URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)
2. September 2021 ( *1 )
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung – Richtlinie (EU) 2015/849 – Richtlinie 2005/60/EG – Straftat der Geldwäsche – Geldwäsche durch den Täter der Vortat (‚Selbstgeldwäsche‘)“
In der Rechtssache C‑790/19
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Curtea de Apel Braşov (Berufungsgerichtshof Braşov, Rumänien) mit Entscheidung vom 14. Oktober 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 24.Oktober 2019, in dem Verfahren
Parchetul de pe lângă Tribunalul Braşov
gegen
LG,
MH,
Beteiligte:
Agenţia Naţională de Administrare Fiscală – Direcţia Generală Regională a Finanţelor Publice Braşov,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, der Richter A. Kumin, T. von Danwitz und P. G. Xuereb sowie der Richterin I. Ziemele (Berichterstatterin),
Generalanwalt: G. Hogan,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– |
des Parchetul de pe lângă Tribunalul Braşov, vertreten durch C. Constantin Sandu als Bevollmächtigten, |
– |
der rumänischen Regierung, vertreten durch E. Gane und L. Liţu als Bevollmächtigte, |
– |
der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, J. Vláčil und L. Dvořáková als Bevollmächtigte, |
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der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigte, |
– |
der Europäischen Kommission, zunächst vertreten durch T. Scharf, M. Wasmeier, R. Troosters und L. Nicolae, dann durch T. Scharf, M. Wasmeier und L. Nicolae als Bevollmächtigte, |
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. Januar 2021
folgendes
Urteil
1 |
Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie (EU) 2015/849 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinie 2006/70/EG der Kommission (ABl. 2015, L 141, S. 73). |
2 |
Es ergeht im Rahmen eines gegen LG und MH geführten Strafverfahrens wegen Täterschaft bzw. Teilnahme an der Straftat der Geldwäsche. |
Rechtlicher Rahmen
Recht des Europarats
Protokoll Nr. 7 zur EMRK
3 |
In Art. 4 („Recht, wegen derselben Sache nicht zweimal vor Gericht gestellt oder bestraft zu werden“) des Protokolls Nr. 7 zu der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) heißt es: „(1) Niemand darf wegen einer Straftat, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut verfolgt oder bestraft werden. …“ |
Straßburger Übereinkommen
4 |
Art. 1 Buchst. a des Übereinkommens über Geldwäsche sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten, unterzeichnet in Straßburg am 8. November 1990 (Sammlung Europäischer Verträge, Nr. 141) (im Folgenden: Straßburger Übereinkommen) bestimmt: „Im Sinne dieses Übereinkommens
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5 |
Art. 6 Abs. 1 und 2 dieses Übereinkommens bestimmt: „(1) Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen gesetzgeberischen und anderen Maßnahmen, um folgende Handlungen, wenn vorsätzlich begangen, nach ihrem innerstaatlichen Recht als Straftaten zu umschreiben:
… (2) Für die Zwecke der Durchführung oder Anwendung des Absatzes 1: …
…“ |
Warschauer Übereinkommen
6 |
Das Übereinkommen des Europarats über Geldwäsche sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten und über die Finanzierung des Terrorismus, unterzeichnet in Warschau am 16. Mai 2005 (Sammlung Europäischer Verträge, Nr. 198), das am 1. Mai 2008 in Kraft getreten ist (im Folgenden: Warschauer Übereinkommen), enthält in Art. 1 Buchst. a die gleiche Definition des Ausdrucks „Ertrag“ wie das Straßburger Übereinkommen. |
7 |
Art. 9 Abs. 1 und 2 dieses Übereinkommens lautet: „(1) Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen gesetzgeberischen und anderen Maßnahmen, um folgende Handlungen, wenn vorsätzlich begangen, nach ihrem innerstaatlichen Recht als Straftaten zu umschreiben:
… (2) Für die Zwecke der Durchführung oder Anwendung des Absatzes 1: …
…“ |
Erläuternde Berichte zum Straßburger Übereinkommen und zum Warschauer Übereinkommen
8 |
In den erläuternden Berichten zum Straßburger Übereinkommen und zum Warschauer Übereinkommen heißt es, dass Art. 6 Abs. 2 Buchst. b des Straßburger Übereinkommens und Art. 9 Abs. 2 Buchst. b des Warschauer Übereinkommens dem Umstand Rechnung tragen, dass in einigen Staaten der Täter der Haupttat gemäß den Grundprinzipien des innerstaatlichen Strafrechts keine weitere Straftat begeht, wenn er die Erträge aus dieser Haupttat wäscht, während in anderen Staaten bereits entsprechende Rechtsvorschriften erlassen wurden. |
Unionsrecht
Rahmenbeschluss 2001/500/JI
9 |
Art. 1 des Rahmenbeschlusses 2001/500/JI des Rates vom 26. Juni 2001 über Geldwäsche sowie Ermittlung, Einfrieren, Beschlagnahme und Einziehung von Tatwerkzeugen und Erträgen aus Straftaten (ABl. 2001, L 182, S. 1) bestimmt: „Zur intensiveren Bekämpfung der organisierten Kriminalität ergreifen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, damit zu den folgenden Artikeln des [Straßburger Übereinkommens] keine Vorbehalte geltend gemacht oder aufrechterhalten werden: …
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10 |
Art. 2 des Rahmenbeschlusses lautet: „Jeder Mitgliedstaat ergreift in Kohärenz mit seinem Strafensystem die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die in Artikel 6 Absatz 1 Buchstaben a) und b) des [Straßburger Übereinkommens] genannten Straftaten, wie sie sich aus Artikel 1 Buchstabe b) dieses Rahmenbeschlusses ergeben, mit Freiheitsstrafen belegt werden können, die im Höchstmaß nicht unter vier Jahren liegen dürfen.“ |
Richtlinie 2005/60/EG
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Die Erwägungsgründe 1, 5 und 48 der Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung (ABl. 2005, L 309, S. 15) lauteten:
…
…
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12 |
Art. 1 Abs. 1 und 2 der Richtlinie bestimmte: „(1) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung untersagt werden. (2) Als Geldwäsche im Sinne dieser Richtlinie gelten die folgenden Handlungen, wenn sie vorsätzlich begangen werden:
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13 |
Nach Art. 5 der Richtlinie 2005/60 konnten „[d]ie Mitgliedstaaten … zur Verhinderung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung strengere Vorschriften auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen oder beibehalten.“ |
Richtlinie 2015/849
14 |
Art. 1 der Richtlinie 2015/849 bestimmt: „(1) Ziel dieser Richtlinie ist die Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems der Union zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung. (2) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung untersagt werden. (3) Als Geldwäsche im Sinne dieser Richtlinie gelten die folgenden Handlungen, wenn sie vorsätzlich begangen werden:
…“ |
Richtlinie (EU) 2018/1673
15 |
Die Erwägungsgründe 1 und 11 der Richtlinie (EU) 2018/1673 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2018 über die strafrechtliche Bekämpfung der Geldwäsche (ABl. 2018, L 284, S. 22) lauten:
…
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16 |
Art. 3 („Straftatbestände der Geldwäsche“) der Richtlinie bestimmt: „(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die vorsätzliche Begehungsweise folgender Handlungen unter Strafe gestellt ist:
(2) Die Mitgliedstaaten können die erforderlichen Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass eine Handlung nach Absatz 1 strafbar ist, wenn der Täter den Verdacht hatte oder ihm bekannt hätte sein müssen, dass die Vermögensgegenstände aus einer kriminellen Tätigkeit stammen. … (5) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass eine Handlung nach Absatz 1 Buchstaben a und b unter Strafe gestellt wird, wenn sie von Personen verübt wird, die an der kriminellen Tätigkeit, aus der die Vermögensgegenstände stammen, als Täter oder in anderer Weise beteiligt waren.“ |
17 |
Nach Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie setzen die Mitgliedstaaten die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um der Richtlinie bis zum 3. Dezember 2020 nachzukommen. |
Rumänisches Recht
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Mit der Legea nr. 656/2002 pentru prevenirea și sancționarea spălării banilor, precum și pentru instituirea unor măsuri de prevenire și combatere a finanțării terorismului (Gesetz Nr. 656/2002 zur Vermeidung und Bestrafung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung) vom 7. Dezember 2002 (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 904 vom 12. Dezember 2002) in ihrer im Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung (im Folgenden: Gesetz Nr. 656/2002) wurde u. a. die Richtlinie 2005/60 in rumänisches Recht umgesetzt. |
19 |
Art. 29 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 656/2002 lautet: „(1) Folgende Handlungen erfüllen den Straftatbestand der Geldwäsche und werden mit Freiheitsstrafe von drei bis zwölf Jahren bestraft:
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Ausgangsverfahren und Vorlagefrage
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Am 15. November 2018 verurteilte das Tribunalul Brașov (Landgericht Brașov, Rumänien) LG wegen der Straftat der Geldwäsche im Sinne von Art. 29 Abs. 1 Buchst. a des Gesetzes Nr. 656/2002 in 80 Fällen, begangen in den Jahren 2009 bis 2013, zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die betreffenden Gelder stammten aus einer von LG begangenen Steuerhinterziehung. Die Strafverfolgung wegen dieser Steuerhinterziehung wurde beendet, nachdem LG die geschuldeten Beträge nachgezahlt hatte. |
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Dieses Gericht stellte fest, dass LG im Zeitraum von 2009 bis 2013 in die Buchführung einer Gesellschaft, deren Geschäftsführer er gewesen sei, Steuerunterlagen, die die Einnahme von Zahlungen belegten, nicht aufgenommen habe, was nach rumänischem Recht den Tatbestand der „Steuerhinterziehung“ erfülle. Die aus der Steuerhinterziehung stammenden Geldbeträge seien auf das Konto einer anderen Gesellschaft, deren Geschäftsführerin MH gewesen sei, transferiert und anschließend von LG und MH abgehoben worden. Diesem Transfer habe eine Forderungsabtretungsvereinbarung zwischen LG, der Gesellschaft, deren Geschäftsführer er gewesen sei, und der Gesellschaft, deren Geschäftsführerin MH gewesen sei, zugrunde gelegen. Aufgrund dieser Abtretungsvereinbarung seien die Beträge, die die Gesellschaft, deren Geschäftsführer LG gewesen sei, LG geschuldet habe, von den Kunden dieser Gesellschaft auf das Bankkonto der Gesellschaft, deren Geschäftsführerin MH gewesen sei, eingezahlt worden. |
22 |
Das Tribunalul Brașov (Landgericht Brașov) stellte weiter fest, dass LG bei der Begehung der Straftat der Geldwäsche von MH unterstützt worden sei, sprach sie jedoch frei, da die Voraussetzung der Zurechenbarkeit der Straftat nicht erfüllt sei, weil nicht erwiesen sei, dass MH gewusst habe, dass LG aus einer Steuerhinterziehung stammende Gelder gewaschen habe. |
23 |
Der Parchetul de pe lângă Tribunalul Brașov (Staatsanwaltschaft beim Landgericht Brașov, Rumänien) (im Folgenden: Staatsanwaltschaft), LG und die Nebenklägerin Agenția Națională de Administrare Fiscală, Direcția Generală Regională a Finanțelor Publice Brașov (Staatliche Steuerverwaltungsagentur, Regionale Generaldirektion für öffentliche Finanzen Brașov, Rumänien) legten am 13. Dezember 2018 Berufung gegen das Urteil des Tribunalul Brașov (Landgericht Brașov) bei der Curtea de Apel Brașov (Berufungsgericht Brașov, Rumänien) ein. |
24 |
LG nahm seine Berufung später zurück. Die Berufung der Staatsanwaltschaft betrifft u. a. die Begründetheit des Freispruchs von MH vom Straftatbestand der Teilnahme an der Geldwäsche. Die Nebenklägerin beanstandet ihrerseits die Behandlung der Zivilklage, die der öffentlichen Anklage nachfolgte, in Bezug auf den Betrag des Schadensersatzes, zu dessen Zahlung der Angeklagte verurteilt worden war. |
25 |
Das vorlegende Gericht erläutert, dass es, obwohl die Richtlinie 2015/849 nicht innerhalb der gesetzten Frist in rumänisches Recht umgesetzt worden sei, um die Auslegung dieser Richtlinie ersuche, da sie den Straftatbestand der Geldwäsche in gleicher Weise wie die Richtlinie 2005/60 definiere, die zu der im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeit in Kraft gewesen und durch das Gesetz Nr. 656/2002 in rumänisches Recht umgesetzt worden sei. |
26 |
Art. 1 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2015/849 sei dahin auszulegen, dass der Täter der Geldwäsche, bei der es sich ihrem Wesen nach um eine Nachtat handele, die einer Vortat nachfolge, nicht Täter dieser Vortat sein könne. |
27 |
Eine solche Auslegung ergebe sich aus den Erwägungsgründen, aus Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2015/849 und aus einer grammatikalischen, semantischen und teleologischen Analyse der Wendung „in Kenntnis der Tatsache, dass diese Gegenstände aus einer kriminellen Tätigkeit … stammen“, die nur sinnvoll sei, wenn der Täter der Vortat nicht derjenige der Geldwäsche sei. Außerdem beziehe sich der letzte Satzteil in Art. 1 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2015/849 („oder der Unterstützung von Personen, die an einer solchen Tätigkeit beteiligt sind, damit diese den Rechtsfolgen ihrer Tat entgehen“) nicht auf den Täter der Geldwäsche, sondern auf den Täter der Vortat. |
28 |
Die Annahme, dass der Täter der Vortat auch den Tatbestand der Geldwäsche erfüllen könnte, liefe außerdem auf einen Verstoß gegen den Grundsatz ne bis in idem hinaus. |
29 |
Vor diesem Hintergrund hat die Curtea de Apel Brașov (Berufungsgericht Brașov) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Ist Art. 1 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2015/849 dahin auszulegen, dass die Person, die die materielle Handlung vornimmt, die den Tatbestand der Geldwäsche erfüllt, immer eine andere Person ist als diejenige, die die Vortat begeht (die vorgelagerte Tat, aus der das Geld stammt, das Gegenstand der Geldwäsche ist)? |
Verfahren vor dem Gerichtshof
30 |
Mit Schreiben vom 6. Januar 2020 hat der Gerichtshof das vorlegende Gericht ersucht, zu bestätigen, dass LG seine Berufung gegen das Urteil des Tribunalul Braşov (Landgericht Braşov) vom 15. November 2018 zurückgenommen hat, und, wenn dies zutreffen sollte, zu erläutern, inwieweit die Antwort auf die Vorlagefrage für die Entscheidung im Ausgangsverfahren noch erforderlich ist. |
31 |
In seiner Antwort auf dieses Schreiben, die am 16. Januar 2020 beim Gerichtshof eingegangen ist, hat das vorlegende Gericht bestätigt, dass LG die Berufung zurückgenommen habe. Diese Rücknahme wirke sich jedoch nicht auf die Relevanz des Vorabentscheidungsersuchens aus, da auch die Staatsanwaltschaft und die Nebenklägerin Berufung eingelegt hätten. Deren Prüfung erfordere, dass das vorlegende Gericht darüber entscheide, ob bei dem LG und MH vorgeworfenen Sachverhalt Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit und Zurechenbarkeit im Hinblick auf die Straftat der Geldwäsche vorlägen, so dass die Entscheidung in der Sache selbst von der Antwort auf die Vorlagefrage abhänge. |
32 |
Außerdem werde das vorlegende Gericht im Ausgangsverfahren in letzter Instanz entscheiden. |
Zum Vorabentscheidungsersuchen
Zur Zulässigkeit
33 |
Die rumänische Regierung hält das Vorabentscheidungsersuchen für unzulässig. Sie macht zunächst geltend, dass das vorlegende Gericht infolge der Rücknahme der von LG eingelegten Berufung nicht mehr über seine Verurteilung wegen Geldwäsche zu entscheiden habe. Daher sei nicht dargetan, dass die Antwort auf die Vorlagefrage für die Entscheidung im Ausgangsverfahren von Nutzen sei. |
34 |
Sodann erscheine die Darstellung des dem Ausgangsverfahren zugrunde liegenden Sachverhalts unklar, so dass zu bezweifeln sei, dass der Gerichtshof über alle erforderlichen Angaben verfüge, um eine Entscheidung treffen zu können. |
35 |
Schließlich gebe es entgegen dem Vorbringen des vorlegenden Gerichts in der rumänischen Rechtsprechung keine unterschiedlichen Auslegungen von Art. 29 Abs. 1 Buchst. a des Gesetzes Nr. 656/2002, der den Wortlaut von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2005/60 übernehme. |
36 |
Hierzu ist festzustellen, dass es nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs im Rahmen der durch Art. 267 AEUV geschaffenen Zusammenarbeit zwischen ihm und den nationalen Gerichten allein Sache des mit dem Ausgangsverfahren befassten nationalen Gerichts ist, in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, anhand der Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung zum Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof von ihm vorgelegten Fragen zu beurteilen. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über die ihm vorgelegten Fragen zu befinden, wenn sie die Auslegung des Unionsrechts betreffen (Urteil vom 24. November 2020, Openbaar Ministerie [Urkundenfälschung], C‑510/19, EU:C:2020:953, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
37 |
Infolgedessen spricht eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Fragen zum Unionsrecht. Der Gerichtshof kann die Beantwortung einer Vorlagefrage eines nationalen Gerichts nur ablehnen, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteil vom 24. November 2020, Openbaar Ministerie [Urkundenfälschung], C‑510/19, EU:C:2020:953, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
38 |
Wie sich bereits aus dem Wortlaut von Art. 267 AEUV ergibt, muss die beantragte Vorabentscheidung insbesondere „erforderlich“ sein, um dem vorlegenden Gericht den „Erlass seines Urteils“ in der bei ihm anhängigen Rechtssache zu ermöglichen. Das Vorabentscheidungsverfahren setzt daher insbesondere voraus, dass bei dem nationalen Gericht tatsächlich ein Rechtsstreit anhängig ist, in dem er eine Entscheidung erlassen muss, bei der die Vorabentscheidung berücksichtigt werden kann (Urteil vom 24. November 2020, Openbaar Ministerie [Urkundenfälschung], C‑510/19, EU:C:2020:953, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
39 |
Im vorliegenden Fall geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen sowie aus der Antwort des vorlegenden Gerichts auf die vom Gerichtshof mit Schreiben vom 6. Januar 2020 gestellte Frage hervor, dass beim vorlegenden Gericht ein Strafverfahren anhängig ist und es der Ansicht ist, dass es für die Entscheidung in diesem Verfahren im Wesentlichen über die Frage zu entscheiden habe, ob der Täter der Geldwäsche auch der Täter der Vortat sein könne. Das vorlegende Gericht kann folglich die Antwort auf die Vorlagefrage berücksichtigen. |
40 |
Daher ist nicht offensichtlich, dass die erbetene Auslegung des Unionsrechts in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsverfahrens steht oder dass das Problem hypothetischer Natur ist. |
41 |
Ferner ermöglicht die Schilderung des dem Ausgangsverfahren zugrunde liegenden Sachverhalts, auch wenn sie sehr knapp und nicht völlig eindeutig ist, es gleichwohl, die Problematik des Ausgangsverfahrens zu erfassen. Im Übrigen hat sie es der rumänischen, der tschechischen und der polnischen Regierung sowie der Europäischen Kommission ermöglicht, gemäß Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union Erklärungen abzugeben. |
42 |
Folglich ist das Vorabentscheidungsersuchen zulässig. |
Zur Vorlagefrage
43 |
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof nach ständiger Rechtsprechung, um dem Gericht, das ihm eine Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt hat, eine sachdienliche Antwort zu geben, veranlasst sein kann, unionsrechtliche Vorschriften zu berücksichtigen, die das nationale Gericht in seiner Frage nicht angeführt hat (Urteil vom 25. April 2013, Jyske Bank Gibraltar, C‑212/11, EU:C:2013:270, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
44 |
Im vorliegenden Fall ist, auch wenn sich die Frage des vorlegenden Gerichts auf Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2015/849 bezieht, festzustellen, dass LG, wie aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervorgeht, wegen Geldwäsche nach Art. 29 Abs. 1 Buchst. a des Gesetzes Nr. 656/2002 verurteilt wurde, mit dem Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2005/60, die zu der im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeit in Kraft war, in rumänisches Recht umgesetzt wurde. |
45 |
Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Bestimmungen von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2005/60 im Wesentlichen denen von Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2015/849 entsprechen. |
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Unter diesen Umständen ist, um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, die Vorlagefrage so zu verstehen, dass mit ihr im Wesentlichen geklärt werden soll, ob Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2005/60 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der die Straftat der Geldwäsche im Sinne dieser Bestimmung vom Urheber der kriminellen Tätigkeit, aus der die betreffenden Gelder stammen, begangen werden kann. |
47 |
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs sind bei der Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (Urteil vom 26. September 2018, Baumgartner, C‑513/17, EU:C:2018:772, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
48 |
Nach Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2005/60 sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung untersagt werden. In Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie sind die Handlungen aufgeführt, die, wenn sie vorsätzlich begangen werden, den Straftatbestand der Geldwäsche im Sinne der Richtlinie 2005/60 begründen. |
49 |
Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2005/60 betrifft den Umtausch oder Transfer von Vermögensgegenständen in Kenntnis der Tatsache, dass diese Gegenstände aus einer kriminellen Tätigkeit oder aus der Teilnahme an einer solchen Tätigkeit stammen, zum Zwecke der Verheimlichung oder Verschleierung des illegalen Ursprungs der Vermögensgegenstände oder der Unterstützung von Personen, die an einer solchen Tätigkeit beteiligt sind, damit diese den Rechtsfolgen ihrer Tat entgehen. |
50 |
Aus dem Wortlaut von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2005/60 geht hervor, dass eine Person, damit sie als Täter der Geldwäsche im Sinne dieser Bestimmung gelten kann, wissen muss, dass die Vermögensgegenstände aus einer kriminellen Tätigkeit oder der Teilnahme an einer solchen Tätigkeit stammen. |
51 |
Diese Voraussetzung besagt jedoch nur, dass der Täter der Geldwäsche von dem kriminellen Ursprung der betreffenden Gelder wissen muss. Da sie bei dem Urheber der kriminellen Tätigkeit, aus der die Gelder stammen, zwangsläufig erfüllt ist, schließt sie nicht aus, dass er Täter der Geldwäsche im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2005/60 sein kann. |
52 |
Aus dem Wortlaut von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2005/60 ergibt sich ferner, dass die dort genannte materielle Handlung u. a. im Umtausch oder Transfer von Vermögensgegenständen zum Zwecke der Verheimlichung oder Verschleierung ihres illegalen Ursprungs besteht. |
53 |
Da ein solches Verhalten eine mögliche materielle Handlung darstellt, die sich im Unterschied zum bloßen Besitz oder Gebrauch dieser Vermögensgegenstände nicht automatisch aus der kriminellen Tätigkeit ergibt, aus der die Vermögensgegenstände stammen, kann sie sowohl vom Urheber der kriminellen Tätigkeit, aus der die betreffenden Gelder stammen, als auch von einem Dritten begangen werden. |
54 |
Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass es nach dem Wortlaut von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2005/60 nicht ausgeschlossen ist, dass der Täter der Vortat, aus der die gewaschenen Gelder stammen, nach dieser Bestimmung auch der Täter der Geldwäsche sein kann. |
55 |
Zum normativen Kontext der Richtlinie 2005/60 ist festzustellen, dass bei ihrem Erlass der Rahmenbeschluss 2001/500 in Kraft war. Nach dessen Art. 1 Buchst. b müssen die Mitgliedstaaten zur intensiveren Bekämpfung der organisierten Kriminalität die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, damit u. a. zu Art. 6 Abs. 1 Buchst. a des Straßburger Übereinkommens keine Vorbehalte geltend gemacht oder aufrechterhalten werden, sofern schwere Straftaten betroffen sind, und auf jeden Fall bei Straftaten, die mit einer Freiheitsstrafe oder einer die Freiheit beschränkenden Maßregel der Sicherung und Besserung im Höchstmaß von mehr als einem Jahr, oder – in Staaten, deren Rechtssystem ein Mindeststrafmaß für Straftaten vorsieht – die mit einer Freiheitsstrafe oder einer die Freiheit beschränkenden Maßregel der Sicherung und Besserung von mindestens mehr als sechs Monaten belegt werden können. |
56 |
Nach Art. 6 Abs. 1 des Straßburger Übereinkommens trifft jede Vertragspartei die „gesetzgeberischen und anderen Maßnahmen“, die erforderlich sind, um den in dieser Bestimmung aufgeführten Handlungen, wenn sie vorsätzlich begangen werden, nach ihrem innerstaatlichen Recht als Straftaten zu umschreiben. Der Tatbestand der Geldwäsche ist in Art. 6 Abs. 1 Buchst. a des Straßburger Übereinkommens im Wesentlichen der gleiche wie in Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2005/60. |
57 |
Nach Art. 6 Abs. 2 Buchst. b des Straßburger Übereinkommens können die Vertragsparteien vorsehen, dass die in Art. 6 Abs. 1 des Übereinkommens genannten Straftatbestände nicht auf die Personen Anwendung finden, die die Haupttat begangen haben. Wie aus dem erläuternden Bericht zu diesem Übereinkommen hervorgeht, trägt diese Bestimmung dem Umstand Rechnung, dass in einigen Staaten der Täter der Haupttat gemäß den Grundprinzipien des innerstaatlichen Strafrechts keine weitere Straftat begeht, wenn er die Erträge aus dieser Haupttat wäscht. |
58 |
Daraus folgt, dass es zum Zeitpunkt des Erlasses der Richtlinie 2005/60 aus der Sicht des Straßburger Übereinkommens zulässig war, die in Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2005/60 genannten Handlungen in Bezug auf den Täter der Haupttat unter Strafe zu stellen, dass es den Mitgliedstaaten aber freistand, in ihrem Strafrecht davon abzusehen. Dies gilt im Übrigen gleichermaßen für das Warschauer Übereinkommen, nach dessen Art. 9 Abs. 2 Buchst. b vorgesehen werden kann, dass die in Art. 9 Abs. 1 genannten Straftatbestände nicht auf die Personen Anwendung finden, die die Haupttat begangen haben. |
59 |
Die Richtlinie 2005/60, die in Art. 1 Abs. 1 die Verpflichtung der Mitgliedstaaten vorsieht, bestimmte Handlungen, die den Tatbestand der Geldwäsche erfüllen, zu verbieten, ohne dass sie die Mittel zur Umsetzung dieses Verbots vorschreibt, und die in Art. 1 Abs. 2 Buchst. a die Geldwäsche in einer Weise definiert, die es ermöglicht, die in dieser Bestimmung genannten Handlungen in Bezug auf den Täter der Vortat unter Strafe zu stellen, ohne dies vorzuschreiben, überlässt somit den Mitgliedstaaten die Entscheidung, ob sie diese Strafbarkeit im Rahmen der Umsetzung dieser Bestimmung in ihrem innerstaatlichen Recht vorsehen. |
60 |
Diese Feststellung wird zum einen im fünften Erwägungsgrund der Richtlinie 2005/60 bestätigt, wonach die Richtlinie mit den Empfehlungen der FATF, wie sie 2003 überarbeitet und erweitert wurden, „im Einklang“ stehen sollte. Wie der Generalanwalt in Nr. 45 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, können die Mitgliedstaaten gemäß der ersten dieser Empfehlungen vorsehen, dass der Straftatbestand der Geldwäsche nicht auf Personen anwendbar ist, die die Vortat begangen haben, wenn grundlegende Prinzipien ihres nationalen Rechts dies gebieten. |
61 |
Zum anderen lässt Art. 5 der Richtlinie 2005/60, wie der Generalanwalt in Nr. 41 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, es ausdrücklich zu, dass die Mitgliedstaaten zur Verhinderung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung strengere Vorschriften auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen oder beibehalten. Dieser Artikel, der zu Kapitel I („Gegenstand, Geltungsbereich und Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie gehört, gilt für alle Vorschriften auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet zur Verhinderung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. März 2016, Safe Interenvíos, C‑235/14, EU:C:2016:154, Rn. 78). |
62 |
Ferner zielt die Richtlinie 2018/1673, wie sich aus ihren Erwägungsgründen 1 und 11 ergibt, auf die strafrechtliche Bekämpfung der Geldwäsche ab und erlegt den Mitgliedstaaten die Verpflichtung auf, sicherzustellen, dass bestimmte Arten von Geldwäsche auch dann strafbar sind, wenn sie vom Urheber der kriminellen Tätigkeit, aus der die Gelder stammen, begangen wurde. |
63 |
Art. 3 Abs. 5 der Richtlinie 2018/1673 sieht nämlich vor, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass eine Handlung nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie unter Strafe gestellt wird, wenn sie von Personen verübt wird, die an der kriminellen Tätigkeit, aus der die Vermögensgegenstände stammen, als Täter oder in anderer Weise beteiligt waren. |
64 |
Die Beschreibung des in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2018/1673 angeführten Verhaltens entspricht jedoch dem in Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2005/60 angeführten Verhalten. |
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Daher wurde erst mit der Richtlinie 2018/1673, deren Umsetzungsfrist am 3. Dezember 2020 ablief, die unionsrechtliche Verpflichtung für die Mitgliedstaaten eingeführt, in Bezug auf den Täter der Vortat den Umtausch oder Transfer von Vermögensgegenständen, die aus einer solchen kriminellen Tätigkeit stammen, zum Zwecke der Verheimlichung oder Verschleierung des illegalen Ursprungs der Vermögensgegenstände oder der Unterstützung einer Person, die an einer solchen Tätigkeit beteiligt ist, damit diese Person den Rechtsfolgen ihrer Tat entgeht, als Straftat auszugestalten. |
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Folglich ergibt sich aus dem normativen Kontext der Richtlinie 2005/60, dass sie es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2005/60 in sein innerstaatliches Recht umzusetzen, indem er im Einklang mit seinen internationalen Verpflichtungen und den Grundprinzipien seines innerstaatlichen Rechts in Bezug auf den Täter der Vortat den Straftatbestand der Geldwäsche vorsieht. |
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Bestätigt wird dieses Ergebnis durch das mit der Richtlinie 2005/60 verfolgte Ziel. |
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Insoweit hat der Gerichtshof entschieden, dass der Hauptzweck der Richtlinie 2005/60 in der Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung besteht, wie aus ihrem Titel und ihren Erwägungsgründen sowie daraus hervorgeht, dass sie in einem internationalen Kontext erlassen wurde, um die Empfehlungen der FATF in der Union anzuwenden und verbindlich zu machen (vgl. Urteil vom 4. Mai 2017, El Dakkak und Intercontinental, C‑17/16, EU:C:2017:341, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
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Die Bestimmungen der Richtlinie 2005/60 weisen demnach einen präventiven Charakter auf, denn sie zielen gemäß einem risikobasierten Ansatz darauf ab, eine Gesamtheit von Vorbeugungs- und Abschreckungsmaßnahmen vorzusehen, die es ermöglichen, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung effizient zu bekämpfen und die Stabilität und Integrität des Finanzsystems zu gewährleisten. Die Maßnahmen sollen so weit wie möglich diese Tätigkeiten verhindern oder zumindest einschränken, indem zu diesem Zweck in allen Stadien, die diese Tätigkeiten umfassen können, Schranken gegen Geldwäscher und Geldgeber des Terrorismus errichtet werden (Urteil vom 17. Januar 2018, Corporate Companies, C‑676/16, EU:C:2018:13, Rn. 26). |
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Wie sich aus dem ersten Erwägungsgrund der Richtlinie 2005/60 ergibt, beinhaltet diese zwar in Ergänzung des strafrechtlichen Ansatzes „Präventivmaßnahmen über das Finanzsystem“. Ihre Umsetzung in innerstaatliches Recht trägt jedoch dadurch, dass festgelegt wird, dass Handlungen, die den Tatbestand der Geldwäsche gemäß Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie erfüllen, eine Straftat darstellen, wirksam zur Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung sowie zur Gewährleistung der Stabilität und Integrität des Finanzsystems bei und entspricht somit ihren Zielen. |
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Die Strafbarkeit der Geldwäsche in Bezug auf den Täter der Vortat steht auch im Einklang mit den Zielen der Richtlinie 2005/60, da sie, wie der Generalanwalt in Nr. 43 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, geeignet ist, die Einbringung von Geldern krimineller Herkunft in das Finanzsystem zu erschweren, und somit dazu beiträgt, das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten. |
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Folglich ist Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2005/60 in Anbetracht seines Wortlauts sowie des normativen Kontexts der Richtlinie und des mit ihr verfolgten Ziels dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, diese Bestimmung in sein innerstaatliches Recht umzusetzen, indem er in Bezug auf den Täter der Vortat den Straftatbestand der Geldwäsche vorsieht. Dies gilt gleichermaßen für Art. 1 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2015/849, da diese Richtlinie sich insoweit darauf beschränkt hat, Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2005/60 zu ersetzen, ohne daran wesentliche inhaltliche Änderungen vorzunehmen. |
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Soweit das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen möchte, ob eine solche Auslegung mit dem Grundsatz ne bis in idem unvereinbar sein könnte, ist darauf hinzuweisen, dass die Bestimmungen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) gemäß ihrem Art. 51 Abs. 1 für die Organe der Union und für die Mitgliedstaaten bei der Durchführung des Rechts der Union gelten. |
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Der Grundsatz ne bis in idem ist in Art. 4 des Protokolls Nr. 7 zur EMRK und in Art. 50 der Charta verankert, wonach „[n]iemand … wegen einer Straftat, derentwegen er bereits in der Union nach dem Gesetz rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren erneut verfolgt oder bestraft werden [darf]“. |
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Die in der EMRK anerkannten Grundrechte, wie Art. 6 Abs. 3 EUV bestätigt, sind zwar als allgemeine Grundsätze Teil des Unionsrechts, und nach Art. 52 Abs. 3 der Charta haben die in ihr enthaltenen Rechte, die den durch die EMRK garantierten Rechten entsprechen, die gleiche Bedeutung und Tragweite, wie sie ihnen in der EMRK verliehen werden. Die EMRK stellt jedoch, solange die Union ihr nicht beigetreten ist, kein Rechtsinstrument dar, das formal in die Unionsrechtsordnung übernommen wurde. Nach den Erläuterungen zu Art. 52 der Charta soll mit dessen Abs. 3 die notwendige Kohärenz zwischen der Charta und der EMRK geschaffen werden, „ohne dass dadurch die Eigenständigkeit des Unionsrechts und des Gerichtshofs der Europäischen Union berührt wird“ (Urteil vom 20. März 2018, Garlsson Real Estate u. a., C‑537/16, EU:C:2018:193, Rn. 24 und 25 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). |
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Daher ist die Prüfung der Vorlagefrage anhand der durch die Charta verbürgten Grundrechte und insbesondere ihres Art. 50 vorzunehmen (Urteil vom 20. März 2018, Garlsson Real Estate u. a., C‑537/16, EU:C:2018:193, Rn. 26 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). |
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Schon aus dem Wortlaut von Art. 50 der Charta geht hervor, dass er es verbietet, dieselbe Person mehr als einmal wegen derselben Straftat in einem Strafverfahren zu verfolgen oder zu bestrafen (Urteile vom 5. April 2017, Orsi und Baldetti, C‑217/15 und C‑350/15, EU:C:2017:264, Rn. 18, und vom 20. März 2018, Garlsson Real Estate u. a., C‑537/16, EU:C:2018:193, Rn. 36). |
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Was insbesondere das Verbot betrifft, eine Person wegen derselben Straftat (Voraussetzung „idem“) zu verfolgen, ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs für die Beurteilung, ob es sich um dieselbe Straftat handelt, das Kriterium der Identität der materiellen Tat maßgebend, verstanden als das Vorliegen einer Gesamtheit konkreter, unlösbar miteinander verbundener Umstände, die zum Freispruch oder zur rechtskräftigen Verurteilung des Betroffenen geführt haben. Art. 50 der Charta verbietet somit, wegen derselben Tat am Ende verschiedener zu diesem Zweck durchgeführter Verfahren mehrere Sanktionen strafrechtlicher Natur zu verhängen (vgl. Urteile vom 20. März 2018, Menci, C‑524/15, EU:C:2018:197, Rn. 35, und vom 20. März 2018, Garlsson Real Estate u. a., C‑537/16, EU:C:2018:193, Rn. 37 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). |
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Um zu bestimmen, ob ein solcher Komplex konkreter Umstände vorliegt, müssen die zuständigen nationalen Gerichte feststellen, ob die materiellen Taten, um die es in den beiden Verfahren geht, einen Komplex von Tatsachen darstellen, die in zeitlicher und räumlicher Hinsicht sowie nach ihrem Zweck unlösbar miteinander verbunden sind (vgl. entsprechend Urteile vom 18. Juli 2007, Kraaijenbrink, C‑367/05, EU:C:2007:444, Rn. 27, und vom 16. November 2010, Mantello, C‑261/09, EU:C:2010:683, Rn. 39 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). |
80 |
Ferner sind die rechtliche Einordnung der Tat nach nationalem Recht und das geschützte rechtliche Interesse für die Feststellung, ob dieselbe Straftat vorliegt, nicht erheblich, da die Reichweite des in Art. 50 der Charta gewährten Schutzes nicht von einem Mitgliedstaat zum anderen unterschiedlich sein kann (Urteile vom 20. März 2018, Menci, C‑524/15, EU:C:2018:197, Rn. 36, und vom 20. März 2018, Garlsson Real Estate u. a., C‑537/16, EU:C:2018:193, Rn. 38). |
81 |
Daher ist festzustellen, dass Art. 50 der Charta einer strafrechtlichen Verfolgung des Täters der Vortat wegen der Straftat der Geldwäsche gemäß Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2005/60 nicht entgegensteht, wenn der Sachverhalt, der dieser Verfolgung zugrunde liegt, nicht mit dem die Vortat begründenden Sachverhalt identisch ist, wobei die Identität der materiellen Tat anhand des in den Rn. 78 bis 80 des vorliegenden Urteils dargelegten Kriteriums zu beurteilen ist. |
82 |
Wie der Generalanwalt in den Nrn. 52 und 53 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, stellt die Geldwäsche im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2005/60, d. h. insbesondere der Umtausch oder Transfer von Vermögensgegenständen in Kenntnis der Tatsache, dass diese Gegenstände aus einer kriminellen Tätigkeit oder aus der Teilnahme an einer kriminellen Tätigkeit stammen, zum Zwecke der Verheimlichung oder Verschleierung des illegalen Ursprungs der Vermögensgegenstände, eine gegenüber der Handlung, die die Vortat bildet, gesonderte Handlung dar, selbst wenn diese Geldwäsche vom Täter der Vortat begangen wird. |
83 |
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass das vorlegende Gericht im Rahmen der Anwendung von Art. 29 Abs. 1 Buchst. a des Gesetzes Nr. 656/2002 darauf achten muss, dass der Grundsatz ne bis in idem sowie alle einschlägigen Grundsätze und die Grundrechte, die den Beschuldigten des Ausgangsverfahrens nach der Charta zustehen, gewahrt werden (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil vom 8. September 2015, Taricco u. a., C‑105/14, EU:C:2015:555, Rn. 53, und vom 5. Juni 2018, Kolev u. a., C‑612/15, EU:C:2018:392, Rn. 68), insbesondere der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen (Urteil vom 5. Dezember 2017, M.A.S. und M.B., C‑42/17, EU:C:2017:936, Rn. 52) sowie der in Art. 49 der Charta verankerte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Strafen. |
84 |
Im Ausgangsverfahren ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob Art. 50 der Charta anwendbar ist, und hierbei zu untersuchen, ob die Vortat Gegenstand eines rechtskräftigen Strafurteils ist, durch das der Täter freigesprochen oder verurteilt wurde. Es obliegt hier dem vorlegenden Gericht, zu prüfen, ob der Abschluss des die Vortat betreffenden Strafverfahrens tatsächlich ein rechtskräftiges Strafurteil darstellt. |
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Um die Einhaltung von Art. 50 der Charta zu gewährleisten, hat es sich unter Berücksichtigung der Ausführungen in den Rn. 78 bis 80 des vorliegenden Urteils zu vergewissern, dass die materielle Tat, die die Vortat, nämlich die Steuerhinterziehung, bildet, nicht mit derjenigen identisch ist, aufgrund deren LG gemäß Art. 29 Abs. 1 Buchst. a des Gesetzes Nr. 656/2002 verfolgt wird. Ein Verstoß gegen den Grundsatz ne bis in idem wäre zu verneinen, wenn festgestellt würde, dass der Sachverhalt, der zur Strafverfolgung von LG wegen Geldwäsche nach Art. 29 Abs. 1 Buchst. a des Gesetzes Nr. 656/2002 geführt hat, nicht mit demjenigen identisch ist, der der Vortat der Steuerhinterziehung zugrunde liegt, was sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten zu ergeben scheint. |
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Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2005/60 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, nach der die Straftat der Geldwäsche im Sinne dieser Bestimmung vom Urheber der kriminellen Tätigkeit, aus der die betreffenden Gelder stammen, begangen werden kann. |
Kosten
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Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig. |
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt: |
Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, nach der die Straftat der Geldwäsche im Sinne dieser Bestimmung vom Urheber der kriminellen Tätigkeit, aus der die betreffenden Gelder stammen, begangen werden kann. |
Unterschriften |
( *1 ) Verfahrenssprache: Rumänisch.