einer anderen Stelle in das Verfahren, das zum Erlass solcher Entscheidungen führt, grundsätzlich zur Objektivierung dieses Verfahrens beitragen kann. Dies ist natürlich nur dann der Fall, wenn diese Stelle selbst von der Legislative und der Exekutive sowie dem Organ, dem sie ihre Stellungnahme übermitteln soll, unabhängig ist und die betreffende Stellungnahme auf der Grundlage objektiver und einschlägiger Kriterien verfasst und in gebotener Weise begründet ist, so dass sie geeignet ist, diesem Organ objektive Anhaltspunkte für seine Entscheidungsfindung zu liefern ( 84 ). Dies zu prüfen, ist natürlich Sache des vorlegenden Gerichts.

76.

Was schließlich die Begründungspflicht des Prüfungsausschusses und die Möglichkeit der gerichtlichen Anfechtung der von ihm getroffenen Entscheidungen betrifft, so stelle ich fest, dass der Prüfungsausschuss nach Abschluss des Verfahrens einen mit Gründen versehenen Bericht erstellen muss, in dem die für die fünf oben genannten Kriterien vergebenen Noten sowie die Gesamtnote des Bewerbers anzugeben sind ( 85 ). Hat der Bewerber Einwände gegen den Berichtsentwurf, so kann er diese zudem bei einem Gespräch mit dem Prüfungsausschuss, das in jedem Fall stattzufinden hat, oder auch schriftlich vorbringen ( 86 ). Der Bewerber hat außerdem 48 Stunden ab dem Datum der Veröffentlichung der Ergebnisse Zeit, gegen die erhaltene Note bei der Richterabteilung des Obersten Richterrats Widerspruch einzulegen, die dann prüft, ob eine neue Bewertung erforderlich ist, und gegebenenfalls selbst eine neue Bewertung vornimmt ( 87 ).

77.

Meines Erachtens bestätigen alle diese Gesichtspunkte in ihrer Gesamtheit, dass keine reale Gefahr eines „zu weiten Ermessens“ besteht, das bei den Einzelnen begründete Zweifel an der Unabhängigkeit der betreffenden Richter aufkommen lassen könnte. Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob dies tatsächlich der Fall ist. Vorbehaltlich dieser Prüfung neige ich dazu, die von den Klägern des Ausgangsverfahrens geäußerten Bedenken hinsichtlich der mangelnden Objektivität der vom Prüfungsausschuss angewendeten Kriterien nicht zu teilen.

78.

Daher bin ich der Ansicht, dass der Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit, der in Art. 47 der Charta und Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV in Verbindung mit Art. 2 EUV verankert ist, durch die Einführung eines Verfahrens zur Beförderung nationaler Richter an ein höheres Gericht nicht verletzt wird, das auf einer Beurteilung ihrer Arbeit und ihres Verhaltens durch einen Ausschuss beruht, der sich aus dem Präsidenten und Richtern des betreffenden höheren Gerichts zusammensetzt, die zusätzlich zu dieser Beurteilung die von den Richtern der unteren Gerichte erlassenen Entscheidungen in der Berufungsinstanz überprüfen und diese Richter in regelmäßigen Abständen beurteilen, wenn und sobald sie zu dem betreffenden höheren Gericht befördert werden. Selbst wenn die Mitglieder dieses Ausschusses ihrerseits unabhängig sind, müssen die von ihnen angewandten Kriterien jedoch hinreichend objektiv, relevant und überprüfbar sein, um bei den Einzelnen keinen begründeten Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass die betreffenden Richter der unteren Gerichte keinem äußeren Einfluss oder Druck ausgesetzt sind, der ihr unabhängiges Urteil beeinträchtigen und ihre Entscheidungen beeinflussen könnte, und der Ausschuss ist verpflichtet, seine Entscheidungen zu begründen. Ein weiterer wichtiger Faktor in dieser Hinsicht ist die Möglichkeit für diese Richter, Entscheidungen, die ihre Beförderung betreffen, vor Gericht anzufechten ( 88 ).

3. Bedeutung der VZÜ-Entscheidung für die Prüfung der Vereinbarkeit

79.

Es bleibt zu prüfen, ob die mit der angefochtenen Verordnung eingeführte Reform gegen irgendeine Bestimmung der VZÜ-Entscheidung verstößt oder nicht die Empfehlungen in den von der Kommission in Anwendung dieser Entscheidung erstellten Berichten berücksichtigt (Frage 4).

80.

In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass die VZÜ-Entscheidung Rumänien keine anderen spezifischen Verpflichtungen auferlegt als die Verpflichtung, über seine Fortschritte bei der Umsetzung der VZÜ-Vorgaben zu berichten und sein Justizsystem im Einklang mit diesen Vorgaben einer Reform zu unterziehen. Darüber hinaus enthält, wie die Kommission selbst erklärt, keiner der von ihr in Anwendung des VÜZ erstellten Berichte, weder vor noch nach dem Erlass der angefochtenen Verordnung, ausdrückliche Empfehlungen zu den Verfahren für die Beförderung von Richtern der unteren Gerichte in Rumänien.

81.

Tatsächlich hat die Kommission ihren letzten Bericht in Anwendung der VZÜ am 22. November 2022 erstellt ( 89 ). In diesem Bericht bestätigte sie, dass einige Richterverbände und Organisationen der Zivilgesellschaft die mit der angefochtenen Verordnung vorgenommene Änderung des Beförderungsverfahrens kritisiert hätten, da der leistungs- und wettbewerbsorientierte Charakter des Verfahrens eingeschränkt worden sei. Sie hat jedoch weder auf ein bestimmtes Problem hingewiesen noch eine Empfehlung zum Beförderungsverfahren für Richter ausgesprochen.

82.

Nach alledem scheint mir die vierte Frage des vorlegenden Gerichts darauf hinauszulaufen, ob gerade deshalb, weil in den vor dem Erlass der angefochtenen Verordnung veröffentlichten VZÜ-Berichten keine derartigen Empfehlungen enthalten gewesen seien, davon auszugehen sei, dass Rumänien an einer Änderung seines Verfahrens für Beförderungen gehindert gewesen sei. Mit anderen Worten: Das Schweigen in den Berichten zu diesem Thema sei als Verpflichtung für Rumänien zu verstehen, den bisherigen Status unverändert zu lassen.

83.

Ich glaube nicht, dass ein solcher Ansatz richtig wäre. Meiner Ansicht nach steht es Rumänien im Rahmen der Anwendung des VZÜ frei, sein Justizsystem so zu gestalten, wie es dies für richtig hält, solange es den Empfehlungen in den Berichten der Kommission, die in Anwendung dieser Entscheidung erstellt wurden, Rechnung trägt und sicherstellt, dass alle Reformen, die es in diesem Rahmen beschließt, mit den Vorgaben des VZÜ und anderen Anforderungen des Unionsrechts im Allgemeinen in Einklang sind. Auch hier geht es, wie oben unter Nr. 42 dargelegt, nicht darum, Rumänien ein bestimmtes Modell für die Organisation seines Justizwesens vorzuschreiben, sondern vielmehr darum, dafür zu sorgen, dass im Rahmen des Modells, das es annehmen möchte, bestimmte Garantien gewährleistet sind. Insoweit ist es meines Erachtens unerheblich, dass das bisherige Beförderungsverfahren mehr als zehn Jahre lang unverändert geblieben war: Rumänien war berechtigt, es zu ändern ( 90 ).

V. Ergebnis

84.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die von der Curtea de Apel Ploieşti (Berufungsgericht Ploieşti, Rumänien) zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

1.

Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV in Verbindung mit Art. 2 EUV

sind dahin auszulegen, dass der Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit auf die Verfahren zur Beförderung von Richtern Anwendung findet. Dieser Grundsatz wird nicht durch die Einführung eines Verfahrens für die Beförderung nationaler Richter an ein höheres Gericht verletzt, das auf einer Beurteilung ihrer Arbeit und ihres Verhaltens durch einen Ausschuss beruht, der sich aus dem Präsidenten und Richtern des betreffenden höheren Gerichts zusammensetzt, die zusätzlich zu dieser Beurteilung die von den Richtern der unteren Gerichte erlassenen Entscheidungen in der Berufungsinstanz überprüfen und diese Richter in regelmäßigen Abständen beurteilen, wenn und sobald sie zu dem betreffenden höheren Gericht befördert werden. Selbst wenn die Mitglieder dieses Ausschusses ihrerseits unabhängig sind, müssen die von ihnen angewendeten Kriterien jedoch hinreichend objektiv, relevant und überprüfbar sein, um bei den Einzelnen keinen begründeten Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass die betreffenden Richter der unteren Gerichte keinem äußeren Einfluss oder Druck ausgesetzt sind, der ihr unabhängiges Urteil beeinträchtigen und ihre Entscheidungen beeinflussen könnte, und der Ausschuss ist verpflichtet, seine Entscheidungen zu begründen. Ein weiterer relevanter Faktor in dieser Hinsicht ist die Möglichkeit für diese Richter, Entscheidungen, die ihre Beförderung betreffen, vor Gericht anzufechten.

2.

Art. 47 der Charta und Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV in Verbindung mit Art. 2 EUV und der Entscheidung 2006/928/EG der Kommission vom 13. Dezember 2006 zur Einrichtung eines Verfahrens für die Zusammenarbeit und die Überprüfung der Fortschritte Rumäniens bei der Erfüllung bestimmter Vorgaben in den Bereichen Justizreform und Korruptionsbekämpfung

sind dahin auszulegen, dass sie Justizreformen in Rumänien nicht entgegenstehen, wenn diese Reformen mit den sich aus dem Unionsrecht ergebenden Anforderungen in Einklang stehen und der einzige Grund, der diesen Reformen entgegenstehen könnte, darin bestünde, dass die Kommission in den Berichten, die sie auf der Grundlage des Beschlusses 2006/928 erstellt hat, keine ausdrücklichen Empfehlungen speziell zum Inhalt dieser Reformen abgegeben hat.


( 1 ) Originalsprache: Englisch.

( 2 ) Vgl. u. a. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (im Folgenden EGMR), 15. Juli 2010, Gazeta-Ukraina-Tsentr/Ukraine (CE:ECHR:2010:0715JUD001669504, § 32 und die dort angeführte Rechtsprechung), und EGMR, 3. Mai 2007, Bochan/Ukraine, (CE:ECHR:2007:0503JUD000757702, § 66). Vgl. auch Urteil vom 19. November 2019, A. K. u. a. (Unabhängigkeit der Disziplinarkammer des Obersten Gerichts) (C‑585/18, C‑624/18 und C‑625/18, EU:C:2019:982, im Folgenden: Urteil A. K. u. a. [Unabhängigkeit der Disziplinarkammer des Obersten Gerichts], Rn. 127 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 3 ) Beschluss Nr. 1348 vom 17. September 2019 der Richterabteilung des Obersten Richterrats zur Genehmigung der Verordnung über die Organisation und den Ablauf des Auswahlverfahrens zur Beförderung von Richtern.

( 4 ) Weitere Einzelheiten zur Zusammensetzung der Gremien, die für die regelmäßige Bewertung der Richter zuständig sind, enthält Art. 39 Abs. 3 des Gesetzes Nr. 303/2004.

( 5 ) Von Rumänien am 25. April 2005 in Luxemburg unterzeichnet (ABl. 2005, L 157, S. 11).

( 6 ) Diese Bedenken haben Eingang gefunden in Anhang IX der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Bulgarien und Rumäniens. Vgl. insbesondere Nr. 3 dieses Anhangs, der sich auf die Ausarbeitung und Durchführung eines Aktionsplans und einer Strategie für die Reform des Justizwesens bezieht.

( 7 ) ABL. 2005, L 157, S. 203.

( 8 ) Entscheidung 2006/928/EG der Kommission vom 13. Dezember 2006 zur Einrichtung eines Verfahrens für die Zusammenarbeit und die Überprüfung der Fortschritte Rumäniens bei der Erfüllung bestimmter Vorgaben in den Bereichen Justizreform und Korruptionsbekämpfung (ABl. 2006, L 354, S. 56) (im Folgenden: VZÜ-Entscheidung).

( 9 ) Vgl. Erwägungsgründe 2, 4 und 6 der VZÜ-Entscheidung.

( 10 ) Vgl. dritter Erwägungsgrund der VZÜ-Entscheidung.

( 11 ) Vgl. Urteil vom 18. Mai 2021, Asociaţia Forumul Judecătorilor din România u. a. (C‑83/19, C‑127/19, C‑195/19, C‑291/19, C‑355/19 und C‑397/19, EU:C:2021:393, im Folgenden: Urteil Asociaţia „Forumul Judecătorilor din România“ u. a., Rn. 175).

( 12 ) Ebd. (Nr. 170).

( 13 ) Zu allen diesen Rechtssachen ist nur ein Urteil ergangen; Generalanwalt Bobek hat allerdings zweimal Schlussanträge verfasst (einmal in der Rechtssache Statul Român – Ministerul Finanţelor Publice, C‑397/19, EU:C:2020:747, und ein andermal in der Rechtssache Asociaţia Forumul Judecătorilor din România u. a., C‑83/19, C‑127/19, C‑195/19, C‑291/19 und C‑355/19, EU:C:2020:746).

( 14 ) Vgl. Urteil Asociaţia „Forumul Judecătorilor din România“ u. a. (Nrn. 1 und 2 des Urteilstenors).

( 15 ) Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof mit einer weiteren Reihe von Rechtssachen befasst worden ist, die das Justizsystem in Rumänien und insbesondere die Frage betreffen, ob der Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit dem Erlass einer Entscheidung durch ein nationales Verfassungsgericht entgegensteht, das in Ausübung seiner verfassungsrechtlichen Befugnisse über die Rechtmäßigkeit der Zusammensetzung der gerichtlichen Kammern des obersten nationalen Gerichts entscheidet (vgl. Urteil vom 21. Dezember 2021, Euro Box Promotion u. a., C‑357/19, C‑379/19, C‑547/19, C‑811/19 und C‑840/19, EU:C:2021:1034, im Folgenden: Urteil Euro Box Promotion u. a.).

( 16 ) Vgl. Urteil vom 6. Oktober 2021, W. Ż. (Oberstes Gericht, Kammer für außerordentliche Kontrolle und öffentliche Angelegenheiten – Ernennung) (C‑487/19, EU:C:2021:798, Rn. 108 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 17 ) Vgl. u. a. Schlussanträge des Generalanwalts Bobek in den verbundenen Rechtssachen Prokuratura Rejonowa w Mińsku Mazowieckim u. a. (C‑748/19 bis C‑754/19, EU:C:2021:403, Nr. 162) und in der Rechtssache Getin Noble Bank (C‑132/20, EU:C:2021:557, Nr. 36). Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Hogan in der Rechtssache Repubblika (C‑896/19, EU:C:2020:1055, Nrn. 45 und 46) und des Generalanwalts Tanchev in den verbundenen Rechtssachen A. K. u. a. (Unabhängigkeit der Disziplinarkammer des Obersten Gerichts) (C‑585/18, C‑624/18 und C‑625/18, EU:C:2019:551, Nr. 85).

( 18 ) Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Bobek in der Rechtssache Asociaţia Forumul Judecătorilor din România u. a. (C‑83/19, C‑127/19, C‑195/19, C‑291/19 und C‑355/19, EU:C:2020:746, Nrn. 183 bis 225), in den verbundenen Rechtssachen Prokuratura Rejonowa w Mińsku Mazowieckim u. a. (C‑748/19 bis C‑754/19, EU:C:2021:403, Nrn. 162 bis 169) und in der Rechtssache Getin Noble Bank (C‑132/20, EU:C:2021:557, Nrn. 36 bis 41).

( 19 ) Ebd.

( 20 ) Vgl. Art. 51 Abs. 1 der Charta.

( 21 ) Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Bobek in der Rechtssache Asociaţia Forumul Judecătorilor din România u. a. (C‑83/19, C‑127/19, C‑195/19, C‑291/19 und C‑355/19, EU:C:2020:746, Nrn. 236 und 237).

( 22 ) Der Vollständigkeit halber füge ich hinzu, dass der Gerichtshof, unabhängig davon, auf welche dieser beiden Bestimmungen (Art. 19 EUV oder Art. 47 der Charta) er sich stützt, in der Regel keine gesonderte Prüfung im Hinblick auf Art. 2 EUV (Rechtsstaatlichkeit) vornimmt, obwohl diese Bestimmung natürlich in die Beurteilung des Gerichtshofs einfließt und für diese relevant ist und in der Tat häufig in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 EUV und/oder Art. 47 der Charta geprüft wird. Diese beiden Bestimmungen können nämlich als Konkretisierung von Art. 2 EUV angesehen werden, da die Rechtsstaatlichkeit als einer der Grundwerte, auf denen die Europäische Union beruht, durch die Garantie des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz (Art. 19 EUV) und das Grundrecht auf ein faires Verfahren (Art. 47 der Charta) gewährleistet wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. Juni 2019, Kommission/Polen [Unabhängigkeit des Obersten Gerichts], C‑619/18, EU:C:2019:531, im Folgenden: Urteil Kommission/Polen [Unabhängigkeit des Obersten Gerichts], Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 2. März 2021, A. B. u. a. [Ernennung von Richtern am Obersten Gericht – Klagen], C‑824/18, EU:C:2021:153, Rn. 108). Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Bobek in der Rechtssache Asociaţia Forumul Judecătorilor din România u. a. (C‑83/19, C‑127/19, C‑195/19, C‑291/19 und C‑355/19, EU:C:2020:746, Nr. 225).

( 23 ) Schlussanträge des Generalanwalts Bobek in der Rechtssache Asociaţia Forumul Judecătorilor din România u. a. (C‑83/19, C‑127/19, C‑195/19, C‑291/19 und C‑355/19, EU:C:2020:746, Nrn. 198 bis 200).

( 24 ) Vgl. Art. 6 Abs. 1 EUV.

( 25 ) Eine ähnliche Lösung hat Generalanwalt Bobek in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Asociaţia Forumul Judecătorilor din România u. a. (C‑83/19, C‑127/19, C‑195/19, C‑291/19 und C‑355/19, EU:C:2020:746, Nr. 226) vertreten. Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Saugmandsgaard Øe in der Rechtssache Associação Sindical dos Juízes Portugueses (C‑64/16, EU:C:2017:395, Nrn. 42 und 53).

( 26 ) Siehe oben, Nr. 22.

( 27 ) Vgl. u. a. Urteil Kommission/Polen (Unabhängigkeit des Obersten Gerichts). Vgl. auch Urteile vom 26. März 2020, Miasto Łowicz und Prokurator Generalny (C‑558/18 und C‑563/18, EU:C:2020:234), und vom 2. März 2021, A. B. u. a. (Ernennung von Richtern am Obersten Gericht – Klagen) (C‑824/18, EU:C:2021:153).

( 28 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. März 2021, A. B. u. a. (Ernennung von Richtern am Obersten Gericht – Klagen) (C‑824/18, EU:C:2021:153, Rn. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 29 ) Ebd. (Rn. 69).

( 30 ) Vgl. Urteil Euro Box Promotion u. a. (Rn. 138 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 31 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil Asociaţia „Forumul Judecătorilor din România“ u. a. (Rn. 189). Vgl. in diesem Sinne auch Beschluss vom 7. November 2022, FX u. a. (Wirkung der Entscheidungen eines Verfassungsgerichts III) (C‑859/19, C‑926/19 und C‑929/19, EU:C:2022:878, Rn. 109).

( 32 ) Vgl. Urteil A. K. u. a. (Unabhängigkeit der Disziplinarkammer des Obersten Gerichts) (Rn. 118).

( 33 ) Vgl. u. a. Urteil vom 5. November 2019, Kommission/Polen (Unabhängigkeit der ordentlichen Gerichte) (C‑192/18, EU:C:2019:924, im Folgenden: Urteil Kommission/Polen [Unabhängigkeit der ordentlichen Gerichte], Rn. 108 bis 110 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 34 ) Vgl. u. a. EGMR, 3. Mai 2011, Sutyagin/Russland (CE:ECHR:2011:0503JUD003002402, § 183).

( 35 ) Vgl. u. a. Urteil Kommission/Polen (Unabhängigkeit des Obersten Gerichts) (Rn. 74 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 36 ) Ebd. (Rn. 112). Vgl. u. a. auch Urteil Euro Box Promotion u. a. (Rn. 225 und 226 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 37 ) Vgl. Urteile vom 2. März 2021, A. B. u. a. (Ernennung von Richtern am Obersten Gericht – Klagen) (C‑824/18, EU:C:2021:153, Rn. 121), und vom 6. Oktober 2021, W. Ż. (Kammer für außerordentliche Kontrolle und öffentliche Angelegenheiten des Obersten Gerichts – Ernennung) (C‑487/19, EU:C:2021:798.

( 38 ) Vgl. Urteil vom 27. Februar 2018, Associação Sindical dos Juízes Portugueses (C‑64/16, EU:C:2018:117).

( 39 ) Vgl. insbesondere Urteil vom 19. September 2006, Wilson (C‑506/04, EU:C:2006:587, Rn. 51). Vgl. auch Urteile Kommission/Polen (Unabhängigkeit des Obersten Gerichts) (Rn. 75) und Kommission/Polen (Unabhängigkeit der ordentlichen Gerichte) (Rn. 112 und 113).

( 40 ) Vgl. Urteil vom 25. Juli 2018, Minister for Justice and Equality (Mängel im Justizsystem) (C‑216/18 PPU, EU:C:2018:586, Rn. 67). Vgl. auch Urteil Asociaţia „Forumul Judecătorilor din România“ u. a. (Rn. 199), in dem der Gerichtshof festgestellt hat, dass es von wesentlicher Bedeutung ist, dass die für die Durchführung von Ermittlungen und die Einleitung von Disziplinarverfahren gegen Richter zuständige Stelle bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben objektiv und unparteiisch handelt und zu diesem Zweck frei von jeder äußeren Einflussnahme ist.

( 41 ) Vgl. Urteil Asociaţia „Forumul Judecătorilor din România“ u. a. (Rn. 213).

( 42 ) Zur Versetzung in den Ruhestand der Richter des Obersten Gerichts in Polen vgl. Urteil Kommission/Polen (Unabhängigkeit des Obersten Gerichts). Zur Versetzung in den Ruhestand der Richter der ordentlichen polnischen Gerichte vgl. Urteil Kommission/Polen (Unabhängigkeit der ordentlichen Gerichte).

( 43 ) Vgl. Urteil vom 16. November 2021, Prokuratura Rejonowa w Mińsku Mazowieckim u. a. (C‑748/19 bis C‑754/19, EU:C:2021:931, Rn. 73).

( 44 ) Die Beförderungsverfahren anders zu behandeln als die Ernennungsentscheidungen, wäre meines Erachtens schlichtweg absurd. Die Mitgliedstaaten wären zwar verpflichtet, ausreichende Garantien für die richterliche Unabhängigkeit bei der Ersternennung von Richtern an unteren Gerichten zu gewährleisten, nicht aber hinsichtlich ihrer späteren Auswahl für die Besetzung höherer Gerichte, ohne dass es für diesen Unterschied einen triftigen Grund gäbe.

( 45 ) Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat festgestellt, dass Verfahren zur Beförderung von Richtern Auswirkungen auf die Unabhängigkeit der Justiz haben, und damit implizit anerkannt, dass der Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit auf solche Verfahren Anwendung findet (vgl. EGMR, 15. September 2015, Tsanova-Gecheva/Bulgarien, CE:ECHR:2015:0915JUD004380012, § 104). Vgl. auch die vom Ministerkomitee des Europarats am 17. November 2010 angenommene Empfehlung CM/Rec(2010)12 und die Begründung „Richter: Unabhängigkeit, Effizienz und Verantwortung“ (abrufbar unter: https://rm.coe.int/cmrec-2010-12-on-independence-efficiency-responsibilites-of-judges/16809f007d), Nr. 49: „Die Unabhängigkeit der Richter muss nicht nur bei ihrer Ernennung, sondern während ihrer gesamten Laufbahn gewährleistet sein. Der Begriff ‚Laufbahn‘ schließt die Beförderung ein …“

( 46 ) Vgl. Urteil Euro Box Promotion u. a. (Rn. 139 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 47 ) Siehe oben, Nrn. 31 und 33.

( 48 ) Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Bobek in der Rechtssache Asociaţia Forumul Judecătorilor din România u. a. (C‑83/19, C‑127/19, C‑195/19, C‑291/19 und C‑355/19, EU:C:2020:746, Nrn. 247 und 248).

( 49 ) Vgl. Urteil A. K. u. a. (Unabhängigkeit der Disziplinarkammer des Obersten Gerichts) (Rn. 127), das insoweit auf das Urteil des EGMR vom 6. November 2018, Ramos Nunes de Carvalho e Sá/Portugal, (CE:ECHR:2018:1106JUD005539113, § 144 und die dort angeführte Rechtsprechung), sowie auf das Urteil des EGMR vom 21. Juni 2011, Fruni/Slowakei (CE:ECHR:2011:0621JUD000801407, § 141), verweist.

( 50 ) Ich teile die Auffassung der Kommission, dass es für die Beurteilung der Vereinbarkeit der mit der angefochtenen Verordnung eingeführten Reform mit dem Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit auf die kumulative Wirkung der verschiedenen Bestandteile dieser Reform ankommt.

( 51 ) Vgl. Urteil Asociaţia „Forumul Judecătorilor din România“ u. a. (Rn. 201 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 52 ) Vor der Reform beruhte das Beförderungsverfahren für amtierende Richter in Rumänien nach meinem Verständnis ausschließlich auf mehreren schriftlichen Prüfungen, mit denen die theoretischen Kenntnisse und praktischen Fähigkeiten der Kandidaten geprüft wurden. Das Beförderungsverfahren wurde von Richtern der Înalta Curte de Casație şi Justiție (Oberster Kassations- und Gerichtshof, Rumänien), Richtern der Berufungsgerichte und Ausbildern des Institutul national al Magistraturii (Nationales Institut für Richter und Staatsanwälte, Rumänien) betreut.

( 53 ) Bewerber, die am Verfahren der „Versetzungsbeförderung“ (der zweiten Stufe) teilnehmen möchten, müssen sich beim Obersten Richterrat registrieren lassen und das Gericht (Regionalgericht oder Berufungsgericht) sowie die entsprechende Abteilung innerhalb dieses Gerichts angeben, für die sie sich bewerben möchten. Die Richterabteilung des Obersten Richterrats ist zuständig für die Festlegung der Stellen, für die das Auswahlverfahren für eine „Versetzungsbeförderung“ durchgeführt wird, des Datums und des Ortes, an dem das Auswahlverfahren stattfindet, der Modalitäten des Auswahlverfahrens und des geltenden Zeitplans (siehe Art. 30 Abs. 1 und Art. 32 Abs. 1 der angefochtenen Verordnung). Die Bedingungen, die die Bewerber für die Teilnahme am Verfahren erfüllen müssen, sind in Art. 462 des Gesetzes Nr. 303/2004 (in der Fassung des Gesetzes Nr. 242/2018) und in Art. 31 Abs. 1 der angefochtenen Verordnung aufgeführt.

( 54 ) Gemäß Art. 463 des Gesetzes Nr. 303/2004. Vgl. auch Art. 36 Abs. 6 und Art. 38 der angefochtenen Verordnung.

( 55 ) Dem Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über Rumäniens Fortschritte im Rahmen des Kooperations- und Kontrollverfahrens vom 22. November 2022 (COM[2022] 664 final) ist zu entnehmen, dass die Bestimmungen über auswahlverfahrensbasierte „umgehende“ Beförderungen im Amt bis Dezember 2025 ausgesetzt werden und in diesem Zeitraum nur bewertungsbasierte Versetzungsbeförderungen möglich sind. Ab 2025 sollen die „umgehenden“ Beförderungen im Amt auf 20 % der Gesamtzahl der freien Stellen begrenzt werden.

( 56 ) Vgl. Art. 36 Abs. 1, 2 und 5 der angefochtenen Verordnung.

( 57 ) Vgl. Art. 36 Abs. 1 und 2 der angefochtenen Verordnung. Für die Ernennungen bei den Regionalgerichten im Bezirk des jeweiligen Berufungsgerichts kann (falls erforderlich) ein anderer Prüfungsausschuss gebildet werden, der sich aus dem Präsidenten des Berufungsgerichts und vier Mitgliedern der Regionalgerichte im Zuständigkeitsbereich dieses Gerichts zusammensetzt, die über die entsprechende Spezialisierung verfügen (vgl. Art. 36 Abs. 3 der Verordnung).

( 58 ) Vgl. Urteil Euro Box Promotion u. a. (Rn. 228 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. auch Urteil vom 16. November 2021, Prokuratura Rejonowa w Mińsku Mazowieckim u. a. (C‑748/19 bis C‑754/19, EU:C:2021:931, Rn. 68).

( 59 ) Meines Erachtens sieht der Gerichtshof die Tatsache, dass Richter von ihren Kollegen gewählt oder benannt werden können, um bestimmte Aufgaben oder Funktionen (z. B. Disziplinarfunktionen) auszuüben, insgesamt als weniger problematisch an, als wenn sie von anderen Staatsgewalten gewählt oder benannt werden, um diese Funktionen auszuführen (vgl. Urteile A. K. u. a. [Unabhängigkeit der Disziplinarkammer des Obersten Gerichts], Rn. 143, und vom 15. Juli 2021, Kommission/Polen [Disziplinarordnung für Richter], C‑791/19, EU:C:2021:596, Rn. 104). Vgl. auch die vom Ministerkomitee des Europarats am 17. November 2010 angenommene Empfehlung CM/Rec(2010)12 und die Begründung „Richter: Unabhängigkeit, Effizienz und Verantwortung“ (abrufbar unter: https://rm.coe.int/cmrec-2010-12-on-independence-efficiency-responsibilites-of-judges/16809f007d), Nr. 46: „Die Behörde, die über die Auswahl und die Laufbahn der Richter entscheidet, muss von der Exekutive und Legislative unabhängig sein. Um ihre Unabhängigkeit zu gewährleisten, sollte mindestens die Hälfte der Mitglieder der Behörde aus Richtern bestehen, die von Kollegen ausgewählt werden.“

( 60 ) Vgl. u. a. Urteil vom 16. November 2021, Prokuratura Rejonowa w Mińsku Mazowieckim u. a. (C‑748/19 bis C‑754/19, EU:C:2021:931, Rn. 68).

( 61 ) Vgl. Kosař, D., Perils of Judicial Self-Government in Transitional Societies, Cambridge University Press, Cambridge, 2016, S. 407. Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Bobek in den verbundenen Rechtssachen Euro Box Promotion u. a. (C‑357/19 und C‑547/19, EU:C:2021:170, Nr. 152).

( 62 ) Vgl. EGMR, 15. Juli 2010, Gazeta-Ukraina-Tsentr/Ukraine, (CE:ECHR:2010:0715JUD001669504, § 33). Vgl. auch die vom Ministerkomitee des Europarats am 17. November 2010 angenommene Empfehlung und die Begründung CM/Rec(2010)12 und die Begründung „Richter: Unabhängigkeit, Effizienz und Verantwortung“ (englische Originalfassung verfügbar unter: https://rm.coe.int/cmrec-2010-12-on-independence-efficiency-responsibilites-of-judges/16809f007d), Nr. 30: „Die richterliche Unabhängigkeit beinhaltet nicht nur die Freiheit von unzulässiger Beeinflussung von außen, sondern auch von unzulässiger Beeinflussung innerhalb des Justizsystems, entweder durch andere Richter oder durch Justizbehörden.“

( 63 ) Als Beispiel für einen solchen Eingriff vgl. Urteil A. K. u. a. (Unabhängigkeit der Disziplinarkammer des Obersten Gerichts), in der es um die Unabhängigkeit des Landesjustizrats in Polen (KRS) von den politischen Behörden ging (Rn. 143). Der Gerichtshof hat darin hingewiesen auf den Umstand, „dass die 15 Mitglieder der KRS, die aus der Mitte der Richter gewählt werden, zuvor von der Richterschaft gewählt wurden, nun aber von einem Teil der Legislative aus einer Gruppe von Kandidaten, die u. a. von einer Gruppe aus mindestens 2000 Bürgern oder 25 Richtern vorgeschlagen werden können, wobei eine solche Reform zu Ernennungen führt, durch die sich die Zahl der KRS-Mitglieder, die direkt aus der Politik kommen oder von ihr gewählt werden, auf 23 der insgesamt 25 Mitglieder erhöht“.

( 64 ) Vgl. Kosař, D., Perils of Judicial Self-Government in Transitional Societies, Cambridge University Press, Cambridge, 2016, S. 408: „In den meisten neueren Veröffentlichungen zur richterlichen Unabhängigkeit und zu Justizgremien wird zwar die Möglichkeit gesehen, dass unzulässiger Druck auf einen Richter von innerhalb der Justiz ausgeübt werden kann, doch wird allgemein davon ausgegangen, dass Druck im Innenverhältnis – vielleicht aus historischen Gründen – weniger gefährlich ist.“

( 65 ) Hierzu verweise ich auf Ausführungen des Beirats der Europäischen Richter (CCJE) in seiner Stellungnahme Nr. 17 (2014) über die Bewertung der Arbeit von Richtern, die Qualität der Justiz und die Achtung der richterlichen Unabhängigkeit: „Wirkt sich eine individuelle Beurteilung auf die Beförderung, das Gehalt oder den Ruhestand des Richters aus oder führt sie gar zu seiner Amtsenthebung, läuft der beurteilte Richter Gefahr, dass er nicht auf der Grundlage einer objektiven Auslegung des Sachverhalts und des Rechts Recht spricht, sondern in einer Weise vorgeht, um den Beurteilern zu gefallen … Aber selbst wenn die Beurteilung von anderen Richtern vorgenommen wird, kann die Gefährdung der richterlichen Unabhängigkeit nicht gänzlich von der Hand gewiesen werden.“ (vgl. Nr. 6 der Stellungnahme, Online-Version verfügbar unter: https://www.csm.it/documents/46647/0/Opinion+No.+17+%282014%29.pdf/f596c4a8-7019-47e1-9b35-14551977b471).

( 66 ) Vgl. z. B. Schlussanträge des Generalanwalts Bobek in den verbundenen Rechtssachen Prokuratura Rejonowa w Mińsku Mazowieckim u. a. (C‑748/19 bis C‑754/19, EU:C:2021:403). In dieser Rechtssache ging es um eine nationale Regelung, nach der der Justizminister/Generalstaatsanwalt (als Teil der Exekutive) auf der Grundlage nicht veröffentlichter Kriterien Richter auf unbestimmte Zeit an höhere Gerichte abordnen und diese Abordnung jederzeit nach eigenem Ermessen wieder beenden konnte. In seinen Schlussanträgen hat Generalanwalt Bobek sehr deutlich darauf hingewiesen, dass die Richter aufgrund einer solchen Regelung einen Anreiz haben könnten, zugunsten des Staatsanwalts oder ganz allgemein nach dem Wohlwollen des Justizministers/Generalstaatsanwalts zu entscheiden und daher befangen zu sein. Er erläuterte, dass einige Richter versucht sein könnten, zu glauben, dass ein entsprechendes Urteil ihre Chancen auf eine Abordnung an ein höheres Gericht und damit möglicherweise auf bessere Karriereaussichten und ein höheres Gehalt erhöhen würde.

( 67 ) Ein solcher stichhaltiger Grund läge insbesondere vor, wenn die Richter der unteren Gerichte der Rechtsprechung der höheren Gerichte selbst dann folgen müssten, wenn sie nicht mit dem Unionsrecht vereinbar ist, und es ihnen damit de facto unmöglich gemacht würde, dem Gerichtshof Fragen vorzulegen und von dieser Rechtsprechung abzuweichen.

( 68 ) Andernfalls würde der Umstand, dass in einer beträchtlichen Zahl von Mitgliedstaaten die Richter von einem Staats- oder Regierungschef, d. h. der Exekutive, ernannt werden, automatisch bedeuten, dass sie nicht unabhängig sind (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Generalanwalts Bobek in den verbundenen Rechtssachen Euro Box Promotion u. a., C‑357/19 und C‑547/19, EU:C:2021:170, Nr. 217).

( 69 ) Vgl. Urteil vom 2. März 2021 (C‑824/18, EU:C:2021:153, Rn. 122 und 123 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 70 ) Vgl. Urteil vom 16. November 2021 (C‑748/19 bis C‑754/19, EU:C:2021:931).

( 71 ) Ebd. (Rn. 79).

( 72 ) Der Gerichtshof hat in seiner Rechtsprechung im Wesentlichen die Auffassung vertreten, dass Entscheidungen, die sich auf die Bedingungen für den Beginn und das Ende der Laufbahn von Richtern im aktiven Dienst auswirken, beim Einzelnen begründete Zweifel an der Unabhängigkeit und der Unparteilichkeit der betreffenden Richter aufkommen lassen können, wenn dafür zu unbestimmte, subjektive oder nicht nachprüfbare Kriterien gelten (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Polen [Unabhängigkeit der ordentlichen Gerichte], Rn. 122).

( 73 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Polen (Unabhängigkeit des Obersten Gerichts) (Rn. 114). Vgl. auch Urteil Euro Box Promotion u. a. (Rn. 240 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 74 ) Vgl. in diesem Sinne EGMR, 12. Januar 2016, Miracle Europe Kft./Ungarn, (CE:ECHR:2016:0112JUD005777413, § 58).

( 75 ) Vgl. Art. 43 Abs. 1 der angefochtenen Verordnung.

( 76 ) Vgl. Art. 45 Abs. 1 der angefochtenen Verordnung.

( 77 ) Natürlich nur, sofern das Kriterium der Einhaltung angemessener Fristen für die Bearbeitung von Rechtssachen und die Abfassung von Entscheidungen nicht die Freiheit der Richter der unteren Gerichte berührt, dem Gerichtshof Fragen vorzulegen und von der Rechtsprechung der höheren Gerichte abzuweichen, wenn diese Rechtsprechung mit dem Unionsrecht nicht vereinbar ist (siehe oben, Fn. 68).

( 78 ) Vgl. Art. 39 Abs. 1 der angefochtenen Verordnung. Was das dritte Kriterium – die Einhaltung von Fristen – betrifft, so stützt sich die Bewertung auf eine Reihe von statistischen Daten und anderen Unterlagen, die von dem Gericht, bei dem die Bewerber tätig sind, zur Verfügung gestellt werden. Diese Informationen beziehen sich sowohl auf die Arbeit der Bewerber (z. B. wie lange sie im Durchschnitt für die Verkündung ihrer Entscheidungen benötigt haben) als auch auf die Tätigkeit des Gerichts, bei dem sie tätig sind.

( 79 ) Vgl. Art. 39 Abs. 6 der angefochtenen Verordnung. Die Kläger des Ausgangsverfahrens machen geltend, dass die zehn Entscheidungen, auf die der Prüfungsausschuss seine Beurteilung stütze, nicht ausreichend repräsentativ für die Arbeit der Bewerber seien. Hierzu ist jedoch festzustellen, dass Art. 39 Abs. 2 der angefochtenen Verordnung verlangt, dass diese Entscheidungen „relevant“ sein müssen, und dass Art. 39 Abs. 7 dieser Verordnung bestimmte Arten von Entscheidungen (z. B. solche, die zur Einstellung des Verfahrens führen) ausdrücklich von der Beurteilung ausnimmt. Darüber hinaus machen sie geltend, dass diese Entscheidungen den Bewerbern nicht mitgeteilt würden und daher von diesen nicht angefochten werden könnten. Vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Überprüfungen scheint mir eine solche Anfechtung durchaus möglich zu sein (siehe unten, Nr. 76). Gemäß Art. 39 Abs. 12 der angefochtenen Verordnung haben die Bewerber auch die Möglichkeit, den Ausschuss auf Entscheidungen hinzuweisen.

( 80 ) Vgl. Art. 44 Abs. 1 und 3 der angefochtenen Verordnung.

( 81 ) Vgl. Art. 44 Abs. 1 der angefochtenen Verordnung.

( 82 ) Vgl. Art. 44 Abs. 1, 2 und 4 der angefochtenen Verordnung.

( 83 ) Vgl. Art. 42 Abs. 1 der angefochtenen Verordnung.

( 84 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Polen (Unabhängigkeit des Obersten Gerichts) (Rn. 115 und 116).

( 85 ) Vgl. Art. 46 der angefochtenen Verordnung.

( 86 ) Vgl. Art. 47 der angefochtenen Verordnung.

( 87 ) Vgl. Art. 49 der angefochtenen Verordnung.

( 88 ) Ich füge hinzu, dass der Ad-hoc-Bericht der Group of States against Corruption (GRECO) zu Rumänien (Nr. 34) vom 23. März 2018 (in englischer Sprache abrufbar unter: https://rm.coe.int/Ad-hoc-report-on-romania-rule-34-adopted-by-greco-at-its-79th-plenary-/16807b7717) entgegen dem Vorbringen der Kläger des Ausgangsverfahrens keine andere Auslegung nahelegt als diejenige, die ich dem Gerichtshof in der vorliegenden Rechtssache vorschlage, und dass es vorliegend nicht zu einem eindeutigen Ergebnis kommt. In diesem Bericht stellte die GRECO lediglich fest, dass vor dem Erlass der angefochtenen Verordnung „Befürchtungen“ geäußert worden seien, dass das zweistufige Beförderungsverfahren in Rumänien (das durch das Gesetz Nr. 242/2018 in die Artikel 461 bis 463 des Gesetzes Nr. 303/2004 aufgenommen wurde) „mehr Raum für persönliche oder politische Einflüsse bei Laufbahnentscheidungen lassen würde, was sich auf die Neutralität und Integrität der Justiz auswirken könnte“ (Nr. 31). In ihrem Folgebericht vom 21. Juni 2019 (auf Englisch unter folgender Adresse abrufbar: https://rm.coe.int/follow-up-report-to-the-Ad-hoc-report-on-romania-rule-34-adopted-by-gr/1680965687) stellte die GRECO dann fest, dass in Rumänien „vorbereitende Arbeiten“ im Hinblick auf die Ernennung von Richtern und Staatsanwälten in höhere Stellungen „im Gange“ seien (diese Arbeiten führten schließlich zum Erlass der angefochtenen Verordnung). Nichts in diesen beiden Berichten, die beide aus der Zeit vor dem Erlass der angefochtenen Verordnung stammen, bezieht sich speziell auf die durch diesen Rechtsakt bewirkten Änderungen.

( 89 ) Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Fortschritte Rumäniens im Rahmen des Kooperations- und Kontrollverfahrens vom 22. November 2022 (COM[2022] 664 final), S. 5.

( 90 ) Die Kläger des Ausgangsverfahrens machen geltend, dass die Reform ohne ordnungsgemäße Anhörung der Mitglieder der Justiz und überstürzt eingeführt worden sei. Ich gebe zu, dass die Art und Weise, in der eine Justizreform durchgeführt wird, in bestimmten (begrenzten) Fällen auf ein systemisches Problem der richterlichen Unabhängigkeit hindeuten kann. Diese Situation ist jedoch meines Erachtens auf eher außergewöhnliche Fälle beschränkt, wie z. B. solche, in denen die Reform durch eine Eilverordnung oder ein entsprechendes Dekret eingeführt wird und in denen klar ist, dass diese Vorgehensweise darauf abzielt, das ordentliche Gesetzgebungsverfahren in einer Weise zu umgehen, die mit den Erfordernissen der Rechtsstaatlichkeit unvereinbar ist.