BESCHLUSS DES GERICHTSHOFS (Sechste Kammer)
26. September 2019(*)
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Freizügigkeit der Arbeitnehmer – Straßenverkehr – Zulassung von Kraftfahrzeugen – Fahrer mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat – Fahrzeug, das in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen ist – Fahrzeug, das dem Arbeitnehmer von seinem in diesem anderen Mitgliedstaat ansässigen Arbeitgeber zur Verfügung gestellt wird – Verpflichtung, bei einer Kontrolle den Nachweis über die rechtmäßige Nutzung eines solchen Fahrzeugs direkt vor Ort zu erbringen – Verhältnismäßigkeit“
In der Rechtssache C‑315/19
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Gericht Erster Instanz Eupen (Belgien) mit Entscheidung vom 28. März 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 16. April 2019, in dem Verfahren
YU
gegen
Wallonische Region
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin C. Toader sowie der Richter A. Rosas (Berichterstatter) und L. Bay Larsen,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund der nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,
folgenden
Beschluss
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 45, 49 und 56 AEUV.
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen YU und der Wallonischen Region (Belgien) wegen der von YU geleisteten Zahlung der Zulassungsteuer und eines aufgrund eines Verstoßes gegen die Regelung betreffend die Nutzung von in anderen Mitgliedstaaten zugelassenen Fahrzeugen im Königreich Belgien durch dort wohnhafte Personen gegen sie verhängten Bußgelds.
Rechtlicher Rahmen
3 Art. 3 § 2 Nr. 2 des Königlichen Erlasses vom 20. Juli 2001 zur Immatrikulierung der Fahrzeuge in seiner auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung (im Folgenden: Königlicher Erlass vom 20. Juli 2001) bestimmt:
„In den folgenden Fällen ist die Zulassung in Belgien von Fahrzeugen, die im Ausland zugelassen sind und von den in § 1 erwähnten Personen in Betrieb genommen werden, … nicht Pflicht …:
…
2. [für] Fahrzeuge, die eine natürliche Person für die Ausübung ihres Berufs und nebenbei für private Zwecke benutzt und die von einem ausländischen Arbeitgeber oder Auftraggeber, mit dem diese Person durch einen Arbeitsvertrag oder einen Auftrag verbunden ist, zur Verfügung gestellt werden; eine Kopie des Arbeitsvertrags oder Auftrags ist im Fahrzeug mitzuführen sowie ein durch den ausländischen Arbeitgeber oder Auftraggeber ausgestelltes Dokument, durch das bescheinigt wird, dass Letzterer das Fahrzeug dieser Person zur Verfügung gestellt hat“.
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
4 YU, wohnhaft in Belgien, wurde mit unbefristetem Arbeitsvertrag vom 29. August 2008 als Angestellte in der Abteilung Handel der Jost Management SA, ehemals Jost Logistics Luxembourg, mit Sitz in Weiswampach (Luxemburg) eingestellt.
5 Diese Gesellschaft stellte YU ab dem 9. Januar 2015 einen Firmenwagen zur Verfügung. Am 8. Januar 2018 erlitt dieses Fahrzeug bei einem Unfall einen Totalschaden.
6 Ab dem 31. Januar 2018 wurde YU von Jost Management ein Ersatzfahrzeug zur Verfügung gestellt.
7 Am 1. Februar 2018 wurde YU vom Öffentlichen Dienst der Wallonie kontrolliert, als sie am Steuer dieses Ersatzfahrzeugs saß. Bei dieser Kontrolle konnte sie die Dokumente, die gemäß dem Königlichen Erlass vom 20. Juli 2001 in einem im Ausland zugelassenen und von einem ausländischen Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Fahrzeug mitgeführt werden müssen, nicht vorlegen. YU erklärte, sie habe mit ihrem Firmenwagen einen Unfall erlitten und die Kopie ihres Arbeitsvertrags sowie die entsprechende Nutzungserlaubnis hätten sich in jenem Fahrzeug befunden. Sie wies darauf hin, dass sie ein Ersatzfahrzeug fahre und in diesem die erforderlichen Dokumente nicht mitführe.
8 Infolge dieser Kontrolle setzten die zuständigen Finanzbehörden des Öffentlichen Dienstes der Wallonie in einem Feststellungs- und Einbehaltungsprotokoll gegen YU Verkehrsteuer, Zuschlagszehntel hierauf, Zulassungsteuer und ein Bußgeld über insgesamt 817,17 Euro fest.
9 Am darauffolgenden Tag, dem 2. Februar 2018, legte YU dem Öffentlichen Dienst der Wallonie eine Kopie ihres Arbeitsvertrags sowie die Nutzungserlaubnis und den Leasingvertrag für das Fahrzeug vor.
10 Am 9. März 2018 legte YU Einspruch beim Öffentlichen Dienst der Wallonie ein und beantragte, das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Feststellungs- und Einbehaltungsprotokoll aufzuheben.
11 Mit Bescheid vom 15. März 2018 wurde dieser Einspruch mit der Begründung abgelehnt, dass durch die nach der Kontrolle vorgelegten Dokumente nicht rückwirkend nachgewiesen werden könne, dass YU zum Zeitpunkt der Kontrolle die Voraussetzungen des Art. 3 § 2 Nr. 2 des Königlichen Erlasses vom 20. Juli 2001 erfüllt habe.
12 Am 3. April 2018 erhob YU beim Gericht Erster Instanz Eupen (Belgien) Klage gegen diesen Bescheid.
13 YU ist der Ansicht, dass die Frage, ob ein Fahrzeug genutzt werden darf, obwohl die nach den belgischen Vorschriften erforderlichen Dokumente nicht mitgeführt werden, im Hinblick auf die im AEU-Vertrag verankerten Grundfreiheiten zu prüfen sei. Nach ihrer Auffassung steht die gegen sie festgesetzte Steuer nicht im Verhältnis zu dem mit dem Königlichen Erlass vom 20. Juli 2001 verfolgten Ziel. Der Zahlung eines Bußgelds wegen einer Ordnungswidrigkeit hätte sie zugestimmt, da sie die erforderlichen Dokumente bei der Kontrolle tatsächlich nicht mit sich geführt habe. Aber sie schulde nicht die gesamte Steuer, die fällig wäre, wenn sie die Voraussetzungen für die im Königlichen Erlass vom 20. Juli 2001 vorgesehene Ausnahme nicht erfüllen würde. Bei der Kopie des Arbeitsvertrags und der Nutzungserlaubnis handele es sich lediglich um Beweismittel, die den Behörden im Rahmen des Entscheidungsprozesses nachgereicht werden könnten. Gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofs dürften die Mitgliedstaaten Kontrollen durchführen und Steuern festsetzen. Gleichwohl sei es unverhältnismäßig, bei der Erhebung dieser Steuern von den Angestellten mit Firmenwagen zu verlangen, dass sie die gesamte Steuer wegen eines angeblichen Verstoßes gegen Art. 3 § 2 Nr. 2 des Königlichen Erlasses vom 20. Juli 2001 zahlten.
14 Dagegen ist die Wallonische Region der Auffassung, dass die Beamten anlässlich einer einfachen Kontrolle prüfen dürften, ob die fraglichen Unterlagen mitgeführt würden. Im vorliegenden Fall hätten die Beamten lediglich feststellen können, dass die im Königlichen Erlass vom 20. Juli 2001 genannten Dokumente nicht mitgeführt worden seien. Folglich könne sich YU nicht auf die in Art. 3 § 2 dieses Königlichen Erlasses vorgesehene Ausnahme berufen. Diese Vorschrift sei aufgrund ihres klaren Wortlauts eng auszulegen. Dem Wortlaut könne nicht entnommen werden, dass es sich bei den erforderlichen Dokumenten lediglich um Beweismittel handele, die später nachgereicht werden könnten, um damit die rechtswidrige Situation des Steuerpflichtigen zu beheben. Somit sei die Steuer zu erheben, wenn der Steuerpflichtige nicht beweisen könne, dass er befreit sei.
15 Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts steht es nicht im Verhältnis zu dem mit der Erhebung der Steuer verfolgten Ziel, die gesamte Steuer zu erheben und ein Bußgeld zu verhängen, obwohl die Befreiung anhand der nachgereichten Dokumente hätte überprüft werden können. Die Unverhältnismäßigkeit dieser Maßnahme könne eine Einschränkung in der Ausübung der Grundfreiheiten durch die Arbeitnehmer und Selbständigen darstellen, die einen Firmenwagen nutzten, der in einem anderen Mitgliedstaat als dem zugelassen sei, in dem die Kontrolle stattgefunden habe.
16 Unter diesen Umständen hat das Gericht Erster Instanz Eupen beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Steht eine nationale Regelung, so wie sie durch die Behörden angewandt wird, nämlich dass die Nutzung ohne erneute Anmeldepflicht eines ausländischen Firmenfahrzeugs, das einem in Belgien wohnhaften Personalmitglied von einem in einem anderen EU-Mitgliedstaat niedergelassenen Arbeitgeber zur Verfügung gestellt wird, davon abhängig gemacht wird, dass dieses Personalmitglied den Arbeitsvertrag und einen Beweis der Zurverfügungstellung im Fahrzeug mit sich führt, d. h. eine Bescheinigung im Sinne des Art. 3 § 2 Nr. 2 des Königlichen Erlasses vom 20. Juli 2001 zur Immatrikulierung der Fahrzeuge, den einschlägigen europäischen Rechtsnormen entgegen und insbesondere Art. 45 AEUV (Arbeitnehmerfreizügigkeit), Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (freier Dienstleistungsverkehr)?
2. Ist eine nationale Regelung, so wie hiervor beschrieben und umgesetzt durch die Wallonische Region, durch Erfordernisse der öffentlichen Sicherheit oder anderer Schutzmaßnahmen gerechtfertigt, und ist die Einhaltung der nationalen Regelung, welche so ausgelegt wird, dass sie zwingend vorsieht, dass sowohl ein Arbeitsvertrag als auch eine Bescheinigung mitgeführt werden müssen, erforderlich, um das angestrebte Ziel zu erreichen, oder hätte das Ziel auch anders und mit weniger strikten und formalistischen Mitteln erreicht werden können?
Zu den Vorlagefragen
17 Gemäß Art. 99 seiner Verfahrensordnung kann der Gerichtshof, wenn die Antwort auf eine zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage klar aus der Rechtsprechung abgeleitet werden kann oder die Beantwortung einer solchen Frage keinen Raum für vernünftige Zweifel lässt, auf Vorschlag des Berichterstatters und nach Anhörung des Generalanwalts jederzeit die Entscheidung treffen, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden.
18 Diese Bestimmung ist in der vorliegenden Rechtssache anzuwenden.
19 Zunächst ist in Bezug auf die auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Vertragsbestimmungen festzuhalten, dass das vorlegende Gericht wissen möchte, wie die Art. 45, 49 und 56 AEUV auszulegen sind. Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass es im Ausgangsverfahren um die Situation einer Angestellten geht, die Arbeitnehmerin im Sinne von Art. 45 AEUV ist. Die Entscheidung enthält keine Angaben, durch die ein Bezug zwischen der Situation des Ausgangsverfahrens und der Ausübung der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 AEUV oder der Niederlassungsfreiheit nach Art. 56 AEUV hergestellt werden könnte.
20 Angesichts dessen sind die Art. 49 und 56 AEUV nicht einschlägig für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens.
21 Folglich sind die Vorlagefragen, die gemeinsam zu prüfen sind, dahin umzuformulieren, dass geklärt werden soll, ob Art. 45 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach sich ein dort wohnhafter Arbeitnehmer nur dann auf eine Ausnahme von der Verpflichtung, ein ihm von seinem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Arbeitgeber zur Verfügung gestelltes und dort zugelassenes Fahrzeug in seinem Wohnsitzmitgliedstaat zuzulassen, berufen kann, wenn die Dokumente, die das Vorliegen der Voraussetzung für diese Ausnahme belegen, stets von ihm im Fahrzeug mitgeführt werden.
22 Insoweit ist daran zu erinnern, dass Art. 45 AEUV jeder Maßnahme entgegensteht, die, auch wenn sie ohne Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit gilt, geeignet ist, die Ausübung der durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten durch die Unionsangehörigen zu behindern oder weniger attraktiv zu machen. Somit ist auch eine geringfügige oder unbedeutende Beschränkung der Freizügigkeit gemäß Art. 45 AEUV verboten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 31. Mai 2017, U, C‑420/15, EU:C:2017:408, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).
23 Was insbesondere die Regelungen zur Zulassung von Fahrzeugen angeht, ist daran zu erinnern, dass durch die Verpflichtung, einen Firmenwagen, der einer Angestellten wie YU von einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen zur Verfügung gestellt wird, in einem Mitgliedstaat zuzulassen, die Arbeitnehmerfreizügigkeit beschränkt wird (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 10. Oktober 2013, Kovács, C‑5/13, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:705, Rn. 23, und Urteil vom 31. Mai 2017, U, C‑420/15, EU:C:2017:408, Rn. 21 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
24 Die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung scheint keine solche Zulassungsverpflichtung vorzusehen. Wie aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, sieht diese Regelung für Firmenwagen, die einer Arbeitnehmerin wie YU zur Verfügung gestellt werden, eine Ausnahme vor, deren Vorliegen jedoch bei einer Kontrolle durch die Vorlage bestimmter Dokumente nachzuweisen ist.
25 Diese Regelung schreibt vor, dass ein Arbeitnehmer in dem ihm von seinem in einem anderen Mitgliedstaat als dem Königreich Belgien ansässigen Unternehmen zur Verfügung gestellten Firmenwagen stets bestimmte Dokumente mitführen muss, die belegen, dass er von der Zulassungsverpflichtung befreit ist und die Voraussetzung für diese Befreiung erfüllt sind.
26 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist eine solche Verpflichtung an sich nicht geeignet, den Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats daran zu hindern oder davon abzuhalten, sein Herkunftsland zu verlassen, um von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Oktober 2013, Kovács, C‑5/13, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:705, Rn. 26).
27 In Bezug auf die Sanktion, die für den Fall vorgesehen ist, dass dieser Verpflichtung nicht nachgekommen wird, ist allerdings darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine offensichtlich unverhältnismäßige Sanktion für die Nichterfüllung der rechtlichen Formalitäten durch die betroffene Person eine Beschränkung der Freizügigkeit darstellen kann (Beschluss vom 10. Oktober 2013, Kovács, C‑5/13, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:705, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).
28 Der Gerichtshof hat insoweit ausgeführt, dass es als offensichtlich unverhältnismäßig anzusehen ist, wenn für den Verstoß gegen die Verpflichtung, stets die Dokumente zum Nachweis über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Ausnahme von der Zulassungsverpflichtung für ein Fahrzeug mitzuführen, dasselbe Bußgeld verhängt wird, das bei einem Verstoß gegen die Zulassungsverpflichtung fällig würde, da der erstgenannte Verstoß deutlich weniger schwer wiege als die Nichtzulassung eines Fahrzeugs (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 10. Oktober 2013, Kovács, C‑5/13, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:705, Rn. 28).
29 Im Ausgangsverfahren wird der Verstoß gegen die Pflicht, die Dokumente, anhand deren das Recht der betroffenen Person auf Befreiung von der Zulassungsverpflichtung nachgewiesen werden kann, stets im Fahrzeug mitzuführen, nicht nur mit einem Bußgeld geahndet, sondern hat auch die Verpflichtung zur Folge, alle mit der Benutzung eines Fahrzeugs im Straßenverkehr verbundenen Steuern zu zahlen. Diese Sanktion, die die vollständige Zahlung all dieser Steuern vorsieht, entspricht in ihren Rechtsfolgen einem Festhalten an der Zulassungsverpflichtung (vgl. entsprechend Beschluss vom 10. Oktober 2013, Kovács, C‑5/13, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:705, Rn. 29).
30 Eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende ist also – wie die Zulassungsverpflichtung selbst – als eine Beschränkung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer anzusehen (vgl. entsprechend Beschluss vom 10. Oktober 2013, Kovács, C‑5/13, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:705, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).
31 Eine solche Beschränkung ist nur statthaft, wenn mit ihr ein berechtigtes und mit dem Vertrag zu vereinbarendes Ziel verfolgt wird und wenn sie durch zwingende Gründe des öffentlichen Interesses gerechtfertigt ist. In einem derartigen Fall muss die Anwendung einer solchen Maßnahme zudem geeignet sein, die Verwirklichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was zu seiner Erreichung erforderlich ist (Beschluss vom 10. Oktober 2013, Kovács, C‑5/13, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:705, Rn. 31, und Urteil vom 29. Oktober 2015, Nagy, C‑583/14, EU:C:2015:737, Rn. 31).
32 Allerdings ist festzustellen, dass die mit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung verfolgten Ziele nicht eindeutig aus der Vorlageentscheidung hervorgehen. Das vorlegende Gericht beschränkt sich darauf, sich in seiner zweiten Frage auf Erfordernisse der öffentlichen Sicherheit und anderer Schutzmaßnahmen zu berufen.
33 Insoweit ist daran zu erinnern, dass insbesondere in Bezug auf die Ziele der Bekämpfung des Steuerbetrugs in den Bereichen der Zulassungsteuer und der Kfz-Steuer sowie der Wirksamkeit von Verkehrskontrollen nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Vorschrift, die der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entspricht und wonach es – wie im vorliegenden Fall – der betroffenen Person nicht erlaubt war, die Dokumente, aus denen hervorgeht, dass die betroffene Person die Voraussetzungen für die Ausnahme von der Zulassungspflicht für die Fahrzeuge erfüllt, kurz nach der Kontrolle nachzureichen, und die ihr somit jede Möglichkeit nahm, die rechtswidrige Situation zu beheben, nicht im Verhältnis zu diesen Zielen steht (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 10. Oktober 2013, Kovács, C‑5/13, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:705, Rn. 33 bis 38, und Urteil vom 29. Oktober 2015, Nagy, C‑583/14, EU:C:2015:737, Rn. 32 bis 34).
34 Im Übrigen ergibt sich in Bezug auf das Ziel der Verhinderung von Missbrauch aus der Rechtsprechung, dass zwar die missbräuchliche oder betrügerische Berufung auf Unionsrecht nicht gestattet ist, dass aber eine allgemeine Missbrauchsvermutung nicht darauf gestützt werden kann, dass ein Arbeitnehmer mit Wohnsitz in Belgien in diesem Mitgliedstaat einen Firmenwagen nutzt, der ihm von dem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen, bei dem er angestellt ist, zur Verfügung gestellt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Dezember 2005, Nadin und Nadin-Lux, C‑151/04 und C‑152/04, EU:C:2005:775, Rn. 45 und 46).
35 Ebenso wenig kann im vorliegenden Fall die Verkehrssicherheit geltend gemacht werden, da das fragliche Fahrzeug in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen ist und daher einer technischen Kontrolle unterzogen wurde, deren Ergebnisse von den anderen Mitgliedstaaten anzuerkennen sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. Dezember 2005, Nadin und Nadin-Lux, C‑151/04 und C‑152/04, EU:C:2005:775, Rn. 50, sowie vom 24. Januar 2019, RDW u. a., C‑326/17, EU:C:2019:59, Rn. 67).
36 Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 45 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach ein dort wohnhafter Arbeitnehmer sich nur dann auf eine Ausnahme von der Verpflichtung berufen kann, ein ihm von seinem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Arbeitgeber zur Verfügung gestelltes und dort zugelassenes Fahrzeug in seinem Wohnsitzmitgliedstaat zuzulassen, wenn die Dokumente, die das Vorliegen der Voraussetzung für diese Ausnahme belegen, stets von ihm im Fahrzeug mitgeführt werden.
Kosten
37 Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahren; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) für Recht erkannt:
Art. 45 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach ein dort wohnhafter Arbeitnehmer sich nur dann auf eine Ausnahme von der Verpflichtung berufen kann, ein ihm von seinem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Arbeitgeber zur Verfügung gestelltes und dort zugelassenes Fahrzeug in seinem Wohnsitzmitgliedstaat zuzulassen, wenn die Dokumente, die das Vorliegen der Voraussetzung für diese Ausnahme belegen, stets von ihm im Fahrzeug mitgeführt werden.
Unterschriften
* Verfahrenssprache: Deutsch.