Rechtssache T‑508/19
Mead Johnson Nutrition (Asia Pacific) Pte Ltd u. a.
gegen
Europäische Kommission
Urteil des Gerichts (Zweite erweiterte Kammer) vom 6. April 2022
„Staatliche Beihilfen – Beihilferegelung der Regierung von Gibraltar im Bereich der Körperschaftsteuer – Nichtbesteuerung der Einkünfte aus Zinserträgen und Nutzungsentgelten – Steuervorbescheide zugunsten multinationaler Unternehmen – Beschluss der Kommission, mit dem die Beihilfen für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt werden – Begründungspflicht – Offensichtlicher Beurteilungsfehler – Selektiver Vorteil – Recht auf Stellungnahme“
Nichtigkeitsklage – Gegenstand – Teilnichtigerklärung – Voraussetzung – Abtrennbarkeit der angefochtenen Vorschriften – Beschluss der Kommission, mit dem zwei verschiedene und voneinander unabhängige Beihilfemaßnahmen für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt werden – Antrag auf Nichtigerklärung, der aus verschiedenen Teilen besteht, die jeweils eine andere Beihilfemaßnahme betreffen
(Art. 263 AEUV)
(vgl. Rn. 43-45)
Staatliche Beihilfen – Begriff – Maßnahme des Staates in Bereichen, die in der Europäischen Union nicht harmonisiert sind – Direkte Besteuerung – Einbeziehung – Bestimmung der Besteuerungsgrundlage und Verteilung der Steuerbelastung – Befugnisse der Mitgliedstaaten – Grenzen – Befugnisse der Kommission
(Art. 4 und 5 EUV; Art. 107 Abs. 1 AEUV)
(vgl. Rn. 56-70)
Nichtigkeitsklage – Gründe – Befugnismissbrauch – Begriff
(Art. 263 AEUV)
(vgl. Rn. 72, 73)
Staatliche Beihilfen – Begriff – Selektiver Charakter der Maßnahme – Beurteilung anhand der verwendeten Regelungstechnik – Ausschluss
(Art. 107 Abs. 1 AEUV)
(vgl. Rn. 80, 81, 134, 185)
Staatliche Beihilfen – Begriff – Gewährung eines Vorteils für die Begünstigten – Maßnahme, die einen Steuervorteil verschafft – Referenzsystem zur Bestimmung des Vorliegens eines Vorteils – Sachliche Abgrenzung – Kriterien – Ermittlung der allgemeinen oder normalen Steuerregelung – Allgemeines Körperschaftsteuersystem, das zum Ziel hat, sämtliche in einem Mitgliedstaat erzielte oder bezogene Einkommen zu besteuern – Berücksichtigung der Informationen aus dem betreffenden Mitgliedstaat – Zulässigkeit
(Art. 107 Abs. 1 AEUV)
(vgl. Rn. 89-94, 118-123, 128, 135-137, 143-147, 156, 161, 162)
Staatliche Beihilfen – Entscheidung der Kommission – Gerichtliche Überprüfung – Freie Tatsachen- und Beweiswürdigung – Feststellung des nationalen Rechts durch die Kommission – Tatsachenfrage
(Art. 107 AEUV)
(vgl. Rn. 103)
Staatliche Beihilfen – Verwaltungsverfahren – Verpflichtungen der Kommission – Sorgfältige und unparteiische Prüfung – Berücksichtigung möglichst vollständiger und verlässlicher Informationen – Umfang der Pflicht
(Art. 108 Abs. 2 AEUV)
(vgl. Rn. 104-106, 127)
Staatliche Beihilfen – Beschluss der Kommission – Beurteilung der Rechtmäßigkeit anhand der bei Erlass des Beschlusses verfügbaren Informationen
(Art. 108 AEUV)
(vgl. Rn. 107, 125, 141)
Staatliche Beihilfen – Begriff – Steuerliche Maßnahmen – Gemeinsame Prüfung der Kriterien der Selektivität und des wirtschaftlichen Vorteils – Zulässigkeit
(Art. 107 Abs. 1 AEUV)
(vgl. Rn. 169)
Staatliche Beihilfen – Begriff – Gewährung eines Vorteils für die Begünstigten – Maßnahme, die einen Steuervorteil verschafft – Körperschaftsteuersystem – Allgemeines Körperschaftsteuersystem, das zum Ziel hat, sämtliche in einem Mitgliedstaat erzielte oder bezogene Einkommen zu besteuern – Steuerliche Maßnahme, die von dieser Regelung abweicht und eine Steuerbefreiung der Einkommen aus Zinsen oder Nutzungsentgelten vorsieht – Einbeziehung – Fehlen einer ausdrücklichen Regel, die die Besteuerung dieser Nutzungsentgelte vorsieht – Keine Auswirkung
(Art. 107 AEUV)
(vgl. Rn. 178-182, 206)
Staatliche Beihilfen – Begriff – Selektiver Charakter der Maßnahme – Maßnahme, die einen Steuervorteil verschafft – Kriterien für die Feststellung der Selektivität der Maßnahme – Einführung einer durch die Natur und den Aufbau einer allgemeinen Steuerregelung nicht gerechtfertigten Unterscheidung zwischen Wirtschaftsteilnehmern, die sich in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden – Notwendigkeit, bestimmte Merkmale zu ermitteln, die die Begünstigten des Steuervorteils gemeinsam haben – Fehlen
(Art. 107 Abs. 1 AEUV)
(vgl. Rn. 198-201, 209-213)
Staatliche Beihilfen – Begriff – Selektiver Charakter der Maßnahme – Maßnahme, die einen Steuervorteil verschafft – Allgemeine Maßnahme, die unterschiedslos für alle Wirtschaftsteilnehmer gilt – Maßnahme, die auf Vorgänge keine Anwendung findet, die mit denen vergleichbar sind, die Voraussetzung für die Gewährung der Maßnahme sind – Maßnahme, die als selektiv eingestuft werden kann
(Art. 107 AEUV)
(vgl. Rn. 202, 203, 207)
Handlungen der Organe – Begründung – Pflicht – Umfang – Beschluss der Kommission über staatliche Beihilfen – Berücksichtigung des Kontextes sowie sämtlicher Rechtsvorschriften
(Art. 108 Abs. 1 und 3 und Art. 296 AEUV)
(vgl. Rn. 229-236)
Staatliche Beihilfen – Prüfung durch die Kommission – Prüfung einer Beihilferegelung in ihrer Gesamtheit – Zulässigkeit – Der Kommission obliegende Pflicht, die Situation bestimmter Begünstigter individuell zu prüfen – Fehlen
(Art. 107 und 108 AEUV; Verordnung Nr. 659/1999 des Rates, Art. 1 Buchst. d)
(vgl. Rn. 259-268)
Staatliche Beihilfen – Prüfung durch die Kommission – Verwaltungsverfahren – Beschluss, das förmliche Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV einzuleiten – Prüfung der Frage, ob ein selektiver Vorteil besteht – Entwicklung des Standpunkts der Kommission am Ende des Verfahrens – Endgültiger Beschluss, der auf einer anderen Grundlage als der im Beschluss zur Ausweitung des Verfahrens genannten beruht – Beschluss über die Ausweitung des Verfahrens, der nicht die maßgeblichen Gesichtspunkte enthält, auf die die Kommission ihre Beurteilung stützt – Verstoß gegen die Verfahrensrechte des betreffenden Unternehmens
(Art. 108 Abs. 2 AEUV; Verordnung Nr. 659/1999 des Rates, Art. 6 Abs. 1)
(vgl. Rn. 283-316)
Zusammenfassung
Zwischen dem 1. Januar 2011 und dem 31. Dezember 2013 fielen gemäß dem Income Tax Act 2010 (im Folgenden: ITA 2010) ( 1 ) die Einkünfte aus Nutzungsentgelten nicht in die Kategorien von Einkommen, das in Gibraltar steuerpflichtig ist.
Die MJN Holdings (Gibraltar) Ltd (im Folgenden: MJN GibCo) war eine in Gibraltar ansässige Gesellschaft der Gruppe MeadJohnson und hielt eine Beteiligung von 99,99 % am Kapital der Kommanditgesellschaft nach niederländischem Recht Mead Johnson Three CV (im Folgenden: MJT CV), die gegen Zahlung von Nutzungsentgelten Unterlizenzen an eine andere Gesellschaft der Gruppe vergab ( 2 ). 2012 erließen die Steuerbehörden von Gibraltar gegenüber MJN GibCo einen Steuervorbescheid, in dem bestätigt wurde, dass gemäß dem sich aus dem ITA 2010 ergebenden Körperschaftsteuersystem in Gibraltar bei der MJN GibCo für die Einkünfte von MJT CV aus Nutzungsentgelten keine Steuern erhoben würden.
Im Oktober 2013 leitete die Kommission ein förmliches Prüfverfahren ein, um u. a. die Vereinbarkeit der vom ITA 2010 vorgesehenen Regelung über die Besteuerung von Nutzungsentgelten mit den Unionsregeln über staatliche Beihilfen zu prüfen. Im Oktober 2014 beschloss sie, dieses Verfahren auf die Steuervorbescheidspraxis in Gibraltar auszuweiten (Beschluss zur Ausweitung des Verfahrens).
Mit ihrem Beschluss vom 19. Dezember 2018 (im Folgenden: angefochtener Beschluss) ( 3 ) stufte die Kommission zum einen die Nichtaufnahme von Nutzungsentgelten in die Bemessungsgrundlage zwischen dem 1. Januar 2011 und dem 31. Dezember 2013 als „implizite Befreiung“ ein und entschied, dass diese Maßnahme eine rechtswidrige und mit dem Binnenmarkt unvereinbare Beihilferegelung darstelle. Mit diesen Befreiungen werde eine Verringerung der Steuerbelastung eingeführt, die die betroffenen Unternehmen in Anbetracht des Ziels des ITA 2010, das darin bestehe, in Gibraltar erzielte oder bezogene Einkommen zu besteuern, andernfalls hätten bezahlen müssen.
Zum anderen war die Kommission der Auffassung, dass die auf der Grundlage der Steuervorbescheide von der Regierung Gibraltars gewährte steuerliche Behandlung zugunsten der fünf an niederländischen Kommanditgesellschaften beteiligten gibraltarischen Unternehmen, von denen manche Einkünfte aus Nutzungsentgelten erzielten, rechtswidrige und mit dem Binnenmarkt unvereinbare Einzelbeihilfen darstellten. Diese Bescheide, mit denen die Nichtbesteuerung der Einkünfte dieser Gesellschaften aus Nutzungsentgelten bestätigt werde, seien nach der Änderung des ITA 2010 im Jahr 2013, nach der die Entgelte in die Kategorie steuerpflichtiger Einkommen aufgenommen worden seien, weiterhin angewandt worden. MJN GibCo gehörte zu diesen fünf betroffenen Gesellschaften.
Das mit einer von verschiedenen Gesellschaften der MJN-Gruppe erhobenen Klage befasste Gericht gibt der Klage teilweise statt. Es weist die Klage ab, soweit mit ihr der Teil des angefochtenen Beschlusses angefochten wird, der die Beihilferegelung betrifft. In diesem Rahmen bestätigt das Gericht den von der Kommission verfolgten Ansatz, wonach die „nicht bestehende Steuerpflicht“ und die „Befreiung“ die gleichen Auswirkungen haben, sowie die Tatsache, dass das Fehlen einer ausdrücklichen Regel, die die Besteuerung der Einkünfte aus Nutzungsentgelten vorsieht, nicht daran hindert, dass eine Maßnahme einen Vorteil verleiht. Das Gericht erklärt den angefochtenen Beschluss für nichtig, soweit er die Einzelbeihilfe an MJN GibCo betrifft. In diesem Rahmen präzisiert es den Umfang des Rechts der Beteiligten, an einem förmlichen Prüfverfahren im Bereich staatlicher Beihilfen beteiligt zu werden, und die Auswirkung eines Verstoßes gegen dieses Recht auf die Rechtmäßigkeit des am Ende eines solchen Verfahrens erlassenen endgültigen Beschlusses.
Würdigung durch das Gericht
Als Erstes weist das Gericht in Bezug auf die Beihilferegelung darauf hin, dass die Maßnahmen der Mitgliedstaaten in den Bereichen, die in der Union nicht harmonisiert worden sind, wie die direkte Besteuerung, nicht vom Anwendungsbereich der Regelung über die Kontrolle staatlicher Beihilfen ausgeschlossen sind. Da die Kommission dafür zuständig ist, die Beachtung von Art. 107 AEUV zu gewährleisten, hat sie ihre Befugnisse nicht überschritten, als sie die Nichtbesteuerung von Einkünften aus Nutzungsentgelten prüfte, um festzustellen, ob diese Maßnahme eine Beihilferegelung darstellte, und, falls ja, ob sie mit dem Binnenmarkt vereinbar war. Vorliegend stellt das Gericht fest, dass die Kommission dadurch, dass sie auf die in Gibraltar geltenden steuerrechtlichen Vorschriften Bezug genommen und ihre Beurteilung dieser Bestimmungen auf die von den Behörden des Vereinigten Königreichs und Gibraltars mitgeteilten Informationen gestützt hat, im Rahmen ihrer Prüfung der Nichtbesteuerung von Einkünften aus Nutzungsentgelten die sogenannte „normale“ Besteuerung der in Gibraltar anwendbaren Steuervorschriften nicht autonom festgelegt hat. Zudem geht aus dem angefochtenen Beschluss nicht hervor, dass die Kommission versucht hätte, das in Gibraltar geltende Steuerrecht an die in den verschiedenen Mitgliedstaaten geltenden Rechtsvorschriften anzugleichen.
Das Gericht weist dann die Klagegründe zurück, mit denen im Wesentlichen Beurteilungs- und Rechtsfehler bei der Ermittlung der normalen in Gibraltar geltenden Steuervorschriften und bei der Feststellung eines selektiven Vorteils geltend gemacht wurden.
Zunächst führt das Gericht aus, dass im Rahmen der Prüfung der steuerlichen Maßnahmen unter dem Blickwinkel des Unionsrechts im Bereich staatlicher Beihilfen sowohl die Prüfung des Kriteriums des Vorteils als auch die des Kriteriums der Selektivität vorab die Bestimmung der normalen Steuervorschriften erfordert, die den einschlägigen Bezugsrahmen für diese Prüfung bilden.
Was die normalen Steuervorschriften in Gibraltar anbelangt, stellt das Gericht fest, dass die Kommission zu Recht davon ausgegangen ist, dass das gibraltarische Steuersystem ein System der territorialen Besteuerung war, gemäß dem alle in Gibraltar erzielten oder bezogenen Einkünfte dort versteuert werden mussten, und dass nach diesem System die von gibraltarischen Gesellschaften erzielten Einkünfte aus Nutzungsentgelten zwingend als in diesem Gebiet erzielt oder bezogen anzusehen waren. Diese Schlussfolgerungen beruhten auf einer unmittelbar vom betreffenden Mitgliedstaat stammenden Information und stimmten mit dem Inhalt der maßgeblichen Bestimmungen des ITA 2010 überein.
Was das Bestehen eines wirtschaftlichen Vorteils anbelangt, ist das Gericht der Auffassung, dass die Kommission nachgewiesen hat, dass das System der Nichtbesteuerung der Einkünfte aus Nutzungsentgelten zu einer Verringerung des Steuerbetrags führte, die normalerweise von Unternehmen mit Sitz in Gibraltar, die Nutzungsentgelte beziehen, geschuldet würden, und zwar gemäß den Leitprinzipien des ITA 2010, nämlich dem Territorialitätsgrundsatz, wonach der gesamte buchhalterische Gewinn der Steuerpflichtigen steuerpflichtig war.
In diesem Rahmen weist das Gericht das Vorbringen der Klägerinnen zurück, in Ermangelung einer ausdrücklichen Regel im ITA 2010, die die Besteuerung der Einkünfte aus Nutzungsentgelten vorsehe, hätten die Steuerbehörden nicht auf die Besteuerung der Einkünfte aus Nutzungsentgelten verzichten können und daher den Klägerinnen keinen Vorteil verschafft. Das Gericht weist insoweit darauf hin, dass der Umstand, dass eine steuerliche Maßnahme nach einer bestimmten Regelungstechnik konzipiert ist, keine Auswirkungen auf die Prüfung dieser Maßnahme anhand von Art. 107 AEUV hat, und dass vorliegend der Umstand, dass die Einkünfte aus Nutzungsentgelten nicht der Einkommensteuer unterlagen, weil sie nicht in die in Kategorien von in Gibraltar steuerpflichtigen Einkommenskategorien aufgenommen worden waren, dieselbe Wirkung hat, wie wenn diese Kategorie formell von der Steuer befreit gewesen wäre.
Was den selektiven Charakter der Nichtbesteuerung der Einkünfte aus Nutzungsentgelten betrifft, ist das Gericht der Auffassung, dass die Kommission zu Recht davon ausgegangen ist, dass diese eine Abweichung vom allgemeinen Grundsatz der Territorialität darstellte, da sie zur Folge hatte, dass Unternehmen, die in Gibraltar Einkünfte aus Nutzungsentgelten erzielten, steuerlich anders behandelt wurden als in Gibraltar steuerpflichtige Unternehmen, die in Gibraltar Einkünfte erzielten oder bezogen, obwohl sich diese beiden Kategorien von Unternehmen in Bezug auf das mit dem ITA 2010 verfolgte Ziel in vergleichbaren Situationen befanden.
Als Zweites war das Gericht in Bezug auf die Einzelbeihilfe, die auf der Grundlage des gegenüber MJN GibCo erlassenen Steuervorbescheids gewährt worden war, der Ansicht, dass die Unterschiede zwischen der im Beschluss zur Ausweitung des Verfahrens und der im angefochtenen Beschluss enthaltenen Analyse, soweit sie Gesichtspunkte betreffen, die für die Einstufung der Wirkungen des MJN GibCo im Jahr 2012 erteilten Steuervorbescheids entscheidend sind, so gravierend waren, dass die Kommission einen Berichtigungsbeschluss oder einen zweiten Beschluss zur Ausweitung des Verfahrens hätte erlassen müssen, um den Klägerinnen Gelegenheit zu geben, sich in wirksamer Weise an diesem Verfahren zu beteiligen.
Die Begründung, auf deren Grundlage die Kommission in dem angefochtenen Beschluss die Auffassung vertreten hat, dass die weitere Anwendung dieses Steuervorbescheids nach der Änderung des ITA 2010 im Jahr 2013 eine mit dem Binnenmarkt unvereinbare Einzelbeihilfe darstelle, war nämlich auf maßgebliche Gesichtspunkte gestützt, die sich nicht in dem Beschluss zur Ausweitung des Verfahrens fanden, nämlich den transparenten Charakter der Kommanditgesellschaft nach niederländischem Recht für die Zwecke der Anwendung des Steuerrechts von Gibraltar und die Feststellung, dass die Kommanditgesellschafter normalerweise in Höhe ihres Anteils an den Gewinnen ihrer Kommanditgesellschaften nach niederländischem Recht in Gibraltar der Körperschaftsteuer hätten unterliegen müssen.
Infolgedessen stellt das Gericht fest, dass dann, wenn die Kommission zwischen dem Beschluss zur Eröffnung des Verfahrens und dem endgültigen Beschluss ihre Erwägungen zu maßgeblichen Gesichtspunkten in ihrer Beurteilung des Vorliegens einer Beihilfe ändert, die ihr obliegende Pflicht, das förmliche Prüfverfahren auszuweiten, um den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, den Charakter einer wesentlichen Formvorschrift hat, deren Verletzung unabhängig von der Frage, ob diese Verletzung der Partei, die einen solchen Verstoß geltend macht, einen Schaden zugefügt hat oder ob das Verwaltungsverfahren zu einem anderen Ergebnis hätte führen können, zur Nichtigerklärung des fehlerhaften Rechtsakts führt. Auf der Grundlage dieser Feststellungen erklärt das Gericht den angefochtenen Beschluss für nichtig, soweit er die Einzelbeihilfe betrifft, die auf der Grundlage des gegenüber MJN GibCo erlassenen Steuervorbescheids gewährt wurde.
( 1 ) Gesetz von 2010 über die Körperschaftsteuer in Gibraltar.
( 2 ) MJT CV verfügte über Lizenzen für Rechte des geistigen Eigentums, die sie gegen die Zahlung von Nutzungsentgelten an Mead Johnson BV, eine andere Gesellschaft niederländischen Rechts, in Unterlizenz vergab. Vor ihrer Auflösung im Jahr 2018 gehörte MJN GibCo zur internationalen Gruppe Mead Johnson Nutrition (im Folgenden: MJN-Gruppe). Die Mead Johnson Nutrition (Asia Pacific) Pte Ltd mit Sitz Singapur war die 100%-ige Muttergesellschaft von MJN GibCo.
( 3 ) Beschluss (EU) 2019/700 der Kommission vom 19. Dezember 2018 über die staatliche Beihilfe SA.34914 (2013/C) des Vereinigten Königreichs betreffend das Körperschaftsteuersystem in Gibraltar (ABl. 2019, L 119, S. 151).