SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

GIOVANNI PITRUZZELLA

vom 4. Juni 2020 ( 1 )

Rechtssache C‑360/19

Crown Van Gelder BV

gegen

Autoriteit Consument en Markt,

Beteiligte:

TenneT TSO BV

(Vorabentscheidungsersuchen des College van Beroep voor het bedrijfsleven [Obergericht für Wirtschaftsverwaltungssachen, Niederlande])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Elektrizitätsbinnenmarkt – Richtlinie 2009/72/EG – Art. 37 – Aufgaben und Befugnisse der Regulierungsbehörde – Begriff ‚Betroffener, der eine Beschwerde hat‘ – Beschwerde bei der Regulierungsbehörde gegen einen Betreiber des nationalen Übertragungsnetzes – Zulässigkeit – Erfordernis der unmittelbaren oder vertraglichen Beziehung mit diesem Betreiber – Fehlen“

1.

Ist es, um eine Beschwerde vor der nationalen Regulierungsbehörde im Bereich Elektrizität gegenüber dem nationalen Übertragungsnetzbetreiber einlegen zu können, erforderlich, an dieses Netz aufgrund einer unmittelbaren Vertragsbeziehung mit diesem Betreiber angeschlossen zu sein?

2.

Das ist im Wesentlichen die dem Gerichtshof gestellte Frage in der vorliegenden Rechtssache, die ein Vorabentscheidungsersuchen des College van Beroep voor het bedrijfsleven (Obergericht für Wirtschaftsverwaltungssachen, Niederlande) zur Auslegung von Art. 37 Abs. 11 der Richtlinie 2009/72/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54/EG ( 2 ) betrifft.

3.

Die Vorlagefrage des vorlegenden Gerichts stellt sich im Rahmen eines Rechtsstreits betreffend eine von der Gesellschaft Crown Van Gelder BV (im Folgenden: Crown) erhobene Klage gegen einen Bescheid der Autoriteit Consument en Markt (Behörde für Verbraucher- und Marktangelegenheiten, Niederlande, im Folgenden: ACM), mit dem die Letztere die von Crown nach einer umfangreichen Stromstörung erhobene Beschwerde, gerichtet auf die Feststellung, dass der Übertragungsnetzbetreiber der Niederlande gegen die Verpflichtungen aus der Richtlinie 2009/72 verstoßen habe, als unzulässig zurückwies. Die ACM erklärte diese Beschwerde aufgrund des Fehlens einer unmittelbaren Beziehung zwischen Crown, die an ein regionales Verteilernetz angeschlossen sei, und diesem Übertragungsnetzbetreiber für unzulässig.

4.

Der vorliegende Fall gibt dem Gerichtshof Gelegenheit, die persönliche Tragweite des Rechts, eine nationale Regulierungsbehörde im Bereich Elektrizität mit einer Beschwerde nach Art. 37 Abs. 11 der Richtlinie 2009/72 ( 3 ) zu befassen, zu klären.

I. Rechtlicher Rahmen

A.   Unionsrecht

5.

In den Erwägungsgründen 34, 37, 42, 51 und 54 der Richtlinie 2009/72 heißt es:

„(34)

Damit der Elektrizitätsbinnenmarkt ordnungsgemäß funktionieren kann, müssen die Regulierungsbehörden Entscheidungen in allen relevanten Regulierungsangelegenheiten treffen können und völlig unabhängig von anderen öffentlichen oder privaten Interessen sein. Dies steht … einer gerichtlichen Überprüfung [nicht] … entgegen.

(37)

Die Regulierungsbehörden sollten über die Befugnis verfügen, Entscheidungen zu erlassen, die für die Elektrizitätsunternehmen bindend sind, und wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen gegen Elektrizitätsunternehmen, die ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, entweder selbst zu verhängen oder einem zuständigen Gericht die Verhängung solcher Sanktionen gegen solche Unternehmen vorzuschlagen. Auch sollte den Regulierungsbehörden die Befugnis zuerkannt werden, … über geeignete Maßnahmen zu entscheiden, die … Vorteile für die Kunden herbeiführen. … Die Regulierungsbehörden sollten ferner über die Befugnis verfügen, dazu beizutragen, hohe Standards bei der Gewährleistung der Grundversorgung und der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen in Übereinstimmung mit den Erfordernissen einer Marktöffnung, den Schutz benachteiligter Kunden und die volle Wirksamkeit der zum Schutz der Kunden ergriffenen Maßnahmen zu gewährleisten.

(42)

Überall in der Gemeinschaft sollten Industrie und Handel, einschließlich der kleinen und mittleren Unternehmen, sowie die Bürger der Union, die von den wirtschaftlichen Vorteilen des Binnenmarktes profitieren, aus Gründen der Gerechtigkeit und der Wettbewerbsfähigkeit und indirekt zur Schaffung von Arbeitsplätzen auch ein hohes Verbraucherschutzniveau genießen können und insbesondere die Haushalte … Darüber hinaus sollten diese Kunden ein Recht auf Wahlmöglichkeiten, Fairness, Interessenvertretung und die Inanspruchnahme eines Streitbeilegungsverfahrens haben.

(51)

Im Mittelpunkt dieser Richtlinie sollten die Belange der Verbraucher stehen … Die bestehenden Verbraucherrechte müssen gestärkt und abgesichert werden und sollten auch auf mehr Transparenz ausgerichtet sein. Durch den Verbraucherschutz sollte sichergestellt werden, dass allen Kunden im größeren Kontext der [Union] die Vorzüge eines Wettbewerbsmarktes zugutekommen. Die Rechte der Verbraucher sollten von den Mitgliedstaaten oder, sofern dies von einem Mitgliedstaat so vorgesehen ist, von den Regulierungsbehörden durchgesetzt werden.

(54)

Ein besserer Verbraucherschutz ist gewährleistet, wenn für alle Verbraucher ein Zugang zu wirksamen Streitbeilegungsverfahren besteht. Die Mitgliedstaaten sollten Verfahren zur schnellen und wirksamen Behandlung von Beschwerden einrichten.“

6.

Nach Art. 1 der Richtlinie 2009/72 „[werden m]it dieser Richtlinie … gemeinsame Vorschriften für die Elektrizitätserzeugung, ‑übertragung, ‑verteilung und ‑versorgung sowie Vorschriften im Bereich des Verbraucherschutzes erlassen, um in der [Europäischen Union] für die Verbesserung und Integration von durch Wettbewerb geprägte Strommärkte zu sorgen. … Darüber hinaus werden in der Richtlinie die Verpflichtungen zur Gewährleistung der Grundversorgung und die Rechte der Stromverbraucher festgelegt und die wettbewerbsrechtlichen Vorschriften klargestellt.“

7.

Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie 2009/72 bestimmt:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

4.

‚Übertragungsnetzbetreiber‘ eine natürliche oder juristische Person, die verantwortlich ist für den Betrieb, die Wartung sowie erforderlichenfalls den Ausbau des Übertragungsnetzes in einem bestimmten Gebiet und gegebenenfalls der Verbindungsleitungen zu anderen Netzen sowie für die Sicherstellung der langfristigen Fähigkeit des Netzes, eine angemessene Nachfrage nach Übertragung von Elektrizität zu decken;

9.

‚Endkunden‘ einen Kunden, der Elektrizität für den eigenen Verbrauch kauft;

…“

8.

Art. 3 Abs. 7 der Richtlinie 2009/72 lautet:

„Die Mitgliedstaaten ergreifen geeignete Maßnahmen zum Schutz der Endkunden und tragen insbesondere dafür Sorge, dass für schutzbedürftige Kunden ein angemessener Schutz besteht. … Die Mitgliedstaaten gewährleisten einen hohen Verbraucherschutz, insbesondere in Bezug auf die … Streitbeilegungsverfahren. …“

9.

Art. 12 („Aufgaben der Übertragungsnetzbetreiber“) der Richtlinie 2009/72 hat folgenden Wortlaut:

„Jeder Übertragungsnetzbetreiber ist dafür verantwortlich,

a)

auf lange Sicht die Fähigkeit des Netzes sicherzustellen, eine angemessene Nachfrage nach Übertragung von Elektrizität zu befriedigen, unter wirtschaftlichen Bedingungen und unter gebührender Beachtung des Umweltschutzes sichere, zuverlässige und leistungsfähige Übertragungsnetze zu betreiben, zu warten und auszubauen;

b)

zu gewährleisten, dass die zur Erfüllung der Dienstleistungsverpflichtungen erforderlichen Mittel vorhanden sind;

c)

durch entsprechende Übertragungskapazität und Zuverlässigkeit des Netzes zur Versorgungssicherheit beizutragen;

d)

die Übertragung von Elektrizität durch das Netz unter Berücksichtigung des Austauschs mit anderen Verbundnetzen zu regeln. Daher ist es Sache des Übertragungsnetzbetreibers, ein sicheres, zuverlässiges und effizientes Elektrizitätsnetz zu unterhalten und in diesem Zusammenhang die Bereitstellung aller notwendigen Hilfsdienste – einschließlich jener, die zur Befriedigung der Nachfrage geleistet werden – zu gewährleisten, sofern diese Bereitstellung unabhängig von jedwedem anderen Übertragungsnetz ist, mit dem das Netz einen Verbund bildet;

e)

dem Betreiber eines anderen Netzes, mit dem sein eigenes Netz verbunden ist, ausreichende Informationen bereitzustellen, um den sicheren und effizienten Betrieb, den koordinierten Ausbau und die Interoperabilität des Verbundnetzes sicherzustellen;

…“

10.

Art. 32 Abs. 2 dieser Richtlinie sieht Folgendes vor:

„Der Übertragungs- oder Verteilernetzbetreiber kann den Netzzugang verweigern, wenn er nicht über die nötige Kapazität verfügt. … Die Mitgliedstaaten oder, wenn die Mitgliedstaaten dies vorsehen, die Regulierungsbehörden gewährleisten, dass diese Kriterien einheitlich Anwendung finden und die Netzbenutzer, denen der Netzzugang verweigert wurde, ein Streitbeilegungsverfahren in Anspruch nehmen können. …“

11.

Art. 37 („Aufgaben und Befugnisse der Regulierungsbehörde“) der Richtlinie 2009/72 bestimmt:

„(1)   Die Regulierungsbehörde hat folgende Aufgaben:

b)

sie gewährleistet, dass Übertragungs- und Verteilernetzbetreiber – gegebenenfalls auch Netzeigentümer – sowie Elektrizitätsunternehmen ihren aus dieser Richtlinie und anderen einschlägigen gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften erwachsenden Verpflichtungen nachkommen, auch in Bezug auf grenzüberschreitende Aspekte;

h)

sie beobachtet die Einhaltung der Anforderungen und überprüft die bisherige Qualität in Bezug auf die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Netzes …;

m)

sie verfolgt, wie viel Zeit die Übertragungs- und Verteilernetzbetreiber für die Herstellung von Anschlüssen und für Reparaturen benötigen;

n)

sie trägt zusammen mit anderen einschlägigen Behörden dazu bei, dass Maßnahmen zum Verbraucherschutz, einschließlich der in Anhang I festgelegten Maßnahmen, wirksam sind und durchgesetzt werden;

(4)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Regulierungsbehörden mit den erforderlichen Befugnissen ausgestattet werden, die es ihnen ermöglichen, die in den Absätzen 1, 3 und 6 genannten Aufgaben effizient und schnell zu erfüllen. Hierzu muss die Regulierungsbehörde unter anderem über folgende Befugnisse verfügen:

a)

Erlass von Entscheidungen, die für Elektrizitätsunternehmen bindend sind;

d)

Verhängung wirksamer, verhältnismäßiger und abschreckender Sanktionen gegen Elektrizitätsunternehmen, die ihren aus dieser Richtlinie oder allen einschlägigen rechtsverbindlichen Entscheidungen der Regulierungsbehörde oder der Agentur erwachsenden Verpflichtungen nicht nachkommen, oder Vorschlag der Verhängung solcher Sanktionen bei einem zuständigen Gericht, derartige Sanktionen zu verhängen. Hierzu zählt auch die Befugnis, bei Nichteinhaltung der jeweiligen Verpflichtungen gemäß dieser Richtlinie gegen den Übertragungsnetzbetreiber … Sanktionen … zu verhängen oder vorzuschlagen; und

(11)   Jeder Betroffene, der in Bezug auf die von einem Betreiber im Rahmen dieser Richtlinie eingegangenen Verpflichtungen eine Beschwerde gegen einen Übertragungs- oder Verteilernetzbetreiber hat, kann damit die Regulierungsbehörde befassen, die als Streitbeilegungsstelle innerhalb eines Zeitraums von zwei Monaten nach Eingang der Beschwerde eine Entscheidung trifft. Diese Frist kann um zwei Monate verlängert werden, wenn die Regulierungsbehörde zusätzliche Informationen anfordert. Mit Zustimmung des Beschwerdeführers ist eine weitere Verlängerung dieser Frist möglich. Die Entscheidung der Regulierungsbehörde ist verbindlich, bis sie gegebenenfalls aufgrund eines Rechtsbehelfs aufgehoben wird.

(12)   Jeder Betroffene, der hinsichtlich einer gemäß diesem Artikel getroffenen Entscheidung über die Methoden oder, soweit die Regulierungsbehörde eine Anhörungspflicht hat, hinsichtlich der vorgeschlagenen Tarife bzw. Methoden beschwerdeberechtigt ist, kann spätestens binnen zwei Monaten bzw. innerhalb einer von den Mitgliedstaaten festgelegten kürzeren Frist nach Veröffentlichung der Entscheidung bzw. des Vorschlags für eine Entscheidung eine Beschwerde im Hinblick auf die Überprüfung der Entscheidung einlegen. Eine Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.

(17)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass auf nationaler Ebene geeignete Verfahren bestehen, die einer betroffene[n] Partei das Recht geben, gegen eine Entscheidung einer Regulierungsbehörde bei einer von den beteiligten Parteien und Regierungen unabhängigen Stelle Beschwerde einzulegen.“

B.   Niederländisches Recht

12.

Art. 37 Abs. 11 der Richtlinie 2009/72 wurde von Art. 51 Abs. 1 der Wet houdende regels met betrekking tot de productie, het transport en de levering van elektriciteit (Elektriciteitswet 1998) (Gesetz zur Regelung der Erzeugung, der Übertragung und der Lieferung von Elektrizität [Elektrizitätsgesetz von 1998]) vom 2. Juli 1998 ( 4 ) in niederländisches Recht umgesetzt.

II. Sachverhalt, Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

13.

Am 27. März 2015 ereignete sich eine umfangreiche Stromstörung infolge einer Störung im Umspannwerk (380 kV) Diemen (Niederlande). Diese Anlage ist Teil des niederländischen Hochspannungsübertragungsnetzes, dessen Netzbetreiber die Gesellschaft TenneT TSO BV (im Folgenden: TenneT) ist. Diese Störung führte zu einem Komplettausfall der Anlage, was zur Folge hatte, dass ein großer Teil der Provinz Noord-Holland (Nordholland) und ein kleiner Teil der Provinz Flevoland einige Stunden lang keinen Strom mehr hatten.

14.

Crown ist eine Gesellschaft, die eine Papierfabrik in der Provinz Noord-Holland der Niederlande betreibt. Diese Fabrik ist an das Verteilernetz angeschlossen, das von der Liander NV betrieben wird und das seinerseits aus dem von TenneT betriebenen nationalen Hochspannungsnetz gespeist wird. Aufgrund des angeführten Stromausfalls wurde der Transport von Elektrizität an die Fabrik von Crown am 27. März 2015 für mehrere Stunden unterbrochen.

15.

Crown legte Beschwerde bei der ACM ein und beantragte bei dieser zum einen die Feststellung, dass TenneT nicht alle ihr zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung der Unterbrechung des Transports von Elektrizität ergriffen habe, und zum anderen, dass die Netzstruktur des Umspannwerks Diemen den gesetzlichen Erfordernissen nicht entspreche. Crown machte im Wesentlichen geltend, dass die Unterbrechung der Stromübertragung auf die Nichterfüllung der angeführten Verpflichtungen durch TenneT als Betreiber des nationalen Übertragungsnetzes, in dem sich die Störung ereignete, zurückgeführt werden könne.

16.

Mit Bescheid vom 30. April 2018 wies die ACM die Beschwerde von Crown gegen TenneT mit der Begründung als unzulässig zurück, dass zwischen Crown und TenneT keine unmittelbare Beziehung bestehe, da die Fabrik von Crown ausschließlich an das von Liander betriebene Verteilernetz und nicht an das von TenneT betriebene Übertragungsnetz angeschlossen sei. Auf dieser Grundlage schloss die ACM daher aus, dass Crown als „Betroffene“ im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Elektriciteitswet 1998 und von Art. 37 Abs. 11 der Richtlinie 2009/72 eingestuft werden könne.

17.

Unter diesen Umständen erhob Crown Van Gelder beim vorlegenden Gericht Klage gegen diesen Bescheid der ACM.

18.

Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass die Parteien unterschiedlicher Auffassung über die Auslegung des Begriffs „Betroffener, der eine Beschwerde hat“ nach Art. 37 Abs. 11 der Richtlinie 2009/72 und insbesondere über die Abgrenzung der Beschwerdeberechtigten sind. Dieses Gericht hat Zweifel an der Bedeutung, die diesem Begriff beizumessen ist, und fragt sich, ob in einer Situation wie in der bei ihm anhängigen Rechtssache ein Rechtsträger wie Crown eine Beschwerde bei der ACM einlegen kann oder nicht.

19.

Unter diesen Umständen hat das vorlegende Gericht beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist Art. 37 Abs. 11 der Richtlinie 2009/72 dahin auszulegen, dass diese Vorschrift das Recht auf Beschwerde gegen den Betreiber des nationalen Netzes (Übertragungsnetzbetreiber) auch einem Betroffenen einräumt, der über keinen Anschluss an das Netz dieses Netzbetreibers (Übertragungsnetzbetreiber) verfügt, sondern ausschließlich an ein regionales Netz (Verteilernetz) angeschlossen ist, in dem der Transport von Elektrizität aufgrund einer Unterbrechung im nationalen Netz (Übertragungsnetz), das das regionale Netz (Verteilernetz) speist, stockt?

III. Rechtliche Würdigung

20.

Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht vom Gerichtshof wissen, ob der Begriff „Betroffener, der eine Beschwerde hat“ nach Art. 37 Abs. 11 der Richtlinie 2009/72 dahin auszulegen ist, dass ein Endkunde das Recht hat, eine Beschwerde bei der nationalen Regulierungsbehörde gegen den Betreiber des nationalen Übertragungsnetzes einzulegen, wenn dieser Endkunde nicht unmittelbar an dieses Übertragungsnetz angeschlossen ist, sondern ausschließlich an ein Verteilernetz, das von diesem Übertragungsnetz gespeist wird, und wenn sich eine Unterbrechung des Transports von Elektrizität im Übertragungsnetz ereignet, das das Verteilernetz, an das der Endkunde angeschlossen ist, speist.

21.

Nach Art. 37 Abs. 11 der Richtlinie 2009/72 kann jeder Betroffene, der in Bezug auf die von einem Betreiber im Rahmen dieser Richtlinie eingegangenen Verpflichtungen eine Beschwerde gegen einen Übertragungs- oder Verteilernetzbetreiber hat, damit die Regulierungsbehörde befassen, die als Streitbeilegungsstelle innerhalb eines Zeitraums von zwei Monaten nach Eingang der Beschwerde eine Entscheidung trifft.

22.

Die Frage des vorlegenden Gerichts betrifft den persönlichen Anwendungsbereich dieser Bestimmung und insbesondere die Tragweite des in ihr enthaltenen Begriffs „Betroffener, der eine Beschwerde hat“.

23.

Die Parteien, die Erklärungen beim Gerichtshof abgegeben haben, sind unterschiedlicher Auffassung über die Auslegung dieses Begriffs. Zum einen schlagen Crown und die Europäische Kommission eine weite Auslegung vor und sind der Ansicht, dass ein Endkunde das Recht habe, auch ohne eine unmittelbare Verbindung oder ein vertragliches Verhältnis zwischen den beiden, eine Beschwerde gegen einen Übertragungsnetzbetreiber einzulegen. Zum anderen schlagen die Regierung der Niederlande, die finnische Regierung und TenneT hingegen eine engere Auslegung dieses Begriffs vor und sind der Ansicht, dass das Recht, eine Beschwerde einzulegen, nach Art. 37 Abs. 11 der Richtlinie 2009/72 eine unmittelbare Beziehung zwischen der Person, die die Beschwerde einlege, und dem Übertragungsnetzbetreiber, gegen den sich die Beschwerde richte, voraussetze.

24.

Zur Beantwortung der Vorlagefrage des vorlegenden Gerichts ist daher der Begriff „Betroffener, der eine Beschwerde hat“ im Sinne von Art. 37 Abs. 11 der Richtlinie 2009/72 auszulegen.

25.

Zunächst weise ich darauf hin, dass diese Richtlinie weder eine Definition dieses Begriffs insgesamt, noch der einzelnen Worte, aus denen er besteht, nämlich „Betroffener“ und „Beschwerde“, enthält ( 5 ).

26.

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs verlangen die einheitliche Anwendung des Unionsrechts und der Gleichheitssatz, dass die Begriffe einer unionsrechtlichen Vorschrift, die für die Ermittlung ihres Sinns und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Union autonom und einheitlich auszulegen sind, wobei diese Auslegung unter Berücksichtigung nicht nur des Wortlauts der Bestimmung, sondern auch ihres Regelungszusammenhangs und des mit der fraglichen Regelung verfolgten Zwecks zu erfolgen hat ( 6 ).

27.

Was zunächst die Vorschrift in Art. 37 Abs. 11 der Richtlinie 2009/72 anbelangt, ist festzustellen, dass diese Bestimmung eine sehr weite Formulierung verwendet, die vorsieht, dass jeder Betroffene, der in Bezug auf die von einem Betreiber im Rahmen dieser Richtlinie eingegangenen Verpflichtungen eine Beschwerde gegen einen Übertragungs- oder Verteilernetzbetreiber hat, damit die Regulierungsbehörde befassen kann.

28.

Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich klar, dass diese das Bestehen der Zuständigkeit der Regulierungsbehörde zur Behandlung einer Beschwerde von zwei Voraussetzungen abhängig macht: Zum einen muss die Beschwerde gegen einen Übertragungs- oder Verteilernetzbetreiber eingelegt werden und zum anderen muss diese Beschwerde die Verpflichtungen dieses Betreibers aus der Richtlinie 2009/72 betreffen. Diese Bestimmung sieht hingegen nicht vor, dass das von der Richtlinie 2009/72 eingeräumte Beschwerderecht ( 7 ) vom Bestehen einer unmittelbaren Beziehung zwischen der Person, die die Beschwerde einlegen will, und dem Betreiber, gegen den sich die Beschwerde richtet, abhängig wäre. Im Gegenteil, die ausdrückliche Verwendung des Wortes „jeder“ weist auf einen weiten subjektiven Anwendungsbereich der fraglichen Bestimmung hin.

29.

Zwar kann der in der italienischen Sprachfassung der fraglichen Bestimmung verwendete Begriff „parte“ zu einer gewissen Unschärfe führen, da er dahin ausgelegt werden könnte, dass das Recht auf Beschwerde ausschließlich den Personen zusteht, die Partei eines Vertrags sind.

30.

Meines Erachtens ist eine solche Auslegung jedoch nicht richtig.

31.

Insoweit ist erstens darauf hinzuweisen, dass in wörtlicher Hinsicht der Begriff „parte“ nicht zwangsläufig nur eine Partei eines Vertrags bezeichnet, sondern auch in „verfahrensrechtlichem“ Sinn verstanden werden kann, als Bezugnahme auf Personen, die ein Interesse daran haben, die Regulierungsbehörde anzurufen.

32.

Zweitens verwenden nicht alle Sprachfassungen der in Rede stehenden Bestimmung einen Ausdruck, der die angeführte Unschärfe hervorrufen kann. Während nämlich z. B. die englische, die französische, die spanische und die niederländische Fassung einen Ausdruck verwenden, der dem italienischen Ausdruck „parte“ entspricht ( 8 ), verwenden andere Fassungen, wie z. B. die deutsche Fassung und die portugiesische Fassung Ausdrücke, die keine mögliche Konnotation vertraglicher Natur haben, sondern hingegen eindeutig auf das Interesse der Person Bezug nehmen, die Regulierungsbehörde anzurufen ( 9 ). Dieser Umstand spricht für eine Auslegung des Ausdrucks „Betroffener“ in einem anderen Sinn als „Vertragspartei“ und stützt daher eine Auslegung der in Rede stehenden Bestimmung in dem Sinn, dass diese die Möglichkeit, eine Beschwerde einzulegen, nicht vom Bestehen einer Vertragsbeziehung zwischen der Person, die die Beschwerde einlegt, und dem Übertragungs- oder Verteilernetzbetreiber, gegen den sich die Beschwerde richtet, abhängig macht.

33.

Eine solche Auslegung scheint durch eine Analyse anhand des Zusammenhangs bestätigt.

34.

Insoweit ist zunächst festzustellen, dass der Betroffenenbegriff außer in Abs. 11 von Art. 37 der Richtlinie 2009/72 auch in zwei anderen Absätzen dieses Artikels verwendet wird, nämlich in den Abs. 12 und 17 ( 10 ).

35.

Art. 37 Abs. 12 der Richtlinie 2009/72 sieht ein Verfahren vor, nach dem jeder Betroffene, der hinsichtlich einer gemäß Art. 37 dieser Richtlinie getroffenen Entscheidung über die Methoden oder, soweit die Regulierungsbehörde eine Anhörungspflicht hat, hinsichtlich der vorgeschlagenen Tarife bzw. Methoden beschwerdeberechtigt ist, eine Beschwerde im Hinblick auf die Überprüfung der Entscheidung einlegen kann ( 11 ).

36.

Art. 37 Abs. 17 der Richtlinie 2009/72 sieht hingegen vor, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass auf nationaler Ebene geeignete Verfahren bestehen, die einer betroffenen Partei das Recht geben, gegen eine Entscheidung einer Regulierungsbehörde bei einer von den beteiligten Parteien und Regierungen unabhängigen Stelle Beschwerde einzulegen.

37.

Die Prüfung dieser beiden Bestimmungen zeigt, dass sich aus keiner von ihnen ergibt, dass der in Art. 37 der Richtlinie 2009/72 verwendete Begriff „Betroffener“, der, wie in der vorstehenden Nr. 26 dargelegt, autonom auszulegen ist, dahin auszulegen wäre, dass seine Tragweite ausschließlich auf Personen begrenzt ist, die eine unmittelbare oder vertragliche Beziehung mit einem Betreiber eines Übertragungs- oder Verteilernetzes haben.

38.

Im Gegenteil ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2009/72 speziell zumindest einen Fall vorsieht, in dem eine Person, die keine bestehende Vertragsbeziehung mit dem Übertragungs- oder Verteilernetzbetreiber hat, die Regulierungsbehörde anrufen können muss, indem sie eine Beschwerde gegen diesen Betreiber nach Art. 37 Abs. 11 dieser Richtlinie einlegt. Art. 32 Abs. 2 der Richtlinie 2009/72 sieht nämlich vor, dass für den Fall, dass ein Übertragungs- oder Verteilernetzbetreiber den Zugang zu dem von ihm betriebenen Netz verweigert, die betroffenen Netzbenutzer ein Streitbeilegungsverfahren gegenüber diesem Betreiber in Anspruch nehmen können müssen.

39.

Insoweit hat der Gerichtshof im Urteil vom 29. Oktober 2009, Kommission/Belgien (C‑474/08, nicht veröffentlicht, EU:C:2009:681), klargestellt, dass die Mitgliedstaaten die Verpflichtung haben, vorzusehen, dass Fälle, in denen der Zugang zu den Verteiler- oder Übertragungsnetzen verweigert wird, der Regulierungsbehörde mittels einer gemäß Art. 37 Abs. 11 der Richtlinie 2009/72 eingereichten Beschwerde vorgelegt werden können ( 12 ).

40.

Die Analyse anhand des Zusammenhangs spricht daher ebenso für eine Auslegung der in Rede stehenden Bestimmung dahin, dass das Recht, die Regulierungsbehörde mit einer Beschwerde gegen den Übertragungs- oder Verteilernetzbetreiber zu befassen, nicht vom Bestehen einer Vertragsbeziehung zu diesem Betreiber abhängen darf.

41.

In teleologischer Hinsicht bin ich sodann der Meinung, dass die enge Auslegung des Begriffs „Betroffener, der eine Beschwerde hat“ nach Art. 37 Abs. 11 der Richtlinie 2009/72, die von der Regierung der Niederlande, der finnischen Regierung und von TenneT vorgeschlagen wird, im Widerspruch zum Zweck der Bestimmung von Art. 37 Abs. 11 der Richtlinie 2009/72 sowie zur Funktion und zu den Aufgaben, die diese Richtlinie den Regulierungsbehörden überträgt, steht und dass sich auch zeigen kann, dass sie nicht mit dem von dieser Richtlinie verfolgten allgemeinen Ziel, einen hohen Verbraucherschutz zu gewährleisten, vereinbar ist.

42.

Was erstens den Zweck von Art. 37 Abs. 11 der Richtlinie 2009/72 anbelangt, verfolgt diese Bestimmung das Ziel, den Betroffenen, die durch eine Handlung oder Unterlassung eines Übertragungs- oder Verteilernetzbetreibers beeinträchtigt wurden, zu erlauben, sich an eine außergerichtliche, unabhängige und spezialisierte Stelle zu wenden, um von dieser eine bindende Entscheidung gegenüber dem Betreiber zu erlangen, die Verstöße gegen die Bestimmungen der Richtlinie 2009/72 feststellt und gegebenenfalls beendet und sanktioniert.

43.

Wie die Kommission zu Recht vorbringt, könnte eine enge Auslegung des Begriffs „Betroffener, der eine Beschwerde hat“, wie die von der Regierung der Niederlande, der finnischen Regierung und von TenneT vorgeschlagene, die Wirksamkeit des Streitbeilegungsverfahrens nach Art. 37 Abs. 11 der Richtlinie 2009/72 beeinträchtigen. Würde man nämlich die Möglichkeit, Beschwerde einzulegen, vom Bestehen einer Vertragsbeziehung zwischen dem Beschwerdeführer und dem in Rede stehenden Übertragungs- oder Verteilernetzbetreiber abhängig machen, führte diese Auslegung dazu, aus dem Anwendungsbereich des Rechts, eine Beschwerde an die Regulierungsbehörde einzulegen, einen bedeutenden Teil der Nutzer auszuschließen, d. h. alle diejenigen, die, auch wenn sie keine Vertragsbeziehung mit dem Übertragungs- oder Verteilernetzbetreiber haben, dennoch die Folgen eines etwaigen Verstoßes durch diesen Betreiber gegen die ihm von der Richtlinie 2009/72 auferlegten Verpflichtungen erlitten haben.

44.

Unter diesem Blickwinkel bin ich zweitens der Ansicht, dass diese enge Auslegung auch nicht mit der Aufgabe und den Funktionen vereinbar ist, die die Richtlinie 2009/72 den Regulierungsbehörden überträgt, Behörden, die, wie sich aus den Erwägungsgründen 34 und 37 und aus ihrem Art. 37 ergibt, eine grundlegende Rolle in der Systematik dieser Richtlinie spielen.

45.

Insbesondere beeinträchtigt diese Auslegung meines Erachtens die grundlegende Aufgabe, die Art. 37 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2009/72 den Regulierungsbehörden überträgt, dafür zu sorgen, dass die Übertragungs- und Verteilernetzbetreiber ihren Verpflichtungen aus dieser Richtlinie und anderen einschlägigen Rechtsvorschriften der Union nachkommen.

46.

Eine Beschränkung der Möglichkeit für die Nutzer, die Regulierungsbehörde mittels Beschwerde anzurufen, nur auf diejenigen Fälle, in denen ein unmittelbarer Anschluss an das fragliche Netz oder eine Vertragsbeziehung zwischen den betroffenen Personen besteht, verringerte nämlich zwangsläufig die Fähigkeit dieser Regulierungsbehörden, die Einhaltung der den Übertragungs- und Verteilernetzbetreibern von der Richtlinie 2009/72 auferlegten Verpflichtungen durch diese Betreiber zu gewährleisten. Ein solcher Ansatz beschränkte nämlich die Möglichkeit dieser Behörden, von etwaigen Verstößen durch diese Betreiber gegen die einschlägigen Rechtsvorschriften der Union Kenntnis zu erlangen und sie festzustellen, und folglich die Möglichkeit zum Erlass von bindenden Entscheidungen und zur Verhängung von Sanktionen nach Art. 37 Abs. 4 Buchst. a und d der Richtlinie 2009/72 gegenüber den Betreibern, die gegen diese Vorschriften verstoßen.

47.

Insoweit halte ich den Hinweis für wichtig, dass entgegen dem Vorbringen von TenneT in ihren Erklärungen die Richtlinie 2009/72 sich nicht darauf beschränkt, den Übertragungsnetzbetreibern Aufgaben und Verpflichtungen ausschließlich gegenüber den Nutzern, die an ihr Netz angeschlossen sind, aufzuerlegen. Aus Art. 12 dieser Richtlinie, der speziell die Aufgaben der Übertragungsnetzbetreiber auflistet, ergibt sich offenkundig, dass diese Aufgaben mit Systemcharakter erfüllen, da sie Verpflichtungen betreffend z. B. die Stromversorgungssicherheit oder die Sicherheit und Effizienz des Funktionierens der Verbundnetze unterliegen, die über Verpflichtungen, die sich aus Vertragsverhältnissen mit den eigenen Kunden ergeben, die an das Übertragungsnetz angeschlossen sind, hinausgehen. Die Tragweite der Verpflichtungen der Übertragungsnetzbetreiber kann daher zur Stützung dieser engen Auslegung der Tragweite des Beschwerderechts nach Art. 37 Abs. 11 der Richtlinie 2009/72 nicht geltend gemacht werden.

48.

Insbesondere im Hinblick auf den beim vorlegenden Gericht anhängigen Fall weise ich außerdem darauf hin, dass Art. 37 Abs. 1 Buchst. h und m der Richtlinie 2009/72 den Regulierungsbehörden spezifisch die Aufgaben zuweist, „die Einhaltung der Anforderungen [zu beobachten] und … die bisherige Qualität in Bezug auf die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Netzes [zu überprüfen]“ und „[zu] verfolg[en], wie viel Zeit die Übertragungs-…netzbetreiber für die Herstellung von Anschlüssen und für Reparaturen benötigen“.

49.

Drittens bin ich der Ansicht, dass eine enge Auslegung des „Begriffs Betroffener, der eine Beschwerde hat“, die von der Regierung der Niederlande, der finnischen Regierung und von TenneT vorgeschlagen wird, auch nicht mit dem Ziel der Richtlinie 2009/72 vereinbar sein könnte, einen hohen Verbraucherschutz zu gewährleisten, der im Mittelpunkt dieser Richtlinie steht ( 13 ).

50.

Wie sich aus den Erwägungsgründen 37, 42, 51 und 54 sowie aus Art. 1 der Richtlinie 2009/72 ergibt, ist eines der Hauptziele dieser Richtlinie, Vorschriften im Bereich des Verbraucherschutzes zu erlassen sowie die Rechte der Stromverbraucher festzulegen und diesen dabei einen hohen Schutz zu gewährleisten. In diesem Sinne hat der Gerichtshof bereits festgestellt, dass Art. 3 Abs. 7 dieser Richtlinie den Mitgliedstaaten auferlegt, einen hohen Verbraucherschutz, insbesondere in Bezug auf die Streitbeilegungsverfahren, zu gewährleisten ( 14 ).

51.

Hierzu hat der Gerichtshof entschieden, dass, wenn sich der Mitgliedstaat entscheidet, die Zuständigkeit für die außergerichtliche Beilegung von Streitfällen betreffend Verbraucher der Regulierungsbehörde zu übertragen, sich aus Art. 37 Abs. 11, 16 und 17 dieser Richtlinie eindeutig ergibt, dass einem Haushaltskunden die Eigenschaft einer Partei und das Recht eingeräumt werden müssen, gegen die Entscheidung der Regulierungsbehörde einen gerichtlichen Rechtsbehelf einzulegen ( 15 ).

52.

In dem im vorstehenden Absatz angeführten Fall, in dem der Regulierungsbehörde die Zuständigkeit für die außergerichtliche Beilegung von Streitfällen betreffend Verbraucher übertragen wurde, würde die enge Auslegung der Bestimmung nach Art. 37 Abs. 11 der Richtlinie 2009/72, entsprechend der Feststellung oben in Nr. 43, zu einer Beschränkung der Möglichkeit, eine Beschwerde an die Regulierungsbehörde einzulegen, nur auf die Verbraucher führen, die eine Vertragsbeziehung mit dem Übertragungs- oder Verteilernetzbetreiber haben, der einen Verstoß gegen die ihm von dieser Richtlinie auferlegten Verpflichtungen begangen haben soll, so dass von diesem Rechtsbehelf alle die Verbraucher ausgeschlossen würden, die, auch wenn sie kein solches vertragliches Verhältnis haben, dennoch die Folgen eines solchen Verstoßes erlitten haben. Eine Auslegung, die eine solche Beschränkung des Zugangs der Verbraucher zu den von der Richtlinie 2009/72 vorgesehenen Streitbeilegungsverfahren mit sich bringt, stünde nicht im Einklang mit dem genannten und von dieser verfolgten Ziel, das durch die angeführte Rechtsprechung des Gerichtshofs bekräftigt worden ist, einen hohen Verbraucherschutz, insbesondere in Bezug auf die Streitbeilegungsverfahren, zu gewährleisten.

53.

Unter diesem Blickwinkel steht eine solche Auslegung nicht im Einklang mit der Aufgabe, die verschiedene Bestimmungen der Richtlinie 2009/72 ( 16 ) den Regulierungsbehörden ausdrücklich übertragen, den Verbraucherschutz und die volle Wirksamkeit der von der Richtlinie zu diesem Zweck vorgesehenen Maßnahmen zu gewährleisten ( 17 ).

54.

Im Ergebnis ergibt sich aus der vorstehenden Untersuchung meines Erachtens, dass der Begriff „Betroffener, der eine Beschwerde hat“ nach Art. 37 Abs. 11 der Richtlinie 2009/72 dahin auszulegen ist, dass das von dieser Bestimmung vorgesehene Recht, eine Beschwerde gegen einen Übertragungs- oder Verteilernetzbetreiber einzulegen, nicht von dem Bestehen einer unmittelbaren oder vertraglichen Beziehung zwischen dem Endkunden, der die Beschwerde einlegen will, und dem Betreiber, gegen den sich die Beschwerde richtet, abhängig ist.

55.

Insoweit weise ich noch darauf hin, wie die Diskussion in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, dass, wenn die zwei in der vorstehenden Nr. 28 genannten Erfordernisse erfüllt sind – nämlich zum einen, dass die Beschwerde gegen einen Übertragungs- oder Verteilernetzbetreiber eingelegt wird und zum anderen diese Beschwerde die Verpflichtungen dieses Betreibers aus der Richtlinie 2009/72 betrifft –, für die Zwecke der Zulässigkeit der Beschwerde der subjektive Grund, der den Endkunden veranlasst hat, die Beschwerde einzulegen, unerheblich ist. Insbesondere hindert einen Endkunden, der meint, einen Schaden aus Verstößen gegen die Bestimmungen der Richtlinie 2009/72 durch den Übertragungsnetzbetreiber erlitten zu haben, nichts daran, eine Beschwerde gegen diesen Betreiber bei der zuständigen Regulierungsbehörde einzulegen, um sich Beweismittel zu verschaffen, die gegebenenfalls im Rahmen einer Klage auf Schadensersatz vor den zuständigen nationalen Gerichten verwendet werden können.

56.

Zu diesem Punkt weise ich nebenbei darauf hin, dass in keiner Bestimmung der Richtlinie 2009/72 geregelt ist, welcher Beweiswert einer etwaigen von der Regulierungsbehörde in Anwendung dieser Richtlinie erlassenen Entscheidung im Rahmen einer Schadensersatzklage vor den Zivilgerichten zukommt. Deren Beweiswert richtet sich daher nach dem nationalen Recht des einzelnen Mitgliedstaats. Wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, verfügen die Regulierungsbehörden allerdings über sektorspezifische technische Kenntnisse, aufgrund deren sie eine privilegierte Position für die Feststellung von Verstößen gegen die Verpflichtungen aus der Richtlinie 2009/72 haben. Die Möglichkeit, diese Behörden mittels Beschwerde anzurufen, erleichtert daher die Befassung nationaler Gerichte mit Schadensersatzforderungen, was letztlich den gerichtlichen Rechtsschutz gegen Verstöße gegen das Unionsrecht effizienter macht.

IV. Ergebnis

57.

In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefrage des College van Beroep voor het bedrijfsleven (Obergericht für Wirtschaftsverwaltungssachen, Niederlande) wie folgt zu beantworten:

Art. 37 Abs. 11 der Richtlinie 2009/72/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54/EG ist dahin auszulegen, dass ein Endkunde das Recht hat, eine Beschwerde bei der nationalen Regulierungsbehörde gegen den Betreiber des nationalen Übertragungsnetzes einzulegen, wenn dieser Endkunde nicht unmittelbar an dieses Übertragungsnetz angeschlossen ist, sondern ausschließlich an ein Verteilernetz, das von diesem Übertragungsnetz gespeist wird, und wenn sich eine Unterbrechung des Transports von Elektrizität im Übertragungsnetz ereignet, das das Verteilernetz, an das der Endkunde angeschlossen ist, speist.


( 1 ) Originalsprache: Italienisch.

( 2 ) ABl. 2009, L 211, S. 55. Die Richtlinie 2009/72 wird mit Wirkung vom 1. Januar 2021 von der Richtlinie (EU) 2019/944 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2019 mit gemeinsamen Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 2012/27/EU (Neufassung) (ABl. 2019, L 158, S. 125) aufgehoben. Vgl. insoweit Art. 72 Abs. 1 der Richtlinie 2019/944.

( 3 ) Der Wortlaut von Art. 37 Abs. 11 der Richtlinie 2009/72 entspricht demjenigen von Art. 60 Abs. 2 der Richtlinie 2019/944.

( 4 ) Stb. 1998, Nr. 427.

( 5 ) Vgl. insoweit Urteil vom 23. Januar 2020, Energiavirasto (C‑578/18, EU:C:2020:35, Rn. 29).

( 6 ) Vgl. u. a. Urteil vom 19. Dezember 2019, GRDF (C‑236/18, EU:C:2019:1120, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. auch Urteil vom 23. Januar 2020, Energiavirasto (C‑578/18, EU:C:2020:35, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 7 ) Zur Einstufung der Möglichkeit, eine Beschwerde einzulegen, als subjektives Recht vgl. Urteil vom 29. Oktober 2009, Kommission/Belgien (C‑474/08, nicht veröffentlicht, EU:C:2009:681, Rn. 20), in Bezug auf Art. 23 Abs. 5 der Richtlinie 2003/54, die sodann von der Richtlinie 2009/72 aufgehoben wurde.

( 8 ) Jeweils die Ausdrücke: „party“, „partie“, „parte“ und „partijen“.

( 9 ) So verwendet die deutsche Fassung den Ausdruck „Betroffener“ und die portugiesische Fassung den Ausdruck „interessado“, die beide ins Italienische mit dem Ausdruck „interessato“ [Beteiligter] übersetzt werden können.

( 10 ) Der Wortlaut dieser beiden Bestimmungen entspricht demjenigen von Art. 60 Abs. 3 und 8 der Richtlinie 2019/944.

( 11 ) Vgl. Urteil vom 23. Januar 2020, Energiavirasto (C‑578/18, EU:C:2020:35, Rn. 26).

( 12 ) Vgl. Rn. 23. Dieses Urteil hat sich auf Art. 23 Abs. 5 der Richtlinie 2003/54 bezogen, die von der Richtlinie 2009/72 aufgehoben wurde. Dieser Artikel entspricht Art. 37 Abs. 11 der Richtlinie 2009/72.

( 13 ) Vgl. Urteil vom 23. Januar 2020, Energiavirasto (C‑578/18, EU:C:2020:35, Rn. 33).

( 14 ) Vgl. insoweit auch Urteil vom 23. Januar 2020, Energiavirasto (C‑578/18, EU:C:2020:35, Rn. 34).

( 15 ) Vgl. Urteil vom 23. Januar 2020, Energiavirasto (C‑578/18, EU:C:2020:35, Rn. 40).

( 16 ) Vgl. insbesondere Art. 36, speziell Buchst. g, Art. 37 Abs. 1 Buchst. n sowie Erwägungsgründe 37, 51 a. E. und 54 der Richtlinie 2009/72.

( 17 ) Vgl. insoweit Urteil vom 23. Januar 2020, Energiavirasto (C‑578/18, EU:C:2020:35, Rn. 35).