12.12.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 472/18


Urteil des Gerichtshofs (Zehnte Kammer) vom 20. Oktober 2022 (Vorabentscheidungsersuchen des Korkein oikeus — Finnland) — A Oy/B Ky, Erbengemeinschaft nach C

(Rechtssache C-406/21) (1)

(Vorlage zur Vorabentscheidung - Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr - Richtlinie 2011/7/EU - Art. 12 Abs. 4 - Zeitlicher Geltungsbereich - Vor dem 16. März 2013 ständig geübte Praxis, weder Verzugszinsen noch eine Entschädigung für Beitreibungskosten zu verlangen - Praxis bei Einzelbestellungen nach diesem Zeitpunkt - Art. 7 Abs. 2 und 3 - Grob nachteilige Vertragsklauseln und Praktiken - Freiwilliger Verzicht)

(2022/C 472/20)

Verfahrenssprache: Finnisch

Vorlegendes Gericht

Korkein oikeus

Parteien des Ausgangsverfahrens

Klägerin: A Oy

Beklagte: B Ky, Erbengemeinschaft nach C

Tenor

1.

Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr

ist dahin auszulegen, dass

die Mitgliedstaaten vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie eine die Zahlung von Verzugszinsen und einer Entschädigung für Beitreibungskosten betreffende Vertragspraxis ausnehmen können, wenn diese Praxis unter einen Vertrag fällt, der gemäß dem anwendbaren nationalen Recht vor dem 16. März 2013 geschlossen wurde. Nach diesem Zeitpunkt erfolgte Einzelbestellungen, aufgrund deren Verzugszinsen und solche Entschädigungen geltend gemacht werden, können vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2011/7 ausgenommen werden, sofern es sich bei ihnen gemäß dem anwendbaren nationalen Recht bloß um die Erfüllung eines vor dem 16. März 2013 geschlossenen Vertrags handelt. Dagegen können diese Einzelbestellungen vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie nicht ausgenommen werden, wenn sie gemäß diesem nationalen Recht eigenständige Verträge darstellen, die nach diesem Zeitpunkt geschlossen wurden.

2.

Art. 7 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2011/7

ist dahin auszulegen, dass

er einer Praxis nicht entgegensteht, nach der der Gläubiger bei weniger als einen Monat betragendem Zahlungsverzug im Gegenzug für die Zahlung der fälligen Hauptschuld weder Verzugszinsen noch eine Entschädigung für Beitreibungskosten verlangt, sofern der Gläubiger durch dieses Verhalten freiwillig zugestimmt hat, auf die Zahlung dieser Zinsen und dieser Entschädigung zu verzichten.


(1)  ABl. C 368 vom 13.9.2021.