SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

GERARD HOGAN

vom 25. Februar 2021 ( 1 )

Verbundene Rechtssachen C‑478/19 und C‑479/19

UBS Real Estate Kapitalanlagegesellschaft mbH

gegen

Agenzia delle Entrate

(Vorabentscheidungsersuchen der Corte suprema di cassazione [Kassationsgerichtshof, Italien])

„Vorlagen zur Vorabentscheidung – Niederlassungsfreiheit – Art. 43 Abs. 1 EG – Freier Kapitalverkehr – Art. 56 Abs. 1 EG – Hypotheken- und Katastersteuern – Nur geschlossenen Immobilienfonds gewährte Steuervergünstigungen“

I. Einführung

1.

Mit diesen Vorlagen zur Vorabentscheidung ersucht die Corte suprema di cassazione (Kassationsgerichtshof, Italien) den Gerichtshof um Entscheidung über die Vereinbarkeit einer italienischen Regelung mit dem Unionsrecht, insbesondere in Bezug auf die Vertragsbestimmungen über den freien Kapitalverkehr und die Niederlassungsfreiheit, nach der die Möglichkeit einer Ermäßigung der beim Erwerb gewerblicher Immobilien durch Immobilienfonds anfallenden Hypotheken- und der Katastersteuer um die Hälfte auf – wie ich es nenne – „geschlossene“ Immobilienfonds beschränkt ist. Diese Rechtssache wirft erneut Fragen nach der Beschränkung des freien Kapitalverkehrs auf dem Gebiet des Steuerrechts auf.

2.

Die Vorlagen erfolgen konkret im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der UBS Real Estate Kapitalanlagegesellschaft mbH (im Folgenden: UBS Real Estate), einer nach deutschem Recht als Vermögensverwaltungsgesellschaft für Investmentfonds errichteten Gesellschaft, und der Agenzia delle Entrate (im Folgenden: italienische Finanzverwaltung). In diesem Verfahren geht es um Rechtsbehelfe der UBS Real Estate gegen die stillschweigende Ablehnung der Anträge zweier von ihr verwalteter deutscher Investmentfonds auf Erstattung der Hypotheken- und Katastersteuer durch die Finanzverwaltung, die diese Fonds für den Erwerb zweier Geschäftsgebäude entrichtet hatten, weil sie entgegen der Regelung des Decreto-legge (Gesetzesdekret) Nr. 223/2006 von der Inanspruchnahme einer Ermäßigung der geschuldeten Hypotheken- und Katastersteuer um die Hälfte ausgeschlossen seien, da sie geschlossene Immobilienfonds, nicht aber offene Immobilienfonds seien.

II. Rechtlicher Rahmen

A. Unionsrecht

3.

Zur Zeit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Ereignisse war der Vertrag von Lissabon noch nicht in Kraft getreten. Dementsprechend ist es, auch wenn sich einige Parteien auf die Bestimmungen des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union berufen haben und diese mit den zuvor bestehenden einschlägigen Bestimmungen identisch sind, gleichwohl notwendig, die Bestimmungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft anzuwenden.

4.

Das Unionsrecht unterscheidet gegenwärtig zwischen zwei Arten von Organismen für gemeinsame Anlagestrukturen: Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) und Organismen und Instrumente gemeinsamer Anlagen, die nicht als OGAW eingestuft werden, insbesondere alternative Investmentfonds (AIF), die von der Richtlinie 2011/61/EU über die Verwalter alternativer Investmentfonds und zur Änderung der Richtlinien 2003/41/EG und 2009/65/EG und der Verordnungen (EG) Nr. 1060/2009 und (EU) Nr. 1095/2010 vom 8. Juni 2011 ( 2 ) (im Folgenden: AIF-Richtlinie) und der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 694/2014 vom 17. Dezember 2013 zur Ergänzung der Richtlinie 2011/61/EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf technische Regulierungsstandards zur Bestimmung der Arten von Verwaltern alternativer Investmentfonds ( 3 ) erfasst werden.

5.

Sowohl die AIF-Richtlinie als auch die Delegierte Verordnung Nr. 694/2014 waren jedoch zur Zeit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Ereignisse nicht anwendbar. Gleichwohl lässt sich anhand der Delegierten Verordnung Nr. 694/2014 der Unterschied zwischen einem geschlossenen und einem offenen Fonds erkennen.

6.

Die Delegierte Verordnung wurde erlassen, um im Interesse einer einheitlichen Anwendung bestimmter Anforderungen der AIF-Richtlinie deren Bestimmungen durch technische Regulierungsstandards zur Bestimmung der Arten von Verwaltern alternativer Investmentfonds (AIFM) zu ergänzen ( 4 ).

7.

Der zweite Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 694/2014 lautet:

„Um die Vorschriften für das Liquiditätsmanagement und die Bewertungsverfahren der [AIF-]Richtlinie … korrekt auf AIFM anzuwenden, sollte zwischen AIFM, die AIF des offenen Typs, AIF des geschlossenen Typs oder beide Typen von AIF verwalten, unterschieden werden.“

8.

Im dritten Erwägungsgrund dieser Verordnung heißt es:

„Die Feststellung, dass ein AIFM offene oder geschlossene AIF verwaltet, sollte anhand der Tatsache vorgenommen werden, dass ein offener AIF seine Anteile vor Beginn der Liquidations- oder Auslaufphase auf Ersuchen eines Anteilseigners nach den Verfahren und mit der Häufigkeit, die in den Vertragsbedingungen oder der Satzung, dem Prospekt oder den Emissionsunterlagen festgelegt sind, von seinen Anlegern zurückkauft oder zurücknimmt …“

9.

Art. 1 Abs. 1 bis 3 dieser Verordnung, der einzige materiell-rechtliche Artikel, lautet:

„(1)   Ein AIFM kann zu einer der folgenden Arten oder zu beiden Arten gehören:

ein AIFM offener AIF;

ein AIFM geschlossener AIF.

(2)   Ein AIFM eines offenen AIF ist ein AIFM, der einen AIF verwaltet, dessen Anteile vor Beginn der Liquidations- oder Auslaufphase auf Ersuchen eines Anteilseigners direkt oder indirekt aus den Vermögenswerten des AIF und nach den Verfahren und mit der Häufigkeit, die in den Vertragsbedingungen oder der Satzung, dem Prospekt oder den Emissionsunterlagen festgelegt sind, zurückgekauft oder zurückgenommen werden.

Eine Kapitalherabsetzung des AIF im Zusammenhang mit Ausschüttungen gemäß den Vertragsbedingungen oder der Satzung des AIF, dem Prospekt oder den Emissionsunterlagen, einschließlich Unterlagen, die durch einen im Einklang mit den Vertragsbedingungen oder der Satzung, dem Prospekt oder den Emissionsunterlagen getroffenen Beschluss der Anteilseigner genehmigt wurden, wird bei der Feststellung, dass es sich bei dem AIF um einen offenen AIF handelt, nicht berücksichtigt.

Die Tatsache, dass die Anteile eines AIF auf dem Sekundärmarkt gehandelt werden können und vom AIF nicht zurückgekauft oder zurückgenommen werden, wird bei der Feststellung, dass es sich um einen offenen AIF handelt, nicht berücksichtigt.

(3)   Der AIFM eines geschlossenen AIF ist ein AIFM, der eine andere als die unter Absatz 2 beschriebene Art von AIF verwaltet.“

B. Italienisches Recht

1.   Decreto Legislativo Nr. 347/1990

10.

Nach dem Decreto Legislativo 31 ottobre 1990, N. 347 relativo alle disposizioni concernenti le imposte ipotecaria e catastale (Gesetzesvertretendes Dekret Nr. 347 vom 31. Oktober 1990 über Regelungen betreffend die Hypotheken- und Katastersteuern, im Folgenden: Decreto Legislativo Nr. 347/1990) unterliegen die formalen Handlungen der Umschreibung, der Eintragung von Hypotheken, der Eintragung von Verlängerungen und Vermerken im Grundbuch der Transkriptionsteuer. Die Bemessungsgrundlage bestimmt sich nach dem Wert der übertragenen oder eingebrachten Immobilie, und der Steuersatz beträgt 1,6 %.

11.

Das Decreto Legislativo Nr. 347/1990 legt außerdem fest, dass der Wechsel des Eigentümers oder des Inhabers eines dinglichen Rechts an einem im Grundbuch eingetragenen Grundstück einer Katastersteuer (imposta catastale) unterliegt. Diese Steuer, deren Steuersatz 0,4% beträgt, ist proportional zum Wert der Immobilie.

2.   Ministerialdekret Nr. 228/1999

12.

Nach dem Decreto ministeriale n. 228, – Regolamento recante norme per la determinazione dei criteri generali cui devono essere uniformati i fondi comuni di investimento (Ministerialdekret Nr. 228 – Regelung zur Festlegung von Regeln zur Bestimmung der allgemeinen Kriterien, die gemeinsame Investmentfonds zu erfüllen haben) vom 24. Mai 1999 ( 5 ) handelt es sich bei Immobilienfonds um Fonds, die ausschließlich oder hauptsächlich in Immobilien, Rechte an Immobilien und Beteiligungen an Immobiliengesellschaften investieren.

3.   Decreto-legge Nr. 223/2006

13.

Art. 35 („Maßnahmen zur Bekämpfung von Betrug und Steuerhinterziehung“) des Decreto-legge n. 223 – Disposizioni urgenti per il rilancio economico e sociale, per il contenimento e la razionalizzazione della spesa pubblica, nonchè interventi in materia di entrate e di contrasto all’evasione fiscale (Gesetzesdekret Nr. 223/2006 über Sofortmaßnahmen für den wirtschaftlichen und sozialen Wiederaufschwung und die Eindämmung und Begrenzung der öffentlichen Ausgaben sowie mit Maßnahmen im Bereich der Steuereinnahmen und zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung) vom 4. Juli 2006 ( 6 ), mit Änderungen umgewandelt in das Gesetz Nr. 248 vom 4. August 2006 (im Folgenden: Decreto-legge Nr. 223/2006), bestimmt in Abs. 10-ter:

„Für Grundbuchumschreibungen und Umschreibungen in Bezug auf die Veräußerung von unbeweglichen Investitionsgütern … – auch wenn diese der Mehrwertsteuer unterliegen –, an denen durch Art. 37 der konsolidierten Fassung der Vorschriften im Bereich der Finanzvermittlung gemäß dem decreto legislativo 24 febbraio 1998, n. 58 (Decreto Legislativo Nr. 58 vom 24. Februar 1998) mit nachfolgenden Änderungen und durch Art. 14-bis der legge 25 gennaio 1994, n. 86 (Gesetz Nr. 86 vom 25. Januar 1994) geregelte geschlossene Immobilienfonds oder Leasing-Unternehmen oder Banken und Finanzvermittler … beteiligt sind, mit Begrenzung auf den Erwerb und den Rückerwerb der zu verleasenden oder verleasten Güter, sind die Hypotheken- und Katastersteuersätze, so, wie sie durch Abs. 10-bis des vorliegenden Artikels geändert wurden, um die Hälfte ermäßigt. Die im vorstehenden Satz genannte Bestimmung gilt ab dem 1. Oktober 2006.“

4.   Decreto Legislativo Nr. 58/1998

14.

Das Decreto Legislativo Nr. 58/1998 – Testo unico delle disposizioni in materia di intermediazione finanziaria, ai sensi degli articoli 8 e 21 della legge 6 febbraio 1996, n. 52 (Gesetzesvertretendes Dekret Nr. 58/1998, Einheitliche Textfassung der gesetzlichen Bestimmungen über die Finanzintermediation, gemäß den Art. 8 und 21 des Gesetzes Nr. 52 vom6. Februar 1996) vom 24. Februar 1998 ( 7 ) in der zum Zeitpunkt der Durchführung der beiden im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Transaktionen geltenden Fassung, bestimmte in seinem Art. 1 („Definitionen“):

„1.   Für die Zwecke dieses Decreto Legislativo gelten die folgenden Definitionen:

k)

‚offener Fonds‘: ein Investmentfonds, dessen Teilnehmer das Recht haben, jederzeit die Rücknahme der Anteile gemäß der Satzung des Fonds zu verlangen;

l)

‚geschlossener Fonds‘: ein Investmentfonds, bei dem das Recht auf Rücknahme der Anteile den Teilnehmern nur innerhalb einer bestimmten Frist gewährt wird …“

15.

Art. 36 („Investmentfonds“) des Decreto Legislativo Nr. 58/1998 bestimmte in seiner zur Zeit der im Ausgangsverfahren maßgebenden Ereignisse geltenden Fassung:

„1.   Der Investmentfonds wird von der Vermögensverwaltungsgesellschaft, die ihn errichtet hat, oder von einer anderen Vermögensverwaltungsgesellschaft verwaltet. Letztere kann sowohl die Fonds, die sie selbst errichtet hat, als auch die von anderen Gesellschaften errichteten Fonds verwalten.

3.   Der Beteiligungsbericht für den gemeinsamen Fonds ist in der Fondssatzung geregelt. Die Banca d’Italia [(italienische Zentralbank)] legt nach Anhörung der CONSOB [(Commissione Nationale per le Società e la Borsa [italienische Börsenaufsichtsbehörde])] neben den Regelungen des Art. 39 die allgemein auf die Abfassung der Satzungsbestimmungen anwendbaren Kriterien sowie deren Mindestinhalt fest.

6.   Jeder Investmentfonds oder jeder Teilfonds desselben bildet einen unabhängigen Vermögenswert, der in rechtlicher Hinsicht von den Vermögenswerten der Vermögensverwaltungsgesellschaft und den Vermögenswerten der einzelnen Teilnehmer sowie von anderen von derselben Gesellschaft verwalteten Vermögenswerten getrennt ist …“

16.

Art. 37 („Struktur der Investmentfonds“) des Decreto Legislativo Nr. 58/1998 lautete in seiner zur Zeit der im Ausgangsverfahren maßgebenden Ereignisse geltenden Fassung:

„1.   Der Minister für Staatsfinanzen, Haushalt und Wirtschaftsplanung legt durch eine Verordnung, die nach Anhörung der Banca d’Italia [(italienische Zentralbank)] und der Börsenaufsichtsbehörde erlassen wird, die allgemeinen Kriterien fest, die Investmentfonds erfüllen müssen, und zwar im Hinblick auf:

a)

den Zweck der Anlage;

b)

die Kategorien von Anlegern, denen Anteile angeboten werden;

c)

die Bedingungen für die Teilnahme an offenen und geschlossenen Fonds, insbesondere die Häufigkeit der Ausgabe und Rücknahme von Anteilen, den gegebenenfalls geltenden Mindestbetrag der Zeichnung sowie das anwendbare Verfahren;

d)

die gegebenenfalls anwendbare Mindest- und Höchstlaufzeit;

d-bis)

die Bedingungen und Modalitäten für den Erwerb oder die Einbringung von Sacheinlagen zum Zeitpunkt der Errichtung des Fonds und danach, im Hinblick auf Fonds, die ausschließlich oder überwiegend in Immobilien, dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen und in Beteiligungen an Immobiliengesellschaften investieren.

2-bis.   Mit der Verordnung gemäß Abs. 1 wird auch festgelegt, zu welchen Angelegenheiten die Teilnehmer an geschlossenen Fonds sich versammeln, um Beschlüsse zu fassen, die für die Vermögensverwaltungsgesellschaft verbindlich sind. Die Versammlung entscheidet auf jeden Fall über den Wechsel der Vermögensverwaltungsgesellschaft, über den Antrag auf Zulassung zur Börsennotierung, sofern diese nicht vorgesehen ist, sowie über Änderungen der Verwaltungsrichtlinien …“

17.

Art. 39 „Fondssatzung“ des Decreto Legislativo Nr. 58/1998 sah in seiner zur Zeit der im Ausgangsverfahren maßgebenden Ereignisse geltenden Fassung vor:

„1.   Die Satzung eines jeden Investmentfonds legt dessen Merkmale fest, regelt seine Funktionsweise, bestimmt die Trägergesellschaft, den Verwalter, wenn es sich nicht um die Trägergesellschaft handelt, sowie die Depotbank, legt die Verteilung der Aufgaben zwischen diesen Akteuren fest und regelt die zwischen ihnen und den Fondsteilnehmern bestehenden Beziehungen.

2.   Die Satzung regelt insbesondere:

a)

Name und Laufzeit des Fonds;

b)

die Bedingungen für die Teilnahme am Fonds, die Bedingungen und Modalitäten für die Ausgabe und Kündigung der Zertifikate sowie für die Zeichnung und Rücknahme von Anteilen sowie für die Liquidation des Fonds;

c)

die für die Auswahl der Anlagen zuständigen Organe und die Kriterien für die Zuteilung dieser Anlagen;

d)

die Arten von Gütern, Finanzinstrumenten und anderen Vermögenswerten, in die das Fondsvermögen investiert werden kann;

…“

III. Sachverhalt des Ausgangsverfahrens und Vorabentscheidungsersuchen

18.

UBS Real Estate ist eine Fondsverwaltungsgesellschaft mit Hauptsitz in Deutschland und einer Niederlassung in Italien. Sie verwaltet das Vermögen zweier nach deutschem Recht errichteter Immobilienfonds, und zwar des „UBS (D) 3 Sector Real Estate Europe“, der sich in Liquidation befindet (ehemals „UBS[D] 3 Kontinente Immobilien“), und des „UBS (D) Euroinvest Immobilien Real Estate Investment Fund“ (im Folgenden: UBS Fonds) ( 8 ).

19.

Am 4. Oktober 2006 erwarb UBS Real Estate im Namen der UBS Fonds zwei in San Donato Milanese, Italien, gelegene Geschäftsgebäude. Bei der Eintragung des Erwerbs der beiden Grundstücke zahlte UBS Real Estate die Hypothekensteuer (3 %) und die Katastersteuer (1 %) an die italienische Finanzverwaltung in Höhe von insgesamt 802400,00 Euro für das eine und von 820900,00 Euro für das andere Grundstück.

20.

Zu einem späteren Zeitpunkt erfuhr UBS Real Estate, dass das Decreto-legge Nr. 223/2006 am 1. Oktober 2006 in Kraft getreten war. Dieses Decreto-legge sieht beim Erwerb von Immobilien für geschlossene Immobilienfonds im Sinne von Art. 37 des Decreto Legislativo Nr. 58/1998 die Reduzierung der Hypotheken- und Katastersteuer um die Hälfte vor.

21.

UBS Real Estate stellte bei der italienischen Finanzverwaltung zwei Anträge auf Erstattung angeblich in beiden Fällen zu viel gezahlter Steuern für die Umschreibung der beiden Grundstücke und machte geltend, dass offene Immobilienfonds wie die beiden in Rede stehenden gleichfalls das Recht auf Inanspruchnahme der Bestimmungen des Decreto-legge Nr. 223/2006 haben sollten.

22.

Die italienische Finanzverwaltung erließ allerdings keine ausdrückliche Entscheidung über die beiden von UBS Real Estate gestellten Anträge. Dieses Unterlassen führte nach italienischem Recht jedoch zu einer stillschweigenden Ablehnung („silenzio-rifiuto“) der Anträge.

23.

UBS Real Estate erhob daraufhin zwei Klagen gegen diese beiden stillschweigenden Ablehnungen bei der Commissione Tributaria Provinciale di Milano (Finanzgericht der Provinz Mailand, Italien). Diese Klagen wurden mit der Begründung abgewiesen, dass der italienische Gesetzgeber die durch das Decreto-legge Nr. 223/2006 vorgesehene Vergünstigung der Steuerermäßigung ausdrücklich allein auf die Kategorie des geschlossenen Immobilienfonds beschränkt habe.

24.

UBS Real Estate legte gegen beide Urteile des Finanzgerichts Berufung bei der Commissione Tributaria Regionale per la Lombardia (Finanzgericht der Region Lombardei, Italien) ein.

25.

Diese Berufungen wurden durch zwei Urteile der Commissione Tributaria Regionale per la Lombardia (Finanzgericht der Region Lombardei) vom 3. April 2012 mit der Begründung zurückgewiesen, dass angesichts der zahlreichen Unterschiede zwischen den beiden Arten von Immobilienfonds (dem geschlossenen Fonds italienischen Rechts und dem offenen Fonds deutschen Rechts) weder ein Verstoß gegen Unionsrecht wegen Ungleichbehandlung gegeben sei (da unterschiedliche Sachverhalte steuerlich unterschiedlich geregelt werden könnten) noch ein Verstoß gegen Art. 25 des Abkommens zwischen Italien und Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vorliege (da keine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit erkennbar sei).

26.

UBS Real Estate legte sodann gegen diese Entscheidungen zu bestimmten Rechtsfragen zwei Kassationsbeschwerden bei der Corte suprema di cassazione (Kassationsgerichtshof) ein. Mit diesen Kassationsbeschwerden stellte UBS Real Estate u. a. die Vereinbarkeit von Art. 35 Abs. 10-ter des Decreto-legge Nr. 223/2006 mit den Art. 18, 49 und 63 AEUV in Frage. Die Steuerbehörde trat diesen Kassationsbeschwerden entgegen und legte eine Anschlusskassationsbeschwerde ein.

27.

UBS Real Estate stützt ihre Kassationsbeschwerden u. a. darauf, dass die Commissione Tributaria Regionale per la Lombardia (Finanzgericht der Region Lombardei) durch ihre Entscheidung, wonach die unterschiedliche steuerliche Behandlung von geschlossenen Investmentfonds und offenen Investmentfonds durch unterschiedliche Sachverhalte gerechtfertigt sei, gegen Art. 49 AEUV verstoßen habe, da diese Unterschiede angesichts des verwendeten Kriteriums und der Art. 35 Abs. 10-ter des Decreto-legge Nr. 223/2006 zugrunde liegenden ratio irrelevant seien.

28.

Die Corte suprema di cassazione (Kassationsgerichtshof) geht davon aus, dass es in den beiden Rechtssachen im Wesentlichen um die Frage gehe, ob die Unterschiede zwischen geschlossenen Investmentfonds italienischen Rechts und offenen Investmentfonds nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats eine unterschiedliche steuerliche Behandlung rechtfertigen können.

29.

Sie weist insoweit darauf hin, dass das italienische Steuerrecht in Bezug auf Immobilienfonds in den letzten Jahren zahlreiche Änderungen erfahren habe, um die Entwicklung geschlossener Fonds zu fördern und gleichzeitig sicherzustellen, dass diese nicht zur Umgehung der Rechtsvorschriften genutzt würden.

30.

Speziell zu Art. 35 Abs. 10-ter des Decreto-legge Nr. 223/2006 hat die Corte suprema di cassazione (Kassationsgerichtshof) angegeben, dass die Beschränkung der Steuervergünstigung gemäß dieser Bestimmung auf geschlossene Fonds vor allem schlicht darauf abziele, die Entwicklung von Immobilienfonds, denen keine hoch spekulativen und unsicheren Absichten zugrunde lägen, zu fördern und die Systemrisiken für den Immobilienmarkt im Fall einer Krise zu begrenzen. Im Fall einer Krise auf dem Immobilienmarkt würden Personen, die in solche Investmentfonds investiert hätten, nämlich in der Regel die vorzeitige Rücknahme ihrer Anteile verlangen, was dazu führen würde, dass die Liquidationspolster solcher Fonds aufgezehrt würden. Letztere wären somit gezwungen, einen Teil des vorhandenen Immobilienbestands unter seinem normalen Wert zu verkaufen, um diese Rücknahmeforderungen zu erfüllen, was die Krise weiter verschärfen würde. Aus diesem Grund sei es vorzugswürdig, Anleger zum Erwerb von Anteilen geschlossener statt solcher offener Fonds zu motivieren.

31.

In diesem Zusammenhang hat die Corte suprema di cassazione (Kassationsgerichtshof) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof in der jeweiligen Rechtssache eine in beiden Fällen gleichlautende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Stehen das Gemeinschaftsrecht – und insbesondere die Bestimmungen des Vertrags betreffend die Niederlassungsfreiheit und den freien Kapitalverkehr in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof – der Anwendung einer nationalen Rechtsvorschrift wie der des Art. 35 Abs. 10-ter des Decreto-legge Nr. 223/2006 (soweit dieser Erleichterungen bei Hypotheken- und Katastersteuern auf geschlossene Immobilienfonds beschränkt) entgegen?

32.

Im Lauf des Verfahrens hat der Gerichtshof Fragen zur schriftlichen Beantwortung an die italienische Regierung und UBS Real Estate gerichtet. UBS Real Estate hat diese Fragen beantwortet, die italienische Regierung hingegen nicht, so dass bestimmte Aspekte der italienischen Rechtsvorschriften noch der weiteren Klärung bedürfen.

IV. Würdigung

33.

Einleitend sei darauf hingewiesen, dass erstens der Gerichtshof gemäß Art. 267 AEUV im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens lediglich befugt ist, über die Auslegung der Verträge oder über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union zu entscheiden, nicht jedoch über die zutreffende Auslegung nationaler Rechtsvorschriften oder die Vereinbarkeit von Bestimmungen des nationalen Rechts mit dem Unionsrecht oder über die Richtigkeit aller in der Akte enthaltenen tatsächlichen Angaben ( 9 ).

34.

Hieraus folgt, dass der Gerichtshof zum einen nicht befugt ist, über die Auslegung einer von Mitgliedstaaten geschlossenen internationalen Übereinkunft wie des bestehenden Abkommens zwischen Italien und Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zu entscheiden. Zum anderen gibt der Gerichtshof in einem Vorabentscheidungsverfahren (anders als in einem Vertragsverletzungsverfahren) die Antwort stets auf der Grundlage des ihm vom nationalen Gericht vorgetragenen Sachverhalts. Es ist ausschließlich Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob die übermittelten tatsächlichen Angaben korrekt sind, und mithin, ob die Prämisse, auf der die gestellte Frage beruht, dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Sachverhalt entspricht, insbesondere was die mit der fraglichen Regelung verfolgten Ziele betrifft ( 10 ).

35.

Der Gerichtshof kann zwar die bestehenden bilateralen Abkommen zwischen zwei Mitgliedstaaten als Teil des rechtlichen Rahmens berücksichtigen, um die vom vorlegenden Gericht in seiner Frage in den Blick genommene Situation zu umschreiben und somit das Unionsrecht in einer für das nationale Gericht sachdienlichen Weise auszulegen, solange er nicht über die daraus folgende konkrete Auslegung entscheidet ( 11 ).

36.

Im vorliegenden Fall ist jedoch weder ersichtlich, dass das bestehende Steuerabkommen zwischen Italien und Deutschland die angefochtenen Entscheidungen rechtfertigt, noch nimmt das nationale Gericht in seinen beiden Fragen auf dieses Abkommen Bezug. Unter diesen Umständen sehe ich keinen Grund, es für die Beantwortung der gestellten Fragen zu berücksichtigen.

37.

Zweitens bedarf es, da sich das nationale Gericht auf verschiedene Verkehrsfreiheiten bezieht, zunächst der Feststellung, auf welche dieser Freiheiten es ankommt.

A. Feststellung der einschlägigen Bestimmungen des Vertrags

38.

Da das nationale Gericht in seiner Frage sowohl die Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 43 EG als auch den freien Kapitalverkehr gemäß Art. 56 EG erwähnt, ist zunächst festzustellen, ob die im Ausgangsverfahren streitige nationale Maßnahme unter die Niederlassungsfreiheit oder unter den freien Kapitalverkehr oder in den Anwendungsbereich beider Bestimmungen fällt.

39.

Bei der Feststellung, ob eine innerstaatliche Maßnahme unter eine oder mehrere Freiheiten fällt, ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs auf den Gegenstand der betreffenden Regelung abzustellen ( 12 ).

40.

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Niederlassungsfreiheit als eine Freiheit definiert werden kann, eine Gesellschaft unter denselben Bedingungen in einem anderen Mitgliedstaat als dem Herkunftsstaat zu errichten oder in diesen zu verlegen, wie sie für die in diesem Staat ansässigen Personen gelten ( 13 ). Diese Freiheit setzt somit voraus, dass der Wirtschaftsteilnehmer seine wirtschaftliche Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung im Aufnahmemitgliedstaat auf unbestimmte Zeit tatsächlich ausüben will ( 14 ). So können sich beispielsweise in einem Rechtsstreit über ein Gebäude diejenigen, die dieses Gebäude erwerben, auf die Niederlassungsfreiheit berufen, wenn sie beabsichtigen, in diesem Gebäude eine wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben ( 15 ).

41.

Auch wenn der EG-Vertrag den Begriff „Kapitalverkehr“ nicht definiert hat – ebenso wenig wie jetzt der AEUV – ist es dennoch ständige Rechtsprechung, dass der Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages ( 16 ) in Verbindung mit der Nomenklatur und den ihr beigefügten Begriffsbestimmungen in dieser Hinsicht Hinweischarakter zukommt ( 17 ). Gemäß den Begriffsbestimmungen zur Richtlinie 88/361 gehört zum grenzüberschreitenden Kapitalverkehr u. a. der „Kauf von bebauten und unbebauten Grundstücken sowie der Bau von Gebäuden zu Erwerbszwecken oder persönlichen Zwecken durch Privatpersonen“. Denn das Recht, im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats Immobilien zu erwerben, zu nutzen und zu veräußern, führt bei seiner Ausübung notwendigerweise zu Kapitalbewegungen.

42.

Daraus folgt, dass eine innerstaatliche Maßnahme, die den Grundstückserwerb durch Gebietsfremde auf dem Gebiet eines Mitgliedstaats regelt, sich fast zwangsläufig sowohl auf die Niederlassungsfreiheit als auch auf den freien Kapitalverkehr auswirkt ( 18 ).

43.

Nach ständiger Rechtsprechung liegt die Rechtfertigung eines Vorabentscheidungsersuchens jedoch nicht in der Abgabe von Gutachten zu allgemeinen oder hypothetischen Fragen, sondern darin, dass das Ersuchen für die tatsächliche Entscheidung eines Rechtsstreits erforderlich ist ( 19 ). Um somit eine Entscheidung darüber zu treffen, auf welche Freiheit für die Beantwortung der Vorlagefrage Bezug genommen werden soll, ist daher die Konstellation des im Ausgangsverfahren anhängigen Rechtsstreits zu berücksichtigen. Denn die Tatsache, dass eine nationale Maßnahme in zwei Freiheiten eingreifen kann, bedeutet nicht unbedingt, dass sich der Kläger des Ausgangsrechtsstreits auf diese beiden Freiheiten berufen kann. Kann eine innerstaatliche Maßnahme unter zwei Freiheiten fallen, sollte sie nur im Hinblick auf eine dieser beiden Freiheiten geprüft werden, falls sich nach den Gegebenheiten des Falles der Kläger lediglich auf eine Freiheit berufen kann ( 20 ).

44.

Im vorliegenden Fall geht aus den Akten hervor, dass die beiden Fonds, die die beiden in Rede stehenden Gewerbekomplexe erwarben, dies eher in Form einer passiven Anlage als deshalb taten, eine Geschäftstätigkeit zu beginnen oder das fragliche Grundstück in sonstiger Weise zu nutzen. Folglich machten die Fonds im Ausgangsverfahren nicht von ihrer Niederlassungsfreiheit, sondern lediglich von der Kapitalverkehrsfreiheit Gebrauch ( 21 ). Folglich ist, wie die Kommission ausgeführt hat, die geltend gemachte unterschiedliche Behandlung allein unter dem Gesichtspunkt des freien Kapitalverkehrs zu prüfen.

45.

Eine der mit dem Binnenmarkt in Zusammenhang stehenden Freiheiten kann jedoch nur Anwendung finden, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind: Erstens muss der im Ausgangsverfahren in Frage stehende Sachverhalt über die Grenzen eines Staates hinausweisen ( 22 ); zweitens darf der Rechtsbereich, auf den sich die innerstaatliche Maßnahme, deren Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht in Frage gestellt wurde, noch nicht vollständig harmonisiert sein ( 23 ).

46.

Die erste Voraussetzung ist im vorliegenden Fall eindeutig erfüllt, da die Kassationsbeschwerdeführerin für zwei nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats errichtete Fonds handelt. Was die zweite Voraussetzung betrifft – d. h. die Feststellung, ob der Rechtsbereich, in den die im Ausgangsverfahren streitige Maßnahme fällt, auf Unionsebene vollständig harmonisiert ist –, ist nicht auf die von der Kassationsbeschwerdeführerin ausgeübte Tätigkeit abzustellen, sondern vielmehr auf die Art und Wirkung dieser Maßnahme.

47.

Hierzu ist festzustellen, dass diese Maßnahme, da Art. 35 des Decreto-legge Nr. 223/2006 auf Grundstücksübertragungen und Veräußerungen im Rahmen einer Geschäftstätigkeit Anwendung findet und hierfür Steuervorteile begründen soll, eine dem Immobiliensteuerrecht zuzuordnende Maßnahme ist. Es ist klar, dass das Unionsrecht die auf Grundstücksübertragungen anwendbaren steuerrechtlichen Vorschriften nicht harmonisiert hat, auch nicht dort, wo solche Übertragungen, wie im vorliegenden Rechtsstreit, von einem „geschlossenen“ Immobilienfonds vorgenommen werden.

48.

Unter diesen Umständen schlage ich vor, die streitigen nationalen Rechtsvorschriften im Licht des freien Kapitalverkehrs gemäß Art. 56 EG (jetzt Art. 63 AEUV) zu prüfen.

B. Vorliegen einer Beschränkung

1.   Zur vorzunehmenden Prüfung

49.

Zunächst sei daran erinnert, dass die direkte Besteuerung nach wie vor in erster Linie Sache der Mitgliedstaaten ist, denen es freisteht, das System der Besteuerung festzulegen, das sie für das geeignetste halten. Es liegt an ihnen, den Umfang ihrer Steuerhoheit sowie die Grundprinzipien ihres Steuersystems festzulegen. Beim gegenwärtigen Stand der Harmonisierung des nationalen Steuerrechts steht es ihnen dementsprechend frei, das Steuersystem zu errichten, das sie für das geeignetste halten ( 24 ).

50.

In diesem Zusammenhang können diese Verkehrsfreiheiten nicht so verstanden werden, dass ein Mitgliedstaat verpflichtet wäre, seine steuerrechtlichen Vorschriften mit denjenigen anderer Mitgliedstaaten in Einklang zu bringen, um sicherzustellen, dass Ungleichheiten unter allen Umständen beseitigt werden ( 25 ). Dementsprechend sollten die Nachteile, die sich aus einem Nebeneinander hoheitlicher Steuerzuständigkeiten der Mitgliedstaaten ergeben können, für sich betrachtet nicht als Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs angesehen werden ( 26 ). Denn wäre dies der Fall, wäre die Befugnis der Mitgliedstaaten, Steuern zu erheben, in unangemessener Weise beeinträchtigt. Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass Quasibeschränkungen, die durch das Nebeneinander zweier Steuersysteme entstehen, nicht in den Anwendungsbereich des Vertrags fallen ( 27 ).

51.

Die Mitgliedstaaten müssen jedoch ihre Zuständigkeit auf dem Gebiet des Steuerrechts so ausüben, dass sie mit der Freizügigkeit in Einklang steht, was bedeutet, dass sie im Jahr 2006 keine der nach Art. 56 Abs. 1 EG (jetzt Art. 63 Abs. 1 AEUV) verbotenen Maßnahmen ergreifen durften ( 28 ).

52.

In Besteuerungssachen verfolgt der Gerichtshof im Allgemeinen einen restriktiveren Ansatz als bei anderen Streitgegenständen. Während er nämlich in diesen anderen Sachen eine Beschränkung bereits feststellt, sobald die in Rede stehenden nationalen steuerrechtlichen Vorschriften lediglich eine Abschreckung bewirken, grenzüberschreitend tätig zu werden, ist darauf hinzuweisen, dass der bloße Umstand, dass eine Tätigkeit oder Transaktion einer besonderen Steuer unterworfen wird, diese zwangsläufig weniger attraktiv macht. Um deshalb die Ausübung der Befugnis der Mitgliedstaaten, Steuern zu erheben, nicht übermäßig zu erschweren, geht der Gerichtshof daher im Grundsatz davon aus, dass eine solche steuerliche Maßnahme, um als Beschränkung in diesem Sinne gelten zu können, eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung zum Nachteil des grenzüberschreitenden Anlegers enthalten muss ( 29 ). Dementsprechend verlangt der Gerichtshof grundsätzlich, damit eine Maßnahme für mit dem Unionsrecht für unvereinbar erklärt werden kann, dass eine Vergleichbarkeitsprüfung durchgeführt worden ist ( 30 ).

53.

Im Allgemeinen ist eine Maßnahme dann als diskriminierend anzusehen, wenn sie bezweckt oder bewirkt, dass vergleichbare Situationen unterschiedlich oder umgekehrt unterschiedliche Situationen gleich behandelt werden ( 31 ).

54.

In Anbetracht der Tatsache, dass die Verkehrsfreiheiten der Vollendung des Binnenmarkts dienen sollen, verwendete der Gerichtshof ursprünglich eine spezifische Definition in diesem Bereich. Wenn nämlich der Vertrag die Verwendung eines bestimmten Kriteriums verbietet, liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person bei Anwendung dieses Kriteriums ausdrücklich eine weniger günstige Behandlung erfährt. Eine mittelbare Diskriminierung liegt hingegen vor, wenn das angewandte Kriterium bei vordergründiger Betrachtung zwar neutral zu sein scheint, tatsächlich jedoch Personen, die das Kriterium erfüllen, gegenüber anderen benachteiligt ( 32 ). Dementsprechend vertrat der Gerichtshof im Zusammenhang mit der Ausübung der Verkehrsfreiheiten, einschließlich des freien Kapitalverkehrs, die Auffassung, dass eine unmittelbare Diskriminierung vorliege, wenn eine Maßnahme nach der Staatsangehörigkeit unterscheidet, und eine mittelbare Diskriminierung entstehe, wenn eine Maßnahme, auch wenn sie an ein anderes Kriterium wie beispielsweise den Wohnsitz anknüpft, tatsächlich zu dem gleichen Ergebnis führt ( 33 ).

55.

Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof nun schon seit fast einem Jahrzehnt sehr häufig (wenn auch nicht immer) ( 34 ) auf die – oben in Nr. 53 der vorliegenden Schlussanträge wiedergegebene – allgemeine Definition des Begriffs der Diskriminierung zurückgegriffen hat, die eine Reihe möglicher Fragen aufwirft.

56.

Erstens liegt es nahe, darauf hinzuweisen, dass dieser eher allgemeine Ansatz zu dem paradoxen Ergebnis führen kann, dass sich keine Diskriminierung feststellen lässt, auch wenn eine Rechtsvorschrift ein eindeutig diskriminierendes Ziel verfolgt, da die fraglichen Situationen angesichts dieses Ziels als unterschiedlich anzusehen wären.

57.

Zweitens scheint dieser Ansatz nicht ganz mit demjenigen übereinzustimmen, der ebenfalls in einigen der genannten Urteile verfolgt wird und der darin besteht, die Frage der Vergleichbarkeit der Situationen auf der Ebene der Rechtfertigung zu prüfen, während die Vergleichbarkeit der in Rede stehenden Situation nach der allgemeinen Definition des Begriffs „Diskriminierung“ Teil der Definition des Diskriminierungsbegriffs selbst ist ( 35 ).

58.

Drittens ist es, soweit die Vergleichbarkeit im Hinblick auf die mit der in Frage stehenden Regelung verfolgten Ziele zu bestimmen ist, folgerichtig, zunächst zu prüfen, ob das konkret verfolgte Ziel zulässig ist, bevor man mit dem Vergleich fortfährt. In dieser Situation könnte sich die Frage stellen, was dann auf der Ebene der Rechtfertigung noch zu prüfen verbleibt.

59.

Ich bin der Meinung, dass, unabhängig vom gewählten Ansatz, im Fall einer unmittelbaren Diskriminierung, also einer Diskriminierung aufgrund des verfolgten Ziels, im Allgemeinen nicht geprüft zu werden braucht, ob die in Rede stehenden Situationen unbedingt vergleichbar sind.

60.

Was die Phase betrifft, in der der Vergleich durchgeführt werden sollte, ist festzustellen, dass die Rechtsprechung hier nicht immer deutlich zwischen den verschiedenen Ebenen der Prüfung unterscheidet (d. h., ob die Maßnahme eine Beschränkung darstellt und ob sie gegebenenfalls objektiv gerechtfertigt ist), sondern vielmehr ganz allgemein prüft, ob die Maßnahme gegen die Verträge verstößt ( 36 ). Jedenfalls ist es, auch wenn einige dies für methodisch unbefriedigend halten mögen, im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens, praktisch ohne Auswirkung, auf welcher Stufe die Vergleichbarkeit geprüft wird, vorausgesetzt natürlich, dass eine solche Prüfung überhaupt stattfindet ( 37 ).

61.

Was schließlich die Ziele betrifft, die im Rahmen der Prüfung der Vergleichbarkeit bzw. der Rechtfertigung zu berücksichtigen sind, so lassen sich etwaige Zweifel in dieser Hinsicht meines Erachtens ohne Weiteres ausräumen. Worauf es für den Vergleich ankommt, ist das mit dem in Frage stehenden Steuervorteil oder -nachteil verfolgte Ziel, während es im Rahmen der Prüfung möglicher Rechtfertigungsgründe auf die mit dieser Maßnahme konkret verfolgten Ziele ankommt, dem die Anwendung des Kriteriums, das zu der Anwendung oder je nach Lage zur Ablehnung der Anwendung dieser Maßnahme auf den grenzüberschreitenden Sachverhalt oder den betreffenden Vorgang geführt hat, dient ( 38 ).

62.

In diesem Zusammenhang ist meines Erachtens bei der Prüfung der Vergleichbarkeit der Situationen – ganz gleich, ob sie nun als eine Voraussetzung der Definition des Begriffs „Beschränkung“ oder der der Rechtfertigung anzusehen ist – zu berücksichtigen, dass das Vergleichskriterium, das bei der Feststellung heranzuziehen ist, ob die aus einer solchen Regelung folgende Ungleichbehandlung einen objektiven Unterschied in den gegebenen Situationen widerspiegelt, von den mit der betreffenden Regelung verfolgten Zielen abhängt ( 39 ).

63.

In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass die bloße Tatsache, dass einer Gesellschaft ausländischen Rechts mit einer dem Aufnahmestaat unbekannten Gesellschaftsform eine bestimmte, für andere Unternehmensformen vorgesehene Steuervergünstigung verwehrt wird, für sich genommen nicht ausreicht, um festzustellen, dass die betreffende Regelung zu einer nicht gerechtfertigten Beschränkung des freien Kapitalverkehrs führt. Eine solche Regelung könnte nämlich absolut mit einer anderen Entscheidung dieses Mitgliedstaats in Einklang stehen, und zwar die ausgeschütteten Gewinne anknüpfend an die Rechtsform des ausschüttenden Unternehmens und nicht etwa an die Art der ausgeübten Tätigkeit zu besteuern ( 40 ). Wie ich beispielsweise in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache E (Von UCITS gezahlte Einkünfte) (C‑480/19, EU:C:2020:942) erläutert habe, ist es absolut sinnvoll, wenn ein Mitgliedstaat die Steuervorschriften über die Dividendenbesteuerung auf von Fonds mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgeschüttete Einkünfte anwendet, auch wenn der betreffende Mitgliedstaat hinsichtlich seiner eigenen Fonds eine Konstituierung in dieser Form nicht vorsieht.

64.

Es wäre jedoch verkehrt, die Gefahr einer mittelbaren Diskriminierung selbst dann auszuschließen, wenn das betreffende Kriterium von bestimmten ausländischen Unternehmen erfüllt werden kann. Führt nämlich ein angewandtes Kriterium dazu, ausländische Unternehmen nur teilweise auszuschließen – z. B. diejenigen mit einer bestimmten Gesellschaftsform –, kann umgekehrt der Umstand, dass wahrscheinlich nur ausländische Gesellschaften die für die Inanspruchnahme einer Steuervergünstigung erforderliche(n) Voraussetzung(en) nicht erfüllen, gleichwohl Zweifel an der wahren Absicht des nationalen Gesetzgebers aufkommen lassen ( 41 ).

65.

Bei einer derartigen Lage ist es daher besonders wichtig, die Vergleichbarkeit der jeweiligen Situation der ausländischen Unternehmen zu prüfen, um zu beurteilen, ob die Auswahl dieses Kriteriums mit Sinn und Zweck des nationalen Rechts in Einklang steht, und mithin, ob die Tatsache, dass wahrscheinlich nur ausländische Unternehmen dieses Kriterium nicht erfüllen werden, lediglich die Folge der Entscheidung des Mitgliedstaats ist, diese bestimmte Rechtsform nicht vorgesehen zu haben, oder vielmehr ein indirektes Mittel zur Begünstigung inländischer Unternehmen darstellt.

66.

Schließlich sei daran erinnert, dass eine unterschiedliche Behandlung mit dem Unionsrecht vereinbar sein kann, wenn sie im Fall einer unmittelbaren Diskriminierung durch einen der in den Verträgen ausdrücklich vorgesehenen Gründe ( 42 ) oder im Fall einer mittelbaren Diskriminierung aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist, vorausgesetzt, die Maßnahme des nationalen Rechts ist geeignet, die Erreichung des fraglichen Ziels zu gewährleisten, und geht nicht über das hinaus, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist ( 43 ).

67.

Angesichts der vorstehenden Erwägungen schlage ich vor, die vom vorlegenden Gericht gestellte Frage zu beantworten.

2.   Anwendung auf den vorliegenden Rechtsstreit

68.

Vorab sei darauf hingewiesen, dass Art. 35 Abs. 10-ter des Decreto-legge Nr. 223/2006 die Gewährung der Ermäßigung des Steuersatzes für die Hypotheken- und Katastersteuern an zwei besondere Voraussetzungen knüpft, nämlich erstens, dass es sich bei der Kassationsbeschwerdeführerin um einen geschlossenen Immobilienfonds handelt, und zweitens, dass dieser unter Art. 37 des Decreto Legislativo Nr. 58/1998 fällt.

69.

Obwohl sich die Frage des vorlegenden Gerichts in der vorliegenden Rechtssache nur auf die erste Voraussetzung bezieht, erlaube ich mir, einige Bemerkungen zur zweiten Voraussetzung zu machen. Stets eingedenk der Tatsache, dass, wie ich festgestellt habe, die Auslegung der nationalen Rechtsvorschriften letztlich Sache des vorlegenden Gerichts ist, weise ich darauf hin, dass diese beiden Voraussetzungen, da sie sich unterscheiden, jeweils für sich geltend gemacht werden können, um die Ablehnung der Anwendung der Ermäßigung der Steuersätze um die Hälfte für die beiden in Rede stehenden Immobilienfonds zu rechtfertigen.

a)   Zur zweiten in Art. 35 Abs. 10-ter des Decreto-legge Nr. 223/2006 enthaltenen Voraussetzung

70.

Die Kassationsbeschwerdeführerin macht geltend, dass die zweite Voraussetzung eine unmittelbare Diskriminierung zur Folge habe, soweit Art. 37 des Decreto Legislativo Nr. 58/1998 lediglich auf Fonds italienischen Rechts Anwendung finde.

71.

Auch wenn sich aus den Angaben des vorlegenden Gerichts der tatsächliche Anwendungsbereich von Art. 37 des Decreto Legislativo Nr. 58/1998 zur Zeit der maßgebenden Ereignisse nicht eindeutig erkennen lässt ( 44 ), ist zu betonen, dass dann, wenn ihnen zu entnehmen sein sollte, dass diese Bestimmung entweder nur auf Fonds italienischen Rechts (für die satzungsgemäß errichteten) oder auf Fonds, deren Vertrag italienischem Recht unterliegt (für diejenigen in vertraglicher Form) oder deren Verwaltungsgesellschaft ihren Sitz in Italien hat, Anwendung findet, die zweite Voraussetzung eine unmittelbare Diskriminierung darstellen würde. Unter diesen Umständen wäre die Verweisung in Art. 35 Abs. 10-ter des Decreto-legge Nr. 223/2006 auf Art. 37 des Decreto Legislativo Nr. 58/1998 nämlich genau dasselbe, als legte man für die Anwendung von Art. 35 Abs. 10-ter dieses Decreto-legge ein Kriterium der „Staatsangehörigkeit“ des Fonds fest ( 45 ).

72.

Wie bereits dargelegt, kann eine unmittelbare Diskriminierung nur aus einem der in den Verträgen ausdrücklich geregelten Gründe gerechtfertigt werden, die im Zusammenhang mit dem freien Kapitalverkehr im Wesentlichen in Art. 58 Abs. 1 Buchst. b EG (jetzt Art 65 Abs. 1 Buchst. b AEUV) vorgesehen sind, und zwar die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ( 46 ), die die Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerbetrug sowie die Notwendigkeit der Vermeidung durch nichts zu rechtfertigender Steuervorteile einschließt.

73.

Sollte sich deshalb herausstellen, dass Art. 37 des Decreto Legislativo Nr. 58/1998 ausschließlich auf Fonds Anwendung findet, die italienischem Recht unterliegen oder von Verwaltungsgesellschaften italienischen Rechts verwaltet werden, lässt sich schwer erkennen, wie einer dieser Gründe als gegeben anzusehen wäre, da die Gefahr der Steuervermeidung im Hinblick auf die Art der beiden in Rede stehenden Steuern ungeachtet der „Staatsangehörigkeit“ der betreffenden Fonds ebenso groß zu sein scheint. Selbst wenn mit diesem Kriterium der (nachstehend im Einzelnen erörterte) im Interesse der öffentlichen Ordnung liegende Grund der Begünstigung „geschlossener“ Immobilienfonds zur Vermeidung von Systemrisiken verfolgt würde, hat es den Anschein, dass dieses Risiko unabhängig von der „Staatsangehörigkeit“ des Fonds ebenso groß bliebe.

b)   Zur ersten in Art. 35 Abs. 10-ter des Decreto-legge Nr. 223/2006 enthaltenen Voraussetzung

1) Zum Vorliegen einer Beschränkung

74.

In Bezug auf die erste Voraussetzung ist festzustellen, dass keine unmittelbare Diskriminierung vorliegt, da sie nicht unmittelbar an das auf die Fonds anwendbare Recht anknüpft.

75.

Im Hinblick auf die Frage des möglichen Vorliegens einer mittelbaren Diskriminierung ist zu prüfen, ob das verwendete Kriterium – nämlich, ob ein bestimmter Immobilienfonds „geschlossen“ ist oder nicht – ein Kriterium ist, das zwar auf den ersten Blick neutral ist, in der Praxis jedoch ausländischem Recht unterliegende Fonds steuerlich benachteiligt. Hierfür ist erforderlich, dass dieses Kriterium dazu führt, ausländischem Recht unterliegende Fonds auch dann weniger günstig zu behandeln, wenn diese sich, aus Sicht der mit der in Rede stehenden steuerlichen Maßnahme verfolgten Ziele, in einer mit der von nach innerstaatlichem Recht errichteten Fonds identischen Situation befinden. Insoweit kann, wie oben dargelegt, von einer mittelbaren Diskriminierung ausgegangen werden, wenn es lediglich ausländischem Recht unterliegende Unternehmen sind, die das verwendete Kriterium wahrscheinlich nicht erfüllen werden ( 47 ).

76.

Im vorliegenden Fall sind zwar sowohl offene als auch geschlossene Fonds beim Erwerb eines Grundstücks den in Rede stehenden Steuern unterworfen, doch legt die erste Voraussetzung fest, dass nur die Letztgenannten die Ermäßigung des Steuersatzes um die Hälfte in Anspruch nehmen können. Gemäß Art. 12-bis des Ministerialdekrets Nr. 228/1999 können Immobilienfonds in Italien nur in geschlossener Form errichtet werden. Folglich werden wahrscheinlich nur einem anderen Recht unterliegende Fonds diese Voraussetzung nicht erfüllen. Unter diesen besonderen Umständen ist daher davon auszugehen, dass die Anwendung dieses Kriteriums, auch wenn es auf den ersten Blick neutral ist, auf eine unterschiedliche Behandlung hinausläuft und damit bestimmte grenzüberschreitende Sachverhalte benachteiligt.

77.

Eine solche Ungleichbehandlung kann jedoch nur dann eine mittelbare Diskriminierung – und damit eine Beschränkung im Sinne von Art. 56 EG (jetzt Art. 63 AEUV) – darstellen, wenn offene und geschlossene Fonds als in wirklich vergleichbaren Situationen befindlich angesehen werden können, und zwar im Hinblick auf die vom Gesetzgeber mit der Gewährung der Steuervergünstigung, deren Inanspruchnahme geltend gemacht wird, namentlich hier die Gewährung einer Ermäßigung der anwendbaren Steuersätze um die Hälfte, verfolgten Ziele.

78.

Eine Schwierigkeit, die sofort erkennbar wird, besteht darin, dass sich das vorlegende Gericht nicht klar dazu geäußert hat, weshalb das italienische Recht diese Steuervergünstigung gewährte. In seinem Vorabentscheidungsersuchen hat es nämlich nur ausgeführt: „In den letzten Jahren waren die steuerlichen Regelungen für geschlossene Immobilienfonds Gegenstand zahlreicher legislativer Maßnahmen, die durch zwei einander entgegengesetzte Ziele motiviert waren: einerseits, die Entwicklung eines besonderen Vermögensverwaltungsinstruments zu fördern, andererseits, seine Verwendung auf spezielle Zwecke zu begrenzen“. Es ist jedoch nicht leicht zu erkennen, ob sich diese Aussage auf Art. 35 Abs. 10-ter des Decreto-legge Nr. 223/2006 bezieht oder ob es sich lediglich um eine Klarstellung im Hinblick auf den Kontext der vorliegenden Rechtssache handelt, die darauf abzielt, die allgemeinen Gründe darzulegen, die den verschiedenen Eingriffen des nationalen Gesetzgebers in Bezug auf die Steuerregelungen für Investmentfonds zugrunde liegen.

79.

Selbst wenn man annimmt, dass sich diese Aussage speziell auf Art. 35 Abs. 10-ter des Decreto-legge Nr. 223/2006 bezieht, würde dies lediglich erklären, weshalb offene Fonds von dem durch diese Bestimmung gewährten Vorteil ausgenommen sind, nicht aber, warum diese Steuervergünstigung gewährt wurde.

80.

In diesem Zusammenhang hat allein UBS Real Estate eine ernsthafte Erklärung für das mit der Ermäßigung der Steuersätze um die Hälfte verfolgte Ziel vorgebracht. Danach besteht das eigentliche Ziel des Gesetzes darin, die Benachteiligung von Fonds zu vermeiden, die häufig An- und Verkaufstransaktionen vornehmen ( 48 ), soweit diese Transaktionen aus wirtschaftlicher Sicht doppelt besteuert würden ( 49 ).

81.

Sollte dies zutreffen – was das nationale Gericht zu prüfen hat –, wäre davon auszugehen, dass sich aus dem Blickwinkel dieses Ziels alle Immobilienfonds, sowohl offene als auch geschlossene, in der gleichen Situation befinden, so dass sie grundsätzlich hätten gleich behandelt werden müssen.

82.

Wäre dies tatsächlich der Grund dafür, dass Italien die Möglichkeit vorgesehen hat, eine Ermäßigung der fraglichen Steuern zu erwirken, würde die Beschränkung der Vergünstigung allein auf geschlossene Fonds eine mittelbare Diskriminierung darstellen. Dies wäre auch dann der Fall, wenn das vorlegende Gericht kein klares Ziel für diese Steuervergünstigung angeben könnte.

83.

Da es jedoch möglich ist, dass die Beschränkung dieser Vergünstigung allein auf geschlossene Fonds die Verwirklichung bestimmter im öffentlichen Interesse liegender Ziele verfolgt, werde ich mich nun dieser Frage zuwenden.

2) Zum Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes

84.

Wie ich bereits darzulegen versucht habe, kann eine mittelbare Diskriminierung mit den Verträgen vereinbar sein, wenn sie durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist.

85.

Insoweit hat das vorlegende Gericht im Wesentlichen auf zwei Ziele verwiesen, die mit der ersten in Art. 35 Abs. 10-ter des Decreto-legge Nr. 223/2006 enthaltenen Voraussetzung verfolgt werden sollen. Zum einen sollte die Entwicklung von Immobilienfonds unterstützt und gefördert werden, denen keine hochspekulativen und unsicheren Absichten zugrunde lägen, und zum anderen sollten die Systemrisiken für den Immobilien- (und im weiteren Sinne Banken‑)markt im Fall einer Krise verringert werden ( 50 ). Neben diesen beiden Zielen verwies die Kommission auch auf die Bekämpfung der Steuerhinterziehung. Schließlich nannte die italienische Regierung einen weiteren Rechtfertigungsgrund, nämlich die Wahrung der Kohärenz des italienischen Systems, da das italienische Recht geschlossene Investmentfonds als einzigen Fondstyp anerkenne, der Immobilien erwerben könne ( 51 ).

86.

Was als Erstes das von der Kommission angeführte Ziel betrifft, teile ich ganz und gar deren Auffassung, dass bei Art. 35 des Decreto-legge Nr. 223/2006, obwohl er mit „Maßnahmen zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung und ‑umgehung“ überschrieben ist – wäre dies tatsächlich das verfolgte Ziel –, das erste Kriterium völlig ungeeignet wäre, um ein solches Ziel zu erreichen. Tatsächlich würde dies auf die Annahme hinauslaufen, dass von offenen Fonds getätigte Erwerbungen missbräuchlich seien. Darüber hinaus kann nach ständiger Rechtsprechung ein auf eine solche Rechtfertigung gestütztes Vorbringen nur dann Erfolg haben, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der betreffenden Steuervergünstigung und dem Ausgleich dieser Vergünstigung durch eine bestimmte steuerliche Belastung nachgewiesen ist, was hier nicht der Fall ist ( 52 ).

87.

Als Zweites stelle ich in Bezug auf den von der italienischen Regierung angeführten Rechtfertigungsgrund fest, dass dieser mit der Rechtsprechung nicht zu vereinbaren ist, wonach sich eine mittelbare Diskriminierung daraus ergeben kann, dass für Gebietsfremde die für die Inanspruchnahme einer Steuervergünstigung erforderliche(n) Voraussetzung(en) kaum oder nur schwer zu erfüllen ist/sind ( 53 ).

88.

Das erste vom vorlegenden Gericht im Zusammenhang mit der Bekämpfung hoch spekulativer Erwerbungen und unsicherer Absichten angeführte Ziel kann, unabhängig davon, ob ein solches Ziel einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses nach dem Unionsrecht darstellt, die erste Voraussetzung der Anwendung von Art. 35 Abs. 10-ter des Decreto-legge Nr. 223/2006 wohl kaum rechtfertigen. Der geschlossene oder offene Charakter eines Fonds bezieht sich nämlich, worauf UBS Real Estate hingewiesen hat, auf die Möglichkeit der Anleger, zu verlangen, dass ihre Anlage (repräsentiert durch die Anzahl der von ihnen gehaltenen Anteile) durch die Fonds zurückgezahlt wird. Natürlich kann sich dieser Charakter auf die Art und Weise auswirken, in der ein Fonds verwaltet wird, da insbesondere die Tatsache, dass Anleger jederzeit die Rücknahme ihrer Anteile verlangen können, den Fonds dazu zwingen wird, Liquiditätsreserven vorzuhalten, um einer angemessenen Anzahl von Ersuchen entsprechen zu können. Diese Frage scheint jedoch weder mit dem Spekulationsgrad der von dem Fonds getätigten Anlage noch mit seiner mehr oder weniger sicheren Absicht in dieser Hinsicht in Verbindung zu stehen.

89.

Wenn das vorlegende Gericht mit dieser Begründung auf ein Ziel hinweisen möchte, das darin bestünde, den langfristigen Immobilienerwerb gegenüber dem kurzfristigen spekulativen Erwerb vorrangig zu fördern – zumal Letzterer zu einem künstlichen Preisanstieg beitragen kann und damit das Problem des Zugangs zum Eigentumserwerb verschärft –, kann diese Erwägung, so richtig sie auch sein mag, für sich genommen und unter diesen besonderen Umständen solch eine unterschiedliche Behandlung zwischen offenen und geschlossenen Fonds nicht rechtfertigen. Es entspricht dem Charakter eines geschlossenen Fonds, dass Anleger ihr Rücknahmerecht nicht jederzeit ausüben können. Dieses Merkmal geschlossener Fonds verpflichtet diese jedoch nicht, erworbene Immobilien länger zu halten, als wenn es sich um offene Fonds handelte. Da die erste in Art. 35 Abs. 10-ter genannte Voraussetzung mit einem solchen Ziel nicht in Einklang zu stehen scheint, kommt dies als notwendige sachliche Rechtfertigung nicht in Betracht.

90.

Der zweite vom vorlegenden Gericht angeführte Rechtfertigungsgrund besteht darin, dass die nationale Regelung im Wesentlichen darauf abziele, einen „Schneeballeffekt“ auf den Markt für gewerbliche Immobilien zu vermeiden. In diesem Zusammenhang führt das vorlegende Gericht aus, dass im Fall offener Fonds bei Entstehung einer Marktkrise aufgrund fallender Immobilienpreise viele Anleger dazu veranlasst werden könnten, die vorzeitige Rückzahlung eines Teils der Anlagebeträge zu verlangen. Dieser Umstand könnte die Liquiditätsreserven der Fonds aufbrauchen, der damit gezwungen sein könnte, einen Teil der Immobilien unter ihrem Buchwert zu verkaufen, um den Forderungen auf Rückzahlung der Anteile nachkommen zu können ( 54 ). Um ein solches Risiko zu vermeiden, wäre es daher legitim, allein die Entwicklung geschlossener Fonds dadurch zu fördern – und zwar unabhängig davon, welchem Recht sie unterliegen –, dass ihnen bestimmte steuerliche Vergünstigungen wie die in Art. 35 Abs. 10-ter des Decreto-legge Nr. 223/2006 vorgesehene gewährt werden.

91.

In dieser Hinsicht stellt ein Ziel, das darauf gerichtet ist, ein Risiko systemischer Art zu begrenzen, eindeutig einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses im Sinne des Unionsrechts dar ( 55 ). In der Tat geben Systemrisiken offensichtlich Anlass zur Besorgnis, wie der Umstand veranschaulicht, dass die Europäische Union eine Verordnung erlassen hat, die darauf abzielt, solche Risiken in Bezug auf die Finanzmärkte zu begrenzen ( 56 ).

92.

Damit jedoch eine derartige mittelbare Diskriminierung mit dem Unionsrecht vereinbar ist, muss sie nicht nur einem zwingenden Grund des Allgemeininteresses dienen, sondern zur Erreichung dieses Ziels auch verhältnismäßig sein. Dies setzt voraus, dass die getroffene Maßnahme (im vorliegenden Fall der Ausschluss offener Fonds von der Inanspruchnahme einer Ermäßigung der Steuersätze um die Hälfte) geeignet ist, die Verwirklichung dieses Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hierzu erforderliche Maß hinausgeht ( 57 ).

93.

Soweit es um die Verhinderung eines komplexen Risikos geht, ist außerdem zu beachten, dass den Mitgliedstaaten ein gewisser Ermessensspielraum eingeräumt werden muss ( 58 ). Daher sollte sich die Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer zur Erreichung eines solchen Ziels getroffenen Maßnahme durch den Gerichtshof darauf beschränken, das Fehlen eines offensichtlichen Irrtums in dieser Hinsicht festzustellen ( 59 ).

94.

Auch wenn dieses Problem für den Immobilienmarkt wahrscheinlich eine geringere Rolle spielt als andere Probleme wie beispielsweise die Überschuldung von Unternehmen und Haushalten, ist es in der Finanzwelt gleichwohl bekannt und rechtfertigt meines Erachtens, dass die Mitgliedstaaten sich darum kümmern, da im Allgemeinen jede Krise das Ergebnis einer Kombination von Faktoren ist. Dies gilt erst recht, als in der vorliegenden Rechtssache die fragliche Maßnahme speziell gewerbliches Eigentum betrifft ( 60 ), einen Markt, auf dem Investmentfonds wichtige Akteure sind ( 61 ).

95.

Ich schlage vor, mit der Prüfung des zweiten Kriteriums zu beginnen, nämlich der Notwendigkeit, dass die fragliche Maßnahme nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des in Betracht gezogenen zwingenden Grundes des Allgemeininteresses erforderlich ist.

96.

Betrachtet man im vorliegenden Fall die durch diese Maßnahme erzeugten Wirkungen, kann von der Erfüllung dieser Voraussetzung ausgegangen werden, da Italien nicht einfach den Erwerb von in seinem Hoheitsgebiet belegenen Grundstücken durch offene Fonds untersagt, sondern lediglich offene Fonds von einer Steuervergünstigung ausgeschlossen hat.

97.

In Bezug auf das erste Kriterium, wonach die Maßnahme ein geeignetes Mittel darstellen muss, den in Rede stehenden zwingenden Grund des Allgemeininteresses zu wahren, liegen die Dinge jedoch nicht so einfach.

98.

Insoweit ist zunächst daran zu erinnern, dass dieses Kriterium lediglich verlangt, dass die fragliche Maßnahme geeignet ist, die behauptete Gefahr zu verringern ( 62 ). Natürlich setzt dies voraus, dass die in Rede stehende Maßnahme zumindest wirksam ist. Es bedeutet aber nicht, dass allein diese Maßnahme geeignet sein muss, diese Gefahr zu beseitigen, was sich in der Praxis sehr oft als unmöglich erweisen dürfte. Sähe man dies anders, würde dies bedeuten, dass es den Mitgliedstaaten verwehrt wäre, eine Kombination aus abschreckenden Maßnahmen anstelle eines strikten Verbots zu wählen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen.

99.

Zweitens muss eine Maßnahme, um als geeignet angesehen zu werden, die Wahrung eines zwingenden Grundes des Allgemeininteresses zu gewährleisten, tatsächlich das Bemühen widerspiegeln, dieses Ziel in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen ( 63 ).

100.

In der vorliegenden Rechtssache gehe ich davon aus, dass ein Zusammenhang zwischen der erkannten geltend gemachten Gefahr und der offenen oder geschlossenen Natur der Fonds besteht. Da nämlich, wie das vorlegende Gericht erläutert hat, ein offener Fonds tägliche Rücknahmen gestattet, ein erheblicher Anteil der Vermögenswerte, in die der Fonds investiert hat, aber nicht ohne wesentlichen Wertverlust innerhalb eines Tages in Liquidität umgewandelt werden kann, besteht ein Missverhältnis zwischen Vermögenswerten und Verbindlichkeiten. Dieses Problem wiederum führt zu dem Risiko, dass diese Fonds gezwungen sein könnten, Immobilien inmitten einer Immobilienkrise zu verkaufen und damit eine auf dem Immobilienmarkt bereits bestehende Krise zu verschärfen ( 64 ). Deshalb gibt es inzwischen eine Reihe von Vertragsbedingungen, die das Ziel haben, bei offenen Fonds Liquidität im bestimmten Umfang zu garantieren, um zu gewährleisten, dass sie ihre Rücknahmeverpflichtungen und sonstigen Verbindlichkeiten erfüllen können ( 65 ).

101.

Bei geschlossenen Fonds ist die Lage eine andere. Bei einem geschlossenen Fonds kann die Rücknahme von Anteilen nur zu dem festgesetzten Zeitpunkt oder, je nach Vertragsgestaltung, nach Ablauf einiger Jahre nach der Zeichnung verlangt werden, anders als dies grundsätzlich bei offenen Fonds der Fall ist. Der Vorteil geschlossener Fonds im Vergleich zu offenen Fonds besteht darin, dass Erstere nicht Gefahr laufen, plötzlich mit der Notwendigkeit konfrontiert zu werden, kurzfristige Desinvestitionen vorzunehmen, um Liquidität zu erhalten. Außerdem wird aus der Sicht der Kapitalmärkte in der Regel aufgrund des langfristigen Charakters einer Anlage in Immobilien und der Vorlaufzeit, die dafür benötigt wird, den Verkauf von Immobilienvermögen abzuschließen, davon ausgegangen, dass Immobilienfonds als Fonds mit begrenzter Liquidität oder als geschlossene Fonds errichtet werden ( 66 ).

102.

Zwar lässt sich berechtigterweise fragen, ob die abschreckende Wirkung einer Maßnahme, die lediglich darin besteht, dieser Art von Fonds eine Steuervergünstigung zu verwehren, ausreicht, um den zwingenden Grund des Allgemeininteresses zu wahren, das Systemrisiko für den Immobilienmarkt zu verringern, indem offene Fonds davon abgehalten werden, auf diesem Markt tätig zu werden ( 67 ). Wie ich jedoch bereits dargelegt habe, genügt es, um nach dem im Unionsrecht verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als geeignet angesehen zu werden, dass die in Rede stehende Maßnahme dazu beitragen kann, den betreffenden zwingenden Grund des Allgemeininteresses zu wahren ( 68 ).

103.

Für die vorliegende Rechtssache ist festzuhalten, dass das maßgebende, mit dem ersten in Art. 35 Abs. 10-ter des Decreto-legge Nr. 223/2006 festgelegten Kriterium angeblich verfolgte Ziel darin besteht, die Systemrisiken für die Immobilienmärkte, die auf die Aktivität offener Immobilienfonds zurückgehen, zu verringern. Angesichts dessen, dass festgestellt worden ist, dass das erste Kriterium eine mittelbare Diskriminierung begründet, was bedeutet, dass es eine abschreckende Wirkung auf die betreffenden Fonds hat, trägt ein solches Kriterium zwangsläufig zur Erreichung dieses Ziels bei.

104.

Dies gilt umso mehr, als es, da den Mitgliedstaaten ein gewisser Beurteilungsspielraum bei der Vermeidung komplexer Risiken, die eine Vielzahl von Faktoren umfassen, einzuräumen ist, keineswegs irrational erscheint, dass ein Mitgliedstaat ein solches Risiko in Betracht zieht. Wie die jüngste Erfahrung gezeigt hat, sind verschiedene Krisen auf mehreren Märkten durch den gleichzeitigen Eintritt von Ereignissen entstanden, deren Eintritt bei isolierter Betrachtung unwahrscheinlich erschien. Die Ereignisse der Jahre 2007 bis 2011 haben gezeigt, dass das Risiko systemischer Erschütterungen in dieser Situation ein sehr reales ist.

105.

Ebenso lässt sich in diesem Zusammenhang fragen, ob solch eine Maßnahme mit den Maßnahmen in Einklang steht, die mit demselben Ziel im Hinblick auf offene Fonds italienischen Rechts ergriffen wurden, da Letzteren Anlagen auf dem Immobilienmarkt untersagt sind. Jedoch sei daran erinnert, dass das Unionsrecht auf eine umgekehrte Diskriminierung keine Anwendung findet ( 69 ). Folglich kann die Tatsache, dass in Bezug auf Fonds nationalen Rechts eine einschneidendere Maßnahme ergriffen wurde, nicht die Kohärenz in Frage stellen, von der anzunehmen ist, dass sie mit dem Ziel verfolgt wird.

106.

Diese steuerliche Maßnahme scheint jedenfalls Teil eines Gesetzespakets zu sein, das dazu bestimmt ist, das erklärte Ziel zu erreichen, d. h., bei Anlagen auf dem italienischen Gewerbeimmobilienmarkt denen geschlossener Fonds den Vorzug gegenüber denen offener Fonds zu geben, um das Systemrisiko zu verringern, das dadurch entstünde, wenn die Letztgenannten zu viele Immobilien in Besitz hätten ( 70 ). Dementsprechend würde jede Beurteilung dessen, ob die fragliche Maßnahme ausreicht, eine umfassende Prüfung aller solcher Maßnahmen erfordern, die das vorlegende Gericht allerdings nicht im Einzelnen angegeben hat.

107.

Zwar ist einzuräumen, dass für diesen Zweck vorliegend andere Maßnahmen, insbesondere solche verhaltenslenkender Natur wie die Untersagung des Erwerbs von Immobilien in Italien zu spekulativen Zwecken, wahrscheinlich wirksamer gewesen wären. Solche Maßnahmen hätten jedoch den freien Kapitalverkehr und die unternehmerische Freiheit wohl noch mehr beeinträchtigt. Dasselbe Problem wäre erst recht entstanden, falls strukturelle Maßnahmen, wie beispielsweise die derzeit in der AIF-Richtlinie vorgesehenen, für alle Fonds getroffen worden wären, die in Italien Gewerbeimmobilien erwerben wollen. Es sei nämlich daran erinnert, dass die unternehmerische Freiheit das Recht eines jeden Unternehmens umfasst, innerhalb der Grenzen der Verantwortlichkeit für sein eigenes Handeln frei über die zur Verfügung stehenden wirtschaftlichen, technischen und finanziellen Ressourcen zu verfügen.

108.

UBS Real Estate macht jedoch geltend, dass die erste Voraussetzung nicht geeignet sei, die Erreichung des Ziels der Begrenzung des vom vorlegenden Gericht festgestellten Systemrisikos zu gewährleisten, da zwischen diesen geschlossenen Investmentfonds und offenen Investmentfonds kein Unterschied bestehe. Beide wiesen dieselben Merkmale auf und unterlägen denselben Vertragsbedingungen hinsichtlich Verwaltung und Anlage.

109.

Aber trifft dies wirklich zu? Hierzu lässt sich darauf hinweisen, dass sich die von UBS Real Estate angeführten Gemeinsamkeiten in Bezug auf die Vertragsbedingungen hinsichtlich Verwaltung und Anlage auf Vertragsbedingungen beziehen, die aufgrund der Qualifizierung der in Rede stehenden Rechtssubjekte als Investmentfonds Anwendung finden. Was das vom vorlegenden Gericht angesprochene Problem betrifft, erkennt UBS Real Estate an, dass zwischen einem offenen und einem geschlossenen Fonds ein Unterschied besteht, weil bei Ersterem definitionsgemäß ein Missverhältnis zwischen Vermögenswerten und Verbindlichkeiten vorliege.

110.

UBS Real Estate hält dem entgegen, dass offene Immobilienfonds, sofern sie über mehr Liquidität als geschlossene Fonds verfügten, eine weniger riskante Anlage darstellten. Ich kann diesem Argument jedoch nicht zustimmen. Die Risiken, auf die UBS Real Estate hier verweist, sind diejenigen, denen die einzelnen Anleger ausgesetzt sind. Dabei handelt es sich jedoch nicht um die vom vorlegenden Gericht erwähnten Risiken, die allgemein systemischer Natur sind, da das Problem des Missverhältnisses zwischen Vermögenswerten und Verbindlichkeiten einen Preisverfall auf dem Gewerbeimmobilienmarkt verstärken ( 71 ) und schließlich unter bestimmten Umständen, wie die Erfahrungen aus jüngster Zeit gezeigt haben, letztlich eine Bedrohung für die Banken- und Finanzmärkte darstellen kann.

111.

Schließlich macht UBS Real Estate geltend, dass offene Fonds deutschen Rechts tatsächlich mit geschlossenen Fonds italienischen Rechts vergleichbar seien. Zum einen schreibe das deutsche Recht das Vorhalten eines Liquiditätspuffers vor, der einen bestimmten Betrag nicht unterschreiten dürfe. Dieser Liquiditätspuffer reduziere das mit der Anlage verbundene Risiko. Was die beiden in Rede stehenden Fonds betrifft, sähen deren Vertragsbedingungen somit vor, dass sie mindestens 5 % des Fondswerts als Liquidität vorhalten müssten. Zum anderen gestatte es das Gesetz offenen Fonds, Regelungen zu treffen, die den Aufschub eines etwaigen Verkaufs der Fondsimmobilien zum Zweck der Auszahlung der Teilnehmer ermöglichten, wodurch das vom vorlegenden Gericht angesprochene Risiko ausgeräumt werde. Genau dies sei in der Satzung der in Rede stehenden Fonds vorgesehen gewesen ( 72 ). Im Gegensatz hierzu gestatte das italienische Recht geschlossenen Fonds italienischen Rechts, eine vorzeitige Rücknahme von Anteilen vorzusehen.

112.

Insoweit stimme ich zu, dass die von UBS Real Estate angeführten Klauseln das vom vorlegenden Gericht festgestellte Risiko insoweit verringern könnten, als sie ihr gestatten, die Rückzahlung getätigter Anlagen um bis zu drei Jahre aufzuschieben. Des Weiteren ist zu beachten, dass die Fondsprospekte und -vertragsbedingungen zwar grundsätzlich den Anlegern die Möglichkeit einräumen, die Rückzahlung zu beantragen, und dass diese Rückzahlung nur unter außergewöhnlichen Umständen eingefroren werden kann, doch sollte Beachtung finden, dass diese Klauseln die Möglichkeit vorsehen, Forderungen für einen relativ langen Zeitraum einzufrieren, und dass zu den besonderen Umständen, die zu ihrer Anwendung führen können, auch der Eintritt einer Krise auf dem Immobilienmarkt gehört. All dies sind jedoch Fragen, die das nationale Gericht zu prüfen hat.

113.

Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass eine Aussetzung des Antrags auf Rücknahme der Anlage für drei Jahre immer noch kürzer ist als der Zeitraum, nach dessen Ablauf die Anleger bei einem geschlossenen Fonds die Rücknahme beantragen können. Dieser beträgt im Allgemeinen fünf bis 20 Jahre, bei einer durchschnittlichen Dauer von zehn bis zwölf Jahren. Da aber eine Immobilienkrise auch durchaus länger als drei Jahre andauern kann ( 73 ), folgt daraus, dass Klauseln wie die im Prospekt und in den Vertragsbedingungen von UBS Real Estate genannten zwar dazu dienen können, das vom vorlegenden Gericht angesprochene Risiko zu verringern, sie dieses jedoch nicht vollständig ausschalten. Meines Erachtens ist es nicht Sache des Gerichtshofs, zu beurteilen, ob das verbleibende Risiko so groß ist, dass es gerechtfertigt erscheint, dass die Mitgliedstaaten Maßnahmen zu seiner Verringerung treffen. Vielmehr obliegt es den nationalen Gerichten, hier eine abschließende Beurteilung vorzunehmen.

114.

Wenn diese Klauseln geeignet wären, das Risiko vollständig zu beseitigen, dann stellt sich die Frage, ob ein Kriterium als ungeeignet (oder als über das erforderliche Maß hinausgehend) angesehen werden sollte, weil es keine detaillierte Prüfung der Satzung des Fonds umfasst ( 74 ), sondern allein von der Auslegung abhängt, die diese durch das auf sie anwendbare Recht erfährt ( 75 ).

115.

In Fragen der Freizügigkeit war der Gerichtshof zugegebenermaßen bei dieser Art von Ansatz sehr zurückhaltend und hat die Anwendung möglichst präziser Kriterien gefordert ( 76 ).

116.

Ich bin jedoch der Ansicht, dass, sollte das vorlegende Gericht feststellen, dass der Grund für die steuerliche Vorzugsbehandlung geschlossener Immobilienfonds der Schutz vor möglichen Systemrisiken des Immobilienmarkts und in einem weiteren Sinn möglichen Systemrisiken der Finanzmärkte ist, die Verwendung eines solchen Kriteriums sich nicht als offensichtlich ungeeignet erwiese ( 77 ). In Anbetracht des den Mitgliedstaaten in dieser Hinsicht zustehenden Ermessens wäre jedes Bestreben, geschlossene Immobilienfonds zu bevorzugen, unter solchen Umständen als verhältnismäßig anzusehen, selbst wenn es auch möglich wäre, noch weiter zu differenzieren, indem auch bestimmte offene Fonds begünstigt würden, deren Klauseln und Prospekte darauf abzielen, das aus dem Missverhältnis zwischen Vermögenswerten und Verbindlichkeiten resultierende Risiko teilweise auszuschließen.

V. Ergebnis

117.

Angesichts der vorstehenden Erwägungen schlage ich somit dem Gerichtshof vor, die von der Corte suprema di cassazione (Oberster Gerichtshof, Italien) vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

Art. 56 EG ist dahin auszulegen, dass er die Anwendung eines Kriteriums gestattet, das an den offenen oder geschlossenen Charakter eines Fonds als Voraussetzung für die Gewährung einer Ermäßigung des für die Hypotheken- und Katastersteuer geltenden Steuersatzes anknüpft, die im Fall eines Eigentumserwerbs anfallen, falls die Rechtfertigung für die Anwendung dieses Kriteriums darin besteht, dass es dazu beiträgt, Systemrisiken auf dem betreffenden Immobilienmarkt vorzubeugen, und unter der weiteren Voraussetzung, dass keine mittelbare Diskriminierung aufgrund solcher Faktoren wie der Frage vorliegt, ob die Fonds in Italien verwaltet werden oder anderweitig italienischem Recht unterliegen.


( 1 ) Originalsprache: Englisch.

( 2 ) ABl. 2011, L 174, S. 1.

( 3 ) ABl. 2014, L 183, S. 18.

( 4 ) Vgl. erster Erwägungsgrund der Delegierten Verordnung Nr. 694/2014.

( 5 ) GURI Nr. 164 vom 15. Juli 1999.

( 6 ) GURI Nr. 153 vom 4. Juli 2006.

( 7 ) Supplemento ordinario zur GURI Nr. 71 vom 26. März 1998.

( 8 ) Nach Angaben von UBS Real Estate werden diese Fonds nicht in Italien vermarktet.

( 9 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Juni 2015, Gauweiler u. a. (C‑62/14, EU:C:2015:400, Rn. 15), und vom 11. Juni 2020, Subdelegación del Gobierno en Guadalajara (C‑448/19, EU:C:2020:467, Rn. 17).

( 10 ) Dies gilt umso mehr, als die Parteien, anders als im Vertragsverletzungsverfahren, nicht beweispflichtig sind, da ein Vorabentscheidungsersuchen ein Verfahren ist, das sich zwischen Gerichten abspielt. In der Tat ist das mit Art. 267 AEUV eingerichtete Verfahren kein streitiges Verfahren, sondern ein Instrument der Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten, mit dem der Gerichtshof diesen Gerichten Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts gibt, die sie zur Entscheidung des bei ihnen anhängigen Rechtsstreits benötigen. Vgl. Urteil vom 15. September 2011, Unió de Pagesos de Catalunya (C‑197/10, EU:C:2011:590, Rn. 16).

( 11 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 19. Januar 2006, Bouanich (C‑265/04, EU:C:2006:51, Rn. 51), und vom 25. Oktober 2017, Polbud – Wykonawstwo (C‑106/16, EU:C:2017:804, Rn. 27).

( 12 ) Urteil vom 10. Februar 2011, Haribo Lakritzen Hans Riegel und Österreichische Salinen (C‑436/08 und C‑437/08, EU:C:2011:61, Rn. 34).

( 13 ) Vgl. beispielsweise in diesem Sinne Urteile vom 28. Januar 1986, Kommission/Frankreich (270/83, EU:C:1986:37, Rn. 14), vom 7. Juli 1988, Stanton und L’Étoile 1905 (143/87, EU:C:1988:378, Rn. 11), und vom 25. Oktober 2017, Polbud – Wykonawstwo (C‑106/16, EU:C:2017:804, Rn. 33). Aus meiner Sicht genügt es, dass Gebietsfremde die Möglichkeit haben, die für Gebietsansässige geltende Besteuerungsregelung zu wählen. Es ist dann Sache der Gebietsfremden, zu entscheiden, ob sie diese oder eine andere Regelung wählen wollen, die für sie je nach ihrer Situation mehr oder weniger vorteilhaft ist.

( 14 ) Vgl. beispielsweise Urteile vom 23. Februar 2016, Kommission/Ungarn (C‑179/14, EU:C:2016:108, Rn. 148 bis 150), und vom 14. November 2018, Memoria und Dall’Antonia (C‑342/17, EU:C:2018:906, Rn. 44).

( 15 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Januar 2010, SGI (C‑311/08, EU:C:2010:26, Rn. 38).

( 16 ) ABl. 1988, L 178, S. 5. Mit dieser Richtlinie, die noch in Kraft ist, wurde die völlige Liberalisierung des Kapitalverkehrs und die erste Stufe der Währungsunion verwirklicht. Vgl. Urteil vom 23. Februar 1995, Bordessa u. a. (C‑358/93 und C‑416/93, EU:C:1995:54, Rn. 17).

( 17 ) Urteil vom 23. Februar 2006, van Hilten-van der Heijden (C‑513/03, EU:C:2006:131, Rn. 39).

( 18 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Juni 1999, Konle (C‑302/97, EU:C:1999:271, Rn. 22).

( 19 ) Vgl. beispielsweise Urteil vom 10. Dezember 2018, Wightman u. a. (C‑621/18, EU:C:2018:999, Rn. 28).

( 20 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 26. Juni 2008, Burda (C‑284/06, EU:C:2008:365, Rn. 68 und 69), vom 18. Juni 2009, Aberdeen Property Fininvest Alpha (C‑303/07, EU:C:2009:377, Rn. 34 und 35), und vom 30. April 2020, Société Générale (C‑565/18, EU:C:2020:318, Rn. 19). Die Feststellung der anwendbaren Grundfreiheit(en) kann von praktischer Bedeutung sein, da die Niederlassungsfreiheit von der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. 2006, L 376, S. 36) erfasst wird.

( 21 ) Allerdings hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom 30. Mai 1989, Kommission/Griechenland (305/87, EU:C:1989:218), eine Bestimmung über die Vornahme von Rechtsgeschäften über in den Grenzgebieten Griechenlands belegene Immobilien unter dem Gesichtspunkt der Niederlassungsfreiheit geprüft. Allerdings ging es in jener Rechtssache um eine Vertragsverletzungsklage und nicht um ein Vorabentscheidungsersuchen. Bei einem Vorabentscheidungsersuchen ist bei der Feststellung des einschlägigen Freiheitsrechts die Situation der Betroffenen zu berücksichtigen (deshalb ist u. a. die Frage, ob der Rechtsstreit rein innerstaatlichen Charakter hat oder nicht, für die Beurteilung der Zulässigkeit der Frage entscheidend). Jedoch entscheidet der Gerichtshof im Fall einer Vertragsverletzungsklage über die Vereinbarkeit einer Regelung mit dem Unionsrecht im Allgemeinen. Im Urteil Kommission/Griechenland (305/87, EU:C:1989:218) konnte die Regelung hinsichtlich ihrer Ziele und ihres Inhalts sowohl auf einfache Anleger als auch auf Personen Anwendung finden, die sich mittels des in Rede stehenden Grundstücks in dem Staat niederlassen wollten.

( 22 ) Vgl. Urteil vom 15. November 2016, Ullens de Schooten (C‑268/15, EU:C:2016:874, Rn. 47)

( 23 ) Vgl. in diesem Sinne beispielsweise Urteil vom 16. Oktober 2014, Kommission/Deutschland (C‑100/13, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2293, Rn. 62).

( 24 ) Vgl. Urteil vom 3. März 2020, Vodafone Magyarország (C‑75/18, EU:C:2020:139, Rn. 49). Das Unionsrecht verpflichtet die Mitgliedstaaten nicht dazu, sich untereinander abzustimmen, um eine Doppelbesteuerung desselben Gewinns oder umgekehrt die unterbliebene Besteuerung eines Gewinns zu vermeiden. Vgl. Urteil vom 26. Mai 2016, NN (L) International (C‑48/15, EU:C:2016:356, Rn. 47), oder Urteil vom 10. Februar 2011, Haribo Lakritzen Hans Riegel und Österreichische Salinen (C‑436/08 und C‑437/08, EU:C:2011:61, Rn. 169 bis 172).

( 25 ) Vgl. beispielsweise Urteil vom 27. Februar 2020, AURES Holdings (C‑405/18, EU:C:2020:127, Rn. 32).

( 26 ) Urteil vom 16. Juli 2009, Damseaux (C‑128/08, EU:C:2009:471, Rn. 27).

( 27 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. November 2006, Kerckhaert und Morres (C‑513/04, EU:C:2006:713, Rn. 20), sowie Schlussanträge des Generalanwalts Geelhoed in der Rechtssache Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation (C‑374/04, EU:C:2006:139, Nr. 39).

( 28 ) Vgl. beispielsweise Urteil vom 12. September 2006, Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas (C‑196/04, EU:C:2006:544, Rn. 40).

( 29 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. Dezember 2007, Columbus Container Services (C‑298/05, EU:C:2007:754, Rn. 53), und vom 26. Mai 2016, NN (L) International (C‑48/15, EU:C:2016:356, Rn. 47). Bestimmten Urteilen zufolge allerdings „gehören zu den Maßnahmen, die Art. [56] Abs. 1 [EG] als Beschränkungen des Kapitalverkehrs verbietet, solche, die geeignet sind, Gebietsfremde von Investitionen in einem Mitgliedstaat oder die dort Ansässigen von Investitionen in anderen Staaten abzuhalten“. Vgl. beispielsweise Urteil vom 10. Mai 2012, Santander Asset Management SGIIC u. a. (C‑338/11 bis C‑347/11, EU:C:2012:286, Rn. 15). Hervorhebung nur hier. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Tatsache, dass eine Maßnahme eine solche Abschreckungswirkung entfaltet, hinreichend wäre, um sie als Beschränkung einzustufen. Vgl. Rn. 23 und 39 des Urteils.

( 30 ) Generalanwältin Kokott schlug vor, anstelle der Prüfung der Nichtdiskriminierung dieselbe Prüfung, die in anderen Bereichen durchgeführt wird, auch bei Steuerangelegenheiten durchzuführen. Der Gerichtshof ist jedoch ihrer Auffassung in dieser Hinsicht nicht gefolgt. Vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Nordea Bank (C-48/13, EU:C:2014:153, Nr. 22), Urteil vom 17. Juli 2014, Nordea Bank Danmark (C-48/13, EU:C:2014:2087, Rn. 23 und 24).

( 31 ) Vgl. beispielsweise Urteile vom 13. März 2014, Bouanich (C‑375/12, EU:C:2014:138, Rn. 45), und vom 30. April 2020, Société Générale (C‑565/18, EU:C:2020:318, Rn. 24 und 25).

( 32 ) Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Wahl in der Rechtssache Österreich/Deutschland (C‑591/17, EU:C:2019:99, Nr. 42). Vgl. in diesem Sinne auch Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (ABl. 2006, L 204, S. 23).

( 33 ) Vgl. beispielsweise Urteile vom 14. Februar 1995, Schumacker (C‑279/93, EU:C:1995:31, Rn. 26 bis 29), vom 20. Januar 2011, Kommission/Griechenland (C‑155/09, EU:C:2011:22, Rn. 46), vom 19. November 2015, Hirvonen (C‑632/13, EU:C:2015:765, Rn. 28), und vom 18. Juni 2020, Kommission/Ungarn (Transparenz der Finanzierung von Vereinigungen) (C‑78/18, EU:C:2020:476, Rn. 62). Dieser Ansatz scheint mit der Rechtsprechung vereinbar zu sein, wonach die Verkehrsfreiheiten eine Ausprägung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit gemäß Art. 12 EG (jetzt Art. 18 AEUV) darstellen, so dass dann, wenn diese Grundfreiheiten zur Anwendung kommen, kein Grund besteht, diese Bestimmung eigenständig anzuwenden. Vgl. beispielsweise Urteil vom 21. Januar 2010, SGI (C‑311/08, EU:C:2010:26, Rn. 31).

( 34 ) Als neueres Beispiel einer Anwendung des erstgenannten Ansatzes vgl. Urteil vom 3. März 2020, Tesco-Global Áruházak (C‑323/18, EU:C:2020:140, Rn. 62).

( 35 ) Zwar bestimmt Art. 58 Abs. 1 Buchst. a EG (jetzt Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV), dass „Artikel 56 … nicht das Recht der Mitgliedstaaten [berührt], die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln“. Wie ich jedoch in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache E (Von UCITS gezahlte Einkünfte) (C‑480/19, EU:C:2020:942) dargelegt habe, bedeutet die Formulierung „berührt nicht das Recht der Mitgliedstaaten“ jedoch nicht, dass eine Ausnahme vorliegt, sondern vielmehr, dass die Mitgliedstaaten unter bestimmten Umständen, falls erforderlich, abweichende Vorschriften für Gebietsfremde vorsehen können. Deshalb gehe ich davon aus, dass Art. 58 Abs. 1 Buchst. a EG, insbesondere in Verbindung mit dessen Abs. 3, im Hinblick auf das Kriterium des Wohnsitzes lediglich in Erinnerung ruft, in welchen Fällen die Verwendung dieses Kriteriums, obwohl es einer Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit entspricht, mit dem Unionsrecht vereinbar ist, d. h., diese Mitgliedstaaten können auf der Grundlage dieses Kriteriums Personen unterschiedlich behandeln, sofern dies weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung darstellt, was voraussetzt, dass die Anwendung des Kriteriums gerechtfertigt ist (willkürliche Diskriminierung) und dass die unterschiedliche Behandlung im Hinblick auf diesen Rechtfertigungsgrund nicht widersprüchlich erscheint (verschleierte Diskriminierung). Als Beispiel eines Urteils, in dem ein Vergleich verschiedener Situationen in der Phase der Entscheidung darüber, ob eine Maßnahme als eine Beschränkung anzusehen ist, vorgenommen wurde, vgl. Urteil vom 23. Januar 2014, DMC (C‑164/12, EU:C:2014:20, Rn. 42).

( 36 ) Vgl. beispielsweise Urteil vom 30. April 2020, Société Générale (C‑565/18, EU:C:2020:318, Rn. 26).

( 37 ) Diese Frage mag jedoch im Zusammenhang mit einer Vertragsverletzungsklage eine gewisse Bedeutung erlangen, da die Beweislast, was die Beschränkung betrifft, bei der Kommission liegt, während der Mitgliedstaat im Hinblick auf die Rechtfertigung beweispflichtig ist.

( 38 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. November 2019, College Pension Plan of British Columbia (C‑641/17, EU:C:2019:960, Rn. 65 und 66), und vom 23. Januar 2014, DMC (C‑164/12, EU:C:2014:20, Rn. 42). Diese Ziele können bisweilen übereinstimmen.

( 39 ) Vgl. beispielsweise Urteile vom 10. Mai 2012, Santander Asset Management SGIIC u. a. (C‑338/11 bis C‑347/11, EU:C:2012:286, Rn. 28), und vom 2. Juni 2016, Pensioenfonds Metaal en Techniek (C‑252/14, EU:C:2016:402, Rn. 49).

( 40 ) Der Gerichtshof hat zwar in Rn. 50 des Urteils vom 18. Juni 2009, Aberdeen Property Fininvest Alpha (C‑303/07, EU:C:2009:377), festgestellt, dass „der Umstand, dass es [in einem Mitgliedstaat] einen Gesellschaftstypus mit einer Rechtsform, die mit [dem in Rede stehenden Recht] übereinstimmt, nicht gibt, an sich keine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen [würde], weil eine solche Behandlung, da das Gesellschaftsrecht der Mitgliedstaaten auf [Unions]ebene nicht vollkommen harmonisiert ist, der Niederlassungsfreiheit jede praktische Wirksamkeit nähme“. Gleichwohl hat der Gerichtshof aus dem bloßen Umstand, dass eine solche Rechtsform in dem nationalen Recht nicht existierte, nicht das Vorliegen einer Beschränkung abgeleitet, sondern lediglich angenommen, dass ein solcher Umstand für sich genommen keine Rechtfertigung darstelle. Für die Feststellung einer Beschränkung komme es darauf an, dass angesichts der mit der in Rede stehenden Maßnahme verfolgten Ziele und der zur Anwendung kommenden steuerlichen Grundsätze diese Gesellschaftsform genauso wie eine andere im nationalen Recht existierende Gesellschaftsform hätte behandelt werden müssen.

( 41 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 9. Oktober 2014, van Caster (C‑326/12, EU:C:2014:2269, Rn. 36 und 37), und vom 8. Juni 2017, Van der Weegen u. a. (C‑580/15, EU:C:2017:429, Rn. 29).

( 42 ) Vgl. im Hinblick auf steuerliche Maßnahmen Schlussanträge des Generalanwalts Tizzano in der Rechtssache SEVIC Systems (C‑411/03, EU:C:2005:437, Nr. 55) oder, allgemeiner, Urteil vom 7. Mai 1997, Pistre u. a. (C‑321/94 bis C 324/94, EU:C:1997:229, Rn. 52).

( 43 ) Vgl. beispielsweise Urteil vom 26. Februar 2019, X (In Drittländern ansässige Zwischengesellschaften) (C‑135/17, EU:C:2019:136, Rn. 70).

( 44 ) Wie dargelegt, war zum Zeitpunkt der maßgebenden Ereignisse die AIF-Richtlinie noch nicht erlassen. Darüber hinaus fielen Immobilienfonds nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 85/611/EWG vom 20. Dezember 1985 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) (ABl. 1985, L 375, S. 3), die den Grundsatz der Kontrolle durch den Herkunftsstaat einführte, da diese nicht in Wertpapiere und/oder in andere liquide Vermögenswerte im Sinne von Art. 1 der Richtlinie 85/611 anlegen dürfen.

( 45 ) Dies wäre keine mittelbare Diskriminierung, da das angewandte Kriterium, wenn auch im Wege der Verweisung, unmittelbar an den grenzüberschreitenden Charakter des Rechtsgeschäfts anknüpfen würde.

( 46 ) Vgl. Art. 58 Abs. 1 Buchst. b EG.

( 47 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juni 2009, Aberdeen Property Fininvest Alpha (C‑303/07, EU:C:2009:377, Rn. 50).

( 48 ) Die Kassationsbeschwerdeführerin verweist für ihre Behauptung, dass Art. 35 Abs. 10-ter des Decreto-legge Nr. 223/2006 ein solches Ziel verfolge, auf die Studie Nr. 2/2009/T („Il regime tributario dei fondi immobiliari“ [Das Steuerrecht der Immobilienfonds]) des Consiglio nazionale del Notariato (italienische Notarkammer) vom 15. Mai 2009 sowie auf ein Dokument der Assonime (Verband der italienischen Aktiengesellschaften). Zwar handelt es sich bei diesen beiden Dokumenten nicht um amtliche Rechtsquellen, doch erwähnen beide, dass bei der Anwendung der für den Erwerb von Grundstücken für eine berufliche Nutzung anfallenden Steuer der Tatsache Rechnung getragen werde, dass auf den Erwerb von Grundstücken durch solche Unternehmen notwendigerweise der Weiterverkauf besagter Immobilie folge: Immobilienfonds würden für einen bestimmten Zeitraum errichtet, während dessen die gekauften Grundstücke weiterverkauft würden.

( 49 ) Aus rechtlicher Sicht scheint dies nicht der Fall zu sein, da der Steuerschuldner zum Zeitpunkt des Kaufs nicht mit dem Steuerschuldner zum Zeitpunkt des Verkaufs identisch ist. Auch wenn nicht klar ist, wie dieser Umstand speziell Investmentfonds betreffen soll – da diese „doppelte“ Besteuerung allein daraus zu resultieren scheint, dass zwei unterschiedliche Rechtsgeschäfte vorgenommen werden –, ist nicht auszuschließen, dass dies tatsächlich das vom italienischen Gesetzgeber verfolgte Ziel ist.

( 50 ) Insoweit ist zu beachten, dass Art. 35 Abs. 10ter des Decreto-legge Nr. 223/2006 unabhängig davon Anwendung findet, ob der in Rede stehende Fonds in Italien operiert: Diese Bestimmung findet auf den Grundstückserwerb durch einen Fonds Anwendung. Folglich kann sich Italien auf die Notwendigkeit des Schutzes von Investoren nicht berufen.

( 51 ) In jedem Fall ist es gemäß Art. 267 AEUV nicht Sache des Gerichtshofs, im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens darüber zu entscheiden, ob die Auslegung der nationalen Bestimmungen durch das vorlegende Gericht richtig ist, und erst recht nicht, festzustellen, welche Ziele mit einer bestimmen Maßnahme verfolgt werden. Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Oktober 2010, Padawan (C‑467/08, EU:C:2010:620, Rn. 22), vom 15. September 2011, Gueye (C‑483/09 und C‑1/10, EU:C:2011:583, Rn. 42), und vom 21. Juni 2016, New Valmar (C‑15/15, EU:C:2016:464, Rn. 25 und 26). Da den betreffenden Mitgliedstaat keine Beweislast trifft, ist – wie bereits ausgeführt – zu berücksichtigen, dass der Gerichtshof, wenn er ein Urteil zu einem Vorabentscheidungsersuchen erlässt, dies immer nur auf der Grundlage der vom vorlegenden Gericht und zuweilen, jedoch mit einem gewissen Ermessensspielraum, der von den Parteien vorgetragenen Rechtfertigungsgründe tut. Wenn sich deshalb die angeführten Rechtfertigungsgründe als nicht die richtigen erweisen, mag die vom Gerichtshof gegebene Antwort, auch wenn sie in Anbetracht der vom vorlegenden Gericht mitgeteilten Umständen zu Recht gegeben wird, zur Entscheidung des Rechtsstreits nicht beitragen. Gleiches gilt, wenn sich herausstellt, dass bestimmte Vorschriften des nationalen Rechts, obwohl einschlägig, vom nationalen Gericht nicht genannt wurden, oder wenn die angeführten Bestimmungen auf den im Ausgangsverfahren anhängigen Rechtsstreit, insbesondere ratione temporis, faktisch nicht anwendbar sind. Auch wenn dies bedauerlich ist und für die Unionsbürger eine Quelle von Missverständnissen darstellt, ist dies die Folge des Vorabentscheidungsverfahrens, in dem der Gerichtshof, anders als ein nationales Höchstgericht, nicht die Befugnis hat, das nationale Recht auszulegen, und sich deshalb auf die Ausführungen der vorlegenden Gerichte verlassen muss.

( 52 ) Vgl. beispielsweise Urteil vom 1. Dezember 2011, Kommission/Belgien (C‑250/08, EU:C:2011:793, Rn. 71).

( 53 ) Wie ich jedoch bereits dargelegt habe, verpflichtet der Umstand, dass eine Gesellschaft eine im Aufnahmestaat nicht anerkannte Rechtsform annimmt, den betreffenden Mitgliedstaat nicht dazu, die günstigste verfügbare Steuerregelung auf diese Gesellschaft anzuwenden, sondern lediglich diejenige, die sich aus einer einheitlichen Anwendung der durch das nationale Recht vorgesehenen Kriterien ergibt.

( 54 ) Der Unterschied hinsichtlich der Liquidität zwischen offenen und geschlossenen Investmentfonds wird nunmehr durch Art. 1 der Delegierten Verordnung Nr. 694/2014 anerkannt.

( 55 ) Zu verlangen, dass das Problem existiert, statt das Risiko als ausreichend anzusehen, damit ein Mitgliedstaat sich auf die Notwendigkeit seiner Bekämpfung berufen kann, würde zu einem gesetzgeberischen Hin und Her führen und wäre meiner Meinung nach Ausdruck juristischer Kurzsichtigkeit: Eine Maßnahme würde als Reaktion auf ein Problem ergriffen und müsste anschließend wieder abgeschafft werden, sobald sie erfolgreich war, was dazu führen würde, dass das Problem wieder aufträte und den Staat veranlasste, die Maßnahme wieder einzuführen usw. Wenn das Problem, auf das sich ein Mitgliedstaat beruft, gerade eingedämmt ist, dann vielleicht gerade deshalb, weil die zu seiner Beseitigung ergriffenen Maßnahmen wirksam sind.

( 56 ) Vgl. Verordnung (EU) Nr. 1092/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über die Finanzaufsicht der Europäischen Union auf Makroebene und zur Errichtung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (ABl. 2010, L 331, S. 1). Richtig ist, dass das im vorliegenden Fall in Rede stehende Systemrisiko den Immobilienmarkt betrifft. Doch scheint mir allgemein anerkannt zu sein, dass bei einer Krise auf den Immobilienmärkten die Gefahr von Auswirkungen auf die Stabilität des Finanzsystems und die Wirtschaft als ganze besteht. Vgl. z. B. erster Erwägungsgrund der Empfehlung des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken vom 31. Oktober 2016 zur Schließung von Lücken bei Immobiliendaten (ESRB/2016/14) (ABl. 2017, C 31, S. 1).

( 57 ) Vgl. beispielsweise Urteil vom 10. Februar 2011, Haribo Lakritzen Hans Riegel und Österreichische Salinen (C‑436/08 und C‑437/08, EU:C:2011:61, Rn. 122). In einigen Urteilen oder Rechtsakten wird auf ein drittes Kriterium verwiesen, nämlich, dass es nicht möglich sein darf, die Anforderung durch eine weniger einschneidende Maßnahme zu ersetzen, durch die dasselbe Ziel erreicht werden kann. Letzteres stellt jedoch die andere Seite des Kriteriums dar, dass nämlich die fragliche Maßnahme nicht über das hinausgehen darf, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist. Wäre es nämlich möglich, eine weniger restriktive Maßnahme zu ergreifen, mit der dasselbe Ergebnis wie mit einer angewandten Maßnahme erreicht werden könnte, ginge diese letztgenannte Maßnahme zwangsläufig über das hierzu erforderliche Maß hinaus.

( 58 ) Vgl. entsprechend, betreffend die Reduzierung von Gesundheitsrisiken, Urteil vom 1. März 2018, CMVRO (C‑297/16, EU:C:2018:141, Rn. 65).

( 59 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juni 2015, Estland/Parlament und Rat (C‑508/13, EU:C:2015:403, Rn. 29).

( 60 ) Es ist Gemeingut, dass gewerbliche Immobilien spezifische Merkmale aufweisen, was zu einem vom Wohneigentumsmarkt – zumindest zum Teil – gesonderten Markt führt. Gleichwohl scheint anerkannt zu sein, dass die erhebliche Gefahr von gewerblichem Eigentum ausgehender negativer Ausstrahlungseffekte auf den Finanzsektor im Allgemeinen und die Realwirtschaft besteht. Vgl. hierzu Europäischer Ausschuss für Systemrisiken (ESRB), Report on vulnerabilities in the EU commercial real estate sector, November 2018, S. 51. Ferner stand der Sektor für Gewerbeimmobilien diesem Bericht zufolge (S. 11) in Italien im Jahr 2018 für etwa 6 % des Bruttoinlandsprodukts. Auch wenn Italien laut diesem Bericht im Jahr 2018 nicht zu den von negativen Ausstrahlungseffekten am stärksten betroffenen Mitgliedstaaten zählte, heißt das nicht, dass ein solches Risiko nicht bestanden hätte (und erst recht nicht, dass ein solches im Jahr 2006 nicht gegeben war). Dementsprechend ist davon auszugehen, dass die Bekämpfung dieses Risikos einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses im Sinne des Unionsrechts darstellt.

( 61 ) Nach Ansicht einiger Autoren waren Immobilienfonds im Jahr 2020 das gebräuchlichste Instrument für Investitionen in gewerbliche Immobilien in Italien. Vgl. Croce, L., de Capitani, G., und Trutalli, F., Commercial real estate in Italy: Overview, Thomson Reuters Practical law, online Q&A guide to corporate real estate law in Italy. In einer PwC-Studie, die auf Daten der Banca d’Italia (italienische Zentralbank) verweist, heißt es, dass Immobilienfonds im Jahr 2019 in Italien Vermögenswerte, seien es Einzelhandels-, Büro- oder Industrieimmobilien, im Wert von 56000000000 Euro verwaltet hätten. Diese Studie nennt allerdings nicht das Gesamtvolumen des Marktes. Vgl. PwC, Real Estate Market Overview: Italy 2019, abrufbar auf der Website dieses globalen Netzwerks von Unternehmen. In Irland betrug im Jahr 2016 der Anteil von Immobilienfonds (unter Ausschluss von Immobilien-Trusts, Versicherungsgesellschaften und Pensionsfonds) gehaltener Gewerbeimmobilien – je nach zugrunde gelegtem geschätzten Gesamtmarkt – zwischen 25 % und 50 % des Gewerbeimmobilien-Portfolios (Büro, Einzelhandel und Industrie). Diese Schätzung beruht auf den in Coates, D., Daly, P., Keenan, E., Kennedy, G., und McCarthy, B., Who Invests in the Irish Commercial Real Estate Market? An overview of Non-Bank Institutional Ownership of Irish CRE, Banc Ceannais na hÉireann/Central Bank of Ireland, Financial stability Notes, Nr. 6, 2019, Nr. 6, S. 5 und 7 genannten Zahlen. In Frankreich werden 14 % des gewerblichen Eigentums in Paris und seinen Vororten von Investmentfonds (börsennotiert oder nicht, jedoch unter Ausschluss institutioneller Inverstoren oder Banken) gehalten. Vgl. Association française des sociétés de placement immobilier (ASPIM) und Ernst & Young, L’investissement immobilier, une dynamique au service des territoires: 1re étude socio-économique des fonds d’investissement immobilier non cotés, Oktober 2019, S. 7.

( 62 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. März 2018, CMVRO (C‑297/16, EU:C:2018:141, Rn. 65).

( 63 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. November 2018, Memoria and Dall’Antonia (C‑342/17, EU:C:2018:906, Rn. 52).

( 64 ) Vgl. z. B. Europäischer Ausschuss für Systemrisiken (ESRB), Report on vulnerabilities in the EU commercial real estate sector, November 2018, S. 5. „[I]investment vehicles, such as open-ended REIFs, face redemption risks that can lead to [Commercial real estate market] price corrections if funds are forced to sell their assets rapidly“ (“Investmentinstrumente wie offene Immobilienfonds sind Rücknahmeverpflichtungen ausgesetzt, die zu Preisanpassungen [auf dem Markt für Gewerbeimmobilien] führen können, falls Fonds gezwungen sind, ihre Vermögenswerte rasch zu verkaufen“) (Ebd., S. 79). Es sei insoweit darauf hingewiesen, dass Anleger bei diesem Fondstyp gewöhnlich aufgrund eines Preisverfalls auf dem Immobilienmarkt die Auszahlung verlangen, um ihre Verluste zu begrenzen.

( 65 ) Im Oktober 2016 erließ die US-Börsenaufsichtsbehörde (Securities and Exchange Commission, SEC) neue Bestimmungen mit dem Ziel, die effektive Steuerung der Liquiditätsrisiken für offene Fonds zu fördern (https://www.sec.gov/rules/final/2016/33-10233.pdf); im Juli 2016 veröffentlichte die Securities & Future Commission (SFC) Hong Kong ein Rundschreiben mit zusätzlichen Orientierungshilfen für Vermögensverwalter insbesondere für das Liquiditätsrisikomanagement (https://apps.sfc.hk/edistributionWeb/gateway/EN/circular/doc?refNo=16EC29); die UK Financial Conduct Authority (FCA, Finanzaufsichtsbehörde des Vereinigten Königreichs) veröffentlichte weitere Orientierungshilfen (https://www.fca.org.uk/publications/documents/liquidity-management-investment-firms-good-practice); die französische Finanzaufsichtsbehörde (AMF, Authorité des marché financiers) veröffentlichte einen Konsultationsbericht zur Stressprüfung bei Investmentfonds (August 2016, https://www.amf-france.org/en/news-publications/news-releases/amf-news-releases/autorite-des-marches-financiers-amf-launches-consultation-use-stress-tests-help-manage-risk-asset, Abschlussbericht, veröffentlicht Februar 2017) sowie detaillierte Orientierungshilfen zum Gebrauch der neu eingeführten Barrieren für die Rücknahme von Investmentanteilen („Gates“) (Dezember 2016, https://www.amf-france.org/en/news-publications/news/setting-redemption-gates-mechanisms-amf-publishes-new-instruction-and-adjusts-its-existing-policy); der indische SEBI (Securities and Exchange Board) veröffentlichte ein Rundschreiben (Mai 2016) im Bereich des Liquiditätsmanagements (https://www.sebi.gov.in/sebi_data/attachdocs/1464693701007.pdf). Vgl. auch Vorstand der Internationalen Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden (International Organization of Securities Commissions), Open-ended Fund Liquidity and Risk Management – Good Practices and Issues for Consideration – Final report, Februar 2018 (https://memofin-media.s3.eu-west-3.amazonaws.com/uploads/library/pdf/Memo%20OICV%20gestion%20risque%20liquidit%c3%a9.pdf) oder, aus jüngerer Zeit im Zusammenhang mit der Covid-Krise: Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA, European Securities and Markets Authority), Empfehlung des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (ESRB) über Liquiditätsrisiken bei Investmentfonds vom 12. November 2020, insbesondere S. 54 über Immobilienfonds.

( 66 ) Vgl. beispielsweise Dillon Eustace, A Guide to Irish Regulated Real Estate Funds, 2009, S. 4.

( 67 ) Vgl. entsprechend Urteil vom 10. April 2014, Emerging Markets Series of DFA Investment Trust Company (C‑190/12, EU:C:2014:249, Rn. 43).

( 68 ) Wollte man gemäß der ersten Voraussetzung des Verhältnismäßigkeitstests der Wirksamkeit der in Rede stehenden Maßnahme übermäßige Bedeutung beimessen, geriete diese Voraussetzung mit der zweiten Voraussetzung in Konflikt, wonach die in Rede stehende Maßnahme nicht über das erforderliche Maß hinausgehen sollte.

( 69 ) Vgl. Urteil vom 16. Juni 1994, Steen (C‑132/93, EU:C:1994:254, Rn. 9 bis 11).

( 70 ) Vgl. Nr. 76 der vorliegenden Schlussanträge. Wie ich in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Autoridade Tributária e Aduaneira (Besteuerung von Veräußerungsgewinnen aus Immobiliengeschäften) (C‑388/19, EU:C:2020:940) dargelegt habe, sollte der Gerichtshof steuerliche Maßnahmen nicht isoliert betrachten, sondern sich vielmehr darum bemühen, sich in Bezug auf das auf die fragliche Situation anwendbare Steuerrecht ein vollständiges Bild zu verschaffen, auch wenn dies die Prüfung erschwert.

( 71 ) Das Gleiche gilt für das Vorbringen von UBS Real Estate zu dem den Anlegern des Fonds empfohlenen Anlagehorizont.

( 72 ) Art. 12 der Vertragsbedingungen dieser beiden Fonds sieht in der dem Gerichtshof übermittelten Fassung vor, dass „die [Verwaltungs‑]Gesellschaft sich das Recht vorbehält, die Rücknahme aus Gründen der Liquiditätssicherung zum Schutz der Anleger vorübergehend zu verweigern. Für den Fall, dass die Bankguthaben und die Erlöse aus der Veräußerung der vorhandenen Geldmarktinstrumente, Investmentanteile und Wertpapiere nicht ausreichen, um die Rücknahmesumme aufzubringen und ordnungsgemäße Managementleistungen zu gewährleisten, oder sie nicht sofort zur Verfügung stehen, ist die Gesellschaft berechtigt, die Rücknahme für einen Zeitraum von sechs Monaten zu verweigern. Sind nach Ablauf dieses Zeitraums die Mittel zur Deckung der Rücknahme immer noch nicht ausreichend, müssen zum Sondervermögen des Fonds gehörende Immobilien veräußert werden. Die Gesellschaft kann die Rücknahme so lange verweigern, bis die Veräußerung dieser Immobilien zu angemessenen Bedingungen stattgefunden hat, längstens jedoch für zwei Jahre nach Stellung des Rücknahmeantrags. Durch eine Bekanntmachung an die Anleger (im elektronischen Bundesanzeiger und in einer Wirtschafts- oder Tageszeitung mit hinreichender Verbreitung oder in den im Verkaufsprospekt bezeichneten elektronischen Informationsmedien) kann die vorgenannte Frist um ein weiteres Jahr verlängert werden.“

( 73 ) So wirkte sich beispielsweise die sogenannte Subprime-Krise zumindest für den Zeitraum 2007 bis 2012 auf den US-amerikanischen Immobilienmarkt aus. Eine ähnliche Krise hatte Auswirkungen auf den spanischen und den irischen Immobilienmarkt in den Jahren 2008 bis 2014.

( 74 ) Insoweit weise ich darauf hin, dass die aufgeworfene Frage die Vereinbarkeit der ersten in Art. 35 Abs. 10-ter des Decreto-legge Nr. 223/2006 genannten Voraussetzung für die Inanspruchnahme eines ermäßigten Steuersatzes mit dem Unionsrecht betrifft und nicht die der von den italienischen Steuerbehörden angewandten Praxis. Folglich ist das Vorbringen von UBS Real Estate so zu verstehen, dass damit der Rückgriff auf eine Voraussetzung kritisiert wird, die auf den offenen oder geschlossenen Charakter des Fonds abstellt, da es angemessener gewesen wäre, auf ein Kriterium zurückzugreifen, das auf einer genauen Analyse der Satzung der Fonds beruht.

( 75 ) In dieser Hinsicht sei erneut darauf hingewiesen, dass Immobilienfonds zum Zeitpunkt der im Ausgangsverfahren maßgebenden Ereignisse nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 85/611 fielen und daher nicht vom Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung oder vom Grundsatz der Kontrolle allein durch das Recht des Herkunftsstaats profitierten.

( 76 ) In einem Bereich, der allerdings in die ausschließliche Zuständigkeit der Union fällt, hat der Gerichtshof jedoch bestätigt, dass die Verwendung eines allgemeinen Kriteriums (Dauer der Ehe von mindestens einem Jahr, um von der Existenz und Stabilität von Beziehungen zwischen den betroffenen Personen ausgehen zu können) nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstieß, auch wenn eine detailliertere Beurteilung der jeweiligen Situation, beispielsweise aufgrund einer Prüfung der von den betroffenen Parteien beigebrachten Beweise, ebenso möglich gewesen wäre. Vgl. Urteil vom 19. Dezember 2019, HK/Kommission (C‑460/18 P, EU:C:2019:1119, Rn. 89).

( 77 ) Anderes gilt, wie ich bereits angemerkt habe, im Hinblick auf eine mittelbare Diskriminierung, sollte eine solche festgestellt werden.