27.7.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 247/25


Klage, eingereicht am 8. Mai 2020 — CX/Kommission

(Rechtssache T-280/20)

(2020/C 247/35)

Verfahrenssprache: Französisch

Parteien

Kläger: CX (Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt É. Boigelot)

Beklagte: Europäische Kommission

Anträge

Der Kläger beantragt,

die am 28. Juni 2019 in der Akte CMS 12/042 unter dem Aktenzeichen Ares(2019)4110741 ergangene Entscheidung, ihn gemäß Art. 9 Abs. 1 Buchst. h des Anhangs IX des Statuts ohne Kürzung der Ruhegehaltsansprüche aus dem Dienst zu entfernen, aufzuheben;

die am 30. Januar 2020 mitgeteilte, unter dem Aktenzeichen Ares(2020)577152 ergangene Entscheidung vom selben Tag, mit der die Anstellungsbehörde seine am 28. September 2019 unter dem Zeichen R/538/19 eingelegte Beschwerde gegen die angefochtene Entscheidung zurückgewiesen hat, aufzuheben;

der Beklagten gemäß der Verfahrensordnung des Gerichts der Europäischen Union sämtliche Kosten aufzuerlegen.

Klagegründe und wesentliche Argumente

Die Klage wird auf folgende sieben Gründe gestützt:

1.

Erster Klagegrund: Unrichtigkeit des zur Last gelegten Sachverhalts, Verfälschung von Beweisen, offensichtliche Beurteilungsfehler, unzureichende Begründung und Verletzung der Begründungspflicht. Der Kläger trägt insbesondere vor, der einzige zu seinen Lasten verwendete Beweis sei verfälscht worden, da die Anstellungsbehörde den Vorwurf einer „unzulässigen Preisverhandlung“ auf eine einzige E-Mail stütze, deren Wortlaut jedoch belege, dass der Kläger dem Auftragnehmer lediglich — in vollem Einklang mit dem Rahmenvertrag — eine klare, unmissverständliche Anweisung erteilt habe, die überhaupt nichts mit einer „Verhandlung“ zu tun habe; eine solche hätte zumindest einige auf eine Vereinbarung abzielende Diskussionen erfordert, bei denen gegebenenfalls von der einen oder anderen Forderung abgerückt worden wäre. Der Schriftwechsel zwischen dem Kläger und dem Auftragnehmer belege lediglich einen kooperativen, sich wiederholenden Arbeitsprozess, dessen Ziel die Erstellung einer endgültigen Fassung des Fragebogens und der zusammenhängenden Dienstleistungen, keineswegs aber eine „Verhandlung“ gewesen sei. Somit habe die Anstellungsbehörde Vorwürfe auf unbewiesene Tatsachen gestützt und einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen.

2.

Zweiter Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der angemessenen Frist, weites Zurückliegen des zur Last gelegten Sachverhalts und Verjährung der disziplinarischen Verantwortlichkeit. Der Kläger trägt vor, der ihm zur Last gelegte Sachverhalt gehe auf September 2001 bzw. Juni 2003 zurück, d. h. 18 bzw. 16 Jahre vor dem Erlass der angefochtenen Entscheidung. Das Disziplinarverfahren sei am 7. Februar 2013 eingeleitet worden, also bereits 11 bzw. 9 Jahre nach dem zur Last gelegten Sachverhalt. Der zeitliche Abstand zwischen diesem Sachverhalt und der angefochtenen Entscheidung sei offensichtlich unangemessen. Zudem hätte die Anstellungsbehörde aufgrund des weiten Zurückliegens des Sachverhalts eine Milderung seiner disziplinarischen Verantwortlichkeit in Betracht ziehen, wenn nicht gar diese Verantwortlichkeit für verjährt erklären müssen.

3.

Dritter Klagegrund: Verletzung der Verteidigungsrechte und Verstoß gegen die Waffengleichheit. Der Kläger macht geltend, die Kommission habe seinen zahlreichen, ab dem Beginn des Verfahrens im Jahr 2013 gestellten Anträgen auf Vorlage von Dokumenten, die für seine Verteidigung unverzichtbar gewesen seien, nicht stattgegeben. Dabei sei es insbesondere um sämtliche E-Mails bezüglich der beiden gegen ihn erhobenen Vorwürfe, den Rahmenvertrag, die Zwischenfassungen und die Endfassung der Fragebögen für die in Rede stehende Umfrage sowie die damit zusammenhängenden Finanzakten gegangen. Insofern lägen eine Verletzung der Verteidigungsrechte und ein Verstoß gegen die Waffengleichheit vor.

4.

Vierter Klagegrund: Form- und Verfahrensfehler sowie Verletzung der Pflicht, eingehend zulasten wie zugunsten des Beschuldigten zu ermitteln. Der Kläger trägt vor, das Strafgericht [vertraulich] (1) habe bereits am 16. April 2018 entschieden, dass nichts bewiesen sei, und den Kläger „von allen gegen ihn erhobenen Vorwürfen“ freigesprochen. Hierbei habe das Gericht über genau den Sachverhalt befunden, auf den die angefochtene Entscheidung gestützt sei, und habe ihn für nicht erwiesen erachtet. Indem die Anstellungsbehörde ein derart grundlegendes Dokument wie eine rechtskräftig gewordene Gerichtsentscheidung, mit der der Kläger in vollem Umfang freigesprochen worden sei, nicht an den Disziplinarrat weitergeleitet habe, habe sie ihre Pflicht, dem Disziplinarrat sämtliche für die Abgabe seiner Stellungnahme relevanten und sachdienlichen Dokumente zu übermitteln, verletzt und einen Verfahrensfehler begangen.

5.

Fünfter Klagegrund: Verletzung der Unschuldsvermutung und der Pflicht zur Unparteilichkeit. Der Kläger trägt vor, der Generalsekretär habe den Vizepräsidenten der Kommission, zwei Mitgliedern der Kommission, dem ihm vorgesetzten Generaldirektor, der Generaldirektorin für Humanressourcen sowie der Anstellungsbehörde geschrieben, dass die Untersuchung „den Interessenkonflikt bestätigt und verschiedene Unregelmäßigkeiten in Bezug auf den Betroffenen ans Licht gebracht“ habe, was eine Verletzung der Unschuldsvermutung und der Pflicht zur Unparteilichkeit darstelle.

6.

Sechster Klagegrund: Verwendung eines Dokuments, das als rechtlich inexistent gelten müsse, Inexistenz selbst dieses Dokuments und Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 des Anhangs IX des Statuts der Beamten der Europäischen Union (im Folgenden: Statut). Der Kläger trägt vor, das OLAF habe ihn bezüglich des fraglichen Sachverhalts zwischen dem 3. Mai 2011 und dem 18. April 2012 — dem Datum des Versands seines Berichts — niemals angehört. Diese Verletzung seiner Pflicht, den Kläger vor der Fertigstellung seines Berichts anzuhören, müsse die rechtliche Inexistenz dieses Berichts nach sich ziehen.

7.

Siebter Klagegrund: Verstoß gegen Art. 10 des Anhangs IX des Statuts, den Grundsatz der Rechtssicherheit und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie Verletzung des berechtigten Vertrauens und offensichtlicher Beurteilungsfehler, da die Strafe außer Verhältnis zum festgestellten Sachverhalt stehe. Der Kläger trägt insoweit vor, die von der Anstellungsbehörde ausgesprochene Strafe sei offensichtlich unverhältnismäßig. Der zu seinen Lasten festgestellte Sachverhalt sei von sehr begrenzter Bedeutung, da es um einen Betrag von 2 000 Euro gehe. Zudem liege dieser Sachverhalt sehr lange zurück. Die verhängte Strafe habe zur Folge, dass die Familie des Klägers jegliches Einkommen und jegliche Absicherung für den Krankheitsfall verliere, was offensichtlich unverhältnismäßig sei.


(1)  Nicht wiedergegebene vertrauliche Angabe.