4.3.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 82/61


Klage, eingereicht am 11. Januar 2019 — Fastweb/Kommission

(Rechtssache T-19/19)

(2019/C 82/74)

Verfahrenssprache: Italienisch

Parteien

Klägerin: Fastweb SpA (Mailand, Italien) (Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte M. Merola, L. Armati, A. Guarino und E. Cerchi)

Beklagte: Europäische Kommission

Anträge

Die Klägerin beantragt,

die Nichtigerklärung des Beschlusses vom 31. August 2018, mit dem die Europäische Kommission den Zusammenschluss in der Sache M.9041 — HUTCHISON/WIND TRE gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. b und Art. 6 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen genehmigt hat;

der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Klagegründe und wesentliche Argumente

Zur Stützung der Klage macht die Klägerin neun Klagegründe geltend:

1.

Verstoß gegen die Art. 2 und 8 der Verordnung: Offensichtlicher Beurteilungsfehler und Versäumnis bei der Untersuchung, da der Eintritt eines neuen Mobile Network Operator [Mobilfunknetzbetreibers] (MNO) als an sich ausreichend angesehen worden sei, um die horizontalen Wirkungen des Zusammenschlusses zu beseitigen, ohne die Faktoren zu berücksichtigen, die zum Erfolg von H3G geführt hätten.

Offensichtlicher Beurteilungsfehler und Versäumnis bei der Untersuchung der Kommission, da der Eintritt eines neuen Mobilfunknetzbetreibers als an sich ausreichend angesehen worden sei, um die horizontalen Wirkungen des Zusammenschlusses zu beseitigen, ohne die Faktoren zu berücksichtigen, die zum Erfolg von H3G geführt hätten. Schon in der Sache M.7758 habe die Kommission sich insbesondere nicht die Mühe gemacht, zu prüfen, ob der neue Mobilfunknetzbetreiber (sowohl auf dem Endkundenmarkt als auch auf dem Großkundenmarkt) über operative Fähigkeiten, wirtschaftliche Voraussetzungen und Anreize verfüge, die insgesamt denen zumindest gleichwertig seien, von denen H3G profitiert habe, die in den ersten Jahren in einem boomenden Markt agiert habe. Darüber hinaus hätte die Kommission die Auswirkung der Asymmetrie des Abschlusstarifs, von dem H3G profitiert habe, auf die Wettbewerbsdynamik, die diese gegenüber den übrigen Mobilfunknetzbetreibern signifikant begünstigt habe, berücksichtigen müssen.

2.

Verstoß gegen die Art. 2 und 8 der Verordnung und offensichtlicher Fehler bei der Beurteilung des Mobilfunknetzbetreiber-Pakets.

Offensichtlicher Fehler bei der Beurteilung des Verpflichtungszusagenpakets. Insbesondere wecke der Vergleich mit der Bereitstellung von H3G-Frequenzen vor dem Zusammenschluss für sich genommen ernsthafte Zweifel daran, ob die vorgesehene spektrale Bereitstellung ausreiche. Darüber hinaus habe sich die Kommission auf künftige ungewisse Ereignisse, wie zum Beispiel die Teilnahme der neuen Mobilfunknetzbetreiber an künftigen Ausschreibungen, verlassen, ohne jedoch die hohen Kosten im Zusammenhang mit der bevorstehenden Erneuerung und Neuvergabe der übertragenen Frequenzen zu berücksichtigen. Die Kommission habe die Verlagerung einer unzureichenden Anzahl von Standorten akzeptiert und sich dabei auf unsichere Vereinbarungen mit den Tower Companies verlassen. Schließlich verringere die mit den Anmeldern getroffene Übergangsvereinbarung, der die Leistungsfähigkeit zugrunde liege, den Investitionsanreiz erheblich.

3.

Verstoß gegen die Art. 2 und 8 der Verordnung, offensichtlicher Beurteilungsfehler und fehlerhafte Untersuchung, weil der Prüfung des Zusammenschlusses und der Verpflichtungszusagen die falsche Annahme zugrunde liege, dass der Preis — unter Außerachtlassung der Qualität und der Konvergenz — der einzige wichtige Wettbewerbsfaktor sei.

Die Klägerin begründet die fehlerhafte Untersuchung damit, dass der Prüfung des Zusammenschlusses und der Verpflichtungszusagen die falsche Annahme zugrunde liege, dass der Preis der einzige wichtige Wettbewerbsfaktor auf dem relevanten Markt sei. Die Kommission habe nicht beachtet, dass die Netzqualität und -abdeckung vergleichbare Bedeutung hätten, und sie hätte sich nicht auf eine statische Untersuchung der Präferenzen eines sehr kleinen Ausschnitts von Benutzern beschränken dürfen, die zur unteren Ausgabenkategorie gehörten. Sie habe ferner auch die voraussichtliche Bedeutung der Konvergenz ignoriert, die für einen neuen Marktteilnehmer, der im Vergleich zu einem etablierten Anbieter (wie H3G) zusätzliche Anreize benötige, entscheidend sei. Die Auswahl eines Erwerbers, der in der Lage sei, der konvergierenden Nachfrage zu begegnen, hätte im Laufe der Zeit eine größere Wirksamkeit und Nachhaltigkeit der Verpflichtungszusagen gewährleistet.

4.

Verstoß gegen die Art. 2 und 8 der Verordnung und fehlerhafte Untersuchung, da nicht berücksichtigt worden sei, dass der Zusammenschluss einen wettbewerbsbeschränkenden Zweck gehabt habe.

Die Kommission habe zum einen anerkannt, dass der so genannte „market repair“ für die Beteiligten die „ratio“ des Zusammenschlusses gewesen sei; zum anderen habe sie keine Analyse der von den Beteiligten durch den Zusammenschluss verfolgten wettbewerbsbeschränkenden Koordinierung vorgenommen. Der neue Beschluss sei daher mit einem solchen schweren Untersuchungsfehler behaftet.

5.

Verstoß gegen die Art. 2 und 8 der Verordnung, und offensichtlich fehlerhafte Beurteilung der Eignung der Verpflichtungszusagen, die Bedenken hinsichtlich koordinierter Effekte auf dem Endkundenmarkt zu beseitigen, und auch fehlende Untersuchung der Vereinbarkeit der Roaming-Verträge/nationalen MOCN mit Art. 101 AEUV.

Die Klägerin rügt die fehlerhafte Beurteilung der Eignung der Verpflichtungszusagen, die Bedenken hinsichtlich koordinierter Effekte auf dem Endkundenmarkt zu beseitigen. Um in wirklich aggressiver Weise vorgehen und das kollusive Gleichgewicht „durchbrechen“ zu können, müsste der neue Marktteilnehmer nämlich unabhängig von den übrigen Mobilfunknetzbetreibern handeln können. Durch die für die Bereitstellung der Mittel gewählte Formel (Roaming-Abkommen und nationale MOCN) entstehe jedoch über einen längeren Zeitraum eine strikte Abhängigkeit zwischen einem neuen Mobilfunknetzbetreiber und dem Joint Venture, wie die Erfolge der jüngsten Versteigerungen zur Vergabe von Frequenzen in Italien und — allgemeiner — die Geschäftspolitik aller Mobilfunknetzbetreiber zeigten. Der Beschluss sei darüber hinaus fehlerhaft aufgrund der fehlenden Untersuchung der Vereinbarkeit der Roaming-Verträge/nationalen MOCN mit Art. 101 AEUV.

6.

Verstoß gegen die Art. 2 und 8 der Verordnung und offensichtlich fehlerhafte Beurteilung der Eignung der Verpflichtungszusagen, wettbewerbsrechtlichen Bedenken auf dem Markt für den Großkundenzugang und den Verbindungsaufbau in Mobilfunknetzen Rechnung zu tragen.

Die Kommission habe einen Fehler bei der Rekonstruktion des kontrafaktischen Szenarios begangen und bei der Feststellung, dass Iliad einen Anreiz habe, solche Dienste trotz des Fehlens entsprechender Maßnahmen und der Erfahrung dieses Betreibers in Frankreich anzubieten. Im Gegensatz dazu ermutigten die Verpflichtungszusagen den neuen Mobilfunknetzbetreiber, anzugreifen und nur den Kundenkreis der Market Virtual Network Operator [Betreibern virtueller Mobilfunknetze] zu erwerben.

7.

Verstoß gegen Art. 8 Abs. 2 der Verordnung, Beurteilungsfehler und Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung.

Verstoß gegen Art. 8 Abs. 2 der Verordnung (Beurteilungsfehler) und Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung (fehlerhafte Untersuchung), indem Iliad als geeigneter Erwerber akzeptiert worden sei, ohne die Risiken für die Wirksamkeit der Verpflichtungszusagen berücksichtigt zu haben, die mit dem Eintritt eines Betreibers verbunden seien, der die Eigenschaften von Iliad aufweise, und ohne in den Verpflichtungszusagen ausreichende Garantien insbesondere in Bezug auf die Netzqualität/-abdeckung vorgesehen zu haben.

8.

Offensichtlicher Beurteilungsfehler und fehlerhafte Untersuchung der Kommission, da sie in keiner Weise die „ratio“ des neuen Zusammenschlusses bewertet habe.

Die Kommission selbst habe schon in dem Beschluss von 2016 „market repair“ als „ratio“ des Vorgangs genannt, ohne jedoch deren Auswirkungen zu analysieren. In dem neuen Beschluss habe die Kommission diesen grundlegenden Umstand erneut nicht berücksichtigt und keinerlei Bewertung zu den Zielen des neuen Vorgangs abgegeben, auch nicht in Bezug auf die Realisierung der „ratio“ des ursprünglichen Vorgangs. Ferner habe die Kommission — entgegen ihrer eigenen Praxis und der Rechtsprechung — es unterlassen, die sich unmittelbar aus dem auf das Mitentscheidungsrecht von VEON zurückführbare Nachlassen des Wettbewerbsdrucks für den Markt ergebenden Wirkungen zu beurteilen.

9.

Offensichtlicher Beurteilungsfehler durch die Kommission, da sie es nicht für erforderlich gehalten habe, unter Berücksichtigung der geänderten Marktbedingungen eine Anpassung der Verpflichtungszusagen vorzunehmen.

Die Kommission habe nämlich festgestellt, dass es auf dem relevanten Markt gegenüber dem Zeitpunkt, zu dem 2016 der Beschluss in der Sache M.7758 ergangen sei, keine bedeutenden Entwicklungen gegeben habe, ohne dies angemessen zu begründen.