16.1.2023   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 15/4


Urteil des Gerichtshofs (Fünfte Kammer) vom 17. November 2022 (Vorabentscheidungsersuchen des Sø- og Handelsretten — Dänemark) — Merck Sharp & Dohme BV, Merck Sharp & Dohme Corp. und MSD Danmark ApS gegen Abacus Medicine A/S, Novartis AG gegen Abacus Medicine A/S, Novartis AG gegen Abacus Medicine A/S, Novartis AG gegen Paranova Danmark A/S, H. Lundbeck A/S gegen Paranova Danmark A/S, MSD Danmark ApS, MSD Sharp & Dohme GmbH und Merck Sharp & Dohme Corp. gegen 2CARE4 ApS sowie Ferring Lægemidler A/S gegen Paranova Danmark A/S

(Rechtssache C-224/20) (1)

(Vorlage zur Vorabentscheidung - Art. 34 und 36 AEUV - Freier Warenverkehr - Geistiges Eigentum - Marken - Verordnung [EU] 2017/1001 - Unionsmarke - Art. 9 Abs. 2 - Art. 15 - Richtlinie [EU] 2015/2436 - Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken - Art. 10 Abs. 2 - Art. 15 - Recht aus der Marke - Erschöpfung des Rechts aus der Marke - Parallelimport von Arzneimitteln - Umpacken der mit der Marke versehenen Ware - Neue äußere Umhüllung - Ersetzung der Marke auf der äußeren Originalumhüllung durch einen anderen Produktnamen - Wiederanbringen der produktspezifischen Marke des Inhabers auf der äußeren Originalumhüllung unter Ausschluss anderer Marken oder Unterscheidungszeichen auf dieser äußeren Originalumhüllung - Widerspruch des Markeninhabers - Künstliche Abschottung der Märkte zwischen Mitgliedstaaten - Humanarzneimittel - Richtlinie 2001/83/EG - Art. 47a - Sicherheitsmerkmale - Ersetzung - Gleichwertige Sicherheitsmerkmale - Delegierte Verordnung [EU] 2016/161 - Art. 3 Abs. 2 - Vorrichtung gegen Manipulation)

(2023/C 15/04)

Verfahrenssprache: Dänisch

Vorlegendes Gericht

Sø- og Handelsretten

Parteien des Ausgangsverfahrens

Klägerinnen: Merck Sharp & Dohme BV, Merck Sharp & Dohme Corp., MSD Danmark ApS, Novartis AG, H. Lundbeck A/S, Ferring Lægemidler A/S

Beklagte: Abacus Medicine A/S, Paranova Danmark A/S und 2CARE4 ApS

Tenor

1.

Art. 9 Abs. 2 und Art. 15 der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke und Art. 10 Abs. 2 und Art. 15 der Richtlinie (EU) 2015/2436 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken in Verbindung mit den Art. 34 und 36 AEUV

sind dahin auszulegen, dass

der Inhaber einer Marke berechtigt ist, sich dem Vertrieb eines Arzneimittels, das in eine neue äußere Umhüllung umgepackt wird, auf der diese Marke angebracht wird, durch einen Parallelimporteur zu widersetzen, wenn die Ersetzung der Vorrichtung gegen Manipulation der äußeren Originalumhüllung dieses Arzneimittels gemäß Art. 47a Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in der durch die Richtlinie 2012/26/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 geänderten Fassung sicht- oder tastbare Öffnungsspuren auf dieser Umhüllung hinterlassen würde, sofern

kein Zweifel besteht, dass diese Öffnungsspuren auf das Umpacken des Arzneimittels durch den Parallelimporteur zurückzuführen sind, und

diese Spuren auf dem Markt des Einfuhrmitgliedstaats oder auf einem beträchtlichen Teil dieses Marktes keinen derart starken Widerstand eines nicht unerheblichen Teils der Verbraucher gegen die so umgepackten Arzneimittel hervorrufen, dass er ein Hindernis für den tatsächlichen Zugang zu diesem Markt darstellen würde.

2.

Die Richtlinie 2001/83 in der durch die Richtlinie 2012/26 geänderten Fassung und die Delegierte Verordnung (EU) 2016/161 der Kommission vom 2. Oktober 2015 zur Ergänzung der Richtlinie 2001/83

sind dahin auszulegen, dass

sie es einem Mitgliedstaat verwehren, vorzuschreiben, dass parallelimportierte Arzneimittel grundsätzlich in eine neue Umhüllung umgepackt werden müssen und dass auf eine Neuetikettierung und das Anbringen neuer Sicherheitsmerkmale auf der äußeren Originalumhüllung dieser Arzneimittel nur nach Antragstellung und in außergewöhnlichen Fällen, wie z. B. der Gefährdung der Versorgung mit dem betreffenden Arzneimittel, zurückgegriffen werden kann.

3.

Art. 9 Abs. 2 und Art. 15 der Verordnung 2017/1001 sowie Art. 10 Abs. 2 und Art. 15 der Richtlinie 2015/2436 in Verbindung mit den Art. 34 und 36 AEUV

sind dahin auszulegen, dass

eine Regelung eines Mitgliedstaats, die vorschreibt, dass parallelimportierte Arzneimittel grundsätzlich in eine neue Umhüllung umgepackt werden müssen und dass auf eine Neuetikettierung und das Anbringen neuer Sicherheitsmerkmale auf der äußeren Originalumhüllung dieser Arzneimittel nur nach Antragstellung und in außergewöhnlichen Fällen zurückgegriffen werden kann, den Inhaber einer Marke nicht daran hindert, sein Recht auszuüben, sich dem Vertrieb eines Arzneimittels, das in eine neue äußere Umhüllung umgepackt wird, auf der diese Marke angebracht wird, durch einen Parallelimporteur zu widersetzen.

4.

Art. 9 Abs. 2 und Art. 15 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 sowie Art. 10 Abs. 2 und Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie 2015/2436 in Verbindung mit den Art. 34 und 36 AEUV

sind dahin auszulegen, dass

die erste der fünf in Rn. 79 des Urteils vom 11. Juli 1996, Bristol-Myers Squibb u. a. (C-427/93, C-429/93 und C-436/93, EU:C:1996:282), genannten Voraussetzungen — wonach der Inhaber einer Marke sich rechtmäßig dem weiteren Vertrieb eines mit dieser Marke versehenen und aus einem anderen Mitgliedstaat eingeführten Arzneimittels in einem Mitgliedstaat widersetzen kann, wenn der Importeur dieses Arzneimittels dieses umgepackt und diese Marke erneut darauf angebracht hat und dieses Umpacken des Arzneimittels in eine neue äußere Umhüllung für seinen Vertrieb im Einfuhrmitgliedstaat objektiv nicht erforderlich ist — erfüllt sein muss, wenn die Marke, die auf der äußeren Originalumhüllung des betreffenden Arzneimittels angebracht war, durch einen anderen Produktnamen auf der neuen äußeren Umhüllung dieses Arzneimittels ersetzt worden ist, sofern die Primärverpackung des Arzneimittels mit dieser Marke versehen ist und/oder diese neue äußere Umhüllung auf sie Bezug nimmt.

5.

Art. 9 Abs. 2 und Art. 15 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 sowie Art. 10 Abs. 2 und Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie 2015/2436

sind dahin auszulegen, dass

sich der Inhaber einer Marke dem Vertrieb eines aus einem anderen Mitgliedstaat eingeführten Arzneimittels in einem Mitgliedstaat durch einen Parallelimporteur, das dieser in eine neue äußere Umhüllung umgepackt hat, auf die er die produktspezifische Marke des Markeninhabers wieder angebracht hat, nicht aber die übrigen Marken und/oder Unterscheidungszeichen, die auf der äußeren Originalumhüllung dieses Arzneimittels angebracht waren, widersetzen kann, wenn die Aufmachung dieser neuen äußeren Verpackung tatsächlich geeignet ist, den Ruf der Marke zu schädigen, oder wenn diese Aufmachung es dem normal informierten und angemessen aufmerksamen Verbraucher nicht oder nur schwer ermöglicht zu erkennen, ob dieses Arzneimittel vom Inhaber der Marke oder einem mit ihm wirtschaftlich verbundenen Unternehmen oder im Gegenteil von einem Dritten stammt, und damit die herkunftshinweisende Funktion der Marke beeinträchtigt wird.


(1)  ABl. C 279 vom 24.8.2020.