URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

25. Februar 2021 ( *1 )

„Rechtsmittel – Schadensersatzklage – Außervertragliche Haftung der Europäischen Union – Behauptetes rechtswidriges Verhalten der Europäischen Kommission und des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) – Ausscheiden aus dem Amt eines Mitglieds der Kommission – Verfahrensvorschriften für die Untersuchung des OLAF – Eröffnung einer Untersuchung – Anspruch auf rechtliches Gehör – Überwachungsausschuss des OLAF – Unschuldsvermutung – Beurteilung des geltend gemachten Schadens“

In der Rechtssache C‑615/19 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 16. August 2019,

John Dalli, wohnhaft in St. Julian’s (Malta), Prozessbevollmächtigte: L. Levi und S. Rodrigues, avocats,

Rechtsmittelführer,

andere Partei des Verfahrens:

Europäische Kommission, vertreten durch J.‑P. Keppenne und J. Baquero Cruz als Bevollmächtigte,

Beklagte im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.‑C. Bonichot, des Richters L. Bay Larsen (Berichterstatter), der Richterin C. Toader und der Richter M. Safjan und N. Jääskinen,

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 22. September 2020

folgendes

Urteil

1

Mit seinem Rechtsmittel beantragt Herr John Dalli die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 6. Juni 2019, Dalli/Kommission (T‑399/17, im Folgenden: angefochtenes Urteil, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:384), mit dem das Gericht seine Klage auf Ersatz des Schadens abgewiesen hat, den er durch vermeintlich rechtswidriges Verhalten der Europäischen Kommission und des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) im Zusammenhang mit seinem Ausscheiden aus dem Amt als Mitglied der Kommission am 16. Oktober 2012 erlitten haben will.

Rechtlicher Rahmen

Verordnung (EG) Nr. 1073/1999

2

Art. 1 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1073/1999 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 über die Untersuchungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) (ABl. 1999, L 136, S. 1) bestimmte:

„Das Amt führt in den durch die Verträge oder auf deren Grundlage geschaffenen Organen, Einrichtungen sowie Ämtern und Agenturen (im Folgenden ‚Organe, Einrichtungen sowie Ämter und Agenturen‘ genannt) administrative Untersuchungen durch, die dazu dienen,

Betrug, Korruption und sonstige rechtswidrige Handlungen zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaft zu bekämpfen;

zu diesem Zweck schwerwiegende Handlungen im Zusammenhang mit der Ausübung der beruflichen Tätigkeit aufzudecken, die eine Verletzung der Verpflichtungen der Beamten und Bediensteten der Gemeinschaften, die disziplinarisch und gegebenenfalls strafrechtlich geahndet werden kann, oder eine Verletzung der analogen Verpflichtungen der Mitglieder der Organe und Einrichtungen, der Leiter der Ämter und Agenturen und der Mitglieder des Personals der Organe, Einrichtungen sowie Ämter und Agenturen, die nicht dem Statut unterliegen, darstellen können.“

3

Art. 2 dieser Verordnung lautete:

„Im Sinne dieser Verordnung umfasst der Begriff ‚administrative Untersuchungen‘ (im Folgenden ‚Untersuchungen‘ genannt) sämtliche Kontrollen, Überprüfungen und sonstige Maßnahmen, die die Bediensteten des Amtes in Ausübung ihrer Befugnisse gemäß den Artikeln 3 und 4 durchführen, um die in Artikel 1 festgelegten Ziele zu erreichen und gegebenenfalls den Beweis für Unregelmäßigkeiten der von ihnen kontrollierten Handlungen zu erbringen. Diese Untersuchungen berühren nicht die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Strafverfolgung.“

4

In den Art. 3 und 4 der genannten Verordnung waren die Regeln für die externen bzw. internen Untersuchungen des OLAF festgelegt.

5

Art. 6 dieser Verordnung stellte klar, dass der Direktor des Amtes die Untersuchungen leitet.

6

Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1073/1999 lautete:

„Das Amt erstellt nach einer von ihm durchgeführten Untersuchung unter der Verantwortung des Direktors einen Bericht, aus dem insbesondere der festgestellte Sachverhalt, gegebenenfalls die ermittelte Schadenshöhe und die Ergebnisse der Untersuchung, einschließlich der Empfehlungen des Direktors des Amtes zu den zweckmäßigen Folgemaßnahmen, hervorgehen.“

7

Art. 11 Abs. 1 und 6 bis 8 dieser Verordnung sah vor:

„(1)   Der Überwachungsausschuss stellt durch die regelmäßige Kontrolle, die er bezüglich der Ausübung der Untersuchungstätigkeit vornimmt, die Unabhängigkeit des Amtes sicher.

Der Überwachungsausschuss gibt von sich aus oder auf Ersuchen des Direktors an diesen gerichtete Stellungnahmen zu den Tätigkeiten des Amtes ab, greift jedoch nicht in den Ablauf der Untersuchungen ein.

(6)   Der Überwachungsausschuss ernennt seinen Vorsitzenden. Er gibt sich eine Geschäftsordnung. …

(7)   Der Direktor übermittelt dem Überwachungsausschuss jedes Jahr das Tätigkeitsprogramm des Amtes … Der Direktor unterrichtet den Ausschuss über die Fälle, die die Übermittlung von Informationen an die Justizbehörden eines Mitgliedstaats erfordern.

(8)   Der Überwachungsausschuss nimmt mindestens einen Tätigkeitsbericht pro Jahr an und übermittelt ihn den Organen. Der Ausschuss kann dem Europäischen Parlament, dem Rat, der Kommission und dem Rechnungshof Berichte über die Ergebnisse und die Folgemaßnahmen der vom Amt durchgeführten Untersuchungen vorlegen.“

Beschluss 1999/396/EG, EGKS, Euratom

8

Art. 4 des Beschlusses 1999/396/EG, EGKS, Euratom der Kommission vom 2. Juni 1999 über die Bedingungen und Modalitäten der internen Untersuchungen zur Bekämpfung von Betrug, Korruption und sonstigen rechtswidrigen Handlungen zum Nachteil der Interessen der Gemeinschaft (ABl. 1999, L 149, S. 57) bestimmt:

„In den Fällen, in denen die Möglichkeit einer persönlichen Implikation eines Mitglieds, eines Beamten oder Bediensteten der Kommission besteht, ist der Betroffene rasch zu unterrichten, sofern dies nicht die Untersuchung beeinträchtigt. Auf keinen Fall dürfen eine dieser Personen mit Namen nennende Schlussfolgerungen am Ende der Untersuchung gezogen werden, ohne dass dem Betroffenen Gelegenheit gegeben wurde, sich zu den ihn betreffenden Tatsachen zu äußern.“

Geschäftsordnung des OLAF‑Überwachungsausschusses

9

Art. 13 Abs. 5 der Geschäftsordnung des Überwachungsausschusses des OLAF (ABl. 2011, L 308, S. 114) sieht vor:

„Fälle, bei denen Informationen an die Justizbehörden eines Mitgliedstaats weiterzuleiten sind, werden anhand der vom Generaldirektor des OLAF übermittelten Angaben sowie entsprechend der Verordnung (EG) Nr. 1073/1999 geprüft. Auch die Folgemaßnahmen werden auf dieser Grundlage ergriffen.

Der Ausschuss beantragt vor der Weiterleitung der Informationen Einsichtnahme in die betreffenden Untersuchungsunterlagen, um die Einhaltung der Grundrechte und der Verfahrensgarantien zu prüfen. Nachdem dem Sekretariat innerhalb einer für die Erfüllung dieser Aufgabe angemessenen Frist Einsichtnahme in die Unterlagen gewährt wurde, bereiten die für die Prüfung der jeweiligen Fälle ernannten Berichterstatter die Vorlage für die Plenarsitzung des Ausschusses vor. …

Der Ausschuss ernennt Berichterstatter für die Prüfung dieser Untersuchungen und gibt gegebenenfalls eine Stellungnahme ab.“

Verordnung (EU, Euratom) Nr. 883/2013

10

Die Verordnung (EU, Euratom) Nr. 883/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. September 2013 über die Untersuchungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1073/1999 des Europäischen Parlaments und des Rates und der Verordnung (Euratom) Nr. 1074/1999 des Rates (ABl. 2013, L 248, S. 1) hat die Verordnung Nr. 1073/1999 aufgehoben und ersetzt.

11

Art. 7 Abs. 4 der Verordnung Nr. 883/2013 bestimmt:

„Beinhaltet eine Untersuchung externe sowie interne Elemente, so kommt Artikel 3 beziehungsweise Artikel 4 zur Anwendung.“

OLAF‑interne Dienstanweisungen für Untersuchungsverfahren

12

Art. 5 der OLAF‑internen Dienstanweisungen für Untersuchungsverfahren in der zum Zeitpunkt des Sachverhalts geltenden Fassung (im Folgenden OLAF‑Dienstanweisungen) sah vor:

„(1)   Das Referat ‚Fallauswahl und Überprüfung‘ kann sich gegebenenfalls an die Quelle und das betreffende Organ, die betreffende Einrichtung oder sonstige Stelle der Union wenden, um zusätzliche Erläuterungen und Unterlagen zu den ursprünglichen Informationen zu erhalten. Sie kann auch die dem OLAF zur Verfügung stehenden Datenbanken und anderen Quellen konsultieren. Sollte es erforderlich sein, für die Zwecke des Auswahlverfahrens zusätzliche Informationen einzuholen, kann das Referat ‚Fallauswahl und Überprüfung‘ u. a. auf folgende Mittel zurückgreifen:

a)

Unterlagen und Informationen sammeln;

b)

Informationen im Rahmen von operativen Besprechungen einholen;

c)

Aussagen aller Personen einholen, die in der Lage sind, relevante Informationen zu liefern;

d)

Durchführung von Informationsmissionen in den Mitgliedstaaten.

(2)   Handelt es sich bei der Quelle um einen internen Hinweisgeber, informiert ihn das Referat ‚Fallauswahl und Überprüfung‘ innerhalb von 60 Tagen über die Frist, die erforderlich ist, um geeignete Maßnahmen zu ergreifen.

(3)   Die Stellungnahme zur Eröffnung eines Untersuchungs- oder Koordinierungsfalls basiert darauf, ob die Informationen in die Zuständigkeit des OLAF fallen oder nicht, ob sie ausreichen, um die Eröffnung eines Untersuchungs- oder Koordinierungsfalls zu rechtfertigen, und ob sie in die vom Generaldirektor festgelegten Prioritäten der Untersuchungspolitik fallen.

(4)   Bei der Bestimmung, ob das OLAF zuständig ist, werden die einschlägigen Verordnungen, Beschlüsse und interinstitutionellen Vereinbarungen der Union sowie andere Rechtsinstrumente, die den Schutz der finanziellen und sonstigen Interessen der Union betreffen, berücksichtigt. Die Zuverlässigkeit der Quelle und die Glaubwürdigkeit der Behauptungen werden bei der Entscheidung berücksichtigt, ob die Informationen ausreichen, um einen Untersuchungs- oder Koordinierungsfall zu eröffnen. Außerdem werden alle im Auswahlverfahren gesammelten Informationen berücksichtigt, um die Einleitung eines Untersuchungs- oder Koordinierungsfalls zu begründen. Die Prioritäten der Untersuchungspolitik legen die Kriterien fest, nach denen bestimmt wird, ob eine Information unter eine anerkannte Untersuchungspriorität fällt oder nicht.

(5)   Das Referat ‚Fallauswahl und Überprüfung‘ übermittelt dem Generaldirektor innerhalb von zwei Monaten nach der Registrierung einer erhaltenen Information eine Stellungnahme über die Einleitung oder Ablehnung eines Falles.“

13

Art. 11 Abs. 6 der OLAF‑internen Dienstanweisungen bestimmte:

„Die Mitglieder des Untersuchungsreferats führen nach Vorlage eines vom Generaldirektor ausgestellten schriftlichen Dokuments, das ihre Identität, ihren Status und die Ermittlungstätigkeit, zu der sie befugt und beauftragt sind, bestätigt, die folgenden Untersuchungstätigkeiten durch:

a)

die Anhörung der betroffenen Personen;

b)

die Inspektion von Räumlichkeiten;

c)

vor-Ort-Kontrollen;

d)

forensische Gutachten;

e)

die Kontrollen und Inspektionen, die den sektorbezogenen Regelungen unterliegen.“

14

Art. 12 Abs. 3 der OLAF‑internen Dienstanweisungen sah vor:

„Wenn die Ermittlungsstelle beabsichtigt, eine Untersuchungstätigkeit durchzuführen, die nicht in den Anwendungsbereich des Untersuchungs- oder Koordinierungsfalls fällt, stellt sie beim Referat ‚Fallauswahl und Überprüfung‘ einen Antrag, um diesen Anwendungsbereich zu erweitern. Das Referat ‚Fallauswahl und Überprüfung‘ überprüft den Vorschlag zur Erweiterung des Anwendungsbereichs und legt dem Generaldirektor eine Stellungnahme vor, auf deren Grundlage dieser eine Entscheidung trifft.“

Vorgeschichte des Rechtsstreits

15

Mit Beschluss 2010/80/EU des Europäischen Rates vom 9. Februar 2010 zur Ernennung der Europäischen Kommission (ABl. 2010, L 38, S. 7) wurde Herr Dalli für den Zeitraum vom 10. Februar 2010 bis zum 31. Oktober 2014 zum Mitglied der Kommission ernannt. Ihm wurde vom Präsidenten der Kommission das Ressort Gesundheit und Verbraucherschutz übertragen.

16

Nachdem bei der Kommission am 21. Mai 2012 eine Beschwerde der Gesellschaft Swedish Match (im Folgenden: Beschwerdeführerin) eingegangen war, die Behauptungen über das Verhalten von Herrn Dalli enthielt, leitete das OLAF am 25. Mai 2012 eine Untersuchung ein (im Folgenden: OLAF‑Untersuchung).

17

Am 16. Juli und am 17. September 2012 wurde Herr Dalli vom OLAF angehört.

18

Am 15. Oktober 2012 wurde der Bericht des OLAF der Generalsekretärin der Kommission zu Händen des Präsidenten dieses Organs übermittelt. Diesem Bericht war ein vom Generaldirektor des OLAF (im Folgenden: Direktor des OLAF) unterzeichnetes Schreiben beigefügt, das die wichtigsten Ergebnisse der Untersuchung zusammenfasste.

19

Am 16. Oktober 2012 traf sich Herr Dalli mit dem Präsidenten der Kommission. Später am selben Tag informierte dieser den Premierminister der Republik Malta sowie die Präsidenten des Europäischen Parlaments und des Rates der Europäischen Union über den Rücktritt von Herrn Dalli. Ferner veröffentlichte die Kommission eine Pressemitteilung, in der sie diesen Rücktritt bekannt gab.

20

Mit Klageschrift, die am 24. Dezember 2012 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob Herr Dalli Klage auf Nichtigerklärung der „mündlichen Entscheidung des Präsidenten der Kommission vom 16. Oktober 2012 über [sein] Ausscheiden aus dem Amt mit sofortiger Wirkung“ und auf Ersatz des ihm entstandenen immateriellen Schadens in Höhe eines symbolischen Betrags von 1 Euro sowie auf Ersatz des materiellen Schadens in Höhe von vorläufig 1913396 Euro.

21

Diese Klage wurde mit Urteil des Gerichts vom 12. Mai 2015, Dalli/Kommission (T‑562/12, EU:T:2015:270), abgewiesen.

22

Was zum einen den Nichtigkeitsantrag betrifft, stellte das Gericht fest, dass der Kläger seinen Rücktritt freiwillig erklärt habe, ohne vom Präsidenten der Kommission dazu im Sinne von Art. 17 Abs. 6 EUV aufgefordert worden zu sein. Da die Existenz dieser Aufforderung, die die vom Rechtsmittelführer angefochtene Handlung darstellte, nicht nachgewiesen worden sei, war das Gericht der Auffassung, dass die Nichtigkeitsklage als unzulässig zurückzuweisen war.

23

Was zum anderen die Schadensersatzanträge betrifft, befand das Gericht, wegen seiner Feststellung, dass eine solche Aufforderung nicht erwiesen sei, lasse sich gegenüber diesem Organ insoweit keine diesbezügliche Rechtsverletzung feststellen. Bezüglich der im Rahmen des Nichtigkeitsantrags hilfsweise behaupteten Zustimmungsmängel stellte das Gericht fest, diese seien nicht dargetan worden. Es kam zu dem Schluss, dass das Vorbringen von Herrn Dalli zu einem Fehlverhalten der Kommission oder ihres Präsidenten nicht rechtlich hinreichend nachgewiesen sei, und wies die Schadensersatzanträge daher als unbegründet ab.

24

Am 21. Juni 2015 legte Herr Dalli ein Rechtsmittel gegen dieses Urteil ein. Dieses Rechtsmittel wurde mit Beschluss vom 14. April 2016, Dalli/Kommission (C‑394/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:262), zurückgewiesen.

Klage vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

25

Mit Klageschrift, die am 28. Juni 2017 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob Herr Dalli eine Klage, mit der er beantragte, die Kommission zu verurteilen, an ihn einen vorläufig auf 1000000 Euro bezifferten Betrag als Ersatz für den erlittenen Schaden, insbesondere den immateriellen Schaden, zu zahlen, der ihm durch das rechtswidrige Verhalten der Kommission und des OLAF im Zusammenhang mit seinem Ausscheiden aus dem Amt als Mitglied der Kommission am 16. Oktober 2012 entstanden sei.

26

Zur Stützung seiner Klage erhob Herr Dalli sieben Rügen zur Rechtswidrigkeit des Verhaltens des OLAF, mit denen er erstens die Rechtswidrigkeit der Entscheidung über die Einleitung der Untersuchung, zweitens Fehler bei der Beschreibung der Untersuchung und der Ausweitung ihres Umfangs, drittens eine Verletzung der Grundsätze der Beweiserhebung sowie eine Verfälschung und Fälschung von Beweismitteln, viertens eine Verletzung der Verteidigungsrechte sowie des Art. 4 des Beschlusses 1999/396 und des Art. 18 der OLAF‑internen Dienstanweisungen, fünftens einen Verstoß gegen Art. 11 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1073/1999 und gegen Art. 13 Abs. 5 der Geschäftsordnung des Überwachungsausschusses des OLAF, sechstens einen Verstoß gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung, gegen Art. 8 der Verordnung Nr. 1073/1999, gegen Art. 339 AEUV und gegen das Recht auf Schutz personenbezogener Daten sowie siebtens einen Verstoß gegen Art. 4 der Verordnung Nr. 1073/1999, gegen Art. 4 des Beschlusses 1999/396 und gegen das Protokoll der Vereinbarung über einen Verhaltenskodex zur Gewährleistung eines rechtzeitigen Informationsaustauschs zwischen OLAF und der Kommission bei internen Untersuchungen des OLAF innerhalb der Kommission geltend machte. Darüber hinaus erhob Herr Dalli zwei Rügen in Bezug auf die Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Kommission.

27

Mit gesondertem Schriftsatz, der am 13. September 2017 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob die Kommission eine Einrede der Unzulässigkeit.

28

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Gericht nach der Zurückweisung dieser Einrede der Unzulässigkeit alle von Herrn Dalli gegen das OLAF und die Kommission erhobenen Rügen zurückgewiesen.

29

Außerdem stellte das Gericht der Vollständigkeit halber fest, dass Herr Dalli weder einen hinreichend direkten Kausalzusammenhang zwischen dem beanstandeten Verhalten und dem behaupteten Schaden noch das Vorliegen dieses Schadens nachgewiesen habe.

30

Das Gericht hat daher die Klage von Herrn Dalli insgesamt abgewiesen.

Anträge der Parteien

31

Mit seinem Rechtsmittel beantragt Herr Dalli,

das angefochtene Urteil aufzuheben;

den Ersatz des ihm entstandenen Schadens, insbesondere des immateriellen Schadens, der vorläufig auf 1000000 Euro geschätzt werden könne, anzuordnen;

der Kommission die Kosten beider Rechtszüge aufzuerlegen.

32

Die Kommission beantragt,

das Rechtsmittel zurückzuweisen;

Herrn Dalli die Kosten des Verfahrens vor dem Gerichtshof und dem Gericht aufzuerlegen.

Zum Rechtsmittel

33

Herr Dalli macht sieben Rechtsmittelgründe geltend. Die ersten sechs Rechtsmittelgründe beziehen sich auf die Zurückweisung der ersten sechs im ersten Rechtszug erhobenen Rügen betreffend das Verhalten des OLAF. Der siebte Rechtsmittelgrund bezieht sich auf die Feststellungen des Gerichts zum tatsächlichen Vorliegen des behaupteten Schadens und zum Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Verhalten dieses Organs und dem geltend gemachten Schaden.

34

Einleitend stellt die Kommission klar, sie habe es zwar aus Gründen der Verfahrensökonomie nicht für zweckmäßig gehalten, ein Anschlussrechtsmittel einzulegen, sei aber gleichwohl der Ansicht, dass die Klage im ersten Rechtszug als unzulässig hätte abgewiesen werden müssen und dass der Gerichtshof den vom Gericht insoweit begangenen Fehler von Amts wegen prüfen könne.

35

Der Gerichtshof hält es insoweit in der vorliegenden Rechtssache für angemessen, sich sogleich mit der Begründetheit der Klage zu befassen (vgl. entsprechend Urteile vom 23. Oktober 2007, Polen/Rat, C‑273/04, EU:C:2007:622, Rn. 33, und vom 7. März 2013, Schweiz/Kommission, C‑547/10 P, EU:C:2013:139, Rn. 47).

36

Im Übrigen macht die Kommission geltend, dass die von Herrn Dalli vorgebrachten Rechtsmittelgründe sämtlich ins Leere gingen.

Zum ins Leere Gehen sämtlicher Rechtsmittelgründe

Vorbringen der Parteien

37

Die Kommission stellt fest, dass die außervertragliche Haftung der Union von drei Voraussetzungen abhängt, nämlich der Rechtswidrigkeit des dem Unionsorgan vorgeworfenen Verhaltens, dem tatsächlichen Eintreten des Schadens und dem Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen diesem Verhalten und dem Schaden. Fehle es an einer dieser Voraussetzungen, so sei der Schadensersatzantrag zurückzuweisen, ohne dass die beiden anderen geprüft zu werden brauchten.

38

Die Rechtsmittelgründe 1 bis 6 bezögen sich aber auf das dem OLAF vorgeworfene Verhalten, während der siebte Rechtsmittelgrund nur das Vorliegen eines immateriellen Schadens betreffe. Nach Ansicht der Kommission trägt Herr Dalli somit keinen Rechtsmittelgrund vor, der sich auf die Voraussetzung des Bestehens eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Verhalten des OLAF und dem behaupteten Schaden beziehe. Herr Dalli könne nicht behaupten, dass sich der siebte Rechtsmittelgrund auch auf diesen Kausalzusammenhang beziehe, da er in seiner Rechtsmittelschrift in der zur Stützung dieses Rechtsmittelgrundes entwickelten Argumentation speziell auf Rn. 225 des angefochtenen Urteils verweise, die sich nur auf den Schaden beziehe, und die in Rn. 224 des angefochtenen Urteils enthaltene Begründung für das Fehlen eines Kausalzusammenhangs nicht rüge.

39

Folglich stellten die von Herrn Dalli geltend gemachten Rechtsmittelgründe nicht die Begründung in Frage, mit der das Gericht festgestellt habe, dass der Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des OLAF und dem von Herrn Dalli geltend gemachten Schaden nicht nachgewiesen sei. Da dieser Grund ausreiche, um den Tenor des angefochtenen Urteils zu rechtfertigen, gingen diese Rechtsmittelgründe ins Leere, so dass das Rechtsmittel insgesamt zurückzuweisen sei.

40

Herr Dalli beantragt, dieses Vorbringen zurückzuweisen.

Würdigung durch den Gerichtshof

41

Nach ständiger Rechtsprechung hängt die außervertragliche Haftung der Union im Sinne von Art. 340 Abs. 2 AEUV vom Vorliegen einer Reihe von Voraussetzungen ab, nämlich der Rechtswidrigkeit des dem Unionsorgan vorgeworfenen Verhaltens, dem tatsächlichen Bestehen des Schadens und dem Vorliegen eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Verhalten des Organs und dem geltend gemachten Schaden (Urteil vom 5. September 2019, Europäische Union/Guardian Europe und Guardian Europe/Europäische Union, C‑447/17 P und C‑479/17 P, EU:C:2019:672, Rn. 147 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42

Wie der Gerichtshof entschieden hat, ist die Klage, wenn eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt ist, insgesamt abzuweisen, ohne dass die übrigen Voraussetzungen der außervertraglichen Haftung der Union geprüft zu werden brauchen (Urteil vom 5. September 2019, Europäische Union/Guardian Europe und Guardian Europe/Europäische Union, C‑447/17 P und C‑479/17 P, EU:C:2019:672, Rn. 148 und die dort angeführte Rechtsprechung).

43

Im vorliegenden Fall steht fest, dass sich die von Herrn Dalli geltend gemachten Rechtsmittelgründe auf die Voraussetzungen der Rechtswidrigkeit des dem OLAF vorgeworfenen Verhaltens und des tatsächlichen Vorliegens des von Herrn Dalli geltend gemachten Schadens beziehen. Dagegen streiten die Parteien über die Frage, ob sich der siebte Rechtsmittelgrund teilweise auch auf die Voraussetzung des Bestehens eines Kausalzusammenhangs zwischen diesem Verhalten und dem Schaden bezieht.

44

Hierzu ist zunächst festzustellen, dass die Kommission aus dem Umstand, dass Herr Dalli in seinem Vorbringen zum siebten Rechtsmittelgrund nur auf Rn. 225 des angefochtenen Urteils Bezug genommen hat, nicht ableiten kann, dass er mit diesem Rechtsmittelgrund die Feststellungen des Gerichts zum Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Verhalten des OLAF und dem geltend gemachten Schaden nicht in Frage stellt.

45

Zum einen hat nämlich das Gericht in Rn. 224 des angefochtenen Urteils diese Voraussetzung nicht vollständig geprüft. Das Gericht hat sich in dieser Randnummer darauf beschränkt, festzustellen, dass Herr Dalli nichts vorgetragen habe, was das Vorliegen des behaupteten immateriellen Schadens belegen könnte, und das Bestehen eines Zusammenhangs zwischen der Beendigung seiner Tätigkeit bei der Kommission und dem geltend gemachten Schaden auszuschließen. Dagegen hat es nicht allgemein festgestellt, dass Herr Dalli keinen Zusammenhang zwischen dem Verhalten des OLAF und diesem Schaden nachgewiesen habe.

46

Zum anderen hat das Gericht in Rn. 225 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass der Rechtsmittelführer nicht nachgewiesen habe, dass „das beanstandete Verhalten aufgrund seiner Schwere geeignet war, ihm einen … Schaden zuzufügen“. Das Gericht war daher der Auffassung, dass Herr Dalli weder das tatsächliche Vorliegen eines Schadens noch das Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen diesem Verhalten und dem Schaden nachgewiesen habe.

47

Die Schlussfolgerung, dass der Rechtsmittelführer das Bestehen eines hinreichend unmittelbaren Kausalzusammenhangs zwischen den beanstandeten Verhaltensweisen und dem geltend gemachten Schaden nicht nachgewiesen habe, findet sich im Übrigen erst in Rn. 226 des angefochtenen Urteils.

48

Zum anderen macht Herr Dalli mit seinem siebten Rechtsmittelgrund u. a. geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es die Rechtsprechung der Unionsgerichte außer Acht gelassen habe, aus der hervorgehe, dass eine Person, wenn sie öffentlich mit einem Fehler in Verbindung gebracht werde oder wenn verletzende Beurteilungen über sie weit verbreitet würden, aufgrund der Schädigung ihres Rufes einen immateriellen Schaden erleide.

49

Mit diesem Rechtsmittelgrund bringt Herr Dalli also vor, es genüge, das Vorliegen solcher Verhaltensweisen der Organe festzustellen, um sowohl das Vorliegen eines Schadens als auch das Vorliegen eines Kausalzusammenhangs zwischen diesen Verhaltensweisen und diesem Schaden nachzuweisen.

50

Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass Herr Dalli mit dem siebten Rechtsmittelgrund die Feststellung des Gerichts in Frage stellt, dass der Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des OLAF und dem vom Rechtsmittelführer behaupteten Schaden nicht nachgewiesen worden sei. Das Vorbringen der Kommission, dass sämtliche von Herrn Dalli geltend gemachten Rechtsmittelgründe ins Leere gingen, ist daher zurückzuweisen.

Zum ersten Rechtsmittelgrund, der sich auf die Entscheidung über die Einleitung der Untersuchung bezieht

Zum ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes

– Vorbringen der Parteien

51

Mit dem ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes macht Herr Dalli geltend, dass das Gericht in den Rn. 56 bis 58 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft festgestellt habe, dass weder Art. 1 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1073/1999 noch Art. 5 der OLAF‑internen Dienstanweisung Vorschriften des Unionsrechts seien, die dem Einzelnen Rechte verliehen.

52

Die erste dieser Bestimmungen lege klar und präzise eine Verpflichtung für das OLAF fest, eine Untersuchung nur bei Vorliegen „hinreichend ernsthafter Verdachtsmomente“ und „schwerwiegender Handlungen" einzuleiten. Der Gerichtshof habe in den Urteilen vom 10. Juli 2003, Kommission/EZB (C‑11/00, EU:C:2003:395), und vom 10. Juli 2003, Kommission/EIB (C‑15/00, EU:C:2003:396), das Bestehen einer solchen Verpflichtung bestätigt, die Personen schütze, die Gegenstand einer Untersuchung des OLAF sein könnten.

53

Die zweite dieser Bestimmungen mache die Einleitung einer Untersuchung des OLAF von einer Reihe klarer und genauer Voraussetzungen abhängig. Da sie sich somit auf Dritte auswirke, schließe ihre Eigenschaft als allgemeine oder interne Vorschrift nicht aus, dass sie dem Einzelnen Rechte verleihen könne.

54

Die Kommission beantragt, den ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes als unbegründet oder jedenfalls ins Leere gehend zurückzuweisen.

– Würdigung durch den Gerichtshof

55

Zu den Voraussetzungen für die außervertragliche Haftung der Union gemäß Art. 340 Abs. 2 AEUV gehört das Erfordernis eines hinreichend qualifizierten Verstoßes gegen eine Rechtsnorm, die bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen (Urteil vom 30. Mai 2017, Safa Nicu Sepahan/Rat, C‑45/15 P, EU:C:2017:402, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

56

Hierzu ist erstens festzustellen, dass das Gericht in Rn. 56 des angefochtenen Urteils entschieden hat, dass Art. 1 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1073/1999 nicht als eine solche Rechtsnorm angesehen werden könne, da er sich darauf beschränke, die Ziele und Aufgaben des OLAF im Rahmen von Verwaltungsuntersuchungen zu nennen.

57

Das Vorbringen von Herrn Dalli, dass diese Beurteilung rechtsfehlerhaft sei, da sie nicht berücksichtige, dass diese Vorschrift die Einleitung einer OLAF‑Untersuchung von der Erfüllung zweier Voraussetzungen abhängig mache, nämlich dem Vorliegen „hinreichend ernsthafter Verdachtsmomente“ und dem Vorliegen „schwerwiegender Handlungen“, kann keinen Erfolg haben.

58

Erstens heißt es in dieser Vorschrift, dass die administrativen Untersuchungen des OLAF „dazu dienen“, „schwerwiegende Handlungen … aufzudecken“, die geahndet werden können. Da der Zweck einer OLAF‑Untersuchung nach dem Wortlaut dieser Vorschrift also darin besteht, schwerwiegende Handlungen aufzudecken, kann das Vorliegen solcher Handlungen keine Voraussetzung für die Einleitung einer solchen Untersuchung sein.

59

Zum anderen geht zwar in der Tat aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass eine Untersuchung des OLAF nur bei hinreichend ernsthaften Verdachtsmomenten in Bezug auf Betrug, Korruption oder andere rechtswidrige Handlungen, die die finanziellen Interessen der Union beeinträchtigen könnten, eingeleitet werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. Juli 2003, Kommission/EZB, C‑11/00, EU:C:2003:395, Rn. 141, und vom 10. Juli 2003, Kommission/EIB, C‑15/00, EU:C:2003:396, Rn. 164), doch ergibt sich diese Voraussetzung, wie der Generalanwalt in Nr. 50 seiner Schlussanträge festgestellt hat, nicht aus Art. 1 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1073/1999, der im Übrigen die Wendung „hinreichend ernsthafte Verdachtsmomente“ nicht enthält.

60

Zweitens hat das Gericht in Rn. 57 des angefochtenen Urteils entschieden, dass Art. 5 der OLAF‑internen Dienstanweisungen keine Rechtsnorm darstelle, die dem Einzelnen Rechte verleihen solle, und sich dabei auf die Einstufung dieser Anweisungen als „interne Vorschriften“ sowie auf den Umstand gestützt habe, dass dieser Artikel ein Auswahlverfahren beschreibe, das innerhalb des OLAF eingesetzt worden sei, um sicherzustellen, dass seine Untersuchungen folgerichtig und kohärent durchgeführt werden.

61

Daraus folgt, dass die Beurteilung des Gerichts in dieser Randnummer nicht allein auf der Einstufung dieses Artikels als „interne Vorschrift“ beruht, sondern auch auf dessen Inhalt.

62

Aus dem Wortlaut von Art. 5 der OLAF‑internen Dienstanweisungen ergibt sich jedoch, dass dieser die Voraussetzungen für die Abgabe einer an den Direktor des OLAF gerichteten Stellungnahme im Rahmen eines Auswahlverfahrens bestimmt und Gesichtspunkte aufzählt, die bei diesem Verfahren zu berücksichtigen sind, aber nicht Voraussetzungen für die Einleitung einer Untersuchung durch das OLAF festlegt.

63

Unter diesen Umständen kann Herr Dalli nicht mit Erfolg geltend machen, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es entschieden habe, dass dieser Artikel keine Rechtsnorm darstelle, die dem Einzelnen Rechte verleihen solle.

64

Demnach ist der erste Teil des ersten Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen.

Zum zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes

– Vorbringen der Parteien

65

Mit dem zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes macht Herr Dalli geltend, dass das Gericht zu Unrecht festgestellt habe, dass die Sorgfaltspflicht nicht verletzt worden sei.

66

Erstens habe das Gericht in Rn. 68 des angefochtenen Urteils den Sachverhalt verfälscht, indem es nicht klargestellt habe, dass der „sehr kurze Zeitraum“ oder der „kurze Zeitraum“ zwischen der Übermittlung der in der Beschwerde enthaltenen Informationen und der Entscheidung über die Einleitung der Untersuchung nicht einen Tag, sondern einige Stunden betragen habe.

67

Zweitens könne entgegen den Ausführungen in dieser Rn. 68 aus der Stellungnahme des Referats „Fallauswahl und Überprüfung“ nicht hergeleitet werden, dass dieses Referat Nachforschungen in Bezug auf die Beschwerdeführerin und zwei weitere Beschuldigte unternommen habe, da der Überwachungsausschuss des OLAF (im Folgenden: Überwachungsausschuss) angegeben habe, dass er keinen Beleg für andere Überprüfungen des OLAF gefunden habe als die, die sich auf die Existenz der in der Beschwerde genannten Personen und Gesellschaften bezögen. Das OLAF habe also nicht die gründliche Prüfung durchgeführt, zu der es verpflichtet sei.

68

Drittens sei das angefochtene Urteil insofern unzureichend begründet, als es nicht darlege, warum die Stellungnahme des Überwachungsausschusses nicht berücksichtigt worden sei.

69

Viertens habe das Gericht rechtsfehlerhaft festgestellt, dass das OLAF die in der Beschwerde gegen Herrn Dalli enthaltenen Behauptungen hinreichend geprüft habe, bevor es entschieden habe, eine diesbezügliche Untersuchung einzuleiten.

70

Das Gericht habe somit die von Herrn Dalli angeführten Tatsachenelemente und den Grund, warum sie nicht vor der Eröffnung der Untersuchung bewertet werden konnten, nicht hinreichend dargelegt, obwohl Überprüfungen u. a. hinsichtlich des Standpunkts, den die Beschwerdeführerin in den Fällen, mit denen Herr Dalli befasst gewesen sei, eingenommen habe, und der Beziehungen dieses Beschwerdeführers zur Kommission hätten vorgenommen werden können.

71

Außerdem sei die Beurteilung des Gerichts in Rn. 73 des angefochtenen Urteils fehlerhaft, wonach das OLAF eine Untersuchung auf der Grundlage der in einer Beschwerde gemachten Angaben einleiten könne, ohne die zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit dieser Behauptungen erforderlichen Überprüfungen vorzunehmen, sofern die Angaben genau und detailliert seien. Ebenso hätte das Gericht in Rn. 74 dieses Urteils entscheiden müssen, dass das OLAF verpflichtet gewesen sei, sich zu vergewissern, dass kein Interessenkonflikt vorliege, auch wenn sich ein solcher Konflikt nicht offensichtlich aus den erhaltenen Informationen ergeben habe.

72

Die Kommission beantragt, den zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes als teilweise unzulässig und teilweise unbegründet zurückzuweisen.

– Würdigung durch den Gerichtshof

73

Was erstens die Behauptung von Herrn Dalli angeht, dass das Gericht in Rn. 68 des angefochtenen Urteils Tatsachenelemente verfälscht habe, ist daran zu erinnern, dass das Rechtsmittel, wie sich aus Art. 256 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV und Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt, auf Rechtsfragen beschränkt ist. Für die Feststellung und Beurteilung der relevanten Tatsachen sowie für die Beweiswürdigung ist daher allein das Gericht zuständig. Die Würdigung dieser Tatsachen und Beweismittel ist somit, außer im Fall ihrer Verfälschung, keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs im Rahmen eines Rechtsmittels unterläge (Urteil vom 28. Mai 2020, Asociación de fabricantes de morcilla de Burgos/Kommission, C‑309/19 P, EU:C:2020:401, Rn. 10 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

74

In Rn. 68 des angefochtenen Urteils hat das Gericht die Dauer des Zeitraums zwischen dem Erhalt von Informationen der Kommission und der Einleitung der Untersuchung des OLAF nicht genau angegeben.

75

Da die anwendbaren Rechtsvorschriften insoweit jedoch keine zwingende Frist vorsehen, kann dem Gericht nicht vorgeworfen werden, dass es den genauen Zeitraum zwischen diesen beiden Ereignissen nicht angegeben hat.

76

Was die vom Gericht an dieser Stelle verwendeten Ausdrücke „sehr kurzer Zeitraum“ und „kurzer Zeitraum“ betrifft, so stehen diese nicht in Widerspruch zu dem von Herrn Dalli erwähnten Zeitraum von wenigen Stunden. Ohne dass über die Länge des fraglichen Zeitraums entschieden zu werden braucht, ist daher festzustellen, dass die Verwendung dieser Ausdrücke keine Verfälschung des Sachverhalts darstellen kann.

77

Zweitens stellt Herr Dalli mit seinem Vorbringen, das Gericht habe aus der Stellungnahme des Referats „Fallauswahl und Überprüfung“ zu Unrecht geschlossen, dass das OLAF Untersuchungen in Bezug auf den Beschwerdeführer und zwei der Beschuldigten durchgeführt habe, die vom Gericht in Rn. 68 des angefochtenen Urteils vorgenommenen Tatsachenwürdigungen in Frage.

78

Da mit diesem Vorbringen keine Verfälschung von Tatsachen vorgetragen wird, die zu diesen Beurteilungen geführt hätte, ist es gemäß der in Rn. 73 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs als unzulässig zurückzuweisen. Soweit dieses Vorbringen als Behauptung einer Verfälschung der vom Überwachungsausschuss abgegebenen Stellungnahme zu verstehen sein sollten, ist jedenfalls darauf hinzuweisen, dass die in der Rechtsmittelschrift angeführten Auszüge aus dieser Stellungnahme nicht im Widerspruch zu den Feststellungen des Gerichts in Rn. 68 stehen.

79

Was drittens den angeblichen Begründungsmangel des angefochtenen Urteils angeht, ist daran zu erinnern, dass die Begründungspflicht nach ständiger Rechtsprechung vom Gericht nicht verlangt, bei seinen Ausführungen alle von den Parteien des Rechtsstreits vorgetragenen Argumente nacheinander erschöpfend zu behandeln; die Begründung des Gerichts kann daher implizit erfolgen, sofern sie es den Betroffenen ermöglicht, die Gründe zu erfahren, aus denen das Gericht ihrer Argumentation nicht gefolgt ist, und dem Gerichtshof ausreichende Angaben liefert, damit er seine Kontrollfunktion wahrnehmen kann (Urteil vom 25. Juni 2020, SatCen/KF, C‑14/19 P, EU:C:2020:492, Rn. 96 und die dort angeführte Rechtsprechung).

80

Im vorliegenden Fall hat das Gericht in Rn. 68 des angefochtenen Urteils auf die Gesichtspunkte hingewiesen, die es zu der Annahme veranlasst haben, dass das OLAF Nachforschungen über den Antragsteller und zwei der beschuldigten Personen angestellt habe. Darüber hinaus hat das Gericht in den Rn. 69 bis 74 des genannten Urteils die Gründe dargelegt, aus denen es der Auffassung war, dass das OLAF nicht verpflichtet war, vor der Einleitung seiner Untersuchung zusätzliche Überprüfungen vorzunehmen.

81

Diese Begründung ermöglicht es Herrn Dalli, die Gründe zu erfahren, aus denen seinen Argumenten nicht gefolgt wurde, und dem Gerichtshof, seine Kontrollfunktion wahrzunehmen, ohne dass das Gericht sich speziell zu der Stellungnahme des Überwachungsausschusses äußern musste.

82

Was viertens den Rechtsfehler im Zusammenhang mit der Prüfung der übermittelten Informationen durch das OLAF angeht, den das Gericht begangen haben soll, ist daran zu erinnern, dass eine Untersuchung des OLAF, wie sich aus Rn. 59 des vorliegenden Urteils ergibt, nur dann eingeleitet werden kann, wenn ein hinreichend schwerwiegender Verdacht in Bezug auf Betrugs- oder Korruptionshandlungen oder sonstige rechtswidrige Handlungen besteht, die die finanziellen Interessen der Union schädigen können.

83

Aus dieser Voraussetzung folgt, dass die bloße Übermittlung einer Beschwerde an das OLAF nicht die Einleitung einer Untersuchung rechtfertigen kann, ohne dass das OLAF eine erste Bewertung der in dieser Beschwerde enthaltenen Behauptungen vornimmt.

84

Wie sich jedoch aus Rn. 58 des vorliegenden Urteils ergibt, ist das OLAF nicht verpflichtet, Überprüfungen vorzunehmen, die dazu dienen, die Begründetheit dieser Behauptungen vor der Einleitung einer Untersuchung vollständig zu bewerten, da sich aus Art. 2 der Verordnung Nr. 1073/1999 ergibt, dass mit dieser Untersuchung gerade festgestellt werden soll, ob die kontrollierten Tätigkeiten rechtswidrig waren. Nach den Art. 3 und 4 dieser Verordnung verfügt das OLAF im Übrigen erst nach Einleitung der Untersuchung über die Untersuchungsmöglichkeiten, die es ihm ermöglichen, diese Kontrolle ordnungsgemäß durchzuführen.

85

Folglich hat das Gericht keinen Rechtsfehler begangen, als es in den Rn. 70 und 71 des angefochtenen Urteils entschieden hat, dass das OLAF vor der Einleitung einer Untersuchung nicht verpflichtet gewesen sei, eine eingehende Bewertung der erhaltenen Informationen vorzunehmen, sondern dass es vielmehr alle in Rede stehenden Gesichtspunkte, insbesondere die Zuverlässigkeit der Quelle und die Glaubhaftigkeit der Behauptungen, sorgfältig und unparteiisch prüfen müsse, um festzustellen, ob diese Informationen ausreichten, um die Einleitung dieser Untersuchung zu rechtfertigen.

86

Das Gericht konnte in Rn. 73 des angefochtenen Urteils zu Recht feststellen, dass die Genauigkeit und die Detailliertheit der Informationen, die das OLAF erhalten hatte, prima facie geeignet waren, die Glaubhaftigkeit dieser Informationen hinreichend zu belegen. Ebenso hat das Gericht in Rn. 74 des genannten Urteils zu Recht angenommen, dass das OLAF keine Untersuchungen durchführen musste, um die Zuverlässigkeit der Quelle dieser Informationen zu überprüfen, da die Akten keine Informationen enthielten, aus denen sich in offensichtlicher Weise das Vorliegen einer Manipulation oder eines Interessenkonflikts ergeben hätte.

87

Daraus folgt, dass das Gericht keinen Rechtsfehler begangen hat, als es in Rn. 72 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, dass das OLAF vor Einleitung der Untersuchung nicht zu den Gesichtspunkten Stellung zu nehmen brauchte, die Herr Dalli in seiner Klageschrift im ersten Rechtszug in Bezug auf den Standpunkt des Beschwerdeführers in den Fällen, mit denen Herr Dalli befasst war, und die mutmaßlichen Beziehungen dieses Beschwerdeführers zur Kommission angeführt hatte.

88

Folglich ist der zweite Teil des ersten Rechtsmittelgrundes als teils unzulässig und teils unbegründet zurückzuweisen. Folglich ist der erste Rechtsmittelgrund insgesamt zurückzuweisen.

Zum zweiten Rechtsmittelgrund, betreffend die Erweiterung der Untersuchung

Zum ersten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes

– Vorbringen der Parteien

89

Mit dem ersten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes macht Herr Dalli geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es in den Rn. 84 bis 89 des angefochtenen Urteils unter Missachtung der Verordnung Nr. 1073/1999 entschieden habe, dass eine interne Untersuchung des OLAF um Elemente einer externen Untersuchung dieser Einrichtung erweitert werden könne. Zwar habe der Unionsgesetzgeber in Art. 7 Abs. 4 der Verordnung Nr. 883/2013, mit der die Verordnung Nr. 1073/1999 aufgehoben worden sei, ausdrücklich die Möglichkeit vorgesehen, die Aspekte einer externen Untersuchung und einer internen Untersuchung in einer einzigen Untersuchung zu kombinieren, doch sei eine solche Möglichkeit nach der Verordnung Nr. 1073/1999, die in einem solchen Fall die Einleitung zweier getrennter Untersuchungen verlangt hätte, nicht zulässig.

90

Die Kommission beantragt, den ersten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes als unbegründet oder jedenfalls als ins Leere gehend zurückzuweisen.

– Würdigung durch den Gerichtshof

91

Die Verordnung Nr. 1073/1999 unterscheidet zwischen externen Untersuchungen, die vor Ort in den Mitgliedstaaten und in Drittländern durchgeführt werden, und internen Untersuchungen, die innerhalb der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union durchgeführt werden. Diese beiden Arten von Untersuchungen sind in Art. 3 bzw. 4 der genannten Verordnung geregelt.

92

Für die Entscheidung über das Vorbringen von Herrn Dalli in Bezug auf die unzulässige Erweiterung des Umfangs der Untersuchung des OLAF hat das Gericht in Rn. 84 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die Verordnung Nr. 1073/1999 keine Bestimmung über die „Möglichkeit der Erweiterung des Umfangs einer internen Untersuchung auf den einer externen Untersuchung und umgekehrt“ enthalte. In Rn. 86 dieses Urteils hat es hinzugefügt, es widerspräche den dem OLAF gesetzten Zielen und seiner Unabhängigkeit, wenn dem Direktor des OLAF nicht die Befugnis übertragen würde, eine solche Erweiterung vorzunehmen. In Rn. 87 des Urteils hat es auch darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit einer solchen Erweiterung in Art. 12 Abs. 3 der OLAF‑internen Dienstanweisungen ausdrücklich vorgesehen sei.

93

Hierzu ist zunächst zu sagen, dass die Begründung des Gerichts, die sich auf die Prüfung des Wortlauts der Bestimmungen der Verordnung Nr. 1073/1999 bezieht, keinerlei Fehler enthält.

94

Sodann ist festzustellen, dass die vom Gericht vorgenommene Auslegung dieser Bestimmungen im Licht der dem OLAF zugewiesenen Ziele geeignet ist, die Wirksamkeit der Tätigkeit des OLAF zu fördern, da sie es ihm ermöglicht, im Rahmen ein und desselben Verfahrens Untersuchungstätigkeiten sowohl innerhalb als auch außerhalb der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union durchzuführen, um alle Beweise zu sammeln, die es ermöglichen, die Rechtmäßigkeit der der Kontrolle des OLAF unterliegenden Handlungen zu beurteilen.

95

Schließlich kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Kumulierung von Tätigkeiten, die Gegenstand einer externen Untersuchung und einer internen Untersuchung innerhalb ein und desselben Verfahrens sind, geeignet ist, den Betroffenen verfahrensrechtliche Garantien vorzuenthalten oder ganz allgemein die Anwendung der für die Tätigkeit des OLAF geltenden Vorschriften auf jede dieser Tätigkeiten zu behindern.

96

Aus dem Umstand, dass der Unionsgesetzgeber in Art. 7 Abs. 4 der Verordnung Nr. 883/2013 ausdrücklich vorgesehen hat, dass eine OLAF‑Untersuchung externe und interne Elemente kombinieren kann, folgt daher nicht, dass eine solche Möglichkeit nach der Verordnung Nr. 1073/1999 ausgeschlossen gewesen wäre. In Anbetracht der Erwägungen in den vorstehenden Randnummern des vorliegenden Urteils ist vielmehr festzustellen, dass Art. 7 Abs. 4 der Verordnung Nr. 883/2013 mit größerer Klarheit die bereits nach der Verordnung Nr. 1073/1999 geltenden Grundsätze zum Ausdruck bringt und dass das Gericht keinen Rechtsfehler begangen hat, als es entschieden hat, dass „die Erweiterungen des Umfangs einer Untersuchung als solche nicht rechtswidrig [waren]“.

97

Folglich ist der erste Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen.

Zum zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes

– Vorbringen der Parteien

98

Mit dem zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes macht Herr Dalli geltend, dass das Gericht die Klageschrift verfälscht wiedergegeben habe, indem es in Rn. 80 des angefochtenen Urteils ausgeführt habe, dass er in dieser Klageschrift keine Rechtsnorm genau bezeichnet habe, die dem Einzelnen Rechte verleihe und die im vorliegenden Fall durch das OLAF verletzt worden sei. Aus dem Wortlaut ihrer Rn. 92 bis 96 ergebe sich nämlich eindeutig, dass es sich um die Art. 3 und 4 der Verordnung Nr. 1073/1999 gehandelt habe.

99

Die Kommission beantragt, den zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen.

– Würdigung durch den Gerichtshof

100

Aus der in den Rn. 91 bis 97 des vorliegenden Urteils vorgenommenen Prüfung des ersten Teils dieses Rechtsmittelgrundes ergibt sich, dass das Gericht in den Rn. 84 bis 89 des angefochtenen Urteils zu Recht festgestellt hat, dass das OLAF nach der Verordnung Nr. 1073/1999 den Umfang einer internen Untersuchung rechtmäßig durch Einbeziehung von Elementen einer externen Untersuchung erweitern durfte.

101

Darüber hinaus hat Herr Dalli weder die in den Rn. 91 und 92 des angefochtenen Urteils vorgenommene Prüfung des vom OLAF für die Erweiterung seiner Untersuchung angewandten Verfahrens noch die Schlussfolgerung des Gerichts in Rn. 93 des angefochtenen Urteils beanstandet, wonach Herr Dalli nicht nachgewiesen habe, dass die Erweiterungen der OLAF‑Untersuchung rechtswidrig gewesen seien.

102

Selbst wenn man also annimmt, wie Herr Dalli geltend macht, dass das Gericht die Klageschrift verfälscht hat, indem es in Rn. 80 des angefochtenen Urteils feststellte, dass darin keine Rechtsnorm genau benannt werde, die dem Einzelnen Rechte verleihe und die das OLAF verletzt habe, ist dieser Fehler nicht geeignet, die Zurückweisung der zweiten von Herrn Dalli im ersten Rechtszug erhobenen Rüge in Frage zu stellen, mit der er Fehler bei der Beschreibung der Untersuchung und der Ausweitung ihres Umfangs geltend machte.

103

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs können jedoch Rügen, die gegen nicht tragende Gründe einer Entscheidung des Gerichts gerichtet sind, nicht zur Aufhebung dieser Entscheidung führen und gehen daher ins Leere (Urteil vom 18. Juni 2020, Dovgan/EUIPO, C‑142/19 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:487, Rn. 92 und die dort angeführte Rechtsprechung).

104

Daher ist der zweite Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes als ins Leere gehend zurückzuweisen und dieser Rechtsmittelgrund insgesamt zurückzuweisen.

Zum dritten Rechtsmittelgrund, der die Beweiserhebung betrifft

Zum ersten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes

– Vorbringen der Parteien

105

Mit dem ersten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes macht Herr Dalli geltend, dass das Gericht bei der Prüfung der dritten im ersten Rechtszug vorgebrachten Rüge bezüglich der Beweiserhebung durch das OLAF einen Rechtsfehler begangen habe.

106

Erstens habe das Gericht einen Rechtsfehler begangen, indem es in Rn. 103 des angefochtenen Urteils entschieden habe, dass der Direktor des OLAF unmittelbar an der Untersuchung teilnehmen könne, obwohl zum einen Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1073/1999 nur vorsehe, dass er die Untersuchungen leite, und zum anderen eine solche unmittelbare Teilnahme seine objektive Unparteilichkeit beeinträchtige, was einen Verstoß gegen Art. 41 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) darstelle.

107

Zweitens habe das Gericht in Rn. 105 des angefochtenen Urteils zu Unrecht festgestellt, dass die Teilnahme von Vertretern einer nationalen Behörde an der Untersuchung die objektive Unparteilichkeit des OLAF nicht beeinträchtige, obwohl einer dieser Vertreter auch Mitglied des Überwachungsausschusses gewesen sei. Die Tatsache, dass diese Teilnahme von der durch die fragliche Untersuchungstätigkeit betroffene Person hingenommen und dass nicht nachgewiesen worden sei, dass sich diese Teilnahme auf den Ablauf der Untersuchung ausgewirkt habe, reiche nicht aus, um die Unparteilichkeit des OLAF zu gewährleisten.

108

Drittens habe das Gericht in Rn. 119 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft angenommen, dass der Eingriff in das Privatleben, den die Sammlung, Speicherung und Verwendung eines Telefongesprächs darstelle, durch das Unterbleiben eines Protests seitens der maltesischen Behörden und durch den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit gerechtfertigt werden könne.

109

Viertens habe das Gericht in Rn. 124 des angefochtenen Urteils zu Unrecht festgestellt, dass über die Rechtswidrigkeit der Aufzeichnung eines Telefongesprächs nicht entschieden werden müsse, weil Herr Dalli nicht an diesem Gespräch teilgenommen habe.

110

Die Kommission beantragt, den ersten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes als unbegründet, jedenfalls aber als teils ins Leere gehend zurückzuweisen.

– Würdigung durch den Gerichtshof

111

Was erstens den Rechtsfehler betrifft, den das Gericht bei seiner Entscheidung über die Teilnahme des Direktors des OLAF an der Untersuchung begangen haben soll, ist daran zu erinnern, dass Art. 41 Abs. 1 der Charta u. a. vorsieht, dass jede Person ein Recht darauf hat, dass ihre Angelegenheiten von den Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unparteiisch behandelt werden.

112

Daher obliegt es diesen Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen, dem Unparteilichkeitsgebot in seinen beiden Ausprägungen nachzukommen, zum einen der subjektiven Unparteilichkeit, wonach kein Mitglied des befassten Organs Voreingenommenheit oder persönliche Vorurteile an den Tag legen darf, und zum anderen der objektiven Unparteilichkeit in dem Sinne, dass das Organ hinreichende Garantien bieten muss, um jeden berechtigten Zweifel im Hinblick auf etwaige Vorurteile auszuschließen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 20. Dezember 2017, Spanien/Rat, C‑521/15, EU:C:2017:982, Rn. 91, sowie vom 27. März 2019, August Wolff und Remedia/Kommission, C‑680/16 P, EU:C:2019:257, Rn. 27).

113

Die Rolle des Direktors des OLAF bei der Durchführung einer Untersuchung ist in Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1073/1999 definiert, der, wie das Gericht in Rn. 103 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, vorsieht, dass der Direktor des OLAF die Untersuchungen leitet.

114

Auch wenn die tatsächliche Ausübung dieser Funktion in dieser Verordnung nicht spezifisch geregelt ist, bedingt sie aufgrund der Natur der Tätigkeiten des OLAF zwingend die Befugnis des Direktors des OLAF, den Bediensteten des für die Untersuchung zuständigen Referats Anweisungen zu erteilen, um ihre Untersuchungstätigkeit zu lenken, und zwar auch dadurch, dass er gegebenenfalls die Durchführung bestimmter Untersuchungstätigkeiten anordnet.

115

Im Übrigen ergibt sich aus Art. 11 Abs. 6 der OLAF‑internen Dienstanweisungen, dass bestimmte in dieser Vorschrift aufgeführte Untersuchungstätigkeiten erst durchgeführt werden dürfen, wenn ein schriftliches Dokument des Direktors des OLAF ausgestellt worden ist, das u. a. die Untersuchungstätigkeit bestätigt, die die Bediensteten des OLAF durchführen dürfen. Dies gilt insbesondere für die Vernehmung betroffener Personen oder Zeugen sowie für die Inspektion von Räumlichkeiten und die Kontrollen vor Ort.

116

Der Direktor des OLAF hat also eine aktive Rolle bei der Durchführung der Untersuchungen zu spielen, wie sich auch aus Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1073/1999 ergibt, der vorsieht, dass der Untersuchungsbericht unter seiner Verantwortung erstellt wird.

117

Herr Dalli hat jedoch nicht dargetan, dass die unmittelbare Teilnahme des Direktors des OLAF an bestimmten Untersuchungstätigkeiten, die den Bestimmungen, mit denen ihm diese aktive Rolle übertragen wird, zugeordnet werden kann, geeignet wäre, seine objektive Unparteilichkeit zu beeinträchtigen. Außerdem hat er die Gültigkeit dieser Bestimmungen nicht bestritten.

118

Unter diesen Umständen hat Herr Dalli nicht nachgewiesen, dass die Beurteilung des Gerichts in Rn. 103 des angefochtenen Urteils, wonach eine solche unmittelbare Teilnahme die Unparteilichkeit der Untersuchung nicht beeinträchtige, mit einem Rechtsfehler behaftet ist.

119

Was zweitens die Teilnahme eines Vertreters einer nationalen Behörde, der auch Mitglied des Überwachungsausschusses ist, an einer Anhörung von Herrn Z. betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass dieser Ausschuss nach Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1073/1999 durch die regelmäßige Kontrolle, die er bezüglich der Ausübung der Untersuchungstätigkeit vornimmt, die Unabhängigkeit des OLAF sicherstellt. Im Rahmen dieser Funktion kann er u. a. an den Direktor des OLAF gerichtete Stellungnahmen zu den Tätigkeiten des OLAF abgeben.

120

Aus dieser Bestimmung ergibt sich somit, dass die Mitglieder des Überwachungsausschusses die Aufgabe haben, die Untersuchungen des OLAF zu kontrollieren.

121

Angesichts der Rolle, die dem Überwachungsausschuss zugewiesen ist, ist der Umstand, dass eines seiner Mitglieder unmittelbar an der Durchführung einer Untersuchungstätigkeit des OLAF beteiligt war, zwar geeignet, berechtigte Zweifel daran aufkommen zu lassen, ob seinerseits bei der Ausübung seiner Kontrollaufgaben in diesem Ausschuss nicht eine – positive oder negative – Voreingenommenheit über die Bedingungen der Durchführung der in Rede stehenden Untersuchungstätigkeit bestand.

122

Auch wenn somit die objektive Unparteilichkeit eines Mitglieds des Überwachungsausschusses bei der Ausübung der von ihm in dieser Eigenschaft wahrgenommenen Kontrollfunktionen in Frage gestellt werden könnte, kann der Umstand, dass diese Person später zur Ausübung einer solchen Kontrolle aufgerufen werden kann, jedoch keinen berechtigten Zweifel an ihrer Unparteilichkeit bei ihrer Beteiligung an einer Untersuchungstätigkeit wecken.

123

Auch wenn die von Herrn Dalli geltend gemachte fehlende objektive Unparteilichkeit gegebenenfalls in Bezug auf die Stellungnahme des Überwachungsausschusses zur Untersuchung des OLAF geltend gemacht werden könnte, ist sie daher nicht geeignet, die Beachtung des Grundsatzes der Unparteilichkeit im Rahmen dieser Untersuchung und insbesondere bei der Anhörung, an der ein Mitglied dieses Ausschusses teilnahm, in Frage zu stellen.

124

Das Vorbringen von Herrn Dalli, auf das sich Rn. 105 des angefochtenen Urteils bezieht, zielte jedoch darauf ab, die Rechtmäßigkeit der Beweiserhebung durch das OLAF in Zweifel zu ziehen, und nicht die Rechtmäßigkeit der Stellungnahme des Überwachungsausschusses. Folglich ist das Vorbringen, mit dem ein in dieser Randnummer begangener Rechtsfehler gerügt wird, als unbegründet zurückzuweisen.

125

Drittens ist das gegen Rn. 119 des angefochtenen Urteils gerichtete Vorbringen nach der in Rn. 103 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs als ins Leere gehend zurückzuweisen, da es sich auf nicht tragende Gründe des Gerichts bezieht.

126

Der Rechtsmittelführer ist nämlich der Ansicht, dass das Gericht sein Vorbringen, mit dem dargetan werden sollte, dass die Sammlung von Auflistungen von Telefongesprächen durch die maltesischen Behörden einen Eingriff in das Privatleben darstelle, nicht habe zurückweisen dürfen, indem es sich auf die fehlende Warnung des OLAF durch die maltesischen Behörden sowie auf die Verpflichtung dieser Behörden zur Zusammenarbeit mit dem OLAF unter dem Vorbehalt der Vereinbarkeit ihrer Mitwirkung mit den nationalen Rechtsvorschriften gestützt habe. Er stellt jedoch nicht die Feststellung des Gerichts in Frage, dass Herr Dalli nicht nachgewiesen hat, dass das OLAF für die Modalitäten der Sammlung der fraglichen Informationen durch die maltesischen Behörden verantwortlich gemacht werden kann.

127

Was viertens den Fehler betrifft, den das Gericht begangen haben soll, indem es in Rn. 124 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, dass das Recht von Herrn Dalli auf Achtung des Privatlebens und auf Vertraulichkeit der Kommunikation nicht verletzt worden sei, weil er an dem aufgezeichneten Telefongespräch vom 3. Juli 2012 nicht beteiligt gewesen sei, ist darauf hinzuweisen, dass nach der in Rn. 55 des vorliegenden Urteils angeführten ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs die außervertragliche Haftung der Union nicht wegen eines beliebigen hinreichend qualifizierten Verstoßes gegen eine Vorschrift des Unionsrechts, sondern nur wegen eines hinreichend qualifizierten Verstoßes gegen eine Vorschrift, die dem Einzelnen Rechte verleihen soll, eintreten kann.

128

Diese Einschränkung soll unbeschadet der für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Unionsrechtsakts geltenden Regeln die Auslösung dieser Haftung auf die Fälle beschränken, in denen das rechtswidrige Verhalten der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union einem Einzelnen durch die Beeinträchtigung seiner durch das Unionsrecht besonders geschützten Interessen einen Schaden zugefügt hat.

129

Die Funktion dieser Einschränkung würde daher missachtet, wenn man annähme, dass die außervertragliche Haftung der Union ausgelöst werden könnte, um einen Schaden zu ersetzen, der einem Einzelnen durch den Verstoß gegen eine Rechtsnorm entstanden ist, die keine Rechte zu seinen Gunsten begründet, sondern einem Dritten Rechte verleiht.

130

Daraus folgt, dass das Gericht keinen Rechtsfehler begangen hat, als es in Rn. 124 des angefochtenen Urteils entschieden hat, dass die Haftung der Union gegenüber Herrn Dalli nicht wegen der etwaigen Verletzung des Rechts auf Achtung des Privatlebens und auf Vertraulichkeit der Kommunikation Dritter ausgelöst werden könne, deren Gespräch abgehört und aufgezeichnet worden sei.

131

Folglich ist der erste Teil des dritten Rechtsmittelgrundes als teils ins Leere gehend und teils unbegründet zurückzuweisen.

Zum zweiten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes

– Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

132

Mit dem zweiten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes macht Herr Dalli geltend, dem Gericht seien bei der Beweiswürdigung Fehler unterlaufen.

133

Erstens ergebe sich schon aus dem Wortlaut der Äußerungen früherer Mitarbeiter von Herrn Dalli bei ihrem Gespräch mit europäischen Abgeordneten, dass Bedienstete des OLAF diese aufgefordert hätten, ihre Version des Sachverhalts aufrechtzuerhalten; dies stehe im Gegensatz zu dem Befund des Gerichts in Rn. 108 des angefochtenen Urteils.

134

Zweitens habe das Gericht die Beweise verfälscht, indem es in Rn. 110 dieses Urteils festgestellt habe, dass zwischen zwei Fassungen der Abschrift ein und derselben Passage eines Telefongesprächs nur ein „geringfügiger Unterschied“ bestehe, obwohl in einer dieser Fassungen davon die Rede sei, dass Herr Dalli einen bestimmten Preis fordere, während sich die andere auf die Forderung eines Dritten beziehe.

135

Drittens habe das Gericht in Rn. 111 des angefochtenen Urteils die Relevanz von Presseartikeln, deren Inhalt von der Kommission nicht bestritten worden sei, nicht ausschließen dürfen, da diese Artikel als solche ein Beweismittel für die Bedingungen darstellten, unter denen die Anhörung von Frau K. stattgefunden habe. Der Umstand, dass Frau K. ein Protokoll unterschrieben habe, das die Bedingungen ihrer Anhörung nicht in Frage stelle, sei nicht entscheidend, da sich aus diesen Presseartikeln ausdrücklich ergebe, dass sie dieses Protokoll habe unterschreiben müssen, ohne es noch einmal lesen zu können.

136

Viertens habe das Gericht die von Herrn Dalli vorgelegten Beweise für die Aufzeichnung eines Telefongesprächs vom 3. Juli 2012 durch das OLAF nicht berücksichtigt. Es habe sich auch selbst widersprochen, indem es in Rn. 125 des angefochtenen Urteils ausgeführt habe, dass es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass dieses Gespräch dazu bestimmt gewesen sei, den Rechtsmittelführer zu belasten, während es in Rn. 122 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, dass dieses Gespräch arrangiert worden sei, um zusätzliche Beweise zu erbringen, um die Fakten zu bestätigen oder zu widerlegen.

137

Fünftens habe das Gericht in Rn. 126 des angefochtenen Urteils zu Unrecht die Stellungnahme 2/2012 des Überwachungsausschusses unberücksichtigt gelassen, obwohl diese Stellungnahme ein Beweismittel darstelle.

138

Die Kommission beantragt, den zweiten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes als teils unzulässig, teils ins Leere gehend und teils unbegründet zurückzuweisen.

– Würdigung durch den Gerichtshof

139

Soweit Herr Dalli geltend macht, das Gericht habe Beweismittel verfälscht, indem es bestimmte Dokumente falsch verstanden habe, ist vorab festzustellen, dass eine Verfälschung von Beweisen zwar in einer Auslegung eines Dokuments bestehen kann, die dem Inhalt dieses Dokuments widerspricht, dass es aber für den Nachweis einer solchen Verfälschung nicht ausreicht, darzulegen, dass dieses Dokument anders ausgelegt werden könnte als vom Gericht angenommen. Hierzu muss festgestellt werden, dass das Gericht die Grenzen einer verständigen Würdigung dieser Dokumente offensichtlich überschritten oder ihnen eine ihrem Wortlaut widersprechende Lesart angedeihen lassen hat (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. Februar 2011, Activision Blizzard Germany/Kommission, C‑260/09 P, EU:C:2011:62, Rn. 54, vom 7. April 2016, Akhras/Rat, C‑193/15 P, EU:C:2016:219, Rn. 72, und vom 30. Januar 2020, České dráhy/Kommission, C‑538/18 P und C‑539/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:53, Rn. 60).

140

Erstens hat das Gericht in Rn. 108 des angefochtenen Urteils u. a. festgestellt, dass aus der Niederschrift des Gesprächs zwischen ehemaligen Mitarbeitern von Herrn Dalli und Mitgliedern des Europäischen Parlaments im Wesentlichen hervorgehe, dass die OLAF‑Bediensteten Herrn G. empfohlen hätten, bei der Weitergabe von Informationen vorsichtig zu sein, um die in Malta laufende Untersuchung nicht zu stören, ohne ihn jedoch aufzufordern, sich an seine ursprüngliche Fassung zu halten. Das Gericht hat insbesondere hervorgehoben, dass Herr G. auf Nachfrage bestritten habe, dass diese Bediensteten des OLAF ihn aufgefordert hätten, bei dieser Fassung zu bleiben.

141

Zwar weisen die in dieser Niederschrift wiedergegebenen Äußerungen von Herrn G. gewisse Unklarheiten hinsichtlich der Empfehlungen der Bediensteten des OLAF auf, doch hat das Gericht in Rn. 108 die Antwort von Herrn G. auf eine Frage, die sich unmittelbar darauf bezog, ob die Bediensteten des OLAF ihn zu einer falschen Erklärung veranlasst hatten, zutreffend wiedergegeben. Außerdem geht aus dieser Niederschrift hervor, dass Herr G. auch angegeben hat, dass dieselben Bediensteten des OLAF ihn zur Vorsicht gemahnt hätten, ohne ihn jemals ausdrücklich zu bitten, bestimmte Tatsachen nicht zu erwähnen.

142

Unter diesen Umständen hat Herr Dalli nicht nachgewiesen, dass das Gericht in Rn. 108 die streitige Niederschrift verfälscht hat, indem es die Grenzen einer verständigen Würdigung dieses Dokuments offensichtlich überschritten hätte.

143

Zweitens hat das Gericht in Rn. 110 des angefochtenen Urteils auf einen Unterschied zwischen den beiden Fassungen der Niederschrift ein und derselben Passage eines Telefongesprächs vom 29. März 2012 hingewiesen. Es handele sich um einen geringfügigen Unterschied, der keinen Einfluss auf die Schlussfolgerungen des OLAF habe, und aus diesen beiden Fassungen lasse sich implizit ableiten, dass beide Fassungen auf einen von Herrn Dalli geforderten Betrag Bezug nähmen.

144

Insoweit hat das Gericht die in jeder der von Herrn Dalli vorgelegten Fassungen verwendeten Worte zutreffend wiedergegeben. Im Übrigen kommt die von Herrn Dalli vorgeschlagene Auslegung der von den maltesischen Behörden vorgelegten Fassung, wonach diese so verstanden werden könnte, dass sie sich auf einen von Herrn Z. und nicht von Herrn Dalli geforderten Betrag beziehe, zwar in Betracht, sie drängt sich aber nicht so offensichtlich auf, dass festgestellt werden könnte, dass das Gericht die Grenzen einer verständigen Würdigung dieser Fassung offensichtlich überschritten hat.

145

Drittens geht aus Rn. 111 des angefochtenen Urteils hervor, dass das Gericht den maltesischen Presseartikeln, die Herr Dalli vorgelegt hatte, um die Umstände zu beanstanden, unter denen die erste Anhörung von Frau K. stattgefunden hatte, kein entscheidendes Gewicht beigelegt hat.

146

Aus derselben Randnummer geht jedoch hervor, dass sich das Gericht, hilfsweise, auch auf den Umstand gestützt hat, dass aus dem Protokoll der zweiten Anhörung von Frau K. nicht hervorgehe, dass Frau K. bei dieser Gelegenheit die Bedingungen in Frage gestellt habe, unter denen ihre erste Anhörung stattgefunden habe, obwohl sie diese erste Anhörung ergänzt, geändert und klargestellt habe.

147

Dieser letztgenannte Grund, den Herr Dalli im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels nicht beanstandet hat, reicht aus, um die Beurteilung des Gerichts zu rechtfertigen, es sei nicht erwiesen, dass die Praktiken der Bediensteten des OLAF bei der ersten Anhörung gegen die Grundsätze des Beweisverfahrens verstoßen hätten.

148

Unter diesen Umständen geht das gegen Rn. 111 des angefochtenen Urteils gerichtete Vorbringen von Herrn Dalli nach der in Rn. 103 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs ins Leere, da es sich auf nicht tragende Gründe dieses Urteils bezieht.

149

Viertens beanstandet Herr Dalli zwar verschiedene Punkte der Begründung des Gerichts in Bezug auf die Aufzeichnung eines Telefongesprächs vom 3. Juli 2012, doch könnte diese Aufzeichnung nur dann die außervertragliche Haftung der Union auslösen, wenn sie unter Verstoß gegen eine Unionsrechtsnorm erfolgt wäre, die dem Einzelnen Rechte verleihen soll.

150

Aus den Rn. 127 bis 130 des vorliegenden Urteils geht jedoch hervor, dass das Gericht in Rn. 124 des angefochtenen Urteils zu Recht entschieden hat, dass die von Herrn Dalli insoweit geltend gemachten Vorschriften ihm keine Rechte verleihen sollten, und dass diese Feststellung genügt, um die außervertragliche Haftung der Union für diese Aufzeichnung auszuschließen.

151

Da die etwaige Berücksichtigung zusätzlicher Beweise für diese Aufzeichnung oder die Feststellung, dass Herr Dalli mit dieser Aufzeichnung belastet werden sollte, diese Beurteilung nicht widerlegen kann, sind die hierzu im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels vorgebrachten Argumente daher als ins Leere gehend zurückzuweisen.

152

Fünftens hat das Gericht in Rn. 126 des angefochtenen Urteils entschieden, dass es Herrn Dalli obliege, nachzuweisen, dass die in der Stellungnahme 2/2012 des Überwachungsausschusses enthaltenen Behauptungen erwiesen seien, dass es aber nicht Sache der Kommission sei, zu diesen Behauptungen Stellung zu nehmen.

153

Mit dieser Entscheidung hat sich das Gericht auf die Regeln für die Beweislastverteilung im Rahmen einer auf die Feststellung der außervertraglichen Haftung der Union gerichteten Klage gestützt, dieser Stellungnahme aber nicht allgemein jeden Beweiswert abgesprochen.

154

Daraus folgt, dass das Vorbringen von Herrn Dalli, das Gericht habe es in Rn. 126 des angefochtenen Urteils zu Unrecht unterlassen, diese Stellungnahme zu berücksichtigen, auf einem falschen Verständnis dieser Randnummer beruht und daher als unbegründet zurückzuweisen ist.

155

Nach alledem ist der zweite Teil des dritten Rechtsmittelgrundes als teils ins Leere gehend und teils unbegründet zurückzuweisen. Der dritte Rechtsmittelgrund ist demnach insgesamt zurückzuweisen.

Zum vierten Rechtsmittelgrund, der die Beachtung von Art. 4 des Beschlusses 1999/396 betrifft

Zum ersten Teil des vierten Rechtsmittelgrundes

– Vorbringen der Parteien

156

Mit dem ersten Teil des vierten Rechtsmittelgrundes macht Herr Dalli erstens geltend, dass sich aus Art. 4 des Beschlusses 1999/396 und aus dem Urteil des Gerichts erster Instanz vom 8. Juli 2008, Franchet und Byk/Kommission (T‑48/05, EU:T:2008:257), ergebe, dass das OLAF verpflichtet sei, die untersuchten Personen zu allen sie betreffenden Tatsachen anzuhören. Daher hätte das Gericht die Frage, ob Herr Dalli zu einem Vermerk, in dem die Anhörung von Herrn G. vom 19. September 2012 festgehalten worden sei (im Folgenden: Vermerk über die Anhörung von Herrn G.), gehört werden sollte, auf der Grundlage der in diesem Vermerk wiedergegebenen Tatsachen entscheiden müssen und nicht, wie in Rn. 143 des angefochtenen Urteils geschehen, anhand anderer Kriterien, die sich auf die Art dieses Vermerks, das Vorhandensein anderer Beweismittel oder den Umstand beziehen, dass dieser Vermerk nur in den Anhängen des OLAF‑Berichts erscheint.

157

Zweitens habe das Gericht widersprüchliche Gründe angeführt, indem es in Rn. 143 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, dass aus dem Vorhandensein eines Beweismittels in den Anhängen eines OLAF‑Berichts nicht abgeleitet werden könne, dass dieses Beweismittel vom OLAF verwendet worden sei, um bestimmte Behauptungen zu beweisen, obwohl es in Rn. 109 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, dass die Schriftstücke, auf die sich ein solcher Bericht stütze, gegebenenfalls nur als Anhang zu diesem zu finden seien.

158

Drittens habe das Gericht einen Rechtsfehler begangen, indem es in Rn. 144 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, dass die betroffene Person keinen Anspruch darauf habe, zu den Schlussfolgerungen des Abschlussberichts des OLAF gehört zu werden. Die entscheidende Frage sei nämlich, ob diese Person zu allen Tatsachen gehört worden sei, auf denen diese Schlussfolgerungen beruhten.

159

Die Kommission beantragt, den ersten Teil des vierten Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen.

– Würdigung durch den Gerichtshof

160

Was erstens den Rechtsfehler betrifft, der dem Gericht in Rn. 143 des angefochtenen Urteils unterlaufen sein soll, ist festzustellen, dass das Gericht in dieser Randnummer das Vorbringen von Herrn Dalli zurückgewiesen hat, das OLAF habe dadurch gegen Art. 4 des Beschlusses 1999/396 verstoßen, dass es ihm keine Gelegenheit gegeben habe, sich zu dem Vermerk über die Anhörung von Herrn G. zu äußern.

161

Hierzu hat das Gericht zunächst entschieden, dass das OLAF verpflichtet gewesen sei, den Betroffenen aufzufordern, sich zu dem ihn betreffenden Sachverhalt zu äußern, ihm aber nicht die Möglichkeit zu geben, zu jeder eingeholten Zeugenaussage Stellung zu nehmen. Sodann hat es darauf hingewiesen, dass der Vermerk über die Anhörung von Herrn G. im OLAF‑Bericht für verschiedene Zwecke verwendet worden sei, ohne dass das OLAF jedoch allein auf der Grundlage dieses Vermerks irgendwelche Schlussfolgerungen in Bezug auf den Rechtsmittelführer gezogen habe. Schließlich hat das Gericht festgestellt, dass aus der bloßen Tatsache, dass der fragliche Vermerk im Anhang zu diesem Bericht enthalten sei, nicht gefolgert werden könne, dass er als Beweis für die gegen Herrn Dalli erhobenen Vorwürfe verwendet worden sei.

162

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Art. 4 des Beschlusses 1999/396, der die Bedingungen und Modalitäten der internen Untersuchungen regelt, vorsieht, dass Schlussfolgerungen, die ein namentlich genanntes Mitglied der Kommission betreffen, am Ende einer Untersuchung nicht gezogen werden dürfen, ohne dass „dem Betroffenen Gelegenheit gegeben wurde, sich zu allen ihn betreffenden Tatsachen zu äußern“, wie das Gericht in Rn. 130 des angefochtenen Urteils ausgeführt hat.

163

Schon aus dem Wortlaut dieses Artikels ergibt sich, dass das OLAF nicht verpflichtet ist, dem „Betroffenen“ die Möglichkeit zu geben, sich zu jedem im Laufe der Untersuchung gesammelten Beweismittel zu äußern, aus dem Schlussfolgerungen in Bezug auf ihn gezogen werden könnten, sondern nur zu den ihn betreffenden Tatsachen, die sich aus diesen Beweisen ergeben.

164

Daraus folgt, dass das OLAF verpflichtet gewesen wäre, Herrn Dalli zu den in dem Vermerk über die Anhörung von Herrn G. berichteten Tatsachen anzuhören, wenn diese Tatsachen als ihn betreffend angesehen worden wären. Daher hat das Gericht einen Rechtsfehler begangen, als es sich darauf gestützt hat, dass das OLAF diesen Vermerk im Untersuchungsbericht nur in begrenztem Umfang verwendet habe, um das erstinstanzliche Vorbringen von Herrn Dalli zu einem angeblichen Verstoß gegen Art. 4 des Beschlusses 1999/396 zurückzuweisen.

165

Allerdings ist ein Rechtsmittel zurückzuweisen, wenn zwar die Gründe des Urteils des Gerichts eine Verletzung des Unionsrechts erkennen lassen, die Urteilsformel sich aber aus anderen Rechtsgründen als richtig erweist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Juni 2020, Terna/Kommission, C‑812/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:437, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

166

So verhält es sich im vorliegenden Fall.

167

Aus dem Vermerk über die Anhörung von Herrn G. geht hervor, dass Herr G. während seiner Anhörung ein Treffen zwischen Herrn Dalli und Herrn Z. am 10. Februar 2012 sowie Gespräche zwischen Herrn Z., Frau K. und Herrn G. in Bezug auf die Möglichkeit, dass Herr Dalli gegen die Zahlung einer großen Geldsumme bestimmte Positionen vertreten könnte, erwähnt hat.

168

Aus den Protokollen der Anhörungen von Herrn Dalli vom 16. Juli und 17. September 2012 geht jedoch hervor, dass Herr Dalli in die Lage versetzt wurde, sich zu diesem Treffen und zu den Gesprächen, die bei Gelegenheit dieses Treffens geführt worden seien, sowie zu dem Vorschlag von Herrn Z., der der Hauptgegenstand der in dem Vermerk zur Anhörung von Herrn G. erwähnten Gespräche war, zu äußern.

169

Außerdem hat Herr Dalli keine neuen Tatsachen angeführt, die erstmals in diesem Vermerk erwähnt worden wären und zu denen er sich daher bei seinen Anhörungen durch das OLAF nicht hätte äußern können.

170

Folglich ist das im ersten Rechtszug vorgebrachte Argument, dass er unter Verstoß gegen Art. 4 des Beschlusses 1999/396 nicht zu dem im Vermerk über die Anhörung von Herrn G. dargelegten Sachverhalt gehört worden sei, als unbegründet zurückzuweisen. Daraus folgt, dass das zur Stützung des vorliegenden Rechtsmittels vorgebrachte Argument, mit dem ein Rechtsfehler des Gerichts in Rn. 143 des angefochtenen Urteils gerügt wird, ins Leere geht.

171

Was zweitens den angeblichen Widerspruch in der Begründung zwischen Rn. 109 und Rn. 143 des angefochtenen Urteils betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht, um das Vorbringen zurückzuweisen, dass bestimmte Beweise im OLAF‑Bericht nicht wiedergegeben worden seien, in Rn. 109 des angefochtenen Urteils entschieden hat, dass die Beweisstücke, auf die sich ein solcher Bericht stütze, nicht vollständig in diesem Bericht wiedergegeben werden müssten und gegebenenfalls im Anhang zu diesem Bericht aufgeführt werden sollten.

172

In Rn. 143 des angefochtenen Urteils hat das Gericht ausgeführt, der bloße Umstand, dass der Vermerk über die Anhörung von Herrn G. in den Anhängen des Berichts des OLAF enthalten sei, lasse nicht den Schluss zu, dass er als Beweis für die gegen Herrn Dalli erhobenen Vorwürfe verwendet worden sei.

173

Es lässt sich kein Widerspruch zwischen den in Rn. 109 und den in Rn. 143 des angefochtenen Urteils angeführten Gründen feststellen. Aus Rn. 109 ergibt sich nämlich nicht, dass die Anlagen zu einem Bericht des OLAF nur Beweismittel enthalten dürfen, die gegen die beschuldigten Personen oder erst recht gegen einen von ihnen verwendet worden sind, wenn dieser Bericht, wie im vorliegenden Fall, Schlussfolgerungen in Bezug auf das Verhalten mehrerer Personen enthält.

174

Drittens ist zu dem Rechtsfehler, den das Gericht in Rn. 144 des angefochtenen Urteils begangen haben soll, darauf hinzuweisen, dass das Gericht in dieser Randnummer u. a. festgestellt hat, dass Herr Dalli nicht die Tatsachen angegeben habe, die die in Rede stehende Schlussfolgerung stützten, die er habe bestreiten oder erläutern wollen.

175

Daraus folgt, dass das Gericht an dieser Stelle nicht festgestellt hat, dass das OLAF nicht verpflichtet war, Herrn Dalli zu den Tatsachen anzuhören, auf die eine seiner Schlussfolgerungen gestützt war, sondern im Gegenteil implizit anerkannt hat, dass sehr wohl eine solche Verpflichtung des OLAF besteht, wobei es klargestellt hat, dass es Herrn Dalli obliege, zum Nachweis der von ihm geltend gemachten Verletzung des Unionsrechts die Tatsachen anzugeben, zu denen er vom OLAF nicht angehört worden sei.

176

Das Vorbringen von Herrn Dalli zu dem angeblichen Rechtsfehler in Rn. 144 des angefochtenen Urteils ist daher als unbegründet zurückzuweisen, da es auf einem falschen Verständnis dieses Urteils beruht.

177

Folglich ist der erste Teil des vierten Rechtsmittelgrundes als teils ins Leere gehend, teils unbegründet zurückzuweisen.

Zum zweiten Teil des vierten Rechtsmittelgrundes

– Vorbringen der Parteien

178

Mit dem zweiten Teil seines vierten Rechtsmittelgrundes macht Herr Dalli geltend, dass das Gericht den Vermerk über die Anhörung von Herrn G. verfälscht habe, indem es in Rn. 143 des angefochtenen Urteils die Auffassung vertreten habe, dass dieser Vermerk keine Tatsachen enthalte, die den Rechtsmittelführer beträfen, obwohl aus dem Vermerk eindeutig hervorgehe, dass dies der Fall sei. Dieser Fehler sei in Rn. 145 des angefochtenen Urteils wiederholt worden, in der das Gericht feststelle, dass der Rechtsmittelführer sich zu den ihn betreffenden Tatsachen habe äußern können.

179

Die Kommission beantragt, den zweiten Teil des vierten Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen.

– Würdigung durch den Gerichtshof

180

In Rn. 143 des angefochtenen Urteils hat das Gericht ausgeführt, dass der Vermerk über die Anhörung von Herrn G. im OLAF‑Bericht „nur erwähnt wurde, um die durchgeführten Anhörungen der Zeugen darzustellen …, um einen Sachverhalt zu schildern, der [Herrn Dalli] nicht betrifft, und bestätigt, was der Zeuge bereits bei einer ersten Anhörung geäußert hatte … und um das subjektive Verständnis der Zeugen von Angeboten zu schildern, die Herr Z. insbesondere dem Beschwerdeführer gemacht hatte“. Es zog hieraus den Schluss, dass aus diesem Bericht nicht ersichtlich sei, „dass das OLAF allein auf der Grundlage dieses Vermerks zu irgendeiner Schlussfolgerung in Bezug auf [Herrn Dalli] gekommen wäre“.

181

Wie sich jedoch aus Rn. 164 des vorliegenden Urteils ergibt, beziehen sich diese verschiedenen Feststellungen des Gerichts alle auf die Verwendung des Vermerks über die Anhörung von Herrn G. durch das OLAF in seinem Bericht. Außerdem geht aus keiner anderen Passage in Rn. 143 des angefochtenen Urteils hervor, dass das Gericht, wie Herr Dalli geltend macht, entschieden hätte, dass dieser Vermerk keine ihn betreffenden Tatsachen enthalte.

182

Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Feststellung des Gerichts in Rn. 145 des angefochtenen Urteils, dass Herr Dalli Gelegenheit erhalten habe, sich zu den ihn betreffenden Tatsachen zu äußern, auch nur teilweise auf einer Auffassung des Gerichts beruhte, wonach der Vermerk über die Anhörung von Herrn G. keine solchen Tatsachen enthalte.

183

Im Übrigen hatte der Rechtsmittelführer, wie sich aus den Rn. 167 bis 170 des vorliegenden Urteils ergibt, selbst wenn ihm dieser Vermerk nicht zur Kenntnis gebracht worden sein sollte, Gelegenheit, zu den Tatsachen, auf die darin Bezug genommen wird, Stellung zu nehmen.

184

Daher beruht der zweite Teil des vierten Rechtsmittelgrundes auf einem fehlerhaften Verständnis des angefochtenen Urteils und ist aus diesem Grund als unbegründet zurückzuweisen. Folglich ist der vierte Rechtsmittelgrund insgesamt zurückzuweisen.

Zum fünften Rechtsmittelgrund, der die Befassung des Überwachungsausschusses betrifft

Vorbringen der Parteien

185

Mit seinem fünften Rechtsmittelgrund macht Herr Dalli geltend, das Gericht habe mehrere Fehler begangen, als es die fünfte, die Beteiligung des Überwachungsausschusses betreffende Rüge zurückgewiesen habe.

186

Erstens müsse nach der zwischen dem Überwachungsausschuss und dem OLAF geschlossenen Arbeitsvereinbarung (im Folgenden: Arbeitsvereinbarung) zwischen der Befassung dieses Ausschusses und der Übermittlung von Informationen an die nationalen Justizbehörden eine Frist von fünf Tagen eingehalten werden. Auch wenn diese Frist in Ausnahmefällen weniger als fünf Tage betragen konnte, müsse das OLAF vor einer solchen Übermittlung jedenfalls die Zustimmung des Überwachungsausschusses einholen. Außerdem sei das Gericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass dem OLAF insoweit ein Ermessensspielraum einzuräumen sei; ein solcher Ansatz nähme aber der Kontrolle, die dieser Ausschuss nach Art. 11 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1073/1999 ausübe, ihre Wirksamkeit. Der sensible Charakter der vorliegenden Rechtssache erfordere entgegen der Auffassung des Gerichts eine strikte Einhaltung der geltenden Verfahrensgarantien.

187

Zweitens habe das Gericht den Akteninhalt verfälscht, indem es in Rn. 160 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, dass der Vorsitzende des Überwachungsausschusses der Übermittlung des OLAF‑Berichts an die maltesischen Justizbehörden vor Ablauf einer Frist von fünf Tagen zugestimmt habe. Das Bestehen dieses Einverständnisses, das von Herrn Dalli in der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht bestritten worden sei, gehe nämlich aus dem Akteninhalt nicht hervor. Mehrere Aktenstücke legten zudem das Gegenteil nahe.

188

Drittens habe das Gericht gegen Art. 11 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1073/1999 in der Auslegung durch seine eigene Rechtsprechung verstoßen, indem es in Rn. 161 des angefochtenen Urteils entschieden habe, dass das OLAF seinen Bericht an die nationalen Justizbehörden weiterleiten könne, bevor der Überwachungsausschuss seine Prüfung abgeschlossen habe. Die vom Überwachungsausschuss ausgeübte Kontrolle stelle keinen unzulässigen Eingriff in den Ablauf der Untersuchung dar und sei für den wirksamen Schutz der Rechte der betroffenen Personen unerlässlich.

189

Im vorliegenden Fall sei diese Verpflichtung nicht eingehalten worden, da das OLAF zum einen am 18. Oktober 2012 dem Überwachungsausschuss Zugang zu den Akten gewährt und zum anderen am 19. Oktober 2012 die Akten an die maltesischen Behörden weitergeleitet habe, obwohl der Überwachungsausschuss das OLAF darauf hingewiesen habe, dass eine längere Prüfungsfrist erforderlich gewesen sei. Der Umstand, dass der Überwachungsausschuss die Weiterleitung des OLAF‑Berichts nicht verhindern könne, sei im Übrigen keine hinreichende Rechtfertigung dafür, ihm jede tatsächliche Möglichkeit zur Ausübung seiner Kontrolle zu nehmen.

190

Die Kommission hält den fünften Rechtsmittelgrund für nicht stichhaltig.

Würdigung durch den Gerichtshof

191

Zunächst ist die Funktion des Überwachungsausschusses zu klären, zu der zwischen Herrn Dalli und der Kommission gegenteilige Auffassungen bestehen.

192

Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1073/1999 definiert diese Funktion allgemein dahin, dass der Überwachungsausschuss durch die regelmäßige Kontrolle, die er bezüglich der Ausübung der Untersuchungstätigkeit vornimmt, die Unabhängigkeit des OLAF sicherstellt.

193

Zu diesem Zweck ist der Überwachungsausschuss nach Art. 11 Abs. 8 dieser Verordnung verpflichtet, mindestens einen Tätigkeitsbericht pro Jahr anzunehmen. Außerdem kann er gemäß Art. 11 Abs. 1 und 8 dieser Verordnung dem Direktor des OLAF Stellungnahmen zu den Tätigkeiten des OLAF geben sowie dem Europäischen Parlament, dem Rat, der Kommission und dem Rechnungshof Berichte über die Ergebnisse und Folgemaßnahmen der Untersuchungen des OLAF vorlegen.

194

Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass sich eine Stellungnahme des Überwachungsausschusses auf einen Einzelfall bezieht, doch hat der Unionsgesetzgeber verlangt, dass eine solche Stellungnahme nicht den Zweck haben darf, die vom OLAF in einem bestimmten Fall zu treffenden Entscheidungen zu beeinflussen, da Art. 11 Abs. 1 dieser Verordnung, wie das Gericht in Rn. 162 des angefochtenen Urteils zutreffend bemerkt hat, vorsieht, dass der Überwachungsausschuss Stellungnahmen abgibt, ohne in den Ablauf der Untersuchungen einzugreifen.

195

Wie der Generalanwalt in Nr. 103 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, besteht die Funktion des Überwachungsausschusses demnach in der Ausübung einer ganzheitlichen Überwachung der Tätigkeiten des OLAF. Somit soll der Überwachungsausschuss zwar prüfen, ob diese Tätigkeiten so ausgeübt werden, dass die Rechte – insbesondere verfahrensrechtlicher Art – der Betroffenen beachtet werden, er hat aber zu diesem Zweck keine Vorabkontrolle der Handlungen des OLAF vorzunehmen.

196

Diese Auffassung von den Aufgaben des Überwachungsausschusses wird, was insbesondere in Bezug auf die Übermittlung von Informationen an die Justizbehörden eines Mitgliedstaats betrifft, dadurch bestätigt, dass der Überwachungsausschuss, wenn er über die Erforderlichkeit einer solchen Übermittlung nach Art. 11 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1073/1999 unterrichtet wird, nicht befugt ist, dieser Übermittlung zu widersprechen, wie das Gericht in Rn. 162 des angefochtenen Urteils festgestellt hat.

197

Der Umstand, dass einige Bestimmungen der Geschäftsordnung des Überwachungsausschusses möglicherweise, wie Herr Dalli vorträgt, dahin ausgelegt werden könnten, dass sie dem OLAF‑Überwachungsausschuss eine umfassendere Funktion übertragen sollen, ist jedenfalls nicht geeignet, die vorstehenden Erwägungen in Frage zu stellen, da diese auf der Grundlage von Art. 11 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1073/1999 erlassene Geschäftsordnung die Bestimmungen dieser Verordnung nicht ändern kann.

198

Was in diesem Zusammenhang erstens das Argument betrifft, das OLAF hätte den Abschluss der Prüfung des Überwachungsausschusses abwarten müssen, bevor es seinen Bericht an die nationalen Justizbehörden weiterleitete, ist darauf hinzuweisen, dass sich eine solche Verpflichtung nicht aus den Bestimmungen der Verordnung Nr. 1073/1999 ergibt.

199

Außerdem wäre diese Verpflichtung geeignet, die Berücksichtigung der Untersuchungsergebnisse durch die nationalen Justizbehörden zu verzögern, ohne dem Überwachungsausschuss die Erfüllung seiner spezifischen Aufgabe zu ermöglichen, da er einer Übermittlung von Informationen an die nationalen Justizbehörden nicht widersprechen kann, sondern nur aufgerufen ist, eine ganzheitliche Überwachung der diesbezüglichen Praktiken des OLAF auszuüben.

200

Das Gericht hat daher in Rn. 162 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Übermittlung des Berichts an die maltesischen Justizbehörden vor einer Stellungnahme des Überwachungsausschusses hierzu keine Vorschrift des Unionsrechts verletzt habe.

201

Was zweitens den Zeitraum zwischen der Befassung des Überwachungsausschusses und der Übermittlung des Berichts an die maltesischen Behörden angeht, so hat das Gericht in Rn. 153 des angefochtenen Urteils zu Recht festgestellt, dass Art. 11 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1073/1999 die Verpflichtung vorsieht, den Ausschuss über die Fälle zu unterrichten, die die Übermittlung von Informationen an die nationalen Justizbehörden erfordern, ohne die Frist festzulegen, über die der Ausschuss verfügen müsste, um vor dieser Übermittlung eine Kontrolle auszuüben.

202

Zwar sieht die Arbeitsvereinbarung vor, dass die dem Überwachungsausschuss in diesem Rahmen vorzulegenden Dokumente ihm „in der Regel“ fünf Werktage vor der Übermittlung von Informationen an nationale Justizbehörden mitgeteilt werden müssen, doch ergibt sich bereits aus dem Wortlaut dieser Vereinbarung, wie das Gericht in dieser Randnummer festgestellt hat, dass diese Frist eine Richtfrist ist und dass das OLAF daher von ihr abweichen kann.

203

Da es in Anbetracht der besonderen Funktion des Überwachungsausschusses jedenfalls nicht erforderlich ist, dass dieser vor dieser Übermittlung Stellung nimmt, ist dem OLAF bei der Bestimmung des Zeitpunkts, zu dem es diese Informationen an die nationalen Justizbehörden weiterleitet, ein weites Ermessen zuzuerkennen. Es kann daher beschließen, eine solche Übermittlung vor Ablauf der in der Arbeitsvereinbarung genannten Frist ohne vorherige Zustimmung des Vorsitzenden des Überwachungsausschusses vorzunehmen.

204

Unter diesen Umständen hat das Gericht keinen Fehler bei der rechtlichen Beurteilung des Sachverhalts begangen, als es entschieden hat, dass das OLAF – ohne den ihm zustehenden Ermessensspielraum offensichtlich zu überschreiten – es angesichts der Bedeutung und des sensiblen Charakters der Untersuchung sowie des Umstands, dass Herr Dalli bereits aus seinem Amt als Kommissar ausgeschieden war, für angebracht halten konnte, seinen Bericht am 19. Oktober 2012 an die maltesischen Behörden zu übermitteln, obwohl der Überwachungsausschuss erst am Tag zuvor Zugang zu der vollständigen Akte gehabt hatte.

205

Drittens ist das Vorbringen von Herrn Dalli, der Sachverhalt sei verfälscht worden, weil der Vorsitzende des Überwachungsausschusses entgegen den Ausführungen des Gerichts in Rn. 160 des angefochtenen Urteils mit der Übermittlung des Berichts des OLAF an die maltesischen Justizbehörden vor Ablauf einer Frist von fünf Tagen nicht einverstanden gewesen sei, als ins Leere gehend zurückzuweisen, da sich aus Rn. 203 des vorliegenden Urteils ergibt, dass, selbst wenn das Gericht zu Unrecht davon ausgegangen wäre, dass der Vorsitzende des Überwachungsausschusses die Erforderlichkeit einer unverzüglichen Übermittlung des Berichts an die maltesischen Behörden gebilligt habe, dieser Irrtum nicht geeignet wäre, die in Rn. 164 des angefochtenen Urteils vorgenommene Beurteilung in Frage zu stellen, dass das OLAF den Bericht habe übermitteln können, ohne gegen die anwendbaren Vorschriften des Unionsrechts zu verstoßen.

206

Der fünfte Rechtsmittelgrund ist daher als teils ins Leere gehend und teils unbegründet zurückzuweisen.

Zum sechsten Rechtsmittelgrund, der die Unschuldsvermutung betrifft

Zweiter Teil des sechsten Rechtsmittelgrundes

– Vorbringen der Parteien

207

Mit dem zweiten Teil seines sechsten Rechtsmittelgrundes, der zuerst zu prüfen ist, macht Herr Dalli geltend, die Begründung des Gerichts in Bezug auf die Würdigung der vom Direktor des OLAF auf einer Pressekonferenz abgegebenen Erklärungen sei insofern widersprüchlich, als das Gericht in Rn. 176 des angefochtenen Urteils einerseits festgestellt habe, dass der Direktor des OLAF behauptet habe, dass Herr Dalli nicht auf das streitige Verhalten reagiert habe, von dem er Kenntnis gehabt habe, und andererseits, dass die Erklärungen des Direktors des OLAF keine Schuld des Rechtsmittelführers angezeigt hätten.

208

Darüber hinaus habe das Gericht eine Reihe von Beweismitteln übergangen, indem es eine Reihe negativer Behauptungen, die der Direktor des OLAF auf seiner Pressekonferenz aufgestellt habe, nicht berücksichtigt habe.

209

Die Kommission hält den zweiten Teil des sechsten Rechtsmittelgrundes für unbegründet.

– Würdigung durch den Gerichtshof

210

In Rn. 176 des angefochtenen Urteils hat das Gericht zum einen festgestellt, dass sich die Tatsachenfeststellungen des Direktors des OLAF u. a. auf „die Kenntnis [Herrn Dallis] von den fraglichen Handlungen und dem Fehlen einer Reaktion seinerseits in dieser Hinsicht“ bezogen hätten. Zum anderen hat es ausgeführt, dass „diese Feststellungen nicht in einer Weise formuliert werden, die eine Schuld des Klägers anzeigen oder für die Öffentlichkeit einen solchen Eindruck erwecken könnten“.

211

Das Gericht hat somit in dieser Randnummer die tatsächlichen Gesichtspunkte beschrieben, auf die der Direktor des OLAF in der Pressekonferenz vom 17. Oktober 2012 hingewiesen hat, und dann die Art und Weise beurteilt, in der der Direktor des OLAF diese Gesichtspunkte dargestellt hat. In derselben Rn. 176 hat das Gericht im Übrigen den zweiten Gedanken weiterentwickelt, indem es die Vorkehrungen beschreibt, die der Direktor des OLAF getroffen hat, um zu verhindern, dass seine Worte so ausgelegt werden können, dass sie Herrn Dalli für schuldig erklären.

212

Folglich ist die Behauptung, diese Randnummer des angefochtenen Urteils enthalte eine widersprüchliche Begründung, als unbegründet zurückzuweisen.

213

Zu dem auf das Übergehen bestimmter Beweise gestützten Argument ist festzustellen, dass Herr Dalli damit nicht geltend macht, dass das Gericht Beweismittel außer Acht gelassen habe, sondern dass es einen dieser vom Gericht tatsächlich gewürdigten Beweise, nämlich das Transkript der Pressekonferenz des Direktors des OLAF vom 17. Oktober 2012, verfälscht habe. Der zweite Teil des sechsten Rechtsmittelgrundes steht im Übrigen unter der Überschrift „Verfälschung von Beweisen“.

214

Insoweit ergibt sich zwar aus diesem Transkript, dass der Direktor des OLAF in dieser Pressekonferenz das Verhalten von Herrn Dalli als Mitglied der Kommission kritisch dargestellt und zu verstehen gegeben hat, dass dieser mit bestimmten betrügerischen Handlungen in Verbindung gebracht werden könne.

215

Jedoch geht aus diesem Transkript nicht hervor, dass der Direktor des OLAF eindeutig behauptet hätte, dass Herr Dalli Straftaten begangen habe.

216

Unter diesen Umständen kann, auch wenn das Transkript der fraglichen Pressekonferenz durchaus auf verschiedene Weise ausgelegt werden kann, nicht festgestellt werden, dass das Gericht dieses Transkript verfälscht hätte, indem es die Grenzen einer verständigen Würdigung dieses Dokuments offensichtlich überschritten hat.

217

Demnach ist der zweite Teil des sechsten Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen.

Zum ersten Teil des sechsten Rechtsmittelgrundes

– Vorbringen der Parteien

218

Mit dem ersten Teil des sechsten Rechtsmittelgrundes macht Herr Dalli geltend, dass das Gericht einen Rechtsfehler in Bezug auf die Tragweite des Grundsatzes der Unschuldsvermutung begangen habe.

219

Erstens habe das Gericht die Kriterien, die es erlaubten, ein Gleichgewicht zwischen diesem Grundsatz und der Freiheit der Meinungsäußerung sicherzustellen, verkannt, indem es in Rn. 175 des angefochtenen Urteils auf das Recht des OLAF verwiesen habe, die Öffentlichkeit möglichst genau zu informieren, obwohl ein solches Recht in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR) nicht verankert sei.

220

Zweitens sei das Gericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Umstand, dass bestimmte auf der vom OLAF veranstalteten Pressekonferenz angesprochene Gesichtspunkte bereits in zuvor von Herrn Dalli oder von der Kommission veröffentlichten Pressemitteilungen enthalten gewesen seien, bestimmte Verstöße gegen die Unschuldsvermutung oder den Grundsatz der Vertraulichkeit nach Art. 339 AEUV rechtfertigen könnten. Außerdem hätte das Gericht in Rn. 177 des angefochtenen Urteils nicht feststellen dürfen, dass sich die von Herrn Dalli veröffentlichte Pressemitteilung auf die Ergebnisse des OLAF beziehe, da diese Pressemitteilung vor der Veröffentlichung des OLAF‑Berichts herausgegeben worden sei.

221

Drittens habe das Gericht auch einen Rechtsfehler begangen, indem es in Rn. 179 des angefochtenen Urteils den Umstand, dass die später vom OLAF veröffentlichte Pressemitteilung dazu bestimmt gewesen sei, von den Medien verbreitete unrichtige Informationen zu korrigieren, für erheblich gehalten habe.

222

Die Kommission beantragt, den ersten Teil des sechsten Rechtsmittelgrundes als teils unzulässig und teils unbegründet zurückzuweisen.

– Würdigung durch den Gerichtshof

223

Was erstens die Kriterien betrifft, die das Gericht zur Gewährleistung eines Gleichgewichts zwischen der Unschuldsvermutung und der Freiheit der Meinungsäußerung aufgestellt hat, ist darauf hinzuweisen, dass die Unschuldsvermutung in Art. 48 der Charta verankert ist, der Art. 6 Abs. 2 und 3 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) entspricht, wie den Erläuterungen zur Charta zu entnehmen ist. Folglich ist Art. 6 Abs. 2 und 3 EMRK nach Art. 52 Abs. 3 der Charta bei der Auslegung ihres Art. 48 als Mindestschutzstandard zu berücksichtigen (Urteil vom 5. September 2019, AH u. a. [Unschuldsvermutung], C‑377/18, EU:C:2019:670, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

224

Wie das Gericht in Rn. 173 des angefochtenen Urteils im Wesentlichen ausgeführt hat, ergibt sich aus der Rechtsprechung des EGMR zum einen, dass die Unschuldsvermutung verletzt wird, wenn eine gerichtliche Entscheidung oder eine amtliche Erklärung über einen Angeklagten den Eindruck vermittelt, dass er schuldig sei, obwohl seine Schuld nicht zuvor rechtsförmlich nachgewiesen worden ist, und zum anderen die Behörden zwar die Öffentlichkeit über laufende Strafverfahren unterrichten dürfen, dies aber mit aller Diskretion und Zurückhaltung zu tun haben, die die Achtung der Unschuldsvermutung gebietet (vgl. in diesem Sinne EGMR, 22. Mai 2014, Ilgar Mammadov/Azerbaïdjan, CE:ECHR:2014:0522JUD001517213, §§ 125 und 126).

225

Hierzu ist zwar festzustellen, dass diese Rechtsprechung, wie Herr Dalli geltend gemacht hat, den Behörden nicht die Möglichkeit eingeräumt hat, die Öffentlichkeit so schnell wie möglich über Maßnahmen zu informieren, die im Zusammenhang mit etwaigen Störungen oder Betrug ergriffen werden.

226

In Rn. 175 des angefochtenen Urteils hat das Gericht jedoch nicht festgestellt, dass das OLAF diese Möglichkeit habe, sondern dass bei der Suche nach einem gerechten Ausgleich zwischen den betroffenen Interessen zu berücksichtigen sei, dass das OLAF ein Interesse daran habe, eine solche Information der Öffentlichkeit sicherzustellen.

227

Im Übrigen hat das Gericht in dieser Rn. 175 im Rahmen seiner Beurteilung der Äußerungen des Direktors des OLAF auf der Pressekonferenz vom 17. Oktober 2012 ferner klargestellt, dass diese Äußerungen maßvoll gewesen seien und dass der Direktor des OLAF die erforderliche Zurückhaltung an den Tag gelegt habe. Damit hat das Gericht die Kriterien angewandt, die sich aus der in Rn. 224 des vorliegenden Urteils genannten Rechtsprechung des EGMR ergeben.

228

Folglich hat das Gericht in Rn. 175 des angefochtenen Urteils in Bezug auf die Kriterien, die anzuwenden sind, um zu prüfen, ob das OLAF gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung verstoßen hat, keinen Rechtsfehler begangen.

229

Zweitens sind die übrigen von Herrn Dalli zur Stützung des ersten Teils des sechsten Rechtsmittelgrundes vorgebrachten Argumente nach der in Rn. 103 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs als ins Leere gehend zurückzuweisen, da sie sich auf nicht tragende Gründe des Gerichts beziehen.

230

Aus dem Vorstehenden ergibt sich nämlich zum einen, dass die Zurückweisung der im ersten Rechtszug erhobenen Rüge eines Verstoßes gegen die Unschuldsvermutung u. a. auf dem Grund beruht, dass der Direktor des OLAF die erforderliche Zurückhaltung bei der Darstellung der Ergebnisse des OLAF an den Tag gelegt hat, und zum anderen, dass die in Rn. 176 des angefochtenen Urteils angeführten Gesichtspunkte, auf die dieser Grund gestützt wird, von Herrn Dalli nicht wirksam bestritten werden.

231

Da dieser Grund ausreicht, um gemäß der in den Rn. 223 und 224 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung nachzuweisen, dass die Erklärungen des Direktors des OLAF nicht gegen Art. 48 der Charta verstießen, sind die vom Gericht in den Rn. 175 und 177 des angefochtenen Urteils angeführten zusätzlichen Gründe, die im Wesentlichen darauf abstellen, dass bestimmte Informationen bereits von der Kommission oder Herrn Dalli verbreitet worden waren, nicht erforderlich, um die vom Gericht in Rn. 178 des angefochtenen Urteils vorgenommene Beurteilung zu rechtfertigen.

232

Drittens ist auch das Vorbringen, das Gericht habe in Rn. 179 des angefochtenen Urteils einen Rechtsfehler begangen, als ins Leere gehend zurückzuweisen.

233

So geht aus Rn. 180 des angefochtenen Urteils hervor, dass das Gericht im Hinblick auf den Inhalt der Pressemitteilung vom 19. Oktober 2012 der Auffassung war, dass das OLAF mit dieser Pressemitteilung die Öffentlichkeit rechtmäßig mit aller erforderlichen Diskretion und Zurückhaltung informiert habe.

234

Da diese Erwägung ausreicht, um gemäß der in den Rn. 223 und 224 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung darzutun, dass das OLAF bei der Herausgabe dieser Mitteilung die Unschuldsvermutung beachtet hat, und im vorliegenden Rechtsmittel nicht angegriffen worden ist, sind die übrigen vom Gericht hierzu ausgeführten Argumente als nicht tragend anzusehen.

235

Folglich ist der erste Teil des sechsten Rechtsmittelgrundes als teils ins Leere gehend, teils unbegründet zurückzuweisen. Folglich ist der sechste Rechtsmittelgrund insgesamt zurückzuweisen.

Zum siebten Rechtsmittelgrund, betreffend die Beurteilung des immateriellen Schadens

Vorbringen der Parteien

236

Mit dem siebten Rechtsmittelgrund macht Herr Dalli geltend, das Gericht habe in Rn. 225 des angefochtenen Urteils einen Rechtsfehler begangen und die Klageschrift verfälscht, indem es festgestellt habe, dass es ihm nicht gelungen sei, nachzuweisen, dass das beanstandete Verhalten der Kommission oder des OLAF aufgrund seines schwerwiegenden Charakters geeignet sei, ihm einen Schaden zuzufügen.

237

Die Kommission beantragt, den siebten Rechtsmittelgrund als ins Leere gehend, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.

Würdigung durch den Gerichtshof

238

Aus Rn. 218 des angefochtenen Urteils geht ausdrücklich hervor, dass das Gericht den behaupteten Schaden und den Kausalzusammenhang ergänzend geprüft hat, da es in Rn. 217 dieses Urteils festgestellt hat, dass Herr Dalli kein rechtswidriges Verhalten des OLAF oder der Kommission nachgewiesen habe.

239

Da die ersten sechs Rechtsmittelgründe im vorliegenden Rechtsmittelverfahren zurückgewiesen worden sind, ist festzustellen, dass Herr Dalli die Feststellung des Gerichts in Rn. 217 dieses Urteils nicht mit Erfolg beanstandet.

240

Außerdem ist nach der in Rn. 42 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs, wenn nicht erwiesen ist, dass einem Unionsorgan ein rechtswidriges Verhalten vorgeworfen werden kann, die Schadensersatzklage insgesamt abzuweisen, ohne dass das Vorliegen eines Schadens oder das Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Verhalten dieses Organs und dem geltend gemachten Schaden geprüft zu werden braucht.

241

Daraus folgt, dass der siebte Rechtsmittelgrund nach der in Rn. 103 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs als ins Leere gehend zurückzuweisen ist, da er sich auf nicht tragende Gründe des Gerichts bezieht.

242

Nach alledem ist das Rechtsmittel insgesamt zurückzuweisen.

Kosten

243

Nach Art. 184 Abs. 2 seiner Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist.

244

Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

245

Da die Kommission beantragt hat, Herrn Dalli die Kosten aufzuerlegen, und dieser mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm seine eigenen Kosten und die Kosten der Kommission aufzuerlegen.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

 

2.

Herr John Dalli trägt seine eigenen Kosten sowie die Kosten der Europäischen Kommission.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.