10.2.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 45/43


Klage, eingereicht am 8. November 2019 – Just Eat Holding/Kommission

(Rechtssache T-766/19)

(2020/C 45/40)

Verfahrenssprache: Englisch

Parteien

Klägerin: Just Eat Holding Ltd (London, Vereinigtes Königreich), (Prozessbevollmächtigte: M. Whitehouse und P. Halford, Solicitors)

Beklagte: Europäische Kommission

Anträge

Die Klägerin beantragt,

den Beschluss (EU) 2019/1352 der Kommission vom 2. April 2019 über die staatliche Beihilfe SA.44896 des Vereinigten Königreichs im Zusammenhang mit der Steuerbefreiung für konzerninterne Finanzierungen für beherrschte ausländische Unternehmen (CFC) (ABl. 2019, L 216, S. 1) für nichtig zu erklären;

hilfsweise, Art. 2 des angefochtenen Beschlusses für nichtig zu erklären, soweit dieser die Niederlassungsfreiheit der Klägerin nach Art. 49 AEUV oder der Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV verletzt, und

der Kommission die Kosten der Klägerin aufzuerlegen.

Klagegründe und wesentliche Argumente

Die Klage wird auf folgende elf Gründe gestützt:

1.

Erster Klagegrund: Die Kommission habe einen Rechtsfehler und/oder einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, indem sie festgestellt habe, dass die Steuerbefreiung für konzerninterne Finanzierungen (beanstandete Maßnahme) einen wirtschaftlichen Vorteil im Sinne und im Rahmen des Anwendungsbereichs von Art. 107 Abs. 1 AEUV begründe.

2.

Zweiter Klagegrund: Die Kommission habe bei der Bestimmung des Referenzsystems für die Zwecke der Prüfung der „Selektivität“ einen Rechtsfehler und/oder einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen.

3.

Dritter Klagegrund: Die Kommission habe Rechtsfehler und offensichtliche Beurteilungsfehler begangen, indem sie die maßgeblichen Ziele des von ihr gewählten Referenzsystems fehlerhaft oder unvollständig festgestellt und verkannt habe.

4.

Vierter Klagegrund: Die Kommission habe Rechtsfehler und/oder offensichtliche Beurteilungsfehler begangen, indem sie die beanstandete Maßnahme als eine Abweichung von dem von ihr gewählten Referenzsystem gewertet habe.

5.

Fünfter Klagegrund: Die Kommission habe Rechtsfehler und/oder offensichtliche Beurteilungsfehler begangen, indem sie die beanstandete Maßnahme dadurch zu Unrecht als prima facie selektiv gewertet habe, dass sie fälschlicherweise festgestellt habe, dass diese zu einer unterschiedlichen Behandlung von Unternehmen in rechtlich und sachlich vergleichbareren Situationen führe.

6.

Sechster Klagegrund: Die Kommission habe einen Rechtsfehler begangen, indem sie bei ihrer Beurteilung der Selektivität der beanstandeten Maßnahme die Richtlinie (EU) 2016/1164 des Rates (1) berücksichtigt habe, obwohl dieser Rechtsakt erst nach Ende des Zeitraums, in dem die Kommission festgestellt habe, dass die beanstandete Maßnahme eine staatliche Beihilfe darstelle, in Kraft getreten sei.

7.

Siebter Klagegrund: Die beanstandete Maßnahme stelle einen Missbrauch von Befugnissen durch die Kommission dar, der die Steuerhoheit des Vereinigten Königreichs verletze.

8.

Achter Klagegrund: Die Kommission habe offensichtliche Beurteilungsfehler begangen, indem sie festgestellt habe, dass die angebliche Abweichung im Hinblick auf die Besteuerung von nichtgewerblichen Finanzierungserträgen aus qualifizierten Darlehensverhältnissen, die prima facie in den Anwendungsbereich von Section 371EB („UK activities“) des Taxation (International and Other Provisions) Act 2010 (Steuergesetzbuch [internationale und sonstige Bestimmungen] von 2010) fielen, nicht gerechtfertigt sei. Im Hinblick auf die Qualifying-Resources-Befreiung (Befreiung für aus bestimmten Mitteln gewährte Darlehen) und die Matched-Interest-Befreiung (Befreiung auf der Grundlage eines Zinsausgleichs) sei der Beschluss der Kommission wegen fehlender Begründung bezüglich deren Rechtfertigung bzw. deren Fehlen mit einem Fehler behaftet.

9.

Neunter Klagegrund: Die Kommission habe gegen Art. 108 Abs. 2 AEUV und Art. 6 der Verordnung (EU) 2015/1589 (2) sowie gegen die Pflicht zur guten Verwaltung nach Art. 41 der Charta der Grundrechte verstoßen. Insbesondere habe sie in ihrem Eröffnungsbeschluss nicht angegeben, dass sie Bedenken im Hinblick auf die Rechtfertigung der Befreiung im Umfang von 75 % gemäß Section 371ID des Taxation (International and Other Provisions) Act 2010 gehabt habe, um praktische Probleme bei der Durchführung einer Analyse des Kriteriums der „wesentlichen Mitarbeiterfunktionen“ im Zusammenhang mit konzerninternen Kredittätigkeiten zu vermeiden sowie den Beteiligten eine angemessene Möglichkeit zur Stellungnahme hierzu zu geben. Sie habe die Beteiligten hierzu im Rahmen ihrer Untersuchung nicht um Stellungnahme ersucht und habe in dem angefochtenen Beschluss außer Acht gelassen, dass solche Stellungnahmen von den Beteiligten tatsächlich abgegeben worden seien. Infolgedessen sei der angefochtene Beschluss nichtig.

10.

Zehnter Klagegrund: Die Kommission habe einen Rechtsfehler begangen, indem sie festgestellt habe, dass die Besteuerung von Gewinnen eines ausländischen Tochterunternehmens eines britischen Unternehmens „soweit diese auf inländische Vermögenswerte und Tätigkeiten anfallen“, keine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstelle und dass die beanstandete Maßnahme nicht erforderlich sei, um die Beachtung der Grundfreiheiten der Verträge zu gewährleisten.

Ihren (hilfsweise gestellten) Antrag auf Nichtigerklärung von Art. 2 des angefochtenen Beschlusses stützt die Klägerin auf folgenden Klagegrund:

11.

Elfter Klagegrund: Selbst wenn (was bestritten werde) die beanstandete Maßnahme eine staatliche Beihilferegelung sei, habe die Kommission einen Rechtsfehler begangen, indem sie festgestellt habe, dass die Rückforderung der Beihilfe nicht gegen die tragenden Grundsätze des Unionsrechts verstoße, und indem sie die Rückforderung unabhängig davon angeordnet habe, ob die Gründung beherrschter ausländischer Unternehmen und die Gewährung von Darlehen durch diese an gebietsfremde Unternehmensgruppen tatsächlich unter die Ausübung der Niederlassungsfreiheit oder der Kapitalverkehrsfreiheit falle. Im vorliegenden Fall würde eine Rückforderung insbesondere die Niederlassungsfreiheit der Klägerin gemäß Art. 49 AEUV und die Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 63 AEUV verletzen. Soweit eine solche Verletzung vorliege, sei die in Art. 2 des angefochtenen Beschlusses angeordnete Rückforderung für nichtig zu erklären.


(1)  Richtlinie (EU) 2016/1164 des Rates vom 12. Juli 2016 mit Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts (ABl. 2016, L 193, S. 1).

(2)  Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (ABl. 2015, L 248, S. 9).