27.7.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 247/35


Klage, eingereicht am 27. Mai 2020 — EVH/Kommission

(Rechtssache T-312/20)

(2020/C 247/47)

Verfahrenssprache: Deutsch

Parteien

Klägerin: EVH GmbH (Halle [Saale], Deutschland) (Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte I. Zenke und T. Heymann)

Beklagte: Europäische Kommission

Anträge

Die Klägerin beantragt,

den Beschluss der Beklagten vom 26. Februar 2019 zur Feststellung der Vereinbarkeit des Zusammenschlusses „RWE/E.ON Assets“ mit dem Binnenmarkt, Fall M.8871 (ABl. 2020, C 111, S. 1), für nichtig zu erklären;

der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Klagegründe und wesentliche Argumente

Die Klage wird auf folgende Gründe gestützt.

1.

Erster Klagegrund: Der Freigabebeschluss weise förmliche Mängel auf.

Der mit dem hier angefochtenen Beschluss freigegebene Zusammenschluss M.8871 sei fehlerhaft von der einheitlichen Gesamtfusion der RWE AG (RWE) und der E.ON SE (E.ON) abgespalten gewesen. Der Gesamtvorgang beinhalte neben dem Erwerb von E.ON-Erzeugungsassets durch RWE (Fall M.8871) auch den Erwerb einer 16,67 %-igen E.ON-Beteiligung durch RWE und die Übertragung der 76,8 %-igen RWE-Tochter innogy SE auf E.ON (Fall M.8870).

Die Beteiligungsrechte der Klägerin seien verletzt worden, weil die Beklagte die ihr im Verfahren umfangreich vorgetragenen Hinweise auf Wettbewerbsbehinderungen durch den Zusammenschluss zwar entgegengenommen, sie im Verfahren und der Entscheidung aber weder inhaltlich aufgegriffen, noch angemessen bewertet hätte.

Die Beklagte habe den Beschluss zu spät und mangelhaft begründet.

2.

Zweiter Klagegrund: Die Beklagte habe den Sachverhalt unzureichend ermittelt und hätte bei sachgemäßer Ermittlung ein Phase-II-Verfahren einleiten müssen.

Die Analyse der zunehmenden Marktmacht von RWE sei nur nach Strommenge und Kapazität erfolgt, ohne die nötige eigene vertiefte Prüfung zusätzlicher Indikatoren wie der Wegfall des direkten Wettbewerbers E.ON, der die Unverzichtbarkeit eines Anbieters zur Deckung der Nachfrage ausdrückender Indikator Residual Supply Index (RSI) oder der Konzentrationsgrad des Marktes.

In Verkennung der langfristigen Investitionszyklen der Energiewirtschaft betrachtete die Beklagte den historischen und auch den prognostischen Zeitraum für die Bewertung der Auswirkungen des Zusammenschlusses zu verkürzt.

Die Marktmacht sei fehlerhaft ermittelt worden, weil die umfangreichen Verflechtungen von RWE und E.ON in den Energiemarkt nicht gewertet, stattdessen Kapazitäten aus dem Reverse-Carve-out des Verfahrens M.8870 saldiert worden seien.

Die Prüfung beschränke sich insgesamt unzulässig auf die Gegenwart und blendete die Auswirkungen für die nächsten Jahre (z. B. durch die zunehmende Grünstromerzeugung und den Kohleausstieg) aus, so dass die Beklagte gar nicht erkennen könne, ob eine dauerhafte Schädigung des Wettbewerbs drohe.

3.

Dritter Klagegrund: Die Beklagte habe die Fusion — auch als Folge ihrer unzulänglichen Ermittlungen — materiell offensichtlich fehlerhaft als mit dem Wettbewerb vereinbar beurteilt.

Die Beklagte habe fehlerhaft den Umstand, dass E.ON als Wettbewerberin für RWE nachhaltig entfällt, nicht gewürdigt.

Die Beklagte habe verkannt, dass die mit der inhaltlich verknüpften Gesamtfusion verabredete Aufteilung der Wertschöpfungsstufen der Energiewirtschaft zwischen E.ON und RWE eine Wettbewerbsbeschränkung beinhaltete und nicht mit Art. 101 AEUV vereinbar sei.

Die Beklagte stufe fehlerhaft den Anstieg der Marktmacht der RWE im Erstabsatzmarkt als unbedenklich ein.

Schließlich berücksichtige die Entscheidung fehlerhaft auch nicht die wettbewerbsschädlichen Effekte, die sich aus dem Wegfall von E.ON als Konkurrent in der Erzeugung und dem Großhandel von Strom aus Erneuerbaren Energien und der Erbringung von Systemdienstleistungen wie der Regelenergie ergäben.