1.2.2021 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 35/59 |
Klage, eingereicht am 10. Dezember 2020 — Far Polymers u. a./Kommission
(Rechtssache T-722/20)
(2021/C 35/78)
Verfahrenssprache: Italienisch
Parteien
Klägerinnen: Far Polymers Srl (Filago, Italien), Gamma Chimica SpA (Mailand, Italien), Carbochem Srl (Castiglione Olona, Italien), Jeniuschem Srl (Gallarate, Italien) (Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte G. Abbatescianni und E. Patti)
Beklagte: Europäische Kommission
Anträge
Die Klägerinnen beantragen, die vorliegende Klage für zulässig zu erklären und die Durchführungsverordnung 2020/1336 der Kommission für nichtig zu erklären, die am 29. September 2020 im Amtsblatt L 315 veröffentlicht worden ist und mit der auf aus der Volksrepublik China eingeführte Polyvinylalkohole (im Folgenden: PVA) Zölle erhoben werden.
Klagegründe und wesentliche Argumente
Die Klägerinnen stützen ihre Klage auf acht Gründe.
Mit dem ersten Klagegrund wird ein Verstoß gegen Vorschriften und ein offensichtlicher Fehler bei der Ermittlung des Wirtschaftszweiges der Union für PVA gerügt, in den die Kommission neben den Teilnehmern am freien Markt auch die Teilnehmer am Eigenbedarfsmarkt sowie die Hersteller einbezogen habe, die gleichzeitig Einführer seien. Dieser Fehler a) mache die Bewertung der Schädigung des Wirtschaftszweiges der Union ungültig, der in Wirklichkeit nur aus dem Antragsteller bestehe, b) habe zur Erhebung von Zöllen geführt, die nicht den freien Wettbewerb auf dem Unionsmarkt, sondern nur den Antragsteller oder Drittländer begünstigten, c) habe dazu geführt, dass die Interessen aller anderen Unternehmen des Wirtschaftszweiges der Union (Hersteller, Einführer und Anwender), die gegen die Zölle seien, nicht richtig gewürdigt worden seien, d) habe die Verordnung in klaren Widerspruch zu früheren Verordnungen gebracht, in denen die Produktionskapazität des Wirtschaftszweiges der Union als unzureichend angesehen worden sei, so dass zollfreie Kontingente vorgesehen worden seien. Aus denselben Gründen sei die angefochtene Verordnung auch ermessensmissbräuchlich.
Mit dem zweiten Klagegrund wird gerügt, dass die angefochtene Maßnahme gegen die in Art. 102 AEUV niedergelegten Grundsätze verstoße und, hilfsweise, einen offensichtlichen Fehler und einen Ermessensmissbrauch aufweise, da sie auf dem PVA-Markt eine beherrschende Stellung des Antragstellers begründe, der der einzige auf dem freien Unionsmarkt tätige Hersteller sei und über zusätzliche Produktionskapazitäten verfüge. Die Maßnahme berücksichtige nicht die Belege für das wettbewerbswidrige Verhalten des Antragstellers, der sich weigere, PVA minderer Qualität zu Preisen zu verkaufen, die die niedrigeren Produktionskosten widerspiegelten.
Mit dem dritten Klagegrund wird die Begründung der Maßnahme gerügt, mit der unter Verstoß gegen Art. 296 AEUV und unter Begehung eines offensichtlichen Fehlers Zölle erhoben worden seien, da die Kommission es abgelehnt habe, den Unionsmarkt in Erzeugnisse hoher und niedriger Qualität aufzuteilen, obwohl sie festgestellt habe, dass PVA in zwei verschiedenen Qualitäten mit eindeutig unterschiedlichen Produktionskosten, Empfängern und Preisen verkauft werde. Diese Eigenschaften überschnitten sich nicht und seien ebenso wenig austauschbar. Infolge der Marktsegmentierung habe die Kommission minderwertiges PVA von den Zöllen ausnehmen müssen.
Der vierte Klagegrund betrifft Vinylacetatmonomer (VAM), den Hauptrohstoff für die Herstellung von PVA. Bei der Ermittlung des Normalwertes zur Bestimmung der Dumpingspanne habe die Kommission nicht berücksichtigt, dass die Preise für chinesisches VAM nicht verzerrt seien, da sie den internationalen Marktpreisen entsprächen. Desgleichen habe die Kommission bei der Ermittlung der Schadensspanne die niedrigeren Kosten der chinesischen Ausführer nicht berücksichtigt, die aufgrund ihrer vertikalen Integration Einsparungen bei den Kosten für VAM erzielten.
Mit dem fünften Klagegrund wird gerügt, dass die Kommission die angefochtene Maßnahme unter Verstoß gegen Art. 296 AEUV unzutreffend und widersprüchlich begründet habe, indem sie die Auswirkungen von Methanol auf die Ermittlung der Kosten der chinesischen Hersteller außer Acht gelassen und dementsprechend bei der Ermittlung der Schadensspanne die entsprechende Berichtigung der Ausfuhrpreise um diesen Kostenfaktor nicht anerkannt habe.
Mit dem sechsten Klagegrund wird der Teil der Maßnahme angefochten, mit dem die Kommission gemäß Art. 254 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates eine Befreiung für die Einfuhr von PVA, das für die Kartonindustrie bestimmt sei, gewährt habe, soweit diese Befreiung a) nicht auf andere Endverwendungen ausgedehnt worden sei, die sich in genau der gleichen Situation wie die Kartonindustrie befänden, und b) nur auf das Mischen von PVA unter Ausschluss der einfachen Einfuhr angewendet worden sei.
Mit dem siebten Klagegrund wird ein Verstoß gegen Art. 296 AEUV, gegen den zwölften Erwägungsgrund der Grundverordnung und gegen ihren Art. 6 Abs. 8 gerügt, da die Kommission beschlossen habe, bestimmte Argumente allein deshalb nicht zu berücksichtigen, weil sie von den interessierten Parteien und nicht von den chinesischen Ausführern vorgebracht worden seien. Damit habe die Kommission willkürlich den Grundsatz eingeführt, dass nur bestimmte Personengruppen den Erlass einer Maßnahme durch die europäischen Organe anfechten könnten.
Der achte und letzte Klagegrund betrifft einen Verstoß gegen Art. 296 AEUV und gegen Art. 19 der Grundverordnung in Bezug auf die Zugänglichkeit von Informationen. Die Kommission habe eine ganze Reihe nicht vertraulicher Daten gesammelt und es versäumt, diese den interessierten Parteien zugänglich zu machen. Daher hätten die interessierten Parteien die Gründe der Kommission für den Erlass der angefochtenen Maßnahme nicht nachvollziehen können.