BESCHLUSS DES GERICHTS (Zweite Kammer)

5. März 2021 ( *1 )

„Nichtigkeitsklage – Energie – Transeuropäische Energieinfrastruktur – Verordnung (EU) Nr. 347/2013 – Übertragung von Befugnissen auf die Kommission – Art. 290 AEUV – Delegierter Rechtsakt zur Änderung der Unionsliste der Vorhaben von gemeinsamem Interesse – Natur des Rechtsakts während der Frist, innerhalb der das Parlament und der Rat Einwände vorbringen können – Nicht anfechtbarer Rechtsakt – Offensichtliche Unzulässigkeit“

In der Rechtssache T‑885/19,

Aquind Ltd mit Sitz in Wallsend (Vereinigtes Königreich),

Aquind Energy Sàrl mit Sitz in Luxemburg (Luxemburg),

Aquind SAS mit Sitz in Rouen (Frankreich),

Prozessbevollmächtigte: S. Goldberg, C. Davis, J. Bille, Solicitors, und Rechtsanwalt E. White,

Klägerinnen,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch O. Beynet, Y. Marinova und B. De Meester als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch J. Möller, D. Klebs, S. Heimerl und S. Costanzo als Bevollmächtigte,

durch

Königreich Spanien, vertreten durch M. J. Ruiz Sánchez als Bevollmächtigte,

und durch

Französische Republik, vertreten durch A.‑L. Desjonquères, C. Mosser und A. Daniel als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung der Delegierten Verordnung (EU) 2020/389 der Kommission vom 31. Oktober 2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 347/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die Unionsliste der Vorhaben von gemeinsamem Interesse (ABl. 2020, L 74, S. 1),

erlässt

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin V. Tomljenović sowie der Richterin P. Škvařilová-Pelzl und des Richters I. Nõmm (Berichterstatter),

Kanzler: E. Coulon,

folgenden

Beschluss

Sachverhalt und Ausgangsverfahren

1

Die Klägerinnen, die Aquind Ltd, die Aquind Energy Sàrl und die Aquind SAS, sind Trägerinnen eines Vorhabens, das in einer Elektrizitätsverbindungsleitung zwischen den Elektrizitätsübertragungsnetzen des Vereinigten Königsreichs und Frankreichs besteht (im Folgenden: Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“).

2

Das Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“ wurde durch die Delegierte Verordnung (EU) 2018/540 der Kommission vom 23. November 2017 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 347/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die Unionsliste der Vorhaben von gemeinsamem Interesse (ABl. 2018, L 90, S. 38) in die Unionsliste der Vorhaben von gemeinsamem Interesse aufgenommen und damit als grundlegendes Vorhaben im Rahmen der für die Vollendung des Energiebinnenmarkts erforderlichen Infrastrukturen eingestuft.

3

Da diese Unionsliste der Vorhaben von gemeinsamem Interesse alle zwei Jahre erstellt werden muss, wurde die auf der Grundlage der Delegierten Verordnung 2018/540 festgelegte Liste durch die auf der Grundlage der Delegierten Verordnung (EU) 2020/389 der Kommission vom 31. Oktober 2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 347/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die Unionsliste der Vorhaben von gemeinsamem Interesse (ABl. 2020, L 74, S. 1, im Folgenden: angefochtene Verordnung) erstellte Liste ersetzt. Die im Anhang der angefochtenen Verordnung enthaltene neue Liste führte das Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“ in der Liste von Vorhaben auf, die nicht mehr als Vorhaben von gemeinsamem Interesse der Union betrachtet werden.

Verfahren und Anträge der Parteien

4

Mit der am 25. Dezember 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift haben die Klägerinnen beantragt, die angefochtene Verordnung für nichtig zu erklären.

5

Am 26. März 2020 hat die Europäische Kommission die Klagebeantwortung bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht.

6

Mit Schreiben, die am 1., 8. bzw. 17. April 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben die Bundesrepublik Deutschland, das Königreich Spanien und die Französische Republik beantragt, als Streithelfer zur Unterstützung der Kommission zugelassen zu werden.

7

Am 12. Juni 2020 haben die Klägerinnen die Erwiderung bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht.

8

Mit Beschlüssen vom 3. August 2020 hat der Präsident der Zweiten Kammer des Gerichts die Bundesrepublik Deutschland, das Königreich Spanien und die Französische Republik als Streithelfer zugelassen.

9

Am 31. August 2020 hat die Kommission die Gegenerwiderung bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht.

10

Am 11., 16. bzw. 17. September 2020 haben die Bundesrepublik Deutschland, das Königreich Spanien und die Französische Republik ihre Streithilfeschriftsätze bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht.

11

Die Klägerinnen beantragen,

die angefochtene Verordnung für nichtig zu erklären, soweit damit das Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“ von der Unionsliste der Vorhaben von gemeinsamem Interesse entfernt wurde;

hilfsweise, die angefochtene Verordnung in vollem Umfang für nichtig zu erklären;

der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

12

Die Kommission und das Königreich Spanien beantragen,

die Klage abzuweisen;

den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

13

Die Bundesrepublik Deutschland und die Französische Republik beantragen, die Klage abzuweisen.

Rechtliche Würdigung

14

Nach Art. 126 seiner Verfahrensordnung kann das Gericht, wenn eine Klage offensichtlich unzulässig ist, auf Vorschlag des Berichterstatters jederzeit die Entscheidung treffen, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden, ohne das Verfahren fortzusetzen.

15

Im vorliegenden Fall hat das Gericht, das sich aufgrund der Aktenlage für hinreichend informiert hält, beschlossen, ohne Fortsetzung des Verfahrens zu entscheiden.

16

Vorab ist daran zu erinnern, dass die Kommission, insoweit unterstützt durch die Französische Republik, ohne förmlich eine Einrede der Unzulässigkeit zu erheben, in ihrer Klagebeantwortung Vorbehalte hinsichtlich der Zulässigkeit der gegen die angefochtene Verordnung gerichteten Klage zum Ausdruck gebracht hat. Sie hat nämlich darauf hingewiesen, dass die Klägerinnen verfrüht Klage erhoben hätten, weil die angefochtene Verordnung zu dem Zeitpunkt, als sie ihre Klageschrift eingereicht hätten, noch nicht in Kraft getreten gewesen sei, diese Verordnung einem Verfahren der Erhebung von Einwänden gemäß der Verordnung (EU) Nr. 347/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2013 zu Leitlinien für die transeuropäische Energieinfrastruktur und zur Aufhebung der Entscheidung Nr. 1364/2006/EG und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 713/2009, (EG) Nr. 714/2009 und (EG) Nr. 715/2009 (ABl. 2013, L 115, S. 39) unterliege und sie daher kein endgültiger Rechtsakt sei, der mit einer Klage angefochten werden könne.

17

Die Klägerinnen führen in ihrer Erwiderung aus, dass ihre Klage zulässig sei, und weisen das Vorbringen der Kommission zu dieser Frage zurück. Zunächst betonen sie, dass die Kommission die angefochtene Verordnung am 31. Oktober 2019 erlassen habe und dass diese Verordnung, auch wenn sie erst am 11. März 2020 im Amtsblatt veröffentlicht worden sei, bereits auf der Website der Kommission aufgeführt gewesen sei. Sodann bringen sie vor, dass in der Rechtsprechung bei der Bestimmung, ob Maßnahmen eine vorbereitende Handlung oder einen endgültigen Standpunkt des jeweiligen Organs darstellten, nicht der Zeitpunkt des Inkrafttretens eines Rechtsakts als der hierfür maßgebliche Zeitpunkt betrachtet werde. Zudem stelle die angefochtene Verordnung insoweit den endgültigen Standpunkt der Kommission dar, und es sei keine andere mit einer Nichtigkeitsklage anfechtbare Handlung erlassen worden. Des Weiteren hätten weder das Europäische Parlament noch der Rat der Europäischen Union im Verfahren der Erhebung von Einwänden die Möglichkeit gehabt, einen geänderten Rechtsakt zu erlassen, sondern sie hätten lediglich verhindern können, dass die angefochtene Verordnung in Kraft trete. Wenn der Rat oder das Parlament dem Inkrafttreten des angefochtenen Rechtsakts widersprochen hätten, hätte die Kommission darauf hin ihren Rechtsakt aufheben und einen neuen erlassen können. Schließlich werde der endgültige Charakter der angefochtenen Verordnung auch dadurch belegt, dass von der Kommission nach Ablauf der Frist für die Geltendmachung von Einwänden kein anderer Rechtsakt erlassen worden sei und somit der 31. Oktober 2019 der maßgebliche Zeitpunkt der angefochtenen Verordnung bleibe.

18

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs sind alle Maßnahmen, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, welche die Interessen des Klägers durch einen Eingriff in seine Rechtsstellung beeinträchtigen, Handlungen oder Entscheidungen, gegen die die Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV gegeben ist (Urteile vom 11. November 1981, IBM/Kommission, 60/81, EU:C:1981:264, Rn. 9, und vom 16. Juli 1998, Regione Toscana/Kommission, T‑81/97, EU:T:1998:180, Rn. 21).

19

Im Fall von Handlungen oder Entscheidungen, die in einem mehrphasigen Verfahren, insbesondere zum Abschluss eines internen Verfahrens ergehen, liegt eine anfechtbare Handlung grundsätzlich nur bei Maßnahmen vor, die den Standpunkt des Organs zum Abschluss dieses Verfahrens endgültig festlegen, nicht aber bei Zwischenmaßnahmen, die die abschließende Entscheidung vorbereiten sollen (Urteile vom 11. November 1981, IBM/Kommission, 60/81, EU:C:1981:264, Rn. 10, und vom 10. Juli 1990, Automec/Kommission, T‑64/89, EU:T:1990:42, Rn. 42).

20

Ferner ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen einer Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV für die Beurteilung der Zulässigkeit der Klage auf den Zeitpunkt des Eingangs der Klageschrift abzustellen ist (Urteile vom 24. Oktober 2013, Deutsche Post/Kommission, C‑77/12 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:695, Rn. 65, vom 9. September 2014, Hansestadt Lübeck/Kommission, T‑461/12, EU:T:2014:758, Rn. 22 [nicht veröffentlicht], und vom 25. Oktober 2018, KF/CSUE, T‑286/15, EU:T:2018:718, Rn. 164).

21

Darüber hinaus hindern die Bestimmungen von Art. 263 Abs. 6 AEUV, die die Formalitäten – Mitteilung und Bekanntgabe – präzisieren, von denen an die Frist für Nichtigkeitsklagen läuft, einen Kläger nicht daran, beim Unionsrichter Klage zu erheben, sobald die streitige Handlung ergangen ist, ohne deren Mitteilung oder Bekanntgabe abzuwarten. Denn es heißt in diesem Artikel nicht, dass die Erhebung einer solchen Klage von der Bekanntgabe oder der Mitteilung dieser Handlung abhängt. Um den betroffenen Personen ausreichend Zeit zu gewähren, damit sie einen bekannt gegebenen Unionsrechtsakt in Kenntnis aller Umstände anfechten können, beginnt folglich die Frist für die Erhebung einer Klage gegen diesen Akt gemäß dem oben genannten Art. 263 Abs. 6 AEUV erst ab dessen Bekanntgabe zu laufen. Im Übrigen beeinträchtigt die Erhebung einer Klage gegen einen Unionsrechtsakt vor seiner Bekanntgabe und ab Erlass dieses Rechtsakts in keiner Weise den Zweck einer Klagefrist, der nach ständiger Rechtsprechung in der Wahrung der Rechtssicherheit besteht, indem sie verhindert, dass Handlungen der Union, die Rechtswirkungen erzeugen, unbegrenzt in Frage gestellt werden können. Folglich löst die Bekanntgabe einer Handlung zwar die Klagefristen aus, nach deren Ablauf diese Handlung unanfechtbar wird, doch stellt sie keine Bedingung für die Eröffnung des Klagerechts gegen diese Handlung dar (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. September 2013, PPG und SNF/ECHA, C‑626/11 P, EU:C:2013:595, Rn. 35 bis 39). Jedoch darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Möglichkeit, eine Klage vor der Bekanntgabe der streitigen Handlung zu erheben, nur in Betracht kommen kann, wenn, wie oben in Rn. 18 ausgeführt wurde, die fragliche Handlung verbindliche Rechtswirkungen erzeugt, welche die Interessen des Klägers beeinträchtigen.

22

Im Licht dieser Rechtsprechung ist somit zu prüfen, ob die angefochtene Verordnung eine anfechtbare Handlung darstellt und ob die Klage somit zulässig ist.

23

Erstens ist darauf hinzuweisen, dass die angefochtene Verordnung von der Kommission unter Anwendung einer Befugnisübertragung erlassen wurde, die ihr der Gesetzgeber gemäß Art. 290 AEUV gewährt hat. Art. 290 Abs. 1 AEUV sieht nämlich vor, dass in Gesetzgebungsakten der Kommission die Befugnis übertragen werden kann, Rechtsakte ohne Gesetzescharakter mit allgemeiner Geltung zur Ergänzung oder Änderung bestimmter nicht wesentlicher Vorschriften der betreffenden Gesetzgebungsakte zu erlassen. In dieser Vorschrift ist des Weiteren vorgesehen, dass in den betreffenden Gesetzgebungsakten Ziele, Inhalt, Geltungsbereich und Dauer der Befugnisübertragung ausdrücklich festgelegt werden. Art. 290 Abs. 2 AEUV stellt klar, dass in den Gesetzgebungsakten die Bedingungen, unter denen die Übertragung erfolgt, ausdrücklich festgelegt werden. Dabei bestehen diese Bedingungen zum einen darin, dass das Parlament oder der Rat beschließen können, die Übertragung zu widerrufen, und zum anderen darin, dass der delegierte Rechtsakt nur in Kraft treten kann, wenn das Parlament oder der Rat innerhalb der im Gesetzgebungsakt festgelegten Frist keine Einwände erheben.

24

Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber durch die Verordnung Nr. 347/2013 der Kommission die Befugnis übertragen hat, die Unionsliste der Vorhaben von gemeinsamem Interesse im Bereich der strategischen transeuropäischen Energieinfrastruktur anzunehmen und zu überarbeiten.

25

Gemäß Art. 3 Abs. 3 und Abs. 4 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 347/2013 wird diese Liste von der Kommission auf der Grundlage regionaler Listen erstellt, die von Entscheidungsgremien der regionalen Gruppen, die sich aus den Mitgliedstaaten und der Kommission zusammensetzen, anhand des Beitrags eines jeden Vorhabens zur Realisierung der vorrangigen Energieinfrastrukturkorridore und ‑gebiete und anhand deren Einhaltung der auf die Vorhaben von gemeinsamem Interesse anwendbaren Kriterien festgelegt werden.

26

Nach Art. 16 Abs. 4 der Verordnung Nr. 347/2013 übermittelt die Kommission, sobald sie einen delegierten Rechtsakt erlässt, diesen Rechtsakt gleichzeitig dem Parlament und dem Rat. Gemäß Art. 16 Abs. 5 dieser Verordnung tritt ein delegierter Rechtsakt nur in Kraft, wenn weder das Parlament noch der Rat innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Übermittlung dieses Rechtsakts an das Parlament und den Rat Einwände erhoben haben oder wenn vor Ablauf dieser Frist das Parlament und der Rat beide der Kommission mitgeteilt haben, dass sie keine Einwände erheben werden. Diese Frist wird auf Initiative des Parlaments oder des Rates um zwei Monate verlängert.

27

Drittens ist festzustellen, dass im vorliegenden Fall die Phase, innerhalb der das Parlament und der Rat etwaige Einwände gegen die angefochtene Verordnung erheben konnten, ursprünglich am 31. Dezember 2019 ablief. Dieser Zeitraum wurde um zwei Monate, d. h. bis zum 29. Februar 2020, verlängert. Während dieser vier Monate wurden weder seitens des Parlaments noch des Rates Einwände erhoben. Die angefochtene Verordnung wurde daher am 11. März 2020 im Amtsblatt veröffentlicht und trat am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung in Kraft.

28

Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass zum Zeitpunkt der Erhebung der Nichtigkeitsklage, nämlich am 25. Dezember 2019, die Phase der Erhebung von Einwänden, innerhalb der das Parlament oder der Rat dem Inkrafttreten der angefochtenen Verordnung widersprechen konnten, nicht beendet war.

29

Es ist darauf hinzuweisen, dass der von Art. 290 AEUV eingeführte Mechanismus der Befugnisübertragung in seiner Gesamtheit beurteilt werden muss. Nach Art. 290 Abs. 2 AEUV kann die Übertragung der Befugnis zum Erlass von Rechtsakten ohne Gesetzescharakter mit allgemeiner Geltung von einer Bedingung abhängig gemacht werden, nämlich, dass eine Prüfung in Form einer „Phase der Erhebung von Einwänden“ innerhalb der vom Gesetzgebungsakt festgelegten Frist erfolgt. Die Durchführung dieser Prüfung ist daher mit einer ordnungsgemäßen Umsetzung der Befugnisübertragung untrennbar verbunden.

30

In der Verordnung Nr. 347/2013 hat der Gesetzgeber von der in Art. 290 Abs. 2 AEUV vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Befugnisübertragung auf die Kommission der Bedingung zu unterwerfen, dass eine Phase der Erhebung von Einwänden durchgeführt wird. Wenn die Kommission von der Befugnis Gebrauch macht, in Anwendung dieser Verordnung einen delegierten Rechtsakt zu erlassen, der verbindliche Rechtswirkungen erzeugt, muss daher das Verfahren, das die ordnungsgemäße Durchführung der Befugnisübertragung und damit die Umsetzung der in dieser Verordnung vorgesehenen Bedingung garantiert, in vollem Umfang durchlaufen werden.

31

Anders ausgedrückt bedeutet das, dass es der Kommission nur dann möglich ist, einen delegierten Rechtsakt zu erlassen, der Teil der Rechtsordnung ist und somit verbindliche Rechtswirkungen erzeugt, wenn sie die von der Verordnung Nr. 347/2013 vorgesehene Bedingung erfüllt und folglich den erlassenen Rechtsakt der Prüfung im Rahmen der höchstens viermonatigen „Phase der Erhebung von Einwänden“ unterwirft.

32

Wie oben in den Rn. 27 und 28 ausgeführt, war die Bedingung im Sinne von Art. 16 Abs. 5 der Verordnung Nr. 347/2013 im Zeitpunkt der Erhebung der Nichtigkeitsklage nicht erfüllt. Daher konnte der von der Kommission am 31. Oktober 2019 erlassene Rechtsakt weder am 25. Dezember 2019 als endgültig noch als ein Rechtsakt eingestuft werden, der verbindliche Rechtswirkungen erzeugt, die zu diesem Zeitpunkt die Interessen der Klägerinnen hätten beeinträchtigen können.

33

Daher stellte die angefochtene Verordnung am 25. Dezember 2019 keine anfechtbare Handlung dar.

34

In diesem Kontext ist zum einen darauf hinzuweisen, dass eine Prüfung der Begründetheit der gegen die angefochtene Verordnung gerichteten Nichtigkeitsklage bedeuten würde, dass das Gericht über Fragen entscheidet, zu denen sich das Parlament und der Rat noch nicht haben äußern können, so dass dies zur Folge hätte, dass der Erörterung der sachlichen Probleme vorgegriffen und die verschiedenen Phasen des Verwaltungs- und des gerichtlichen Verfahrens vermengt würden. Eine Zulassung einer solchen Klage wäre daher mit der Zuständigkeitsverteilung zwischen Unionsorganen wie dem Parlament und dem Rat einerseits und dem Unionsrichter andererseits sowie mit den Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege und eines ordnungsgemäßen Ablaufs des Verwaltungsverfahrens unvereinbar (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. November 1981, IBM/Kommission, 60/81, EU:C:1981:264, Rn. 20, und vom 13. Oktober 2011, Deutsche Post und Deutschland/Kommission, C‑463/10 P und C‑475/10 P, EU:C:2011:656, Rn. 51).

35

Zum anderen ist das Vorbringen der Klägerinnen zurückzuweisen, dass die angefochtene Verordnung während der Phase der Erhebung von Einwänden vor dem Parlament und dem Rat schlussendlich nicht geändert worden sei. Denn die Tatsache, dass der ursprüngliche Rechtsakt – also die angefochtene Verordnung – nicht geändert wurde, führt nicht zu einer Änderung der Natur dieses Rechtsakts. Der Umstand, dass keine Änderung vorgenommen wurde, erlaubt dem Gericht daher nicht die Annahme, dass die angefochtene Verordnung – eine Handlung, die in Anbetracht der oben in Rn. 20 angeführten Rechtsprechung die einzige Handlung ist, die vom Unionsrichter im Rahmen der Nichtigkeitsklage geprüft werden kann – dem endgültigen Rechtsakt entspricht, der am Ende des in Art. 16 Abs. 5 der Verordnung Nr. 347/2013 festgelegten Gesetzgebungsverfahrens gemäß Art. 290 AEUV erlassen wurde und in Kraft getreten ist.

36

Aus diesen Gründen wäre es auch wirklichkeitsfremd und rechtsfehlerhaft, wenn man davon ausginge, dass die angefochtene Verordnung bereits mit ihrem Erlass, d. h. am 31. Oktober 2019, verbindliche Rechtswirkungen erzeugte und dass diese Rechtswirkungen nur ausgesetzt waren, solange die Möglichkeit der Erhebung von Einwänden seitens des Parlaments oder des Rates bestand.

37

Nach alledem ist festzustellen, dass die angefochtene Verordnung kein endgültiger Rechtsakt ist, der verbindliche Rechtswirkungen erzeugt, die die Interessen der Klägerinnen beeinträchtigen könnten. Die Klage ist daher als offensichtlich unzulässig abzuweisen.

Kosten

38

Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen im vorliegenden Fall mit ihrem Vorbringen unterlegen sind, sind ihnen gemäß dem Antrag der Kommission ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Kommission einschließlich derjenigen, die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entstanden sind, aufzuerlegen.

39

Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Daher tragen die Bundesrepublik Deutschland, das Königreich Spanien und die Französische Republik ihre eigenen Kosten.

 

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Die Klage wird als offensichtlich unzulässig abgewiesen.

 

2.

Die Aquind Ltd, die Aquind Energy Sàrl und die Aquind SAS tragen ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Kommission einschließlich derjenigen, die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entstanden sind.

 

3.

Die Bundesrepublik Deutschland, das Königreich Spanien und die Französische Republik tragen ihre eigenen Kosten.

 

Luxemburg, den 5. März 2021

Der Kanzler

E. Coulon

Die Präsidentin

V. Tomljenović


( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.