SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PRIIT PIKAMÄE

vom 13. Januar 2022 ( 1 )

Verbundene Rechtssachen C‑451/19 und C‑532/19

Subdelegación del Gobierno en Toledo

gegen

XU (C‑451/19)

und

Subdelegación del Gobierno en Toledo

gegen

QP (C‑532/19)

(Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal Superior de Justicia de Castilla-La Mancha [Oberster Gerichtshof von Kastilien-La Mancha, Spanien])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 20 AEUV – Unionsbürgerschaft – Unionsbürger, der nie von seiner Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat – Antrag eines drittstaatsangehörigen Familienangehörigen auf eine Aufenthaltskarte – Ablehnung – Pflicht des Unionsbürgers, über ausreichende Existenzmittel zu verfügen – Pflicht der Ehegatten zum Zusammenleben – Minderjähriges Kind, das Unionsbürger ist – Nationale Rechtsvorschriften und Praxis – Tatsächlicher Genuss des Kernbestands der EU-Staatsangehörigen verliehenen Rechte – Vorenthaltung“

I. Einleitung

1.

Die vom Tribunal Superior de Justicia de Castilla-La Mancha (Oberster Gerichtshof von Kastilien-La Mancha, Spanien) in den vorliegenden verbundenen Rechtssachen vorgelegten Vorabentscheidungsersuchen beziehen sich auf die Auslegung von Art. 20 AEUV in Bezug auf die Anerkennung des Aufenthaltsrechts drittstaatsangehöriger Familienmitglieder (des Sohns der Ehefrau bzw. des Ehemanns) eines spanischen Bürgers, der sein Recht auf Freizügigkeit nicht ausgeübt hat, sowie die etwaige Verpflichtung, eine konkrete Einzelfallprüfung der Frage vorzunehmen, ob ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Mitgliedern der Kernfamilie besteht.

2.

Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen der Subdelegación del Gobierno en Toledo (Unterdelegation der Regierung in Toledo, Spanien) (im Folgenden: Unterdelegation) und Drittstaatsangehörigen über die Ablehnung von Anträgen auf Erteilung einer Aufenthaltskarte für Familienangehörige von Unionsbürgern durch die Unterdelegation. Zur Begründung ihrer Anträge machen die Drittstaatsangehörigen ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht geltend, das auf Art. 20 AEUV und die Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Unionsbürgerstatus gestützt wird. Die vorliegenden Rechtssachen bieten dem Gerichtshof Gelegenheit, seine Rechtsprechung zum abgeleiteten Aufenthaltsrecht, das einem Drittstaatsangehörigen nach dieser Vorschrift unter bestimmten außergewöhnlichen Umständen zuerkannt werden muss, zu präzisieren.

II. Rechtlicher Rahmen

A. Unionsrecht

1.   Richtlinie 2004/38/EG

3.

Art. 1 der Richtlinie 2004/38/EG ( 2 ) bestimmt:

„Die Richtlinie regelt

a)

die Bedingungen, unter denen Unionsbürger und ihre Familienangehörigen das Recht auf Freizügigkeit und Aufenthalt innerhalb des Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten genießen;

b)

das Recht auf Daueraufenthalt der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten;

…“

4.

Art. 3 („Berechtigte“) dieser Richtlinie sieht in seinem Abs. 1 vor:

„Diese Richtlinie gilt für jeden Unionsbürger, der sich in einen anderen als den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, begibt oder sich dort aufhält, sowie für seine Familienangehörigen im Sinne von Artikel 2 Nummer 2, die ihn begleiten oder ihm nachziehen.“

5.

Art. 7 Abs. 1 und 2 der genannten Richtlinie hat folgenden Wortlaut:

„(1)   Jeder Unionsbürger hat das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von über drei Monaten, wenn er

b)

für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, und er und seine Familienangehörigen über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügen oder

d)

ein Familienangehöriger ist, der den Unionsbürger, der die Voraussetzungen des Buchstabens a), b) oder c) erfüllt, begleitet oder ihm nachzieht.

(2)   Das Aufenthaltsrecht nach Absatz 1 gilt auch für Familienangehörige, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen und die den Unionsbürger in den Aufnahmemitgliedstaat begleiten oder ihm nachziehen, sofern der Unionsbürger die Voraussetzungen des Absatzes 1 Buchstabe a), b) oder c) erfüllt.“

2.   Richtlinie 2003/86/EG

6.

In Art. 2 der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung ( 3 ) heißt es:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

c)

‚Zusammenführender‘ den sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhaltenden Drittstaatsangehörigen, der oder dessen Familienangehörige einen Antrag auf Familienzusammenführung mit ihm stellt bzw. stellen;

…“

7.

Art. 3 dieser Richtlinie sieht vor:

„(1)   Diese Richtlinie findet Anwendung, wenn der Zusammenführende im Besitz eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten Aufenthaltstitels mit mindestens einjähriger Gültigkeit ist, begründete Aussicht darauf hat, ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht zu erlangen, und seine Familienangehörigen Drittstaatsangehörige sind, wobei ihre Rechtsstellung unerheblich ist.

(3)   Diese Richtlinie findet auf die Familienangehörigen eines Unionsbürgers keine Anwendung.“

8.

Art. 4 der erwähnten Richtlinie lautet:

„(1)   Vorbehaltlich der in Kapitel IV sowie in Artikel 16 genannten Bedingungen gestatten die Mitgliedstaaten gemäß dieser Richtlinie folgenden Familienangehörigen die Einreise und den Aufenthalt:

c)

den minderjährigen Kindern, einschließlich der adoptierten Kinder des Zusammenführenden, wenn der Zusammenführende das Sorgerecht besitzt und für den Unterhalt der Kinder aufkommt. Die Mitgliedstaaten können die Zusammenführung in Bezug auf Kinder gestatten, für die ein geteiltes Sorgerecht besteht, sofern der andere Elternteil seine Zustimmung erteilt;

(6)   Die Mitgliedstaaten können im Rahmen einer Ausnahmeregelung vorsehen, dass die Anträge betreffend die Familienzusammenführung minderjähriger Kinder gemäß den im Zeitpunkt der Umsetzung dieser Richtlinie vorhandenen nationalen Rechtsvorschriften vor Vollendung des fünfzehnten Lebensjahres gestellt werden. Wird ein Antrag nach Vollendung des fünfzehnten Lebensjahres gestellt, so genehmigen die Mitgliedstaaten, die diese Ausnahmeregelung anwenden, die Einreise und den Aufenthalt dieser Kinder aus anderen Gründen als der Familienzusammenführung.“

9.

Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2003/86 bestimmt:

„Der Antrag ist zu stellen und zu prüfen, wenn sich die Familienangehörigen noch außerhalb des Hoheitsgebiets des Mitgliedstaats aufhalten, in dem sich der Zusammenführende aufhält.

Abweichend davon kann ein Mitgliedstaat gegebenenfalls zulassen, dass ein Antrag gestellt wird, wenn sich die Familienangehörigen bereits in seinem Hoheitsgebiet befinden.“

B. Spanisches Recht

10.

Art. 32 der spanischen Verfassung sieht vor:

„(1)   Mann und Frau haben das Recht, bei voller rechtlicher Gleichstellung die Ehe zu schließen.

(2)   Das Gesetz legt die Formen der Ehe, das Alter und die Voraussetzungen für die Eheschließung, die Rechte und Pflichten der Ehegatten sowie die Gründe für Trennung und Auflösung und deren Auswirkungen fest.“

11.

Art. 68 des Código Civil (Zivilgesetzbuch) lautet:

„Die Ehegatten sind verpflichtet, zusammenzuleben, einander treu zu sein und einander zu helfen. Darüber hinaus müssen sie die häusliche Verantwortung und die Fürsorge und Betreuung der Vor- und Nachfahren und der übrigen unter ihrer Aufsicht stehenden Angehörigen teilen.“

12.

Art. 70 dieses Gesetzbuchs sieht vor:

„Die Ehegatten bestimmen in gegenseitigem Einvernehmen den Ort der ehelichen Wohnung, und bei Uneinigkeit entscheidet der Richter unter Berücksichtigung des Interesses der Familie.“

13.

Art. 110 des Zivilgesetzbuchs lautet:

„Der Vater und die Mutter sind, selbst wenn sie die elterliche Sorge nicht ausüben, verpflichtet, sich um ihre minderjährigen Kinder zu kümmern und für ihren Unterhalt aufzukommen.“

14.

In Art. 154 dieses Gesetzbuchs heißt es:

„Unmündige Minderjährige stehen unter der elterlichen Sorge der Eltern.

…“

15.

Art. 1 des Real Decreto 240/2007, sobre entrada, libre circulación y residencia en España de ciudadanos de los Estados miembros de la Unión Europea y de otros Estados parte en el Acuerdo sobre el Espacio Económico Europeo (Königliches Dekret 240/2007 über Einreise, Freizügigkeit und Aufenthalt von Bürgern der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der übrigen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in Spanien) ( 4 ) vom 16. Februar 2007 in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung bestimmt:

„(1)   Das vorliegende Königliche Dekret regelt die Bedingungen für die Ausübung der Rechte auf Ein- und Ausreise, Freizügigkeit, vorübergehenden Aufenthalt, ständigen Aufenthalt, Daueraufenthalt und Erwerbstätigkeit in Spanien für Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der übrigen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sowie die Grenzen der vorstehenden Rechte aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit.

(2)   Der Inhalt des vorliegenden Königlichen Dekrets lässt die Bestimmungen in Spezialgesetzen und internationalen Verträgen, denen Spanien beigetreten ist, unberührt.“

16.

Art. 2 dieses Königlichen Dekrets sieht vor:

„Das vorliegende Königliche Dekret gilt auch unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit für Familienangehörige eines Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, wenn sie ihn begleiten oder ihm nachziehen, unter den hierin vorgesehenen Bedingungen, die nachstehend aufgeführt sind:

a)

für den Ehegatten, sofern keine Vereinbarung oder Feststellung über die Ungültigkeit der Ehe, über die Scheidung oder über die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes vorliegt;

c)

für seine direkten Nachkommen und die Nachkommen seines Ehegatten oder seines eingetragenen Partners, die weniger als 21 Jahre alt sind oder dieses Alter überschreiten und von ihm unterhalten werden oder bedürftig sind, sofern keine Vereinbarung oder Feststellung über die Ungültigkeit der Ehe, über die Scheidung oder über die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes vorliegt oder die Eintragung der Partnerschaft nicht rückgängig gemacht worden ist;

…“

17.

Art. 7 des Königlichen Dekrets lautet:

„(1)   Jeder Staatsangehörige eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum hat das Recht, sich für einen Zeitraum von über drei Monaten im spanischen Hoheitsgebiet aufzuhalten, wenn er

b) für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen in Spanien in Anspruch nehmen müssen, und er und seine Familienangehörigen über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz in Spanien verfügen oder

d) ein Familienangehöriger ist, der den Unionsbürger oder Staatsangehörigen eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, der die Voraussetzungen des Buchst. a, b oder c erfüllt, begleitet oder ihm nachzieht.

(2)   Das in Abs. 1 vorgesehene Aufenthaltsrecht erstreckt sich auf Familienangehörige, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, wenn sie den Unionsbürger oder Staatsangehörigen eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in Spanien begleiten oder ihm nachziehen, sofern dieser die Voraussetzungen des Abs. 1 Buchst. a, b oder c erfüllt.

(7)   Hinsichtlich der ausreichenden Existenzmittel darf kein fester Betrag festgelegt werden, sondern es muss die persönliche Situation der Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum berücksichtigt werden. Dieser Betrag darf in keinem Fall über dem Schwellenbetrag der finanziellen Mittel liegen, unter dem Spaniern Sozialhilfe gewährt wird, oder über der Mindestrente der Sozialversicherung.“

18.

Art. 8 Abs. 1 desselben Königlichen Dekrets bestimmt:

„Familienangehörige eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum im Sinne von Art. 2 dieses Königlichen Dekrets, die nicht die Staatsangehörigkeit eines der genannten Staaten besitzen, können sich, wenn sie den Staatsangehörigen begleiten oder ihm nachziehen, für einen Zeitraum von über drei Monaten in Spanien aufhalten; sie müssen eine ‚Aufenthaltskarte für Familienangehörige von Unionsbürgern‘ beantragen und erhalten.“

III. Sachverhalt, Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

A. Rechtssache C‑451/19

19.

XU, der die venezolanische Staatsangehörigkeit besitzt, wurde am 19. September 2001 in Venezuela geboren. Die Mutter von XU, eine venezolanische Staatsangehörige, ist Inhaberin einer Tarjeta de Residencia Comunitaria (EU-Aufenthaltskarte) und lebt mit ihrem Kind seit 2004 in Spanien. XU hatte in diesem Mitgliedstaat eine Aufenthaltserlaubnis erhalten.

20.

Am 20. Januar 2011 entschied ein Jugendgericht des Staates Venezuela, dass die Personensorge für XU seiner Mutter zugesprochen werde, die sich zusammen mit dem Kind unbeschränkt in Spanien aufhalten könne.

21.

Die Mutter von XU und dessen Stiefvater, ein spanischer Staatsangehöriger, der von seiner Freizügigkeit innerhalb der Union nie Gebrauch gemacht hat, heirateten am 6. September 2014 in El Viso de San Juan (Spanien). Die Gültigkeit dieser Eheschließung wurde nicht in Zweifel gezogen.

22.

Die Ehegatten wohnen seit dem 12. Dezember 2008 zusammen in El Viso de San Juan (Spanien). Am 24. Juli 2009 ging aus ihrer Verbindung ein Kind mit spanischer Staatsangehörigkeit hervor.

23.

Am 28. September 2015 stellte der Stiefvater von XU für diesen gemäß Art. 2 Buchst. c des Königlichen Dekrets 240/2007 einen Antrag auf Erteilung einer zeitlich befristeten Aufenthaltskarte für Familienangehörige von Unionsbürgern.

24.

Dieser Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, der Stiefvater von XU habe nicht nachgewiesen, dass er, wie Art. 7 des Königlichen Dekrets 240/2007 verlange, über ausreichende Existenzmittel für sich selbst und seine Familienangehörigen verfüge.

25.

Am 28. Januar 2016 bestätigte die Unterdelegation die Ablehnung des Antrags des Stiefvaters von XU. Dagegen erhob dieser eine verwaltungsgerichtliche Klage beim Juzgado de lo Contencioso-Administrativo no 1 de Toledo (Verwaltungsgericht Nr. 1 Toledo, Spanien).

26.

Dieses Gericht gab seiner Klage statt und vertrat die Auffassung, dass Art. 7 des Königlichen Dekrets 240/2007 im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei, da der Stiefvater von XU von seiner Freizügigkeit innerhalb der Union nie Gebrauch gemacht habe.

27.

Die staatliche Verwaltung legte gegen dieses Urteil Berufung beim Tribunal Superior de Justicia de Castilla-La Mancha (Oberster Gerichtshof von Kastilien-La Mancha) ein, das beschloss, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Kann die Forderung, dass ein spanischer Bürger, der sein Recht auf Freizügigkeit nicht ausgeübt hat, als notwendige Bedingung für die Anerkennung des Aufenthaltsrechts des die Staatsangehörigkeit eines Drittstaats besitzenden minderjährigen Sohnes seines ebenfalls einem Drittstaat angehörenden Ehegatten nach Art. 7 Abs. 2 des Königlichen Dekrets 240/2007 die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 dieses Königlichen Dekrets erfüllen muss, bei Nichtvorliegen dieser Voraussetzungen eine Verletzung von Art. 20 AEUV darstellen, wenn der spanische Bürger infolge der Verweigerung dieses Aufenthaltsrechts gezwungen wäre, das Unionsgebiet als Ganzes zu verlassen?

Dabei ist zu beachten, dass in Art. 68 des spanischen Zivilgesetzbuchs die Verpflichtung der Ehegatten festgelegt ist, zusammen zu leben.

2.

Wird Art. 20 AEUV unabhängig von dem Vorstehenden unter den genannten Umständen jedenfalls durch die Praxis des spanischen Staates verletzt, die Regelung in Art. 7 des Königlichen Dekrets 240/2007 automatisch anzuwenden, nach der die Aufenthaltserlaubnis dem einem Drittstaat angehörenden minderjährigen Kind des einem Drittstaat angehörenden Ehegatten eines Unionsbürgers, der von seinem Recht auf Freizügigkeit nie Gebrauch gemacht hat (und mit Letzterem ein spanisches Kind hat, das sein Recht auf Freizügigkeit ebenfalls nie ausgeübt hat), nur deshalb verweigert wird, weil der Unionsbürger die dort festgelegten Voraussetzungen nicht erfüllt, ohne dass eine konkrete Einzelfallprüfung stattgefunden hat, ob zwischen diesem Unionsbürger und dem Drittstaatsangehörigen ein Abhängigkeitsverhältnis besteht, das aus irgendwelchen Gründen in Anbetracht der gegebenen Umstände zur Folge hätte, dass sich der Unionsbürger, sollte dem Drittstaatsangehörigen das Aufenthaltsrecht verweigert werden, nicht von dem Familienangehörigen, der von ihm abhängig ist, trennen könnte und das Unionsgebiet verlassen müsste? Dies umso mehr in einem Fall, in dem der spanische Staatsangehörige und sein einem Drittstaat angehörender Ehegatte Eltern eines minderjährigen Kindes mit spanischer Staatsangehörigkeit sind, das sich ebenfalls gezwungen sehen könnte, zusammen mit seinen Eltern das spanische Hoheitsgebiet zu verlassen?

Die Frage stellt sich vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, u. a. des Urteils vom 8. Mai 2018, K. A. u. a. (Familienzusammenführung in Belgien) (C‑82/16, EU:C:2018:308).

B. Rechtssache C‑532/19

28.

Am 25. September 2015 heiratete QP, ein peruanischer Staatsangehöriger, eine spanische Staatsangehörige, die von ihrer Freizügigkeit innerhalb der Union nie Gebrauch gemacht hat. Die Rechtmäßigkeit dieser Eheschließung wurde nie in Zweifel gezogen. QP und seine Ehefrau sind Eltern einer am 11. August 2012 geborenen Tochter mit spanischer Staatsangehörigkeit.

29.

Am 2. Oktober 2015 stellte QP einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltskarte für Familienangehörige von Unionsbürgern und fügte seinem Antrag u. a. den unbefristeten Arbeitsvertrag seiner Ehefrau und mehrere Gehaltsabrechnungen bei.

30.

Während der Untersuchung der Angelegenheit unterrichtete die Unterdelegation QP darüber, dass gegen ihn drei strafrechtliche Verurteilungen vom 7. September 2010, vom 25. Oktober 2010 und vom 16. November 2016 vorlägen, die erste und die dritte wegen Führens eines Kraftfahrzeugs ohne Fahrerlaubnis und die zweite wegen Trunkenheit im Straßenverkehr, damit er dazu Stellung nehmen konnte, was er auch tat.

31.

Am 14. Dezember 2015 lehnte die Unterdelegation den Antrag von QP mit der Begründung ab, dass die im Königlichen Dekret 240/2007 festgelegten Voraussetzungen nicht erfüllt seien, da QP in Spanien vorbestraft sei und für sich selbst und seine Familienangehörigen nicht über ausreichende Existenzmittel verfüge.

32.

Am 1. Februar 2016 bestätigte die Unterdelegation die Ablehnung des Antrags von QP. Dagegen erhob dieser eine verwaltungsgerichtliche Klage beim Juzgado de lo Contencioso-Administrativo no 2 de Toledo (Verwaltungsgericht Nr. 2 Toledo, Spanien), das seiner Klage stattgab.

33.

Die staatliche Verwaltung legte gegen dieses Urteil Berufung beim Tribunal Superior de Justicia de Castilla-La Mancha (Oberster Gerichtshof von Kastilien-La Mancha) ein, das beschloss, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Kann die Forderung, dass ein spanischer Bürger, der sein Recht auf Freizügigkeit nicht ausgeübt hat, als notwendige Bedingung für die Anerkennung des Aufenthaltsrechts seines die Staatsangehörigkeit eines Drittstaats besitzenden Ehegatten nach Art. 7 Abs. 2 des Königlichen Dekrets 240/2007 die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 dieses Königlichen Dekrets erfüllen muss, bei Nichtvorliegen dieser Voraussetzungen eine Verletzung von Art. 20 AEUV darstellen, wenn der spanische Bürger infolge der Verweigerung dieses Aufenthaltsrechts gezwungen wäre, das Unionsgebiet als Ganzes zu verlassen?

Dabei ist zu beachten, dass in Art. 68 des spanischen Zivilgesetzbuchs die Verpflichtung der Ehegatten festgelegt ist, zusammen zu leben.

2.

Wird unabhängig von dem Vorstehenden Art. 20 AEUV unter den genannten Umständen jedenfalls durch die Praxis des spanischen Staates verletzt, die Regelung in Art. 7 des Königlichen Dekrets 240/2007 automatisch anzuwenden, nach der die Aufenthaltserlaubnis dem Familienangehörigen eines Unionsbürgers, der von seiner Freizügigkeit nie Gebrauch gemacht hat, deshalb verweigert wird, weil der Unionsbürger die dort festgelegten Voraussetzungen nicht erfüllt, ohne dass eine konkrete Einzelfallprüfung erfolgt wäre, ob zwischen diesem Unionsbürger und dem Drittstaatsangehörigen ein derartiges Abhängigkeitsverhältnis besteht, dass es aus irgendeinem Grund in Anbetracht der gegebenen Umstände zur Folge hätte, dass sich der Unionsbürger, sollte dem Drittstaatsangehörigen das Aufenthaltsrecht verweigert werden, nicht von dem Familienangehörigen, der von ihm abhängt, trennen könnte und das Unionsgebiet verlassen müsste?

Die Frage stellt sich vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, u. a. des Urteils vom 8. Mai 2018, K. A. u. a. (Familienzusammenführung in Belgien) (C‑82/16, EU:C:2018:308).

IV. Verfahren vor dem Gerichtshof

34.

Die Vorlageentscheidung in der Rechtssache C‑451/19, die vom 29. April 2019 datiert, ist am 12. Juni 2019 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen.

35.

Die Vorlageentscheidung in der Rechtssache C‑532/19, die vom 17. Juni 2019 datiert, ist am 11. Juli 2019 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen.

36.

Mit Entscheidung des Gerichtshofs vom 16. April 2020 sind die fraglichen Rechtssachen zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren sowie zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

37.

Die spanische Regierung und die Europäische Kommission haben innerhalb der in Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union vorgesehenen Frist schriftliche Erklärungen eingereicht.

38.

Der Gerichtshof hat gemäß Art. 76 Abs. 2 seiner Verfahrensordnung entschieden, keine mündliche Verhandlung abzuhalten.

V. Rechtliche Würdigung

A. Vorbemerkungen

39.

Wie einleitend ausgeführt worden ist, beziehen sich die vorliegenden Rechtssachen im Wesentlichen auf die Auslegung von Art. 20 AEUV in Bezug auf die Anerkennung des Aufenthaltsrechts drittstaatsangehöriger Familienmitglieder (des Sohns der Ehefrau bzw. des Ehemanns) eines Unionsbürgers, der sein Recht auf Freizügigkeit nicht ausgeübt hat, sowie die etwaige Verpflichtung der zuständigen Behörden, eine konkrete Einzelfallprüfung der Frage vorzunehmen, ob ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Mitgliedern der Kernfamilie besteht.

40.

Aus Gründen der Klarheit und der Übersichtlichkeit sollen diese beiden thematischen Achsen, die der ersten bzw. der zweiten Vorlagefrage entsprechen, in derselben Reihenfolge untersucht werden. Dementsprechend werde ich zunächst feststellen, ob ein Drittstaatsangehöriger unter Umständen wie denen der vorliegenden Rechtssachen ein auf Art. 20 AEUV gestütztes abgeleitetes Recht genießt ( 5 ). Anschließend werde ich auf die Anforderungen eingehen, die in der Rechtsprechung des Gerichtshofs an die Prüfung eines Abhängigkeitsverhältnisses gestellt werden ( 6 ). Im Rahmen meiner Analyse werde ich zu mehreren der vom vorlegenden Gericht in seinen Vorabentscheidungsersuchen aufgeworfenen Rechtsfragen Stellung nehmen. Die aus dieser Analyse zu ziehenden Schlussfolgerungen, die in einer Übersicht über die Prüfung der einzelnen thematischen Achsen zusammengefasst sind ( 7 ), werden die gestellten Fragen schließlich beantworten.

B. Erste thematische Achse: Prüfung der Frage, ob für Drittstaatsangehörige unter den Umständen der vorliegenden Rechtssachen ein abgeleitetes Recht besteht

1.   Im Rahmen der Analyse zu berücksichtigende Aspekte

41.

Die Notwendigkeit einer eingehenden Analyse der ersten thematischen Achse, die sich auf die Frage bezieht, ob sich das etwaige Bestehen eines Aufenthaltsrechts unter den Umständen der vorliegenden Rechtssachen daraus ergibt, dass sich nicht ausschließen lässt, dass Art. 20 AEUV der Praxis der spanischen Behörden entgegensteht, einem Drittstaatsangehörigen, der Familienangehöriger eines Unionsbürgers ist, die Gewährung eines Aufenthaltstitels allein deshalb zu versagen, weil der Unionsbürger nicht über ausreichende Existenzmittel für sich und den Drittstaatsangehörigen (oder eine Krankenversicherung) verfügt.

42.

Insoweit ist nämlich darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof im Urteil vom 27. Februar 2020, Subdelegación del Gobierno en Ciudad Real (Ehegatte eines Unionsbürgers) (C‑836/18, im Folgenden: Urteil Subdelegación del Gobierno en Ciudad Real, EU:C:2020:119), genau zu dieser Schlussfolgerung gelangt ist. Ganz konkret hat der Gerichtshof in jenem Urteil die Entscheidung der spanischen Behörden beanstandet, einen Antrag auf Familienzusammenführung, den der drittstaatsangehörige Ehegatte eines Unionsbürgers gestellt hatte, allein deshalb abzulehnen, weil der Unionsbürger für sich und seinen Ehegatten nicht über so ausreichende Existenzmittel verfügte, dass sie keine nationalen Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen mussten, ohne geprüft zu haben, ob zwischen dem Unionsbürger und seinem Ehegatten ein Abhängigkeitsverhältnis bestand, das den Unionsbürger im Fall der Weigerung, dem Ehegatten ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht zu gewähren, zwingen würde, das Gebiet der Union zu verlassen, um bei seinem Ehegatten bleiben und auf diese Weise die tatsächliche Unterstützung der von ihm abhängigen Person sicherstellen zu können. Der Gerichtshof hat in der Folge entschieden, dass Art. 20 AEUV der Verwaltungspraxis der spanischen Behörden entgegenstand, die lediglich die geltenden nationalen Rechtsvorschriften anwandten ( 8 ).

43.

Die Umstände der Ausgangsrechtssachen weisen mehrere Ähnlichkeiten mit denen der Rechtssache auf, in der jenes Urteil ergangen ist, da erstens die fraglichen Unionsbürger nicht von ihrer Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben und zweitens die Ausgangsrechtssachen genau dieselben nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung von Art. 7 der Richtlinie 2004/38 betreffen, die darüber hinaus eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf den vorliegenden spezifischen Fall vorsehen ( 9 ) und damit über die Vorgaben des Unionsrechts hinausgehen. Zu bemerken ist jedoch, dass auch signifikante Unterschiede auf der Tatsachenebene bestehen, die eine besondere Beurteilung im Licht der in der Rechtsprechung auf dem Gebiet der Unionsbürgerschaft entwickelten Grundsätze verdienen. Während es in der besagten Rechtssache darum ging, die mögliche Abhängigkeit zwischen verheirateten Ehegatten ohne unterhaltsberechtigte Kinder zu untersuchen, zeichnen sich die Ausgangsrechtssachen nämlich dadurch aus, dass es in der Kernfamilie unterhaltsberechtigte Kinder gibt, die Unionsbürger sind. In diesem Zusammenhang möchte ich hervorheben, dass Minderjährige aufgrund ihrer Verletzlichkeit eines erhöhten Schutzes seitens der nationalen Behörden bedürfen, was meiner Meinung nach in der Anwendung von Art. 20 AEUV auf den vorliegenden Fall zum Ausdruck kommen sollte. In diesem Sinne und unter Berücksichtigung der erwähnten Unterschiede wird der Gerichtshof ganz offenkundig eine Reihe wichtiger Klarstellungen hinsichtlich der Definition des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift vornehmen müssen.

44.

Bevor die Frage geprüft wird, ob sich Drittstaatsangehörige aufgrund ihres Status als Familienangehörige eines Unionsbürgers unter Umständen wie denen der vorliegenden Rechtssachen tatsächlich auf ein auf Art. 20 AEUV gestütztes abgeleitetes Recht berufen können, müssen meines Erachtens jedoch kurz die für die Unionsbürgerschaft geltenden Grundsätze, wie sie in der Rechtsprechung des Gerichtshofs entwickelt worden sind, in Erinnerung gerufen werden ( 10 ). Erst nach dieser Darstellung des gegenwärtigen Stands der Rechtsprechung in diesem Bereich des Unionsrechts wird geprüft werden können, ob die genannten Grundsätze im vorliegenden Fall Anwendung finden ( 11 ).

2.   Darstellung des gegenwärtigen Stands der Rechtsprechung im Bereich der Unionsbürgerschaft

a)   Rechtsprechung zum abgeleiteten Aufenthaltsrecht von Drittstaatsangehörigen, das sich auf ihren Status als Familienangehörige eines Unionsbürgers stützt

45.

Nach einer ständigen Rechtsprechung, die im Urteil Subdelegación del Gobierno en Ciudad Real aufgegriffen worden ist, verleiht Art. 20 AEUV jeder Person, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt, den Status eines Unionsbürgers, der dazu bestimmt ist, der grundlegende Status der Angehörigen der Mitgliedstaaten zu sein. Die Unionsbürgerschaft verleiht jedem Unionsbürger ein elementares, persönliches Recht, sich vorbehaltlich der im Vertrag vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen und der Maßnahmen zu ihrer Durchführung frei im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zu bewegen und aufzuhalten ( 12 ).

46.

Vor diesem Hintergrund hat der Gerichtshof entschieden, dass Art. 20 AEUV nationalen Maßnahmen einschließlich Entscheidungen, mit denen Familienangehörigen eines Unionsbürgers der Aufenthalt verweigert wird, entgegensteht, die bewirken, dass den Unionsbürgern der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihnen ihr Status verleiht, verwehrt wird. Dagegen verleihen die Vertragsbestimmungen über die Unionsbürgerschaft Drittstaatsangehörigen keine eigenständigen Rechte. Die etwaigen Rechte, die die Vertragsbestimmungen über die Unionsbürgerschaft den Drittstaatsangehörigen verleihen, sind nämlich nicht deren eigene Rechte, sondern aus den Rechten des Unionsbürgers abgeleitete. Ihr Zweck und ihre Rechtfertigung beruhen auf der Feststellung, dass ihre Nichtanerkennung den Unionsbürger insbesondere in seiner Freizügigkeit beeinträchtigen könnte ( 13 ).

47.

Insoweit hat der Gerichtshof bereits festgestellt, dass es ganz besondere Sachverhalte gibt, in denen einem Drittstaatsangehörigen, der Familienangehöriger eines Unionsbürgers ist, ein Aufenthaltsrecht eingeräumt werden muss, obwohl das für das Aufenthaltsrecht von Drittstaatsangehörigen geltende abgeleitete Recht nicht anwendbar ist und der betreffende Unionsbürger sein Recht auf Freizügigkeit nicht ausgeübt hat, da sonst die Unionsbürgerschaft ihrer praktischen Wirksamkeit beraubt würde, wenn sich der Unionsbürger infolge der Verweigerung des Aufenthaltsrechts gezwungen sähe, das Gebiet der Union als Ganzes zu verlassen, und ihm dadurch der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihm dieser Status verleiht, verwehrt würde ( 14 ).

48.

Die Weigerung, einem Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltsrecht zu gewähren, kann die praktische Wirksamkeit der Unionsbürgerschaft jedoch nur dann beeinträchtigen, wenn zwischen ihm und dem Unionsbürger, der sein Familienangehöriger ist, ein Abhängigkeitsverhältnis besteht, das dazu führen würde, dass der Unionsbürger gezwungen wäre, den betreffenden Drittstaatsangehörigen zu begleiten und das Gebiet der Union als Ganzes zu verlassen. Folglich kann ein Drittstaatsangehöriger ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht nach Art. 20 AEUV nur dann beanspruchen, wenn ohne die Gewährung eines solchen Aufenthaltsrechts sowohl der Drittstaatsangehörige als auch der Unionsbürger als Familienangehöriger gezwungen wäre, das Gebiet der Union zu verlassen. Daher kann die Gewährung eines solchen abgeleiteten Aufenthaltsrechts nur dann in Betracht gezogen werden, wenn der Drittstaatsangehörige, der zur Familie eines Unionsbürgers gehört, nicht die Voraussetzungen erfüllt, um auf der Grundlage anderer Bestimmungen und insbesondere nach dem für die Familienzusammenführung geltenden nationalen Recht ein Aufenthaltsrecht in dem Mitgliedstaat zu erhalten, dessen Staatsangehörigkeit der Unionsbürger besitzt ( 15 ).

49.

Sobald jedoch feststeht, dass einem Drittstaatsangehörigen, der zur Familie eines Unionsbürgers gehört, kein Aufenthaltsrecht nach innerstaatlichem Recht oder abgeleitetem Unionsrecht gewährt werden kann, hat die Tatsache, dass zwischen dem Drittstaatsangehörigen und dem Unionsbürger ein Abhängigkeitsverhältnis besteht, das dazu führen würde, dass der Unionsbürger im Fall der Abschiebung seines drittstaatsangehörigen Familienangehörigen gezwungen wäre, das Gebiet der Union zu verlassen, zur Folge, dass Art. 20 AEUV den betreffenden Mitgliedstaat grundsätzlich verpflichtet, dem Drittstaatsangehörigen ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht zuzuerkennen ( 16 ).

50.

In diesem Stadium der Analyse ist festzuhalten, dass ein Rückgriff auf Art. 20 AEUV das Bestehen eines Abhängigkeitsverhältnisses zwischen dem Drittstaatsangehörigen und dem Unionsbürger verlangt, das so stark wie das in der vorstehenden Nummer der vorliegenden Schlussanträge beschriebene ist. Abgesehen davon tendiert der Gerichtshof dazu, eine wichtige Unterscheidung zwischen zwei Kategorien von Beziehungen innerhalb einer Familie vorzunehmen: Den Beziehungen zwischen volljährigen Ehegatten einerseits und den Beziehungen zwischen den Eltern und ihren minderjährigen Kindern andererseits.

51.

Im Urteil vom 8. Mai 2018, K. A. u. a. (Familienzusammenführung in Belgien) (C‑82/16, im Folgenden: Urteil K. A. u. a., EU:C:2018:308), hat der Gerichtshof klargestellt, dass ein Erwachsener grundsätzlich in der Lage ist, ein von seinen Familienangehörigen unabhängiges Leben zu führen. Daraus folgt nach Auffassung des Gerichtshofs, dass die Anerkennung eines Abhängigkeitsverhältnisses, das geeignet ist, ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht nach Art. 20 AEUV zu rechtfertigen, zwischen zwei Erwachsenen, die derselben Familie angehören, nur in außergewöhnlichen Fällen in Betracht kommt, in denen die betreffende Person in Anbetracht aller relevanten Umstände keinesfalls von dem Familienangehörigen getrennt werden darf, von dem sie abhängig ist ( 17 ).

b)   Rechtsprechung zum Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Drittstaatsangehörigen und dem Unionsbürger, wenn eine der betreffenden Personen minderjährig ist

52.

Dies gilt nicht für minderjährige Kinder, vor allem dann, wenn es sich bei diesen um Kleinkinder handelt ( 18 ), da sie wesentlich von der Unterstützung und vom Schutz der Eltern abhängen. Der Gerichtshof scheint sich des besonderen Schutzes, dessen Minderjährige im ausgesprochen sensiblen Kontext einer Verwaltungsentscheidung bedürfen, die in die Zuständigkeit der nationalen Behörden im Einwanderungsbereich fällt und zur Beendigung der Familiengemeinschaft führen kann, voll und ganz bewusst zu sein ( 19 ). Zu bemerken ist nämlich, dass die Weigerung, dem drittstaatsangehörigen Elternteil eines Unionsbürgers ein Aufenthaltsrecht zu gewähren, grundsätzlich geeignet ist, dem Unionsbürger keine andere Wahl zu lassen, als das Gebiet der Union zu verlassen, um den Elternteil, von dem er abhängig ist, zu begleiten ( 20 ).

53.

Klarzustellen ist jedoch, dass der Gerichtshof der Rolle der einzelnen Elternteile nicht den gleichen Wert beimisst, wenn es darum geht, den entscheidenden Grad der Abhängigkeit der Kinder festzustellen. Es bedarf einer Einzelfallprüfung der familiären Situation, insbesondere anhand der Verantwortung, die jeder Elternteil für den Familienunterhalt übernommen hat. In seiner Rechtsprechung hat der Gerichtshof entschieden, dass bei der Prüfung, ob eine Verweigerung eines abgeleiteten Aufenthaltsrechts des einem Drittstaat angehörenden Elternteils dessen Kind, das Unionsbürger ist, die Möglichkeit nähme, den Kernbestand der mit seinem Status verbundenen Rechte in Anspruch zu nehmen, indem sie das Kind de facto zwingen würde, den Elternteil zu begleiten und damit das Unionsgebiet als Ganzes zu verlassen, die Frage des Sorgerechts für das Kind und die Frage, ob die rechtliche, finanzielle oder affektive Sorge für das Kind von dem einem Drittstaat angehörenden Elternteil ausgeübt wird, relevante Gesichtspunkte sind ( 21 ).

54.

Genauer gesagt obliegt es den nationalen Behörden, zur Beurteilung des Risikos, dass sich das betreffende Kind, das Unionsbürger ist, gezwungen sähe, das Unionsgebiet zu verlassen, wenn seinem Elternteil mit Drittstaatsangehörigkeit ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht im betreffenden Mitgliedstaat verweigert würde, zu ermitteln, welcher Elternteil die tatsächliche Sorge für das Kind wahrnimmt und ob ein tatsächliches Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Kind und dem Elternteil mit Drittstaatsangehörigkeit besteht. Der Gerichtshof hat entschieden, dass die zuständigen Behörden im Rahmen dieser Beurteilung dem Recht auf Achtung des Familienlebens Rechnung zu tragen haben, das in Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) niedergelegt ist, wobei diese Vorschrift in Zusammenschau mit der Verpflichtung auszulegen ist, das in Art. 24 Abs. 2 der Charta anerkannte Kindeswohl zu berücksichtigen ( 22 ).

55.

Nach Auffassung des Gerichtshofs bildet der Umstand, dass der andere Elternteil, wenn er Unionsbürger ist, wirklich in der Lage und bereit ist, die tägliche und tatsächliche Sorge für das Kind allein wahrzunehmen, einen relevanten Gesichtspunkt, der aber allein nicht für die Feststellung genügt, dass zwischen dem Elternteil mit Drittstaatsangehörigkeit und dem Kind kein Abhängigkeitsverhältnis besteht, das das Kind zum Verlassen des Unionsgebiets zwingen würde, wenn dem Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltsrecht verweigert würde. Denn einer solchen Feststellung muss im Interesse des Kindeswohls die Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zugrunde liegen, insbesondere des Alters des Kindes, seiner körperlichen und emotionalen Entwicklung, des Grades seiner affektiven Bindung sowohl an den Elternteil, der Unionsbürger ist, als auch an den Elternteil mit Drittstaatsangehörigkeit und des Risikos, das mit der Trennung von Letzterem für das innere Gleichgewicht des Kindes verbunden wäre ( 23 ).

56.

Darüber hinaus gehört der Umstand, dass der Elternteil, der Drittstaatsangehöriger ist, mit dem minderjährigen Kind, das Unionsbürger ist, zusammenlebt, nach Ansicht des Gerichtshofs zu den relevanten Gesichtspunkten, die zu berücksichtigen sind, um zu bestimmen, ob zwischen ihnen ein Abhängigkeitsverhältnis besteht, ohne jedoch eine notwendige Bedingung dafür darzustellen. Hingegen rechtfertigt die bloße Tatsache, dass es für einen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats aus wirtschaftlichen Gründen oder zur Aufrechterhaltung der Familiengemeinschaft im Unionsgebiet wünschenswert erscheinen könnte, dass sich Familienangehörige, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, mit ihm zusammen im Unionsgebiet aufhalten können, für sich genommen nicht die Annahme, dass der Unionsbürger gezwungen wäre, das Unionsgebiet zu verlassen, wenn kein Aufenthaltsrecht gewährt würde. Somit kann das Bestehen einer familiären Bindung zwischen dem minderjährigen Unionsbürger und dem Elternteil, der Drittstaatsangehöriger ist, sei sie biologischer oder rechtlicher Natur, nicht ausreichen, um es zu rechtfertigen, dass diesem Elternteil nach Art. 20 AEUV ein abgeleitetes Recht zum Aufenthalt im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats zuerkannt wird, dessen Staatsangehörigkeit das minderjährige Kind besitzt ( 24 ).

3.   Anwendung der vom Gerichtshof entwickelten Rechtsprechungsgrundsätze auf die vorliegenden Rechtssachen

a)   Gemeinsame Elemente aller in der Rechtsprechung behandelter Rechtssachen

57.

Nach dieser kurzen Darstellung der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu einem abgeleiteten Aufenthaltsrecht von Drittstaatsangehörigen, das sich auf deren Status als Familienangehörige eines Unionsbürgers stützt, und zum Abhängigkeitsverhältnis, das speziell zwischen einem Drittstaatsangehörigen und einem Unionsbürger besteht, wenn eine der betreffenden Personen minderjährig ist, gilt es festzustellen, ob die sich aus dieser Rechtsprechung ergebenden Grundsätze, die in den vorstehenden Nummern der vorliegenden Schlussanträge angesprochen worden sind, auf die vorliegenden verbundenen Rechtssachen Anwendung finden. Wie ich nachstehend im Einzelnen erläutern werde, veranlassen mich mehrere Gründe dazu, diese Frage zu bejahen.

58.

Zunächst bestehen Parallelen zur Rechtssache Subdelegación del Gobierno en Ciudad Real, auf die ich in den vorliegenden Schlussanträgen bereits verwiesen habe ( 25 ). Wie in der besagten Rechtssache ist der Gerichtshof nämlich einmal mehr aufgerufen, sich – wenn auch indirekt – zu der Frage zu äußern, ob die geltenden spanischen Rechtsvorschriften, nach denen die Familienzusammenführung eines Drittstaatsangehörigen mit einem Familienangehörigen, der die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt und nie von seiner Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, von dem Erfordernis abhängig gemacht wird, dass der Unionsbürger über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie keine nationalen Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen müssen, mit dem Recht der Union vereinbar sind.

59.

Der Gerichtshof hat insoweit festgestellt, dass das Unionsrecht grundsätzlich nicht auf einen unter diesen Umständen gestellten Antrag auf Familienzusammenführung anwendbar ist und es daher grundsätzlich nicht nationalen Rechtsvorschriften entgegensteht, wie sie in der vorstehenden Nummer beschrieben sind ( 26 ). Er hat jedoch klargestellt, dass die systematische und ausnahmslose Anordnung einer solchen Voraussetzung das abgeleitete Aufenthaltsrecht verletzen kann, das in ganz besonderen Sachverhalten einem Drittstaatsangehörigen, der zur Familie eines Unionsbürgers gehört, gemäß Art. 20 AEUV zuzuerkennen ist ( 27 ). Diese Klarstellung seitens des Gerichtshofs erscheint mir besonders wichtig, da sie die Festlegung der Grenzen des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift und damit der Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten im Einwanderungsbereich bewirkt.

60.

Der Gerichtshof hat erläutert, welche nationalen Maßnahmen als mit dem durch Art. 20 AEUV eingeführten Unionsbürgerstatus unvereinbar angesehen werden, nämlich solche, durch die den Unionsbürgern der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte vorenthalten wird, die dieser Status verleiht. Wie ich bei meiner Darstellung der einschlägigen Rechtsprechung ausgeführt habe, ist dem insbesondere so, wenn der Unionsbürger gezwungen wäre, das Unionsgebiet zu verlassen, weil einem Familienangehörigen mit Drittstaatsangehörigkeit die Anerkennung eines Aufenthaltsrechts versagt würde. Ein solcher Fall, in dem eine besondere Härte an den Tag gelegt wird, kann nur auftreten, wenn ein Verhältnis besteht, das sich durch einen hohen Abhängigkeitsgrad zwischen dem Drittstaatsangehörigen, der Familienangehöriger eines Unionsbürgers ist, und diesem auszeichnet. Für die Feststellung, ob sich die Personen, um die es im vorliegenden Fall geht, auf Art. 20 AEUV berufen können, um ein Aufenthaltsrecht in Anspruch zu nehmen, ist daher die familiäre Situation jeder einzelnen von ihnen zu prüfen.

61.

Somit ist festzuhalten, dass trotz der Unterschiede zwischen dem Sachverhalt der Rechtssache Subdelegación del Gobierno en Ciudad Real und dem Sachverhalt der Ausgangsrechtssachen als einer der zentralen Aspekte der Analyse zu ermitteln ist, ob im jeweiligen Fall ein Verhältnis besteht, das sich durch eine hinreichend ausgeprägte Abhängigkeit auszeichnet, die geeignet ist, die in der Rechtsprechung für die Zwecke dieser Vorschrift gestellten Anforderungen zu erfüllen. Die Tatsache, dass in den fraglichen Familienverhältnissen minderjährige Kinder eine Rolle spielen, erfordert besondere Aufmerksamkeit bei der Analyse. Deshalb könnten sich die im Urteil K. A. u. a. aufgestellten und in den vorliegenden Schlussanträgen ( 28 ) wiedergegebenen Rechtsprechungsgrundsätze als relevant und anwendbar erweisen. Im Interesse eines methodischen Ansatzes, bei dem die spezifischen Umstände jeder Rechtssache gebührend berücksichtigt werden, schlage ich vor, sie einzeln anhand der Gesichtspunkte zu prüfen, die uns die Rechtsprechung liefert.

62.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof die Situation der in den Ausgangsrechtssachen in Rede stehenden Familien weder selbst zu beurteilen noch in eigener Befugnis zu entscheiden hat, ob es angezeigt ist, den betreffenden Personen ein Aufenthaltsrecht zu gewähren. Dies gilt erst recht für die Beurteilung ihrer finanziellen Situation – trotz der möglichen Auswirkungen der Auslegung von Art. 20 AEUV auf die Anwendung der nationalen Vorschrift zur Umsetzung von Art. 7 der Richtlinie 2004/38, die sich auf die Situation spanischer Staatsangehöriger erstreckt, die nicht von ihrer Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben. Die erwähnten Aufgaben fallen in die ausschließliche Zuständigkeit der nationalen Behörden ( 29 ). Der Gerichtshof kann jedoch dem vorlegenden Gericht alle Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts geben, die es diesem ermöglichen, selbst eine gründliche Überprüfung des Sachverhalts vorzunehmen.

b)   Ermittlung eines Abhängigkeitsverhältnisses in der Kernfamilie als Hauptelement der Analyse

1) Prüfung der Rechtssache C‑532/19

i) Zu den Umständen, die das Bestehen eines Aufenthaltsrechts rechtfertigen

63.

In der vorliegenden Rechtssache begehrt QP, ein Drittstaatsangehöriger, der mit einer spanischen Staatsangehörigen, die von ihrer Freizügigkeit innerhalb der Union nie Gebrauch gemacht hat, die Ehe eingegangen ist, die Erteilung eines Aufenthaltstitels in Spanien. Aus ihrer Verbindung ist eine Tochter mit spanischer Staatsangehörigkeit hervorgegangen. Auch diese Tochter, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch minderjährig ist, hat nicht von ihrer Freizügigkeit Gebrauch gemacht.

64.

Gleich zu Beginn möchte ich anmerken, dass es QP und seiner Ehefrau, wenn ihm, wie das vorlegende Gericht ausführt, ein Aufenthaltstitel in Spanien versagt würde, vermutlich unmöglich wäre, der Pflicht zum Zusammenleben, an die sie nach spanischem Recht gebunden sind, nachzukommen. Das vorlegende Gericht nennt jedoch keinen Umstand, mit dem sich das Bestehen eines anderen Abhängigkeitsverhältnisses zwischen diesen beiden volljährigen Personen als der einfachen rechtlichen Verpflichtung zum Zusammenleben nachweisen ließe.

65.

Aus der in den vorliegenden Schlussanträgen angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich eindeutig, dass die Anerkennung eines Abhängigkeitsverhältnisses, das zwischen zwei derselben Familie angehörenden Erwachsenen besteht und geeignet ist, ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht nach Art. 20 AEUV zu begründen, nur in außergewöhnlichen Fällen in Betracht kommt ( 30 ). Im Urteil Subdelegación del Gobierno en Ciudad Real hat der Gerichtshof entschieden, dass ein solches Abhängigkeitsverhältnis nicht allein deshalb besteht, weil der volljährige Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, der nie von seiner Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, und sein volljähriger drittstaatsangehöriger Ehegatte nach dem Recht des Mitgliedstaats, dessen Staatsangehörigkeit der Unionsbürger besitzt, aufgrund der sich aus der Ehe ergebenden Pflichten zum Zusammenleben verpflichtet sind. Demnach scheint sich die Antwort auf die erste Vorlagefrage im Prinzip klar aus diesem Urteil zu ergeben.

66.

Allerdings sollte der Gerichtshof, um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, nach meiner Einschätzung gleichwohl auch anhand von Art. 20 AEUV prüfen, welche Auswirkungen die Tatsache haben kann, dass QP Vater einer minderjährigen Tochter – einer Unionsbürgerin – ist, für die er gemeinsam mit seiner Ehefrau – der Kindesmutter, einer spanischen Staatsangehörigen – das Sorgerecht ausübt. Ganz konkret ist festzustellen, ob die Tochter von QP bei einer Abschiebung ihres Vaters de facto gezwungen wäre, ihn zu begleiten, obwohl sich sowohl dieses Kind als auch seine Mutter rechtmäßig in Spanien aufhalten können.

67.

Wie aus meiner Darstellung der einschlägigen Rechtsprechung hervorgeht ( 31 ), stellen die Frage des Sorgerechts für das Kind und die Frage, ob die rechtliche, finanzielle oder affektive Sorge für das Kind von dem einem Drittstaat angehörenden Elternteil ausgeübt wird, relevante Gesichtspunkte für die Feststellung dar, ob zwischen diesem Elternteil und seiner minderjährigen Tochter, die Unionsbürgerin ist, ein Abhängigkeitsverhältnis besteht. Der Feststellung eines Abhängigkeitsverhältnisses im Sinne von Art. 20 AEUV, das das minderjährige Kind zum Verlassen des Unionsgebiets zwingen würde, wenn dem Elternteil ein Aufenthaltsrecht verweigert würde, muss im Interesse des Kindeswohls die Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zugrunde liegen, insbesondere des Alters des Kindes, seiner körperlichen und emotionalen Entwicklung, des Grades seiner affektiven Bindung sowohl an den Elternteil, der Unionsbürger ist, als auch an den Elternteil mit Drittstaatsangehörigkeit und des Risikos, das mit der Trennung von Letzterem für das innere Gleichgewicht des Kindes verbunden wäre ( 32 ).

68.

Meines Erachtens ergibt sich aus dieser Rechtsprechung, dass, um im vorliegenden Fall das Bestehen eines Abhängigkeitsverhältnisses im Sinne von Art. 20 AEUV beurteilen zu können, nicht lediglich die mögliche materielle Abhängigkeit des Kindes von seinem Elternteil mit Drittstaatsangehörigkeit, sondern auch die Bedeutung der affektiven Bindung an diesen und die Folgen zu berücksichtigen sind, die seine Ausreise für das seelische Gleichgewicht des Kindes haben könnte.

69.

Zwar rechtfertigt, wie aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs auch hervorgeht ( 33 ), die bloße Tatsache, dass es für einen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats aus wirtschaftlichen Gründen oder zur Aufrechterhaltung der Familiengemeinschaft im Unionsgebiet wünschenswert erscheinen könnte, dass sich Familienangehörige, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, mit ihm zusammen im Unionsgebiet aufhalten können, für sich genommen nicht die Annahme, dass der Unionsbürger gezwungen wäre, das Unionsgebiet zu verlassen, wenn kein Aufenthaltsrecht gewährt würde.

70.

Im Rahmen der vorliegenden Analyse ist aber zu bedenken, dass der Gerichtshof mehrfach auf die vorrangige Bedeutung hingewiesen hat, die das Unionsrecht der Achtung des Familienlebens gemäß Art. 7 der Charta beimisst. Gleiches gilt für den Schutz des Kindes, dessen Wohl von den zuständigen Behörden nach Art. 24 Abs. 2 der Charta berücksichtigt werden muss. Vor diesem Hintergrund ist insbesondere der Notwendigkeit Rechnung zu tragen, dass ein Kind „regelmäßige persönliche Beziehungen und direkte Kontakte zu beiden Elternteilen“ unterhält, die in Abs. 3 desselben Artikels zum Ausdruck kommt. Der letztgenannte Aspekt scheint mir für die vorliegende Analyse entscheidend zu sein.

71.

Meiner Meinung nach hat der Gerichtshof nicht ohne Grund auf den Verfassungsrang der oben erwähnten Rechte in der Rechtsordnung der Union hingewiesen, als er in seine Argumentation neben Art. 20 AEUV die Bestimmungen der Charta aufgenommen hat ( 34 ). Es scheint mir auf der Hand zu liegen, dass der Gerichtshof die Aufrechterhaltung der familiären Bindung zwischen dem minderjährigen Kind, das Unionsbürger ist, und seinem Elternteil mit Drittstaatsangehörigkeit im Unionsgebiet sicherstellen wollte, wenn dies dem Kindeswohl entspricht ( 35 ). Folglich müssen von den nationalen Behörden geltend gemachte Erwägungen allgemeiner Art wie beispielsweise solche im Zusammenhang mit einer angeblichen Notwendigkeit, die nationalen Systeme der Sozialfürsorge zu schützen, zurücktreten, wenn auf der Grundlage einer Beurteilung der familiären Situation festgestellt wird, dass zwischen den betreffenden Personen ein echtes Abhängigkeitsverhältnis materieller oder affektiver Natur besteht, das die Aufrechterhaltung der Familiengemeinschaft im Unionsgebiet unerlässlich machen könnte. Mit anderen Worten muss die Achtung sämtlicher Grundrechte, die jedem Unionsbürger aufgrund seines Status durch die Verträge garantiert werden, Vorrang vor rein wirtschaftlichen Interessen der Mitgliedstaaten haben ( 36 ).

72.

Im Licht der vorstehend angeführten Rechtsprechung dürfte QP die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf der Grundlage von Art. 20 AEUV nach meiner Einschätzung nicht allein deshalb versagt werden, weil die Sorge für seine Tochter vollständig von der Kindesmutter, die Unionsbürgerin ist, im spanischen Hoheitsgebiet ausgeübt werden könnte. Ein Ansatz, bei dem nach dem nationalen Familienrecht lediglich auf die finanziellen Möglichkeiten der Mutter abgestellt und außer Acht gelassen würde, welche Rolle der Vater bei der Erziehung, der Betreuung und dem Unterhalt des Kindes gegebenenfalls spielt, würde das übergeordnete Interesse dieses Kindes an der Aufrechterhaltung einer stabilen und gewinnbringenden Beziehung zu seinem Vater nämlich nicht genügend berücksichtigen. Daher würde ein solcher Ansatz nicht die Anforderungen erfüllen, die von der Rechtsprechung an die vorzunehmende Einzelfallprüfung gestellt worden sind.

73.

Aus dem gleichen Denkansatz heraus wäre davon auszugehen, dass den Anforderungen der Rechtsprechung nicht Genüge getan wird, wenn der Vater keine Angaben machen konnte, anhand derer sich beurteilen lässt, ob die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 20 AEUV erfüllt sind, wie beispielsweise die Tatsache, dass er täglich und tatsächlich für das minderjährige Kind sorgt. Wie der ausdrückliche Verweis des Gerichtshofs auf dieses Erfordernis im Urteil Chavez-Vilchez u. a. zeigt, stellt der Umstand, dass der Elternteil seinen rechtlichen Verpflichtungen gegenüber dem Kind gewissenhaft nachkommt, neben weiteren relevanten Anhaltspunkten einen Beweis für das Bestehen eines Abhängigkeitsverhältnisses im Sinne der vorerwähnten Vorschrift dar.

74.

Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Vorlageentscheidung auf keinerlei Angaben verweist, anhand derer sich präzise Schlussfolgerungen hinsichtlich der Rolle des Vaters seiner Tochter gegenüber ziehen ließen. Dieses Fehlen von Informationen hängt meines Erachtens jedoch mit zwei Faktoren zusammen, die es zu erläutern gilt, um den tatsächlichen Kontext, in dem die Vorlagefragen gestellt worden sind, besser zu verstehen. Zum einen stützen sich die Feststellungen des vorlegenden Gerichts auf Informationen der spanischen Behörden, die, so dieses Gericht, die Umstände, die sich als relevant herausstellen könnten, wenn es darum gehe, das Bestehen eines Abhängigkeitsverhältnisses nachzuweisen, das geeignet sei, den Unionsbürger zum Verlassen des Unionsgebiets zu zwingen, nicht prüften. Zum anderen stellt das vorlegende Gericht ausschließlich auf das Verhältnis zwischen den Ehegatten ab, ohne näher auf das Eltern-Kind-Verhältnis einzugehen.

75.

Deshalb bin ich der Ansicht, dass dieses Fehlen von Informationen nicht als Indiz für ein mangelndes Engagement seitens des einen oder anderen Elternteils gewertet werden kann. Folglich wäre es äußerst wichtig, dass das vorlegende Gericht die Rolle in den Blick nimmt, die jeder Elternteil nach seinen Fähigkeiten innerhalb der Kernfamilie ausübt, und die Auslegungshinweise beherzigt, die der Gerichtshof im anstehenden Urteil in den vorliegenden Rechtssachen geben wird.

76.

Das vorlegende Gericht wird auch festzustellen haben, ob die Familienangehörigen zusammenleben und gegebenenfalls unter welchen Umständen. Der Gerichtshof hat in seiner Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass die Tatsache, dass der Elternteil mit Drittstaatsangehörigkeit mit dem minderjährigen Kind, das Unionsbürger ist, zusammenlebt, einer der relevanten Gesichtspunkte ist, die bei der Feststellung des Bestehens eines Abhängigkeitsverhältnisses zu berücksichtigen sind. Obwohl das vorlegende Gericht lediglich eher allgemein auf die nach spanischem Recht bestehende Pflicht der Ehegatten verweist, zusammenzuleben und den Ort der ehelichen Wohnung in gegenseitigem Einvernehmen zu bestimmen, kann dennoch vom Bestehen einer Familienwohnung ausgegangen werden. In diesem Fall müsste das vorlegende Gericht u. a. klären, ob sich das Zusammenleben durch eine Kontinuität und eine Stabilität auszeichnet, die von emotionaler Verbundenheit geprägt sind und einen Beleg für wechselseitige Unterstützung zwischen den betreffenden Personen darstellen.

77.

Im Licht der vorstehenden Erwägungen und vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Sachverhaltswürdigung sollte zwischen einem minderjährigen Unionsbürger und seinem Elternteil mit Drittstaatsangehörigkeit meines Erachtens ein „Abhängigkeitsverhältnis“ im Sinne von Art. 20 AEUV anerkannt werden, wenn der drittstaatsangehörige Elternteil mit der Kindesmutter zusammenlebt und sich daher beide Elternteile täglich das Sorgerecht sowie die rechtliche, finanzielle und affektive Sorge für das Kind teilen, und zwar selbst dann, wenn der andere Elternteil ein Unionsbürger ist und somit über ein nicht an Bedingungen geknüpftes Recht verfügt, sich im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, aufzuhalten. Eine solche Schlussfolgerung scheint mir umso mehr geboten, als dieses Abhängigkeitsverhältnis u. a. im Licht der Verpflichtung zur Berücksichtigung des Kindeswohls auszulegen ist.

ii) Zur Ausnahme im Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit

78.

Das Bestehen eines Abhängigkeitsverhältnisses im Sinne von Art. 20 AEUV bedeutet zwar nicht, dass ein Aufenthaltsrecht in allen Fällen gewährt werden muss. Dies gilt insbesondere dann, wenn Gründe im Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit einer solchen Entscheidung entgegenstehen. Die Weigerung der zuständigen Behörden, ein solches Recht anzuerkennen, weil der Drittstaatsangehörige schwerwiegende Straftaten begangen hat, könnte ein Hindernis darstellen.

79.

Ein solcher Sachverhalt scheint im vorliegenden Fall gegeben zu sein, in dem einem Elternteil mit Drittstaatsangehörigkeit unstreitig die Anerkennung eines Aufenthaltsrechts versagt worden ist, weil er in seinem Wohnsitzmitgliedstaat wegen Verkehrsdelikten verurteilt worden war. Den Angaben des vorlegenden Gerichts zufolge enthält das Strafregister von QP zwei Verurteilungen wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und eine weitere wegen Fahrens unter Alkoholeinfluss.

80.

Der Gerichtshof hat insoweit bereits festgestellt, dass Art. 20 AEUV die Möglichkeit der Mitgliedstaaten unberührt lässt, sich u. a. auf eine Ausnahme wegen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit zu berufen. Er hat gleichwohl klargestellt, dass, da die Situation eines Drittstaatsangehörigen, der auf der Grundlage dieser Vorschrift ein Aufenthaltsrecht geltend macht, in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt, bei ihrer Beurteilung das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 7 der Charta zu berücksichtigen ist, wobei dieser Artikel im Zusammenhang mit der Verpflichtung zu sehen ist, das Wohl des Kindes, wie es in Art. 24 Abs. 2 der Charta anerkannt ist, zu berücksichtigen ( 37 ).

81.

Anders ausgedrückt sind die zuständigen Behörden verpflichtet, eine konkrete Beurteilung sämtlicher relevanter Umstände des Einzelfalls vorzunehmen, bevor sie eine Entscheidung über die Notwendigkeit treffen, dem Drittstaatsangehörigen aus den erwähnten Gründen ein Aufenthaltsrecht zu verweigern. Im Rahmen dieser individuellen Beurteilung müssen die zuständigen Behörden bestimmte Kriterien berücksichtigen, auf die ich im Folgenden eingehen werde.

82.

Zunächst ist zu bemerken, dass die Begriffe „öffentliche Ordnung“ und „öffentliche Sicherheit“ als Rechtfertigung für eine Abweichung vom Aufenthaltsrecht der Unionsbürger oder ihrer Familienangehörigen eng auszulegen sind. Dabei setzt der Begriff „öffentliche Ordnung“ jedenfalls voraus, dass außer der Störung der sozialen Ordnung, die jeder Gesetzesverstoß darstellt, eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Zum Begriff „öffentliche Sicherheit“ geht aus der Rechtsprechung hervor, dass er sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit eines Mitgliedstaats umfasst, so dass die Beeinträchtigung des Funktionierens der Einrichtungen des Staates und seiner wichtigen öffentlichen Dienste sowie das Überleben der Bevölkerung ebenso wie die Gefahr einer erheblichen Störung der auswärtigen Beziehungen oder des friedlichen Zusammenlebens der Völker oder eine Beeinträchtigung der militärischen Interessen die öffentliche Sicherheit berühren können ( 38 ).

83.

Der Gerichtshof hat eindeutig festgestellt, dass die Verweigerung des Aufenthaltsrechts wegen des Vorliegens einer tatsächlichen, gegenwärtigen und erheblichen Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit aufgrund u. a. von Straftaten, die ein Drittstaatsangehöriger begangen hat, mit dem Unionsrecht vereinbar wäre, selbst wenn sie die Verpflichtung für den Unionsbürger, der dessen Familienangehöriger ist, zur Folge hätte, das Gebiet der Union zu verlassen ( 39 ). Ein solcher Schluss kann jedoch nicht automatisch allein auf der Grundlage der Vorstrafen des Betroffenen gezogen werden. Vorausgehen muss stets eine konkrete Beurteilung sämtlicher aktueller, relevanter Umstände des Einzelfalls im Licht des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, des Wohls des Kindes und der Grundrechte, deren Beachtung der Gerichtshof sichert ( 40 ).

84.

Zu den Kriterien, die im Rahmen dieser Beurteilung zu berücksichtigen sind, gehören das persönliche Verhalten des Betroffenen, die Dauer und Rechtmäßigkeit seines Aufenthalts im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats, die Art und Schwere der begangenen Straftat, der Grad der gegenwärtigen Gefährlichkeit des Betroffenen für die Gesellschaft, das Alter etwa betroffener Kinder und ihr Gesundheitszustand sowie ihre familiäre und wirtschaftliche Situation ( 41 ).

85.

In dieser Phase der Analyse stellt sich somit die Frage, ob die Anerkennung eines auf Art. 20 AEUV gestützten Aufenthaltsrechts unter Umständen wie denen des vorliegenden Falls verweigert werden kann, weil der drittstaatsangehörige Elternteil eines minderjährigen Kindes, das Unionsbürger ist, wegen begangener Verkehrsdelikte verurteilt worden ist.

86.

Die Straßenverkehrssicherheit stellt für die Union und ihre Mitgliedstaaten in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen ein wichtiges Anliegen dar, zumal sie untrennbar mit dem Schutz der Gesundheit und des menschlichen Lebens verknüpft ist ( 42 ). Die Bedeutung einer effektiven und kohärenten Politik, mit der im gesamten Unionsgebiet Maßnahmen eingeführt werden sollen, um Verkehrsteilnehmer davor zu bewahren, bei Straßenverkehrsunfällen getötet oder schwer verwundet zu werden, oder deren Folgen abzumildern, kann nicht oft genug betont werden.

87.

Ich bezweifle jedoch ernsthaft, dass die fragliche Maßnahme, nämlich die Verweigerung der Anerkennung eines Aufenthaltsrechts, in Anbetracht der besonders strengen Voraussetzungen, die von der Rechtsprechung aufgestellt worden sind und auf die ich in den vorstehenden Nummern der vorliegenden Schlussanträge soeben eingegangen bin, gerechtfertigt ist. Jedenfalls steht eine solche Maßnahme meines Erachtens offensichtlich in keinem angemessenen Verhältnis zum Ziel der Gewährleistung der Straßenverkehrssicherheit, vor allem dann, wenn man die auf dem Spiel stehenden Interessen berücksichtigt.

88.

Erstens sind die von QP begangenen Straftaten offenkundig nicht geeignet, das Funktionieren der Einrichtungen des Staates oder seiner wichtigen öffentlichen Dienste oder das Überleben der Bevölkerung zu gefährden. Dementsprechend wiegt die Gefahr, die QP für die Straßenverkehrssicherheit im Allgemeinen darstellt, nicht so schwer, dass vernünftigerweise angenommen werden kann, dass die Kriterien des Begriffs „öffentliche Sicherheit“, wie er vom Gerichtshof definiert worden ist, erfüllt sind ( 43 ).

89.

Was eine etwaige Einstufung als „Verstoß gegen die öffentliche Ordnung“ betrifft, so gehen die fraglichen Straftaten meines Erachtens nicht über die Störung der sozialen Ordnung hinaus, die jeder Gesetzesverstoß darstellt. Auch wenn es zutrifft, dass die drei Verurteilungen wegen Verkehrsdelikten aufgrund ihrer Anzahl und Häufigkeit auf eine gewisse Zurückhaltung der betreffenden Person in Bezug auf die Gesetzestreue hindeuten könnten, ist jedoch zu bemerken, dass die Verurteilungen bis in das Jahr 2010 zurückreichen und seitdem erhebliche Zeit verstrichen ist. Folglich könnte dieser Umstand in Ermangelung gegenteiliger Anhaltspunkte und vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Sachverhaltswürdigung vielmehr als Zeichen einer erfolgreichen sozialen Wiedereingliederung ausgelegt werden.

90.

Die Tatsache, dass seitdem keine Straftaten mehr begangen worden sind, zeigt nämlich, dass QP keinerlei „tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr [darstellt], die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt“. Mangels konkreter Anhaltspunkte und unter Berücksichtigung der Notwendigkeit, die Ausnahmen von Art. 20 AEUV eng auszulegen, neige ich auf der Grundlage der verfügbaren Informationen daher zu der Annahme, dass QP keinerlei offensichtliche Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellt. Dementsprechend muss das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, wie es im Licht des Kindeswohls ausgelegt wird, im vorliegenden Fall zwangsläufig Vorrang haben.

91.

Zweitens gibt es – selbst wenn unterstellt wird, dass die zuständigen Behörden im Rahmen ihrer Sachverhaltswürdigung den Schluss ziehen dürfen, dass sich nicht ausschließen lässt, dass QP noch eine offensichtliche Gefahr für die Straßenverkehrssicherheit darstellt – wirksame und gewiss weniger radikale Mittel, um dieser Art von Gefahren vorzubeugen, als die Verweigerung eines Aufenthaltsrechts, gegebenenfalls gefolgt von Ausweisungs- und Abschiebungsmaßnahmen. Diese Option sollte unter Berücksichtigung der möglichen schwerwiegenden Folgen für die Aufrechterhaltung der Familiengemeinschaft und das Kindeswohl nur als letztes Mittel in Betracht gezogen werden. In diesem Zusammenhang darf außerdem nicht aus den Augen verloren werden, dass, sollte im vorliegenden Fall ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Vater und Tochter bestätigt werden, eine zwangsweise Rückführung sehr wahrscheinlich zur Folge hätte, dass die Tochter das Unionsgebiet zusammen mit ihrem Vater verlassen müsste, was ihr den tatsächlichen Genuss ihrer Rechte als Unionsbürgerin vorenthalten würde. Die fraglichen Maßnahmen haben daher Auswirkungen, die über die persönliche Situation von QP hinausgehen.

92.

Schließlich käme eine erzwungene Trennung der Familie unter den Umständen des vorliegenden Falls in gewissem Maße einer Sanktion gleich, obwohl QP wegen der begangenen Straftaten unstreitig bereits verurteilt worden ist. Deshalb vermag ich nicht zu erkennen, weshalb QP mit einer zusätzlichen Sanktion belegt werden sollte, zumal die fraglichen Handlungen bereits seit langer Zeit bekannt sind. Da im vorliegenden Fall der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gilt, hätten die zuständigen Behörden meiner Ansicht nach Maßnahmen den Vorzug geben müssen, die die Familiengemeinschaft nicht beeinträchtigen, gleichzeitig aber die Gefahrenvorbeugung und die soziale Wiedereingliederung des Einzelnen gewährleisten.

93.

Da sich die zuständigen Behörden nicht auf die Ausnahme im Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit berufen durften, können sie sich der Anerkennung eines Aufenthaltsrechts auf der Grundlage von Art. 20 AEUV nach meinem Dafürhalten nicht erfolgreich widersetzen.

iii) Zwischenergebnis

94.

Im Licht der vorstehenden Erwägungen ist der Schluss zu ziehen, dass sich im vorliegenden Fall nicht von vornherein ausschließen lässt, dass QP auf der Grundlage von Art. 20 AEUV über ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht verfügt. Dies gilt vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Beurteilung der Frage, ob zwischen QP und seiner minderjährigen Tochter, die Unionsbürgerin ist, ein Abhängigkeitsverhältnis besteht, das die abhängige Unionsbürgerin im Fall der Verweigerung des Aufenthaltsrechts für QP zwingen würde, das Gebiet der Union zu verlassen, wodurch ihr der tatsächliche Genuss des Kernbestands der durch diesen Status verliehenen Rechte vorenthalten würde.

2) Prüfung der Rechtssache C‑451/19

95.

Wie die Rechtssache C‑532/19 betrifft die Rechtssache C‑451/19 eine Familie, die u. a. aus einer Drittstaatsangehörigen, ihrem Ehemann – einem spanischen Staatsangehörigen, der nie von seiner Freizügigkeit innerhalb der Union Gebrauch gemacht hat – und ihrem minderjährigen Sohn besteht, der ebenfalls die spanische Staatsangehörigkeit besitzt und nie von seiner Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat. In dieser Rechtssache C‑451/19 ist der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels – im Gegensatz zur Rechtssache C‑532/19 – jedoch nicht für den drittstaatsangehörigen Elternteil des minderjährigen Kindes, das die Unionsbürgerschaft besitzt, gestellt worden.

96.

Den Angaben des vorlegenden Gerichts zufolge verfügt die Drittstaatsangehörige, die Ehefrau und Mutter von Unionsbürgern ist, nämlich bereits über ein Aufenthaltsrecht im spanischen Hoheitsgebiet ( 44 ). Die Weigerung der spanischen Behörden, ein Aufenthaltsrecht zu gewähren, bezieht sich in Wirklichkeit auf deren ersten Sohn, XU, der, aus einer früheren Verbindung dieser Drittstaatsangehörigen stammend, kein Unionsbürger ist und zum Zeitpunkt des Erlasses der Ablehnungsentscheidung noch minderjährig war ( 45 ). Folglich ist XU der Sohn einer Drittstaatsangehörigen, die über ein Aufenthaltsrecht in Spanien verfügt, einerseits, und der Stiefsohn und Halbbruder zweier Unionsbürger andererseits.

97.

Unter derartigen Umständen und unter Berücksichtigung der subsidiären Anwendung des sich aus Art. 20 AEUV ergebenden abgeleiteten Aufenthaltsrechts ( 46 ) halte ich es für zweckmäßig, zunächst zu untersuchen, ob XU ein Aufenthaltsrecht aus der Richtlinie 2003/86 herleiten kann, bevor anschließend geprüft wird, ob ihm ein solches Aufenthaltsrecht nach Art. 20 AEUV zusteht. Obwohl das vorlegende Gericht sein Vorabentscheidungsersuchen auf die Auslegung der letztgenannten Vorschrift beschränkt hat, ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof, um dem vorlegenden Gericht, das eine Vorlagefrage an ihn gerichtet hat, eine sachdienliche Antwort zu geben, nach ständiger Rechtsprechung veranlasst sein kann, unionsrechtliche Vorschriften zu berücksichtigen, die das nationale Gericht in seiner Frage nicht angeführt hat ( 47 ).

i) Zur Anwendbarkeit der Richtlinie 2003/86

98.

Nach ihrem Art. 1 ist Ziel der Richtlinie 2003/86 die Festlegung der Bedingungen für die Ausübung des Rechts auf Familienzusammenführung durch Drittstaatsangehörige, die sich rechtmäßig im Gebiet der Mitgliedstaaten aufhalten. Gemäß dem vierten Erwägungsgrund dieser Richtlinie ist die Familienzusammenführung eine notwendige Voraussetzung dafür, dass ein Familienleben möglich ist. Außerdem trägt sie zur Schaffung soziokultureller Stabilität bei, die die Integration Drittstaatsangehöriger in dem Mitgliedstaat erleichtert; dadurch wird auch der wirtschaftliche und soziale Zusammenhalt, ein grundlegendes Ziel der Union, gefördert. Im vorliegenden Kontext scheint mir der neunte Erwägungsgrund der genannten Richtlinie relevant zu sein, da aus ihm hervorgeht, dass die Familienzusammenführung auf jeden Fall für die Mitglieder der Kernfamilie, d. h. den Ehegatten und die minderjährigen Kinder, gelten sollte. Im Licht des Vorstehenden deutet meines Erachtens Einiges darauf hin, dass die Umstände der vorliegenden Rechtssache tatsächlich in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2003/86 fallen könnten.

99.

Da sich die Mutter von XU rechtmäßig im spanischen Hoheitsgebiet aufhält, könnte sie als „Zusammenführende“ im Sinne von Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2003/86 angesehen werden. Dementsprechend lässt sich nicht ausschließen, dass ihr rechtmäßiger Aufenthalt derart gewesen ist, dass er gemäß Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie das Recht auf Familienzusammenführung eröffnen kann.

100.

In ihren schriftlichen Erklärungen wendet sich die spanische Regierung gegen eine Auslegung in diesem Sinne und macht geltend, Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2003/86 finde auf die Familienangehörigen eines Unionsbürgers keine Anwendung. Die spanische Regierung verweist hierfür auf das Urteil in der Rechtssache C‑256/11, Dereci u. a. ( 48 ), in dem der Gerichtshof entschieden hat, dass die Richtlinie nicht für den Fall von Drittstaatsangehörigen gilt, die Familienangehörige eines Unionsbürgers mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat sind und beabsichtigen, in diesen Mitgliedstaat einzureisen und sich dort aufzuhalten, um die Familiengemeinschaft aufrechtzuerhalten, wobei er sich u. a. auf eine Auslegung stützt, die auf der Entstehungsgeschichte der Richtlinie beruht ( 49 ).

101.

Dieses Argument erscheint mir nicht überzeugend, da es einen Fall betrifft, der sich ganz erheblich vom vorliegenden unterscheidet. Zwar wird nicht bestritten, dass die Richtlinie 2003/86 gemäß der oben erwähnten Bestimmung nicht für die Familienangehörigen eines Unionsbürgers gilt. Ich möchte jedoch anmerken, dass der Gerichtshof in einem spezifischen Kontext auf diese Bestimmung verwiesen hat, in dem die Kläger Drittstaatsangehörige waren, die mit Familienangehörigen, die als Staatsangehörige eines Mitgliedstaats Unionsbürger waren und in diesem Mitgliedstaat ihren Wohnsitz hatten, zusammenleben wollten. Unter Berücksichtigung des klaren Wortlauts von Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2003/86 konnte sich ein Antrag auf Zusammenführung unter derartigen Umständen offenkundig nicht auf diese Richtlinie stützen. Der Sachverhalt in der vorliegenden Rechtssache ist jedoch anders gelagert, da die Familienzusammenführung lediglich zwei Drittstaatsangehörige betrifft, nämlich XU und seine Mutter.

102.

Man könnte erwidern, dass sich die Situation im vorliegenden Fall ein wenig komplexer darstellt, da XU letztlich der Stiefsohn und Halbbruder zweier Unionsbürger ist. Gleichwohl bin ich nicht davon überzeugt, dass dieser Umstand allein geeignet ist, einer Anwendung der Richtlinie 2003/86 auf die vorliegende Rechtssache entgegenzustehen. Im Gegenteil: In allen Fällen, in denen die Zusammenführung von einem Drittstaatsangehörigen beantragt wird, der auf die eine oder andere Weise eine familiäre Beziehung zu einem Unionsbürger unterhält, würde dieser Richtlinie bei einer übermäßig weiten Auslegung von Art. 3 Abs. 3 meines Erachtens vielmehr ihre praktische Wirksamkeit genommen. Im schlimmsten Fall könnte eine solche Auslegung je nach Zusammensetzung der betreffenden Familie zu unvorhersehbaren Ergebnissen führen. Die sich daraus ergebende Verwaltungspraxis könnte so willkürlich erscheinen. Ein kohärenter Ansatz erweist sich als notwendig, damit ein solches Szenario verhindert wird. Im Übrigen ist zu bemerken, dass die spanische Regierung ihren Standpunkt ausschließlich auf das Urteil vom 15. November 2011, Dereci u. a. (C‑256/11, EU:C:2011:734), gestützt hat, das sich jedoch, wie bereits in der vorstehenden Nummer der vorliegenden Schlussanträge dargelegt worden ist, nicht auf den vorliegenden Fall bezieht.

103.

Im Sinne einer Anwendung der Richtlinie 2003/86 auf die Umstände der vorliegenden Rechtssache möchte ich das Urteil anführen, das in den Rechtssachen C‑356/11 und C‑357/11, O u. a. ( 50 ), ergangen ist und uns meiner Meinung nach einige nützliche Anhaltspunkte liefern könnte. Jede der beiden Rechtssachen, in denen dieses Urteil ergangen ist, bezog sich auf die Weigerung, einem Drittstaatsangehörigen, der mit einer Drittstaatsangehörigen verheiratet war, die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats aufhielt, wobei die Ehe zur Geburt eines ebenfalls drittstaatsangehörigen Kindes geführt hatte, das mit seiner Mutter in diesem Mitgliedstaat zusammenlebte, einen Aufenthaltstitel zu gewähren. Darüber hinaus hatte die Drittstaatsangehörige auch im Rahmen einer früheren Ehe mit einem Unionsbürger ein Kind geboren, das Unionsbürger war und für das sie das alleinige Sorgerecht erhalten hatte.

104.

Der Gerichtshof hat festgestellt, dass sich die Drittstaatsangehörige, deren damaliger Ehemann ein Recht auf Familienzusammenführung beansprucht hatte, rechtmäßig im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats aufhielt und ihr gemeinsames Kind ebenfalls Drittstaatsangehöriger war, weshalb es nicht in den Genuss des Unionsbürgerstatus kam. Daher hat er entschieden: „Unter Berücksichtigung des mit der Richtlinie 2003/86 verfolgten Ziels der Begünstigung der Familienzusammenführung … und des Schutzes, der Drittstaatsangehörigen, insbesondere Minderjährigen, durch sie gewährt werden soll, kann ihre Anwendung nicht allein deshalb ausgeschlossen werden, weil ein Elternteil [des] Minderjährigen, der Drittstaatsangehöriger ist, auch Elternteil eines aus einer ersten Ehe hervorgegangenen Unionsbürgers ist.“ ( 51 )

105.

Einerseits ist anzuerkennen, dass die in der Rechtssache C‑451/19 in Rede stehende Familienstruktur mit denjenigen, die zum Urteil vom 6. Dezember 2012, O u. a. (C‑356/11 und C‑357/11, EU:C:2012:776), geführt haben, nicht vollkommen identisch ist. Das Kind der Drittstaatsangehörigen, das die Unionsbürgerschaft besitzt, ist nämlich nicht aus einer aufgelösten Ehe mit einem Unionsbürger hervorgegangen. Darüber hinaus wird die Verweigerung eines Aufenthaltstitels im vorliegenden Fall XU, d. h. dem Kind der Drittstaatsangehörigen, die sich rechtmäßig im spanischen Hoheitsgebiet aufhält, und nicht deren Ehegatten entgegengehalten.

106.

Andererseits bin ich nicht davon überzeugt, dass solche Unterschiede XU daran hindern können, sich erfolgreich auf das Recht auf Familienzusammenführung aus der Richtlinie 2003/86 zu berufen. Erstens ist zu berücksichtigen, dass XU zu dem Zeitpunkt, zu dem die spanischen Behörden ihm ein Aufenthaltsrecht versagt haben, minderjährig war und somit gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie als „Begünstigter“ eines solchen Rechts auf Familienzusammenführung angesehen werden konnte. Zweitens ist in den vorliegenden Schlussanträgen bereits erläutert worden, dass die Mutter von XU die Kriterien des Status einer „Zusammenführenden“ im Sinne von Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2003/86 aus eigenem Recht erfüllt ( 52 ). Drittens ist es unverständlich, wenn ein zufälliges Ereignis wie die Ehe mit einem Unionsbürger die Mutter von XU daran hindert, sich auf die Bestimmungen dieser Richtlinie zu berufen, um die Familienzusammenführung mit ihrem Sohn zu erreichen.

107.

Wie ich im Rahmen meiner Analyse bereits dargelegt habe ( 53 ), droht eine Verwaltungspraxis, die zum Ausschluss des Rückgriffs auf die genannte Richtlinie führt, wenn der drittstaatsangehörige Zusammenführende auf die eine oder andere Weise eine familiäre Beziehung zu einem Unionsbürger unterhält, obwohl er die Kriterien für eine Familienzusammenführung aus eigenem Recht erfüllt, die Rechtssicherheit zu beeinträchtigen. Schließlich erscheint es mir vollkommen unlogisch, dass gerade die Eigenschaft des Ehegatten als „Unionsbürger“ schwerwiegende Nachteile für einen Drittstaatsangehörigen mit sich bringt, der eine Familienzusammenführung mit seinem aus einer früheren Beziehung stammenden Kind anstrebt. Eines der Mittel zur Vermeidung eines solchen Ergebnisses bestünde darin, Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2003/86 eher eng auszulegen.

108.

Die in den vorstehenden Nummern der vorliegenden Schlussanträge dargelegten Argumente veranlassen mich daher zu der Auffassung, dass die Anwendung der Richtlinie 2003/86, wie der Gerichtshof im Urteil vom 6. Dezember 2012, O u. a. (C‑356/11 und C‑357/11, EU:C:2012:776), entschieden hat, nicht allein deshalb ausgeschlossen werden kann, weil der Zusammenführende Drittstaatsangehöriger und Elternteil eines Unionsbürgers ist. Die Rechtsprechung sollte anerkennen, dass auch der Ehegatte eines Unionsbürgers die Möglichkeit hat, eine Familienzusammenführung auf der Grundlage der Bestimmungen dieser Richtlinie zu beantragen.

109.

Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Antrag auf Familienzusammenführung weder von XU noch von seiner Mutter eingereicht worden ist, sondern vom Ehemann der Mutter, einem Unionsbürger, halte ich es für zweckmäßig, wenn der Gerichtshof das vorlegende Gericht auf das etwaige Recht von XU auf Familienzusammenführung mit seiner Mutter nach der Richtlinie 2003/86 hinweist.

110.

Insoweit ist zu bemerken, dass bei der Bearbeitung dieses Antrags zu prüfen sein wird, ob im konkreten Fall alle weiteren gesetzlichen Voraussetzungen, darunter die in Art. 7 der Richtlinie 2003/86 vorgesehene Voraussetzung im Zusammenhang mit den ausreichenden Existenzmitteln, erfüllt sind ( 54 ). Wie ich in den vorliegenden Schlussanträgen bereits ausgeführt habe ( 55 ), fällt eine derartige Beurteilung jedoch in die Zuständigkeit der nationalen Behörden. Außerdem ist es in Ermangelung detaillierterer Informationen nicht möglich, mehr Hinweise zur Auslegung der Richtlinie zu geben.

ii) Zur Anwendbarkeit von Art. 20 AEUV

111.

Sollte das vorlegende Gericht die Ansicht vertreten, dass XU zum Zeitpunkt der Ablehnung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels keinen Anspruch auf Familienzusammenführung nach der Richtlinie 2003/86 hatte, wird es zu prüfen haben, ob er zu diesem Zeitpunkt gleichwohl Anspruch auf ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht gemäß Art. 20 AEUV hatte.

112.

Nach der in den vorliegenden Schlussanträgen bereits angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs könnte das nur dann der Fall sein, wenn zwischen XU und einem Unionsbürger, der Familienangehöriger ist, ein Abhängigkeitsverhältnis bestünde, das infolge der Abschiebung von XU aus dem Gebiet der Union de facto auch den Unionsbürger zwingen würde, dieses Gebiet zu verlassen ( 56 ). Um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, schlage ich vor, die betreffende Familienstruktur unter dem Gesichtspunkt der möglichen Auswirkungen zu prüfen, die sich für den Halbbruder und den Stiefvater von XU, die beide Unionsbürger sind, ergeben könnten, wenn XU ein Aufenthaltsrecht verweigert würde.

113.

Insoweit ist festzustellen, dass diese Auswirkungen aufgrund der herausragenden Rolle der Mutter in der Kernfamilie vor allem indirekt wären. Wie das vorlegende Gericht im Übrigen hervorhebt, hätte die Abschiebung von XU sehr wahrscheinlich zur Folge, dass seine Mutter ihn in ihr Herkunftsland begleiten müsste. Das vorlegende Gericht stützt diese Beurteilung auf eine Reihe konkreter Anhaltspunkte, nämlich das alleinige Sorgerecht der Mutter und die Tatsache, dass XU zum fraglichen Zeitpunkt noch minderjährig war. Es ist nämlich ohne Weiteres vorstellbar, dass, falls die Mutter von XU das Unionsgebiet praktisch gesehen verlassen muss, um ihren elterlichen Pflichten gegenüber ihrem minderjährigen Kind weiterhin nachkommen zu können, dies gewisse und schwerwiegende Auswirkungen auf das Leben aller betroffenen Personen hätte.

114.

Dieser Aspekt veranlasst mich zu einer Reihe von Bemerkungen, die es mir gestatten werden, die Herausforderungen der vorliegenden Rechtssache besser zu veranschaulichen. Im Rahmen meiner Analyse habe ich auf den ausgesprochen sensiblen Kontext einer Verwaltungsentscheidung der im Einwanderungsbereich zuständigen Behörden hingewiesen, die zur Beendigung der Familiengemeinschaft führen könnte ( 57 ). In diesem Kontext ist zu berücksichtigen, dass eine solche Verwaltungsentscheidung generell zur Folge hat, dass die Mitglieder einer Familie vor eine extrem schwierige Entscheidung gestellt werden, nämlich entweder ihre physische Trennung hinzunehmen oder zusammen auszureisen. Wie sich die Familie in seiner solchen Situation auch immer entscheidet: Ihre Zukunft wird von zahlreichen Unsicherheiten geprägt sein. Die Familie wird sich mit existenziellen Fragen auseinanderzusetzen haben, da eine solche Trennung je nach wirtschaftlicher Situation und Herkunftsort ihrer Mitglieder nur vorübergehend sein, aber durchaus auch endgültig werden könnte. In Anbetracht dieser Erwägungen wäre eine Auslegung des Unionsrechts, die unter den beschriebenen Umständen eine Trennung der Familienmitglieder dulden würde, kaum mit der Verpflichtung zur Achtung des Familienlebens nach Art. 7 der Charta vereinbar.

115.

Wären der Halbbruder und der Stiefvater von XU gezwungen, der Mutter (und ihrem Sohn) mit dem Ziel zu folgen, die Familiengemeinschaft außerhalb des Unionsgebiets aufrechtzuerhalten, würde ihnen offenkundig der tatsächliche Genuss der ihnen in ihrer Eigenschaft als Unionsbürger zuerkannten Rechte vorenthalten. In diesem Zusammenhang ist im Übrigen anzumerken, dass sich die Abschiebung von XU und seiner Mutter vermutlich in der gleichen Weise auf den tatsächlichen Genuss der Rechte auswirken würde, die ihr Halbbruder bzw. Sohn und ihr Stiefvater bzw. Ehemann aus ihrem Unionsbürgerstatus herleiten, wie sie in der Rechtssache C‑532/19 beobachtet worden ist, sofern das vorlegende Gericht nach der Sachverhaltswürdigung das Bestehen eines Abhängigkeitsverhältnisses im Sinne von Art. 20 AEUV feststellt ( 58 ).

116.

Die Tatsache, dass das vorlegende Gericht ausdrücklich erwähnt, dass der Halbbruder und der Stiefvater von XU möglicherweise gezwungen sind, der Mutter (und ihrem Sohn) zu folgen, stellt meiner Meinung nach einen Anhaltspunkt dafür dar, dass es sich um kein rein hypothetisches Szenario handelt. Abgesehen davon wird das nationale Gericht definitiv eine Sachverhaltswürdigung vorzunehmen haben, um festzustellen, ob zwischen den verschiedenen Familienmitgliedern Beziehungen bestehen, die, weil sie sich durch einen hohen Abhängigkeitsgrad auszeichnen, für XU auf der Grundlage von Art. 20 AEUV ein Aufenthaltsrecht begründen könnten.

117.

Was insbesondere die Frage betrifft, ob unter den Umständen des vorliegenden Falls ein Abhängigkeitsverhältnis festgestellt werden kann, so geht aus dem Gesagten klar hervor, dass die vorliegende Rechtssache viel komplexer ist als die Mehrzahl der anderen vom Gerichtshof bereits behandelten Rechtssachen, die – wie die Rechtssache C‑34/09, Ruiz Zambrano ( 59 ), die der Rechtsprechung zu dem auf Art. 20 AEUV gestützten Aufenthaltsrecht zugrunde liegt – durch ein lediglich zwischen zwei Personen, nämlich einem Drittstaatsangehörigen und einem Unionsbürger, bestehendes Abhängigkeitsverhältnis gekennzeichnet waren. Wie ich bereits in den vorstehenden Nummern ( 60 ) ausgeführt habe, entsteht die Gefahr für den tatsächlichen Genuss der den Unionsbürgern verliehenen Rechte im vorliegenden Fall nicht direkt aus der Abschiebung von XU. Die Gefahr ist eher indirekt, weil die Mutter de facto gezwungen wäre, das Unionsgebiet zu verlassen, um ihrem Kind XU zu folgen, obwohl sie über ein Aufenthaltsrecht verfügt. Aufgrund der herausragenden Rolle der Mutter in der Kernfamilie – insbesondere der Tatsache, dass sie das (alleinige für das eine und gemeinsame für das andere) Sorgerecht für ihre beiden Kinder ausübt – steht daher die Beziehung zwischen der Mutter (und nicht notwendigerweise XU) und dem minderjährigen Kind, das Unionsbürger ist, im Mittelpunkt der Prüfung der Rechtssache.

118.

Dementsprechend ist meiner Ansicht nach einem analytischeren und flexibleren Ansatz, der es gestattet, den indirekten Auswirkungen innerhalb der Kernfamilie gebührend Rechnung zu tragen, der Vorzug zu geben. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs sollte daher präzisiert werden, um den Anwendungsbereich von Art. 20 AEUV auszuweiten und auch solche Fälle zu erfassen. In Bezug auf die vorliegende Rechtssache rege ich an, dem vorlegenden Gericht vorzuschlagen, das Abhängigkeitsverhältnis zwischen der Mutter und ihrem Sohn, der Unionsbürger (und Halbbruder von XU) ist, in den Mittelpunkt seiner Sachverhaltswürdigung zu stellen, auch wenn tatsächlich XU unmittelbar von der Weigerung der nationalen Behörden betroffen ist, ihm ein Aufenthaltsrecht zuzuerkennen. Nach diesem Ansatz sollte XU aus der genannten Vorschrift ein Aufenthaltsrecht herleiten können.

119.

Der Vollständigkeit halber möchte ich betonen, dass ein solcher Ansatz keineswegs eine maßlose Ausweitung des Anwendungsbereichs von Art. 20 AEUV auf Fälle bedeutet, die den Schutz des Unionsrechts zweifellos nicht verdienen. Als Beleg für die Kohärenz des vorgeschlagenen Ansatzes halte ich es für notwendig, noch einmal auf die Rechtssache O u. a. einzugehen, mit der die Ausgangsrechtssache einige Ähnlichkeiten wie beispielsweise die Tatsache aufweist, dass beide Rechtssachen die Betreuung von Kindern in Patchwork-Familien betreffen.

120.

Es sei in Erinnerung gerufen, dass das vorlegende Gericht, wie der Gerichtshof in dem in jener Rechtssache ergangenen Urteil klargestellt hat, hätte feststellen können, dass zwischen dem Drittstaatsangehörigen, der ein Aufenthaltsrecht nach Art. 20 AEUV beantragt hatte, und dem Sohn seiner sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats aufhaltenden Ehefrau mit Drittstaatsangehörigkeit, der die Unionsbürgerschaft besaß, kein Abhängigkeitsverhältnis im Sinne dieses Artikels bestand. Hierfür hat sich der Gerichtshof zum einen auf das Daueraufenthaltsrecht im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats, über das die Mutter des Unionsbürgers verfügte, und zum anderen auf die Tatsache berufen, dass ihr Ehemann nicht die rechtliche, finanzielle oder affektive Sorge für den Unionsbürger, dessen Vater er nicht war, ausübte, da diese Sorge ausschließlich seiner Ehefrau, der Mutter des Unionsbürgers, zustand. In seinem Urteil scheint sich der Gerichtshof auch auf die Annahme gestützt zu haben, dass sich das drittstaatsangehörige Kind, das aus der Verbindung zwischen dem den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels stellenden Vater und seiner Ehefrau hervorgegangen war, mit seiner Mutter im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats aufhalten konnte. Auf diese Weise war Letztere in der Lage, mit ihren beiden Kindern im Unionsgebiet zusammenzuleben ( 61 ).

121.

In der vorliegenden Rechtssache ist hingegen dem Kind einer Drittstaatsangehörigen, die sich rechtmäßig in Spanien aufhält, ein Aufenthaltstitel versagt worden. Daher könnte die Drittstaatsangehörige mit ihren beiden Kindern nicht weiter im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats leben. Würde sie sich dazu entschließen, das Unionsgebiet zusammen mit XU zu verlassen, könnte darüber hinaus ihr zweites Kind, das Unionsbürger ist, nur dann in der Union bleiben, wenn ihm die gemeinsame Sorge durch seine Eltern vorenthalten würde. In der Tat ließe sich diese gemeinsame Sorge vielmehr einzig und allein dadurch aufrechterhalten, dass sowohl das Kind als auch sein Vater, der ebenfalls Unionsbürger ist, das Unionsgebiet verlassen.

122.

Da diese beiden Rechtssachen signifikante Unterschiede aufweisen, erscheint es mir gerechtfertigt, in der Rechtssache O u. a. mit dem Gerichtshof das Fehlen eines „Abhängigkeitsverhältnisses“ im Sinne von Art. 20 AEUV und in der vorliegenden Rechtssache das Bestehen eines solchen Verhältnisses festzustellen. Die Anerkennung eines Abhängigkeitsverhältnisses ist nur dann rechtmäßig, wenn die von der Rechtsprechung festgelegten Kriterien erfüllt sind, was, wie ich soeben aufgezeigt habe, in der Rechtssache O u. a. offensichtlich nicht der Fall war. Trotz der Komplexität der beiden Rechtssachen unterliegt es keinerlei Zweifel, dass die Familienmitglieder in der vorliegenden Rechtssache einen wirksamen Schutz verdienen, damit insbesondere den beiden Unionsbürgern nicht der tatsächliche Genuss des Kernbestands der durch diesen Status verliehenen Rechte vorenthalten wird. Der vorgeschlagene Ansatz steht daher voll und ganz im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs.

iii) Zwischenergebnis

123.

In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist der Schluss zu ziehen, dass sich im vorliegenden Fall nicht vornherein ausschließen lässt, dass XU auf der Grundlage von Art. 20 AEUV über ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht verfügt. Dies gilt vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Beurteilung der Frage, ob zwischen der Mutter von XU, einer Drittstaatsangehörigen, und ihrem minderjährigen Kind, das Unionsbürger ist, ein Abhängigkeitsverhältnis besteht, das den abhängigen Unionsbürger im Fall der Verweigerung des Aufenthaltsrechts für XU zwingen würde, das Gebiet der Union zu verlassen, wodurch ihm der tatsächliche Genuss des Kernbestands der durch diesen Status verliehenen Rechte vorenthalten würde.

4.   Zusammenfassung der Analyse der ersten thematischen Achse

124.

Wie aus der Analyse der ersten thematischen Achse hervorgeht, lässt sich unter den Umständen der vorliegenden Rechtssachen nicht von vornherein ausschließen, dass ein Drittstaatsangehöriger auf der Grundlage von Art. 20 AEUV über ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht verfügt ( 62 ). Vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht im Licht des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie der Verpflichtung zur Berücksichtigung des Kindeswohls vorzunehmenden Beurteilung ist festzustellen, dass sich die Unionsbürger in jeder der Ausgangsrechtssachen offenbar in einem Abhängigkeitsverhältnis befinden, das den abhängigen Unionsbürger im Fall der Verweigerung des Aufenthaltsrechts für den Drittstaatsangehörigen zwingen würde, das Gebiet der Union zu verlassen, wodurch ihm der tatsächliche Genuss des Kernbestands der durch diesen Status verliehenen Rechte vorenthalten würde.

C. Zweite thematische Achse: Anforderungen der Rechtsprechung an die Prüfung eines Abhängigkeitsverhältnisses

1.   Unvereinbarkeit der spanischen Verwaltungspraxis mit dem Ansatz des Gerichtshofs

125.

Die zweite thematische Achse bezieht sich im Wesentlichen auf die Frage, ob die spanische Verwaltungspraxis gegebenenfalls mit den Anforderungen der Rechtsprechung an die Prüfung eines Abhängigkeitsverhältnisses im Sinne von Art. 20 AEUV im Einklang steht.

126.

Den Informationen des vorlegenden Gerichts zufolge zeichnet sich diese Praxis dadurch aus, dass einem Drittstaatsangehörigen, der Familienangehöriger eines Unionsbürgers ist, die Gewährung eines Aufenthaltstitels allein deshalb verweigert wird, weil der Unionsbürger für sich und diesen Familienangehörigen nicht über ausreichende Existenzmittel (oder eine Krankenversicherung) verfügt, ohne dass geprüft wird, ob zwischen ihnen ein Abhängigkeitsverhältnis im Sinne von Art. 20 AEUV besteht, nämlich ein Verhältnis, das den Unionsbürger de facto zwingen würde, das Gebiet der Union als Ganzes zu verlassen, falls dem Familienangehörigen ein Aufenthaltstitel im spanischen Hoheitsgebiet vorenthalten würde.

127.

Wie ich in meiner Analyse der ersten thematischen Achse ausgeführt habe ( 63 ), hat der Gerichtshof in den Rn. 34 bis 54 des Urteils Subdelegación del Gobierno en Ciudad Real bereits klargestellt, dass eine solche Praxis nicht mit Art. 20 AEUV vereinbar ist.

128.

Auch die einschlägigen Kriterien, anhand derer sich feststellen lässt, ob ein Drittstaatsangehöriger ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht aus Art. 20 AEUV herleiten kann, sind im Rahmen dieser Analyse vorgestellt worden. Ich habe im Einzelnen erläutert, dass einer der zentralen Aspekte der von den zuständigen Behörden vorzunehmenden Beurteilung darin besteht, festzustellen, ob ein Verhältnis vorliegt, das sich durch einen hohen Abhängigkeitsgrad zwischen dem Drittstaatsangehörigen, der Familienangehöriger eines Unionsbürgers ist, und diesem auszeichnet ( 64 ). Ich habe nachdrücklich darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, Kleinkinder zu schützen und die Familiengemeinschaft weitestgehend aufrechtzuerhalten, und dabei in Erinnerung gerufen, dass es nicht genügt, wenn die nationalen Behörden die etwaige materielle Abhängigkeit eines Kindes, das Unionsbürger ist, von seinem Elternteil mit Drittstaatsangehörigkeit berücksichtigen, sondern auch die Bedeutung der affektiven Bindung an diesen und die Folgen zu ermitteln sind, die seine Ausreise für das seelische Gleichgewicht des Kindes haben könnte ( 65 ).

129.

Abgesehen davon ist hervorzuheben, dass einem Drittstaatsangehörigen, der Familienangehöriger eines Unionsbürgers ist, ein Aufenthaltstitel sogar dann verweigert werden kann, wenn ein solches Abhängigkeitsverhältnis vorliegt und der Drittstaatsangehörige u. a. aufgrund von Straftaten, die er begangen hat, eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt ( 66 ). Im Rahmen meiner Analyse der ersten thematischen Achse, genauer gesagt der Rechtssache C‑532/19, habe ich in Bezug auf das Strafregister von QP eine Reihe nützlicher Hinweise für die Auslegung der Begriffe „öffentliche Ordnung“ und „öffentliche Sicherheit“ gegeben ( 67 ). Schließlich habe ich darauf hingewiesen, dass eine solche Einstufung als „Gefahr“ für diese öffentlichen Interessen nicht automatisch vorgenommen werden darf, sondern ihr eine konkrete Beurteilung sämtlicher aktueller, relevanter Umstände des Einzelfalls im Licht des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, des Wohls des Kindes und der Grundrechte vorausgehen muss ( 68 ).

2.   Zusammenfassung der Analyse der zweiten thematischen Achse

130.

Da die spanische Verwaltungspraxis eine Analyse zur Feststellung des Bestehens eines abgeleiteten Aufenthaltsrechts nach Art. 20 AEUV nicht vorsieht, genügt sie nicht den Anforderungen, die von der Rechtsprechung des Gerichtshofs gestellt werden. Dementsprechend kann diese Verwaltungspraxis nicht als im Einklang mit dem Unionsrecht stehend angesehen werden.

131.

In Anbetracht des Vorstehenden ist die Analyse der zweiten thematischen Achse mit der Feststellung zu schließen, dass Art. 20 AEUV, wie er in der Rechtsprechung des Gerichtshofs ausgelegt wird, der oben beschriebenen Verwaltungspraxis entgegensteht.

VI. Ergebnis

132.

Im Licht der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen des Tribunal Superior de Justicia de Castilla-La Mancha (Oberster Gerichtshof von Kastilien-La Mancha, Spanien) wie folgt zu beantworten:

1.

Art. 20 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einen Mitgliedstaat daran hindert, einem drittstaatsangehörigen Mitglied der Familie eines volljährigen Unionsbürgers, der die Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaats besitzt und nie von seiner Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, allein deshalb das Aufenthaltsrecht zu verweigern, weil der Unionsbürger für die Mitglieder der Familiengemeinschaft nicht über so ausreichende wirtschaftliche Existenzmittel verfügt, dass sie keine nationalen Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen müssen, wenn sich innerhalb der Familie ein Unionsbürger, insbesondere ein Minderjähriger, in einem Abhängigkeitsverhältnis befindet, das den abhängigen Unionsbürger im Fall der Weigerung, dem Drittstaatsangehörigen das Aufenthaltsrecht zu gewähren, zwingen würde, das Gebiet der Union als Ganzes zu verlassen, so dass ihm dadurch der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihm dieser Status verleiht, vorenthalten würde.

2.

Art. 20 AEUV ist dahin auszulegen, dass ein Abhängigkeitsverhältnis, das geeignet ist, die Gewährung eines abgeleiteten Aufenthaltsrechts nach dieser Vorschrift zu rechtfertigen, nicht allein deshalb besteht, weil der volljährige Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, der nie von seiner Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, und sein volljähriger drittstaatsangehöriger Ehegatte nach dem Recht des Mitgliedstaats, dessen Staatsangehörigkeit der Unionsbürger besitzt, aufgrund der sich aus der Ehe ergebenden Pflichten zum Zusammenleben verpflichtet sind.


( 1 ) Originalsprache: Französisch.

( 2 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. 2004, L 158, S. 77).

( 3 ) ABl. 2003, L 251, S. 12.

( 4 ) BOE Nr. 51 vom 28. Februar 2007, S. 8558, im Folgenden: Königliches Dekret 240/2007.

( 5 ) Vgl. Nrn. 41 ff. der vorliegenden Schlussanträge.

( 6 ) Vgl. Nrn. 125 ff. der vorliegenden Schlussanträge.

( 7 ) Vgl. Nrn. 124 und 130 der vorliegenden Schlussanträge.

( 8 ) Urteil Subdelegación del Gobierno en Ciudad Real (Rn. 48 und 49).

( 9 ) Urteil Subdelegación del Gobierno en Ciudad Real (Rn. 30).

( 10 ) Vgl. Nrn. 45 ff. der vorliegenden Schlussanträge.

( 11 ) Vgl. Nrn. 57 ff. der vorliegenden Schlussanträge.

( 12 ) Urteile vom 13. September 2016, Rendón Marín (C‑165/14, EU:C:2016:675, Rn. 69 und 70), sowie Subdelegación del Gobierno en Ciudad Real (Rn. 35 und 36).

( 13 ) Urteil Subdelegación del Gobierno en Ciudad Real (Rn. 37 und 38).

( 14 ) Urteil Subdelegación del Gobierno en Ciudad Real (Rn. 39).

( 15 ) Urteil Subdelegación del Gobierno en Ciudad Real (Rn. 40 und 41).

( 16 ) Urteil Subdelegación del Gobierno en Ciudad Real (Rn. 42).

( 17 ) Urteil K. A. u. a. (Rn. 65).

( 18 ) Urteil K. A. u. a. (Rn. 65).

( 19 ) Peyrl, J., „Kinderbetreuungsgeld für Drittstaatsangehörige, die aus der Kernbestandsdoktrin des EuGH ein Aufenthaltsrecht ableiten können“, Das Recht der Arbeit, 3/2018, S. 236, weist darauf hin, dass die von der Rechtsprechung an den Nachweis für den Abhängigkeitsgrad gestellten Anforderungen unter Berücksichtigung der Verletzlichkeit minderjähriger Kinder bei diesen weniger streng seien als bei Erwachsenen.

( 20 ) Urteile vom 10. Mai 2017, Chavez-Vilchez u. a. (C‑133/15, im Folgenden: Urteil Chavez-Vilchez u. a., EU:C:2017:354, Rn. 65), sowie vom 11. März 2021, Belgischer Staat (Rückkehr des Vaters eines minderjährigen Kindes) (C‑112/20, EU:C:2021:197, Rn. 26).

( 21 ) Urteile Chavez-Vilchez u. a. (Rn. 68) sowie K. A. u. a. (Rn. 70).

( 22 ) Urteile Chavez-Vilchez u. a. (Rn. 70) sowie K. A. u. a. (Rn. 71).

( 23 ) Urteile Chavez-Vilchez u. a. (Rn. 71), K. A. u. a. (Rn. 72) sowie vom 11. März 2021, Belgischer Staat (Rückkehr des Vaters eines minderjährigen Kindes) (C‑112/20, EU:C:2021:197, Rn. 27).

( 24 ) Urteile vom 8. Mai 2013, Ymeraga u. a. (C‑87/12, EU:C:2013:291, Rn. 38), sowie K. A. u. a. (Rn. 73 bis 75).

( 25 ) Vgl. Nr. 43 der vorliegenden Schlussanträge.

( 26 ) Urteil Subdelegación del Gobierno en Ciudad Real (Rn. 33).

( 27 ) Urteil Subdelegación del Gobierno en Ciudad Real (Rn. 34).

( 28 ) Vgl. Nrn. 52 bis 56 der vorliegenden Schlussanträge.

( 29 ) Vgl. in diesem Sinne Neier, C., „Residence right under Article 20 TFEU not dependent on sufficient resources: Subdelegación del Gobierno en Ciudad Real“, Common Market Law Review, Bd. 58, 2021, Nr. 2, S. 566.

( 30 ) Vgl. Nr. 51 der vorliegenden Schlussanträge.

( 31 ) Vgl. Nr. 53 der vorliegenden Schlussanträge.

( 32 ) Vgl. Nr. 55 der vorliegenden Schlussanträge.

( 33 ) Vgl. Nr. 56 der vorliegenden Schlussanträge.

( 34 ) Van Eijken, H., und Phoa, P., „The scope of Article 20 TFEU clarified in Chavez-Vilchez: Are the fundamental rights of minor EU citizens coming of age?“, European Law Review, Bd. 43, Nr. 6, 2018, S. 969, stellen fest, dass der Gerichtshof einen Zusammenhang zwischen der Unionsbürgerschaft und der Charta hergestellt habe, was als ein weiterer Schritt hin zur Entwicklung eines eher supranationalen und politischen Bürgerstatus über seine wirtschaftlichen und transnationalen Wurzeln hinaus ausgelegt werden könne.

( 35 ) Di Comite, V., „Derecho de residencia de los progenitores nacionales de terceros Estados e interés superior del niño ‚europeo‘“, Revista de derecho comunitario europeo, 12/2017, Nr. 58, vertritt die Auffassung, der Verweis auf die in der Charta niedergelegten Grundrechte stelle einen Anhaltspunkt für die zunehmende Bedeutung der Rechte des Kindes im Unionsrecht und insbesondere in der Rechtsprechung des Gerichtshofs dar.

( 36 ) Vgl. insoweit Réveillère, V., „La protection statutaire du citoyen: demeurer sur le territoire de l’Union (dans son État de nationalité)“, Revue trimestrielle de droit européen, 11/2020, Nr. 3, S. 721, dessen Ansicht nach der Gerichtshof eine Güterabwägung nach dem Vorbild des Juristen und Rechtsphilosophen Robert Alexy vorgenommen hat, als er in Rn. 48 des Urteils Subdelegación del Gobierno en Ciudad Real davon ausgegangen sei, dass die Rechte der Unionsbürger Vorrang vor dem Interesse im Zusammenhang mit dem Schutz der öffentlichen Finanzen des betreffenden Mitgliedstaats haben müssten.

( 37 ) Urteile vom 13. September 2016, CS (C‑304/14, EU:C:2016:674, Rn. 36), vom 13. September 2016, Rendón Marín (C‑165/14, EU:C:2016:675, Rn. 81), sowie K. A. u. a. (Rn. 90).

( 38 ) Urteile vom 13. September 2016, CS (C‑304/14, EU:C:2016:674, Rn. 37 bis 39), vom 13. September 2016, Rendón Marín (C‑165/14, EU:C:2016:675, Rn. 82 und 83), sowie K. A. u. a. (Rn. 91).

( 39 ) Urteile vom 13. September 2016, CS (C‑304/14, EU:C:2016:674, Rn. 40), vom 13. September 2016, Rendón Marín (C‑165/14, EU:C:2016:675, Rn. 85), sowie K. A. u. a. (Rn. 92).

( 40 ) Urteile vom 13. September 2016, CS (C‑304/14, EU:C:2016:674, Rn. 41), vom 13. September 2016, Rendón Marín (C‑165/14, EU:C:2016:675, Rn. 85), sowie K. A. u. a. (Rn. 93).

( 41 ) Urteile vom 13. September 2016, CS (C‑304/14, EU:C:2016:674, Rn. 42), vom 13. September 2016, Rendón Marín (C‑165/14, EU:C:2016:675, Rn. 86), sowie K. A. u. a. (Rn. 94).

( 42 ) Vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak in der Rechtssache Kommission/Portugal (C‑265/06, EU:C:2007:784, Nrn. 55 und 56), in denen die Generalanwältin ausführt, dass die Gesundheit und das Leben von Menschen „Rechtsgüter [darstellen], deren Schutz im Mittelpunkt der [unions]weiten Verhütung von Verkehrsunfällen liegt“.

( 43 ) Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar in der Rechtssache Wiener Landesregierung u. a. (Widerruf einer Zusicherung der Einbürgerung) (C‑118/20, EU:C:2021:530, Nrn. 111 bis 113), in denen der Generalanwalt die Auffassung vertritt, dass Straßenverkehrsdelikte keine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellen. Nach Ansicht des Generalanwalts wäre es jedenfalls unverhältnismäßig, wenn einem Unionsbürger der Genuss der Rechte, die ihm dieser Status verleiht, vorenthalten würde, weil er Übertretungen der Regeln der Straßenverkehrsordnung begangen hat. Vgl. in diesem Sinne auch Schlussanträge des Generalanwalts Mengozzi in der Rechtssache Tjebbes u. a. (C‑221/17, EU:C:2018:572, Nr. 88).

( 44 ) Vgl. Nr. 19 der vorliegenden Schlussanträge.

( 45 ) Für ein besseres Verständnis der Problematik ist klarzustellen, dass sich die vorliegende Analyse auf die Annahme stützt, dass die Weigerung der spanischen Behörden, XU ein Aufenthaltsrecht zu gewähren, für diesen die Verpflichtung mit sich bringt, das Unionsgebiet zu verlassen. Die Vorlageentscheidung enthält keine genauen Informationen über den derzeitigen Rechtsstatus von XU; in ihr heißt es lediglich, dass dieser zu dem Zeitpunkt, zu dem er mit seiner Mutter von Venezuela nach Spanien ausgewandert war, d. h. 2004, „in [diesem Mitgliedstaat] eine Aufenthaltserlaubnis erhalten hatte“ (vgl. Nr. 19 der vorliegenden Schlussanträge). Die vorstehende Auslegung des Sachverhalts wird gleichwohl durch mehrere Anhaltspunkte untermauert, insbesondere durch den Verweis auf die Notwendigkeit, XU ein Aufenthaltsrecht zuzuerkennen, um zu verhindern, dass seine Mutter zusammen mit ihrem jüngeren Sohn und ihrem Ehemann, die beide spanische Staatsangehörige sind, das Unionsgebiet verlassen muss, obwohl sie selbst bereits über ein Aufenthaltsrecht in Spanien verfügt. Dementsprechend wird konsequenterweise davon ausgegangen, dass der derzeitige Rechtsstatus von XU nicht ganz klar ist.

( 46 ) Urteile Chavez-Vilchez u. a. (Rn. 63), K. A. u. a. (Rn. 51) sowie Subdelegación del Gobierno en Ciudad Real (Rn. 41).

( 47 ) Urteile vom 7. August 2018, Smith (C‑122/17, EU:C:2018:631, Rn. 34), und vom 5. Dezember 2019, Centraal Justitieel Incassobureau (Anerkennung und Vollstreckung von Geldstrafen oder Geldbußen) (C‑671/18, EU:C:2019:1054, Rn. 26).

( 48 ) Urteil vom 15. November 2011 (C‑256/11, EU:C:2011:734).

( 49 ) Urteil vom 15. November 2011, Dereci u. a. (C‑256/11, EU:C:2011:734, Rn. 48 und 49).

( 50 ) Urteil vom 6. Dezember 2012, O u. a. (C‑356/11 und C‑357/11, EU:C:2012:776).

( 51 ) Urteil vom 6. Dezember 2012, O u. a. (C‑356/11 und C‑357/11, EU:C:2012:776, Rn. 69). Hervorhebung nur hier.

( 52 ) Vgl. Nr. 99 der vorliegenden Schlussanträge.

( 53 ) Vgl. Nr. 102 der vorliegenden Schlussanträge.

( 54 ) Vgl. zu diesen Voraussetzungen und der danach erforderlichen individualisierten Prüfung u. a. Urteil vom 3. Oktober 2019, X (Langfristig Aufenthaltsberechtigte – Ausreichende feste und regelmäßige Einkünfte) (C‑302/18, EU:C:2019:830, Rn. 40 bis 44).

( 55 ) Vgl. Nr. 62 der vorliegenden Schlussanträge.

( 56 ) Wie in der Rechtssache C‑532/19 stellt das vorlegende Gericht maßgeblich auf das Verhältnis zwischen den Ehegatten ab, ohne näher auf das Eltern-Kind-Verhältnis einzugehen. Jedenfalls habe ich in Nr. 65 der vorliegenden Schlussanträge bereits erläutert, dass eine einfache Rechtspflicht zum Zusammenleben, wie sie im spanischen Recht vorgesehen ist, nicht genügt, um darin ein Abhängigkeitsverhältnis zu sehen, das geeignet ist, ein Aufenthaltsrecht nach Art. 20 AEUV zu begründen.

( 57 ) Vgl. Nr. 52 der vorliegenden Schlussanträge.

( 58 ) Vgl. Nr. 94 der vorliegenden Schlussanträge.

( 59 ) Urteil vom 8. März 2011, Ruiz Zambrano (C‑34/09, EU:C:2011:124).

( 60 ) Vgl. Nr. 113 der vorliegenden Schlussanträge.

( 61 ) Urteil vom 6. Dezember 2012, O u. a. (C‑356/11 und C‑357/11, EU:C:2012:776, Rn. 51, 56 und 57).

( 62 ) Vgl. Nrn. 94 und 123 der vorliegenden Schlussanträge.

( 63 ) Vgl. Nr. 42 der vorliegenden Schlussanträge.

( 64 ) Vgl. Nrn. 60 und 61 der vorliegenden Schlussanträge.

( 65 ) Vgl. Nr. 68 der vorliegenden Schlussanträge.

( 66 ) Vgl. Nr. 83 der vorliegenden Schlussanträge.

( 67 ) Vgl. Nrn. 87 bis 93 der vorliegenden Schlussanträge.

( 68 ) Vgl. Nr. 83 der vorliegenden Schlussanträge.