Rechtssache T‑868/19

Nouryon Industrial Chemicals BV u. a.

gegen

Europäische Kommission

Urteil des Gerichts (Vierte Kammer) vom 29. März 2023

„REACH – Bewertung des Registrierungsdossiers und Prüfung der von den Registranten übermittelten Informationen auf Erfüllung der Anforderungen – Anforderung zusätzlicher Studien zum Registrierungsdossier für Dimethylether – Studie zur Prüfung auf pränatale Entwicklungstoxizität – Erweiterte Eingenerationen-Prüfung auf Reproduktionstoxizität – Dosisfindungsstudie – Art. 51 Abs. 7 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 – Tierversuche – Art. 25 der Verordnung Nr. 1907/2006 – Offensichtlicher Beurteilungsfehler – Verhältnismäßigkeit“

  1. Rechtsangleichung – Registrierung, Bewertung und Zulassung chemischer Stoffe – REACH-Verordnung – Bewertungsverfahren – Prüfung der Registrierungsdossiers auf Erfüllung der Anforderungen – Fehlende einstimmige Einigung im Ausschuss der Mitgliedstaaten über den Entscheidungsentwurf der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) – Übergang der Befugnis zur Erstellung eines Entscheidungsentwurfs auf die Kommission – Umfang der Zuständigkeit der Kommission – Beschränkung auf Aspekte des Entscheidungsentwurfs, über die die ECHA im Ausschuss der Mitgliedstaaten keine einstimmige Einigung erzielt hat – Ausschluss

    (Verordnung Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 51 Abs. 7)

    (vgl. Rn. 27-33)

  2. Rechtsangleichung – Registrierung, Bewertung und Zulassung chemischer Stoffe – REACH-Verordnung – Bewertungsverfahren – Prüfung der Registrierungsdossiers auf Erfüllung der Anforderungen – Entscheidung der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), zusätzliche Informationen anzufordern – Widerspruch bei der Widerspruchskammer der ECHA – Aufgabe der Widerspruchskammer – Prüfdichte – Beurteilung hoch komplexer wissenschaftlicher und technischer tatsächlicher Umstände – Beschränkung der Kontrolle auf die Prüfung offensichtlicher Beurteilungsfehler der ECHA – Ausschluss – Recht auf Überprüfung der Beurteilungen der ECHA – Einbeziehung

    (Verordnung Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates)

    (vgl. Rn. 38)

  3. Rechtsangleichung – Registrierung, Bewertung und Zulassung chemischer Stoffe – REACH-Verordnung – Bewertungsverfahren – Prüfung der Registrierungsdossiers auf Erfüllung der Anforderungen – Entscheidung der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), zusätzliche Informationen anzufordern – Klage vor dem Unionsgericht – Prüfdichte – Beurteilung hoch komplexer wissenschaftlicher und technischer tatsächlicher Umstände – Beschränkung der Kontrolle auf die Prüfung offensichtlicher Beurteilungsfehler der ECHA – Einbeziehung

    (Art. 263 AEUV, Verordnung Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates)

    (vgl. Rn. 38)

  4. Rechtsangleichung – Registrierung, Bewertung und Zulassung chemischer Stoffe – REACH-Verordnung – Pflicht zur Registrierung bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) – Gegenstand des Registrierungsdossiers – Sicherstellung der gefahrlosen Verwendung eines Stoffes im Rahmen seiner herkömmlichen Einsatzbereiche – Erforderliches Wissen über die inhärenten Eigenschaften des Stoffes, insbesondere seine Wirkungen auf Lebewesen und die Umwelt

    (Verordnung Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates, Anhänge VII bis X)

    (vgl. Rn. 83)

  5. Rechtsangleichung – Registrierung, Bewertung und Zulassung chemischer Stoffe – REACH-Verordnung – Bewertungsverfahren – Begriff der besonderen Bedenken – Voraussetzungen – Vorliegen von Informationen, die neurotoxische Wirkungen vernünftigerweise befürchten lassen – Einbeziehung

    (Verordnung Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates, Anhang X Abschnitt 8.7.3 Spalte 2 Abs. 2)

    (vgl. Rn. 103)

  6. Rechtsangleichung – Registrierung, Bewertung und Zulassung chemischer Stoffe – REACH-Verordnung – Bewertungsverfahren – Prüfung der Registrierungsdossiers auf Erfüllung der Anforderungen – Zuständigkeit der Kommission – Umfang – Recht, vor einer erweiterten Eingenerationen-Prüfung auf Reproduktionstoxizität eine Dosisfindungsstudie zu verlangen – Einbeziehung

    (Verordnung Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates, Anhang X Abschnitt 8.7.3)

    (vgl. Rn. 133)

  7. Rechtsangleichung – Registrierung, Bewertung und Zulassung chemischer Stoffe – REACH-Verordnung – Bewertungsverfahren – Prüfung der Registrierungsdossiers auf Erfüllung der Anforderungen – Entscheidung, mit der dazu aufgefordert wird, das Registrierungsdossier auf der Grundlage einer Studie mit Tierversuchen zu vervollständigen – Recht, mit dem Vorschlag von Abweichungen in Bezug auf die angeforderten Studien zu reagieren – Zulässigkeit

    (Verordnung Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates, Anhang X Abschnitt 8.7.3 Spalte 2 Abs. 2)

    (vgl. Rn. 144-148)

  8. Rechtsangleichung – Registrierung, Bewertung und Zulassung chemischer Stoffe – REACH-Verordnung – Bewertungsverfahren – Prüfung der Registrierungsdossiers auf Erfüllung der Anforderungen – Standarddatenanforderungen für Stoffe, die in Mengen von 1000 Tonnen oder mehr hergestellt oder importiert werden – Anforderung der Durchführung einer Studie zur Prüfung auf pränatale Entwicklungstoxizität an einer zweiten Tierart gemäß Anhang X – Verbindlichkeit

    (Verordnung Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates, Anhang X Abschnitt 8.7.2)

    (vgl. Rn. 164)

Zusammenfassung

Die Klägerinnen sind Hersteller oder Importeure von Dimethylether mit Sitz in der Europäischen Union bzw. Alleinvertreter, die für außerhalb der Union niedergelassene Hersteller dieses chemischen Stoffes handeln. Im Einklang mit dem Grundsatz „Ohne Daten kein Markt“ ( 1 ) reichten sie bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) einen Antrag auf Registrierung von Dimethylether für hergestellte oder importierte Mengen von 1000 Tonnen oder mehr pro Jahr und pro Hersteller oder Importeur ein.

Im Rahmen einer Prüfung des Registrierungsdossiers auf Erfüllung der Anforderungen ( 2 ) wurde, nachdem der Ausschuss der Mitgliedstaaten des ECHA keine einstimmige Einigung über den Entwurf der ECHA erzielt hatte, das Dossier an die Europäische Kommission zum Erlass einer endgültigen Entscheidung übermittelt ( 3 ). In dieser Entscheidung (im Folgenden: angefochtener Beschluss) gelangte die Kommission zu dem Ergebnis, dass die Registrierung von Dimethylether, was zwei unterschiedliche Wirkungen der Reproduktionstoxizität anbelange, nämlich die Wirkungen auf die pränatale Entwicklung und die Wirkungen auf die Eingenerationen-Reproduktion, nicht mit den Datenanforderungen im Einklang stehe. Die Kommission verpflichtet die Registranten im angefochtenen Beschluss daher dazu, nach Durchführung zusätzlicher Studien an Kaninchen und Ratten insoweit Informationen zu übermitteln.

Das Gericht, das die bei ihm erhobene Nichtigkeitsklage abweist, macht wichtige Ausführungen zu den Bestimmungen der REACH-Verordnung und deren Anhängen, und zwar insbesondere zur Zuständigkeit der Kommission im Bereich der Prüfung des Registrierungsdossiers, zu Laborversuchen an Tieren, die zwingend durchzuführen sind bzw. vorgeschrieben werden können und zu den Bedingungen für deren Durchführung, zu den Voraussetzungen für die Anpassung von Anforderungen, die in einer Entscheidung im Anschluss an eine solche Prüfung enthalten sind, sowie zur Aufgabe des Gerichts, das mit einer Klage gegen diese Entscheidung befasst wird.

Würdigung durch das Gericht

In einem ersten Schritt weist das Gericht den Klagegrund zurück, mit dem geltend gemacht wird, die Kommission habe durch den Erlass des angefochtenen Beschlusses, der zum Teil Aspekte abdeckt, über die der Ausschuss der Mitgliedstaaten eine einstimmige Einigung erzielt hat, gegen die REACH-Verordnung verstoßen.

Insoweit entscheidet das Gericht, dass erstens entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen aus Art. 51 Abs. 7 der REACH-Verordnung nicht hervorgeht, dass die ECHA, sofern eine Meinungsverschiedenheit im Ausschuss der Mitgliedstaaten nur einen Teil ihres Entscheidungsentwurfs betrifft, die endgültige Entscheidung dahin gehend aufzuteilen hat, dass der eine Teil, der Gegenstand der Einigung, von ihr auf der Grundlage von Art. 51 Abs. 6 der REACH-Verordnung und der andere Teil, der Gegenstand der Meinungsverschiedenheit, von der Kommission gemäß Art. 51 Abs. 7 der REACH-Verordnung erlassen wird. Ausgehend von einer wörtlichen, kontextuellen und teleologischen Auslegung stellt das Gericht fest, dass Art. 51 Abs. 7 der REACH-Verordnung, die rechtliche Grundlage des angefochtenen Beschlusses, nur dahin verstanden werden kann, dass jegliche Meinungsverschiedenheit im Ausschuss der Mitgliedstaaten über einen Aspekt eines Entscheidungsentwurfs der ECHA, der im Rahmen der Prüfung des Registrierungsdossiers auf Erfüllung der Anforderungen geprüft wird, eine Meinungsverschiedenheit über diesen Entwurf insgesamt darstellt, aus der sich die Befugnis für die Kommission ergibt, einen neuen Entscheidungsentwurf über die Bewertung des Registrierungsdossiers zu erstellen und anschließend nach einem Komitologie-Verfahren eine endgültige Entscheidung zu erlassen.

Zweitens führt das Gericht aus, dass diese Feststellung durch das Vorbringen, dass die Klägerinnen mehr Garantien gehabt hätten, wenn die endgültige Entscheidung in Bezug auf die Aspekte, über die der Ausschuss der Mitgliedstaaten eine einstimmige Einigung erzielt hatte, von der ECHA erlassen worden wäre, nicht in Frage gestellt wird, da die Prüfung durch die Widerspruchskammer sich nicht, wie im Fall des Gerichts, auf die Überprüfung beschränkt, ob offensichtliche Fehler vorliegen. Diese Unterscheidung entstammt nämlich der Entscheidung des Gesetzgebers, in bestimmten Fällen eine Verwaltungsprüfung und in anderen Fällen eine gerichtliche Kontrolle einzurichten.

In einem zweiten Schritt weist das Gericht den Klagegrund zurück, die Kommission habe durch die Anforderung von Studien, die geltenden rechtlichen Anforderungen zuwiderliefen und technisch nicht durchführbar seien, ohne eine Gefährlichkeit zu bewirken, gegen die REACH-Verordnung ( 4 ) verstoßen und einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen. Es stellt nämlich fest, dass das Vorbringen zugunsten dieses Klagegrundes in der Sache fehlgeht und dass die Klägerinnen keineswegs dargetan haben, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss vorgeschrieben hat, entgegen den geltenden Rechtsvorschriften Konzentrationen zu erreichen, die eine Gefährlichkeit für Studien zur akuten Inhalationstoxizität bewirken. Außerdem stellt es fest, dass sich aus den Akten der Rechtssache ergibt, dass Labore sich imstande fühlen, die fraglichen Studien durchzuführen.

In einem dritten Schritt weist das Gericht den Klagegrund zurück, die Kommission habe durch die Anforderung von Studien, die keine relevanten Informationen über Dimethylether lieferten, einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen.

Nach einem Hinweis auf das Zusammenspiel und die Funktion der Anhänge der REACH-Verordnung hebt es hervor, dass diese Informationen, die grundsätzlich vorgelegt werden müssen, chemische Stoffe betreffen und laut Art. 1 der REACH-Verordnung sicherstellen sollen, dass die von der Herstellung, dem Inverkehrbringen und der Verwendung dieser Stoffe ausgehenden Gefahren bekannt sind und dass diese Stoffe bei ihrer Verwendung die menschliche Gesundheit oder die Umwelt nicht nachteilig beeinflussen. Es folgert hieraus, dass der Gesetzgeber in Anbetracht der potenziellen Gefahren chemischer Stoffe sowie im Einklang mit dem Vorsorgeprinzip, aber auch unter Berücksichtigung des Ziels der Vermeidung unnötiger Wirbeltierversuche bereits Vorkehrungen getroffen hat, damit von den Registranten Wirbeltierversuche nur verlangt werden, wenn sie unter Berücksichtigung der betreffenden Stoffmengen relevant erscheinen. Folglich können die Klägerinnen, da sie die Rechtmäßigkeit dieser Anhänge nicht in Frage stellen, nicht mit Erfolg geltend machen, dass sie von Studien, die gemäß der Bestimmungen dieser Anhänge in jedem Fall durchzuführen sind, aufgrund der fehlenden Relevanz dieser Studien befreit seien.

Sodann prüft das Gericht das Vorbringen zur Stützung des dritten Klagegrundes, das darauf abzielt, die Beurteilungen der Kommission hinsichtlich der Nützlichkeit der verschiedenen angeforderten Studien, soweit sie jedenfalls nicht zwingend sind, in Frage zu stellen. Da derartige Beurteilungen in die Kategorie der Beurteilung hochkomplexer wissenschaftlicher und technischer tatsächlicher Umstände durch eine Verwaltungsbehörde fallen, hat das Gericht sich auf die Prüfung zu beschränken, ob sie offensichtlich fehlerhaft sind oder einen Ermessensmissbrauch darstellen oder ob die betreffende Behörde die Grenzen ihres Ermessens offensichtlich überschritten hat. Nach Zurückweisung des Antrags der Klägerinnen, auf einen unabhängigen Sachverständigen zurückzugreifen, da dies für die Entscheidung über die vorliegende Klage nicht erforderlich ist, entscheidet das Gericht, was das Vorbringen zu konkreten Verwendungen durch den Menschen sowie zur Bewertung und zum Risikomanagement in diesem Bereich betrifft, mit dem belegt werden soll, dass der Stoff im industriellen, beruflichen oder häuslichen Einsatzbereich beim Menschen nicht narkotisierend wirkt, dass es bei der Registrierung eines Stoffes nicht nur darum geht, dessen gefahrlose Verwendung im Rahmen seiner herkömmlichen Einsatzbereiche sicherzustellen, sondern auch darum, Wissen über den Stoff und seine Wirkungen auf Lebewesen und die Umwelt als solche, mit anderen Worten über seine inhärenten Eigenschaften zu generieren, was Versuche unter Bedingungen erfordern kann, die von den herkömmlichen Einsatzbereichen des betreffenden Stoffes abweichen. Es zieht hieraus den Schluss, dass die Anforderung der im angefochtenen Beschluss aufgeführten Studien keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler der Kommission aufweist.

In einem vierten Schritt weist das Gericht das Vorbringen zurück, die Kommission habe einen Rechtsfehler begangen, indem sie die Bedeutung des Ausdrucks „besondere Bedenken“ in einem Anhang der REACH-Verordnung verfälscht habe ( 5 ). Es entscheidet, dass trotz des Fehlens einer genauen Definition dessen, was besondere Bedenken in Verbindung mit der (Entwicklungs‑)Neurotoxizität ausmacht, aus den in der betreffenden Vorschrift verwendeten Begriffen ersichtlich ist, dass das Bestehen solcher Bedenken daran geknüpft ist, dass die Registranten oder die zuständige Behörde über Informationen verfügen, wonach der fragliche Stoff eine (Entwicklungs‑)Neurotoxizität bewirkt, oder auch nur vernünftigerweise befürchten lässt. Bei Vorliegen solcher Informationen bezweckt die erweiterte Eingenerationen-Prüfung auf Reproduktionstoxizität einschließlich der Kohorten 2A und 2B die Präzisierung, Bestätigung oder Entkräftung dessen, dass der Stoff eine (Entwicklungs‑)Neurotoxizität bewirkt. Daher ist es, sofern die Registranten dies nicht von sich aus getan haben, Sache der zuständigen Behörde, zu beurteilen, ob Bedenken in Bezug auf die (Entwicklungs‑)Neurotoxizität bestehen. Im vorliegenden Fall hat die Kommission daher nicht bereits den Nachweis dafür zu erbringen, dass Dimethylether ernsthafte und schwerwiegende Wirkungen von Neurotoxizität hervorruft.

In einem fünften Schritt weist das Gericht den Klagegrund zurück, die Kommission habe durch die Anforderung, dass der erweiterten Eingenerationen-Prüfung auf Reproduktionstoxizität eine Dosisfindungsstudie voranzugehen habe, einen Rechtsfehler ( 6 ) begangen. Es entscheidet nämlich zunächst, dass die Kommission dazu ermächtigt sei, vor einer erweiterten Eingenerationen-Prüfung auf Reproduktionstoxizität eine Dosisfindungsstudie zu verlangen. Sodann können sich die Klägerinnen, da aufgrund der im vorliegenden Fall registrierten Mengen die Stufe hergestellter Stoffe von 1000 Tonnen oder mehr pro Jahr und pro Hersteller oder Importeur erreicht wird, nicht auf die Abweichungsmöglichkeiten berufen, die für Stoffe gelten, die in Mengen von 10 Tonnen oder mehr hergestellt oder importiert werden. Was schließlich das Vorbringen betrifft, die Durchführung einer Dosisfindungsstudie stehe im Widerspruch zum Ziel ( 7 ), Wirbeltierversuche nur als letztes Mittel durchzuführen, ist das Gericht der Ansicht, dass im vorliegenden Fall das Vorsorgeprinzip und das Erfordernis, Tierversuche zu reduzieren, dadurch miteinander in Einklang gebracht werden konnten, dass eine Dosisfindungsstudie im Rahmen einer erweiterten Eingenerationen-Prüfung auf Reproduktionstoxizität angefordert wurde.

In einem sechsten Schritt weist das Gericht den Klagegrund zurück, die Kommission habe einen Rechtsfehler begangen ( 8 ), da der angefochtene Beschluss es den Klägerinnen nicht ermögliche, den Umstand, dass die Registrierung von Dimethylether den Anforderungen nicht entspricht, durch Abweichungen von den in dem Beschluss angeforderten Studien zu heilen. Die einschlägigen allgemeinen Bestimmungen der REACH-Verordnung und das Ziel der Begrenzung von Tierversuchen bewirken, dass ein Registrant, den die ECHA aufgefordert hat, sein Registrierungsdossier durch eine Studie unter Einschluss von Tierversuchen zu vervollständigen, nicht nur die Möglichkeit hat, sondern sogar verpflichtet ist, dieser Anforderung, sofern dies aus wissenschaftlicher und technischer Sicht irgend möglich ist, dadurch nachzukommen, dass er im Hinblick auf die Gründe, mit denen diese Anforderung gerechtfertigt wurde, geeignete, aber aus alternativen Quellen zu dieser Studie stammende Informationen vorlegt. Außerdem gilt für die ECHA nach der Rechtsprechung eine entsprechende Verpflichtung, zu überprüfen, ob diese alternativen Informationen den einschlägigen Anforderungen genügen, insbesondere zu ermitteln, ob sie als Abweichungen einzustufen sind, die im Einklang mit den Bestimmungen der betreffenden Anhänge der REACH-Verordnung stehen. Nichts anderes kann dem Gericht zufolge dann gelten, wenn, wie im vorliegenden Fall, der Beschluss, mit dem der Registrant aufgefordert wird, sein Registrierungsdossier auf der Grundlage einer Studie mit Tierversuchen zu vervollständigen, nicht von der ECHA, sondern aufgrund von fehlender Einstimmigkeit über den Entscheidungsentwurf der ECHA im Ausschuss der Mitgliedstaaten von der Kommission erlassen wird ( 9 ). Das Gericht gelangt daher zu dem Ergebnis, dass der angefochtene Beschluss nicht dahin ausgelegt werden kann, dass er es verbietet, hierauf mit dem Vorschlag von Anpassungen und somit im technischen Dossier mit im Hinblick auf die Begründung der Anforderung von Studien mit Tierversuchen in diesem Beschluss geeigneten, aber aus alternativen Quellen zu diesen Studien stammenden Informationen zu reagieren.

Was den Klagegrund angeht, die Kommission habe insbesondere aufgrund der Anforderung einer Studie zur Prüfung auf pränatale Entwicklungstoxizität an Kaninchen einen Rechtsfehler und einen offensichtlichen Beurteilungsfehler ( 10 ) begangen, so weist das Gericht diesen zurück. Es geht nämlich davon aus, dass der Rechtsfehler nicht nachgewiesen ist, da die von den Klägerinnen angeführte Bestimmung, wonach „[d]ie Prüfung … zunächst an einer Tierart vorzunehmen [ist]“ und „[ü]ber die Notwendigkeit einer Prüfung an einer weiteren Art auf dieser oder der folgenden Mengenstufe … nach dem Ergebnis der ersten Prüfung sowie unter Berücksichtigung aller sonstigen relevanten verfügbaren Daten zu entscheiden [ist]“ ( 11 ), insofern nur bedeutet, dass das Erfordernis einer Prüfung an einer zweiten Tierart auf dieser Mengenstufe bei einem Stoff, der in Mengen zwischen 100 und 999 Tonnen pro Jahr und pro Hersteller oder Importeur hergestellt oder importiert wird, sofern die Bedingungen für die Durchführung einer solchen Prüfung vorliegen, gegebenenfalls auf den Zeitpunkt verschoben wird, in dem der Stoff die „folgende Mengenstufe“ erreicht, d. h., wenn der Stoff in Mengen von 1000 Tonnen und mehr pro Jahr und pro Hersteller oder Importeur hergestellt oder importiert wird. Diese Bestimmung von Anhang IX wird jedoch nicht in jene Mengenstufe, die Gegenstand von Anhang X ist, übernommen. Daher entscheidet das Gericht, was den offensichtlichen Beurteilungsfehler anbelangt, der dadurch begangen worden sein soll, dass trotz des Fehlens der Voraussetzungen eine Studie zur Prüfung auf pränatale Entwicklungstoxizität für eine zweite Tierart angefordert worden sei, dass das in Anhang X Abschnitt 8.7.2 Spalte 1 aufgestellte Erfordernis einer „Prüfung auf [Toxizität] an einer Tierart“ dahin auszulegen ist, dass es sich von dem ähnlich formulierten Erfordernis in Anhang IX Abschnitt 8.7.2 Spalte 1 unterscheidet, was bedeutet, dass die beiden fraglichen Studien jeweils an einer anderen Tierart durchzuführen sind. Da in dieser Hinsicht in Anhang X Abschnitt 8.7.2 keine Abweichung vorgesehen ist, besteht eine Pflicht zu einer Studie zur Prüfung auf pränatale Entwicklungstoxizität an einer zweiten Tierart, sofern der Stoff in den in Anhang X genannten Mengen hergestellt oder importiert wird, es sei denn, dass aufgrund anderweitiger Bestimmungen Abweichungen möglich sind.


( 1 ) Grundsatz, der in Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) zur Schaffung einer Europäischen Chemikalienagentur, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission (ABl. 2006, L 396, S. 1, im Folgenden: REACH-Verordnung) genannt ist.

( 2 ) Gemäß Art. 41 der REACH-Verordnung.

( 3 ) Art. 51 Abs. 7 der REACH-Verordnung.

( 4 ) Art. 13 Abs. 3 der REACH-Verordnung.

( 5 ) Anhang X Abschnitt 8.7.3 Spalte 2 Abs. 2 der REACH-Verordnung.

( 6 ) Verstoß gegen Anhang X Abschnitt 8.7.3 Spalte 1 sowie Art. 25 der REACH-Verordnung.

( 7 ) Genannt in Art. 25 Abs. 1 der REACH-Verordnung.

( 8 ) Verstoß gegen Art. 41 und Anhang XI der REACH-Verordnung.

( 9 ) Im Rahmen des Verfahrens gemäß Art. 51 der REACH-Verordnung über den Erlass von Entscheidungen im Rahmen der Dossierbewertung.

( 10 ) Verstoß gegen Anhang IX Abschnitt 8.7.2 Spalte 2 der REACH-Verordnung.

( 11 ) In Anhang IX Abschnitt 8.7.2 Spalte 2 der REACH-Verordnung enthaltene Bestimmung.