URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

27. Januar 2022 ( *1 )

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Art. 258 AEUV – Kapitalverkehrsfreiheit – Informationspflicht in Bezug auf die Vermögenswerte oder Rechte in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) – Verstoß gegen diese Pflicht – Verjährung – Sanktionen“

In der Rechtssache C‑788/19

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 23. Oktober 2019,

Europäische Kommission, zunächst vertreten durch C. Perrin, N. Gossement und M. Jáuregui Gómez, dann durch C. Perrin und N. Gossement als Bevollmächtigte,

Klägerin,

gegen

Königreich Spanien, vertreten durch L. Aguilera Ruiz und S. Jiménez García als Bevollmächtigte,

Beklagter,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Vizepräsidenten des Gerichtshofs L. Bay Larsen in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Ersten Kammer sowie der Richter J.‑C. Bonichot (Berichterstatter) und M. Safjan,

Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 15. Juli 2021

folgendes

Urteil

1

Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission, festzustellen, dass das Königreich Spanien dadurch, dass es

vorgesehen hat, dass die Nichterfüllung der Informationspflichten hinsichtlich der Vermögensgegenstände und Rechte im Ausland oder die nicht fristgerechte Einreichung des „Formblatts 720“ die Qualifikation dieser Vermögenswerte als „ungerechtfertigte Vermögenszuwächse“ nach sich zieht, ohne dass die Verjährung geltend gemacht werden kann,

bei Nichterfüllung der Informationspflichten hinsichtlich der Vermögensgegenstände und Rechte im Ausland oder für die nicht fristgerechte Einreichung des „Formblatts 720“ automatisch eine proportionale Geldbuße in Höhe von 150 % verhängt und

bei Nichterfüllung der Informationspflichten hinsichtlich der Vermögensgegenstände und Rechte im Ausland sowie für die nicht fristgerechte Einreichung des „Formblatts 720“ pauschale Geldbußen verhängt, die strenger sind als die Sanktionen nach der allgemeinen Sanktionsregelung für vergleichbare Zuwiderhandlungen,

gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 21, 45, 49, 56 und 63 AEUV sowie den Art. 28, 31, 36 und 40 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR-Abkommen) verstoßen hat.

Rechtlicher Rahmen

2

Die 18. Zusatzbestimmung der Ley 58/2003 General Tributaria (Gesetz Nr. 58/2003, Allgemeines Steuergesetz) vom 17. Dezember 2003 in der durch das Gesetz Nr. 7/2012 geänderten Fassung (im Folgenden: Allgemeines Steuergesetz) lautet:

„1. Nach den Art. 29 und 93 dieses Gesetzes haben die Steuerpflichtigen den Steuerbehörden unter den durch Verordnung festzulegenden Bedingungen folgende Informationen zu erteilen:

a)

Informationen zu Auslandskonten, bei Bank- oder Kreditinstituten, deren Inhaber oder Begünstigte sie sind oder für die sie in irgendeiner Form zeichnungs- oder verfügungsberechtigt sind.

b)

Informationen über alle Wertpapiere, Guthaben, Anteile oder Rechte an Gesellschaftskapital, über Eigenmittel oder das Vermögen jeder Art von Unternehmen oder über die Übertragung von Eigenmitteln an Dritte, deren Inhaber die Betreffenden sind und die im Ausland verwahrt oder belegen sind, sowie Informationen über ihre Lebens- oder Invaliditätsversicherungen sowie über die Leibrenten oder Zeitrenten, die sie aufgrund einer Übertragung von Barkapital erhalten, oder Informationen über bewegliche oder unbewegliche Vermögensgegenstände, die sie bei im Ausland niedergelassenen Unternehmen erworben haben.

c)

Informationen über unbewegliches Vermögen und Rechte an im Ausland belegenem unbeweglichen Vermögen, deren Eigentümer bzw. Inhaber sie sind.

2. Zuwiderhandlungen und Sanktionen

Es stellt ein Steuerdelikt dar, wenn die in dieser Zusatzbestimmung vorgesehenen Erklärungen zu Informationszwecken nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist eingereicht werden oder darin unvollständige, unrichtige oder falsche Informationen enthalten sind.

Auch die Einreichung dieser Erklärungen mit anderen als elektronischen, informatischen oder telematischen Mitteln stellt ein Steuerdelikt dar, wenn vorgesehen ist, dass diese Mittel zu verwenden sind.

Die genannten Zuwiderhandlungen sind sehr schwer und werden nach den folgenden Regeln bestraft:

a)

Die Nichteinhaltung der Verpflichtung zur Erklärung von Konten bei Kreditinstituten im Ausland wird mit einer pauschalen Geldbuße von 5000 Euro für jede einzelne Angabe oder jede auf dasselbe Konto bezogene Reihe von Angaben, die in der Erklärung hätte enthalten sein müssen, oder für jede unvollständige, unrichtige oder falsche Angabe bestraft, wobei die Mindestgeldbuße auf 10000 Euro festgesetzt wird.

Die Geldbuße beträgt 100 Euro für jede einzelne Angabe oder jede Reihe von Angaben, die sich auf ein und dasselbe Konto beziehen, mindestens jedoch 1500 Euro, wenn die Erklärung ohne vorherige Aufforderung der Steuerverwaltung nach Ablauf der Frist eingereicht wurde. Dieselbe Sanktion gilt im Fall der Vorlage der Erklärung mit anderen als elektronischen, informatischen und telematischen Mitteln, wenn die Verwendung dieser Mittel vorgesehen ist.

b)

Die Nichteinhaltung der Verpflichtung zur Erklärung von Wertpapieren, Guthaben, Anteilen, Rechten, Versicherungen und Renten, die im Ausland hinterlegt sind, verwaltet werden oder erlangt wurden, wird mit einer pauschalen Geldbuße von 5000 Euro für jede einzelne Angabe oder jede Reihe von Angaben, die sich auf jeden Vermögensgegenstand individuell nach der betreffenden Kategorie beziehen, die in der Erklärung hätten enthalten sein müssen, oder für jede unvollständige, unrichtige oder falsche Angabe bestraft, mindestens jedoch mit 10000 Euro.

Die Geldbuße beträgt 100 Euro für jede einzelne Angabe oder jede Reihe von Angaben, die sich auf jeden Vermögensgegenstand individuell nach der betreffenden Kategorie beziehen, mindestens jedoch 1500 Euro, wenn die Erklärung ohne vorherige Aufforderung der Steuerverwaltung nach Ablauf der Frist eingereicht wurde. Dieselbe Sanktion gilt im Fall der Vorlage der Erklärung mit anderen als elektronischen, informatischen und telematischen Mitteln, wenn die Verwendung dieser Mittel vorgesehen ist.

c)

Die Nichteinhaltung der Verpflichtung zur Erklärung von unbeweglichem Vermögen und Rechten an unbeweglichem Vermögen im Ausland wird mit einer pauschalen Geldbuße von 5000 Euro für jede einzelne Angabe oder jede auf dieselbe Immobilie oder dasselbe Recht an einer Immobilie bezogene Reihe von Angaben, die in der Erklärung hätte enthalten sein müssen, oder für jede unvollständige, unrichtige oder falsche Angabe bestraft, wobei die Mindestgeldbuße auf 10000 Euro festgesetzt wird.

Die Geldbuße beträgt 100 Euro für jede einzelne Angabe oder jede Reihe von Angaben, die sich auf ein und dieselbe Immobilie oder dasselbe Recht an einer Immobilie beziehen, mindestens jedoch 1500 Euro, wenn die Erklärung nach Ablauf der Frist, ohne vorherige Aufforderung der Steuerverwaltung nach Ablauf der Frist eingereicht wurde. Dieselbe Sanktion gilt im Fall der Vorlage der Erklärung mit anderen als elektronischen, informatischen und telematischen Mitteln, wenn die Verwendung dieser Mittel vorgesehen ist.

Die in dieser Zusatzbestimmung geregelten Zuwiderhandlungen und Sanktionen werden nicht mit den in den Art. 198 und 199 dieses Gesetzes vorgesehenen Verstößen und Sanktionen kumuliert.

3. Die Gesetze über die einzelnen Steuern können besondere Folgen für den Fall vorsehen, dass die in dieser Zusatzbestimmung vorgesehene Informationspflicht nicht eingehalten wird.“

3

Art. 39 (Ungerechtfertigte Vermögenszuwächse“) der Ley 35/2006 del Impuesto sobre la Renta de las Personas Físicas y de Modificación Parcial de las Leyes de los Impuestos sobre Sociedades, sobre la Renta de no Residentes y sobre el Patrimonio (Gesetz Nr. 35/2006 über die Steuer auf das Einkommen natürlicher Personen und zur teilweisen Änderung der Gesetze über die Körperschaftsteuer, die Steuer auf das Einkommen Gebietsfremder und die Vermögensteuer) vom 28. November 2006 in der durch das Gesetz Nr. 7/2012 geänderten Fassung (im Folgenden: Einkommensteuergesetz) bestimmt:

„1.   Als ungerechtfertigte Vermögenszuwächse gelten Vermögensgegenstände oder Rechte, bei denen der Besitz, die Erklärung oder der Erwerb nicht den vom Steuerpflichtigen angegebenen Einkünften oder Kapitalvermögen entspricht, sowie die Aufnahme nicht existierender Verbindlichkeiten in eine Erklärung über diese Steuer oder die Vermögensteuer oder ihre Eintragung in die amtlichen Bücher oder Register.

Die ungerechtfertigten Vermögenszuwächse werden in die allgemeine Besteuerungsgrundlage des Steuerzeitraums, in dem sie entdeckt wurden, einbezogen, es sei denn, der Steuerpflichtige weist nach, dass er das Eigentum an den betreffenden Rechten oder Vermögensgegenständen in einem Zeitraum erwarb, für den die Verjährungsfrist abgelaufen ist.

2.   Der Besitz, die Erklärung oder der Erwerb von Vermögensgegenständen oder Rechten, für die die in der 18. Zusatzbestimmung des [Allgemeinen Steuergesetzes] vorgesehene Informationspflicht nicht fristgerecht erfüllt wurde, werden in jedem Fall als ungerechtfertigte Vermögenszuwächse behandelt und in die allgemeine Besteuerungsgrundlage des ältesten nicht verjährten Steuerjahrs, das noch berichtigt werden kann, einbezogen.

Die Bestimmungen dieses Absatzes finden jedoch keine Anwendung, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass die von ihm gehaltenen Vermögensgegenstände oder Rechte aus erklärten Einkünften oder aus Einkünften erworben wurden, die er in Steuerjahren erzielt hat, in denen er dieser Steuer nicht unterlag.“

4

Art. 121 („Nicht verbuchte oder nicht angemeldete Gegenstände und Rechte: vermutete Erzielung von Einkünften“) der Ley 27/2014 del Impuesto sobre Sociedades (Gesetz Nr. 27/2014 über die Körperschaftsteuer) vom 27. November 2014 (im Folgenden: Körperschaftsteuergesetz) bestimmt:

„1.   Die Vermögensbestandteile des Steuerpflichtigen, die nicht in seiner Buchführung ausgewiesen sind, gelten als durch nicht erklärte Einkünfte erworben.

Diese Vermutung besteht auch im Fall der teilweisen Verheimlichung des Anschaffungswerts.

2.   Bei nicht in der Buchführung ausgewiesenen Vermögensbestandteilen wird vermutet, dass sie dem Steuerpflichtigen gehören, wenn er im Besitz dieser Gegenstände ist.

3.   Es wird vermutet, dass der Betrag der nicht erklärten Einkünfte dem Anschaffungswert der nicht in der Buchführung ausgewiesenen Vermögensgegenstände und Rechte entspricht, abzüglich des Betrags der tatsächlichen Verbindlichkeiten, die zur Finanzierung dieses Erwerbs eingegangen und ebenfalls nicht verbucht worden sind. Der Nettobetrag darf keinesfalls negativ sein.

Die Höhe des Anschaffungswertes wird anhand der entsprechenden Belege oder, falls dies nicht möglich ist, anhand der Bewertungsregeln des [Allgemeinen Steuergesetzes] nachgewiesen.

4.   Es besteht eine Vermutung nicht erklärter Einkünfte, wenn in der Buchführung des Steuerpflichtigen nicht bestehende Verbindlichkeiten ausgewiesen sind.

5.   Die auf der Grundlage der oben angeführten Vermutungen ermittelten Einkünfte werden dem ältesten nicht verjährten Steuerjahr zugerechnet, es sei denn, der Steuerpflichtige weist nach, dass sie zu einem oder mehreren anderen Steuerjahren gehören.

6.   Die Vermögensgegenstände oder Rechte, für die die in der 18. Zusatzbestimmung des [Allgemeinen Steuergesetzes] vorgesehene Informationspflicht nicht fristgerecht erfüllt wurde, werden in jedem Fall als mit nicht erklärten Einkünften erworben angesehen und dem ältesten nicht verjährten Steuerjahr, das noch berichtigt werden kann, zugerechnet.

Die Bestimmungen dieses Absatzes finden jedoch keine Anwendung, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass die von ihm gehaltenen Vermögensgegenstände oder Rechte aus erklärten Einkünften oder aus Einkünften erworben wurden, die er in Steuerjahren erzielt hat, in denen er der vorliegenden Steuer nicht unterlag.

…“

5

Die erste Zusatzbestimmung („Sanktionsregelung für ungerechtfertigte Vermögenszuwächse und vermutete Erzielung von Einkünften“) des Gesetzes Nr. 7/2012 sieht vor:

„Kommt es zur Anwendung von Art. 39 Abs. 2 des [Einkommensteuergesetzes] und Art. 134 Abs. 6 der durch das Königliche gesetzesvertretende Dekret Nr. 4/2004 vom 5. März 2004[, dessen Bestimmungen später in Art. 121 Abs. 6 des Körperschaftsteuergesetzes übernommen wurden,] gebilligten konsolidierten Fassung des Gesetzes über die Körperschaftsteuer, liegt ein Steuerdelikt vor, das als sehr schwer anzusehen ist und mit einer Geldbuße von 150 % des Sanktionsbetrags bestraft wird.

Die Sanktion richtet sich nach dem Wert des Gesamtbetrags, der sich aus der Anwendung der im vorstehenden Absatz angeführten Artikel ergibt. …“

Vorverfahren

6

Mit Mahnschreiben vom 20. November 2015 wies die Kommission die spanischen Behörden darauf hin, dass bestimmte Aspekte der Pflicht, die im Ausland belegenen Vermögensgegenstände und Rechte mit dem „Formblatt 720“ zu erklären, mit dem Unionsrecht unvereinbar seien. Ihrer Auffassung nach stünden die mit der Nichtbeachtung dieser Verpflichtung verbundenen Folgen außer Verhältnis zu dem mit den spanischen Rechtsvorschriften verfolgten Ziel.

7

Im Anschluss an die Antwort der spanischen Behörden vom 29. Februar 2016, in der das Vorliegen einer Unvereinbarkeit dieses Gesetzes mit dem Unionsrecht in Abrede gestellt wurde, gab die Kommission am 15. Februar 2017 eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, in der sie ihren Standpunkt aus ihrem Mahnschreiben beibehielt.

8

Mit Schreiben vom 12. April 2017 und vom 31. Mai 2019 antwortete das Königreich Spanien auf diese mit Gründen versehene Stellungnahme. Es machte unter Berufung auf bestimmte praktische Beispiele im Wesentlichen geltend, dass die in Rede stehenden Rechtsvorschriften mit dem Unionsrecht vereinbar seien.

9

Da die Kommission von diesem Vorbringen nicht überzeugt war, hat sie am 23. Oktober 2019 gemäß Art. 258 AEUV die vorliegende Klage erhoben.

Zur Klage

Zu den in Rede stehenden Freiheiten

10

Mit ihrer Klage vertritt die Kommission die Auffassung, dass das Königreich Spanien wegen der Folgen, die nach seinen Rechtsvorschriften an die Nichterfüllung oder die unvollständige oder verspätete Erfüllung der Pflicht zur Erklärung von im Ausland belegenen Vermögensgegenständen oder Rechten mittels des „Formblatts 720“ geknüpft seien, gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 21, 45, 49, 56 und 63 AEUV sowie den Art. 28, 31, 36 und 40 des EWR-Abkommens verstoßen habe.

11

Es ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof, wenn eine innerstaatliche Maßnahme mehrere der durch die Verträge garantierten Verkehrsfreiheiten betrifft, die in Rede stehende Maßnahme grundsätzlich nur im Hinblick auf eine dieser Freiheiten prüft, wenn sich im Hinblick auf den Gegenstand dieser Maßnahme herausstellt, dass die anderen ihr gegenüber völlig zweitrangig sind und ihr zugeordnet werden können (vgl. in diesem Sinne zu einer Maßnahme, die sich sowohl auf den freien Kapitalverkehr als auch auf die Niederlassungsfreiheit bezog, Urteile vom 13. November 2012, Test Claimants in the FII Group Litigation, C‑35/11, EU:C:2012:707, Rn. 89 bis 93, und vom 28. Februar 2013, Beker und Beker, C‑168/11, EU:C:2013:117, Rn. 25 bis 31, und zu einer Maßnahme, die sich sowohl auf den freien Kapitalverkehr als auch auf den freien Dienstleistungsverkehr bezog, Urteil vom 26. Mai 2016, NN [L] International, C‑48/15, EU:C:2015:356, Rn. 39).

12

Nach den in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften müssen in Spanien ansässige Personen, die ihre Vermögensgegenstände und Rechte im Ausland nicht erklären oder unvollständig oder verspätet erklären, mit der Nacherhebung der geschuldeten Steuer auf die Beträge rechnen, die dem Wert dieser Vermögensgegenstände oder Rechte entsprechen, auch wenn diese in einem bereits verjährten Zeitraum erworben wurden, sowie mit der Verhängung einer proportionalen und bestimmter pauschaler Geldbußen.

13

Eine solche Regelung, die allgemein an den Besitz von Vermögensgegenständen oder Rechten im Ausland durch in Spanien ansässige Personen anknüpft, ohne dass dieser Besitz notwendigerweise die Form von Beteiligungen am Kapital von im Ausland ansässigen Einrichtungen annimmt oder hauptsächlich durch den Wunsch motiviert ist, dort Finanzdienstleistungen in Anspruch zu nehmen, fällt in den Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit. Diese Regelung ist zwar auch geeignet, den freien Dienstleistungsverkehr und die Niederlassungsfreiheit zu beeinträchtigen, doch erscheinen diese Freiheiten gegenüber der Kapitalverkehrsfreiheit, der sie zugeordnet werden können, zweitrangig. Dasselbe gilt in jedem Fall für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer.

14

Im Übrigen ist festzustellen, dass die Kommission keine ausreichenden Angaben macht, die es dem Gerichtshof ermöglichen würden, zu beurteilen, inwiefern die fraglichen nationalen Rechtsvorschriften die durch die Art. 21 und 45 AEUV garantierte Freizügigkeit der Unionsbürger oder die Arbeitnehmerfreizügigkeit beeinträchtigen.

15

Aus dem Vorstehenden folgt, dass die von der Kommission vorgebrachten Beschwerdepunkte unter dem Gesichtspunkt der in Art. 63 AEUV sowie in Art. 40 des EWR-Abkommens, der im Wesentlichen dieselbe rechtliche Tragweite hat, garantierten Kapitalverkehrsfreiheit zu sehen sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. Juni 2009, Kommission/Niederlande, C‑521/07, EU:C:2009:360, Rn. 33, und vom 5. Mai 2011, Kommission/Portugal, C‑267/09, EU:C:2011:273, Rn. 51).

Zum Vorliegen einer Beschränkung des Kapitalverkehrs

Vorbringen der Parteien

16

Nach Ansicht der Kommission stellt die streitige Regelung, die hinsichtlich der Vermögensgegenstände und Rechte der Steuerpflichtigen im Inland keine Entsprechung habe, eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar, da sie dazu führe, dass in Spanien ansässige Personen davon abgehalten würden, ihre Vermögenswerte ins Ausland zu übertragen. Wie der Gerichtshof bereits in seinem Urteil vom 11. Juni 2009, X und Passenheim-van Schoot (C‑155/08 und C‑157/08, EU:C:2009:368, Rn. 36 bis 40), anerkannt habe, mache es für die Situation der in Spanien ansässigen Steuerpflichtigen objektiv keinen Unterschied, ob sich ihre Vermögenswerte im spanischen Hoheitsgebiet oder außerhalb davon befänden.

17

Das Königreich Spanien ist der Ansicht, dass sich Personen, die ihre Vermögenswerte aus steuerlichen Gründen verschwiegen, nicht auf die Kapitalverkehrsfreiheit berufen könnten. Im Übrigen stellten die Sanktionen für Verstöße gegen die Informationspflicht keine Beschränkung dieser Freiheit dar, da sie unerlässlich seien, um die Wirksamkeit der Informationspflicht sicherzustellen. Jedenfalls befänden sich die Steuerpflichtigen, deren Vermögenswerte sich im spanischen Hoheitsgebiet befänden, im Hinblick auf die Möglichkeiten einer Steuerprüfung nicht in der gleichen Situation wie Steuerpflichtige, deren Vermögenswerte sich außerhalb Spaniens befänden.

Würdigung durch den Gerichtshof

18

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs stellen Maßnahmen eines Mitgliedstaats u. a. Beschränkungen des Kapitalverkehrs im Sinne von Art. 63 Abs. 1 AEUV dar, wenn sie geeignet sind, die Anleger dieses Staates davon abzuhalten, in anderen Mitgliedstaaten zu investieren, sie daran zu hindern oder ihre Möglichkeiten dazu einzuschränken (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 26. September 2000, Kommission/Belgien, C‑478/98, EU:C:2000:497, Rn. 18, vom 23. Oktober 2007, Kommission/Deutschland, C‑112/05, EU:C:2007:623, Rn. 19, sowie vom 26. Mai 2016, NN [L] International, C‑48/15, EU:C:2016:356, Rn. 44).

19

Im vorliegenden Fall führen die Verpflichtung, die im Ausland belegenen Vermögensgegenstände oder Rechte unter Verwendung des „Formblatts 720“ zu erklären, und die mit der Missachtung oder der unvollständigen oder verspäteten Erfüllung dieser Verpflichtung verbundenen Sanktionen, die bei in Spanien belegenen Vermögensgegenständen oder Rechten nicht bestehen, zu einer unterschiedlichen Behandlung der in Spanien ansässigen Personen je nachdem, wo sich ihre Vermögenswerte befinden. Diese Verpflichtung ist geeignet, die Gebietsansässigen dieses Mitgliedstaats davon abzuhalten, in anderen Mitgliedstaaten zu investieren, sie daran zu hindern oder ihre Möglichkeiten dazu einzuschränken, und stellt daher, wie der Gerichtshof bereits in Bezug auf Rechtsvorschriften zur Gewährleistung der Wirksamkeit der steuerlichen Überwachung und zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit der Verschleierung von Auslandsvermögen entschieden hat, eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs im Sinne von Art. 63 Abs. 1 AEUV und Art. 40 des EWR-Abkommens dar (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juni 2009, X und Passenheim-van Schoot, C‑155/08 und C‑157/08, EU:C:2009:368, Rn. 36 bis 40).

20

Der Umstand, dass diese Rechtsvorschriften auf Steuerpflichtige abzielen, die ihre Vermögenswerte aus steuerlichen Motiven verschweigen, kann dieses Ergebnis nicht in Frage stellen. Dass eine Regelung das Ziel verfolgt, die Wirksamkeit der steuerlichen Überwachung zu gewährleisten und Steuerhinterziehung zu bekämpfen, steht nämlich der Feststellung einer Beschränkung des Kapitalverkehrs nicht entgegen. Diese Ziele gehören nur zu den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, die eine solche Beschränkung rechtfertigen können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. Juni 2009, X und Passenheim-van Schoot, C‑155/08 und C‑157/08, EU:C:2009:368, Rn. 45 und 46, sowie vom 15. September 2011, Halley, C‑132/10, EU:C:2011:586, Rn. 30).

Zur Rechtfertigung der Beschränkung des freien Kapitalverkehrs

Vorbringen der Parteien

21

Für den Fall, dass die streitige Regelung als Beschränkung des Kapitalverkehrs angesehen werden sollte, sind die Kommission und das Königreich Spanien übereinstimmend der Auffassung, dass diese Beschränkung durch das Erfordernis, die Wirksamkeit der steuerlichen Überwachung zu gewährleisten, und durch das Ziel der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und ‑umgehung gerechtfertigt sein könnte. Die Kommission macht jedoch geltend, dass diese Regelung über das hinausgehe, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich sei.

Würdigung durch den Gerichtshof

22

Wie in Rn. 20 des vorliegenden Urteils ausgeführt, gehören das Erfordernis, die Wirksamkeit der steuerlichen Überwachung zu gewährleisten, und das Ziel, Steuerhinterziehung und ‑umgehung zu bekämpfen, zu den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, die eine Beschränkung der Verkehrsfreiheiten rechtfertigen können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. Juni 2009, X und Passenheim-van Schoot, C‑155/08 und C‑157/08, EU:C:2009:368, Rn. 45 und 46, sowie vom 15. September 2011, Halley, C‑132/10, EU:C:2011:586, Rn. 30).

23

Für den Kapitalverkehr sieht außerdem Art. 65 Abs. 1 Buchst. b AEUV vor, dass Art. 63 AEUV nicht das Recht der Mitgliedstaaten berührt, die unerlässlichen Maßnahmen zu treffen, um Zuwiderhandlungen gegen ihre Rechts- und Verwaltungsvorschriften u. a. auf dem Gebiet des Steuerrechts zu verhindern.

24

Da die nationalen Behörden in Bezug auf die im Ausland belegenen Vermögenswerte ihrer Steueransässigen auch unter Berücksichtigung der Mechanismen des Informationsaustauschs oder der Amtshilfe zwischen den Mitgliedstaaten im Allgemeinen über weniger Informationen verfügen als über Vermögenswerte, die sich in ihrem Hoheitsgebiet befinden, erscheint die streitige Regelung im vorliegenden Fall geeignet, die Erreichung der verfolgten Ziele zu gewährleisten. Es ist jedoch zu prüfen, ob sie nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist.

Zur Verhältnismäßigkeit der Einstufung der im Ausland belegenen Vermögenswerte als „ungerechtfertigte Vermögenszuwächse“ ohne Möglichkeit der Berufung auf die Verjährung

Vorbringen der Parteien

25

Nach Ansicht der Kommission zieht die Nichterfüllung der Informationspflicht oder die unvollständige oder verspätete Einreichung des „Formblatts 720“ im Hinblick auf die vom spanischen Gesetzgeber verfolgten Ziele unverhältnismäßige Folgen nach sich, da sie eine unwiderlegliche Vermutung für die Erzielung nicht erklärter Einkünfte in Höhe des Werts der in Rede stehenden Vermögensgegenstände oder Rechte begründeten, die zur Besteuerung der entsprechenden Beträge bei dem Steuerpflichtigen führe, ohne dass er sich auf Verjährungsvorschriften berufen oder der Besteuerung durch den Einwand entgehen könne, dass er die für diese Vermögensgegenstände oder Rechte geschuldete Steuer in der Vergangenheit entrichtet habe.

26

Das Königreich Spanien stellt in Abrede, dass eine unwiderlegliche Vermutung der Steuerhinterziehung bestehe. Nur wenn die Verschleierung der in Rede stehenden Vermögensgegenstände oder Rechte und die Nichtentrichtung der entsprechenden Steuer durch den Steuerpflichtigen festgestellt würden, begründe die Nichtanmeldung oder verspätete Anmeldung dieser Gegenstände oder Rechte mittels des „Formblatts 720“ die Vermutung, dass der Steuerpflichtige Einkünfte erzielt habe, die nicht erklärt worden seien. Das Königreich Spanien stellt auch in Abrede, dass es keine Verjährungsvorschrift gebe. Das spanische Recht weise nur eine Besonderheit hinsichtlich des Beginns der Verjährungsfrist auf, die nach dem Grundsatz der actio nata erst zu dem Zeitpunkt beginne, zu dem die Steuerverwaltung Kenntnis von der Existenz der Vermögensgegenstände oder Rechte habe, für die die Informationspflicht nicht oder nur unvollständig oder verspätet erfüllt worden sei.

Würdigung durch den Gerichtshof

27

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs kann der bloße Umstand, dass ein gebietsansässiger Steuerpflichtiger Vermögensgegenstände oder Rechte außerhalb des Hoheitsgebiets eines Mitgliedstaats besitzt, keine allgemeine Vermutung der Steuerhinterziehung und ‑umgehung begründen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. März 2004, de Lasteyrie du Saillant, C‑9/02, EU:C:2004:138, Rn. 51, und vom 7. November 2013, K, C‑322/11, EU:C:2013:716, Rn. 60).

28

Im Übrigen geht eine Regelung, die das Vorliegen eines betrügerischen Verhaltens allein deshalb vermutet, weil die darin festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind, und dem Steuerpflichtigen keine Möglichkeit einräumt, diese Vermutung zu widerlegen, grundsätzlich über das hinaus, was zur Erreichung des Ziels der Bekämpfung der Steuerhinterziehung und ‑umgehung erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 3. Oktober 2013, Itelcar, C‑282/12, EU:C:2013:629, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 26. Februar 2019, X [In Drittländern ansässige Zwischengesellschaften], C‑135/17, EU:C:2019:136, Rn. 88).

29

Aus Art. 39 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes und Art. 121 Abs. 6 des Körperschaftsteuergesetzes geht hervor, dass ein Steuerpflichtiger, der seiner Informationspflicht nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig nachgekommen ist, verhindern kann, dass die Beträge, die dem Wert seiner nicht mit dem „Formblatt 720“ erklärten Vermögensgegenstände oder Rechte entsprechen, als nicht gerechtfertigte Vermögenszuwächse in die Bemessungsgrundlage der für das letzte nicht verjährte Geschäftsjahr geschuldeten Steuer einbezogen werden, indem er nachweist, dass diese Vermögensgegenstände oder Rechte mit erklärten Einkünften oder Einkünften aus Steuerjahren, für die er nicht steuerpflichtig war, erworben wurden.

30

Das Königreich Spanien macht im Übrigen, ohne dass die Kommission dem in geeigneter Weise widersprochen hätte, geltend, dass der Umstand, dass der Steuerpflichtige den Beleg dafür, dass er die Steuer für die Beträge, mit denen die nicht mit dem „Formblatt 720“ erklärten Vermögensgegenstände oder Rechte erworben wurden, in der Vergangenheit entrichtet habe, nicht aufbewahrt habe, nicht automatisch zur Einbeziehung dieser Beträge als nicht gerechtfertigte Vermögenszuwächse in die Bemessungsgrundlage der vom Steuerpflichtigen geschuldeten Steuer führe. Nach den allgemeinen Regeln über die Verteilung der Beweislast obliege es nämlich in jedem Fall der Steuerverwaltung, nachzuweisen, dass der Steuerpflichtige seiner Verpflichtung zur Zahlung der Steuer nicht nachgekommen sei.

31

Aus dem Vorstehenden ergibt sich zum einen, dass die vom spanischen Gesetzgeber aufgestellte Vermutung nicht gerechtfertigter Vermögenszuwächse nicht allein darauf beruht, dass der Steuerpflichtige Vermögensgegenstände oder Rechte im Ausland besitzt, da diese Vermutung dadurch ausgelöst wird, dass der Steuerpflichtige seine besonderen Erklärungspflichten in Bezug auf diese Vermögensgegenstände oder Rechte nicht oder nicht fristgerecht erfüllt hat. Zum anderen kann der Steuerpflichtige nach den dem Gerichtshof vorliegenden Informationen diese Vermutung nicht nur dadurch widerlegen, dass er nachweist, dass die betreffenden Vermögensgegenstände oder Rechte aus erklärten Einkünften oder Einkünften erworben wurden, die er in Steuerjahren erzielt hat, für die er nicht steuerpflichtig war, sondern auch, wenn er diesen Nachweis nicht erbringen kann, indem er geltend macht, dass er seiner Verpflichtung zur Zahlung der Steuer auf die Einkünfte, die zum Erwerb dieser Vermögensgegenstände oder Rechte gedient haben, nachgekommen ist, was dann von der Steuerverwaltung zu prüfen ist.

32

Unter diesen Umständen erscheint die vom spanischen Gesetzgeber aufgestellte Vermutung nicht außer Verhältnis zu den Zielen der Gewährleistung der Wirksamkeit der steuerlichen Überwachung und der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und ‑umgehung zu stehen.

33

Dass es dem Steuerpflichtigen nicht möglich ist, diese Vermutung dadurch zu widerlegen, dass er geltend macht, dass die Vermögensgegenstände oder Rechte, für die er der Informationspflicht nicht oder unvollständig oder verspätet nachgekommen ist, während eines verjährten Zeitraums erworben wurden, kann dieses Ergebnis nicht in Frage stellen. Die Berufung auf eine Verjährungsvorschrift ist nämlich nicht geeignet, die Vermutung der Steuerhinterziehung oder ‑umgehung in Frage zu stellen, sondern ermöglicht es lediglich, die Folgen zu vereiteln, die die Anwendung dieser Vermutung nach sich ziehen müsste.

34

Es ist jedoch zu prüfen, ob die vom spanischen Gesetzgeber getroffenen Entscheidungen im Bereich der Verjährung nicht schon als solche im Hinblick auf die verfolgten Ziele unverhältnismäßig erscheinen.

35

Hierzu ist festzustellen, dass Art. 39 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes und Art. 121 Abs. 6 des Körperschaftsteuergesetzes es der Steuerverwaltung in Wirklichkeit ermöglichen, die geschuldete Steuer für Beträge, die dem Wert der im Ausland belegenen, nicht oder unvollständig oder verspätet mit dem „Formblatt 720“ erklärten Vermögensgegenstände oder Rechte entsprechen, zeitlich unbegrenzt nachzufordern. Dies gilt selbst dann, wenn man annimmt, dass der spanische Gesetzgeber in Anwendung des Grundsatzes der actio nata nur den Beginn der Verjährungsfrist verschieben und auf den Zeitpunkt festlegen wollte, zu dem die Steuerverwaltung erstmals Kenntnis von der Existenz der im Ausland gehaltenen Vermögensgegenstände oder Rechte erlangt hat, da diese Entscheidung in der Praxis dazu führt, dass die Verwaltung die Einkünfte, die dem Wert dieser Vermögenswerte entsprechen, für einen unbestimmten Zeitraum besteuern kann, ohne das Steuerjahr oder das Jahr zu berücksichtigen, für das die Besteuerung der entsprechenden Beträge normalerweise fällig gewesen wäre.

36

Außerdem ergibt sich aus Art. 39 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes und aus Art. 121 Abs. 6 des Körperschaftsteuergesetzes, dass die Nichterfüllung oder die verspätete Erfüllung der Informationspflicht dazu führt, dass die Beträge, die dem Wert der im Ausland belegenen nicht erklärten Vermögensgegenstände oder Rechte entsprechen, auch dann in die Bemessungsgrundlage der vom Steuerpflichtigen geschuldeten Steuer einbezogen werden, wenn diese Vermögensgegenstände oder Rechte seinem Vermögen in einem Jahr oder Steuerjahr zugewachsen sind, für das zum Zeitpunkt, zu dem er der Informationspflicht nachkommen musste, bereits die Verjährung eingetreten war. Der Steuerpflichtige, der dieser Verpflichtung fristgemäß nachgekommen ist, behält dagegen den Vorteil der Verjährungsfrist für etwaige verschleierte Einkünfte, die dem Erwerb seiner Vermögensgegenstände oder Rechte im Ausland gedient haben.

37

Aus dem Vorstehenden ergibt sich nicht nur, dass die vom spanischen Gesetzgeber erlassene Regelung eine Unverjährbarkeitswirkung hat, sondern auch, dass sie es der Steuerverwaltung ermöglicht, eine bereits zugunsten des Steuerpflichtigen eingetretene Verjährung wieder in Frage zu stellen.

38

Der nationale Gesetzgeber kann zwar eine längere Verjährungsfrist einführen, um die Wirksamkeit steuerlicher Überprüfungen zu gewährleisten und Steuerhinterziehungen und ‑umgehungen im Zusammenhang mit der Verschleierung von Guthaben im Ausland zu bekämpfen, sofern diese Frist insbesondere unter Berücksichtigung der Mechanismen des Informationsaustauschs und der Amtshilfe zwischen den Mitgliedstaaten nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist (vgl. Urteil vom 11. Juni 2009, X und Passenheim-van Schoot, C‑155/08 und C‑157/08, EU:C:2009:368, Rn. 66, 72 und 73), doch kann dies nicht für die Einführung von Mechanismen gelten, die in der Praxis darauf hinauslaufen, den Zeitraum, in dem die Besteuerung erfolgen kann, auf unbestimmte Zeit zu verlängern, oder die es ermöglichen, eine bereits eingetretene Verjährung wieder rückgängig zu machen.

39

Das grundlegende Erfordernis der Rechtssicherheit verbietet es nämlich den Behörden grundsätzlich, unbegrenzt von ihren Befugnissen Gebrauch zu machen, um eine rechtswidrige Situation zu beenden (vgl. entsprechend Urteil vom 14. Juli 1972, Geigy/Kommission, 52/69, EU:C:1972:73, Rn. 21).

40

Im vorliegenden Fall ergibt sich, wie in den Rn. 35 und 36 des vorliegenden Urteils ausgeführt, die Möglichkeit für die Steuerverwaltung, zeitlich unbegrenzt tätig zu werden oder gar eine bereits eingetretene Verjährung in Frage zu stellen, nur daraus, dass der Steuerpflichtige nicht die Förmlichkeit eingehalten hat, der Informationspflicht in Bezug auf die Vermögensgegenstände oder Rechte, die er im Ausland besitzt, fristgemäß nachzukommen.

41

Dadurch, dass an die Verletzung einer solchen Erklärungspflicht so schwerwiegende Folgen geknüpft werden, geht die vom spanischen Gesetzgeber getroffene Wahl über das hinaus, was erforderlich ist, um die Wirksamkeit der steuerlichen Überwachung zu gewährleisten und Steuerhinterziehung und ‑umgehung zu bekämpfen, ohne dass sich die Frage stellt, welche Konsequenzen aus dem Bestehen von Mechanismen zum Informationsaustausch oder zur Amtshilfe zwischen Mitgliedstaaten zu ziehen sind.

Zur Verhältnismäßigkeit der Geldbuße von 150 %

Vorbringen der Parteien

42

Die Kommission trägt vor, der spanische Gesetzgeber habe dadurch eine unverhältnismäßige Beschränkung des freien Kapitalverkehrs eingeführt, dass er die Nichterfüllung oder die verspätete Erfüllung der Informationspflicht mit einer proportionalen Geldbuße von 150 % des dem Wert der im Ausland belegenen Rechte oder Vermögensgegenstände entsprechenden Betrags sanktioniere, die einen automatischen und unveränderlichen Charakter habe.

43

Die Kommission macht insbesondere geltend, dass der Satz dieser Geldbuße deutlich höher sei als die progressiven Sätze der Geldbuße für die verspätete Erklärung steuerpflichtiger Einkünfte in einer rein nationalen Situation, die sich je nach Dauer der festgestellten Verspätung auf 5 %, 10 %, 15 % oder 20 % der vom Steuerpflichtigen geschuldeten Abgaben beliefen, und dies, obwohl im Gegensatz zu der zuletzt genannten Geldbuße, die mit der Missachtung einer Verpflichtung zur Steuerzahlung zusammenhänge, die Geldbuße von 150 % die Nichteinhaltung einer bloßen formellen Verpflichtung zur Übermittlung von Informationen sanktioniere, die in der Regel keine zusätzliche Besteuerung impliziere.

44

Die Kommission weist ferner darauf hin, dass die in einem Vorbescheid vom 6. Juni 2017 vorgesehene Möglichkeit einer Berichtigung nicht berücksichtigt werden könne, da dieser Vorbescheid keine Gesetzeskraft habe und nach dem Zeitpunkt der mit Gründen versehenen Stellungnahme ergangen sei. Mangels einer Untersuchung durch die Verwaltung würden Steuerpflichtige, die nicht nachweisen könnten, dass ihre Vermögensgegenstände oder Rechte im Ausland mit erklärten und besteuerten Einkünften erworben worden seien, automatisch mit einer Geldbuße von 150 % belegt, was wiederum der unwiderleglichen Vermutung der Steuerhinterziehung gleichkomme. Schließlich werde die Gesamtsteuerschuld, die dem Steuerpflichtigen aufgrund der Kumulierung der Geldbuße von 150 % und der pauschalen Geldbußen nach der 18. Zusatzbestimmung des Allgemeinen Steuergesetzes auferlegt werde, nicht berücksichtigt.

45

Das Königreich Spanien ist der Ansicht, dass die Verhältnismäßigkeit von Sanktionen der alleinigen Beurteilung durch die nationalen Behörden unterliege, da diese Frage nicht auf europäischer Ebene harmonisiert worden sei. Dies vorausgeschickt, macht sie geltend, dass mit der Geldbuße von 150 % die Missachtung einer Erklärungspflicht ohne Entrichtung der entsprechenden Steuer, d. h. Handlungen der Steuerhinterziehung, geahndet werden solle. Sie könne daher nicht mit den Zuschlägen verglichen werden, die bei verspäteter Steuererklärung erhoben würden und die nur dazu dienten, die Steuerpflichtigen zur Einhaltung der vorgeschriebenen Fristen zu veranlassen.

46

Das Königreich Spanien ist ferner der Ansicht, dass die Möglichkeiten der Berichtigung durch den Vorbescheid vom 6. Juni 2017, dessen Auswirkungen rückwirkend auf das Gesetz anwendbar seien, sowie die der Verwaltung nach nationalem Recht nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eingeräumte allgemeine Anpassungsmöglichkeit zu berücksichtigen seien.

47

Schließlich bestreitet dieser Mitgliedstaat den automatischen Charakter der Geldbuße von 150 % und macht geltend, dass diese nur verhängt werden dürfe, wenn die Tatbestandsmerkmale der mit ihr geahndeten Zuwiderhandlung erfüllt seien, dass die Beweislast für die Schuld des Steuerpflichtigen stets bei der Verwaltung liege und dass diese Geldbuße in der Praxis nicht systematisch verhängt werde. Außerdem müsse in Anbetracht der Merkmale der Geldbuße von 150 % deren Verhältnismäßigkeit unter Berücksichtigung der Sanktionen beurteilt werden, die in den schwereren Fällen der fehlenden Zahlung einer Steuerschuld verhängt würden, die bei Delikten gegen den Fiskus bis zur Verhängung einer Geldbuße von 600 % des Betrags der vom Steuerpflichtigen geschuldeten Steuer gehen könnten.

Würdigung durch den Gerichtshof

48

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass es in Ermangelung einer Harmonisierung im Unionsrecht zwar Sache der Mitgliedstaaten ist, die Sanktionen zu wählen, die ihnen im Fall der Missachtung der in ihren nationalen Rechtsvorschriften im Bereich der direkten Steuern vorgesehenen Verpflichtungen angemessen erscheinen, dass sie jedoch verpflichtet sind, bei der Ausübung ihrer Befugnis das Unionsrecht und seine allgemeinen Grundsätze zu beachten und damit den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juli 2001, Louloudakis, C‑262/99, EU:C:2001:407, Rn. 67 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49

Zur Verhältnismäßigkeit der Geldbuße von 150 % ergibt sich aus der ersten Zusatzbestimmung des Gesetzes Nr. 7/2012, dass die Anwendung von Art. 39 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes oder Art. 134 Abs. 6 des konsolidierten Textes des durch das Königliche gesetzesvertretende Dekret Nr. 4/2004 vom 5. März 2004, dessen Bestimmungen in der Folge in Art. 121 Abs. 6 des Körperschaftsteuergesetzes übernommen wurden, gebilligten Körperschaftsteuergesetzes die Verhängung einer Geldbuße von 150 % des Gesamtbetrags der Steuer für die dem Wert der im Ausland gehaltenen Vermögensgegenstände oder Rechte entsprechenden Beträge nach sich zieht. Diese Geldbuße wird mit den in der 18. Zusatzbestimmung des Allgemeinen Steuergesetzes vorgesehenen pauschalen Geldbußen kumuliert, die für jede unvollständige, unrichtige oder falsche Angabe oder Reihe von Angaben gelten, die im „Formblatt 720“ hätte enthalten sein müssen.

50

Auch wenn das Königreich Spanien vorträgt, dass mit dieser proportionalen Geldbuße die Nichterfüllung einer materiellen Verpflichtung zur Zahlung der Steuer geahndet werde, ist festzustellen, dass ihre Verhängung in unmittelbarem Zusammenhang mit der Verletzung von Erklärungspflichten steht. Sie wird nämlich nur gegen Steuerpflichtige festgesetzt, deren Situation unter Art. 39 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes oder unter Art. 121 Abs. 6 des Körperschaftsteuergesetzes fällt, d. h. Steuerpflichtige, die der Informationspflicht in Bezug auf ihre im Ausland befindlichen Vermögensgegenstände oder Rechte nicht nachgekommen sind oder die ihr nicht vollständig oder nicht fristgerecht nachgekommen sind, und nicht gegen Steuerpflichtige, die zwar solche Vermögensgegenstände oder Rechte mittels nicht erklärten Einkünften erworben haben, dieser Informationspflicht aber dagegen nachgekommen sind.

51

Im Übrigen macht das Königreich Spanien zwar geltend, dass die Festsetzung der proportionalen Geldbuße von 150 % in der Praxis auf einer Einzelfallbeurteilung beruhe und dass ihr Satz angepasst werden könne, doch lässt der Wortlaut der ersten Zusatzbestimmung zum Gesetz Nr. 7/2012 erkennen, dass die bloße Anwendung von Art. 39 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes oder Art. 121 Abs. 6 des Körperschaftsteuergesetzes für die Feststellung eines Steuerdelikts ausreicht, das als sehr schwerwiegend angesehen und mit der Verhängung einer Geldbuße in Höhe von 150 % des Betrags der hinterzogenen Steuer bestraft wird, wobei dieser Satz nicht als Höchstsatz formuliert ist.

52

Insoweit ist klarzustellen, dass die Anpassungsmöglichkeiten, die der – nach der mit Gründen versehenen Stellungnahme der Kommission an das Königreich Spanien vom 15. Februar 2017 erlassene – Vorbescheid vom 6. Juni 2017 bietet, im Rahmen der vorliegenden Klage nicht berücksichtigt werden können, da das Vorliegen einer Vertragsverletzung nach ständiger Rechtsprechung anhand der Lage zu beurteilen ist, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist befand, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Januar 2020, Kommission/Italien [Richtlinie zur Bekämpfung von Zahlungsverzug], C‑122/18, EU:C:2020:41, Rn. 58). Dass die in diesem Vorbescheid enthaltene Auslegung angeblich rückwirkend auf das Gesetz angewandt wird, ist insoweit unerheblich.

53

Schließlich ist auf den sehr hohen Prozentsatz der proportionalen Geldbuße hinzuweisen, der ihr einen äußerst repressiven Charakter verleiht und in vielen Fällen unter Berücksichtigung der Kumulierung mit den pauschalen Geldbußen, die darüber hinaus in der 18. Zusatzbestimmung des Allgemeinen Steuergesetzes vorgesehen sind, dazu führen kann, den Gesamtbetrag der Beträge, die der Steuerpflichtige aufgrund der Missachtung der Informationspflicht in Bezug auf seine Vermögensgegenstände oder Rechte im Ausland schuldet, auf mehr als 100 % des Wertes dieser Vermögensgegenstände oder Rechte anzuheben, wie die Kommission ausgeführt hat.

54

Unter diesen Umständen hat die Kommission dargetan, dass der spanische Gesetzgeber dadurch, dass er die Missachtung der Erklärungspflichten des Steuerpflichtigen in Bezug auf seine im Ausland belegenen Vermögenswerte oder Rechte mit einer proportionalen Geldbuße in Höhe von 150 % des Betrags der Steuer, die auf die dem Wert dieser Vermögenswerte oder Rechte entsprechenden Beträge berechnet wird, verbunden hat, die mit pauschalen Geldbußen kumuliert werden kann, den freien Kapitalverkehr unverhältnismäßig beeinträchtigt hat.

Zur Verhältnismäßigkeit der pauschalen Geldbußen

Vorbringen der Parteien

55

Schließlich stellt es nach Auffassung der Kommission eine unverhältnismäßige Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar, dass bei Nichterfüllung der Informationspflicht hinsichtlich der Vermögensgegenstände oder Rechte im Ausland oder bei nicht vollständiger oder verspäteter Erfüllung dieser Pflicht pauschale Geldbußen verhängt würden, deren Satz höher sei als bei ähnlichen Zuwiderhandlungen in einem rein innerstaatlichen Kontext, ohne die Informationen über diese Vermögenswerte zu berücksichtigen, über die die Steuerverwaltung verfügen könne.

56

Jedenfalls genüge der Umstand, dass die Nichterfüllung oder die unvollständige oder verspätete Erfüllung der Informationspflicht, die eine bloß formelle Verpflichtung darstelle, deren Missachtung dem Fiskus keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Schaden zufüge, zur Verhängung von Geldbußen führe, die je nach Fall 15-, 50- oder 66-mal höher seien als die Geldbußen, die bei ähnlichen Verstößen in einer rein nationalen Situation gemäß den Art. 198 und 199 des Allgemeinen Steuergesetzes verhängt würden, um die Unverhältnismäßigkeit der Höhe dieser Geldbußen zu belegen.

57

Das Königreich Spanien räumt zwar ein, dass mit den in der 18. Zusatzbestimmung des Allgemeinen Steuergesetzes vorgesehenen pauschalen Geldbußen der Verstoß gegen eine formelle Verpflichtung geahndet werde, deren Verletzung dem Fiskus keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Schaden zufüge, hält aber die von der Kommission zum Vergleich herangezogenen Gesichtspunkte für nicht relevant. Die pauschalen Geldbußen für den Fall der Nichterfüllung oder der verspäteten Erfüllung der Informationspflicht seien eher mit denen für den Fall der Nichteinhaltung der im spanischen Recht vorgesehenen „Erklärung von Innenumsätzen“ zu vergleichen, da auch diese Erklärung die Form einer Informationspflicht in Bezug auf monetäre Werte annehme, die der von den fraglichen Informationen betroffene Steuerpflichtige abzugeben habe. Außerdem dürfe der Informationsstand, über den die Steuerverwaltung in Bezug auf die von einem Steuerpflichtigen im Ausland gehaltenen Vermögenswerte verfüge, bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der verhängten pauschalen Geldbußen nicht berücksichtigt werden; Letztere sollte allein anhand des Verhaltens des Steuerpflichtigen geprüft werden.

Würdigung durch den Gerichtshof

58

Nach der 18. Zusatzbestimmung des Allgemeinen Steuergesetzes sind die Steuerpflichtigen verpflichtet, der Steuerverwaltung eine Reihe von Informationen über ihre Vermögensgegenstände oder Rechte im Ausland zu erteilen, darunter Immobilien, Bankkonten, Wertpapiere, Guthaben, Anteile oder Rechte am Gesellschaftskapital, Eigenmittel oder Vermögen jeder Art von Unternehmen oder auch Lebens- und Invaliditätsversicherungen, über die sie außerhalb des spanischen Hoheitsgebiets verfügen. Macht ein Steuerpflichtiger gegenüber der Steuerverwaltung unvollständige, unrichtige oder falsche Angaben, erteilt er ihr die verlangten Informationen nicht oder nicht fristgerecht und in der vorgeschriebenen Form, wird dies als „Steuerdelikt“ eingestuft und führt zur Anwendung pauschaler Geldbußen in Höhe von 5000 Euro für jede fehlende, unvollständige, unrichtige oder falsche Angabe oder Reihe von Angaben, wobei die Mindestgeldbuße 10000 Euro beträgt, und einer Geldbuße von 100 Euro für jede Angabe oder Reihe von Angaben, die nicht fristgerecht oder nicht mit elektronischen Mitteln, sofern dies vorgeschrieben war, erklärt worden ist, wobei die Mindestgeldbuße 1500 Euro beträgt.

59

Die 18. Zusatzbestimmung des Allgemeinen Steuergesetzes sieht auch vor, dass diese Geldbußen nicht mit den Geldbußen nach den Art. 198 und 199 dieses Gesetzes kumuliert werden, die allgemein die Sanktionen festlegen, die gegen Steuerpflichtige verhängt werden, die ihren Erklärungspflichten nicht oder nicht vollständig, nicht fristgerecht oder nicht in den vorgeschriebenen Formen nachkommen. Nach diesen Bestimmungen wird, wenn kein unmittelbarer wirtschaftlicher Schaden für den Fiskus vorliegt, die Nichtvorlage einer Erklärung innerhalb der gesetzten Frist – von Sonderfällen abgesehen – mit einer pauschalen Geldbuße von 200 Euro bestraft, die, wenn der Steuerpflichtige die Erklärung ohne vorherige Aufforderung der Steuerverwaltung verspätet vorlegt, um die Hälfte ermäßigt wird. Die Vorlage einer unvollständigen, unrichtigen oder falschen Erklärung wird mit einer pauschalen Geldbuße von 150 Euro und die Vorlage einer Erklärung außerhalb der vorgeschriebenen Formen mit einer pauschalen Geldbuße von 250 Euro geahndet.

60

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die 18. Zusatzbestimmung des Allgemeinen Steuergesetzes die Verletzung bloßer Erklärungspflichten oder rein formeller Verpflichtungen, die mit dem Besitz von Vermögensgegenständen oder Rechten im Ausland durch den Steuerpflichtigen verbunden sind, mit der Verhängung sehr hoher pauschaler Geldbußen belegt, da sie für jede einzelne betroffene Angabe oder Reihe von Angaben gelten, da sie je nach Fall mit einem Mindestbetrag von 1500 oder 10000 Euro einhergehen und da ihr Gesamtbetrag nach oben nicht begrenzt ist. Diese pauschalen Geldbußen werden zudem mit der in der ersten Zusatzbestimmung des Gesetzes Nr. 7/2012 vorgesehenen proportionalen Geldbuße von 150 % kumuliert.

61

Aus dem Vorstehenden ergibt sich auch, dass die Höhe dieser pauschalen Geldbußen außer Verhältnis zu der Höhe der Geldbußen steht, die den Steuerpflichtigen auf der Grundlage der Art. 198 und 199 des Allgemeinen Steuergesetzes drohen, die insoweit vergleichbar erscheinen, als sie die Missachtung von Verpflichtungen ahnden, die den in der 18. Zusatzbestimmung des Allgemeinen Steuergesetzes vorgesehenen Verpflichtungen entsprechen.

62

Diese Merkmale reichen für die Feststellung aus, dass die in dieser Bestimmung vorgesehenen pauschalen Geldbußen eine unverhältnismäßige Beschränkung des freien Kapitalverkehrs aufstellen.

63

Nach alledem ist festzustellen, dass das Königreich Spanien dadurch, dass es

vorgesehen hat, dass die Nichterfüllung oder die unvollständige oder verspätete Erfüllung der Informationspflicht hinsichtlich der Vermögensgegenstände und Rechte im Ausland die Besteuerung nicht erklärter Einkünfte, die dem Wert dieser Vermögenswerte entsprechen, als „ungerechtfertigte Vermögenszuwächse“ nach sich zieht, ohne dass in der Praxis die Verjährung geltend gemacht werden kann,

die Nichterfüllung oder die unvollständige oder verspätete Erfüllung der Informationspflicht hinsichtlich der Vermögensgegenstände und Rechte im Ausland mit einer proportionalen Geldbuße von 150 % der auf die dem Wert dieser Vermögensgegenstände oder Rechte entsprechenden Beträge berechneten Steuer belegt hat, die mit pauschalen Geldbußen kumuliert werden kann,

und die Nichterfüllung oder die unvollständige oder verspätete Erfüllung der Informationspflicht hinsichtlich der Vermögensgegenstände und Rechte im Ausland mit pauschalen Geldbußen belegt hat, deren Höhe außer Verhältnis zu den Sanktionen steht, die in einem rein innerstaatlichen Kontext für vergleichbare Verstöße vorgesehen sind, und deren Gesamtbetrag nach oben nicht begrenzt ist,

gegen seine Verpflichtungen aus Art. 63 AEUV und Art. 40 des EWR-Abkommens verstoßen hat.

Kosten

64

Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung des Königreichs Spanien beantragt hat und die Vertragsverletzung festgestellt worden ist, sind diesem Mitgliedstaat die Kosten aufzuerlegen.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Das Königreich Spanien hat dadurch, dass es

vorgesehen hat, dass die Nichterfüllung oder die unvollständige oder verspätete Erfüllung der Informationspflicht hinsichtlich der Vermögensgegenstände und Rechte im Ausland die Besteuerung nicht erklärter Einkünfte, die dem Wert dieser Vermögenswerte entsprechen, als „ungerechtfertigte Vermögenszuwächse“ nach sich ziehen, ohne dass in der Praxis die Verjährung geltend gemacht werden kann,

die Nichterfüllung oder die unvollständige oder verspätete Erfüllung der Informationspflicht hinsichtlich der Vermögensgegenstände und Rechte im Ausland mit einer proportionalen Geldbuße von 150 % der auf die dem Wert dieser Vermögensgegenstände oder Rechte entsprechenden Beträge berechneten Steuer belegt hat, die mit pauschalen Geldbußen kumuliert werden kann,

und die Nichterfüllung oder die unvollständige oder verspätete Erfüllung der Informationspflicht hinsichtlich der Vermögensgegenstände und Rechte im Ausland mit pauschalen Geldbußen belegt hat, deren Höhe außer Verhältnis zu den Sanktionen steht, die in einem rein innerstaatlichen Kontext für vergleichbare Verstöße vorgesehen sind, und deren Gesamtbetrag nach oben nicht begrenzt ist,

gegen seine Verpflichtungen aus Art. 63 AEUV und Art. 40 des Abkommens vom 2. Mai 1992 über den Europäischen Wirtschaftsraum verstoßen.

 

2.

Das Königreich Spanien trägt die Kosten.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Spanisch.