SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

ATHANASIOS RANTOS

vom 31. März 2022 ( 1 )

Rechtssache C‑168/21

Procureur général près la cour d’appel d’Angers

gegen

KL

(Vorabentscheidungsersuchen der Cour de cassation [Kassationsgerichtshof, Frankreich])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen – Europäischer Haftbefehl – Rahmenbeschluss 2002/584/JI – Art. 2 Abs. 4 und Art. 4 Nr. 1 – Bedingung der beiderseitigen Strafbarkeit – Prüfung durch die Justizbehörde des Vollstreckungsmitgliedstaats – Unterschiedliche Merkmale des Straftatbestands im Ausstellungs- und im Vollstreckungsmitgliedstaat – Strafe zur Ahndung einer einheitlichen Straftat, mit der mehrere Handlungen geahndet werden, von denen einige im Vollstreckungsmitgliedstaat keine Straftat darstellen – Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Art. 49 Abs. 3 – Grundsatz der schuldangemessenen Strafe“

I. Einleitung

1.

Unionsrechtlich lässt sich die Bedingung der beiderseitigen Strafbarkeit in der Weise definieren, dass das Verhalten, das Gegenstand der Zusammenarbeit ist, sowohl im ersuchenden Staat (oder Ausstellungsmitgliedstaat) als auch im ersuchten Staat (oder Vollstreckungsmitgliedstaat) strafbar ist ( 2 ). In bestimmten Fällen kann die Übergabe der Person, die im Rahmen eines Europäischen Haftbefehls (EuHB) gesucht wird, von der Erfüllung der Bedingung der beiderseitigen Strafbarkeit abhängig gemacht werden.

2.

Im vorliegenden Fall wurde von den italienischen Justizbehörden ein EuHB zur Vollstreckung einer Verurteilung u. a. wegen einer einheitlichen Straftat ausgestellt, mit der mehrere Handlungen als ein und dieselbe strafbare Handlung geahndet wurden. Die Cour de cassation (Kassationsgerichtshof, Frankreich), das vorlegende Gericht, möchte wissen, ob die Justizbehörden des Vollstreckungsmitgliedstaats, d. h. Frankreichs, die Vollstreckung dieses EuHB im Hinblick auf Art. 2 Abs. 4 und Art. 4 Nr. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI ( 3 ) sowie Art. 49 Abs. 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) ablehnen können.

3.

Hierzu weist dieses Gericht zum einen darauf hin, dass die Tatbestandsmerkmale dieser Straftat in den beiden betroffenen Mitgliedstaaten unterschiedlich seien, und zum anderen darauf, dass einige der Handlungen, auf die sich diese Straftat beziehe, im Vollstreckungsmitgliedstaat keiner strafrechtlichen Sanktion unterlägen. Der Gerichtshof ist somit aufgerufen, die Tragweite der Bedingung der beiderseitigen Strafbarkeit gemäß dem Rahmenbeschluss 2002/584 zu präzisieren.

4.

In den vorliegenden Schlussanträgen werde ich dem Gerichtshof vorschlagen, auf die gestellten Fragen zu antworten, dass unter den vom vorlegenden Gericht beschriebenen Bedingungen die Bestimmungen dieses Rahmenbeschlusses dazu führen, dass der EuHB zu vollstrecken ist.

II. Rechtlicher Rahmen

A.   Unionsrecht

5.

In den Erwägungsgründen 6, 10 und 12 des Rahmenbeschlusses 2002/584 heißt es:

„(6)

Der [EuHB] im Sinne des vorliegenden Rahmenbeschlusses stellt im strafrechtlichen Bereich die erste konkrete Verwirklichung des vom Europäischen Rat als ‚Eckstein‘ der justiziellen Zusammenarbeit qualifizierten Prinzips der gegenseitigen Anerkennung dar.

(10)

Grundlage für den Mechanismus des [EuHB] ist ein hohes Maß an Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten. Die Anwendung dieses Mechanismus darf nur ausgesetzt werden, wenn eine schwere und anhaltende Verletzung der in Artikel 6 Absatz 1 [EUV] enthaltenen Grundsätze durch einen Mitgliedstaat vorliegt und diese vom Rat gemäß Artikel 7 Absatz 1 des genannten Vertrags mit den Folgen von Artikel 7 Absatz 2 festgestellt wird.

(12)

Der vorliegende Rahmenbeschluss achtet die Grundrechte und wahrt die in Artikel 6 [EUV] anerkannten Grundsätze, die auch in der Charta …, insbesondere in deren Kapitel VI, zum Ausdruck kommen. …“

6.

Art. 1 („Definition des [EuHB] und Verpflichtung zu seiner Vollstreckung“) dieses Rahmenbeschlusses lautet:

„(1)   Bei dem [EuHB] handelt es sich um eine justizielle Entscheidung, die in einem Mitgliedstaat ergangen ist und die Festnahme und Übergabe einer gesuchten Person durch einen anderen Mitgliedstaat zur Strafverfolgung oder zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung bezweckt.

(2)   Die Mitgliedstaaten vollstrecken jeden [EuHB] nach dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung und gemäß den Bestimmungen dieses Rahmenbeschlusses.

(3)   Dieser Rahmenbeschluss berührt nicht die Pflicht, die Grundrechte und die allgemeinen Rechtsgrundsätze, wie sie in Artikel 6 [EUV] niedergelegt sind, zu achten.“

7.

Art. 2 („Anwendungsbereich des [EuHB]“) des Rahmenbeschlusses bestimmt:

„(1)   Ein [EuHB] kann bei Handlungen erlassen werden, die nach den Rechtsvorschriften des Ausstellungsmitgliedstaats mit einer Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung im Höchstmaß von mindestens zwölf Monaten bedroht sind, oder im Falle einer Verurteilung zu einer Strafe oder der Anordnung einer Maßregel der Sicherung, deren Maß mindestens vier Monate beträgt.

(2)   Bei den nachstehenden Straftaten erfolgt, wenn sie im Ausstellungsmitgliedstaat nach der Ausgestaltung in dessen Recht mit einer Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung im Höchstmaß von mindestens drei Jahren bedroht sind, eine Übergabe aufgrund eines [EuHB] nach Maßgabe dieses Rahmenbeschlusses und ohne Überprüfung des Vorliegens der beiderseitigen Strafbarkeit:

(4)   Bei anderen Straftaten als denen des Absatzes 2 kann die Übergabe davon abhängig gemacht werden, dass die Handlungen, derentwegen der [EuHB] ausgestellt wurde, eine Straftat nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats darstellen, unabhängig von den Tatbestandsmerkmalen oder der Bezeichnung der Straftat.“

8.

In Art. 4 („Gründe, aus denen die Vollstreckung des [EuHB] abgelehnt werden kann“) dieses Rahmenbeschlusses heißt es:

„Die vollstreckende Justizbehörde kann die Vollstreckung des [EuHB] verweigern,

1.

wenn in einem der in Artikel 2 Absatz 4 genannten Fälle die Handlung, aufgrund deren der [EuHB] ergangen ist, nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats keine Straftat darstellt; …

…“

B.   Französisches Recht

9.

Art. 695-23 der Strafprozessordnung in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung lautet:

„Die Vollstreckung eines [EuHB] wird auch verweigert, wenn die Tat, die Gegenstand dieses Haftbefehls ist, nach französischem Recht keine Straftat darstellt.

Abweichend von Unterabs. 1 wird ein [EuHB] ohne Überprüfung des Vorliegens der beiderseitigen Strafbarkeit vollstreckt, wenn die betreffenden Handlungen nach dem Recht des Ausstellungsmitgliedstaats mit einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren oder einer freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung und Besserung von vergleichbarer Dauer bedroht sind und unter eine der in Art. 694-32 genannten Kategorien von Straftaten fallen.

Sind die Bestimmungen des vorstehenden Unterabsatzes anwendbar, so liegt die rechtliche Würdigung der Tat und die Festlegung des Strafmaßes im ausschließlichen Ermessen der Justizbehörde des Ausstellungsmitgliedstaats.

…“

III. Ausgangsverfahren, Vorabentscheidungsfragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

10.

Am 6. Juni 2016 stellten die italienischen Justizbehörden einen EuHB gegen KL zur Vollstreckung einer von der Corte d’appello di Genova (Berufungsgericht Genua, Italien) mit Urteil vom 9. Oktober 2009 verhängten Haftstrafe von zwölf Jahren und sechs Monaten aus, die am 13. Juli 2012 nach der Zurückweisung des Rechtsbehelfs von KL durch die Corte suprema di cassazione (Kassationsgerichtshof, Italien) vollstreckbar geworden war.

11.

Diese Verurteilung resultierte aus der Kumulierung von vier für die folgenden vier Straftaten verhängten Strafen: gemeinschaftlicher Raub mit Waffen (ein Jahr Haft), Verwüstung und Plünderung (zehn Jahre Haft), Tragen von Waffen (neun Monate Haft) und Zündung von Sprengkörpern (neun Monate Haft).

12.

Was insbesondere die Straftat mit der Bezeichnung „Verwüstung und Plünderung“ gemäß Art. 419 des Codice penale (italienisches Strafgesetzbuch) ( 4 ) angeht, beschrieb der EuHB die Umstände der Tatbegehung wie folgt: „Gemeinsam mit mehr als fünf Personen, die an der Demonstration gegen den G8-Gipfel teilnahmen, beging [KL] Verwüstungs‑ und Plünderungshandlungen in einem Kontext, der in Bezug auf Ort und Zeit eine objektive Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellte; in mehreren Fällen Beschädigungen von städtischen Einrichtungen und öffentlichem Eigentum mit nicht genau zu beziffernden, aber mehrere hundert Millionen italienische Lire (ITL) (mehrere Zehntausend Euro) betragenden Folgeschäden; Beschädigung, Plünderung, Zerstörung durch Inbrandsetzung von Kreditinstituten, Autos und anderen Geschäftsräumen, mit dem erschwerenden Umstand, dass den Betroffenen ein Vermögensschaden von erheblicher Schwere zugefügt wurde.“

13.

Aus dem Urteil der Corte d’appello di Genova (Berufungsgericht Genua) vom 9. Oktober 2009 geht hervor, dass KL unter dieser Bezeichnung „Verwüstung und Plünderung“ sieben Taten zur Last gelegt wurden, die als eine einzige strafbare Handlung geahndet wurden, nämlich Beschädigung von städtischen Einrichtungen und öffentlichem Eigentum, Beschädigung und Plünderung einer Baustelle, völlige Zerstörung der Räumlichkeiten des Kreditinstituts Credito Italiano durch Inbrandsetzung, völlige Zerstörung eines Fiat Uno durch Inbrandsetzung, völlige Zerstörung der Räumlichkeiten des Kreditinstituts Carige durch Inbrandsetzung, völlige Zerstörung eines Fiat Brava durch Inbrandsetzung sowie völlige Zerstörung und Plünderung eines Supermarkts.

14.

KL stimmte seiner Übergabe in Vollstreckung des EuHB nicht zu. Mit Urteil vom 23. August 2019 ordnete die Chambre de l’instruction de la Cour d’appel de Rennes (Ermittlungskammer des Berufungsgerichts Rennes, Frankreich) eine ergänzende Beweisaufnahme an, die insbesondere auf die Vorlage des Urteils der Corte d’appello di Genova (Berufungsgericht Genua) vom 9. Oktober 2009 und des anschließenden Urteils der Corte suprema di cassazione (Kassationsgerichtshof) gerichtet war. Mit Urteil vom 15. November 2019 lehnte die Ermittlungskammer die Übergabe von KL mit der Begründung ab, das Verfahren enthalte keinen Beleg dafür, dass der von KL gestellte Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts an die Italienische Republik weitergeleitet worden sei, und ordnete seine Freilassung an.

15.

Mit Urteil vom 18. Dezember 2019 hob die Cour de cassation (Kassationsgerichtshof) dieses Urteil auf und verwies die Sache an die Chambre de l’instruction de la Cour d’appel d’Angers (Ermittlungskammer des Berufungsgerichts Angers, Frankreich). Mit Urteil vom 4. November 2020 lehnte diese Ermittlungskammer einerseits die Übergabe von KL an die italienischen Justizbehörden zur Vollstreckung des EuHB ab, soweit dieser zur Vollstreckung der zehnjährigen Haftstrafe ausgestellt worden war, die für die Straftat der „Verwüstung und Plünderung“ verhängt worden war. Zum anderen ordnete sie eine ergänzende Untersuchung an, um von den italienischen Justizbehörden klären zu lassen, ob diese wünschten, dass die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten, die wegen der drei anderen im EuHB genannten Straftaten verhängt worden war, in Frankreich vollstreckt werden solle. Der Procureur général près la Cour d’appel d’Angers (Generalstaatsanwalt beim Berufungsgericht Angers, Frankreich) und KL legten gegen dieses Urteil Rechtsmittel bei der Cour de cassation (Kassationsgerichtshof), dem vorlegenden Gericht, ein.

16.

Diese weist darauf hin, dass der Gerichtshof im Urteil vom 11. Januar 2017, Grundza (C‑289/15, im Folgenden: Urteil Grundza, EU:C:2017:4) ( 5 ) die Bedingung der beiderseitigen Strafbarkeit ausgelegt habe und führt im Hinblick auf die Straftat der „Verwüstung und Plünderung“ aus, die Chambre de l’instruction de la Cour d’appel d’Angers (Ermittlungskammer des Berufungsgerichts Angers) habe die Übergabe von KL an die italienischen Justizbehörden unter Hinweis darauf verweigert, dass zwei der sieben dieser Strafe zugrunde liegenden Handlungen in Frankreich keine Straftat darstellen könnten, nämlich zum einen die Beschädigung der Räumlichkeiten des Kreditinstituts Credito Italiano und zum anderen die Beschädigung eines Fiat Brava durch Inbrandsetzung. Die Ermittlungskammer habe daraus abgeleitet, dass die Corte d’appello di Genova (Berufungsgericht Genua) und die Corte suprema di cassazione (Kassationsgerichtshof) „den unmissverständlichen Willen zum Ausdruck gebracht“ hätten, diese sieben Handlungen als untrennbare Einheit zu analysieren, und dass die Bedingung der beiderseitigen Strafbarkeit es somit erforderlich mache, diese untrennbaren Handlungen insgesamt auszuschließen.

17.

Dem vorlegenden Gericht zufolge geht aus dem Urteil der Corte suprema di cassazione (Kassationsgerichtshof) vom 13. Juli 2012 hervor, dass das objektive Merkmal der Straftat „Verwüstung und Plünderung“ nach Art. 419 des italienischen Strafgesetzbuchs die Begehung von Akten der Verwüstung durch jegliche Handlung, auf beliebige Art und Weise sei, die jedenfalls in globaler, wahlloser, weitläufiger und tiefgreifender Form Ruinen, Zerstörungen sowie Beschädigungen einer erheblichen Menge beweglicher oder unbeweglicher Sachen nach sich ziehe, wodurch nicht nur ein Schaden für das Vermögen einer oder mehrerer Personen sowie ein gesellschaftlicher Schaden verursacht werde, der sich aus der Verletzung des Privateigentums ergebe, sondern auch ein tatsächlicher Angriff auf und eine tatsächliche Gefahr für die öffentliche Ordnung, verstanden in ihrer spezifischen Bedeutung der guten Ordnung und des normalen Ablaufs des zivilen Lebens, denen in der Gesellschaft die Vorstellung und das Gefühl von Ruhe und Sicherheit entsprächen. Das vorlegende Gericht leitet daraus ab, dass im italienischen Strafrecht die Straftat der „Verwüstung und Plünderung“ mehrfache, massive Zerstörungs- und Beschädigungshandlungen umfasse, die nicht nur den Eigentümern der betroffenen Sachen Schaden zufügten, sondern auch den öffentlichen Frieden beeinträchtigten und den normalen Ablauf des gesellschaftlichen Lebens gefährdeten.

18.

Das Gericht verweist darauf, dass im französischen Strafrecht die Gefährdung des öffentlichen Friedens durch massive Zerstörung von beweglichen oder unbeweglichen Sachen nicht spezifisch unter Strafe gestellt sei. Nur bei Zerstörungen, Beschädigungen, Diebstählen mit Beschädigung, gegebenenfalls gemeinschaftlich begangen und geeignet, den Eigentümern der betroffenen Sachen einen Schaden zuzufügen, sei dies der Fall. Daher stellt sich nach Ansicht dieses Gerichts die Frage, ob die von der Corte d’appello di Genova (Berufungsgericht Genua) und der Corte suprema di cassazione (Kassationsgerichtshof) gegenüber KL als wesentliches Tatbestandselement der Straftat der „Verwüstung und Plünderung“ festgestellte Beeinträchtigung des öffentlichen Friedens für die Beurteilung der Erfüllung der Bedingung der beiderseitigen Strafbarkeit relevant ist.

19.

Für den Fall, dass die Bedingung der beiderseitigen Strafbarkeit im vorliegenden Fall erfüllt sein sollte, weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass der Rahmenbeschluss 2002/584 keine Bestimmung enthalte, die es dem Vollstreckungsmitgliedstaat erlaube, die Übergabe des Betroffenen mit der Begründung abzulehnen, dass die vom Ausstellungsmitgliedstaat verhängte Strafe im Hinblick auf die im EuHB aufgeführten Taten unverhältnismäßig erscheine. Wenn im Übrigen nach Art. 5 dieses Rahmenbeschlusses die Vollstreckung des EuHB durch die vollstreckende Justizbehörde nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats an die Bedingung geknüpft werden könne, dass die Rechtsordnung des Ausstellungsmitgliedstaats eine Überprüfung der verhängten Strafe zulasse, so gelte dies nur für den Fall, dass die dem EuHB zugrunde liegende Straftat mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung bedroht sei. Selbst wenn der Vollstreckungsmitgliedstaat der Auffassung sei, dass ernsthafte Schwierigkeiten hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit des EuHB bestünden, könne er es daher nicht aus diesem Grund ablehnen, die Übergabe der gesuchten Person zur Vollstreckung der vom Ausstellungsmitgliedstaat verhängten Strafe anzuordnen.

20.

Zwar sei es grundsätzlich Sache des Ausstellungsmitgliedstaats, die Verhältnismäßigkeit des EuHB vor dessen Ausstellung zu prüfen, doch könne diese Prüfung nicht einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verhindern, wenn, wie im Ausgangsverfahren, der EuHB zur Vollstreckung einer Strafe für eine einheitliche Straftat ausgestellt worden sei, die durch mehrere Handlungen gekennzeichnet sei, von denen aber nur einige im Vollstreckungsmitgliedstaat eine Straftat darstellten. In diesem Fall entspreche nämlich die vom Ausstellungsmitgliedstaat verhängte Strafe der Gesamtheit dieser Handlungen, obwohl die Übergabe für einige dieser Handlungen ausgeschlossen sei. Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts folgt daraus, dass, wenn der EuHB bei seiner Ausstellung möglicherweise verhältnismäßig gewesen sei, nicht ausgeschlossen werden könne, dass dies bei seiner Vollstreckung nicht mehr der Fall sei.

21.

Aus Art. 1 Abs. 3 des Rahmenbeschlusses 2002/584 in Verbindung mit dessen zwölftem Erwägungsgrund ergebe sich, dass die Grundrechte und die grundlegenden Rechtsgrundsätze, die in der Charta zum Ausdruck kämen, im Rahmen des EuHB geachtet werden müssten. In dieser Hinsicht stelle Art. 49 Abs. 3 der Charta den Grundsatz auf, dass das Strafmaß gegenüber der Straftat nicht unverhältnismäßig sein dürfe.

22.

Angesichts dessen hat die Cour de cassation (Kassationsgerichtshof) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.

Sind Art. 2 Abs. 4 und Art. 4 Nr. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/584 dahin auszulegen, dass die Bedingung der beiderseitigen Strafbarkeit der Tat in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens erfüllt ist, in dem um die Übergabe wegen Handlungen ersucht wird, die im Ausstellungsmitgliedstaat als Verwirklichung des Tatbestands der Verwüstung und Plünderung angesehen wurden, der in Verwüstungs- und Plünderungshandlungen besteht, die den öffentlichen Frieden zu stören vermögen, wenn es im Vollstreckungsmitgliedstaat die Straftatbestände Diebstahl mit Sachbeschädigung, Zerstörung sowie Sachbeschädigung gibt, die dieses Tatbestandsmerkmal der Störung des öffentlichen Friedens nicht voraussetzen?

2.

Falls die erste Frage zu bejahen ist: Sind Art. 2 Abs. 4 und Art. 4 Nr. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/584 dahin auszulegen, dass das Gericht des Vollstreckungsmitgliedstaats die Vollstreckung eines zur Vollstreckung einer Strafe ausgestellten Europäischen Haftbefehls ablehnen kann, wenn es feststellt, dass die betreffende Person von den Justizbehörden des Ausstellungsmitgliedstaats zu dieser Strafe wegen der Begehung einer einheitlichen Straftat verurteilt worden ist, deren Prävention sich auf verschiedene Handlungen richtete, von denen nur ein Teil nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats eine Straftat darstellt? Ist danach zu unterscheiden, ob die verurteilenden Behörden des Ausstellungsmitgliedstaats diese verschiedenen Handlungen als voneinander trennbar oder als untrennbar erachtet haben?

3.

Verpflichtet Art. 49 Abs. 3 der Charta die Justizbehörde des Vollstreckungsmitgliedstaats, die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls abzulehnen, wenn dieser zur Vollstreckung einer einheitlichen Strafe zur Ahndung einer einheitlichen Straftat ausgestellt wurde und, da einige der Handlungen, derentwegen diese Strafe verhängt wurde, nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats keine Straftat darstellen, die Übergabe nur in Bezug auf einen Teil dieser Handlungen bewilligt werden kann?

23.

Das vorlegende Gericht hat den Gerichtshof ersucht, das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen im beschleunigten Verfahren nach Art. 105 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs zu behandeln. Mit Beschluss vom 13. April 2021 hat der Präsident des Gerichtshofs diesen Antrag zurückgewiesen. Er hat jedoch beschlossen, dass die vorliegende Rechtssache gemäß Art. 53 Abs. 3 der Verfahrensordnung vorrangig behandelt wird.

24.

KL, die französische und die italienische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. KL, die französische Regierung und die Kommission haben außerdem in der Sitzung vom 20. Januar 2022 mündliche Erklärungen abgegeben.

IV. Würdigung

A.   Zur ersten Vorlagefrage

25.

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 2 Abs. 4 und Art. 4 Nr. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/584 dahin auszulegen sind, dass die in ihnen aufgestellte Bedingung der beiderseitigen Strafbarkeit in einem Fall erfüllt ist, in dem ein EuHB wegen Handlungen ausgestellt wird, die im Ausstellungsmitgliedstaat unter einen Straftatbestand fallen, der voraussetzt, dass diese Handlungen geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu beeinträchtigen, wenn solche Handlungen auch im Vollstreckungsmitgliedstaat einer strafrechtlichen Sanktion unterliegen, ohne dass dieses Element der Beeinträchtigung des öffentlichen Friedens erforderlich ist.

26.

Die französische und die italienische Regierung sowie die Kommission schlagen vor, diese Frage zu bejahen, während KL vorschlägt, sie zu verneinen.

27.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 2 Abs. 4 des Rahmenbeschlusses 2002/584 die Übergabe der gesuchten Person bei Straftaten, die nicht unter die 32 in Abs. 2 dieses Artikels aufgezählten Straftaten fallen, davon abhängig gemacht werden kann, dass die Handlungen, derentwegen der EuHB ausgestellt wurde, eine Straftat nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats darstellen, unabhängig von den Tatbestandsmerkmalen oder der Bezeichnung dieser Straftat. Mit anderen Worten erlaubt es diese Bestimmung dem Vollstreckungsmitgliedstaat, die Vollstreckung der Sanktion an die Bedingung der Erfüllung des Kriteriums der beiderseitigen Strafbarkeit zu knüpfen ( 6 ). Damit einhergehend sieht Art. 4 Nr. 1 des Rahmenbeschlusses betreffend die Gründe, aus denen die Vollstreckung des EuHB abgelehnt werden kann, die Möglichkeit für die vollstreckende Justizbehörde vor, die Vollstreckung des EuHB zu verweigern, wenn die Bedingung der beiderseitigen Strafbarkeit nicht erfüllt ist. Wie aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, wurden diese Bestimmungen in Art. 695-23 der französischen Strafprozessordnung umgesetzt.

28.

Im vorliegenden Fall nennt der EuHB gemäß Art. 8 Abs. 1 Buchst. d und e des Rahmenbeschlusses 2002/584 die Art und die rechtliche Würdigung der betreffenden Straftaten und beschreibt die Umstände, unter denen sie begangen wurden. In dieser Hinsicht fallen einige der KL vorgeworfenen Handlungen unter den Straftatbestand der „Verwüstung und Plünderung“ gemäß Art. 419 des italienischen Strafgesetzbuchs. Dem vorlegenden Gericht zufolge bezieht sich dieser Straftatbestand auf mehrfache, massive Zerstörungen und Beschädigungen, die nicht nur den Eigentümern der betroffenen Sachen einen Schaden zugefügt, sondern auch den öffentlichen Frieden beeinträchtigt und den normalen Ablauf des gesellschaftlichen Lebens gefährdet hätten. In ihren schriftlichen Erklärungen hat die italienische Regierung darauf hingewiesen, dass diese Bedingung der Beeinträchtigung des öffentlichen Friedens nicht ausdrücklich in Art. 419 des italienischen Strafgesetzbuchs erwähnt werde, sich aber aus der Rechtsprechung der italienischen Gerichte ergebe.

29.

Dem vorlegenden Gericht zufolge ist im französischen Strafrecht die Gefährdung des öffentlichen Friedens durch massive Zerstörung von beweglichen oder unbeweglichen Sachen nicht spezifisch unter Strafe gestellt. Nur bei Zerstörungen, Beschädigungen, Diebstählen mit Beschädigung, gegebenenfalls gemeinschaftlich begangen und geeignet, den Eigentümern der Sachen einen Schaden zuzufügen, sei dies der Fall.

30.

Das Gericht möchte daher wissen, ob die in Art. 2 Abs. 4 und Art. 4 Nr. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/584 vorgesehene Bedingung der beiderseitigen Strafbarkeit in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens erfüllt ist. Das Gericht verweist auf das Urteil Grundza, in dem es um die Auslegung von Art. 7 Abs. 3 ( 7 ) und Art. 9 Abs. 1 Buchst. d ( 8 ) des Rahmenbeschlusses 2008/909/JI ( 9 ) ging.

31.

In diesem Urteil wies der Gerichtshof bezüglich Art. 7 Abs. 3 des letztgenannten Rahmenbeschlusses darauf hin, dass bei der Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts nicht nur ihr Wortlaut zu berücksichtigen sei, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele, die mit der Regelung, zu der sie gehöre, verfolgt würden ( 10 ).

32.

Erstens besteht dem Gerichtshof zufolge, wie unmittelbar aus dem Wortlaut von Art. 7 Abs. 3 hervorgehe, die notwendige und hinreichende Bedingung für die Beurteilung der beiderseitigen Strafbarkeit darin, dass die der im Ausstellungsmitgliedstaat ausgesprochenen Verurteilung zugrunde liegenden Handlungen auch im Vollstreckungsmitgliedstaat eine Straftat darstellten. Daraus folge, dass keine Identität der Straftatbestände in den beiden betreffenden Mitgliedstaaten erforderlich sei ( 11 ). Diese Auslegung werde durch die Wortfolge „unabhängig von den Tatbestandsmerkmalen oder der Bezeichnung“ der Straftat im Vollstreckungsmitgliedstaat gestützt, aus der eindeutig hervorgehe, dass keine exakte Übereinstimmung der Tatbestandsmerkmale der Straftat, wie sie im Recht des ausstellenden und des vollstreckenden Mitgliedstaats festgelegt sei, oder der Bezeichnung bzw. der Klassifizierung dieser Straftat nach den jeweiligen nationalen Rechtsordnungen bestehen müsse ( 12 ). Somit sehe diese Bestimmung bei der Beurteilung der Bedingung der beiderseitigen Strafbarkeit sowohl hinsichtlich der Tatbestandsmerkmale der Straftat als auch hinsichtlich ihrer Bezeichnung eine flexible Herangehensweise der zuständigen Behörde des Vollstreckungsmitgliedstaats vor ( 13 ).

33.

Demnach obliege es der zuständigen Behörde des Vollstreckungsmitgliedstaats, im Zuge der Beurteilung der beiderseitigen Strafbarkeit zu überprüfen, ob die der Straftat zugrunde liegenden Sachverhaltselemente, wie sie in dem von der zuständigen Behörde des Ausstellungsmitgliedstaats erlassenen Urteil wiedergegeben würden, als solche auch im Vollstreckungsmitgliedstaat, wenn sie sich in dessen Hoheitsgebiet ereignet hätten, einer strafrechtlichen Sanktion unterlägen ( 14 ).

34.

Zu dieser wörtlichen Auslegung ist festzustellen, dass der Wortlaut von Art. 2 Abs. 4 und Art. 4 Nr. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/584 demjenigen von Art. 7 Abs. 3 bzw. Art. 9 Abs. 1 Buchst. d des Rahmenbeschlusses 2008/909 entspricht. So besagt Art. 2 Abs. 4, dass die Übergabe davon abhängig gemacht werden kann, dass die Handlungen, derentwegen der EuHB ausgestellt wurde, eine Straftat nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats darstellen,unabhängig von den Tatbestandsmerkmalen oder der Bezeichnung der Straftat. Daher gilt die soeben in Nr. 33 vorgenommene Auslegung der Bedingung der beiderseitigen Strafbarkeit in gleicher Weise für den Rahmenbeschluss 2002/584.

35.

Zweitens befand der Gerichtshof im Urteil Grundza, dass auch der systematische Zusammenhang von Art. 7 Abs. 3 und Art. 9 Abs. 1 Buchst. d des Rahmenbeschlusses 2008/909 für eine solche Beurteilung der beiderseitigen Strafbarkeit spreche ( 15 ). Dieser Rahmenbeschluss gründe nämlich in erster Linie auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung, der nach dem ersten Erwägungsgrund des Rahmenbeschlusses in Verbindung mit Art. 82 Abs. 1 AEUV den „Eckstein“ der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen in der Europäischen Union bilde, die nach dem fünften Erwägungsgrund des Rahmenbeschlusses auf einem besonderen wechselseitigen Vertrauen der Mitgliedstaaten in die Rechtssysteme der übrigen Mitgliedstaaten beruhe ( 16 ).

36.

Da im Übrigen die Bedingung der beiderseitigen Strafbarkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen Regel der Anerkennung des Urteils und der Vollstreckung der Sanktion bilde, sei der Anwendungsbereich des aus dem Fehlen der beiderseitigen Strafbarkeit abgeleiteten Grundes für die Versagung der Anerkennung des Urteils und der Vollstreckung der Sanktion nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. d des Rahmenbeschlusses 2008/909 eng auszulegen, um die Fälle der Versagung der Anerkennung und der Vollstreckung zu beschränken ( 17 ). Im Rahmen der Beurteilung der beiderseitigen Strafbarkeit habe die zuständige Behörde des Vollstreckungsmitgliedstaats nicht zu prüfen, ob das vom Ausstellungsmitgliedstaat geschützte Interesse verletzt worden sei, sondern ob dann, wenn die betreffende Straftat im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, dem diese Behörde zuzurechnen sei, begangen worden wäre, ein ähnliches, vom nationalen Recht dieses Staates geschütztes Interesse als verletzt gegolten hätte ( 18 ).

37.

Im vorliegenden Fall ist der systematische Zusammenhang von Art. 2 Abs. 4 und Art. 4 Nr. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/584 derselbe wie der von Art. 7 Abs. 3 und Art. 9 Abs. 1 Buchst. d des Rahmenbeschlusses 2008/909. Denn wie aus den Erwägungsgründen 6 und 10 sowie aus Art. 1 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses 2002/584 hervorgeht, beruht dieser ebenfalls auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung ( 19 ).

38.

Drittens ergibt sich aus dem Urteil Grundza, dass der Zweck des Rahmenbeschlusses 2008/909 gemäß dessen Art. 3 Abs. 1 darin besteht, im Hinblick auf die Erleichterung der sozialen Wiedereingliederung der verurteilten Person die Regeln festzulegen, nach denen ein Mitgliedstaat ein Urteil anerkennt und die verhängte Sanktion vollstreckt ( 20 ).

39.

Zwar erwähnt der Rahmenbeschluss 2002/584 seinerseits nicht, dass sein Ziel darin besteht, die soziale Wiedereingliederung der verurteilten Person zu erleichtern. Er zielt jedoch darauf ab, durch die Einführung eines vereinfachten und wirksameren Systems der Übergabe von Personen, die wegen einer Straftat verurteilt worden sind oder einer Straftat verdächtigt werden, die justizielle Zusammenarbeit zu erleichtern und zu beschleunigen, um zur Verwirklichung des der Union gesteckten Ziels beizutragen, sich zu einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu entwickeln, beruhend auf dem hohen Maß an Vertrauen, das zwischen den Mitgliedstaaten bestehen muss ( 21 ). Das mit dem Rahmenbeschluss 2002/584 verfolgte Ziel besteht namentlich darin, die Übergaben zwischen den Justizbehörden der Mitgliedstaaten zu vereinfachen und zu beschleunigen als auch die Achtung der Grundrechte der übergebenen Person zu garantieren ( 22 ). Allgemeiner gesagt zielt der Mechanismus des EuHB insbesondere darauf ab, die Straflosigkeit einer gesuchten Person zu verhindern, die sich in einem anderen Hoheitsgebiet als demjenigen befindet, in dem sie mutmaßlich straffällig geworden ist ( 23 ). Diese Ziele führen meines Erachtens – ebenso wie beim Rahmenbeschluss 2008/909 – zu einer restriktiven Auslegung der im Rahmenbeschluss 2002/584 vorgesehenen Bedingung der beiderseitigen Strafbarkeit.

40.

Unter diesen Umständen lässt sich die im Urteil Grundza vorgenommene Auslegung entgegen dem Vorbringen von KL in seinen schriftlichen Erklärungen offensichtlich auf die Bestimmungen des Rahmenbeschlusses 2002/584 übertragen. In Übereinstimmung mit der Rechtsansicht des Gerichtshofs in diesem Urteil ( 24 ) sind daher Art. 2 Abs. 4 und Art. 4 Nr. 1 dieses Rahmenbeschlusses dahin auszulegen, dass die Bedingung der beiderseitigen Strafbarkeit als erfüllt anzusehen ist, wenn die der Straftat zugrunde liegenden Sachverhaltselemente, wie sie in dem von der zuständigen Behörde des Ausstellungsmitgliedstaats erlassenen Urteil wiedergegeben werden, als solche auch im Vollstreckungsmitgliedstaat einer strafrechtlichen Sanktion unterlägen, wenn sie sich in dessen Hoheitsgebiet ereignet hätten.

41.

Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die im italienischen Recht als „Verwüstung und Plünderung“ bezeichnete Straftat nicht unter die 32 in Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses 2002/584 aufgezählten Straftaten fällt. Unter diesen Umständen kann gemäß Art. 2 Abs. 4 und Art. 4 Nr. 1 dieses Rahmenbeschlusses und im Einklang mit dem französischen Recht die Übergabe von KL an die Bedingung geknüpft werden, dass die Handlungen, derentwegen der EuHB ausgestellt wurde, nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats eine Straftat darstellen.

42.

Wie das vorlegende Gericht insoweit hervorhebt, verlangt der Straftatbestand der „Verwüstung und Plünderung“ nach italienischem Recht im Gegensatz zum französischen Recht, dass die betreffenden Handlungen geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu beeinträchtigen. Seiner Ansicht nach handelt es sich hierbei sogar um ein „wesentliches Tatbestandsmerkmal“ dieser Straftat. Allerdings ist festzustellen, dass das Erfordernis einer Beeinträchtigung des öffentlichen Friedens unter die Tatbestandsmerkmale der genannten Straftat fällt und nicht unter die Handlungen als solche, wie sie von der gesuchten Person begangen wurden und im EuHB aufgeführt sind ( 25 ). Wie jedoch der Gerichtshof festgestellt hat, ist eine vollständige Übereinstimmung weder zwischen den Tatbestandsmerkmalen der Straftat, wie sie jeweils im Recht des Ausstellungs- und des Vollstreckungsmitgliedstaats definiert ist, noch bei der Bezeichnung oder Klassifizierung dieser Straftat nach dem jeweiligen nationalen Recht erforderlich ( 26 ).

43.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs muss die zuständige Behörde des Vollstreckungsmitgliedstaats im Übrigen bei der Beurteilung der beiderseitigen Strafbarkeit für den Fall, dass die fragliche Straftat im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats begangen worden wäre, prüfen, ob ein ähnliches, durch das nationale Recht dieses Staates geschütztes Interesse als verletzt angesehen worden wäre ( 27 ). Die Straftat der „Verwüstung und Plünderung“ wird teilweise dadurch definiert, dass dem Vermögen einer oder mehrerer Personen Schaden zugefügt wird, sowie durch einen gesellschaftlichen Schaden, der sich aus der Verletzung des Privateigentums ergibt ( 28 ). Im vorliegenden Fall sind jedoch, wie aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, die im Rahmen dieser Straftat begangenen Handlungen in Frankreich strafbar, wobei es um den Schutz der Eigentümer der betroffenen Sachen geht. Folglich entspricht das durch das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats geschützte Interesse dem im Ausstellungsmitgliedstaat geschützten Interesse.

44.

Der Umstand, dass die Beeinträchtigung des öffentlichen Friedens ein wesentliches Tatbestandsmerkmal der Straftat der „Verwüstung und Plünderung“ im Ausstellungsmitgliedstaat ist, erscheint daher für die Überprüfung der Einhaltung der Bedingung der beiderseitigen Strafbarkeit durch die vollstreckende Justizbehörde irrelevant.

45.

Daher schlage ich vor, auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 2 Abs. 4 und Art. 4 Nr. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/584 dahin auszulegen sind, dass die in ihnen aufgestellte Bedingung der beiderseitigen Strafbarkeit in einem Fall erfüllt ist, in dem ein EuHB wegen Handlungen ausgestellt wird, die im Ausstellungsmitgliedstaat unter einen Straftatbestand fallen, der verlangt, dass diese Handlungen geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu beeinträchtigen, wenn solche Handlungen auch im Vollstreckungsmitgliedstaat einer strafrechtlichen Sanktion unterliegen, ohne dass dieses Element der Beeinträchtigung des öffentlichen Friedens erforderlich ist.

B.   Zur zweiten und zur dritten Vorlagefrage

46.

Mit seiner zweiten und seiner dritten Frage, die gemeinsam zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht, falls die erste Frage bejaht wird, im Wesentlichen wissen, ob Art. 2 Abs. 4 und Art. 4 Nr. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/584 sowie Art. 49 Abs. 3 der Charta dahin auszulegen sind, dass die vollstreckende Justizbehörde die Vollstreckung eines zur Vollstreckung einer Strafe ausgestellten EuHB dann ablehnen kann, wenn Letztere mit der Begehung mehrerer Handlungen durch die gesuchte Person zusammenhängt, die im Ausstellungsmitgliedstaat als eine einheitliche Straftat geahndet werden, während einige dieser Handlungen im Vollstreckungsmitgliedstaat keiner strafrechtlichen Sanktion unterliegen.

1. Zur Zulässigkeit

47.

Die italienische Regierung weist in ihren schriftlichen Erklärungen darauf hin, dass nach Ansicht der Chambre de l’instruction de la Cour d’appel d’Angers (Ermittlungskammer des Berufungsgerichts Angers) die Bedingung der beiderseitigen Strafbarkeit im Ausgangsverfahren für zwei der sieben unter der Bezeichnung „Verwüstung und Plünderung“ nach Art. 419 des italienischen Strafgesetzbuchs verfolgten Taten nicht erfüllt sei ( 29 ). Diese Kammer habe im Hinblick auf diese beiden Taten ausgeführt, dass KL sich den Feststellungen zufolge lediglich in der Nähe des betroffenen Kreditinstituts und des Fahrzeugs aufgehalten habe, ohne unmittelbar an den Zerstörungshandlungen beteiligt gewesen zu sein. Das vorlegende Gericht habe daraus abgeleitet, dass die Schlussfolgerung der Ermittlungskammer, dass bei den beiden in Rede stehenden Taten die Bedingung der beiderseitigen Strafbarkeit nicht erfüllt sei, zutreffend sei, da nach französischem Recht eine Zerstörung, Beschädigung oder Verschlechterung einer Sache nur dann vorliege, wenn der Beschuldigte diese Straftat unmittelbar selbst begangen habe.

48.

Nach Ansicht der italienischen Regierung wirft die Ermittlungskammer in Wirklichkeit nicht eine Frage der Anwendung der Bedingung der beiderseitigen Strafbarkeit, sondern ein Beweisproblem auf, wenn sie davon ausgehe, dass nicht bewiesen worden sei, dass KL einige der ihm zur Last gelegten Taten begangen habe. Folglich seien die zweite und die dritte Frage teilweise unzulässig, da sie sich auf Art. 49 der Charta bezögen, der die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit und der Verhältnismäßigkeit von Straftaten und Strafen betreffe, während sie sich auf Art. 48 der Charta hätten beziehen müssen, der die Unschuldsvermutung und die Verteidigungsrechte betreffe. Da bestimmte Handlungen, die nach italienischem Recht als „Verwüstung und Plünderung“ verfolgt würden, nach französischem Recht keine Straftat darstellten, gehe es im Übrigen um Art. 49 Abs. 1 der Charta und nicht um dessen Abs. 3, auf den das vorlegende Gericht in seiner dritten Frage verweise.

49.

In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass das vorlegende Gericht in seiner Entscheidung von der Prämisse ausgegangen ist, dass zwei der sieben Taten, die KL im Rahmen der Straftat der „Verwüstung und Plünderung“ vorgeworfen werden, nach französischem Recht keiner strafrechtlichen Sanktion unterliegen. Diese Prämisse, die sich aus einer Prüfung der Umstände der Begehung dieser beiden Taten ergibt, wird im Rahmen des Vorabentscheidungsersuchens nicht erörtert. In seinen Fragen geht es diesem Gericht nämlich nicht um den Beweis der betreffenden Taten, sondern um die Konsequenzen, die aus dieser Situation für die Auslegung der Bedingung der beiderseitigen Strafbarkeit im Sinne des Unionsrechts und für die Vollstreckung des fraglichen EuHB zu ziehen sind.

50.

Das vorlegende Gericht äußert namentlich Zweifel daran, dass diese Bedingung in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens erfüllt ist. Meines Erachtens ist daher klar, dass die vorgelegten Fragen die Auslegung des Unionsrechts betreffen und dass die Antwort auf diese Fragen für die Entscheidung des Rechtsstreits, mit dem dieses Gericht befasst ist, nützlich und erheblich ist. Daher bin ich der Ansicht, dass die zweite und die dritte Frage in vollem Umfang zulässig sind.

2. Zur Sache

51.

Im vorliegenden Fall möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 2 Abs. 4 und Art. 4 Nr. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/584 sowie Art. 49 Abs. 3 der Charta bedeuten, dass die Bedingung der beiderseitigen Strafbarkeit nur erfüllt ist, wenn alle Handlungen, die im Ausstellungsmitgliedstaat als eine einheitliche Straftat verfolgt werden, auch im Vollstreckungsmitgliedstaat eine Straftat darstellen können.

52.

Die französische und die italienische Regierung sowie die Kommission schlagen – mit gewissen Nuancen – vor, diese Frage zu verneinen, während KL vorschlägt, sie zu bejahen.

53.

In diesem Zusammenhang werde ich a) die Tragweite der Bedingung der beiderseitigen Strafbarkeit im Zusammenhang mit einer einheitlichen Straftat und b) die Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nach Art. 49 Abs. 3 der Charta untersuchen.

a) Zur Tragweite der Bedingung der beiderseitigen Strafbarkeit im Zusammenhang mit einer einheitlichen Straftat

54.

Erstens geht, wie bereits festgestellt, aus dem Wortlaut von Art. 2 Abs. 4 des Rahmenbeschlusses 2002/584 hervor, dass weder zwischen den Tatbestandsmerkmalen der Straftat, wie sie im Recht des Ausstellungs- und des Vollstreckungsmitgliedstaats definiert sind, noch in der Bezeichnung oder der Klassifizierung dieser Straftat nach dem jeweiligen nationalen Recht eine vollständige Übereinstimmung erforderlich ist ( 30 ). Diese Bestimmung schreibt somit nicht vor, dass sämtliche Tatbestandsmerkmale einer im EuHB angeführten einheitlichen Straftat im Vollstreckungsmitgliedstaat eine Straftat darstellen müssen.

55.

Was zweitens den systematischen Zusammenhang von Art. 2 Abs. 4 und Art. 4 Nr. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/584 angeht, ist darauf hinzuweisen, dass Letzterer durch die Einführung eines vereinfachten und wirksameren Systems der Übergabe von Personen, die wegen einer Straftat verurteilt worden sind oder einer Straftat verdächtigt werden, die justizielle Zusammenarbeit erleichtern und beschleunigen soll, um zur Verwirklichung des der Union gesteckten Ziels beizutragen, sich zu einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu entwickeln, beruhend auf dem hohen Maß an Vertrauen, das zwischen den Mitgliedstaaten bestehen muss. Der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung findet seinen Ausdruck in Art. 1 Abs. 2 dieses Rahmenbeschlusses, in dem die Regel verankert ist, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, jeden EuHB auf der Grundlage dieses Grundsatzes und im Einklang mit den Bestimmungen dieses Rahmenbeschlusses zu vollstrecken. Die vollstreckenden Justizbehörden können daher die Vollstreckung eines EuHB grundsätzlich nur aus den im Rahmenbeschluss 2002/584 abschließend aufgezählten Gründen für die Ablehnung der Vollstreckung verweigern, und die Vollstreckung dieses Haftbefehls kann nur an eine der Bedingungen geknüpft werden, die in Art. 5 dieses Rahmenbeschlusses erschöpfend aufgeführt sind. Folglich stellt die Vollstreckung des EuHB den Grundsatz dar, während die Ablehnung der Vollstreckung als Ausnahme ausgestaltet und eng auszulegen ist ( 31 ). Dieser Zusammenhang spricht für eine Auslegung der Bedingung der beiderseitigen Strafbarkeit, wonach es genügt, wenn nur ein Teil der Handlungen, die eine einheitliche Straftat gemäß dem Europäischen Haftbefehl darstellen, im Vollstreckungsmitgliedstaat einer strafrechtlichen Sanktion unterliegt.

56.

Was die in Art. 4 des Rahmenbeschlusses 2002/584 angeführten Gründe angeht, aus denen die Vollstreckung abgelehnt werden kann, ergibt sich, wie der Gerichtshof ausgeführt hat, aus dem Wortlaut dieses Artikels, insbesondere aus der Verwendung des Verbs „können“ in Verbindung mit dem Infinitiv des Verbs „verweigern“, dessen Subjekt die vollstreckende Justizbehörde ist, ganz gewiss, dass diese in Bezug auf die Frage, ob die Vollstreckung des EuHB aus den in Art. 4 genannten Gründen abzulehnen ist, über ein eigenes Ermessen verfügen muss ( 32 ). Daraus folgt, dass die Mitgliedstaaten, wenn sie sich für die Umsetzung eines oder mehrerer der in Art. 4 des Rahmenbeschlusses vorgesehenen Gründe, aus denen die Vollstreckung abgelehnt werden kann, entscheiden, nicht vorsehen dürfen, dass die Justizbehörden verpflichtet sind, die Vollstreckung jedes formal in den Anwendungsbereich dieser Gründe fallenden EuHB abzulehnen, ohne dass sie die Möglichkeit haben, die Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu berücksichtigen ( 33 ).

57.

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Vorlageentscheidung, dass ein Teil der im EuHB genannten Taten im Rahmen der Straftat der „Verwüstung und Plünderung“ unter die Straftatbestände des Diebstahls mit Beschädigung, der Zerstörung oder der Beschädigung im Vollstreckungsmitgliedstaat fallen. Meiner Ansicht nach erlaubt diese Situation der vollstreckenden Justizbehörde auch im Rahmen des ihr zugestandenen Ermessensspielraums nicht, die Vollstreckung des EuHB aus dem in Art. 4 Nr. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/584 angeführten Grund abzulehnen.

58.

Schließlich soll der Mechanismus des EuHB gemäß Art. 1 Abs. 1 dieses Rahmenbeschlusses die Festnahme und Übergabe einer gesuchten Person ermöglichen, damit in Anbetracht des mit dem Rahmenbeschluss verfolgten Ziels die begangene Straftat nicht ungestraft bleibt und die betreffende Person entweder strafrechtlich verfolgt wird oder die gegen sie verhängte Freiheitsstrafe verbüßt ( 34 ). Wie die französische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen ausgeführt hat, würde die Auslegung, die zur Ablehnung der Vollstreckung eines EuHB mit der Begründung führt, dass ein Teil der im Ausstellungsmitgliedstaat strafbaren Handlungen im Vollstreckungsmitgliedstaat nicht strafbar ist, jedoch dazu führen, dass die verurteilte Person für alle fraglichen Handlungen, einschließlich derjenigen, die in beiden Staaten strafbar sind, straffrei bliebe.

59.

Unter diesen Umständen bin ich der Ansicht, dass im Ausgangsverfahren die Bedingung der beiderseitigen Strafbarkeit erfüllt ist, da einige der im EuHB aufgeführten Taten im Vollstreckungsmitgliedstaat einer strafrechtlichen Sanktion unterliegen. Somit ist – als Antwort auf eine Frage des vorlegenden Gerichts – nicht danach zu unterscheiden, ob der Spruchrichter des Ausstellungsmitgliedstaats diese verschiedenen Taten als voneinander trennbar angesehen hat oder nicht. Dieser Aspekt, der im Übrigen zur Bezeichnung der Straftat gehört, ist nämlich für die Vollstreckung des EuHB unerheblich ( 35 ).

b) Zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gemäß Art. 49 Abs. 3 der Charta

60.

Das vorlegende Gericht stellt sich die Frage, ob der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Sinne von Art. 49 Abs. 3 der Charta gewahrt wird, wenn der EuHB zur Vollstreckung einer Strafe zur Ahndung einer einheitlichen Straftat ausgestellt wurde, die durch mehrere Taten gekennzeichnet ist, von denen jedoch nur einige im Vollstreckungsmitgliedstaat eine Straftat darstellen. Nach Ansicht dieses Gerichts könnte ein solcher Haftbefehl zwar bei seiner Ausstellung verhältnismäßig sein, bei seiner Vollstreckung jedoch nicht mehr, was dazu führen würde, dass die Übergabe der gesuchten Person abgelehnt wird.

61.

In dieser Hinsicht scheint es mir wichtig, zwischen der Verhältnismäßigkeit des EuHB und der Verhältnismäßigkeit der verhängten Strafe zu unterscheiden. Zum einen impliziert nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs bei einer Maßnahme, die – wie die Ausstellung eines EuHB – das Recht auf Freiheit des Betroffenen beeinträchtigen kann, der Schutz der Rechte der betroffenen Person, dass eine Entscheidung erlassen wird, die den Anforderungen eines wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes genügt ( 36 ). Darüber hinaus setzt dieser Schutz voraus, dass die ausstellende Justizbehörde überprüft, ob die für die Ausstellung eines Europäischen Haftbefehls erforderlichen Voraussetzungen eingehalten wurden, und unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Gesichtspunkte und ohne Gefahr zu laufen, externen Weisungen, insbesondere seitens der Exekutive, unterworfen zu sein, in objektiver Weise prüft, ob diese Ausstellung verhältnismäßig war ( 37 ). In diesem Sinne ist es, wie das vorlegende Gericht festgestellt hat, Sache des Ausstellungsmitgliedstaats, die Verhältnismäßigkeit des EuHB zu prüfen, bevor er ausgestellt wird, was geeignet ist, den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung zu stärken. Im vorliegenden Fall macht dieses Gericht nicht geltend, der fragliche EuHB sei unverhältnismäßig.

62.

Wenn ein EuHB zur Vollstreckung einer Strafe ausgestellt wird, ergibt sich seine Verhältnismäßigkeit zudem aus der ausgesprochenen Verurteilung, die, wie aus Art. 2 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/584 hervorgeht, in einer Strafe oder einer Maßregel der Sicherung, deren Maß mindestens vier Monate beträgt, bestehen muss ( 38 ). Im Ausgangsverfahren übersteigt die verhängte Strafe diese Dauer von vier Monaten. Unter diesen Umständen ist der EuHB meines Erachtens verhältnismäßig im Sinne von Art. 2 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses.

63.

Was zum anderen die Verhältnismäßigkeit der verhängten Strafe betrifft, so können die Mitgliedstaaten nach den Bestimmungen des Rahmenbeschlusses die Vollstreckung eines EuHB nur in den Fällen ablehnen, in denen sie gemäß Art. 3 des Rahmenbeschlusses abzulehnen ist oder gemäß den Art. 4 und 4a des Rahmenbeschlusses abgelehnt werden kann. Außerdem kann die vollstreckende Justizbehörde die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls nur an die in Art. 5 des Rahmenbeschlusses angeführten Bedingungen knüpfen ( 39 ). Allerdings ist festzustellen, dass die etwaige Unverhältnismäßigkeit der Strafe nicht zu den im Rahmenbeschluss 2002/584 vorgesehenen Gründen für die Ablehnung der Vollstreckung zählt.

64.

Wie es jedoch in Art. 1 Abs. 3 des Rahmenbeschlusses heißt, berührt dieser nicht die Pflicht, die Grundrechte und die allgemeinen Rechtsgrundsätze, wie sie in Art. 6 EUV niedergelegt sind, zu achten. Dementsprechend sind nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs unter „außergewöhnlichen Umständen“ Beschränkungen der Grundsätze der gegenseitigen Anerkennung und des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten möglich. So hat der Gerichtshof anerkannt, dass die vollstreckende Justizbehörde unter bestimmten Umständen das mit dem Rahmenbeschluss eingerichtete Übergabeverfahren beenden kann, wenn die Gefahr besteht, dass eine Übergabe zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung der gesuchten Person im Sinne von Art. 4 der Charta führt ( 40 ). Im vorliegenden Fall sind solche außergewöhnlichen Umstände jedoch offenbar nicht erfüllt. Das vorlegende Gericht macht nämlich weder eine Verletzung des durch Art. 47 Abs. 2 der Charta geschützten Grundrechts auf ein faires Verfahren in Bezug auf KL geltend noch, dass seine Übergabe zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta führen würde. Darüber hinaus rechtfertigt der bloße Umstand, dass die Gesamtheit der Handlungen, die im Rahmen einer einheitlichen Straftat im Ausstellungsmitgliedstaat verfolgt werden, im Vollstreckungsmitgliedstaat keine Straftat darstellt, es meines Erachtens nicht, einen neuen „außergewöhnlichen Umstand“ in einer Situation einzuführen, in der die Grundrechte der gesuchten Person im Ausstellungsmitgliedstaat gewahrt wurden.

65.

Nach Ansicht der Kommission muss die vollstreckende Justizbehörde, wenn die im EuHB enthaltenen Informationen nicht den Schluss zulassen, dass die nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats strafbaren Handlungen die dem EuHB zugrunde liegenden wesentlichen Handlungen sind, das in Art. 15 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses 2002/584 ( 41 ) vorgesehene Verfahren anwenden, um festzustellen, ob nach dem Recht des Ausstellungsmitgliedstaats die Möglichkeit besteht, die Strafe im Nachhinein aufzuteilen. Wenn eine solche Aufteilung der Strafe möglich sei, müsse die ausstellende Justizbehörde erwägen, den Bedenken der vollstreckenden Justizbehörde Rechnung zu tragen, indem sie einen neuen EuHB ausstelle, der sich ausschließlich auf die Handlungen beschränke, die nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats eine Straftat darstellten. Wenn dagegen eine solche Aufteilung nach dem Recht des Ausstellungsmitgliedstaats nicht möglich sei, müsse die vollstreckende Justizbehörde von ihrem Ermessensspielraum Gebrauch machen und dabei zum einen ihr Recht berücksichtigen, keinen Grund für die Ablehnung der Vollstreckung geltend zu machen, weil ihr dies freistehe, und zum anderen die Gefahr der Straflosigkeit im Falle der Nichtvollstreckung des EuHB. Diese Behörde sollte daher ausnahmsweise die Möglichkeit haben, die Vollstreckung des EuHB abzulehnen, wenn die Handlungen, bei denen die Bedingung der beiderseitigen Strafbarkeit nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats erfüllt sei, gegenüber den Handlungen, bei denen diese Bedingung nicht erfüllt sei, nur von marginaler Bedeutung seien.

66.

Ich bin von diesem Ansatz nicht überzeugt. Denn erstens wurde mit dem Rahmenbeschluss 2002/584 ein vereinfachtes und wirksameres System der Übergabe von Personen eingeführt, die wegen einer Straftat verurteilt worden sind oder einer Straftat verdächtigt werden ( 42 ). Folgte man der Auslegung der Kommission, würde dies jedoch zu einer Verkomplizierung dieses Systems und einer erheblichen Verlangsamung des Verfahrens der Übergabe der gesuchten Person führen. Zweitens sieht dieser Rahmenbeschluss nicht vor, dass der Ausstellungsmitgliedstaat einen neuen EuHB ausstellt, wenn eine Aufteilung der Strafe nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats möglich ist, und dies, obwohl dieses Recht von einem Mitgliedstaat zum anderen erheblich variieren kann. Drittens kann die vollstreckende Justizbehörde, wenn die Bedingung der beiderseitigen Strafbarkeit für die Mehrheit der fraglichen Handlungen erfüllt ist ( 43 ) – was im Ausgangsverfahren nicht streitig ist –, meiner Ansicht nach die Vollstreckung des EuHB im Hinblick auf die Logik und den Zweck des genannten Rahmenbeschlusses nicht ablehnen.

67.

Schließlich macht KL geltend, angesichts der Schwere der betreffenden Handlungen könne vernünftigerweise davon ausgegangen werden, dass seine Strafe wesentlich niedriger ausgefallen wäre, wenn das italienische Gericht die später von der vollstreckenden Justizbehörde ausgeschlossenen Handlungen nicht berücksichtigt hätte. In einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens, in der die Bedingung der beiderseitigen Strafbarkeit erfüllt ist, muss jedoch die Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit der Strafe im Sinne von Art. 49 Abs. 3 der Charta allein von der ausstellenden Justizbehörde nach ihrem nationalen Recht geprüft werden.

68.

Angesichts all dessen schlage ich vor, auf die zweite und die dritte Frage zu antworten, dass Art. 2 Abs. 4 und Art. 4 Nr. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/584 sowie Art. 49 Abs. 3 der Charta dahin auszulegen sind, dass die vollstreckende Justizbehörde die Vollstreckung eines zur Vollstreckung einer Strafe ausgestellten EuHB dann nicht ablehnen darf, wenn Letztere der Begehung mehrerer Handlungen durch die gesuchte Person entspricht, die im Ausstellungsmitgliedstaat als eine einheitliche Straftat geahndet werden, während einige dieser Handlungen im Vollstreckungsmitgliedstaat keiner strafrechtlichen Sanktion unterliegen.

V. Ergebnis

69.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die von der Cour de cassation (Kassationsgerichtshof, Frankreich) vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

1.

Art. 2 Abs. 4 und Art. 4 Nr. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten sind dahin auszulegen, dass die in ihnen aufgestellte Bedingung der beiderseitigen Strafbarkeit in einem Fall erfüllt ist, in dem ein Europäischer Haftbefehl wegen Handlungen ausgestellt wird, die im Ausstellungsmitgliedstaat unter einen einheitlichen Straftatbestand fallen, der voraussetzt, dass diese Handlungen geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu beeinträchtigen, wenn solche Handlungen auch im Vollstreckungsmitgliedstaat einer strafrechtlichen Sanktion unterliegen, ohne dass dieses Element der Beeinträchtigung des öffentlichen Friedens erforderlich ist.

2.

Art. 2 Abs. 4 und Art. 4 Nr. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/584 sowie Art. 49 Abs. 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sind dahin auszulegen, dass die vollstreckende Justizbehörde die Vollstreckung eines zur Vollstreckung einer Strafe ausgestellten Europäischen Haftbefehls dann nicht ablehnen darf, wenn diese Strafe wegen mehrerer Handlungen der gesuchten Person verhängt wurde, die im Ausstellungsmitgliedstaat als eine einheitliche Straftat geahndet werden, während einige dieser Handlungen im Vollstreckungsmitgliedstaat keiner strafrechtlichen Sanktion unterliegen.


( 1 ) Originalsprache: Französisch.

( 2 ) Vgl. Flore, D., und Bosly, S., Droit pénal européen, 2. Aufl., Larcier, Brüssel, 2014, S. 580, Rn. 1013. Zur Entwicklung der Bedingung der beiderseitigen Strafbarkeit vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Bobek in der Rechtssache Grundza (C‑289/15, EU:C:2016:622, Nrn. 31 bis 40).

( 3 ) Rahmenbeschluss des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. 2002, L 190, S. 1).

( 4 ) Dieser Artikel („Verwüstung und Plünderung“) sieht in der auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung Folgendes vor: „Wer außer in den Fällen des Artikels 285 eine Verwüstungs‑ oder Plünderungshandlung begeht, wird mit Freiheitsstrafe von acht bis fünfzehn Jahren bestraft. Die Strafe wird erhöht, wenn die Tat im Zusammenhang mit Waffen, Munition oder Lebensmitteln an einem Ort begangen wird, an dem sie verkauft oder gelagert werden.“

( 5 ) Vgl. zu diesem Urteil Falkiewicz, A., „The Double Criminality Requirement in the Area of Freedom, Security and Justice – Reflections in Light of the European Court of Justice Judgment of 11 January 2017, C‑289/15, Criminal Proceedings against Jozef Grundza“, European Criminal Law Review, 2017, Bd. 7, Nr. 3, S. 258 bis 274.

( 6 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil Grundza, Rn. 28.

( 7 ) Diese Bestimmung lautet: „Bei Straftaten, die nicht unter Absatz 1 fallen, kann der Vollstreckungsstaat die Anerkennung des Urteils und die Vollstreckung der Sanktion davon abhängig machen, dass die ihm zugrunde liegenden Handlungen auch nach dem Recht des Vollstreckungsstaats eine Straftat darstellen, unabhängig von den Tatbestandsmerkmalen oder der Bezeichnung der Straftat.“

( 8 ) In dieser Bestimmung heißt es: „Die zuständige Behörde des Vollstreckungsstaats kann die Anerkennung des Urteils und die Vollstreckung der Sanktion versagen, wenn … sich das Urteil in Fällen gemäß Artikel 7 Absatz 3 und, falls der Vollstreckungsstaat eine Erklärung gemäß Artikel 7 Absatz 4 abgegeben hat, in Fällen gemäß Artikel 7 Absatz 1 auf eine Handlung bezieht, die nach dem Recht des Vollstreckungsstaats keine Straftat darstellen würde.“

( 9 ) Rahmenbeschluss des Rates vom 27. November 2008 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile in Strafsachen, durch die eine freiheitsentziehende Strafe oder Maßnahme verhängt wird, für die Zwecke ihrer Vollstreckung in der Europäischen Union (ABl. 2008, L 327, S. 27).

( 10 ) Urteil Grundza, Rn. 32.

( 11 ) Urteil Grundza, Rn. 34.

( 12 ) Urteil Grundza, Rn. 35.

( 13 ) Urteil Grundza, Rn. 36.

( 14 ) Urteil Grundza, Rn. 38.

( 15 ) Urteil Grundza, Rn. 39.

( 16 ) Urteil Grundza, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung.

( 17 ) Urteil Grundza, Rn. 46.

( 18 ) Urteil Grundza, Rn. 49.

( 19 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Februar 2022, Openbaar Ministerie (Auf Gesetz im Ausstellungsmitgliedstaat beruhendes Gericht) (C‑562/21 PPU und C‑563/21 PPU, EU:C:2022:100, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 20 ) Urteil Grundza, Rn. 50.

( 21 ) Vgl. Urteil vom 26. Oktober 2021, Openbaar Ministerie (Recht auf Anhörung durch die vollstreckende Justizbehörde) (C‑428/21 PPU und C‑429/21 PPU, EU:C:2021:876, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 22 ) Vgl. Urteil vom 26. Oktober 2021, Openbaar Ministerie (Recht auf Anhörung durch die vollstreckende Justizbehörde) (C‑428/21 PPU und C‑429/21 PPU, EU:C:2021:876, Rn. 58).

( 23 ) Vgl. Urteil vom 17. Dezember 2020, Openbaar Ministerie (Unabhängigkeit der ausstellenden Justizbehörde) (C‑354/20 PPU und C‑412/20 PPU, EU:C:2020:1033, Rn. 62).

( 24 ) Vgl. Rn. 54 des Urteils Grundza.

( 25 ) Wie Generalanwalt Bobek in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Grundza (C‑289/15, EU:C:2016:622, Nr. 51) ausführte, sind für die Beurteilung der beiderseitigen Strafbarkeit im Wesentlichen zwei Schritte nötig: 1. Aufhebung der örtlichen Festlegung, indem die grundlegenden charakteristischen Merkmale der im Ausstellungsstaat begangenen Tat betrachtet werden und diese Tat so behandelt wird, als sei sie im Vollstreckungsstaat begangen worden, und 2. Subsumtion dieser grundlegenden Tatsachen unter welchen einschlägigen Straftatbestand auch immer, wie er im Recht des Vollstreckungsstaats festgelegt ist.

( 26 ) Siehe oben, Nr. 32.

( 27 ) Siehe oben, Nr. 36.

( 28 ) Siehe oben, Nr. 17, betreffend die Vorlageentscheidung. In seinen schriftlichen Erklärungen macht KL geltend, bei dem durch die Straftat der „Verwüstung und Plünderung“ geschützten gesellschaftlichen Wert handele es sich nicht um die Achtung von Vermögensgegenständen und Eigentum, sondern um die Wahrung der öffentlichen Ordnung und des öffentlichen Friedens. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs gilt jedoch eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen des nationalen Gerichts, die es zur Auslegung des Unionsrechts in dem rechtlichen und sachlichen Rahmen stellt, den es in eigener Verantwortung festlegt und dessen Richtigkeit der Gerichtshof nicht zu prüfen hat (Urteil vom 25. November 2021, Finanzamt Österreich [Familienbeihilfen für Entwicklungshelfer], C‑372/20, EU:C:2021:962, Rn. 54). Unter diesen Umständen ist, was die Bestimmung des geschützten Interesses im Rahmen der Straftat der „Verwüstung und Plünderung“ angeht, auf die Vorlageentscheidung zu verweisen.

( 29 ) Diese Regierung weist darauf hin, dass nach italienischem Recht nicht nur der unmittelbare Täter bestraft werden kann, sondern auch jeder, der durch sein freiwilliges Verhalten, sei es aktiv oder passiv, an der Begehung der Straftat beteiligt ist.

( 30 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil Grundza, Rn. 35.

( 31 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Februar 2022, Openbaar Ministerie (Auf Gesetz im Ausstellungsmitgliedstaat beruhendes Gericht) (C‑562/21 PPU und C‑563/21 PPU, EU:C:2022:100, Rn. 42 bis 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 32 ) Vgl. Urteil vom 29. April 2021, X (Europäischer Haftbefehl – Ne bis in idem) (C‑665/20 PPU, EU:C:2021:339, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 33 ) Vgl. Urteil vom 29. April 2021, X (Europäischer Haftbefehl – Ne bis in idem) (C‑665/20 PPU, EU:C:2021:339, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 34 ) Vgl. Urteil vom 13. Januar 2021, MM (C‑414/20 PPU, EU:C:2021:4, Rn. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 35 ) Ich weise darauf hin, dass die italienische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen vorgetragen hat, angesichts der Wesenseinheit der verschiedenen Tatbestandsmerkmale der Straftat der „Verwüstung und Plünderung“ erscheine es nicht möglich, diese Tatbestände voneinander zu trennen.

( 36 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Januar 2021, MM (C‑414/20 PPU, EU:C:2021:4, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 37 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Januar 2021, MM (C‑414/20 PPU, EU:C:2021:4, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 38 ) Vgl. Urteil vom 12. Dezember 2019, Openbaar Ministerie (Prokurator des Königs Brüssel) (C‑627/19 PPU, EU:C:2019:1079, Rn. 38).

( 39 ) Vgl. Urteil vom 12. Dezember 2019, Openbaar Ministerie (Staatsanwaltschaft Schweden) (C‑625/19 PPU, EU:C:2019:1078, Rn. 36).

( 40 ) Vgl. Urteil vom 19. September 2018, RO (C-327/18 PPU, EU:C:2018:733, Rn. 39 und 40 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

( 41 ) Dort heißt es: „Ist die vollstreckende Justizbehörde der Ansicht, dass die vom Ausstellungsmitgliedstaat übermittelten Informationen nicht ausreichen, um über die Übergabe entscheiden zu können, so bittet sie um die unverzügliche Übermittlung der notwendigen zusätzlichen Informationen, insbesondere hinsichtlich der Artikel 3 bis 5 und Artikel 8; sie kann eine Frist für den Erhalt dieser zusätzlichen Informationen festsetzen, wobei die Frist nach Artikel 17 zu beachten ist.“

( 42 ) Siehe oben, Nr. 39.

( 43 ) Ich halte es daher nicht für erforderlich, im Rahmen dieser Schlussanträge den von der Kommission angeführten Fall zu prüfen, in dem die Handlungen, bei denen die Bedingung der beiderseitigen Strafbarkeit erfüllt ist, im Vergleich zu den Handlungen, bei denen diese Bedingung nicht erfüllt ist, von marginaler Bedeutung sind.