SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

EVGENI TANCHEV

vom 15. Juli 2021 ( 1 )

Rechtssache C-725/19

IO

gegen

Impuls Leasing România IFN SA

(Vorabentscheidungsersuchen der Judecătoria Sectorului 2 Bucureşti [Amtsgericht Sektor 2 Bukarest, Rumänien])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 93/13/EWG – Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen – Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 – Effektivitätsgrundsatz – Vollstreckungsverfahren – Nationale Rechtsvorschriften, die ein mit einer Vollstreckungsbeschwerde befasstes Gericht an der Prüfung der Missbräuchlichkeit vertraglicher Klauseln hindern – Existenz einer gesonderten Klage“

I. Einleitung

1.

Dieses Vorabentscheidungsersuchen der Judecătoria Sectorului 2 Bucureşti (Amtsgericht Sektor 2 Bukarest, Rumänien) betrifft die Auslegung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ( 2 ). Es steht im Kontext eines Vollstreckungsverfahrens, das auf der Grundlage eines Leasingvertrags durchgeführt wird, der den Status eines Vollstreckungstitels hat.

2.

In der vorliegenden Rechtssache lautet die Kernfrage im Wesentlichen, ob Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, die es einem nationalen Gericht, das mit einem Verfahren befasst ist, in dem der Verbraucher die Vollstreckung anficht, verwehren, von Amts wegen oder auf Antrag des Verbrauchers zu prüfen, ob die Klauseln des Vertrags missbräuchlich sind, da der Verbraucher nach nationalem Recht die Möglichkeit hat, eine gesonderte Klage zu erheben, in deren Rahmen der Vertrag daraufhin überprüft werden kann, ob er missbräuchliche Klauseln enthält.

3.

Parallel zu der vorliegenden Rechtssache ist der Gerichtshof mit vier anderen Rechtssachen (C-600/19, C-693/19, C-831/19 und C-869/19) befasst, in denen heute meine Schlussanträge vorgelegt werden. Diese Rechtssachen beruhen auf spanischen und italienischen Vorabentscheidungsersuchen und berühren vergleichbare und möglicherweise sensible Fragen bezüglich des Umfangs der Pflicht des nationalen Gerichts, von Amts wegen die Missbräuchlichkeit vertraglicher Klauseln anhand der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Auslegung der Richtlinie 93/13 und zum Verhältnis zu den nationalen Verfahrenssystemen zu prüfen.

4.

Folglich gibt die vorliegende Rechtssache dem Gerichtshof Gelegenheit, seine Rechtsprechung zur gerichtlichen Überprüfung missbräuchlicher Klauseln nach der Richtlinie 93/13 im Hinblick auf Eilverfahren weiterzuentwickeln, in denen Gläubiger in den Mitgliedstaaten Verbraucherschulden beitreiben wollen.

II. Rechtlicher Rahmen

A.   Unionsrecht

5.

Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind, und legen die Bedingungen hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften fest; sie sehen ferner vor, dass der Vertrag für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend bleibt, wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann.“

6.

In Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 heißt es:

„Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass im Interesse der Verbraucher und der gewerbetreibenden Wettbewerber angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird.“

B.   Rumänisches Recht

7.

Mit der Legea nr. 193/2000 privind clauzele abuzive din contractele încheiate între profesionişti şi consumatori (Gesetz Nr. 193/2000 über missbräuchliche Klauseln in zwischen Unternehmern und Verbrauchern geschlossenen Verträgen) vom 6. November 2000 (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 560 vom 10. November 2000) in geänderter Fassung (im Folgenden: Gesetz Nr. 193/2000) wurde die Richtlinie 93/13 in das rumänische Recht umgesetzt.

8.

Art. 713 Abs. 2 des Codul de procedură civilă (im Folgenden: Zivilprozessordnung) sieht in seiner nach der Änderung durch das Gesetz Nr. 310/2018 ( 3 ) geltenden Fassung vor:

„Wird die Vollstreckung aus einem Vollstreckungstitel betrieben, bei dem es sich nicht um eine gerichtliche Entscheidung handelt, können tatsächliche oder rechtliche Gründe, die sich auf die Grundlage des im Vollstreckungstitel enthaltenen Anspruchs beziehen, im Rahmen der Vollstreckungsbeschwerde nur geltend gemacht werden, wenn das Gesetz keinen Rechtsbehelf, einschließlich einer ordentlichen Klage, für die Aufhebung dieses Titels vorsieht.“

9.

Vor seiner Änderung durch das Gesetz Nr. 310/2018 sah Art. 713 Abs. 2 der Zivilprozessordnung vor:

„Wird die Vollstreckung aus einem Vollstreckungstitel betrieben, bei dem es sich nicht um eine gerichtliche Entscheidung handelt, können tatsächliche oder rechtliche Gründe, die sich auf die Grundlage des im Vollstreckungstitel enthaltenen Anspruchs beziehen, im Rahmen der Vollstreckungsbeschwerde nur geltend gemacht werden, wenn das Gesetz keinen besonderen Rechtsbehelf für die Aufhebung dieses Titels vorsieht.“

III. Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefrage

10.

Dem Vorlagebeschluss zufolge schlossen die Impuls Leasing România IFN SA (im Folgenden: Impuls Leasing) als Leasinggeberin und IO als Verbraucherin und Leasingnehmerin am 20. August 2008 einen Leasingvertrag über die Nutzung eines Pkw für einen Zeitraum von 48 Monaten ab.

11.

In der Folge war es IO nicht mehr möglich, ihren Zahlungsverpflichtungen aus dem Vertrag nachzukommen. Am 19. März 2010 gab IO den Pkw an Impuls Leasing zurück. Am 29. Juni 2010 verkaufte Impuls Leasing ihn für 5294,12 Euro an einen Dritten.

12.

Am 15. Oktober 2010 beantragte Impuls Leasing bei einem Gerichtsvollzieher die Vollstreckung gegenüber IO aus dem Vertrag. Nachdem der Betrag von 5168,28 rumänischen Lei (RON) (etwa 1200 Euro) beigetrieben worden war, wurde dieses Vollstreckungsverfahren am 16. November 2016 offenbar mangels weiterer verwertbarer Gegenstände im Vermögen von IO eingestellt.

13.

Am 26. März 2019 stellte Impuls Leasing bei einem anderen Gerichtsvollzieher einen weiteren Antrag auf Vollstreckung gegenüber IO aus dem Vertrag und begehrte Liquidation der ihr angeblich geschuldeten restlichen Ansprüche in Höhe von 137502,84 RON (etwa 29000 Euro).

14.

Mit Beschluss vom 12. April 2019 gab die Judecătoria Sectorului 2 București (Amtsgericht Sektor 2 Bukarest) dem Antrag auf Vollstreckung dieses Betrags zuzüglich der Vollstreckungskosten statt.

15.

Mit Beschluss vom 8. Mai 2019 setzte der Gerichtsvollzieher die Vollstreckungskosten fest. Am selben Tag erließ er die Vollstreckungsmaßnahmen, von denen IO in Kenntnis gesetzt wurde.

16.

Am 24. Mai 2019 legte IO bei der Judecătoria Sectorului 2 București (Amtsgericht Sektor 2 Bukarest) eine Vollstreckungsbeschwerde ein, mit der sie die Aufhebung der in diesem Verfahren erlassenen Vollstreckungsmaßnahmen und die Rückgängigmachung der Vollstreckung aus dem Vertrag begehrte.

17.

Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass der Vertrag, auf dessen Grundlage das Vollstreckungsverfahren gegenüber IO eingeleitet worden sei, bestimmte Klauseln enthalte, die gemäß dem Gesetz Nr. 193/2000, mit dem die Richtlinie 93/13 in das rumänische Recht umgesetzt worden sei, als missbräuchlich angesehen werden könnten. So berechtige die Klausel 10.9.1 des Vertrags den Leasinggeber, bei verspäteter Zahlung eines vom Leasingnehmer geschuldeten Geldbetrags eine Verzugsstrafe in Höhe von 0,35 % des Restbetrags für jeden Tag des Verzugs geltend zu machen. Auf der Grundlage dieser Klausel fordere Impuls Leasing 116723,72 RON (etwa 25000 Euro), während der Gesamtwert des Vertrags 9232,07 Euro betragen habe. Klausel 13 des Vertrags regele den Umfang des Schadensersatzes, den der Leasinggeber bei Nichterfüllung der vertraglichen Pflichten durch den Leasingnehmer geltend machen könne. Auf der Grundlage dieser Klausel fordere Impuls Leasing u. a. Ersatz für eine Kapitaldifferenz in Höhe von 25155,43 RON (etwa 5300 Euro) und noch offener Rechnungen über einen Betrag von 13453,96 RON (etwa 2800 Euro).

18.

Das vorlegende Gericht erläutert, dass ein nationales Gericht nach Art. 713 Abs. 2 der Zivilprozessordnung vor deren Änderung durch das Gesetz Nr. 310/2018 Vertragsklauseln im Rahmen einer Vollstreckungsbeschwerde auf ihre Missbräuchlichkeit habe überprüfen dürfen, da es für Leasingverträge keinen besonderen Rechtsbehelf für ihre Aufhebung im Sinne dieser Bestimmung gegeben habe. Demgegenüber sei dies gemäß der aktuellen Fassung von Art. 713 Abs. 2 der Zivilprozessordnung, wie sie nach der Änderung durch dieses Gesetz gelte und im Ausgangsverfahren Anwendung finde, nur dann der Fall, wenn es keinen Rechtsbehelf für die Aufhebung solcher Verträge, einschließlich einer ordentlichen Klage, gebe. Dies bedeute, dass ein nationales Gericht die Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln im Rahmen einer Vollstreckungsbeschwerde nicht mehr prüfen könne, da ein Verbraucher gemäß dem Gesetz Nr. 193/2000 eine derartige ordentliche Klage erheben könne, in deren Rahmen solche Verträge daraufhin überprüft werden könnten, ob sie missbräuchliche Klauseln enthielten.

19.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs dürften nationale Vollstreckungsmechanismen gemäß dem Effektivitätsgrundsatz die Ausübung der den Verbrauchern durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht unmöglich machen oder übermäßig erschweren. Diese Rechte ließen sich aber nur dann wirksam schützen, wenn die Vertragsklauseln nach den nationalen Verfahrensregeln auch im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens von Amts wegen auf ihre etwaige Missbräuchlichkeit überprüft werden könnten. Daher sei zweifelhaft, ob Art. 713 Abs. 2 der Zivilprozessordnung in der Fassung des Gesetzes Nr. 310/2018 mit der Richtlinie 93/13 vereinbar ist, denn die Verbraucher seien gezwungen, eine ordentliche Klage zu erheben, und könnten die ihnen durch diese Richtlinie verliehenen Rechte nicht durch eine Vollstreckungsbeschwerde ausüben.

20.

Unter diesen Umständen hat die Judecătoria Sectorului 2 Bucureşti (Amtsgericht Sektor 2 Bukarest) entschieden, das Ausgangsverfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist die Richtlinie 93/13 unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Effektivität dahin auszulegen, dass sie nationalen Rechtsvorschriften wie der geltenden rumänischen Regelung der Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Vollstreckungsbeschwerde – Art. 713 Abs. 2 der Zivilprozessordnung in der durch das Gesetz Nr. 310/2018 geänderten Fassung –, entgegensteht, die im Rahmen einer Vollstreckungsbeschwerde nicht die Möglichkeit einräumt, auf Antrag des Verbrauchers oder durch den Richter von Amts wegen zu prüfen, ob die Klauseln eines Leasingvertrags, der einen Vollstreckungstitel darstellt, missbräuchlich sind, und zwar aus dem Grund, dass es eine ordentliche Klage gibt, in deren Rahmen Verträge, die zwischen einem „Verbraucher“ und einem „Gewerbetreibenden“ („Unternehmer“) geschlossen werden, unter dem Gesichtspunkt des Vorliegens missbräuchlicher Klauseln im Sinne dieser Richtlinie überprüft werden könnten?

21.

Impuls Leasing und die Kommission haben schriftliche Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht. Diese Beteiligten sowie IO und die rumänische Regierung haben in der Sitzung vom 27. April 2021 mündlich verhandelt.

IV. Zusammenfassung der Erklärungen der Beteiligten

22.

IO zufolge stellt das Vollstreckungsverfahren ein beschleunigtes Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit dar, in dessen Rahmen ein Gericht binnen sieben Tagen ab der Geltendmachung des Anspruchs unter Ausschluss der Öffentlichkeit und ohne Ladung der Parteien durch Beschluss über die Genehmigung der Vollstreckung entscheide. Außer der Vollstreckungsbeschwerde gebe es kein anderes Rechtsmittel, um den die Vollstreckung genehmigenden Beschluss anzufechten.

23.

Impuls Leasing hält die Frage für unzulässig, da sie die Auslegung des nationalen Verfahrensrechts betreffe, und macht hilfsweise geltend, dass zwischen Art. 713 Abs. 2 der Zivilprozessordnung in der Fassung des Gesetzes Nr. 310/2018 und der Richtlinie 93/13 kein Widerspruch bestehe. Dass die Parteien eine ordentliche Klage erheben könnten, beeinträchtige nicht ihre Verfahrensrechte. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs seien die nationalen Gerichte berechtigt, auch im Rahmen von Vollstreckungsverfahren von Amts wegen die Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln anhand der Richtlinie 93/13 zu prüfen, so dass Verbrauchern wirksamer Schutz gewährt werde.

24.

Die rumänische Regierung trägt vor, die Richtlinie 93/13 stehe den in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegen. Das Vollstreckungsverfahren werde auf der Grundlage einer Gerichtsentscheidung oder eines Vollstreckungstitels – wie z. B. von Leasingverträgen wie dem Vertrag in der vorliegenden Rechtssache – durchgeführt ( 4 ). Zur Einleitung des Vollstreckungsverfahrens stelle ein Gläubiger bei dem zuständigen Gerichtsvollzieher einen Antrag, der dann das Gericht um Erlass eines die Vollstreckung genehmigenden Beschlusses ersuche. Das Gericht entscheide über den Beschluss binnen einer kurzen Frist nach Abschluss eines Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit ohne Ladung der Parteien. In diesem Rahmen überprüfe das Gericht, ob bestimmte formale Voraussetzungen erfüllt seien, und könne die Vollstreckung nicht mit der Begründung ablehnen, dass dieser Titel missbräuchliche Klauseln enthalte.

25.

Ein Schuldner könne die Aufhebung des die Vollstreckung genehmigenden Beschlusses im Wege einer Vollstreckungsbeschwerde beantragen, die einer Frist von 15 Tagen unterliege. Da dieser Beschluss nicht in Rechtskraft erwachse, könne er angefochten werden, wenn der Schuldner die Beschwerde einlege, und da die Missbräuchlichkeit der Vertragsklauseln nicht – auch nicht innerhalb der 15-Tagesfrist – geltend gemacht werden könne, bestehe auch kein Präklusionsproblem. Nach Art. 713 Abs. 2 der Zivilprozessordnung in der Fassung des Gesetzes Nr. 310/2018 könne ein Verbraucher die Missbräuchlichkeit vertraglicher Klauseln nicht mit einer Vollstreckungsbeschwerde geltend machen, da er eine ordentliche Klage erheben könne. Diese sei eine gesonderte, keiner Ausschlussfrist unterliegende Klage, in deren Rahmen eine gerichtliche Überprüfung missbräuchlicher Klauseln stattfinden könne. Im Rahmen dieser Klage könne der Verbraucher die Aussetzung der Vollstreckung beantragen, was einen Umstand darstelle, den der Gerichtshof in dem Beschluss vom 6. November 2019, BNP Paribas Personal Finance SA Paris Sucursala Bucureşti und Secapital ( 5 ) noch nicht geprüft habe. Diese Aussetzung könne beschleunigt angeordnet werden, wenn Dringlichkeit nachgewiesen werde. Die Bedingungen, unter denen die Aussetzung der Vollstreckung im Rahmen dieser Klage erlangt werde, seien dieselben wie die, unter denen die Aussetzung im Rahmen einer Vollstreckungsbeschwerde erlangt werde, und die Leistung der Sicherheit erfolge bei dieser Klage auf dieselbe Weise wie bei einer Vollstreckungsbeschwerde.

26.

Die Kommission bringt vor, die Richtlinie 93/13 stehe den in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften entgegen. Art. 713 Abs. 2 der Zivilprozessordnung in der Fassung des Gesetzes Nr. 310/2018 lasse die erhebliche Gefahr entstehen, dass Verbrauchern der durch die Richtlinie 93/13 gewährleistete Schutz nicht zugutekomme. Zwar unterliege eine ordentliche Klage keiner Frist, doch habe sie keine Auswirkung auf das Vollstreckungsverfahren, das daher durchgeführt werden könne, bevor ein Gericht im Verfahren über die Klage die missbräuchlichen Klauseln für unwirksam erklärt habe. Der Verbraucher habe zwar die Möglichkeit, mit dieser Klage auch die Aussetzung der Vollstreckung zu beantragen, das in Art. 719 Abs. 2 der Zivilprozessordnung vorgesehene Erfordernis, eine Sicherheit zu leisten, die auf der Grundlage des Streitwerts berechnet werde, könne für den Verbraucher aber zu hohen Kosten führen und ihn von einer Klage abhalten. In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission ausgeführt, dass die vorliegende Rechtssache eine Situation betreffe, die schlechter sei als die, die zu dem Beschluss vom 6. November 2019, BNP Paribas Personal Finance SA Paris Sucursala Bucureşti und Secapital ( 6 ), geführt habe, da in keiner Phase des Vollstreckungsverfahrens die Möglichkeit bestehe, dass ein nationales Gericht die Vertragsklauseln auf ihre Missbräuchlichkeit überprüfe, und der Verbraucher gezwungen sei, ein gesondertes Verfahren einzuleiten, was mit den in der Rechtsprechung des Gerichtshofs festgelegten Anforderungen nicht vereinbar sei.

V. Analyse

27.

Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 im Licht des Effektivitätsgrundsatzes nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, die es einem Gericht nicht gestatten, im Rahmen eines Verfahrens, in dem der Verbraucher die Vollstreckung anficht, die Klauseln eines Vertrags, der einen Vollstreckungstitel darstellt, von Amts wegen oder auf Antrag des Verbrauchers auf ihre Missbräuchlichkeit zu überprüfen, weil der Verbraucher die Möglichkeit hat, eine gesonderte Klage zu erheben, in deren Rahmen der Vertrag daraufhin geprüft werden kann, ob er missbräuchliche Klauseln enthält.

28.

Wie aus dem Vorlagebeschluss ersichtlich, ergibt sich die Frage aus Verfahrensvorschriften des rumänischen Rechts über das Vollstreckungsverfahren, nach denen ein mit einer Vollstreckungsbeschwerde befasstes Gericht infolge der Änderung von Art. 713 Abs. 2 der Zivilprozessordnung durch das Gesetz Nr. 310/2018 (siehe Nrn. 8 und 9 der vorliegenden Schlussanträge) die Missbräuchlichkeit vertraglicher Klauseln nicht mehr prüfen kann, weil eine gesonderte Klage existiert, die vom Verbraucher erhoben werden muss und eine gerichtliche Überprüfung missbräuchlicher Klauseln anhand der Richtlinie 93/13 ermöglicht.

29.

Zur Beantwortung der in der vorliegenden Rechtssache aufgeworfenen Frage werde ich zunächst auf die von Impuls Leasing vorgebrachten Argumente zur Zulässigkeit der Frage eingehen (Abschnitt A). Sodann werde ich die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Prüfung missbräuchlicher Klauseln durch das nationale Gericht von Amts wegen nach der Richtlinie 93/13 (Abschnitt B) und die Anwendung der in dieser Rechtsprechung entwickelten Grundsätze auf die Umstände in der vorliegenden Rechtssache prüfen (Abschnitt C).

30.

Auf der Grundlage dieser Analyse bin ich zu dem Ergebnis gelangt, dass die Vorlagefrage in der vorliegenden Rechtssache zulässig ist und dass Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 im Licht des Effektivitätsgrundsatzes nationalen Rechtsvorschriften wie den hier in Rede stehenden entgegenstehen.

A.   Zulässigkeit

31.

Nach dem Vorbringen von Impuls Leasing ist die Vorlagefrage in der vorliegenden Rechtssache unzulässig, da sie die Auslegung des nationalen Rechts betreffe.

32.

Meiner Ansicht nach ist dieses Vorbringen zurückzuweisen.

33.

Nach der Rechtsprechung ist im Rahmen des Verfahrens nach Art. 267 AEUV, das auf einer klaren Aufgabentrennung zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof beruht, allein das nationale Gericht für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts des Ausgangsrechtsstreits sowie die Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts zuständig. Wenn die vorgelegte Frage die Auslegung des Unionsrechts betrifft, ist der Gerichtshof daher grundsätzlich gehalten, darüber zu befinden ( 7 ).

34.

Da die Frage in der vorliegenden Rechtssache die Auslegung der Richtlinie 93/13 betrifft, ist der Gerichtshof demnach dafür zuständig, sich mit ihr zu befassen.

35.

Daher bin ich der Auffassung, dass die Vorlagefrage in der vorliegenden Rechtssache zulässig ist.

B.   Einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Prüfung missbräuchlicher Klauseln durch nationale Gerichte von Amts wegen

36.

Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 verpflichtet die Mitgliedstaaten vorzusehen, dass missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen für den Verbraucher unverbindlich sind ( 8 ). Nach Art. 7 Abs. 1 dieser Richtlinie in Verbindung mit ihrem 24. Erwägungsgrund müssen die Mitgliedstaaten angemessene und wirksame Mittel vorsehen, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln in Verbraucherverträgen ein Ende gesetzt wird ( 9 ). Während diese Bestimmungen zu einer umfangreichen Rechtsprechung geführt haben, werde ich die anwendbaren Grundsätze zusammenfassen, die sich dieser Rechtsprechung bezüglich des Bestehens und des Umfangs der Pflicht des nationalen Gerichts, die Missbräuchlichkeit vertraglicher Klauseln von Amts wegen zu prüfen, entnehmen lassen und die für meine Analyse der vorliegenden Rechtssache am sachdienlichsten sind.

1. Bestehen der Verpflichtung des nationalen Gerichts zur Prüfung von Amts wegen

37.

Gemäß gefestigter Rechtsprechung geht das durch die Richtlinie 93/13 eingeführte Schutzsystem davon aus, dass der Verbraucher sich gegenüber dem Gewerbetreibenden in einer schwächeren Verhandlungsposition befindet und einen geringeren Informationsstand besitzt, was dazu führt, dass er den vom Gewerbetreibenden vorformulierten Bedingungen zustimmt, ohne auf deren Inhalt Einfluss nehmen zu können ( 10 ). Um den mit der Richtlinie 93/13 angestrebten Schutz zu gewährleisten, kann die bestehende Ungleichheit zwischen Verbraucher und Gewerbetreibendem nur durch ein positives Eingreifen von dritter, von den Vertragsparteien unabhängiger Seite ausgeglichen werden ( 11 ).

38.

Daher ist es in Anbetracht von Art und Bedeutung des öffentlichen Interesses, auf dem der den Verbrauchern durch die Richtlinie 93/13 gewährte Schutz beruht, gerechtfertigt, dass das nationale Gericht von Amts wegen die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel prüfen und damit dem Ungleichgewicht zwischen dem Verbraucher und dem Gewerbetreibenden abhelfen muss, sobald es über die hierzu erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen verfügt ( 12 ). In der Tat stellt diese Verpflichtung ein Mittel dar, das in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 festgelegte Ergebnis zu erreichen, nämlich die Bindung eines Verbrauchers an eine missbräuchliche Klausel zu verhindern, und insofern zur Erreichung des Ziels des Art. 7 Abs. 1 dieser Richtlinie beizutragen, als eine solche Prüfung eine abschreckende Wirkung haben kann, die hilft, der Verwendung missbräuchlicher Klauseln in Verbraucherverträgen ein Ende zu setzen ( 13 ).

2. Umfang der Verpflichtung des nationalen Gerichts zur Überprüfung von Amts wegen

39.

Nach ebenso gefestigter Rechtsprechung verpflichtet die Richtlinie 93/13 die Mitgliedstaaten, ein Verfahren vorzusehen, das gewährleistet, dass bei jeder nicht im Einzelnen ausgehandelten Vertragsklausel geprüft werden kann, ob sie möglicherweise missbräuchlich ist ( 14 ). Der Gerichtshof hat auch betont, dass die spezifischen Merkmale der Gerichtsverfahren, die nach nationalem Recht zwischen Verbrauchern und Gewerbetreibenden stattfinden, keinen Faktor darstellen können, der den Rechtsschutz, der den Verbrauchern nach der Richtlinie 93/13 zu gewähren ist, beeinträchtigen könnte ( 15 ).

40.

Zwar hat der Gerichtshof bereits in mehrfacher Hinsicht und unter Berücksichtigung der Anforderungen von Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dargelegt, wie das nationale Gericht den Schutz der den Verbrauchern nach dieser Richtlinie zustehenden Rechte sicherstellen muss, doch sind die Modalitäten der Verfahren zur Prüfung, ob eine Vertragsklausel missbräuchlich ist, mangels unionsrechtlicher Harmonisierung Sache der Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten, dürfen allerdings nicht ungünstiger sind als diejenigen, die gleichartige, dem innerstaatlichen Recht unterliegende Sachverhalte regeln (Äquivalenzgrundsatz), und die Ausübung der den Verbrauchern durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz) ( 16 ).

41.

Zum Effektivitätsgrundsatz hat der Gerichtshof entschieden, dass jeder Fall, in dem sich die Frage stellt, ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Unionsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren, des Verfahrensablaufs und der Besonderheiten des Verfahrens sowie gegebenenfalls der Grundsätze, die dem nationalen Rechtsschutzsystem zugrunde liegen, wie z. B. des Schutzes der Verteidigungsrechte, des Grundsatzes der Rechtssicherheit und des ordnungsgemäßen Ablaufs des Verfahrens zu prüfen ist ( 17 ).

42.

Der Gerichtshof hat ferner anerkannt, dass der Umstand, dass der Verbraucher den durch die Richtlinie 93/13 gewährleisteten Schutz nur geltend machen kann, wenn er ein gerichtliches Verfahren anstrengt, für sich genommen nicht gegen den Grundsatz der Effektivität verstoßen kann, da dieser Schutz auf der Prämisse beruht, dass die nationalen Gerichte zuvor von einer der Parteien dieses Vertrags angerufen werden ( 18 ). Allerdings müssen angemessene und wirksame Mittel, die der Verwendung missbräuchlicher Klauseln in Verbraucherverträgen ein Ende setzen sollen, im Licht des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 und des Effektivitätsgrundsatzes Rechtsvorschriften einschließen, die den Verbrauchern einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz gewährleisten können, der es ihnen ermöglicht, einen streitigen Vertrag – auch in der Phase, in der aus ihm vollstreckt wird – vor Gericht anzufechten, und zwar unter angemessenen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen, so dass für die Ausübung ihrer Rechte keine Voraussetzungen, insbesondere hinsichtlich der Fristen oder der Kosten, gelten, die die Ausübung der durch die Richtlinie 93/13 gewährleisteten Rechte einschränken ( 19 ).

43.

Insbesondere hat der Gerichtshof festgestellt, dass ein wirksamer Schutz der dem Verbraucher von der Richtlinie 93/13 gewährleisteten Rechte nur dann garantiert werden kann, wenn die nationalen Verfahrensregeln es ermöglichen, dass die im betreffenden Vertrag enthaltenen Klauseln im Rahmen des Zahlungsbefehlsverfahrens oder im Rahmen des Verfahrens zur Vollstreckung des Zahlungsbefehls von Amts wegen auf ihre Missbräuchlichkeit überprüft werden ( 20 ). Daher ist in dem Fall, dass keine Überprüfung der etwaigen Missbräuchlichkeit der in dem betreffenden Vertrag enthaltenen Klauseln von Amts wegen durch ein Gericht in dem Stadium der Vollstreckung des Mahnbescheids vorgesehen ist, davon auszugehen, dass eine solche nationale Regelung geeignet ist, die Wirksamkeit des von der Richtlinie 93/13 gewährten Schutzes zu beeinträchtigen, sofern sie nicht im Stadium des Erlasses des Mahnbescheids eine solche Prüfung vorsieht oder, wenn eine solche Überprüfung nur im Stadium des Einspruchs gegen den erlassenen Mahnbescheid vorgesehen ist, sofern eine nicht zu vernachlässigende Gefahr besteht, dass der betroffene Verbraucher den erforderlichen Einspruch nicht einlegt, sei es wegen der besonders kurzen Frist, die hierfür vorgesehen ist, sei es, weil er im Hinblick auf die Kosten, die ein gerichtliches Verfahren im Vergleich zur Höhe der bestrittenen Forderung mit sich brächte, davon abgehalten werden könnte, sich zu verteidigen, sei es, weil die nationale Regelung nicht die Pflicht vorsieht, ihm alle Informationen zu übermitteln, die erforderlich sind, damit er den Umfang seiner Rechte erfassen kann ( 21 ). Die Richtlinie 93/13 steht daher nationalen Rechtsvorschriften entgegen, nach denen es zulässig ist, einen Mahnbescheid zu erlassen, ohne dass der Verbraucher zu irgendeinem Zeitpunkt des Verfahrens die Gewähr hätte, dass ein Gericht das Nichtvorliegen missbräuchlicher Klauseln überprüft ( 22 ).

44.

Der Gerichtshof hat auch die Bedeutung vorläufiger Maßnahmen wie z. B. der Aussetzung des Vollstreckungsverfahrens betont, wenn der Erlass dieser Maßnahmen erforderlich ist, um die volle Wirksamkeit der Endentscheidung des Gerichts des entsprechenden Erkenntnisverfahrens zu gewährleisten, das für die Prüfung der Missbräuchlichkeit der Klauseln des der Vollstreckung zugrunde liegenden Vertrags zuständig ist ( 23 ).

45.

So hat der Gerichtshof im Urteil vom 26. Juni 2019, Kuhar ( 24 ), entschieden, dass die Richtlinie 93/13 im Licht des Effektivitätsgrundsatzes nationalen Rechtsvorschriften entgegensteht, nach denen ein Gericht in einem Hypothekenvollstreckungsverfahren weder auf Antrag des Verbrauchers noch von Amts wegen die Missbräuchlichkeit der Vertragsklauseln prüfen und aufgrund dessen die beantragte Zwangsvollstreckung aussetzen kann. Insbesondere hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Möglichkeit für den Verbraucher, die Aussetzung der Vollstreckung zu beantragen, an strenge verfahrensrechtliche Voraussetzungen und, auf Antrag des Gläubigers, an eine Sicherheitsleistung geknüpft war, was es nahezu unmöglich machte, eine solche Aussetzung zu erreichen, da ein in Zahlungsverzug geratener Schuldner wahrscheinlich nicht über die notwendigen finanziellen Mittel verfügte. Der Gerichtshof hat ferner darauf hingewiesen, dass es für die Gewährleistung der vollen Wirksamkeit des mit der Richtlinie 93/13 angestrebten Verbraucherschutzes offensichtlich unzureichend war, dass die Prüfung missbräuchlicher Klauseln erst zu einem späteren Zeitpunkt gegebenenfalls durch das Gericht des Erkenntnisverfahrens möglich war, bei dem der Verbraucher eine Klage auf Nichtigerklärung solcher missbräuchlichen Klauseln erhob. Da das mit der Vollstreckung befasste Gericht die Vollstreckung nicht aussetzen konnte, war es wahrscheinlich, dass die Vollstreckung in den mit der Hypothek belasteten Gegenstand abgeschlossen sein würde, bevor das Urteil des Gerichts des Erkenntnisverfahrens erging, und daher der Verbraucher nur in den Genuss eines nachträglichen Schutzes in Form eines finanziellen Ausgleichs käme, der unvollständig und unzureichend wäre und somit weder ein angemessenes noch ein wirksames Mittel im Sinne von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 darstellte, um der Verwendung einer missbräuchlichen Klausel ein Ende zu setzen.

46.

Ferner ist klarzustellen, dass der Beschluss vom 6. November 2019, BNP Paribas Personal Finance SA Paris Sucursala Bucureşti und Secapital ( 25 ), ein Vollstreckungsverfahren nach rumänischem Recht in einem Fall betraf, der vor der Änderung von Art. 713 Abs. 2 der Zivilprozessordnung durch das Gesetz Nr. 310/2018 lag. In diesem Beschluss hat der Gerichtshof entschieden, dass die Richtlinie 93/13 nationalen Rechtsvorschriften entgegenstand, die eine Frist von 15 Tagen festlegte, innerhalb derer ein Verbraucher durch eine Vollstreckungsbeschwerde die Missbräuchlichkeit vertraglicher Klauseln geltend machen konnte, obwohl er nach nationalem Recht über einen gesonderten, keiner Frist unterliegenden Rechtsbehelf verfügte, der jedoch keine Auswirkung auf das Vollstreckungsverfahren hatte. Der Gerichtshof hat darauf hingewiesen, dass, wenn das Vollstreckungsverfahren abgeschlossen wurde, bevor in dem gesonderten Verfahren die Entscheidung erging, diese Entscheidung den Verbrauchern lediglich einen nachträglichen Schutz gewährte, der im Hinblick auf die Richtlinie 93/13 unvollständig und unzureichend war und dadurch dem Ziel ihres Art. 7 Abs. 1 zuwiderlief.

47.

Folglich ergibt sich aus der vorstehenden Rechtsprechung, dass die Richtlinie 93/13 die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, für die gerichtliche Überprüfung missbräuchlicher Klauseln ein bestimmtes verfahrensrechtliches System einzuführen. Sie müssen allerdings ihren unionsrechtlichen Verpflichtungen, einschließlich der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität, nachkommen, und daher sicherstellen, dass ungeachtet des Verfahrens ein nationales Gericht eine Prüfung der Missbräuchlichkeit vertraglicher Klauseln durchführt. Es muss eine Prüfung von Amts wegen geben, entweder durch den ersten Richter in dem Verfahren oder durch den zweiten Richter, sei er mit dem Vollstreckungsverfahren oder mit dem Erkenntnisverfahren befasst, das durch den Verbraucher eingeleitet werden kann, solange keine erhebliche Gefahr besteht, dass der Verbraucher den bestimmten verfahrensrechtlichen Weg nicht beschreiten wird, und damit die Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung missbräuchlicher Klauseln anhand der Richtlinie 93/13 versperrt wird.

48.

Die Umstände der vorliegenden Rechtssache sind im Licht dieser in der Rechtsprechung des Gerichtshofs entwickelten Grundsätze zu prüfen.

C.   Anwendung der in der Rechtsprechung des Gerichtshofs entwickelten Grundsätze auf die Umstände der vorliegenden Rechtssache

49.

Wie aus dem Vorlagebeschluss sowie den Erklärungen der rumänischen Regierung und der Kommission ersichtlich, weist das Vollstreckungsverfahren in der vorliegenden Rechtssache folgende Merkmale auf.

50.

Erstens ist unstreitig, dass die Missbräuchlichkeit vertraglicher Klauseln im Vollstreckungsverfahren durch ein nationales Gericht weder von Amts wegen noch auf Antrag des Verbrauchers geprüft wird. Wie die rumänische Regierung ausgeführt hat, kann das nationale Gericht, das den die Vollstreckung genehmigenden Beschluss erlässt, die Vollstreckung nicht deshalb ablehnen, weil der Vertrag, der den Vollstreckungstitel darstellt, missbräuchliche Klauseln aufweist. Außerdem kann das nationale Gericht nach Art. 713 Abs. 2 der Zivilprozessordnung in der Fassung des Gesetzes Nr. 310/2018 im Rahmen eines Verfahrens, in dem der Verbraucher die Vollstreckung anficht, weder von Amts wegen noch auf Antrag des Verbrauchers die Missbräuchlichkeit der Vertragsklauseln prüfen.

51.

Zweitens ist der Verbraucher gezwungen, eine gesonderte, keiner Frist unterliegende Klage zu erheben, damit der den Vollstreckungstitel darstellende Vertrag durch ein nationales Gericht daraufhin geprüft werden kann, ob er missbräuchliche Klauseln enthält.

52.

Drittens ist die Aussetzung der Vollstreckung möglich, wenn der Verbraucher eine gesonderte Klage erhebt.

53.

Viertens erfolgt die Aussetzung der Vollstreckung bis zur Endentscheidung des Gerichts in dem gesonderten Verfahren nicht automatisch. In diesem Verfahren kann der Verbraucher die Aussetzung der Vollstreckung beantragen, die nach den Erklärungen der Kommission, denen die rumänische Regierung nicht widersprochen hat, an die Erfüllung rechtlicher Voraussetzungen und insbesondere den Nachweis der Dringlichkeit, wenn die beschleunigte Aussetzung beantragt wird, sowie die Leistung einer Sicherheit geknüpft ist, die auf der Grundlage des Streitwerts berechnet wird.

54.

Da in der vorliegenden Rechtssache keine Hinweise darauf vorliegen, die Zweifel im Hinblick auf den Äquivalenzgrundsatz entstehen lassen könnten, bleibt nur zu prüfen, ob die in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften mit dem Effektivitätsgrundsatz vereinbar sind.

55.

Eingangs sei festgestellt, dass auf der Grundlage der Rechtsprechung des Gerichtshofs vieles darauf hindeutet, dass Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 im Licht des Effektivitätsgrundsatzes den in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen.

56.

Erstens ist darauf hinzuweisen, dass ein nationales Gericht in keiner Phase des Vollstreckungsverfahrens, weder von Amts wegen noch auf Antrag des Verbrauchers, die etwaige Missbräuchlichkeit der Klauseln des den Vollstreckungstitel darstellenden Vertrags prüft.

57.

Zweitens scheint eine erhebliche Gefahr zu bestehen, dass die betroffenen Verbraucher von der Erhebung der gesonderten Klage und dem Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung wegen der mit diesem Verfahren verbundenen Kosten oder deshalb abgehalten werden, weil sie den Umfang ihrer Rechte nicht kennen oder nicht richtig erfassen.

58.

In dieser Hinsicht scheint mir, dass Verbraucher Gefahr laufen, von der Stellung eines Antrags auf Aussetzung der Vollstreckung abgehalten zu werden, da er die Leistung einer Sicherheit voraussetzt, die auf der Grundlage des Streitwerts berechnet wird. Bei einem solchen Erfordernis kann davon ausgegangen werden, dass es die Erreichung einer solchen Aussetzung in der Praxis nahezu unmöglich macht, da der Verbraucher als in Zahlungsverzug geratener Schuldner wahrscheinlich nicht über die finanziellen Mittel verfügen wird, um die erforderliche Sicherheit zu stellen. Ein solches Erfordernis führt nämlich dazu, dass es, je höher der vom Gläubiger geltend gemachte Anspruch ist, der auf mutmaßlich missbräuchliche Klauseln gestützt wird – wie die vorliegende Rechtssache zeigt, bei der es, wie das vorlegende Gericht feststellt, um Ansprüche geht, die den Gesamtwert des Vertrags bei Weitem übersteigen (siehe Nr. 17 der vorliegenden Schlussanträge) –, umso wahrscheinlicher ist, dass der Verbraucher abgeneigt sein wird, die Aussetzung der Vollstreckung zu beantragen, oder dazu nicht in der Lage sein wird.

59.

In Anbetracht der in den Nrn. 45 und 46 der vorliegenden Schlussanträge dargestellten Rechtsprechung des Gerichtshofs ist es meines Erachtens daher wahrscheinlich, dass das Vollstreckungsverfahren abgeschlossen sein wird, bevor die Entscheidung des Gerichts in dem gesonderten Verfahren ergeht, was zu dem Ergebnis führt, dass die betroffenen Verbraucher nur einen nachträglichen Schutz erhalten, der unvollständig und unzureichend ist und somit weder ein angemessenes noch ein wirksames Mittel im Sinne von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 darstellt, um der Verwendung missbräuchlicher Klauseln ein Ende zu setzten. Daher teile ich die Ansicht der Kommission, dass eine reale Gefahr besteht, dass allein aufgrund des gesonderten Verfahrens die Entscheidung des Gerichts, das über die Missbräuchlichkeit der Vertragsklauseln befindet, verspätet und ohne praktische Wirksamkeit sein wird.

60.

Ferner trifft es zwar zu, dass der Gerichtshof, wie die rumänische Regierung ausgeführt hat, die Möglichkeit der Aussetzung der Vollziehung im Beschluss vom 6. November 2019, BNP Paribas Personal Finance SA Paris Sucursala Bucureşti und Secapital ( 26 ), auf den ich in Nr. 46 der vorliegenden Schlussanträge eingegangen bin, nicht geprüft hat. Dies ändert jedoch meines Erachtens nichts daran, dass nach den nationalen Rechtsvorschriften in der vorliegenden Rechtssache – die in jenem Beschluss nicht in Rede standen – die Überprüfung der Klauseln des Vertrags, der den Vollstreckungstitel darstellt, auf ihre Missbräuchlichkeit nicht durch das nationale Gericht im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens erfolgt, sondern, wenn überhaupt, erst später durch das nationale Gericht, das mit der gesonderten Klage des Verbrauchers befasst ist, und daher als offensichtlich unzureichend anzusehen ist, um die Wirksamkeit des mit der Richtlinie 93/13 angestrebten Verbraucherschutzes zu gewährleisten.

61.

Folglich ist davon auszugehen, dass die in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften dem Effektivitätsgrundsatz zuwiderlaufen, da sie die Gewährleistung des den Verbrauchern durch die Richtlinie 93/13 gewährten Schutzes unmöglich machen oder übermäßig erschweren.

62.

Daher komme ich zu dem Ergebnis, dass Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 im Licht des Effektivitätsgrundsatzes nationalen Rechtsvorschriften wie denen entgegenstehen, die im Ausgangsverfahren in Rede stehen.

VI. Ergebnis

63.

Im Licht der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefrage der Judecătoria Sectorului 2 Bucureşti (Amtsgericht Sektor 2 Bukarest, Rumänien) wie folgt zu beantworten:

Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen sind im Licht des Effektivitätsgrundsatzes dahin auszulegen, dass sie nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, nach denen das Gericht im Rahmen einer Vollstreckungsbeschwerde die Klauseln eines Leasingvertrags, der einen Vollstreckungstitel darstellt, weder von Amts wegen noch auf Antrag des Verbrauchers auf ihre Missbräuchlichkeit überprüfen kann, weil der Verbraucher die Möglichkeit hat, eine gesonderte Klage zu erheben, um festzustellen zu lassen, ob der Vertrag Klauseln enthält, die im Sinne dieser Richtlinie missbräuchlich sind.


( 1 ) Originalsprache: Englisch.

( 2 ) ABl. 1993, L 95, S. 29.

( 3 ) Legea nr. 310/2018 pentru modificarea și completarea Legii nr. 134/2010 privind Codul de procedură civilă, precum și pentru modificarea și completarea altor acte normative (Gesetz Nr. 310/2018 zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes Nr. 134/2010 über die Zivilprozessordnung sowie zur Änderung und Ergänzung weiterer Rechtsakte) (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 1074 vom 18. Dezember 2018) (im Folgenden: Gesetz Nr. 310/2018), das am 21. Dezember 2018 in Kraft getreten ist.

( 4 ) Die rumänische Regierung weist darauf hin, dass Leasingverträge, bei denen der Leasingnehmer ein Verbraucher sei, nach jüngeren Gesetzesreformen, die zeitlich nicht auf das Ausgangsverfahren Anwendung fänden, keine vollstreckbaren Titel mehr seien.

( 5 ) C-75/19, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:950.

( 6 ) C-75/19, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:950.

( 7 ) Vgl. Urteil vom 29. April 2021, Rzecznik Praw Obywatelskich (C-19/20, EU:C:2021:341, Rn. 64).

( 8 ) Vgl. Urteil vom 27. Januar 2021, Dexia Nederland (C-229/19 und C-289/19, EU:C:2021:68, Rn. 57). Vgl. auch den 21. Erwägungsgrund der Richtlinie 93/13. Wie der Gerichtshof anerkannt hat, handelt es sich bei Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 um eine zwingende Bestimmung, die darauf zielt, die formale Ausgewogenheit der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien durch eine materielle Ausgewogenheit zu ersetzen und so deren Gleichheit wiederherzustellen. Vgl. Urteil vom 11. März 2020, Lintner (C-511/17, EU:C:2020:188, Rn. 24).

( 9 ) Vgl. Urteil vom 9. Juli 2020, Raiffeisen Bank und BRD Groupe Societé Générale (C-698/18 und C-699/18, EU:C:2020:537, Rn. 52).

( 10 ) Vgl. Urteile vom 27. Juni 2000, Océano Grupo Editorial und Salvat Editores (C-240/98 bis C-244/98, EU:C:2000:346, Rn. 25), und vom 26. März 2019, Abanca Corporación Bancaria und Bankia (C-70/17 und C-179/17, EU:C:2019:250, Rn. 49).

( 11 ) Vgl. Urteile vom 9. November 2010, VB Pénzügyi Lízing (C-137/08, EU:C:2010:659, Rn. 48), und vom 11. März 2020, Lintner (C-511/17, EU:C:2020:188, Rn. 25).

( 12 ) Vgl. Urteile vom 4. Juni 2009, Pannon GSM (C-243/08, EU:C:2009:350, Rn. 31 und 32), und vom 4. Juni 2020, Kancelaria Medius (C-495/19, EU:C:2020:431, Rn. 37).

( 13 ) Vgl. Urteil vom 9. Juli 2015, Bucura (C-348/14, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:447, Rn. 42).

( 14 ) Vgl. Urteil vom 3. März 2020, Gómez del Moral Guasch (C-125/18, EU:C:2020:138, Rn. 44).

( 15 ) Vgl. Urteil vom 21. April 2016, Radlinger und Radlingerová (C-377/14, EU:C:2016:283, Rn. 50).

( 16 ) Vgl. Urteil vom 26. Juni 2019, Kuhar (C-407/18, EU:C:2019:537, Rn. 45 und 46).

( 17 ) Vgl. Urteil vom 22. April 2021, Profi Credit Slovakia (C-485/19, EU:C:2021:313, Rn. 53).

( 18 ) Vgl. Urteil vom 1. Oktober 2015, ERSTE Bank Hungary (C-32/14, EU:C:2015:637, Rn. 63).

( 19 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Juni 2019, Kuhar (C-407/18, EU:C:2019:537, Rn. 57).

( 20 ) Vgl. Urteil vom 13. September 2018, Profi Credit Polska (C-176/17, EU:C:2018:711, Rn. 44), und Beschluss vom 6. November 2019, BNP Paribas Personal Finance SA Paris Sucursala Bucureşti und Secapital (C-75/19, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:950, Rn. 25).

( 21 ) Vgl. Urteil vom 20. September 2018, Danko und Danková (C-448/17, EU:C:2018:745, Rn. 46 und Nr. 2 des Tenors), und Beschluss vom 6. November 2019, BNP Paribas Personal Finance SA Paris Sucursala Bucureşti und Secapital (C-75/19, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:950, Rn. 26). Insoweit war der Gerichtshof der Auffassung, dass hohe Kosten für sich genommen den Verbraucher davon abhalten können, Vollstreckungsbeschwerde einzulegen oder eine Klage zu erheben, um auf der Richtlinie 93/13 beruhende Rechte durchzusetzen. Vgl. Urteile vom 13. September 2018, Profi Credit Polska (C-176/17, EU:C:2018:711, Rn. 68), und vom 16. Juli 2020, Caixabank und Banco Bilbao Vizcaya Argentaria (C-224/19 und C-259/19, EU:C:2020:578, Rn. 98 und 99).

( 22 ) Vgl. Urteil vom 20. September 2018, Danko und Danková (C-448/17, EU:C:2018:745, Rn. 49), und Beschluss vom 6. November 2019, BNP Paribas Personal Finance SA Paris Sucursala Bucureşti und Secapital (C-75/19, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:950, Rn. 28).

( 23 ) Vgl. Urteil vom 1. Oktober 2015, ERSTE Bank Hungary (C-32/14, EU:C:2015:637, Rn. 44 und 45).

( 24 ) C-407/18, EU:C:2019:537, insbesondere Rn. 60 bis 63 und 68.

( 25 ) C-75/19, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:950, insbesondere Rn. 29 bis 34.

( 26 ) C-75/19, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:950.