SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MANUEL CAMPOS SÁNCHEZ-BORDONA

vom 20. Mai 2021 ( 1 )

Rechtssache C‑25/20

ALPINE BAU GmbH, Salzburg – Zweigniederlassung Celje – in Insolvenz,

NK, Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens
über die
ALPINE BAU GmbH

(Vorabentscheidungsersuchen des Višje sodišče v Ljubljani [Obergericht Ljubljana, Slowenien])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Insolvenzverfahren – Auslegung von Art. 32 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 – Fehlende Angabe der Frist für die Anmeldung von Forderungen in einem Insolvenzverfahren – Anmeldung von Forderungen in einem Sekundärinsolvenzverfahren durch den Insolvenzverwalter des Hauptinsolvenzverfahrens – Im nationalen Recht vorgesehene Frist für die Anmeldung von Forderungen“

1.

In diesem Vorabentscheidungsverfahren geht es um die Auslegung von Art. 32 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 ( 2 ), die unter Berücksichtigung des Eröffnungsdatums des Hauptinsolvenzverfahrens zeitlich anwendbar ist. ( 3 )

2.

Das Višje sodišče v Ljubljani (Obergericht Ljubljana, Slowenien) legt dem Gerichtshof die Frage vor, ob der Verwalter eines in Österreich anhängigen Hauptinsolvenzverfahrens, der in einem gegen denselben Schuldner anhängigen Sekundärinsolvenzverfahren in Slowenien die Forderungen anzumelden versucht, die er bereits im Ersteren angemeldet hat, den Fristen (und den Folgen ihrer Nichteinhaltung) des slowenischen Rechts unterliegt.

3.

Der Gerichtshof hat sich schon verschiedentlich zu grenzüberschreitenden Insolvenzen geäußert ( 4 ), allerdings, wenn ich mich nicht irre, noch nicht zu Art. 32 der Verordnung Nr. 1346/2000, dessen praktische Umsetzung zahlreiche Schwierigkeiten bereitet ( 5 ).

I. Rechtlicher Rahmen

A. Bestimmungen des Unionsrechts. Verordnung Nr. 1346/2000

4.

Im 21. Erwägungsgrund heißt es:

„Jeder Gläubiger, der seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz in der Gemeinschaft hat, sollte das Recht haben, seine Forderungen in jedem in der Gemeinschaft anhängigen Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners anzumelden. …“

5.

Der 23. Erwägungsgrund lautet:

„Diese Verordnung sollte für den Insolvenzbereich einheitliche Kollisionsnormen formulieren, die die Vorschriften des internationalen Privatrechts der einzelnen Staaten ersetzen. Soweit nichts anderes bestimmt ist, sollte das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung (lex concursus) Anwendung finden. Diese Kollisionsnorm sollte für Hauptinsolvenzverfahren und Partikularverfahren gleichermaßen gelten. Die lex concursus regelt alle verfahrensrechtlichen wie materiellen Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf die davon betroffenen Personen und Rechtsverhältnisse; nach ihr bestimmen sich alle Voraussetzungen für die Eröffnung, Abwicklung und Beendigung des Insolvenzverfahrens.“

6.

Art. 4 („Anwendbares Recht“) bestimmt:

„(2)   Das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung regelt, unter welchen Voraussetzungen das Insolvenzverfahren eröffnet wird und wie es durchzuführen und zu beenden ist. Es regelt insbesondere:

h)

die Anmeldung, die Prüfung und die Feststellung der Forderungen;

…“

7.

Art. 28 („Anwendbares Recht“) sieht vor:

„Soweit diese Verordnung nichts anderes bestimmt, finden auf das Sekundärinsolvenzverfahren die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats Anwendung, in dessen Gebiet das Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet worden ist.“

8.

Art. 32 („Ausübung von Gläubigerrechten“) bestimmt:

„(1)   Jeder Gläubiger kann seine Forderung im Hauptinsolvenzverfahren und in jedem Sekundärinsolvenzverfahren anmelden.

(2)   Die Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens und der Sekundärinsolvenzverfahren melden in den anderen Verfahren die Forderungen an, die in dem Verfahren, für das sie bestellt sind, bereits angemeldet worden sind, soweit dies für die Gläubiger des letztgenannten Verfahrens zweckmäßig ist und vorbehaltlich des Rechts dieser Gläubiger, dies abzulehnen oder die Anmeldung zurückzuziehen, sofern ein solches Recht gesetzlich vorgesehen ist.

(3)   Der Verwalter eines Haupt- oder eines Sekundärinsolvenzverfahrens ist berechtigt, wie ein Gläubiger an einem anderen Insolvenzverfahren mitzuwirken, insbesondere indem er an einer Gläubigerversammlung teilnimmt.“

B. Nationales Recht

1.   Österreichisches Recht. Insolvenzordnung ( 6 )

9.

Gemäß § 107 Abs. 1 ist für Forderungen, die erst nach Ablauf der Anmeldungsfrist angemeldet und über die in der allgemeinen Prüfungsverhandlung („Prüfungstagsatzung“) zur Feststellung der Verbindlichkeiten nicht verhandelt worden sind, eine besondere Prüfungstagsatzung anzuordnen. Auf solche Forderungen findet § 105 Abs. 1 Anwendung. Forderungen, die später als 14 Tage vor der Tagsatzung zur Prüfung der Schlussrechnung angemeldet werden, sind nicht zu beachten.

2.   Slowenisches Recht. Zakon o finančnem poslovanju, postopkih zaradi insolventnosti in prisilnem prenehanju ( 7 )

10.

Nach Art. 59 Abs. 2 hat im Insolvenzverfahren der Gläubiger seine Forderung gegen den Insolvenzschuldner innerhalb von drei Monaten nach der amtlichen Bekanntmachung der Eröffnung dieses Verfahrens anzumelden, soweit Abs. 3 oder 4 dieses Artikels nichts anderes bestimmt ( 8 ).

11.

Gemäß Art. 298 Abs. 1 hat der Gläubiger, wenn die Forderung mit einem Absonderungsrecht gesichert ist, im Insolvenzverfahren innerhalb der Frist für die Anmeldung der Forderungen auch das Absonderungsrecht anzumelden, soweit in Art. 281 Abs. 1 ( 9 ) oder in Art. 282 Abs. 2 ZFPPIPP nichts anderes bestimmt ist ( 10 ).

12.

Wenn ein Gläubiger die Frist zur Forderungsanmeldung versäumt, so erlischt nach Art. 296 Abs. 5 seine Forderung im Verhältnis zum Insolvenzschuldner, und das Gericht weist die verspätet angemeldete Forderung zurück.

13.

Wenn ein Gläubiger die Frist zur Anmeldung von Absonderungsrechten versäumt, erlischt gemäß Art. 298 Abs. 5 das Absonderungsrecht.

II. Sachverhalt, Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

14.

Über die Gesellschaft ALPINE Bau GmbH wurde am 19. Juni 2013 durch Beschluss des Handelsgerichts Wien ein Insolvenzverfahren eröffnet.

15.

Das Verfahren begann zunächst als Sanierungsverfahren, wurde aber ab dem 4. Juli 2013 als Insolvenzverfahren weitergeführt.

16.

Aus dem Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 5. Juli 2013 geht hervor, dass es sich bei dem Insolvenzverfahren gegen die Gesellschaft ALPINE Bau GmbH um ein „Hauptinsolvenzverfahren“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1346/2000 handelt.

17.

Der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens ( 11 ) reichte am 6. August 2013 beim Okrožno sodišče v Celju (Regionalgericht Celje, Slowenien) den Antrag auf Eröffnung des Sekundärinsolvenzverfahrens gegen die ALPINE BAU GmbH, Salzburg – Zweigniederlassung Celje – ein.

18.

Das Okrožno sodišče v Celju (Regionalgericht Celje)

eröffnete am 9. August 2013 das Sekundärinsolvenzverfahren gegen diese Zweigniederlassung;

unterrichtete die Gläubiger und Verwalter, dass sie gemäß Art. 32 der Verordnung Nr. 1346/2000 das Recht hätten, Forderungen im Hauptinsolvenzverfahren sowie in jedem Sekundärinsolvenzverfahren anzumelden. Dies ergab sich aus einer Bekanntmachung, die am selben Tag auf der Website der Agencija Republike Slovenije za javnopravne evidence in storitve (Agentur der Republik Slowenien für öffentlich-rechtliche Datenerfassung und Leistungen) veröffentlicht wurde.

19.

Nach der Bekanntmachung musste die Einreichung von (bevorrechtigten oder nicht bevorrechtigten) Ansprüchen im Sekundärinsolvenzverfahren innerhalb von drei Monaten nach ihrer Veröffentlichung erfolgen. Es wurde auch darauf hingewiesen, dass Forderungen und Absonderungsrechte, die bis zum Ablauf dieser Frist nicht angemeldet seien, in diesem Sekundärinsolvenzverfahren im Verhältnis zum Insolvenzschuldner erlöschen würden und das Gericht die Anmeldung gemäß Art. 296 Abs. 5 bzw. Art. 298 Abs. 5 ZFPPIPP als unzulässig zurückweisen werde.

20.

NK beantragte am 30. Januar 2018 in diesem Sekundärinsolvenzverfahren die Anmeldung von Forderungen gemäß Art. 32 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1346/2000. Er beantragte beim Okrožno sodišče v Celju (Regionalgericht Celje), diesem Antrag stattzugeben und ihn bei jeder künftig im Sekundärinsolvenzverfahren erfolgenden Verteilung an die Gläubiger zu berücksichtigen.

21.

Das Okrožno sodišče v Celju (Regionalgericht Celje) wies durch Beschluss vom 5. Juli 2019 diese Anmeldung gemäß Art. 296 Abs. 5 ZFPPIPP als verspätet zurück.

22.

NK legte gegen diesen Beschluss ein Rechtsmittel beim Višje sodišče v Ljubljani (Obergericht Ljubljana) ein, das dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt hat:

Ist Art. 32 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1346/2000 dahin auszulegen, dass die Forderungsanmeldung durch den Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens im Sekundärinsolvenzverfahren den Vorschriften über die Fristen zur Anmeldung von Gläubigerforderungen und über die Folgen verspäteter Anmeldungen unterliegt, die nach dem Recht des Staates, in dem das Sekundärinsolvenzverfahren geführt wird, gelten?

III. Verfahren

23.

Das Vorabentscheidungsersuchen ist am 20. Januar 2020 beim Gerichtshof eingegangen.

24.

Schriftliche Erklärungen sind von der ALPINE BAU GmbH, NK, den Regierungen der Republik Polen und der Republik Slowenien sowie von der Kommission abgegeben worden. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung hat der Gerichtshof nicht für erforderlich gehalten.

IV. Prüfung

A. Vorbemerkungen

25.

Art. 32 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1346/2000 sieht vor, dass jeder Verwalter, der im Hauptinsolvenzverfahren oder in einem Sekundärinsolvenzverfahren bestellt worden ist, befugt (und gegebenenfalls verpflichtet) ( 12 ) ist, in den anderen Verfahren die Forderungen anzumelden ( 13 ), die in dem Verfahren, für das er bestellt ist, bereits angemeldet worden sind.

26.

In der Verordnung Nr. 1346/2000 ist nicht ausdrücklich festgelegt, wann von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen ist. Das vorlegende Gericht möchte deshalb wissen, ob der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens den Fristen (und den Folgen ihrer Nichteinhaltung) unterliegt, die das Recht des Staates festlegt, in dem ein Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet worden ist.

27.

Mit Ausnahme von NK vertreten alle Beteiligten im Verfahren vor dem Gerichtshof die Auffassung, die Regelung über die Fristen zur Anmeldung der Forderungen und über die Folgen einer Nichteinhaltung dieser Fristen werde von der lex concursus des jeweiligen Verfahrens bestimmt.

28.

NK hingegen ist der Auffassung, dass die Prüfung und Feststellung von Forderungen im Hauptverfahren deren Anmeldung in jedem anderen Verfahren vorausgehen müsse. Implizit macht er damit geltend, dass sich die Fristen für eine solche Vorlage nach der lex concursus des ersten Verfahrens richten müssten.

29.

Was das auf die Fristen für die Anmeldung von Forderungen in Sekundärverfahren anwendbare Recht betrifft, teile ich die mehrheitlich vertretene Auffassung. Dementsprechend stimme ich auch nicht der These von NK zu, dass die Prüfung und Feststellung der Forderungen bereits vor ihrer Anmeldung im Sekundärverfahren stattgefunden haben müsse.

30.

Vorab ist auf einige Aspekte der europäischen grenzüberschreitenden Insolvenzregelung einzugehen, die zum besseren Verständnis dessen beitragen, was Gegenstand des vorliegenden Vorabentscheidungsverfahrens ist

B. Grenzüberschreitende Insolvenzen

1.   Rechtsvorschriften ( 14 )

31.

Erste Vorschläge zur Regelung grenzüberschreitender Insolvenzen für die (heutige) Europäische Union gehen zurück auf die 60er Jahre des letzten Jahrhunderts. Schon damals herrschte die Überzeugung, dass nur mit einem gemeinsamen Regelungsrahmen einem opportunistischen Vorgehen des Insolvenzschuldners oder seiner Gläubiger begegnet werden und die effiziente Verwaltung eines Unternehmens in Schwierigkeiten mit Vermögen in mehreren Mitgliedstaaten ermöglicht werden könne.

32.

Nach mehreren erfolglosen Versuchen wurde am 23. November 1995 ein Übereinkommen über Insolvenzverfahren (im Folgenden: Übereinkommen) ( 15 ) zur Unterzeichnung aufgelegt, das aber nicht in Kraft trat. Ihm war ein Bericht beigefügt, der von den Staaten vorbereitet und verhandelt worden war ( 16 ). Auch wenn dieses Dokument nicht amtlich angenommen worden ist, wird es als Referenz für die Auslegung der nach dem Übereinkommen angenommenen Rechtstexte verwendet, wenn sie mit diesem inhaltlich übereinstimmen ( 17 ).

33.

Die Verordnung Nr. 1346/2000 wurde auf der Grundlage des Übereinkommens ausgearbeitet. Insbesondere Art. 32 der Verordnung greift eine Vorschrift daraus auf.

34.

Im Jahr 2012 erstellte die Kommission gemäß Art. 46 der Verordnung Nr. 1346/2000 einen Bericht über deren Anwendung und fügte diesem Bericht einen Reformvorschlag ( 18 ) bei, der zur Verordnung 2015/848 führte, die seit dem 26. Juni 2017 auf an diesem Tag oder danach eröffnete Verfahren allgemein anwendbar ist.

35.

Der Text von 2015 behält den wesentlichen Inhalt der vorherigen Verordnung bei und führt, soweit hier von Interesse, Verbesserungen in Bezug auf die Verbindungen zwischen parallel eröffneten Insolvenzverfahren, die Unterrichtung der Gläubiger und die Anmeldung ihrer Forderungen in einem anderen Mitgliedstaat als ihrem Wohnsitz‑, Aufenthalts- oder Sitzstaat ein ( 19 ).

36.

Dabei blieb die Bestimmung, um deren Auslegung es in diesem Vorabentscheidungsverfahren geht (jetzt Art. 45 der Verordnung 2015/848) unverändert.

2.   Das Modell der Verordnung Nr. 1346/2000

37.

Die Verordnung Nr. 1346/2000 enthält Vorschriften über die internationale Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen sowie die Verfahrenskoordinierung. Insgesamt ergibt sich aus ihnen ein System, das dem Modell eines „abgemilderten“ oder „abgeschwächten“ Universalismus folgt ( 20 ).

a)   Mehrheit von Verfahren (Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren)

38.

Das angenommene Modell geht davon aus, dass ein einziges Insolvenzverfahren mit universaler Geltung möglicherweise nicht realisierbar ist. Es erlaubt daher, dass neben einem Hauptinsolvenzverfahren andere „Partikularinsolvenzverfahren“ bestehen (die man als unabhängige Verfahren bezeichnet, wenn sie bei der Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens schon anhängig sind, und als Sekundärinsolvenzverfahren, wenn sie erst nach dessen Eröffnung beginnen), die nur das Vermögen in dem Land erfassen, in dem diese Verfahren eröffnet werden ( 21 ).

39.

Für das Hauptinsolvenzverfahren sind „die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat“ ( 22 ). Dieses Verfahren hat universale Geltung für das Gesamtvermögen und für die Verbindlichkeiten des Schuldners. Die Eröffnung eines Verfahrens in einem anderen Mitgliedstaat setzt voraus, dass der Schuldner in diesem Staat eine Niederlassung hat, und das Vermögen umfasst lediglich das dort belegene Vermögen ( 23 ).

40.

In Partikular- und Sekundärinsolvenzverfahren werden die Verbindlichkeiten aller Gläubiger des Schuldners erfasst. Jeder Gläubiger hat unabhängig davon, wo er seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz innerhalb der Union hat ( 24 ), „das Recht …, seine Forderungen in jedem in der Gemeinschaft anhängigen Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners anzumelden“, Verfahren, die über die Verordnung Nr. 1346/2000 untereinander verbunden sind ( 25 ).

41.

Die gleichzeitige Anhängigkeit verschiedener Insolvenzverfahren betreffend denselben Schuldner macht es erforderlich, diese Verfahren zu koordinieren ( 26 ). Die Verordnung Nr. 1346/2000 enthält dafür materiell-rechtliche Vorschriften, z. B. die Vorschrift über die Verteilung des aus dem verwerteten Vermögen resultierenden Erlöses und die Zusammenarbeit der Verwalter, insbesondere durch hinreichenden Informationsaustausch ( 27 ).

42.

Zum selben Zweck (zur Gewährleistung der Koordination der anhängigen Verfahren) erkennt der Gesetzgeber den Vorrang des Verfahrens an, das in dem Staat eröffnet wird, in dem der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners liegt. Dies führt dazu, dass der für das Hauptinsolvenzverfahren bestellte Verwalter zu bestimmten Zwecken Einwirkungsmöglichkeiten auf die Sekundärinsolvenzverfahren hat (er kann z. B. einen Sanierungsplan oder die Aussetzung der Verwertung der Masse im Sekundärverfahren beantragen) ( 28 ).

b)   Anwendbares Recht

43.

Die Verordnung Nr. 1346/2000 schafft kein europäisches Insolvenzrecht, sondern einheitliche Kollisionsnormen, die bestimmen, welches nationale Recht im jeweiligen Verfahren anzuwenden ist, sowie dessen Rechtsfolgen.

44.

Neben den Kollisionsnormen enthält sie unmittelbar anwendbare materiell- oder verfahrensrechtliche Vorschriften, die das Recht der Mitgliedstaaten verdrängen ( 29 ).

45.

Soweit in der Verordnung Nr. 1346/2000 nichts anderes bestimmt ist, findet auf alle Verfahren, gleichgültig, ob es sich um ein Haupt- oder um ein Partikular-, d. h. Sekundärinsolvenzverfahren, handelt, das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung (lex concursus) Anwendung ( 30 ).

46.

Diese Entscheidung zugunsten einer (in Rechtsinstrumenten, die grenzüberschreitende Insolvenzen regeln, üblichen) lex concursus ist aus drei Gründen gerechtfertigt ( 31 ):

Sie bietet einheitliche Lösungen, die für den erfolgreichen Ausgang kollektiver Verfahren wie Insolvenzverfahren und dafür, dass bei den Beteiligten Rechtssicherheit im Hinblick auf ihre Pflichten und Rechte besteht, unerlässlich sind.

Sie erleichtert die Verwaltung des Verfahrens durch die Einheitlichkeit von Gerichtsstand und anzuwendendem Recht. Dadurch werden auch die mit dem Nachweis und der Anwendung ausländischen Rechts verbundenen Kosten vermieden.

Sie gewährleistet, dass sämtliche Gläubiger ein und desselben Schuldners, was ihre Stellung im Insolvenzverfahren betrifft, im Rahmen jedes einzelnen Verfahrens derselben Rechtsordnung unterliegen.

47.

Daher ist es die lex concursus, der die Eröffnung, die Durchführung und die Beendigung des Insolvenzverfahrens in materiell- und verfahrensrechtlicher Hinsicht unterliegen.

48.

Kohärent zu diesem Kriterium weist Art. 4 der Verordnung Nr. 1346/2000 dem Recht des Staates der Verfahrenseröffnung in nicht abschließender Aufzählung ( 32 ) speziell die Regelung bestimmter Verfahrenselemente zu. Zu diesen gehören (unter Berücksichtigung der in der Verordnung vorgesehenen Einschränkungen ( 33 )) „die Anmeldung, die Prüfung und die Feststellung der Forderungen“ ( 34 ).

c)   Auf die Anmeldung von Forderungen anzuwendendes Recht

49.

Bei grenzüberschreitenden Insolvenzen ergeben sich aus dem Vorstehenden für die Gläubiger (mit Sicherheit zumindest für die in der Europäischen Union ansässigen) drei Wirkungen:

Sie haben das Recht, die Forderung in jedem Haupt- oder Sekundärinsolvenzverfahren (gegebenenfalls in einem Partikularinsolvenzverfahren), anzumelden, das gegen denselben Schuldner in einem durch die Verordnung Nr. 1346/2000 gebundenen Mitgliedstaat eingeleitet wird.

Dieses Recht ist vom Gläubiger nach dem für das Verfahren, in dem er die Forderung anmelden will, geltenden Recht auszuüben.

Die Feststellung einer Forderung in einem Verfahren bedeutet nicht automatisch, dass sie auch in einem anderen Verfahren festgestellt werden wird. Die Prüfung und Feststellung der Forderungen richtet sich nach dem Recht, das auf das jeweilige Verfahren anzuwenden ist ( 35 ).

50.

Der Gesetzgeber war sich der Schwierigkeiten, die mit der Geltendmachung von Forderungen in einem im Ausland eingeleiteten Verfahren verbunden sind, bewusst und hat deshalb einige spezifische Vorschriften in die Verordnung Nr. 1346/2000 aufgenommen:

Gemäß Art. 32 Abs. 2 ist nicht erforderlich, dass die Gläubiger ihre Forderungen selbst anmelden: Der für ein bestimmtes Verfahren bestellte Verwalter kann dies hinsichtlich der Forderungen, die bei ihm schon angemeldet worden sind, an ihrer Stelle tun ( 36 ).

Gemäß Art. 40 sind alle bekannten Gläubiger, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt, Wohnsitz oder Sitz in einem anderen Staat als dem der Verfahrenseröffnung haben, von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu unterrichten. Die Mitteilung durch die individuelle Übersendung eines Vermerks hat einen Mindestinhalt, zu dem die Fristen für die Anmeldung von Forderungen und die Versäumnisfolgen gehören. ( 37 )

51.

Die Verordnung Nr. 1346/2000 vereinheitlicht die Fristen für die Anmeldung von Forderungen nicht, und zwar weder hinsichtlich eines bestimmten Verfahrens noch hinsichtlich eines bestimmten Beteiligten ( 38 ).

52.

Im Anwendungsbereich der lex concursus des jeweiligen Verfahrens können die Mitgliedstaaten daher die Fristen auf ihre Weise regeln, solange sie die unionsrechtlichen Grundsätze der Effektivität und der Äquivalenz beachten ( 39 ).

C. Frist für die Anmeldung der Forderungen durch den Insolvenzverwalter

53.

Im Rahmen der Auslegung von Art. 32 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1346/2000 werde ich zunächst die Gründe darlegen, aus denen der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens meines Erachtens die Fristen des Rechts des Staates, in dem das Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet worden ist, einhalten muss, wenn er auch in diesem die im Hauptinsolvenzverfahren bereits angemeldeten Forderungen geltend machen will.

54.

Zu diesem Zweck werde ich die gängigen Auslegungsmethoden anwenden, d. h. die grammatikalische, die historische, die teleologische und die systematische Auslegung.

1.   Grammatikalische Auslegung

55.

Da mehrere Insolvenzverfahren gegen ein und denselben Schuldner für zulässig erachtet werden, heißt es in Art. 32 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1346/2000: „Die Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens und der Sekundärinsolvenzverfahren melden in den anderen Verfahren die Forderungen an, die in dem Verfahren, für das sie bestellt sind, bereits angemeldet worden sind …“

56.

Im Wortlaut der Vorschrift weist nichts darauf hin, dass die Forderungen zu einem bestimmten Zeitpunkt geltend zu machen sind. Daher sind die allgemeinen Regeln anzuwenden, d. h. diejenigen, die sich aus der grundlegenden kollisionsrechtlichen Regelung (Art. 4 und 28 der Verordnung Nr. 1346/2000) ergeben, die, wie ich bereits ausgeführt habe, jeweils als lex concursus vom Recht des Staates bestimmt werden, in dem das Verfahren eröffnet worden ist ( 40 ).

57.

Insbesondere ergibt sich aus Art. 4 Abs. 2 Buchst. h, dass das Recht des Staates, in dem das Verfahren eröffnet wird, die Regeln für die Anmeldung, die Prüfung und die Feststellung von Forderungen, einschließlich der Fristen für deren Anmeldung bestimmt. Die Einordnung dieser Materie im Verfahren hätte aber auch ohne ausdrückliche Regelung zur Anwendung des Rechts des angerufenen Gerichts geführt ( 41 ).

58.

Das Urteil ENEFI bestätigt diese Auslegung. Dort heißt es darüber hinaus, dass auch auf die Folgen einer Missachtung der Regeln über die Anmeldung von Forderungen, insbesondere der Anmeldefristen, die lex concursus anzuwenden ist ( 42 ).

2.   Historische und teleologische Auslegung

59.

In Art. 32 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1346/2000 wurde die entsprechende Bestimmung aus dem (gescheiterten) Übereinkommen übernommen. Aus der Kontinuität zwischen beiden Instrumenten lässt sich ableiten, dass die Anmeldung von Forderungen durch den Verwalter die gleiche Aufgabe hat und in beiden Texten den gleichen Zweck verfolgt. Die Anforderungen an eine solche Anmeldung müssen daher ebenfalls die gleichen sein.

60.

Art. 32 des Übereinkommens wurde im Rahmen des Modells des abgeschwächten Universalismus aufgenommen, bei dem mehrere Insolvenzverfahren gegen denselben Schuldner möglich sind. Sein Abs. 1 legte als Ausnahme von der Regel, dass die Forderungsanmeldung der lex concursus unterlag, das Recht jedes Gläubigers auf die Geltendmachung seiner Forderungen im Verfahren seiner Wahl ( 43 ) oder sogar in mehreren Verfahren ( 44 ) fest.

61.

Um die Ausübung dieses Rechts zu erleichtern ( 45 ), wurde ein Mechanismus ausgearbeitet, der es dem Verwalter jedes Verfahrens aufgibt, den von ihm vertretenen Gläubigern eine Dienstleistung zu erbringen ( 46 ): Der Verwalter meldet diese Forderungen, vorbehaltlich der Möglichkeit jedes Forderungsgläubigers, dies abzulehnen, in den anderen eröffneten Verfahren an ( 47 ).

62.

Zur Erfüllung seiner Aufgabe war im Übereinkommen der Verwalter dazu befugt, in anderen Verfahren Forderungen, die in dem Verfahren, in dem er tätig war, bereits angemeldet worden waren, geltend zu machen. Er handelt somit gewissermaßen anstelle der Gläubiger, d. h. in ihrem Namen und für ihre Rechnung ( 48 ), und muss die Anmeldung der Forderungen vornehmen, wenn sie für diese Gläubiger zweckmäßig ist.

63.

Die Entscheidung, eine Forderung anzumelden, bewirkt jedoch keine Änderung ihrer Inhaberschaft: Die Forderung gehört nach wie vor dem jeweiligen einzelnen Gläubiger. Das Übereinkommen schützt die Rechte der Gläubiger, indem es diesen erlaubt, sowohl die Anmeldung durch den Verwalter abzulehnen als auch die in einem anderen Verfahren bereits angemeldete Forderung wieder zurückzuziehen ( 49 ).

64.

In Übereinstimmung mit diesem Grundsatz führt die Anmeldung durch den Verwalter zu den gleichen Rechtsfolgen wie diejenige durch den Gläubiger selbst ( 50 ). Die Bedingungen und Fristen, denen sie unterliegen und die nach dem Übereinkommen durch die lex concursus geregelt werden, müssen daher die gleichen sein, unabhängig davon, wer die Forderungen anmeldet ( 51 ).

3.   Systematische Auslegung

a)   Die Pflicht des Verwalters als Verlängerung des Rechts des Gläubigers

1) Die Stellung des Verwalters in Art. 32 der Verordnung Nr. 1346/2000

65.

Die in Art. 32 der Verordnung Nr. 1346/2000 statuierte Pflicht des Verwalters folgt auf die Bestimmung, wonach die Gläubiger berechtigt sind, ihre Forderungen in jedem Insolvenzverfahren anzumelden.

66.

Die systematische Stellung der Vorschrift bestätigt, was ich in Bezug auf ihre Entstehungsgeschichte und ihren Zweck bereits ausgeführt habe: Die Position des Verwalters, der in einem Verfahren bestellt ist und die Forderungen in einem anderen Verfahren anmeldet, stellt eine Verlängerung der Position der Gläubiger selbst dar und hängt von dieser ab ( 52 ).

67.

Wenn aber die Verbindung zwischen dem Verwalter und den Gläubigern dazu führen muss, dass sie bei der Anmeldung von Forderungen in anderen Verfahren der gleichen Regelung unterliegen, so bestätigt der dem Gläubiger zustehende Vorrang, dass es seine Position sein muss, nach der sich diese Regelung richten muss. Das heißt:

Die lex concursus, die auf die Anmeldung von Forderungen nach den Art. 4 und 28 der Verordnung Nr. 1346/2000 anzuwenden ist, betrifft Gläubiger und Verwalter gleichermaßen.

Den Verwalter eines Verfahrens von den Anmeldefristen, die von der jeweiligen lex concursus anderer Verfahren vorgesehen sind, zu befreien, wäre möglich, wenn auch die Gläubiger die Befreiung in Anspruch nehmen könnten. In Kapitel IV der Verordnung Nr. 1346/2000, in dem von der lex concursus abweichende materiell-rechtliche Regelungen zugunsten der Gläubiger eingeführt werden, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt, Wohnsitz oder Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem der Verfahrenseröffnung haben, ist diese Möglichkeit jedoch nicht vorgesehen ( 53 ).

2) Die Zweckmäßigkeit der Forderungsanmeldung durch den Verwalter

68.

Der Insolvenzverwalter ist nicht nur befugt, die in seinem eigenen Verfahren angemeldeten Forderungen in anderen Verfahren anzumelden, sondern er ist hierzu sogar verpflichtet, soweit dies für die Gläubiger zweckmäßig ist ( 54 ).

69.

Die Befugnis, die Forderungen anzumelden, verleiht dem Verwalter Aktivlegitimation in sämtlichen Verfahren, unabhängig davon, ob dies im Recht des Staates der Verfahrenseröffnung vorgesehen ist oder nicht. Dies ermöglicht es ihm, seine gesetzliche Verpflichtung zu erfüllen ( 55 ), und stellt den Zweck von Art. 32 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1346/2000 sicher.

70.

Die Pflicht des Verwalters ist dennoch nicht unbedingt: Sie erfordert eine Prüfung, ob die Geltendmachung der Forderungen, die bereits in dem Verfahren, in dem er bestellt ist, angemeldet wurden, in einem Sekundärinsolvenzverfahren für die Gläubiger zweckmäßig ist ( 56 ) bzw. welche Vorteile sich möglicherweise daraus ergeben.

71.

Diese Prüfung betrifft allerdings nicht jede einzelne Forderung und deren Aussicht auf Befriedigung ( 57 ). Es handelt sich eher um eine allgemeine Prüfung im Hinblick auf die Gesamtheit der Forderungen ( 58 ), die in dem Verfahren, in dem er bestellt ist, angemeldet worden sind.

72.

Eine konkrete Beurteilung nach dem auf die Forderung anwendbaren Recht und – hinsichtlich ihres Rangs – dem Recht des Staates, in dem sie angemeldet wird, muss aus eminent praktischen Gründen der einzelne Gläubiger vornehmen ( 59 ).

73.

Das letzte Wort hinsichtlich der Anmeldung einer Forderung hat damit ihr Inhaber (d. h. der Gläubiger), dem die Verordnung Nr. 1346/2000 in Art. 32 Abs. 2 a. E. die Möglichkeit vorbehält, die Anmeldung durch den Verwalter abzulehnen und die Forderung zurückzuziehen, falls er zu dem Schluss kommt, diese Anmeldung liege nicht in seinem Interesse ( 60 ).

74.

Der Insolvenzverwalter vertritt in Wirklichkeit kein anderes oder höhergestelltes Interesse als das der Gläubiger, das es rechtfertigen würde, bei der Anmeldung von Forderungen in anderen Verfahren auf ihn eine Sonderregelung anzuwenden. Der Schlussstein des Systems, das jedem einzelnen Gläubiger die Entscheidung überlässt, ob er seine Forderung anmeldet oder nicht, bestätigt, dass die Interessen des Verwalters und der Gläubiger übereinstimmen.

75.

Die Gründe, weshalb die Bewertung durch den Verwalter nicht die gleiche wie die durch einen Gläubiger ist, sind nicht dogmatischer, sondern praktischer Natur ( 61 ). Ein Gläubiger, der seine Forderung in einem Verfahren angemeldet hat, zeigt grundsätzlich Interesse daran, sie aus dem Vermögen des Schuldners beizutreiben, wo auch immer sich dieses befindet ( 62 ). Von dieser Prämisse ausgehend, ist es legitim, die Aufgabe des Insolvenzverwalters auf eine Abwägung der Vor- und Nachteile für alle Forderungen zu beschränken, die in dem Verfahren, in dem er bestellt worden ist, angemeldet worden sind.

b)   Verpflichtung des Verwalters in jedem Verfahren?

76.

Art. 32 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1346/2000 gehört zu Kapitel III dieser Verordnung („Sekundärinsolvenzverfahren“). Dennoch gilt die in dieser Vorschrift vorgesehene Pflicht dem Wortlaut nach für alle Verwalter, also sowohl für diejenigen des Haupt- als auch für diejenigen von Sekundärinsolvenzverfahren. Die einen wie die anderen sind verpflichtet, „in den anderen Verfahren die Forderungen an[zumelden], die in dem Verfahren, für das sie bestellt sind, bereits angemeldet worden sind“ ( 63 ).

77.

Es ist nicht davon auszugehen, dass aufgrund der systematischen Stellung der Vorschrift dem Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens gegenüber den Verwaltern der anderen anhängigen Verfahren eine Sonderstellung bei der Geltendmachung der im Hauptinsolvenzverfahren angemeldeten Forderungen zukäme.

78.

Zwar begründet der untergeordnete Charakter der Sekundärinsolvenzverfahren gegenüber dem Verfahren, das am Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners eröffnet wird, durchaus eine Sonderstellung des Verwalters dieses Verfahrens gegenüber den anderen ( 64 ). Was die Anmeldung der Forderungen betrifft, verleiht ihm die Verordnung Nr. 1346/2000 jedoch kein Vorrecht, das sich dahin konkretisieren ließe, dass er den Fristen, die von der lex concursus jedes Verfahrens vorgegeben sind, nicht unterliegt.

c)   Verhältnis zu Kapitel IV der Verordnung Nr. 1346/2000

79.

Kapitel IV der Verordnung Nr. 1346/2000 („Unterrichtung der Gläubiger und Anmeldung ihrer Forderungen“) legt von der lex concursus abweichende Regelungen fest, die, wie Art. 32 Abs. 2, die Anmeldung der Forderungen erleichtern sollen.

80.

Diese unmittelbar anwendbaren Vorschriften wirken zugunsten der Gläubiger, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt, Wohnsitz oder Sitz im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats als dem haben, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Ich bin der Meinung, dass diese Vorschriften sinngemäß auch auf den Verwalter eines ausländischen Verfahrens anzuwenden sein könnten.

81.

Die Fachkenntnisse, die bei einem Verwalter berechtigterweise vorausgesetzt werden können, erstrecken sich nicht notwendigerweise auf grenzüberschreitende Insolvenzen, und es besteht kein Grund, dass Handlungen, die von den Gläubigern selbst vorgenommen werden könnten, strengeren Bedingungen unterliegen sollten, während der Verwalter, indem er sie übernimmt, diesen Gläubigern schlicht eine Dienstleistung erbringt, indem er an ihrer Stelle tätig wird ( 65 ).

82.

Keine der hier aus der Verordnung Nr. 1346/2000 zitierten Vorschriften bezieht sich speziell auf die Regelung der Fristen ( 66 ). Dieses Schweigen hat eine doppelte Bedeutung: a) Es erschwert die Argumentation, dass der Verwalter nicht der allgemeinen Regelung, d. h. der lex concursus des jeweiligen Verfahrens, unterliegen soll, und b) es würde, wenn dem nicht so wäre, dazu zwingen, im Wege der Auslegung zu entscheiden, welche Regelung anstelle der allgemeinen anzuwenden wäre ( 67 ).

83.

Den Verwalter nicht den Fristen der für das jeweilige Verfahren geltenden lex concursus zu unterstellen, würde letztlich zu einer weder vorgesehen noch geregelten unterschiedlichen Behandlung zu seinen Gunsten (und entsprechend zugunsten der Gläubiger, deren Forderungen er anmeldet) ( 68 ) gegenüber den inländischen Gläubigern führen, die diesen Fristen und den Rechtsfolgen einer verspäteten Anmeldung ihrer Forderungen unterliegen ( 69 ).

4.   Zusammenfassung

84.

Zusammenfassend gehe ich davon aus, dass die Anmeldung von Forderungen durch den Verwalter (des Hauptinsolvenzverfahrens) in einem Sekundärinsolvenzverfahren an die Fristen nach dem Recht des Staates gebunden ist, in dem das Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet wird.

85.

Diese Lösung ist zudem unter praktischen Gesichtspunkten zwingend. Wäre der Verwalter an diese im Sekundärinsolvenzverfahren geltenden Fristen nicht gebunden, würden die Verwaltung, der Verlauf und die Abwicklung dieses Verfahrens ernsthaft behindert.

D. Angemeldete (nicht „geprüfte und festgestellte“) Forderungen

86.

Der Vollständigkeit halber werde ich in knapper Form die Auslegung analysieren, die von NK für Art. 32 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1346/2000 vorgeschlagen wird. Er vertritt die Ansicht, bereits im Hauptinsolvenzverfahren angemeldete Forderungen könnten im Sekundärinsolvenzverfahren erst angemeldet werden, wenn sie im Hauptinsolvenzverfahren geprüft und festgestellt worden seien.

87.

Meines Erachtens findet diese These weder im Wortlaut der in Rede stehenden Vorschrift, ihrer Entstehungsgeschichte oder ihrer Zielsetzung eine Stütze, noch ergibt sie sich aus einer systematischen Auslegung. Sie zu akzeptieren, würde auch heißen, die effiziente Abwicklung jedes Insolvenzverfahrens zu gefährden.

88.

Diese These ist daher aus den folgenden Gründen zurückzuweisen:

Dem Wortlaut ist in keiner seiner Sprachfassungen zu entnehmen, dass die Forderungen, abgesehen davon, dass sie in einem Verfahren angemeldet sein müssen, als Voraussetzung für ihre weitere Geltendmachung in anderen Verfahren auch geprüft und festgestellt sein müssen.

Weder das Übereinkommen noch der ihm beigefügte Bericht beschränken die Anmeldung von Forderungen durch den Verwalter auf solche, die in dem Verfahren, für das er bestellt ist, bereits geprüft und festgestellt sind.

Diese Beschränkung ist auch nicht mit dem Zweck von Art. 32 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1346/2000 zu vereinbaren: Sie verursacht Kosten und verzögert die Anmeldung der Forderungen, ohne dass damit Vorteile verbunden wären. Da die Zulassung und Feststellung der Forderungen in jedem Verfahren von der lex concursus abhängt, sagt der Umstand, dass sie in einem Verfahren diese Hürden überwunden haben, nichts über ihr Schicksal in den anderen Verfahren aus ( 70 ).

Man kann auch nicht davon ausgehen, dass die Kennzeichnung als „angemeldet“ im erwähnten Art. 32 Abs. 2 so zu verstehen wäre, dass davon auch „geprüft und festgestellt“ umfasst ist. Die Verordnung Nr. 1346/2000 hat in anderen Vorschriften zwischen diesen Begriffen unterschieden ( 71 ), um die für Insolvenzverfahren typischen unterschiedlichen Abschnitte oder Etappen zu kennzeichnen.

Für diese Auslegung spricht auch der systematische Zusammenhang zwischen Art. 32 und Kapitel IV der Verordnung Nr. 1346/2000, das sich ausschließlich mit den formalen Gesichtspunkten der Anmeldung solcher Forderungen befasst. Aus Gründen der Kohärenz muss die Bedeutung des Begriffs „angemeldet“ an beiden Stellen die gleiche sein.

Das Recht jedes Gläubigers, eine Forderung in mehreren Verfahren geltend zu machen, hängt nicht davon ab, dass sie in einem der Verfahren bereits geprüft und festgestellt worden wäre. Da der Verwalter im Namen und für Rechnung des Gläubigers handelt, hängt folgerichtig seine Pflicht auch nicht davon ab, ob diese Schritte bereits abgeschlossen sind.

E. Zusätzliche Überlegungen (Kürze der im anwendbaren Recht vorgesehenen Fristen)

89.

Ich habe bereits dargelegt, dass es meines Erachtens kein Argument dafür gibt, Art. 32 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1346/2000 dahin auszulegen, dass sich die Pflicht des Verwalters auf die Forderungen beschränkt, die in dem Verfahren, in dem er bestellt worden ist, bereits geprüft und festgestellt worden sind.

90.

Ich finde auch keine überzeugenden Argumente dafür, dass zugunsten des Insolvenzverwalters aus diesem oder einem anderen Grund hinsichtlich der Anmeldefristen eine Regelung gelten soll, die von derjenigen abweicht, die für inländische Gläubiger und für diejenigen gilt, die, nachdem sie ihre Forderungen in einem Verfahren geltend gemacht haben, sie selbst in anderen Verfahren anmelden wollen.

91.

NK trägt vor ( 72 ), die im ZFPPIPP vorgesehenen Fristen seien sehr kurz und insoweit mit dem Zuschnitt der österreichischen Insolvenzverfahren nicht vereinbar. In der Praxis sei es daher unmöglich, die Verpflichtung nach Art. 32 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1346/2000 zu erfüllen.

92.

Da NK meines Erachtens von einem grundlegenden Fehlverständnis (hinsichtlich der Eigenschaften der Forderungen, die in anderen Verfahren geltend gemacht werden können) ausgeht, kann seinem Argument, das mit diesem Fehlverständnis in Zusammenhang steht, nicht gefolgt werden.

93.

Allerdings ist richtig, dass die Fristen, die für die Anmeldung von Forderungen in einem Mitgliedstaat gelten, eine Bestimmung des Unionsrechts nicht ihrer praktischen Wirksamkeit berauben dürfen. Das von NK angesprochene Problem kann sich in dieser Hinsicht tatsächlich stellen.

94.

Die Kürze der Fristen für die Anmeldung von Forderungen in den verschiedenen Staaten ( 73 ) sowie die bestehenden Unterschiede, was ihre Länge und die Folgen der verspäteten Anmeldung betrifft ( 74 ), könnte die praktische Umsetzung von Art. 32 der Verordnung Nr. 1346/2000 erschweren.

95.

Was seinen Abs. 2 angeht, könnte dessen Anwendung zu einer wiederholten Anmeldung ein und derselben Forderung führen: Ein Gläubiger, der nicht darauf vertraut, dass der Verwalter die Anmeldung der Forderungen in einem ausländischen Verfahren für zweckmäßig hält, könnte sich gezwungen sehen, diese selbst anzumelden, um sicherzugehen, dass die Frist eingehalten wird ( 75 ).

96.

Der europäische Gesetzgeber nimmt die Unterschiede zwischen den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten jedoch in Kauf, wenn er die Anwendung der lex concursus für die Anmeldung von Forderungen vorschreibt.

97.

Die Reform, die zur Verordnung 2015/848 geführt hat, hat die Schwierigkeiten der Gläubiger, insbesondere von kleineren Gläubigern sowie kleinen und mittleren Unternehmen, bei der Anmeldung ihrer Forderungen in ausländischen Verfahren aufgegriffen.

98.

Die Verordnung 2015/848 hat diese Schwierigkeiten berücksichtigt, indem sie eine einheitliche Regelung festgelegt hat, die einerseits zwar die Anwendung der lex concursus auf die Fristen ausdrücklich bestätigt, sie aber andererseits modifiziert, indem eine Mindestfrist (sowie der Beginn ihres Laufs) für die Anmeldung von ausländischen Gläubigern zustehenden Forderungen festgelegt wird ( 76 ).

99.

Die Dauer dieses Zeitraums (30 Tage) macht deutlich, dass der europäische Gesetzgeber die Lösung, die die Mehrheit der Mitgliedstaaten bereits als eigenen Lösungsansatz angenommen hatte, übernommen hat ( 77 ).

100.

Da unwahrscheinlich ist, dass die Mitgliedstaaten die Anpassungsprobleme aufgrund der unterschiedlichen Anmeldefristen allein lösen können, verlangt die praktische Umsetzung von Art. 32 der Verordnung Nr. 1346/2000 (wie auch von Art. 45 der Verordnung 2015/848) zur Vermeidung von Mehrfachanmeldungen einer Forderung im selben Insolvenzverfahren die Zusammenarbeit der Verwalter ( 78 ).

V. Ergebnis

101.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, dem Višje sodišče v Ljubljani (Obergericht Ljubljana, Slowenien) wie folgt zu antworten:

Art. 32 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren ist dahin auszulegen, dass die Fristen für die Anmeldung von Forderungen, wenn der Verwalter eines Hauptinsolvenzverfahrens diese Forderungen in einem Sekundärinsolvenzverfahren anmeldet, sowie die Folgen einer verspäteten Anmeldung dem Recht des Staates unterliegen, in dem das Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet worden ist.


( 1 ) Originalsprache: Spanisch.

( 2 ) Verordnung des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (ABl. 2000, L 160, S. 1). Diese Verordnung galt vom 31. Mai 2002 bis zu ihrer Aufhebung durch die Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 über Insolvenzverfahren (ABl. 2015 L 141, S. 19).

( 3 ) Art. 91 der Verordnung 2015/848.

( 4 ) Zu Art. 4 Abs. 2 Buchst. h der Verordnung Nr. 1346/2000, der für den vorliegenden Fall einschlägig ist, vgl. Urteile des Gerichtshofs vom 9. November 2016, ENEFI (C‑212/15, EU:C:2016:841, im Folgenden: Urteil ENEFI), und vom 18. September 2019, Riel (C‑47/18, EU:C:2019:754).

( 5 ) Die Autoren sind sich einig, dass Art. 32 Abs. 2 aufgrund seiner Komplexität de facto nicht angewandt wird, was dazu geführt hat, dass er in der Verordnung 2015/848 nicht reformiert wurde. Koller, C., und Slonina, M., „Information for creditors and lodging of claims“, in Hess, B., und Oberhammer, P., European Insolvency Law (Heidelberg-Luxembourg-Vienna Report), C. H. Beck, Hart, Nomos, 2014, Rn. 945 ff., insbesondere Rn. 951, sowie Maesch, S. C., und Knof, B., „Art. 45“, in Brinkmann, M., European Insolvency Regulation, C. H. Beck, Hart, Nomos, 2019, Rn. 18.

( 6 ) Bundesgesetz über das Insolvenzverfahren.

( 7 ) Gesetz über Finanztransaktionen, Insolvenzverfahren und Zwangsabwicklung (im Folgenden: ZFPPIPP) (Uradni list RS Nr. 126/2007 und nachfolgende Änderungen).

( 8 ) Diese beiden Absätze betreffen Forderungen, die aufgrund von Rechtshandlungen entstehen, die anfechtbar sind oder bereits angefochten wurden.

( 9 ) Dieser Absatz betrifft Absonderungsrechte aus dem Vollstreckungsverfahren, das von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt wird.

( 10 ) Dieser Absatz regelt die außergerichtlich durchsetzbaren Absonderungsrechte.

( 11 ) Im Folgenden: NK.

( 12 ) Nrn. 68 ff. der vorliegenden Schlussanträge.

( 13 ) Die in den verschiedenen Sprachfassungen verwendeten Ausdrücke weisen Nuancen auf, die diesen Begriff mitgestalten. Die Handlung des Verwalters wird mit „presentar su crédito“ (spanische Sprachfassung), „lodge his claim“ (englische Sprachfassung), „insinuare il propio credito“ (italienische Sprachfassung), „reclamar o respectivo crédito“ (portugiesische Sprachfassung) und „seine Forderung anmelden“ (deutsche Sprachfassung) beschrieben. Ab dieser Handlung gelten die Forderungen als angemeldet oder geltend gemacht, wobei diese Begriffe austauschbar sind. Ich werde jedoch in der Regel bei der Formulierung „angemeldete Forderungen“ bleiben.

( 14 ) Ich lasse die Regelungen über Insolvenzverfahren über das Vermögen von Versicherungsunternehmen oder Kreditinstituten, von Wertpapierfirmen, die Dienstleistungen erbringen, welche die Haltung von Geldern oder Wertpapieren Dritter umfassen, sowie von Organismen für gemeinsame Anlagen, die vom Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1346/2000 allesamt ausgenommen sind (Art. 1 Abs. 2, der identisch in die Verordnung 2015/848 übernommen wurde), beiseite.

( 15 ) Ratsdokument CONV/INSOL/X1.

( 16 ) Der Bericht ist unter dem Namen seiner Verfasser, M. Virgós und E. Schmit, bekannt. Er datiert vom 8. Juli 1996 und ist bezogen auf das Ratsdokument Nr. 6500/1/96 REV1 DRS (CFC).

( 17 ) Vgl. u. a. die Bezugnahmen auf den Bericht durch die folgenden Generalanwälte: Jacobs in der Rechtssache Eurofood IFSC (C‑341/04, EU:C:2005:579, Nrn. 2, 95, 103, 131, 141, 143 und 150), Ruiz-Jarabo Colomer in der Rechtssache Seagon (C‑339/07, EU:C:2008:575, Nrn. 30 ff.), Szpunar in der Rechtssache Lutz (C‑557/13, EU:C:2014:2404, Nrn. 48, 58 und 60), Bobek in der Rechtssache ENEFI (C‑212/15, EU:C:2016:427, Nr. 70) und Bot in der Rechtssache Riel (C‑47/18, EU:C:2019:292, Nrn. 52 und 55).

( 18 ) Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 über Insolvenzverfahren, KOM(2012) 744 endgültig.

( 19 ) Andere Neuerungen betreffen nicht die hier in Rede stehende Frage: Sie betreffen die Einbeziehung von „Vorinsolvenz-“ und „hybriden“ Verfahren, die viele Mitgliedstaaten nach der Annahme der Verordnung Nr. 1346/2000 eingeführt hatten, die Registrierung der Verfahren und Vernetzung der Register untereinander sowie die Regelung der grenzüberschreitenden Insolvenz von Unternehmensgruppen.

( 20 ) Es übernimmt Elemente aus dem territorialen Modell (das die Behandlung der Insolvenz in so viele Verfahren aufteilt, wie es Staaten gibt, in denen der Schuldner Vermögen hat, wobei auch das Gesamtvermögen und die Gesamtheit der Verbindlichkeiten nach allen diesen Staaten getrennt werden) sowie aus dem universellen Modell, das in seiner extremsten Form ein einziges Verfahren für das gesamte Vermögen sowie ein einziges anwendbares Recht für das gesamte Vermögen des Insolvenzschuldners unabhängig von dessen Belegenheit vorsieht.

( 21 ) Vgl. elfter Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1346/2000. Die Gründe für den Antrag auf Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens variieren je nachdem, wer der Antragsteller ist; in der vorliegenden Rechtssache war dies der Verwalter des Hauptverfahrens (NK).

( 22 ) Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1346/2000.

( 23 ) Art. 3 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1346/2000.

( 24 ) Die Diskussion, ob dies auch für Gläubiger mit Sitz in Drittstaaten gilt, trägt in dieser Rechtssache nichts zur Lösung bei.

( 25 ) 21. Erwägungsgrund sowie Art. 32 Abs. 1 und Art. 39.

( 26 ) 21. Erwägungsgrund und Art. 20 Abs. 2.

( 27 ) 20. Erwägungsgrund und Art. 31.

( 28 ) 20. Erwägungsgrund und Art. 31, 33, 34 bzw. 37.

( 29 ) Einige dieser Regeln betreffen die Anmeldung von Forderungen durch ausländische Gläubiger und sind insoweit für diesen Fall relevant. Keine von ihnen geht jedoch auf die Frage der Fristen ein.

( 30 ) Art. 4 für das Haupt- und Art. 28 für das Sekundärinsolvenzverfahren. Die von der lex concursus abweichenden Kollisionsnormen finden sich in den Art. 5 bis 15, die trotz ihrer systematischen Stellung auch die lex concursus des Sekundärinsolvenzverfahrens betreffen.

( 31 ) Virgós Soriano, M., und Garcimartín Alférez, F. J., Comentario al Reglamento Europeo de Insolvencia, Thomson-Civitas, 2003, Rn. 118.

( 32 ) Urteil ENEFI (Rn. 21).

( 33 ) Art. 32 Abs. 1 und 2, der unmittelbar geltende Vorschriften für die Anmeldung von Forderungen enthält, ist eine davon.

( 34 ) Art. 4 Abs. 2 Buchst. h. Das Gleiche gilt für Art. 28, der, wie gesagt, das auf Sekundärinsolvenzverfahren anwendbare Recht regelt.

( 35 ) Urteil vom 18. September 2019, Riel (C‑47/18, EU:C:2019:754, Rn. 53): „Im Übrigen werden … die Prüfung und die Feststellung der Forderungen … weiterhin durch das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung geregelt.“ Die Bedingungen sowie die Personen, die widersprechen können, müssen nicht notwendig in allen Rechtsordnungen identisch sein.

( 36 ) Virgós/Schmit-Bericht, Nr. 236. Der Bericht erwähnt auch das Ziel, den Einfluss der Insolvenzverwalter in den anderen gegen denselben Schuldner eröffneten Verfahren zu stärken. Die Belastbarkeit dieser Aussage hängt von der Auslegung von Art. 32 Abs. 3 ab, über die Zweifel bestehen: vgl. Maesch, S. C., und Knof, B., a. a. O., Rn. 21 und 22. Konkret ist einer der streitigen Aspekte, ob das Mitwirkungsrecht des Verwalters nach dieser Vorschrift davon abhängt, dass er die Forderungen der von ihm vertretenen Gläubiger angemeldet hat: Wessels, B., International Insolvency Law (Part II – European Insolvency Law), Wolters Kluwer, 2017, Nrn. 10866 und 10868.

( 37 ) Andere Vorschriften in dieser Richtung, wie etwa diejenigen über den Inhalt der Forderungsanmeldung (Art. 41) oder über die Sprachen, in denen die Unterrichtung erfolgen muss (Art. 42), sind für das vorliegende Vorabentscheidungsverfahren nicht von Bedeutung.

( 38 ) Dies war einer der Aspekte, die im bereits erwähnten Bericht der Kommission über die Anwendung der Verordnung Nr. 1346/2000 als problematisch eingestuft wurden. Vgl. nunmehr Art. 55 Abs. 6 der Verordnung 2015/848.

( 39 ) Zur Anwendung dieser Grundsätze auf die Verordnung Nr. 1346/2000 vgl. Urteil vom 15. Oktober 2015, Nike European Operations Netherlands (C‑310/14, EU:C:2015:690, Rn. 28).

( 40 ) Nrn. 45 ff. der vorliegenden Schlussanträge.

( 41 ) Zu dieser Regelung in der Verordnung 2015/848 siehe Piekenbrok, A., „Art. 7“, in: Brinkmann, M., a. a. O., Rn. 69. Art. 55 Abs. 6 dieser Verordnung sieht ausdrücklich die Anwendung der lex concursus des Mitgliedstaats der Verfahrenseröffnung auf die Frist zur Anmeldung von Forderungen durch die Gläubiger vor.

( 42 ) Urteil ENEFI (Rn. 18): „… die Folgen einer Missachtung der Regelungen der lex fori concursus über die Anmeldung von Forderungen, insbesondere die Folgen einer Versäumung der Anmeldefrist, [sind] ebenfalls anhand der lex fori concursus zu beurteilen.“

( 43 ) Es versteht sich von selbst, dass die Forderungsanmeldung keinen Selbstzweck darstellt, sondern einen Schritt, der es den Gläubigern ermöglicht, ihre Rechte (als Gläubiger des Insolvenzschuldners) wahrzunehmen und an der Verteilung des verwerteten Gesamtvermögens beteiligt zu werden.

( 44 ) Virgós/Schmit-Bericht, Nr. 235. Art. 39 des Übereinkommens (den die Verordnung Nr. 1346/2000 übernimmt) bestätigt dieses Recht in Bezug auf die Gläubiger, die ihren Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem der Verfahrenseröffnung haben.

( 45 ) Insbesondere für „kleinere Gläubiger“, die so ihre Forderungen ohne übermäßige Kosten in mehr als einem Verfahren anmelden können. Virgós/Schmit-Bericht, Nr. 36, 2.

( 46 ) Der Gedanke einer „Dienstleistung“ erscheint bei Kemper, J., „Art. 32“, in: Kübler, B. M., Prütting, H., und Bork, R., Kommentar zur Insolvenzordnung, C. H. Beck, 2015, Rn. 4, und im Zusammenhang mit dem jetzigen Art. 45 in: Mankowski, P., Müller, M., und Schmidt, J., Europäische Insolvenzverordnung 2015, C. H. Beck, 2016, Rn. 51.

( 47 ) Virgós/Schmit-Bericht, Nr. 236.

( 48 ) Virgós/Schmit-Bericht, Nr. 238. Im Idealfall meldet nur der Gläubiger oder der Verwalter die Forderung im Parallelverfahren an. Allerdings besteht eine der Schwierigkeiten, die mit der Vorschrift verbunden sind, darin, dass sie es ermöglicht, dass ein und dieselbe Forderung im selben Verfahren zweimal angemeldet wird: durch den Verwalter und durch den Gläubiger. Vgl. Nr. 95 der vorliegenden Schlussanträge.

( 49 ) Art. 32 Abs. 2 a. E. der Verordnung Nr. 1346/2000. Virgos/Schmit-Bericht, Nr. 237. Die Unabhängigkeit des Rechts des Gläubigers und seiner Entscheidung, dieses auszuüben, bilden den Ausgangspunkt von Art. 32 Abs. 1.

( 50 ) Virgós/Schmit-Bericht, Nr. 238.

( 51 ) Art. 4 Abs. 2 Buchst. h des Übereinkommens und Virgós/Schmit-Bericht, Nrn. 238 und 267.

( 52 ) Diese nachgeordnete Stellung des Verwalters ist spezifisch und hängt unmittelbar mit dem grenzüberschreitenden Charakter der Insolvenz zusammen. Außerdem vertritt der Verwalter nach der Verordnung Nr. 1346/2000 nicht nur die Interessen des Schuldners oder der Gläubiger; seine Aufgabe ist es, unter Aufsicht einer Behörde (die ein Gericht sein kann) für beide Parteien die beste Lösung zu finden.

( 53 ) Siehe demgegenüber Art. 55 der Verordnung 2015/848.

( 54 ) Im Schrifttum ist es üblich, von einer dem Verwalter verliehenen Befugnis oder Handlungsmöglichkeit zu sprechen: so beispielsweise Geroldinger, A., Verfahrenskoordination im Europäischen Insolvenzrecht, Manzsche Verlags- und Universitätsbuchhandlung, 2010, S. 317; im Zusammenhang mit der Verordnung 2015/848, Maesch, S. C., und Knof, B., a. a. O., Rn. 12. Im Virgós/Schmit-Bericht, Nr. 236, wird der Begriff „Recht“ verwendet. Die Verordnung Nr. 1346/2000 begründet in Wirklichkeit eine Pflicht des Verwalters, in anderen Insolvenzverfahren die bereits in seinem eigenen Verfahren angemeldeten Forderungen anzumelden. Es ist zwar möglich, dass die nationalen Gesetze eine besondere Bevollmächtigung des Verwalters fordern. Die Verordnung Nr. 1346/2000 verleiht sie jedoch in Art. 32 Abs. 2 implizit und verdrängt damit die lex concursus in dieser Hinsicht.

( 55 ) Aus dem verpflichtenden Charakter ergibt sich für einige Autoren, dass der Insolvenzverwalter im Fall der Nichterfüllung einer Haftung unterliegt: Raimon, M., Le règlement communautaire 1346/2000 du 29 mai 2000 relatif aux procédures d’insolvabilité, LGDJ, 2007, Abschnitt 716.

( 56 ) Im Virgós/Schmit-Bericht, Nr. 239, wird als Beispiel für die Zweckmäßigkeit der Fall geschildert, dass der Verwalter feststellt, dass die in anderen Verfahren zur Verteilung anstehende Masse so groß ist, dass auch die nicht bevorrechtigten Gläubiger seines Verfahrens eine Chance haben, neben den nicht bevorrechtigten Gläubigern, die ihre Forderungen in dem anderen Verfahren angemeldet haben, eine Quote zu bekommen.

( 57 ) Die Anmeldung muss so erfolgen, dass jede Forderung und ihr Inhaber durch den Verwalter des Verfahrens, in dem die Forderung angemeldet wird, individualisiert werden können.

( 58 ) Es kann sich um alle Forderungen oder um diejenigen einer bestimmten Kategorie von Gläubigern handeln: Virgós/Schmit-Bericht, Nr. 239.

( 59 ) Virgós/Schmit-Bericht, Nr. 239. Zu dem auf die Rangfeststellung von Forderungen anwendbaren Recht vgl. Art. 4 Abs. 2 Buchst. i der Verordnung Nr. 1346/2000.

( 60 ) Umgekehrt behält der Gläubiger, wenn der Insolvenzverwalter eine Forderung nicht anmeldet, die Möglichkeit, dies zu tun.

( 61 ) Der Zweck der Beurteilung ist bei beiden gleich; die Intensität der Prüfung ändert sich.

( 62 ) Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Anmeldung im Verfahren erfolgt, das im Staat des Mittelpunkts der Interessen des Schuldners eröffnet worden ist, in dem das Gesamtvermögen des Schuldners universell ist. Die spätere Eröffnung eines Verfahrens in einem anderen Staat (d. h. eines Sekundärinsolvenzverfahrens) hat zur Folge, dass das Vermögen des Schuldners im Hoheitsgebiet dieses Staates der Masse des Hauptinsolvenzverfahrens entzogen wird. Es ist davon auszugehen, dass jeder Gläubiger, der seine Forderung im Hauptinsolvenzverfahren angemeldet hat, grundsätzlich (d. h., wenn er nicht das Gegenteil erklärt) ein Interesse daran hat, dass diese Forderung auch in dem oder den Sekundärinsolvenzverfahren berücksichtigt wird.

( 63 ) In der Praxis am wahrscheinlichsten ist, dass der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens sie in den Sekundärinsolvenzverfahren anmeldet: Virgós Soriano, M., und Garcimartín Alférez, F. J., a. a. O., Rn. 425.

( 64 ) Nr. 42 der vorliegenden Schlussanträge.

( 65 ) Nr. 61 der vorliegenden Schlussanträge.

( 66 ) Vgl. demgegenüber aber Art. 55 Abs. 6 der Verordnung 2015/848. Anders verhält es sich, wenn die lex concursus selbst besondere Regeln für den im ausländischen Verfahren bestellten Verwalter oder für ausländische Gläubiger aus gerade diesem Grund vorsieht. Meines Erachtens steht die Verordnung Nr. 1346/2000 einer solchen unterschiedlichen Behandlung, die in Wirklichkeit die materiell-rechtliche Gleichheit aller Gläubiger wiederherstellen soll, nicht entgegen.

( 67 ) Dabei würde sich das zusätzliche Problem stellen, dass die Lösung einheitlich sein müsste.

( 68 ) Die Anmeldung durch jeden einzelnen Gläubiger würde dagegen weiter der lex concursus des Mitgliedstaats unterliegen, in dem das Verfahren, in dem die Forderungen angemeldet werden, stattfindet.

( 69 ) Da die Anmeldung der Forderungen an die Teilnahme an der Verteilung des Erlöses geknüpft ist, ist es letztlich die Pari-passu-Regel, die hiervon betroffen wäre.

( 70 ) Nr. 49 der vorliegenden Schlussanträge a. E.

( 71 ) Vgl. Art. 4 Abs. 2 Buchst. h oder Art. 31.

( 72 ) Nr. 19 seiner schriftlichen Erklärungen.

( 73 ) Die Mehrheit der Staaten hat sie abstrakt formuliert. Sie schwanken zwischen 30 Tagen und drei Monaten. In anderen Staaten wird die Dauer durch das Gericht konkret bestimmt, wobei in der Regel eine Mindestfrist einzuhalten ist. Die Abweichungen sind größer, was die verspätete Anmeldung betrifft. Vgl. McCormack, G., Keay, A., und Brown, S., European Insolvency Law. Reform and Harmonization, Edward Elgar 2017, S. 193 bis 196 (Tabelle 5.2).

( 74 ) Ebd.

( 75 ) Reinhart, S., „Art. 32“, in: Stürner, R., Eidenmüller, H., und Schoppmeyer, H., Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, C. H. Beck, 2016, Rn. 17.

( 76 ) Art. 55 Abs. 6. Die Verordnung 2015/848 verstärkt auch die Mechanismen, durch die der ausländische Gläubiger von der Eröffnung des Verfahrens in einem anderen Land Kenntnis erlangt, durch Vorschriften über die Registerpublizität der Verfahren, die Vernetzung der Register untereinander sowie den Zugang zu diesen. Zudem sind Verbesserungen im Kapitel über die Anmeldung von Forderungen eingeführt worden.

( 77 ) Gegenüber den 45 Tagen, die die Kommission in ihrem Vorschlag vertrat (siehe oben, Fn. 18 der vorliegenden Schlussanträge) und die das Europäische Parlament annahm (Standpunkt des Europäischen Parlaments, festgelegt in erster Lesung am 5. Februar 2014 im Hinblick auf den Erlass der Verordnung [EU] Nr. …/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung [EG] Nr. 1346/2000 über Insolvenzverfahren, P7_TC1-COD[2012]0360 [ABl. 2017, C 93, S. 366], Art. 41 Abs. 4).

( 78 ) Wessels, B., a. a. O., Nr. 10867. Detaillierter als die Verordnung Nr. 1346/2000 legt Art. 41 der Verordnung 2015/848 die Pflicht der Verwalter fest, in jeglicher Weise zusammenzuarbeiten, einschließlich durch den Abschluss von Verständigungen.