Beschluss des Gerichtshofs (Zehnte Kammer) vom 4. Juni 2020 –
FU

(Rechtssache C‑554/19) ( 1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts – Verordnung (EU) 2016/399 – Schengener Grenzkodex – Art. 22 und 23 – Abschaffung der Grenzkontrollen an den Binnengrenzen des Schengen-Raums – Kontrollen innerhalb des Hoheitsgebiets eines Mitgliedstaats – Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen – Identitätskontrollen in der Nähe einer Binnengrenze des Schengen-Raums – Kontrollmöglichkeit ohne Ansehung des Verhaltens der betroffenen Person oder des Vorliegens besonderer Umstände – Nationaler Rechtsrahmen zu Intensität, Häufigkeit und Selektivität der Kontrollen“

1. 

Grenzkontrollen, Asyl und Einwanderung – Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen – Abschaffung der Grenzkontrollen an den Binnengrenzen – Kontrollen innerhalb des Hoheitsgebiets – Nationale Regelung, nach der die Polizeibehörden befugt sind, innerhalb eines Gebiets von 30 km ab der Landgrenze des betreffenden Mitgliedstaats zu den Vertragsstaaten des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen die Identität jeder Person zu kontrollieren – Zulässigkeit – Voraussetzungen – Überprüfung durch das nationale Gericht

(Art. 67 Abs. 2 AEUV; Verordnung 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 22 und 23)

(vgl. Rn. 26, 27, 38, 40, 53-57 und Tenor)

2. 

Vorlagefragen – Zuständigkeit des Gerichtshofs – Grenzen – Prüfung der Vereinbarkeit des nationalen Rechts mit dem Unionsrecht – Nichteinbeziehung – Angabe aller sich aus dem Unionsrecht ergebenden Kriterien für die Auslegung an das vorlegende Gericht – Einbeziehung

(Art. 267 AEUV)

(vgl. Rn. 28-31)

Tenor

Art. 67 Abs. 2 AEUV sowie die Art. 22 und 23 der Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über einen Unionskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die den Polizeibehörden des betreffenden Mitgliedstaats die Befugnis einräumt, innerhalb eines Gebiets von 30 km ab der Landgrenze dieses Mitgliedstaats zu anderen Staaten des Schengen-Raums zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats oder zur Verhütung bestimmter Straftaten, die gegen die Sicherheit der Grenze gerichtet sind, die Identität jeder Person unabhängig von deren Verhalten und vom Vorliegen besonderer Umstände zu kontrollieren, wenn diese Befugnis offensichtlich durch hinreichend genaue und detaillierte Konkretisierungen und Einschränkungen zu Intensität, Häufigkeit und Selektivität der durchgeführten Kontrollen eingefasst ist, so dass gewährleistet ist, dass die praktische Ausübung dieser Befugnis nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben kann, was zu prüfen indes Sache des vorlegenden Gerichts ist.


( 1 ) ABl. C 357 vom 21.10.2019.