SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PRIIT PIKAMÄE

vom 27. Februar 2020 ( 1 )

Rechtssache C‑74/19

LE

gegen

Transportes Aéreos Portugueses SA

(Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal Judicial da Comarca de Lisboa – Juízo Local Cível de Lisboa – Juiz 18 [Kreisgericht Lissabon, Zivilabteilung Lissabon, Dezernat 18, Portugal])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Luftverkehr – Gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen – Verordnung (EG) Nr. 261/2004 – Art. 5 Abs. 3 – Art. 7 Abs. 1 – Anspruch auf Ausgleich – Befreiung – Begriff ‚außergewöhnliche Umstände‘ – Störendes Verhalten eines Fluggastes – Begriff ‚zumutbare Maßnahmen‘ zur Vorbeugung gegen einen außergewöhnlichen Umstand oder die Folgen eines solchen Umstands“

I. Einleitung

1.

In der vorliegenden Rechtssache, die ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV betrifft, legt das Tribunal Judicial da Comarca de Lisboa (Kreisgericht Lissabon, Portugal) dem Gerichtshof drei Fragen zur Vorabentscheidung vor, die sich auf die Auslegung des Begriffs „außergewöhnliche Umstände“ in Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 ( 2 ) beziehen.

2.

Dieses Ersuchen ergeht in einem Rechtsstreit zwischen LE (im Folgenden: klagender Fluggast) und dem Luftfahrtunternehmen Transportes Aéreos Portugueses SA (im Folgenden: TAP) wegen dessen Weigerung, diesem von einer großen Flugverspätung betroffenen Fluggast einen Ausgleich zu leisten. TAP beruft sich insoweit auf „außergewöhnliche Umstände“ im Sinne der vorgenannten Bestimmung, die mit dem störenden Verhalten eines anderen Fluggastes an Bord des Luftfahrzeugs, das für die Beförderung auf der in Rede stehenden Flugstrecke bestimmt war, verbunden gewesen seien.

3.

Das vorlegende Gericht fragt insbesondere, ob dieses Verhalten, das nach Einschätzung des Flugkapitäns die Sicherheit an Bord gefährdete und eine unplanmäßige Zwischenlandung erforderlich machte, um den störenden Fluggast von Bord zu bringen, einen „außergewöhnlichen Umstand“ darstellt. Zudem möchte das vorlegende Gericht wissen, ob sich das Luftfahrtunternehmen auf diese „außergewöhnlichen Umstände“ berufen kann, obwohl sie nicht auf dem von dem klagenden Fluggast gebuchten Flug, sondern auf dem mit demselben Luftfahrzeug durchgeführten vorhergehenden Flug eingetreten sind. Schließlich möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das Luftfahrtunternehmen im vorliegenden Fall alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um eine Ankunftsverspätung zu vermeiden.

II. Rechtlicher Rahmen

A.   Internationales Recht

4.

Das Abkommen über strafbare und bestimmte andere an Bord von Luftfahrzeugen begangene Handlungen (im Folgenden: Tokyoter Abkommen) ( 3 ) wurde am 14. September 1963 in Tokyo geschlossen und trat am 4. Dezember 1969 in Kraft.

5.

In Art. 1 Abs. 1 Buchst. a und b des Tokyoter Abkommens heißt es:

„(1)   Dieses Abkommen findet Anwendung auf

a)

Zuwiderhandlungen gegen Strafgesetze;

b)

Handlungen, welche, gleichviel ob sie strafbare Handlungen darstellen oder nicht, die Sicherheit des Luftfahrzeugs oder der Personen oder Sachen an Bord gefährden oder gefährden können oder welche die Ordnung und Disziplin an Bord gefährden.

…“

6.

Art. 6 dieses Abkommens sieht vor:

„(1)   Hat der Luftfahrzeugkommandant ausreichende Gründe für die Annahme, dass eine Person an Bord des Luftfahrzeugs eine strafbare oder andere Handlung nach Artikel 1 Absatz 1 begangen hat oder zu begehen im Begriff ist, so kann er gegenüber dieser Person angemessene Maßnahmen, einschließlich Zwangsmaßnahmen, treffen, die notwendig sind,

a)

um die Sicherheit des Luftfahrzeugs oder der Personen oder Sachen an Bord zu gewährleisten;

b)

um die Ordnung und Disziplin an Bord aufrechtzuerhalten;

c)

um es ihm zu ermöglichen, diese Person zuständigen Behörden zu übergeben oder sie in Übereinstimmung mit den Bestimmungen dieses Kapitels abzusetzen.

(2)   Der Luftfahrzeugkommandant kann von anderen Besatzungsmitgliedern verlangen oder sie ermächtigen sowie Fluggäste auffordern oder ermächtigen, jedoch nicht von ihnen verlangen, ihn bei Zwangsmaßnahmen gegen eine Person, der gegenüber er hierzu befugt ist, zu unterstützen. Besatzungsmitglieder und Fluggäste können auch ohne diese Ermächtigung angemessene vorbeugende Maßnahmen treffen, wenn sie ausreichende Gründe für die Annahme haben, dass ein solches Vorgehen unmittelbar notwendig ist, um die Sicherheit des Luftfahrzeugs oder der Personen oder Sachen an Bord zu gewährleisten.“

7.

Art. 8 Abs. 1 dieses Abkommens bestimmt:

„Sofern es für die Zwecke des Artikels 6 Absatz 1 Buchstabe a oder b notwendig ist, kann der Luftfahrzeugkommandant im Hoheitsgebiet eines Staates, in dem das Luftfahrzeug landet, jede Person absetzen, bei der er ausreichende Gründe für die Annahme hat, dass sie an Bord des Luftfahrzeugs eine der in Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b erwähnten Handlung begangen hat oder zu begehen im Begriff ist.“

B.   Unionsrecht

1. Verordnung Nr. 261/2004

8.

Die Erwägungsgründe 1, 14 und 15 der Verordnung Nr. 261/2004 lauten:

„(1)

Die Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich des Luftverkehrs sollten unter anderem darauf abzielen, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen. Ferner sollte den Erfordernissen des Verbraucherschutzes im Allgemeinen in vollem Umfang Rechnung getragen werden.

(14)

Wie nach dem Übereinkommen von Montreal sollten die Verpflichtungen für ausführende Luftfahrtunternehmen in den Fällen beschränkt oder ausgeschlossen sein, in denen ein Vorkommnis auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Solche Umstände können insbesondere bei politischer Instabilität, mit der Durchführung des betreffenden Fluges nicht zu vereinbarenden Wetterbedingungen, Sicherheitsrisiken, unerwarteten Flugsicherheitsmängeln und den Betrieb eines ausführenden Luftfahrtunternehmens beeinträchtigenden Streiks eintreten.

(15)

Vom Vorliegen außergewöhnlicher Umstände sollte ausgegangen werden, wenn eine Entscheidung des Flugverkehrsmanagements zu einem einzelnen Flugzeug an einem bestimmten Tag zur Folge hat, dass es bei einem oder mehreren Flügen des betreffenden Flugzeugs zu einer großen Verspätung, einer Verspätung bis zum nächsten Tag oder zu einer Annullierung kommt, obgleich vom betreffenden Luftfahrtunternehmen alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen wurden, um die Verspätungen oder Annullierungen zu verhindern.“

9.

Art. 5 („Annullierung“) Abs. 1 und 3 dieser Verordnung bestimmt:

„(1)   Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen

c)

vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 eingeräumt, …

(3)   Ein ausführendes Luftfahrtunternehmen ist nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.“

10.

Art. 7 („Ausgleichsanspruch“) Abs. 1 dieser Verordnung sieht vor:

„Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichszahlungen in folgender Höhe:

a)

250 EUR bei allen Flügen über eine Entfernung von 1500 km oder weniger,

b)

400 EUR bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1500 km und 3500 km,

c)

600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen.

Bei der Ermittlung der Entfernung wird der letzte Zielort zugrunde gelegt, an dem der Fluggast infolge der Nichtbeförderung oder der Annullierung später als zur planmäßigen Ankunftszeit ankommt.“

2. Verordnung (EU) Nr. 376/2014

11.

Art. 2 Nr. 7 der Verordnung (EU) Nr. 376/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 über die Meldung, Analyse und Weiterverfolgung von Ereignissen in der Zivilluftfahrt, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 996/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Verordnungen (EG) Nr. 1321/2007 und (EG) Nr. 1330/2007 der Kommission ( 4 ) sieht vor:

„Für die Zwecke dieser Verordnung gelten folgende Begriffsbestimmungen:

7.

‚Ereignis‘: ein sicherheitsbezogenes Vorkommnis, das ein Luftfahrzeug, seine Insassen oder Dritte gefährdet bzw. – bei Ausbleiben von Abhilfemaßnahmen oder bei Nichtbeachtung – gefährden könnte; hierzu zählen insbesondere Unfälle oder schwere Störungen;“

12.

Art. 4 Abs. 1 Buchst. a dieser Verordnung bestimmt:

„(1)   Ereignisse, die ein erhebliches Risiko für die Flugsicherheit darstellen können und in eine der nachstehenden Kategorien fallen, sind von den in Absatz 6 aufgeführten Personen über das System zur Erfassung meldepflichtiger Ereignisse gemäß dem vorliegenden Artikel zu melden:

a)

Ereignisse im Zusammenhang mit dem Betrieb des Luftfahrzeugs wie

i)

kollisionsbezogene Ereignisse,

ii)

start- und landebezogene Ereignisse,

iii)

kraftstoffbezogene Ereignisse,

iv)

Ereignisse während des Fluges,

v)

kommunikationsbezogene Ereignisse,

vi)

Ereignisse bezüglich Verletzungen, Notfällen und anderen kritischen Situationen,

vii)

Einsatzunfähigkeit der Besatzung und andere Ereignisse im Zusammenhang mit der Besatzung,

viii)

Wetterbedingungen oder luftsicherheitsbezogene Ereignisse“.

3. Durchführungsverordnung (EU) 2015/1018

13.

Art. 1 der Durchführungsverordnung (EU) 2015/1018 der Kommission vom 29. Juni 2015 zur Festlegung einer Liste zur Einstufung von Ereignissen in der Zivilluftfahrt, die gemäß der Verordnung (EU) Nr. 376/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates meldepflichtig sind ( 5 ), bestimmt:

„Die detaillierte Einstufung der Ereignisse, auf die bei der Meldung von Ereignissen durch Systeme zur Erfassung meldepflichtiger Ereignisse gemäß Artikel 4 Absatz 1 der [Verordnung Nr. 376/2014] Bezug zu nehmen ist, ist den Anhängen I bis V dieser Verordnung zu entnehmen.“

14.

Im Bereich der Sicherheit erwähnt Anhang I Abschnitt 6 Nr. 2 der Durchführungsverordnung 2015/1018 als „meldepflichtige Ereignisse gemäß Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 376/2014“„Schwierigkeiten bei der Kontrolle berauschter, gewalttätiger oder sich Anordnungen widersetzender Fluggäste“.

4. Verordnung (EU) 2018/1139

15.

Anhang V Abschnitt 3 Buchst. g der Verordnung (EU) 2018/1139 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2018 zur Festlegung gemeinsamer Vorschriften für die Zivilluftfahrt und zur Errichtung einer Agentur der Europäischen Union für Flugsicherheit sowie zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 2111/2005, (EG) Nr. 1008/2008, (EU) Nr. 996/2010, (EU) Nr. 376/2014 und Richtlinien 2014/30/EU und 2014/53/EU des Europäischen Parlaments und des Rates, und zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 552/2004 und (EG) Nr. 216/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates und der Verordnung (EWG) Nr. 3922/91 des Rates ( 6 ) bestimmt, dass „[d]er Kommandant … alle notwendigen Maßnahmen ergreifen [muss], um die Folgen eines störenden Verhaltens von Fluggästen für den Flug auf ein Mindestmaß zu begrenzen“.

16.

Abschnitt 7.3 dieses Anhangs sieht vor, dass „[i]n einem Notfall, der den Betrieb oder die Sicherheit des Luftfahrzeugs und/oder der Personen an Bord gefährdet, … der Kommandant alle Maßnahmen ergreifen [muss], die er im Interesse der Sicherheit für notwendig erachtet. Werden dabei örtliche Vorschriften oder Verfahren verletzt, muss der Kommandant für eine entsprechende unverzügliche Mitteilung an die zuständigen örtlichen Behörden sorgen“.

III. Sachverhalt, Verfahren und Vorabentscheidungsfragen

17.

Wie sich aus der Begründung des Vorabentscheidungsersuchens ergibt, liegt dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit der nachstehend beschriebene Sachverhalt zugrunde. Der klagende Fluggast buchte bei TAP einen Flug von Fortaleza (Brasilien) mit Zwischenlandung in Lissabon (Portugal) und Anschlussflug desselben Luftfahrtunternehmens nach Oslo (Norwegen). Für den ersten Abschnitt der Flugreise, die Verbindung von Fortaleza nach Lissabon, war der Abflug am 21. August 2017 um 23.05 Uhr vorgesehen und die Ankunft am Flughafen Lissabon am 22. August 2017 um 10.15 Uhr. Der zweite Abschnitt der Flugreise auf der Strecke von Lissabon nach Oslo sollte am 22. August 2017 um 18.10 Uhr mit der Landung auf dem Zielflughafen enden.

18.

Die von TAP für den ersten Abschnitt der Flugreise vorgesehene Maschine hatte einen Vorflug von Lissabon nach Fortaleza auszuführen. Bei diesem Vorflug musste die Maschine jedoch aus Sicherheitsgründen nach Las Palmas (Spanien) umgeleitet werden, um einen störenden Fluggast von Bord zu bringen, der einen anderen Fluggast gebissen und weitere Fluggäste sowie das Kabinenpersonal, das ihn zu beruhigen versuchte, angegriffen hatte. Dadurch verspätete sich der Flug nach Fortaleza um vier Stunden und achtzehn Minuten, was dazu führte, dass der folgende, mit derselben Maschine durchzuführende Flug sich ebenfalls verspätete und Lissabon erst am 22. August 2017 um 13.33 Uhr erreichte.

19.

Wegen der Verspätung des Fluges auf dem ersten Abschnitt der Flugreise verpasste der klagende Fluggast seinen Anschlussflug von Lissabon nach Oslo. Da TAP auf der Strecke von Lissabon nach Oslo nur einen Flug am Tag durchführte, musste der klagende Fluggast den nächsten, für den folgenden Tag vorgesehenen Flug abwarten, was zur Folge hatte, dass er den Zielflughafen mit einer Verspätung von mehr als 24 Stunden erreichte.

20.

Der klagende Fluggast begehrte von TAP eine Ausgleichsleistung in Höhe von 600 Euro gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. c in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 261/2004. TAP lehnte die begehrte Ausgleichsleistung mit der Begründung ab, die große Verspätung sei auf einen „außergewöhnlichen Umstand“ im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 zurückzuführen gewesen, dessen Eintritt TAP von der Verpflichtung befreie, ihren Fluggästen die nach dieser Verordnung vorgesehene Ausgleichszahlung zu leisten. Der klagende Fluggast vertritt hingegen die Auffassung, dass der im vorliegenden Fall eingetretene „außergewöhnliche Umstand“ es nicht rechtfertige, dass er mit einer Verspätung von mehr als 24 Stunden am Zielflughafen eingetroffen sei.

21.

Da das Tribunal Judicial da Comarca de Lisboa (Kreisgericht Lissabon) Zweifel hinsichtlich der Auslegung des Unionsrechts hat, hat es das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.

Fällt der Umstand, dass ein Fluggast während eines Fluges einen anderen Fluggast beißt und die Kabinenbesatzung, die ihn zu beruhigen versucht, angreift, was nach Ansicht des Bordkommandanten die Umleitung des Fluges zum nächstgelegenen Flughafen rechtfertigt, um den betreffenden Fluggast und sein Gepäck von Bord zu bringen, und somit zu einer verspäteten Ankunft dieses Fluges am Zielort führt, unter den Begriff „außergewöhnliche Umstände“ im Sinne des 14. Erwägungsgrundes der Verordnung [Nr. 261/2004]?

2.

Kann ein „außergewöhnlicher Umstand“, der sich auf einem Hinflug ereignet, der dem mit demselben Flugzeug durchgeführten Rückflug unmittelbar vorausgeht, das Luftfahrtunternehmen von seiner Haftung wegen der Abflugverspätung dieses Rückflugs befreien, mit dem der (hier klagende) Fluggast, der eine Ausgleichsleistung verlangt, befördert wurde?

3.

Wenn das (hier beklagte) Luftfahrtunternehmen bei seiner Prüfung zu dem Schluss gekommen ist, dass der Einsatz eines anderen Flugzeugs die bereits eingetretene Verspätung nicht verhindern würde, und der (hier klagende) Fluggast nach seiner Zwischenlandung auf den Flug am Folgetag umgebucht wird, weil das Unternehmen nur einen Flug pro Tag zum Endziel des Fluggastes durchführt, ist dann davon auszugehen, dass das Luftfahrtunternehmen alle zumutbaren Maßnahmen im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 ergriffen hat, selbst wenn die eingetretene Verspätung nicht verhindert werden konnte?

IV. Verfahren vor dem Gerichtshof

22.

Die Vorlageentscheidung mit Datum vom 21. Januar 2019 ist am 31. Januar 2019 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen.

23.

Die portugiesische, die deutsche, die österreichische und die polnische Regierung sowie die Europäische Kommission haben innerhalb der in Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union genannten Frist schriftliche Erklärungen eingereicht.

24.

Im Wege einer prozessleitenden Maßnahme vom 8. Oktober 2019 hat der Gerichtshof allen Parteien und Beteiligten Fragen zur schriftlichen Beantwortung gestellt. Der Gerichtshof hat ferner die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) nach Art. 24 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union um Auskunft ersucht und sie aufgefordert, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Die schriftlichen Erklärungen zu den mit diesen prozessleitenden Maßnahmen gestellten Fragen sind fristgerecht abgegeben worden.

25.

In der mündlichen Verhandlung vom 5. Dezember 2019 haben die Verfahrensbevollmächtigten von TAP, der portugiesischen, der deutschen und der französischen Regierung, der EASA und der Kommission Ausführungen gemacht.

V. Rechtliche Würdigung

A.   Vorbemerkungen

26.

Der Schutz von Fluggästen in der Europäischen Union ist Gegenstand einer Verordnung, die eine Harmonisierung eines großen Teils der Regeln über Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen bewirkt. Die Verordnung Nr. 261/2004 enthält Bestimmungen, die die Rechte der Fluggäste gegenüber den Luftfahrtunternehmen im Einzelnen festlegen. Je nach ihrer Situation können die Fluggäste einen Anspruch auf Ausgleichsleistungen haben, Unterstützungsleistungen in Gestalt eines Anspruchs auf Erstattung oder anderweitige Beförderung erhalten oder vom Luftfahrtunternehmen angebotene Betreuungsleistungen in Anspruch nehmen. Dies vorausgeschickt, steht hier – wie in der Einleitung dieser Schlussanträge angegeben – der Anspruch auf eine Ausgleichsleistung wegen großer, d. h. drei Stunden oder mehr betragender Verspätung von Flügen gemäß Art. 7 dieser Verordnung ( 7 ) im Mittelpunkt des Ausgangsverfahrens.

27.

Die Verordnung Nr. 261/2004 harmonisiert auch die Regeln, nach denen die Luftfahrtunternehmen in bestimmten Fällen von ihrer Haftung gegenüber den Fluggästen befreit werden können. Das Luftfahrtunternehmen, das sich in einer Lage befindet, die grundsätzlich einen Anspruch auf Ausgleichszahlung begründet, kann sich daher wirksam gegen diese Verpflichtung wehren, indem es sich auf Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 stützt, sofern es nachweisen kann, dass die Annullierung auf „außergewöhnliche Umstände“ zurückzuführen ist, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären ( 8 ). Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung der Antworten, die der Gerichtshof auf die Vorlagefragen geben wird, festzustellen, ob dies im Ausgangsverfahren der Fall ist.

28.

Indem der Unionsgesetzgeber eine Verordnung mit detaillierten Bestimmungen erlassen hat, hat er sich nämlich für ein Rechtsetzungsinstrument entschieden, das keiner Umsetzungs- oder Durchführungsmaßnahme auf nationaler Ebene bedarf ( 9 ). Ebenso wie die Verordnung in allen ihren Teilen verbindlich ist und unmittelbar in jedem Mitgliedstaat gilt, muss ihre Auslegung durch den Gerichtshof von den nationalen Gerichten angewandt werden. Insoweit ist die Bedeutung hervorzuheben, die der Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten zukommt, weil sie dem Gerichtshof Gelegenheit gegeben hat, sachdienliche Hinweise zur Auslegung der Verordnung Nr. 261/2004 zu geben ( 10 ). Dieser Austausch, der bereits Anlass zu einer umfangreichen Rechtsprechung gegeben hat, war vor allem wegen der Ungenauigkeit einiger Bestimmungen dieser Verordnung, insbesondere des Begriffs „außergewöhnlichen Umstände“ ( 11 ), sowie wegen bestehender Rechtslücken erforderlich. Um diesen Unzulänglichkeiten abzuhelfen, hat sich der Gesetzgeber entschieden, ein Verfahren zur Überarbeitung dieses Rechtsakts einzuleiten, das noch fortdauert ( 12 ). Vor diesem Hintergrund wird der Gerichtshof ein weiteres Mal seine führende Rolle bei der Entwicklung des Unionsrechts wahrzunehmen haben. Ich für meinen Teil werde in diesen Schlussanträgen die Vorlagefragen in der Reihenfolge behandeln, in der sie vom vorlegenden Gericht gestellt wurden.

B.   Zur ersten Frage

1. Gewalttätiges Verhalten eines Fluggastes als Gefahr für die Luftverkehrssicherheit

29.

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob während eines Fluges von einem Fluggast gegen andere Fluggäste und Mitglieder der Kabinenbesatzung begangene körperliche Angriffe, wie sie in diesen Schlussanträgen beschrieben werden, als „außergewöhnliche Umstände“ angesehen werden können.

30.

Der Wortlaut der Verordnung Nr. 261/2004 selbst enthält keine Legaldefinition dieses Begriffs. Satz 2 des 14. Erwägungsgrundes dieser Verordnung liefert allerdings gewisse Anhaltspunkte. Danach können solche Umstände u. a. bei „Sicherheitsrisiken“ eintreten ( 13 ). Gleichwohl stellt sich die Frage, welche Sicherheitsrisiken auf dem spezifischen Gebiet der Beförderung von Fluggästen im Luftverkehr außergewöhnliche Umstände sein können.

31.

Meines Erachtens erfordert die Prüfung dieser Frage eine Auslegung, die den rechtlichen Rahmen berücksichtigt, der auf den betreffenden Bereich anwendbar ist ( 14 ). Die Verordnung Nr. 261/2004 kann nicht losgelöst von dem politischen, sozioökonomischen und technologischen Kontext, in dem sie erlassen wurde, und von den späteren regelungstechnischen Entwicklungen in diesem Bereich ausgelegt werden ( 15 ). Dieser Ansatz, der die anderen in der Rechtsprechung des Gerichtshofs anerkannten Auslegungsmethoden ergänzt ( 16 ), ermöglicht es uns, die Risiken zu identifizieren, die der Unionsgesetzgeber beim derzeitigen Entwicklungsstand der Beförderung von Fluggästen anerkannt hat. Dies wird es dem Gerichtshof auch ermöglichen, Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 im Einklang mit den anderen einschlägigen Rechtsakten auszulegen und so zur Einheit der Unionsrechtsordnung beizutragen.

32.

Aus der Analyse aller einschlägigen Rechtsakte zur Regelung der Beförderung von Fluggästen geht hervor, dass der Unionsgesetzgeber der Sicherheit besondere Bedeutung beimisst, weil die Verordnung Nr. 261/2004 selbst in Art. 2 Buchst. j vorsieht, dass die Weigerung, Fluggäste zu befördern, aus Gründen „der allgemeinen oder betrieblichen Sicherheit“ gerechtfertigt sein kann. Ich stelle fest, dass der Wortlaut dieser Bestimmung nicht ausschließt, dass das Risiko, auf das sie sich bezieht, auf das gewalttätige Verhalten eines Fluggastes zurückzuführen ist.

33.

Zu erwähnen sind auch die Verordnung Nr. 376/2014 über die Meldung, Analyse und Weiterverfolgung von Ereignissen in der Zivilluftfahrt und die weiteren mit ihr zusammenhängenden Rechtsakte. Die Durchführungsverordnung 2015/1018 enthält eine Liste, in der die Ereignisse klassifiziert werden, die ein erhebliches Risiko für die Flugsicherheit darstellen können und vom Luftfahrtpersonal gemäß der Verordnung Nr. 376/2014 obligatorisch gemeldet werden müssen. Anhang I Abschnitt 6 Nr. 2 der Durchführungsverordnung 2015/1018 erwähnt als Ereignisse im Zusammenhang mit dem Betrieb des Luftfahrzeugs die „Schwierigkeiten bei der Kontrolle berauschter, gewalttätiger oder sich Anordnungen widersetzender Fluggäste“. Somit ist festzustellen, dass die Unionsrechtsordnung ein gewalttätiges Verhalten eines Fluggastes gegenüber anderen Insassen des Luftfahrzeugs, wie es im Ausgangsverfahren festgestellt wurde, ausdrücklich als ein erhebliches Risiko ansieht, das eine Meldepflicht gegenüber den zuständigen Behörden auslöst.

34.

Die Verordnung 2018/1139 zur Festlegung gemeinsamer Vorschriften für die Zivilluftfahrt und zur Errichtung einer Agentur der Europäischen Union für Flugsicherheit erweist sich in diesem Zusammenhang ebenfalls als relevant, weil sie dem Kommandanten eine zentrale Rolle zuweist, indem sie ihm in ihrem Anhang V Abschnitt 1.3 die Verantwortung für „die Sicherheit des Luftfahrzeugs sowie für die Sicherheit aller an Bord befindlichen Besatzungsmitglieder, Fluggäste und Frachtstücke“ überträgt. Die Bestimmung in ihrem Anhang V Abschnitt 3 Buchst. g ist meines Erachtens besonders bedeutsam, weil sie vorsieht, dass „[d]er Kommandant … alle notwendigen Maßnahmen ergreifen [muss], um die Folgen eines störenden Verhaltens von Fluggästen für den Flug auf ein Mindestmaß zu begrenzen“. Abschnitt 7.3 dieses Anhangs bestimmt, dass der Kommandant „[i]n einem Notfall, der den Betrieb oder die Sicherheit des Luftfahrzeugs und/oder der Personen an Bord gefährdet“, alle Maßnahmen ergreifen muss, die er im Interesse der Sicherheit für notwendig erachtet. Ich stelle fest, dass diese Bestimmung weit genug formuliert ist, um den körperlichen Angriff eines Fluggastes gegen andere Personen an Bord eines Flugzeugs in einem Fall wie dem vorliegenden als eine Gefahr für die Luftverkehrssicherheit einstufen zu können.

35.

Auf der Ebene des internationalen Rechts ist das Tokyoter Abkommen zu erwähnen, dem alle Mitgliedstaaten als Vertragsparteien beigetreten sind, nicht aber die Union. Obwohl dieses Abkommen – im Gegensatz zu anderen Instrumenten des internationalen Rechts, die Angelegenheiten des Luftverkehrs regeln ( 17 ) – mangels einer ausdrücklichen Umsetzung, die eine mögliche Übertragung von Befugnissen der Mitgliedstaaten auf die Union widerspiegeln würde, nicht integraler Bestandteil der Rechtsordnung der Union ist ( 18 ), ändert das nichts daran, dass bestimmte Parallelen normativer Art eine gemeinsame rechtliche Überzeugung offenbaren. Daher halte ich es für zulässig, auf das Tokyoter Abkommen als Bezugsrahmen für die Auslegung des Unionsrechts zurückzugreifen. Nach seinem Art. 1 Abs. 1 findet dieses Abkommen Anwendung auf „Zuwiderhandlungen gegen Strafgesetze“ sowie auf „Handlungen, welche, gleichviel ob sie strafbare Handlungen darstellen oder nicht, die Sicherheit des Luftfahrzeugs oder der Personen oder Sachen an Bord gefährden oder gefährden können oder welche die Ordnung und Disziplin an Bord gefährden“. Ebenso wie die vorgenannten Bestimmungen der Verordnung 2018/1139 ermächtigt Art. 6 Abs. 1 dieses Abkommens den Kommandanten, angemessene Maßnahmen, einschließlich Zwangsmaßnahmen, zu treffen, die notwendig sind, um „die Sicherheit des Luftfahrzeugs oder der Personen oder Sachen an Bord zu gewährleisten“, wenn er ausreichende Gründe für die Annahme hat, „dass eine Person an Bord des Luftfahrzeugs eine strafbare oder andere Handlung nach Artikel 1 Absatz 1 begangen hat oder zu begehen im Begriff ist“ ( 19 ). Die Kriterien für eine Heranziehung des Tokyoter Abkommens als Bezugsrahmen für die Auslegung sind im vorliegenden Fall meines Erachtens erfüllt, weil ein körperlicher Angriff, von Ausnahmen abgesehen, eine nach den Strafgesetzen der Mitgliedstaaten der Union strafbare Handlung ist.

36.

Aus diesen Gesichtspunkten ergibt sich, dass, soweit die Rechtsvorschriften der Union und das internationale Recht das gewalttätige Verhalten eines Fluggastes gegenüber anderen Fluggästen und gegenüber Besatzungsmitgliedern – wie das im vorliegenden Fall in Rede stehende Verhalten – als ein erhebliches Risiko für die Flugsicherheit einstufen, nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass die beschriebene Situation einen „außergewöhnlichen Umstand“ im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 darstellt.

2. Analyse des außergewöhnlichen Charakters aus dem Blickwinkel der von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien

37.

Wie der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung bereits ausgeführt hat, stellen zwar nicht alle „Sicherheitsrisiken“ – wie auch nicht alle anderen im 14. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 261/2004 genannten Umstände – „außergewöhnliche Umstände“ dar, die zu einer Befreiung des Luftfahrtunternehmens von seiner Haftung führen können ( 20 ). Dabei ist im Auge zu behalten, dass der in Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 genannte Begriff „außergewöhnliche Umstände“ eng auszulegen ist, sofern er zu einer Ausnahme von einem dem Verbraucherschutz dienenden Grundsatz führt, nämlich von dem der Ausgleichszahlung ( 21 ).

38.

Nach ständiger Rechtsprechung erfordert dieser Begriff vielmehr, dass zwei kumulative Voraussetzungen erfüllt sind, nämlich, dass a) die Vorkommnisse nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des Luftfahrtunternehmens und b) von ihm nicht tatsächlich beherrschbar sind ( 22 ). Um festzustellen, ob diese Kriterien tatsächlich erfüllt sind, bedarf es einer Einzelfallprüfung. Folglich sind diese Kriterien unter Berücksichtigung des Sachverhalts, wie er sich aus der Vorlageentscheidung ergibt, sorgfältig zu prüfen.

a) Zur Frage, ob das Vorkommnis Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des Luftfahrtunternehmens ist

39.

Wie eine Analyse der Kasuistik in diesem Bereich ergibt, setzt das erste Kriterium voraus, dass das fragliche Vorkommnis nicht intrinsisch, untrennbar und typischerweise mit der der Beförderung von Fluggästen verbunden sein darf. Mit anderen Worten fallen unter diesen Begriff diejenigen Vorkommnisse, die nicht zum gewöhnlichen Verlauf der Dinge im Rahmen der Organisation oder Durchführung einer Flugreise gehören. Daher umfasst dieser Begriff alle Vorkommnisse, die nicht mit der eigentlichen Beförderung auf dem Luftweg zusammenhängen, sondern als besondere äußere Umstände deren vorgesehene Durchführung beeinträchtigen oder gar unmöglich machen.

40.

Zunächst ist darauf hinzuweisen – so selbstverständlich dies auch erscheinen mag –, dass die Aufgabe des zivilen Luftverkehrs darin besteht, Fluggäste und Güter über große Entfernungen zu befördern. Die Beförderung von Fluggästen und Gütern stellt eine wichtige Wirtschaftstätigkeit dar, die in den meisten Fällen von Privatunternehmen ausgeübt wird, und trägt daher zur Wirtschaft der Union bei. Was speziell die Beförderung von Fluggästen angeht, lege ich Wert auf die Feststellung, dass die Erleichterung des Flugverkehrs die Bürger der Union einander näher gebracht und sie besser mit dem Rest der Welt verbunden hat. Das reichhaltige Angebot an Flugverbindungen hat viele Unionsbürger in die Lage versetzt, in Europa und darüber hinaus zu reisen, zu studieren und zu arbeiten. Zudem sind die Anzahl und Häufigkeit der Flüge dank der Schaffung des Luftverkehrsbinnenmarkts spürbar gestiegen und haben zu einem zunehmenden Wettbewerb geführt, der eine günstige Preisentwicklung ermöglicht hat ( 23 ).

41.

Unter diesem Gesichtspunkt liegt für mich auch auf der Hand, dass weder die Erziehung noch die Bestrafung von Passagieren, die ein gewalttätiges Verhalten an den Tag legen, vernünftigerweise als Teil der Aufgaben des zivilen Luftverkehrs angesehen werden kann. Es trifft zwar zu, dass die Fluggäste vor jedem Flug von der Kabinenbesatzung über Sicherheitsanweisungen informiert werden, aber das ändert nichts daran, dass diese Praxis ausschließlich dazu dient, den reibungslosen Ablauf der Beförderung zu gewährleisten. Die Sicherheitsanweisungen sollen den Fluggästen helfen, sich mit den Risiken vertraut zu machen, die dem Luftverkehr innewohnen, d. h. der Verletzungsgefahr beim Start, bei Turbulenzen, beim Druckabbau in der Kabine, bei Landemanövern usw. ( 24 ).

42.

Hingegen gehen diese Sicherheitsanweisungen nicht auf das allgemeinere Problem der Anwendung von Gewalt in zwischenmenschlichen Beziehungen ein, und zwar zu Recht, weil es über den Rahmen der Beförderung hinausgeht, wie ich weiter unten erläutern werde. Die Fluggäste sind ihrerseits verpflichtet, den Anweisungen des Personals zu folgen. Von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen wird niemand ernsthaft die Kompetenz der Kabinenbesatzung in Bezug auf den Betrieb des Luftfahrtzeugs und ihre Befugnis zur Aufrechterhaltung von Ordnung und Disziplin an Bord in Frage stellen.

43.

Wie mehrere Beteiligte in der vorliegenden Rechtssache vorgetragen haben, stellt das gewalttätige Verhalten einiger Fluggäste gegenüber anderen Fluggästen und der Kabinenbesatzung jedoch kein für den Betrieb des Luftfahrtunternehmens typisches Ereignis dar. Leider können körperliche Aggressionen für alle betroffenen Personen auch in jeder anderen Situation auftreten und auf eine Vielzahl von Gründen zurückzuführen sein. Einige von ihnen können eng mit der Persönlichkeit des Angreifers zusammenhängen, während andere, wie z. B. Stress, auf die spezifische Situation zurückzuführen sind, in der sich der Angreifer während eines Fluges befindet ( 25 ).

44.

Allerdings ist festzustellen, dass die Vorlageentscheidung keine näheren Angaben zum Ursprung des aggressiven Verhaltens des betreffenden Fluggastes enthält. Aus diesem Grund und wegen der Unmöglichkeit, alle Umstände aufzuzählen, die zu einem gewalttätigen Verhalten eines Fluggastes an Bord eines Flugzeugs führen können, wird sich der Gerichtshof in seiner Antwort auf die erste Vorlagefrage auf allgemeine Erwägungen beschränken müssen.

45.

Der Vollständigkeit halber möchte ich betonen, dass die Tatsache, dass hin und wieder vereinzelte Fälle physischer Aggression auftreten, als solche meines Erachtens noch kein hinreichender Grund für die Schlussfolgerung ist, dass die Anwendung von Gewalt Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des Luftfahrtunternehmens sei. In dieser Hinsicht teile ich die Vorbehalte von Generalanwalt Tanchev in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache C‑501/17, Germanwings ( 26 ), gegenüber dem Argument, dass die Häufigkeit eines Vorkommnisses ein Abgrenzungs- oder Differenzierungskriterium sein sollte. Ich lege Wert auf die Feststellung, dass es ungeachtet der zweifelhaften Stichhaltigkeit dieses Arguments im vorliegenden Fall keinen Anhaltspunkt gibt, der dieses Argument stützen könnte, zumal alle Beteiligten zu dem Schluss kommen, dass die Anwendung von Gewalt an Bord eines Flugzeugs ein Vorkommnis darstellt, das eher selten ist oder jedenfalls nicht häufiger auftritt als anderswo ( 27 ).

46.

Da die Anwendung von Gewalt durch einen Fluggast gegenüber anderen Fluggästen und/oder dem Kabinenpersonal von dem abweicht, was als sozialverträgliches Verhalten angesehen werden kann, und sogar nach dem Strafrecht der Mitgliedstaaten strafbar ist, handelt es sich eindeutig um ein Ereignis, das nichts mit dem Luftverkehr zu tun hat. Sie gehört nicht zum gewöhnlichen Verlauf der Dinge im Rahmen der Organisation und/oder Durchführung einer Beförderung im Luftverkehr. Sie kann den Luftverkehr sogar gefährden, wenn diese Gewalt sich gegen die Struktur des Luftfahrzeugs und das für seinen Betrieb verantwortliche Personal richtet. Die nationalen Rechtsvorschriften tragen dem im Allgemeinen Rechnung, indem sie einen solchen Angriffsakt als „schwere Straftat“ einstufen.

47.

Aus alledem folgt, dass das in Rede stehende Vorkommnis nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betreffenden Luftfahrtunternehmens ist.

b) Die Beherrschbarkeit des Vorkommnisses

48.

Das zweite Kriterium verlangt, dass das in Rede stehende Vorkommnis von dem Luftfahrtunternehmen nicht tatsächlich zu beherrschen ist. Wie vorstehend dargelegt ( 28 ), kann das aggressive Verhalten einer Person mehrere Gründe haben, was es nahezu unmöglich macht, es vorherzusehen und angemessen darauf zu reagieren. Angesichts dieser Unvorhersehbarkeit und der Tatsache, dass das gewalttätige Verhalten eines Fluggastes, wie es in der Vorlageentscheidung beschrieben wird, kein luftfahrtspezifisches Risiko ist, erscheint es mir nicht angemessen, die ausschließliche Verantwortung für die Prävention und Unterdrückung gewalttätiger Zwischenfälle an Bord eines Flugzeugs dem Luftfahrtunternehmen zuzuschreiben. Da erstens in allen Situationen des täglichen Lebens die Gebote der Höflichkeit zu beachten sind und zweitens das Kabinenpersonal der bevorzugte Ansprechpartner für die gütliche Beilegung von Streitigkeiten zwischen den Fluggästen ist, bin ich der Meinung, dass jeder Fluggast die Verantwortung für sein Verhalten und die sich daraus ergebenden Folgen übernehmen muss.

49.

Ich habe Verständnis für das von mehreren Mitgliedstaaten, die in der vorliegenden Rechtssache Erklärungen abgegeben haben, insbesondere der deutschen und der polnischen Regierung, vorgebrachte Argument, dass die Kabinenbesatzung nur über sehr begrenzte Möglichkeiten verfüge, einen aggressiven Fluggast unter Kontrolle zu bringen. Auch wenn der Kommandant und die Kabinenbesatzung einem Fluggast konkrete Anweisungen geben (Aufforderung, sich zu beruhigen, Ermahnung, Zuweisung eines anderen Sitzplatzes usw.) oder ihn Zwangsmaßnahmen unterwerfen können, um die Sicherheit des Fluges zu gewährleisten, können sie ihn nämlich nicht in einer Weise kontrollieren, die Störungen des Fluges durch diesen Fluggast – die, wie oben erwähnt, in dessen eigener Verantwortung liegen – völlig ausschließt.

50.

Diese Erwägung gilt erst recht für die Verhütung solcher gewalttätigen Vorkommnisse, weil die Luftfahrtunternehmen im Allgemeinen nicht über Informationen verfügen, aus denen sie schließen könnten, dass ein Fluggast an Bord des Luftfahrzeugs ein aggressives Verhalten an den Tag legen werde, das die Sicherheit des Fluges gefährden kann. Außerdem haben die Luftfahrtunternehmen nicht das Recht, einem Fluggast, der sich zum Zeitpunkt des Anbordgehens unauffällig verhält, die Beförderung zu verweigern. Vor allem darf nicht vergessen werden, dass die Kabinenbesatzung bei einem gewalttätigen Zwischenfall, der sich nach dem Start des Luftfahrzeugs ereignet, nicht mehr auf präventive Maßnahmen zurückgreifen kann, so dass ihr Handlungsspielraum auf die oben genannten repressiven Maßnahmen beschränkt ist, und dies zudem in dem sehr begrenzten Raum einer Flugzeugkabine.

51.

Ich teile die Auffassung der österreichischen Regierung und der Kommission, nach der die Situation grundlegend anders zu beurteilen wäre, wenn ein Fluggast schon vor oder gar bei seinem Anbordgehen Verhaltensstörungen gezeigt hätte und das Luftfahrtunternehmen somit Kenntnis davon hätte haben können. In einem solchen Fall erscheint es mir nicht gerechtfertigt, das Luftfahrtunternehmen von seiner Haftung zu befreien, indem ihm gestattet wird, sich mit Erfolg auf einen außergewöhnlichen Umstand zu berufen, falls sich der betreffende Fluggast anschließend unangemessen verhalten oder ein solches Verhalten fortsetzen sollte ( 29 ). Die Auslegung der oben angeführten Bestimmungen des Unionsrechts und des Tokyoter Abkommens, die den Kommandanten ermächtigen, die notwendigen Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit des Fluges zu ergreifen ( 30 ), muss notwendigerweise den Präventionsgedanken so weit wie möglich einbeziehen, damit diese Bestimmungen wirksam sein können.

52.

Angesichts der Beschränkungen, denen die Kabinenbesatzung üblicherweise bei der Verhütung und Unterdrückung solcher Risiken unterliegt, erscheint das Absetzen eines gewalttätigen Fluggastes am nächstgelegenen zugänglichen Flughafen – als letztes Mittel – nicht als unangemessene Option, wenn der Kommandant nach reiflicher Überlegung und unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls der Ansicht ist, dass eine Fortsetzung des Fluges unter diesen Bedingungen unmöglich ist, weil andernfalls die Sicherheit des Luftfahrzeugs oder der Personen an Bord gefährdet wäre. Außerdem lege ich Wert auf die Feststellung, dass Art. 6 Abs. 1 Buchst. c und Art. 8 Abs. 1 des Tokyoter Abkommens den Kommandanten ermächtigen, genau dies zu tun, wenn er sich mit einer solchen Situation konfrontiert sieht ( 31 ).

53.

Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass eine Situation, in der es der Kabinenbesatzung unter Einsatz der Mittel, die anzuwenden sie befugt ist, nicht gelingt, einen Fluggast zu beruhigen, und dieser die Sicherheit des Fluges gefährdet – z. B., indem er die körperliche Unversehrtheit der Personen an Bord gefährdet oder schädigt –, einen Umstand darstellt, der im Sinne des zweiten von der Rechtsprechung aufgestellten Kriteriums für das Luftfahrtunternehmen nicht beherrschbar ist. Das trifft zweifellos auf eine Situation wie die des Ausgangsverfahrens zu, in der der störende Fluggast andere Fluggäste beißt und die Kabinenbesatzung, die ihn zu beruhigen versucht, angreift.

54.

Meine Analyse des Sachverhalts lässt mich zu dem Ergebnis kommen, dass die beiden Kriterien, die die Rechtsprechung für die Einstufung als „außergewöhnlichen Umstand“ im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 in seiner Auslegung im Licht der Erwägungsgründe 14 und 15 dieser Verordnung entwickelt hat, im vorliegenden Fall erfüllt sind.

3. Antwort auf die erste Vorlagefrage

55.

Aufgrund dieser Erwägungen ist auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass der Umstand, dass ein Fluggast während eines Fluges andere Fluggäste beißt und die Kabinenbesatzung, die ihn zu beruhigen versucht, angreift, was nach Ansicht des Bordkommandanten aus Sicherheitsgründen die Umleitung des Fluges zum nächstgelegenen Flughafen rechtfertigt, um den betreffenden Fluggast und sein Gepäck von Bord zu bringen, und somit zu einer verspäteten Ankunft des Fluges am Zielort führt, unter den Begriff „außergewöhnliche Umstände“ in Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 fällt.

C.   Zur zweiten Frage

56.

Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen ist, dass ein Luftfahrtunternehmen sich, um der Verpflichtung zu entgehen, dem Fluggast wegen einer großen Flugverspätung eine Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 dieser Verordnung zu leisten, auch auf außergewöhnliche Umstände berufen kann, die nicht während des von diesem Fluggast gebuchten Fluges aufgetreten sind, sondern am selben Tag während des vorausgegangenen Fluges, der im Rahmen des Umlaufverfahrens der Flugzeuge zwischen den Flughäfen mit derselben Maschine durchgeführt wurde, die für den gebuchten Flug vorgesehen war.

1. Präzedenzfälle in der Rechtsprechung

57.

In diesem Zusammenhang möchte ich den Gerichtshof zunächst darauf aufmerksam machen, dass er bereits Gelegenheit hatte, sich zu dieser Rechtsfrage – wenn auch nur implizit – zu äußern. In der Rechtssache, in der das Urteil Pešková und Peška ( 32 ) ergangen ist, hat er nämlich anerkannt, dass ein außergewöhnlicher Umstand, in jenem Fall eine Kollision mit Vögeln, auch dann geltend gemacht werden kann, wenn er nicht den verspäteten Flug betroffen hat, den der Fluggast gebucht hatte, sondern im Rahmen einer geplanten Abfolge von Flügen einen früheren Flug desselben Flugzeugs. Desgleichen hat er in der Rechtssache, in der das Urteil Germanwings ( 33 ) ergangen ist, die Tatsache, dass anlässlich des Fluges, der dem verspäteten Flug vorausging, ein Nagel in einen Reifen eingedrungen war, als außergewöhnlichen Umstand angesehen. Daraus folgt, dass die Vorlagefrage auf der Grundlage dieser Urteile bejaht werden sollte.

2. Auslegung der einschlägigen Bestimmungen

58.

Für den Fall, dass der Gerichtshof der Auffassung sein sollte, dass diese Rechtsprechung allein keine ausreichende Antwort auf die Vorlagefrage bietet, schlage ich vor, diese Erwägungen durch eine Auslegung der einschlägigen Bestimmungen zu ergänzen. Dies vorausgeschickt, stelle ich fest, dass weder der Wortlaut noch der Sinn und Zweck von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 in seiner Auslegung im Licht des 15. Erwägungsgrundes dieser Verordnung die Annahme rechtfertigen, dass außergewöhnliche Umstände – wie im vorliegenden Fall ein gewalttätiger Fluggast, der die Sicherheit an Bord des Flugzeugs gefährdet – unmittelbar denjenigen Flug betreffen müssten, auf den sich diese außergewöhnlichen Umstände letztendlich in Gestalt einer Annullierung oder Verspätung auswirken.

a) Das Erfordernis eines Kausalzusammenhangs zwischen den „außergewöhnlichen Umständen“ und der Annullierung oder großen Verspätung

59.

Was den Wortlaut von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 betrifft, führt eine Analyse verschiedener Sprachfassungen dieser Bestimmung vielmehr zu dem Ergebnis, dass ein einfacher Kausalzusammenhang zwischen den außergewöhnlichen Umständen und der Annullierung oder Verspätung ausreicht ( 34 ). Diese Auslegung wird durch den Wortlaut des 15. Erwägungsgrundes dieser Verordnung bestätigt, aus dem hervorgeht, dass die Annullierung oder Verspätung Folge einer Entscheidung des Flugverkehrsmanagements sein muss, die „ei[n] einzelne[s] Flugzeug“ betrifft und sich bei „einem oder mehreren Flügen des betreffenden Flugzeugs“ auswirkt ( 35 ). Entscheidend ist mit anderen Worten, dass sich die Kausalkette bis zur in Rede stehenden Annullierung oder Verspätung erstreckt.

60.

Darüber hinaus ist festzustellen, dass der Verordnungsgeber bei der im 15. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 261/2004 erwähnten Situation, in der mehrere vom Luftfahrtunternehmen mit demselben Flugzeug durchgeführte Flüge von den außergewöhnlichen Umständen betroffen sind, insbesondere Fälle wie den des Ausgangsverfahrens in Betracht gezogen hat, in denen das Luftfahrtunternehmen ein Flugumlaufverfahren zur Bedienung einer bestimmten Flugstrecke eingerichtet hat. Wie mehrere Beteiligte der vorliegenden Rechtssache in ihren Erklärungen ausgeführt haben, stellt ein solches Flugumlaufverfahren eine im Bereich des Passagierluftverkehrs gängige Praxis dar, die sich aus der Notwendigkeit eines wirtschaftlich sinnvollen Einsatzes der Flugzeuge erklärt ( 36 ).

b) Das Erfordernis, alle zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um Annullierungen oder große Verspätungen zu vermeiden

61.

Einerseits scheint eine weite Auslegung von Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004, die Fluggästen selbst dann einen Anspruch auf Ausgleichszahlung gewähren würde, wenn die Annullierung oder große Verspätung auf außergewöhnliche Umstände während eines vorausgegangenen Fluges zurückzuführen wäre, im Einklang mit dem von dieser Verordnung verfolgten Ziel zu stehen, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen. Wie der Gerichtshof in der Rechtssache ausgeführt hat, in der das Urteil Nelson u. a. ( 37 ) ergangen ist, entspricht die in Art. 7 dieser Verordnung vorgesehene pauschale Ausgleichszahlung diesem Ziel, weil sie den Ausgleich eines von den Fluggästen erlittenen Zeitverlusts ermöglicht, ohne dass sie nachzuweisen haben, dass ihnen ein individueller Schaden entstanden ist.

62.

Andererseits liegt auf der Hand, dass die Auferlegung einer zeitlich unbegrenzten Haftung, die auf einem einfachen Kausalzusammenhang beruht und keine Korrekturkriterien vorsieht, darauf hinauslaufen würde, die heikle Abwägung der Interessen von Fluggästen und Luftfahrtunternehmen zu ignorieren, die der Unionsgesetzgeber bei der Annahme der Verordnung Nr. 261/2004 vorgenommen hat. Er war nämlich bestrebt, einen Ausgleich zwischen diesen widerstreitenden Interessen vorzunehmen, indem er vorgesehen hat, dass die Luftfahrtunternehmen von der Verpflichtung zur Leistung einer Ausgleichszahlung befreit sind, wenn sie beweisen können, dass sich die durch außergewöhnliche Umstände bedingte Annullierung oder Verspätung auch dann nicht hätte vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären ( 38 ).

63.

Aus den vorstehend dargelegten Gesichtspunkten ergibt sich, dass der Anwendung von Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004 auf eine Situation wie die des Ausgangsverfahrens, in der ein Flugumlaufverfahren eingerichtet war, grundsätzlich keinerlei zeitliche Begrenzung entgegensteht, weil diese Bestimmung lediglich einen Kausalzusammenhang zwischen den außergewöhnlichen Umständen, die auf dem vorausgegangenen Flug eingetreten sind, und der Annullierung oder großen Verspätung des vom Fluggast gebuchten Fluges verlangt. Dies vorausgeschickt, stelle ich fest, dass nach den Angaben des vorlegenden Gerichts die nach dem Vorfall an Bord vorgenommene Umleitung des Fluges von Lissabon zum Flughafen Las Palmas die Ursache für den verspäteten Start des Fluges von Fortaleza nach Lissabon war, auf dem sich der klagende Fluggast befand. Vorbehaltlich der tatsächlichen Überprüfungen, die das vorlegende Gericht vorzunehmen hat, lässt sich daher nicht ausschließen, dass Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004 auf den vorliegenden Fall angewandt werden kann.

64.

Gleichwohl kann das Luftfahrtunternehmen von der Verpflichtung zur Leistung einer Ausgleichszahlung nach Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 befreit sein, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung oder große Verspätung sich auch dann nicht hätte vermeiden lassen, wenn alle „zumutbaren Maßnahmen“ ergriffen worden wären ( 39 ). Ob diese Voraussetzung im vorliegenden Fall erfüllt ist, hängt von der Reichweite dieses Begriffs des Unionsrechts ab, einer Problematik, die Gegenstand der dritten Vorlagefrage ist und die ich im Folgenden untersuchen werde.

3. Antwort auf die zweite Vorlagefrage

65.

Im Licht dieser Erwägungen ist auf die zweite Vorlagefrage zu antworten, dass ein „außergewöhnlicher Umstand“, der an Bord eines im Flugumlaufverfahren eingesetzten Flugzeugs auftritt, grundsätzlich eine Befreiung des Luftfahrtunternehmens von seiner Verpflichtung rechtfertigt, Ausgleichszahlungen für sich daraus ergebende Annullierungen oder große Verspätungen zu leisten. Das Luftfahrtunternehmen muss jedoch nachweisen können, dass es alle wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um die Annullierung oder große Verspätung zu vermeiden.

D.   Zur dritten Frage

66.

Mit seiner dritten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob TAP als ausführendes Luftfahrtunternehmen im vorliegenden Fall alle „zumutbaren Maßnahmen“ im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 ergriffen hat. Diese Frage bezieht sich auf die von TAP im Ausgangsverfahren vorgebrachte Behauptung, dass die Verspätung, die der klagende Fluggast bei der Ankunft an seinem Endziel erlitten habe, in Anbetracht der nachstehend zusammengefassten Besonderheiten der Situation nicht hätte vermieden werden können: Einführung eines Flugumlaufverfahrens zwischen Lissabon und Fortaleza, Einsatz eines einzigen Flugzeugs auf dieser Strecke, daraus resultierende Verspätung des Hin- und Rückflugs und nur einmal täglich bestehende Verbindung zwischen Lissabon und Oslo.

1. Die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten im Rahmen der Prüfung der „zumutbaren Maßnahmen“

67.

Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das mit Art. 267 AEUV eingerichtete Verfahren ein Instrument der Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten ist, mit dem der Gerichtshof diesen Gerichten Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts gibt, die sie zur Entscheidung des bei ihnen anhängigen Rechtsstreits benötigen ( 40 ). Im Einklang mit dieser gefestigten Aufteilung der Zuständigkeiten ist es Sache der nationalen Gerichte, das Unionsrecht unter Berücksichtigung seiner Auslegung durch den Gerichtshof anzuwenden. Daher scheint die Formulierung der dritten Vorlagefrage nahezulegen, dass das vorlegende Gericht den Gerichtshof ersucht, selbst zu beurteilen, ob TAP mit den von ihr konkret ergriffenen organisatorischen Maßnahmen alles unternommen hat, was „zumutbar“ war. Der Gerichtshof wird sich jedoch auf eine Klärung der Tragweite dieses Begriffs anhand der Umstände des Ausgangsfalls beschränken müssen.

68.

Diese einleitenden Bemerkungen sind umso notwendiger, als das nationale Gericht die Bestimmungen der Verordnung Nr. 261/2004 anwenden muss, nachdem es, wie von der Rechtsprechung gefordert, selbst eine sorgfältige Bewertung des Sachverhalts vorgenommen hat ( 41 ). Angesichts der sehr knappen Beschreibung des Sachverhalts, die die Vorlageentscheidung enthält, kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass es weitere wichtige Aspekte gibt, die bei der Prüfung dieser Vorlagefrage zu berücksichtigen sind, die sich aber mangels erforderlicher Angaben – z. B. zu den dem Luftfahrtunternehmen zur Verfügung stehenden logistischen, technischen und finanziellen Mitteln – der Kenntnis des Gerichtshofs entziehen. Folglich wird der Grad der Genauigkeit der Hinweise, die der Gerichtshof dem nationalen Gericht geben wird, in hohem Maße von den erlangten Informationen abhängen. Unter Berücksichtigung dessen ist zu klären, was das Erfordernis bedeutet, „alle zumutbaren Maßnahmen“ zu ergreifen, um eine große Verspätung in einem Zusammenhang wie dem hier geprüften zu vermeiden.

2. Der Begriff „zumutbare Maßnahmen“ in der Rechtsprechung

69.

Der Gerichtshof hat diesen Begriff dahin ausgelegt, dass das Luftfahrtunternehmen beim Auftreten außergewöhnlicher Umstände „der Situation angepasste Maßnahmen“ ergreifen muss, soweit diese Maßnahmen „in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht tragbar“ sind ( 42 ). Das Luftfahrtunternehmen muss „alle ihm zur Verfügung stehenden personellen, materiellen und finanziellen Mittel [einsetzen]“, ohne jedoch gezwungen zu sein, „angesichts der Kapazitäten seines Unternehmens … nicht tragbare Opfer“ auf sich zu nehmen ( 43 ). Die Beweislast liegt bei dem Luftfahrtunternehmen, das sich von seiner Haftung gegenüber den Fluggästen nur befreien kann, wenn ihm der Nachweis gelingt, dass es die zumutbar in Betracht kommenden Maßnahmen ergriffen hat, um den Schaden zu vermeiden oder zu verringern, oder wenn es im Gegenteil nachweisen kann, dass es ihm unmöglich war, solche Maßnahmen zu ergreifen.

70.

Ich lege Wert auf die Feststellung, dass die oben angeführte Rechtsprechung im Interesse des Verbraucherschutzes die Befreiung von besonders strengen Voraussetzungen abhängig macht, die das Luftfahrtunternehmen verpflichten, alles zu unternehmen, was mit den verfügbaren Mitteln objektiv möglich ist, um die Annullierung oder große Verspätung eines Fluges zu vermeiden. Wie oben dargelegt, ist es – mangels umfassender Angaben, die dem Gerichtshof eine Beurteilung der Situation des Luftfahrtunternehmens erlauben würden – Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob TAP nicht über andere und wirksamere Mittel verfügte, um sicherzustellen, dass der klagende Fluggast pünktlich an sein Endziel Oslo gelangte. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Beförderungspflicht zum Inhalt hat, dass der Fluggast so bald wie möglich sein Endziel und nicht nur den Umsteigeflughafen erreicht ( 44 ). Daraus folgt, dass das Luftfahrtunternehmen nicht mit Erfolg geltend machen kann, diese Pflicht „teilweise erfüllt“ zu haben.

3. Dem vorlegenden Gericht zu erteilende Auslegungshinweise

71.

Die nachstehenden Auslegungshinweise sollen dem vorlegenden Gericht die für eine gezielte und sachdienliche Beurteilung des Sachverhalts erforderlichen Vorgaben an die Hand geben.

72.

Zunächst ist zu berücksichtigen, dass der Handlungsspielraum des Luftfahrtunternehmens umso größer ist, je länger die Zeitspanne ist, die zwischen dem Ereignis, das einen außergewöhnlichen Umstand darstellt, und der planmäßigen Ankunftszeit am Endziel liegt. Mit anderen Worten: Wenn dem Luftfahrtunternehmen genügend Zeit verbleibt, kann es normalerweise mehrere Alternativen nutzen, um den betreffenden Fluggast zu seinem Endziel zu befördern. Ist die Zeit hingegen knapp, sind diese Alternativen sehr begrenzt oder gar praktisch nicht vorhanden. Ebenso ist die Flugroute des betreffenden Fluges zu berücksichtigen. Die Durchführung eines Fluges, der sich wie im vorliegenden Fall aus mehreren Abschnitten zusammensetzt, bedeutet nicht zwangsläufig, dass sich die auf einem dieser Abschnitte eingetretene Verspätung in der Folge wegen einer Verkettung von Komplikationen vergrößern muss. Sie kann dem Luftfahrtunternehmen im Gegenteil, sofern es für jeden Abschnitt der Flugstrecke eine angemessen lange Zeitreserve vorgesehen hat, auch Möglichkeiten eröffnen, gegebenenfalls auf alternative Lösungen zurückzugreifen.

73.

Wie der Gerichtshof in der Rechtssache ausgeführt hat, in der das Urteil Eglītis und Ratnieks ( 45 ) ergangen ist, zeichnet sich ein vernünftig handelndes Luftfahrtunternehmen dadurch aus, dass es seine Mittel rechtzeitig plant, um über eine gewisse Zeitreserve zu verfügen und andere Lösungen vorsehen zu können. Eine sorgfältige und rationelle Streckenplanung durch das Luftfahrtunternehmen ist daher von entscheidender Bedeutung, um Schwierigkeiten und Unannehmlichkeiten für die Fluggäste aufgrund von Flugannullierungen und großen Verspätungen in Übereinstimmung mit dem im 12. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 261/2004 genannten Ziel zu vermeiden. Ich teile die Ansicht der portugiesischen Regierung, dass die Luftfahrtunternehmen nicht ermutigt werden dürfen, darauf zu verzichten, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um sich von ihrer Haftung zu befreien. Das vorlegende Gericht wird daher zu prüfen haben, ob dem Luftfahrtunternehmen zum maßgeblichen Zeitpunkt logistische oder technische Alternativen zur Verfügung standen, die die Flugverspätung hätten ausgleichen oder zumindest erheblich verringern können, wie z. B. der Einsatz eines Ersatzflugzeugs ( 46 ), die Erhöhung der Fluggeschwindigkeit oder die Beförderung des Fluggastes auf anderen Flugstrecken mit oder ohne Zwischenlandung, die von diesem Luftfahrtunternehmen selbst oder von anderen Luftfahrtunternehmen desselben Verbandes (im vorliegenden Fall: Star Alliance) bedient werden. Über einen Notfallplan für den Fall unvorhergesehener Umstände zu verfügen ist umso wichtiger, wenn ein Flugumlaufverfahren eingeführt wurde, bei dem ein einziges Flugzeug für die Beförderung über eine beträchtliche Entfernung – wie im vorliegenden Fall zwischen Lissabon und Fortaleza – eingesetzt wird. Wie die österreichische Regierung vorträgt, ist ein Flugumlaufverfahren ohne jegliche Unterstützungsmittel anfällig, weil es unweigerlich zur Verspätung des nächsten mit demselben Flugzeug durchzuführenden Fluges führt.

74.

Das vorlegende Gericht wird seine Beurteilung auf geeignete Beweismittel zu stützen haben, u. a. auf vom Luftfahrtunternehmen erstellte Lageberichte und andere Analysen, die den maßgeblichen Zeitraum betreffen und es dem vorlegenden Gericht ermöglichen, die der Flugplanung zugrunde liegenden Überlegungen besser zu verstehen. Im gegenwärtigen Stadium meiner Überlegungen möchte ich jedenfalls ebenso wie die portugiesische Regierung darauf hinweisen, dass TAP offenbar nicht vorgetragen oder nachgewiesen hat, in der Zeit zwischen der Ankunft des Fluges in Lissabon am 22. August 2017 und dem Zeitpunkt, zu dem der Fluggast am 23. August 2017 an Bord des Fluges nach Oslo ging, irgendwelche Maßnahmen ergriffen zu haben. Ich halte es für zweckmäßig, es dem vorlegenden Gericht zu überlassen, das Luftfahrtunternehmen zu diesem Punkt zu befragen und die Gründe zu prüfen, die dieses Unternehmen veranlasst haben, für diesen letzten Abschnitt der Flugstrecke keine alternativen Transportmittel in Betracht zu ziehen.

4. Antwort auf die dritte Vorlagefrage

75.

Im Ergebnis schlage ich vor, die dritte Frage dahin zu beantworten, dass die dem Luftfahrtunternehmen nach Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 obliegenden „zumutbaren Maßnahmen“ darauf gerichtet sein müssen, die typischen Folgen außergewöhnlicher Umstände, d. h. Annullierungen und große Verspätungen bei der Ankunft, zu vermeiden. Die in diesem Zusammenhang vom Luftfahrtunternehmen konkret zu verlangenden Maßnahmen zur Vermeidung der Folgen eines außergewöhnlichen Umstandes, d. h. im vorliegenden Fall einer großen Verspätung, müssen im Einzelfall beurteilt werden.

76.

Das vorlegende Gericht wird zu prüfen haben, ob das Luftfahrtunternehmen seine Mittel rechtzeitig geplant hatte, um über eine ausreichende Zeitreserve zu verfügen, die es in die Lage versetzte, logistische oder technische Alternativen zum Ausgleich oder zumindest zur erheblichen Verringerung der Flugverspätung vorzusehen, wie etwa den Einsatz eines Ersatzflugzeugs, eine Erhöhung der Fluggeschwindigkeit oder die Umbuchung des Fluggastes auf andere Flugstrecken mit oder ohne Zwischenlandung, die von diesem Luftfahrtunternehmen selbst oder von anderen Luftfahrtunternehmen bedient werden. Das vorlegende Gericht wird seine Beurteilung auf geeignete Beweismittel zu stützen haben, u. a. auf vom Luftfahrtunternehmen erstellte Lageberichte und andere Analysen, die es dem vorlegenden Gericht ermöglichen, die der Flugplanung zugrunde liegenden Überlegungen besser zu verstehen.

VI. Ergebnis

77.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die vom Tribunal Judicial da Comarca de Lisboa (Kreisgericht Lissabon, Portugal) zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen wie folgt zu antworten:

1.

Der Umstand, dass ein Fluggast während eines Fluges andere Fluggäste beißt und die Kabinenbesatzung, die ihn zu beruhigen versucht, angreift, was nach Ansicht des Bordkommandanten aus Sicherheitsgründen die Umleitung des Fluges zum nächstgelegenen Flughafen rechtfertigt, um den betreffenden Fluggast und sein Gepäck von Bord zu bringen, und somit zu einer verspäteten Ankunft dieses Fluges am Zielort führt, fällt unter den Begriff „außergewöhnliche Umstände“ in Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91.

2.

Ein außergewöhnlicher Umstand, der wie im Ausgangsverfahren an Bord eines im Flugumlaufverfahren eingesetzten Flugzeugs auftritt, rechtfertigt nach Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 grundsätzlich eine Befreiung des Luftfahrtunternehmens von seiner Verpflichtung, Ausgleichszahlungen für sich daraus ergebende Annullierungen oder große Verspätungen zu leisten. Das Luftfahrtunternehmen muss jedoch nachweisen können, dass es alle wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um die Annullierung oder Verspätung zu vermeiden.

3.

Die dem Luftfahrtunternehmen nach Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 obliegenden „zumutbaren Maßnahmen“ müssen darauf gerichtet sein, die typischen Folgen außergewöhnlicher Umstände, d. h. Annullierungen und große Verspätungen bei der Ankunft, zu vermeiden. Die in diesem Zusammenhang vom Luftfahrtunternehmen konkret zu verlangenden Maßnahmen zur Vermeidung der Folgen eines außergewöhnlichen Umstandes, d. h. im vorliegenden Fall einer großen Verspätung, müssen im Einzelfall beurteilt werden.

Das vorlegende Gericht wird zu prüfen haben, ob das Luftfahrtunternehmen seine Mittel rechtzeitig geplant hatte, um über eine Zeitreserve zu verfügen, die es in die Lage versetzte, logistische oder technische Alternativen zum Ausgleich oder zumindest zur erheblichen Verringerung der Flugverspätung vorzusehen, wie etwa den Einsatz eines Ersatzflugzeugs, eine Erhöhung der Fluggeschwindigkeit oder die Umbuchung des Fluggastes auf andere Flugstrecken mit oder ohne Zwischenlandung, die von diesem Luftfahrtunternehmen selbst oder von anderen Luftfahrtunternehmen bedient werden. Das vorlegende Gericht wird seine Beurteilung auf geeignete Beweismittel zu stützen haben, u. a. auf vom Luftfahrtunternehmen erstellte Lageberichte und andere Analysen, die es dem vorlegenden Gericht ermöglichen, die der Flugplanung zugrunde liegenden Überlegungen besser zu verstehen.


( 1 ) Originalsprache: Französisch.

( 2 ) ABl. 2004, L 46, S. 1.

( 3 ) RTNU, Bd. 704, S. 219. Es zählt derzeit 186 Vertragsstaaten.

( 4 ) ABl. 2014, L 122, S. 18.

( 5 ) ABl. 2015, L 163, S. 1.

( 6 ) ABl. 2018, L 212, S. 1.

( 7 ) Vgl. Urteile vom 19. November 2009, Sturgeon u. a. (C‑402/07 und C‑432/07, EU:C:2009:716, Rn. 61), vom 23. Oktober 2012, Nelson u. a. (C‑581/10 und C‑629/10, EU:C:2012:657, Rn. 40), und vom 4. Mai 2017, Pešková und Peška (C‑315/15, EU:C:2017:342, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 8 ) Vgl. Urteil vom 4. April 2019, Germanwings (C‑501/17, EU:C:2019:288, Rn. 19).

( 9 ) Mittwoch, A.‑C., Vollharmonisierung und Europäisches Privatrecht, Berlin, 2013, S. 12, führt aus, dass der Unionsgesetzgeber sich selten einer Verordnung als Instrument zur Harmonisierung des Privatrechts bedient und die Verordnung Nr. 261/2004 somit eine bemerkenswerte Ausnahme darstellt. Die Verfasserin zählt im Übrigen die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu den (nicht der Gesetzgebung zuzurechnenden) Harmonisierungsinstrumenten auf diesem Rechtsgebiet.

( 10 ) Vgl. Bekanntmachung der Kommission zu den Leitlinien für die Auslegung der Verordnung Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und der Verordnung (EG) Nr. 2027/97 des Rates über die Haftung von Luftfahrtunternehmen bei Unfällen in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 889/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2016, C 214, S. 5), aus der hervorgeht, dass „[d]ie Rechtsprechung … die Auslegung der Verordnung entscheidend beeinflusst [hat]“. Mit den Auslegungsleitlinien, die im Grunde eine Synthese der Rechtsprechung sind, „will die Kommission – namentlich im Lichte der Rechtsprechung des Gerichtshofs – mehrere Bestimmungen der Verordnung klarer erläutern, damit die geltenden Vorschriften wirksamer und einheitlicher durchgesetzt werden können“.

( 11 ) Chatzipanagiotis, M., „Disrupted Flights and Information Duties of Air Carriers: The Interplay Between Regulation (EC) No 261/2004 on Air Passenger Rights and the Unfair Commercial Practices Directive“, Air & Space Law, 2018, Bd. 43, Nr. 4&5, S. 434.

( 12 ) Vgl. Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 261/2004 und der Verordnung Nr. 2027/97 über die Haftung von Luftfahrtunternehmen bei der Beförderung von Fluggästen und deren Gepäck im Luftverkehr (COM[2013] 130 final) vom 13. März 2013.

( 13 ) Urteile vom 22. Dezember 2008, Wallentin-Hermann (C‑549/07, EU:C:2008:771, Rn. 21), und vom 4. Mai 2017, Pešková und Peška (C‑315/15, EU:C:2017:342, Rn. 21).

( 14 ) Es ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof, selbst wenn das vorlegende Gericht seine erste Vorlagefrage der Form nach auf die Auslegung des 14. Erwägungsgrundes der Verordnung Nr. 261/2004 beschränkt hat, nicht daran gehindert ist, ihm alle Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts zu geben, die ihm bei der Entscheidung des bei ihm anhängigen Verfahrens von Nutzen sein können, und zwar unabhängig davon, ob es bei seiner Fragestellung darauf Bezug genommen hat (vgl. Urteile vom 29. Oktober 2015, Nagy, C‑583/14, EU:C:2015:737, Rn. 20 und 21, und vom 21. März 2019, Mobit und Autolinee Toscane, C‑350/17 und C‑351/17, EU:C:2019:237, Rn. 35).

( 15 ) Riesenhuber, K., Europäische Methodenlehre, 2. Aufl., Berlin, 2010, § 18, Rn. 20 ff., unterstreicht die Bedeutung der systematischen Auslegung der Rechtsvorschriften, die auf der These von der „Einheit der Rechtssprache“ beruht, und erwähnt als Beispiel das Urteil vom 18. Dezember 2008, Andersen (C‑306/07, EU:C:2008:743, Rn. 40 ff.). Vgl. auch die Schlussanträge von Generalanwalt Tanchev in der Rechtssache Germanwings (C‑501/17, EU:C:2018:945, Nr. 69), in denen er sich auf eine Analyse stützt, die andere Sekundärrechtsakte auf dem Gebiet des Luftverkehrs einbezieht.

( 16 ) Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs sind bei der Auslegung von unionsrechtlichen Vorschriften nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch die Ziele, die mit der Regelung, zu der sie gehören, verfolgt werden, und ihr Zusammenhang zu berücksichtigen (vgl. Urteile vom 16. Juli 2015, Maïstrellis, C‑222/14, EU:C:2015:473, Rn. 30, und vom 21. März 2018, Klein Schiphorst, C‑551/16, EU:C:2018:200, Rn. 34).

( 17 ) Vgl. u. a. das in Montreal am 28. Mai 1999 geschlossene Übereinkommen zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (RTNU, Bd. 2242, S. 369), das von der Europäischen Gemeinschaft unterzeichnet und in ihrem Namen durch den Beschluss 2001/539/EG des Rates vom 5. April 2001 (ABl. 2001, L 194, S. 38) genehmigt wurde (im Folgenden: Übereinkommen von Montreal). Es trat für die Union am 28. Juni 2004 in Kraft. Es wurde durch die Verordnung Nr. 2027/97 des Rates vom 9. Oktober 1997 über die Haftung von Luftfahrtunternehmen bei Unfällen (ABl. 1997, L 285, S. 1) umgesetzt. Das Übereinkommen von Montreal ist daher integraler Bestandteil der Unionsrechtsordnung (vgl. Urteil vom 22. November 2012, Espada Sánchez u. a., C‑410/11, EU:C:2012:747, Rn. 20).

( 18 ) Die Union ist an eine internationale Übereinkunft, der sie nicht beigetreten ist, gebunden, wenn sie die Befugnisse übernimmt, die zuvor von den Mitgliedstaaten im Anwendungsbereich dieser Übereinkunft ausgeübt wurden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. Oktober 2009, Bogiatzi, C‑301/08, EU:C:2009:649, Rn. 33, und vom 21. Dezember 2011, Air Transport Association of America u. a., C‑366/10, EU:C:2011:864, Rn. 63).

( 19 ) Mendes de Leon, P., Introduction to Air Law, Alphen aan den Rijn, 2017, S. 514, und Piera, A., „ICAO’s latest efforts to tackle legal issues arising from unruly/disruptive passengers: The modernization of the Tokyo Convention 1963“, Air & Space Law, 2012, Bd. 37, Nr. 3, S. 237, führen aus, dass das Tokyoter Abkommen die Problematik des „störenden Fluggastes“ anspreche. Sie erläutern, dass dieses Abkommen keine Definition des Begriffs „strafbare Handlung“ enthalte und seine Auslegung den nationalen Rechtsvorschriften überlasse. Die Verfasser weisen darauf hin, dass die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO, englisch: International Civil Aviation Organization) Richtlinien zu den rechtlichen Aspekten der Frage unbotmäßiger/störender Fluggäste („ICAO circular 288: Guidance Material on the Legal Aspects of Unruly/Disruptive Passengers“) erlassen hat, aus denen hervorgeht, dass jeder Angriff gegen das Kabinenpersonal oder die anderen Fluggäste als eine „strafbare Handlung“ im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist. Sie erwähnen ferner das von allen Mitgliedstaaten der Union unterzeichnete Montrealer Protokoll vom 4. April 2014 zur Änderung des Tokyoter Abkommens, das die Unterzeichnerstaaten ermutigt, Verfahren gegen die Handlungen einzuleiten, die als die schwersten betrachtet werden, d. h. in den Fällen, in denen eine an Bord befindliche Person eine Gewalttat gegen ein Besatzungsmitglied begeht oder zu begehen droht oder sich weigert, eine Anordnung des Bordkommandanten zu befolgen.

( 20 ) Urteile vom 22. Dezember 2008, Wallentin-Hermann (C‑549/07, EU:C:2008:771, Rn. 22), vom 17. April 2018, Krüsemann u. a. (C‑195/17, C‑197/17 bis C‑203/17, C‑226/17, C‑228/17, C‑254/17, C‑274/17, C‑275/17, C‑278/17 bis C‑286/17 und C‑290/17 bis C‑292/17, EU:C:2018:258, Rn. 34), sowie vom 4. April 2019, Germanwings (C‑501/17, EU:C:2019:288, Rn. 20).

( 21 ) Urteil vom 22. Dezember 2008, Wallentin-Hermann (C‑549/07, EU:C:2008:771, Rn. 17).

( 22 ) Urteile vom 31. Januar 2013, McDonagh (C‑12/11, EU:C:2013:43, Rn. 38), vom 4. Mai 2017, Pešková und Peška (C‑315/15, EU:C:2017:342, Rn. 22), und vom 17. April 2018, Krüsemann u. a. (C‑195/17, C‑197/17 bis C‑203/17, C‑226/17, C‑228/17, C‑254/17, C‑274/17, C‑275/17, C‑278/17 bis C‑286/17 und C‑290/17 bis C‑292/17, EU:C:2018:258, Rn. 32).

( 23 ) Vgl. Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 1. März 2019: Luftfahrtstrategie für Europa: Beibehaltung und Förderung hoher Sozialstandards (COM[2019] 120 final).

( 24 ) Aus Anhang V Abschnitt 2 Buchst. b der Verordnung 2018/1139 geht hervor, dass „[d]ie Besatzung … mit der Unterbringung und dem Gebrauch der jeweiligen Notausrüstung vertraut sein [muss], und die Fluggäste … darüber unterrichtet sein [müssen]“. Diese Bestimmung sieht auch vor, dass „[d]er Besatzung und den Fluggästen … ausreichende Informationen zu Notverfahren und zum Gebrauch der Sicherheitsausrüstung in der Kabine mit Bezug zu dem jeweiligen Flugbetrieb und zu den besonderen Merkmalen der eingebauten Ausrüstung bereitgestellt werden [müssen]“.

( 25 ) Mendes de Leon, P., Introduction to Air Law, Alphen aan den Rijn, 2017, S. 512, Nase, V., Humphrey, N., „Angry People in the Sky: Air Rage and the Tokyo Convention“, Journal of Air Law and Commerce, Bd. 79, Nr. 4, S. 702, und Ginger, S., „Violence in the skies: The rights and liabilities of air carriers when dealing with disruptive passengers“, Air & Space Law, 1998, Bd. 23, Nr. 3, S. 109, weisen darauf hin, dass das störende Verhalten eines Fluggastes auf „externe“ Faktoren (z. B. Ärger über lange Verspätungen, Gepäckverlust, schlechten Service oder Enttäuschung bestimmter Erwartungen, lange Schlangen an den Flugsteigen, überfüllte Flugzeugkabinen) und „interne“ Faktoren (z. B. psychologische oder psychiatrische Probleme, übermäßigen Alkoholkonsum, Entzugserscheinungen von Rauchern oder – allgemeiner – antisoziales Verhalten) zurückzuführen sein kann.

( 26 ) Schlussanträge von Generalanwalt Tanchev in der Rechtssache Germanwings (C‑501/17, EU:C:2018:945, Nrn. 60 und 61).

( 27 ) Aus dem vom Internationalen Luftverkehrsverband (englisch: International Air Transport Association, IATA) erarbeiteten Dokument „Unruly Passengers – Enhancing the deterrent“ (3. April 2019) geht hervor, dass nur einer von 1053 Flügen von Vorkommnissen im Zusammenhang mit störenden Fluggästen betroffen ist, obwohl eine Zunahme zu beobachten ist.

( 28 ) Siehe Nr. 43 dieser Schlussanträge.

( 29 ) Schmid, R., Fluggastrechte-Verordnung, C. H. Beck, 11. Aufl., Rn. 121 und 122, teilt die Auffassung mehrerer deutscher Gerichte, die sich zur Problematik störender Fluggäste geäußert und das „unvorhergesehene, unkontrollierbare und aggressive“ Verhalten eines Fluggastes als einen „außergewöhnlichen Umstand“ angesehen haben. Nach Ansicht des Autors wäre die Situation anders zu beurteilen, wenn das Kabinenpersonal schon vor oder gar beim Anbordgehen über Anhaltspunkte dafür verfügt hätte, dass der Fluggast berauscht war und folglich ein Risiko für die Sicherheit des Fluges darstellen konnte.

( 30 ) Mendes de Leon, P., Introduction to Air Law, Alphen aan den Rijn, 2017, S. 501, Ginger, S., „Violence in the skies: The rights and liabilities of air carriers when dealing with disruptive passengers“, Air & Space Law, 1998, Bd. 23, Nr. 3, S. 107, Michaelides, S., „Unruly passenger behaviour and the Tokyo Convention“, Coventry Law Journal, 2001, Nr. 6, S. 38, Piera, A., „ICAO’s latest efforts to tackle legal issues arising from unruly/disruptive passengers: The modernization of the Tokyo Convention 1963“, Air & Space Law, 2012, Bd. 37, Nr. 3, S. 236, und Abeyratne, R., „A protocol to amend the Tokyo Convention of 1963: Some unanswered questions“, Air & Space Law, 2014, Bd. 39, Nr. 1, S. 48, weisen darauf hin, dass das Tokyoter Abkommen dem verantwortlichen Luftfahrzeugführer weitreichende Befugnisse einräumt, um auf an Bord begangene Straftaten reagieren zu können. Nach Ansicht der Autoren kann der Luftfahrzeugführer diese Befugnisse ausüben, ohne eine zivil- oder strafrechtliche Haftung für seine Handlungen befürchten zu müssen, weil ihm das Tokyoter Abkommen Immunität garantiert.

( 31 ) Vgl. Michaelides, S., „Unruly passenger behaviour and the Tokyo Convention“, Coventry Law Journal, 2001, Nr. 6, S. 41, Ginger, S., „Violence in the skies: The rights and liabilities of air carriers when dealing with disruptive passengers“, Air & Space Law, 1998, Bd. 23, Nr. 3, S. 107, Abeyratne, R., „A protocol to amend the Tokyo Convention of 1963: Some unanswered questions“, Air & Space Law, 2014, Bd. 39, Nr. 1, S. 49. Mendes de Leon, P., Introduction to Air Law, Alphen aan den Rijn, 2017, S. 512, erläutert, dass es sich manchmal als schwierig erweisen könne, im Einzelfall zu klären, was den Tatbestand einer Straftat erfülle, der Kommandant aber eine abschließende Entscheidung treffen müsse.

( 32 ) Urteil vom 4. Mai 2017, Pešková und Peška (C‑315/15, EU:C:2017:342, Rn. 9 bis 11).

( 33 ) Urteil vom 4. April 2019, Germanwings (C‑501/17, EU:C:2019:288, Rn. 9).

( 34 ) Spanisch: „se debe a“, dänisch „skyldes“, deutsch: „auf … zurückgeht“, estnisch: „põhjustasid“, englisch: „is caused by“, französisch: „est due à“, italienisch: „è dovuta a“, niederländisch: „het gevolg is van“, polnisch: „jest spowodowane“ und portugiesisch: „se ficou a dever a“.

( 35 ) Spanisch: „una aeronave determinada/den lugar/uno o más vuelos de la aeronave“, dänisch: „bestemt fly/medfører/af en eller flere flyafgange“, deutsch: „einem einzelnen Flugzeug/zur Folge hat/bei einem oder mehreren Flügen des betreffenden Flugzeugs“, estnisch: „konkreetsele lennukile/ühe või mitme lennu“, englisch: „a particular aircraft/gives rise/one or more flights by that aircraft“, französisch: „un avion précis/génère/d’un ou de plusieurs vols de cet avion“, italienisch: „un particolare aeromobile/provochi/uno o più voli per detto aeromobile“, niederländisch: „één of meer vluchten van dat vliegtuig veroorzaakt“, polnisch: „danego samolotu spowodowała/jednego lub więcej lotów“ und portugiesisch: „uma determinada aeronave/provoque/um ou mais voos dessa aeronave“.

( 36 ) Vgl. Clarke, L., Johnson, E., Nemhauser, G., Zhu, Z., „The aircraft rotation problem“, Annals of Operations Research, 1997, S. 33, Lindner, M., Rosenow, J., Förster, S., Fricke, H., „Potential of integrated aircraft rotation and flight scheduling by using individual tail sign performance“, Deutscher Luft- und Raumfahrtkongress, 2016.

( 37 ) Urteil vom 23. Oktober 2012, Nelson u. a. (C‑581/10 und C‑629/10, EU:C:2012:657, Rn. 74).

( 38 ) Urteil vom 22. Dezember 2008, Wallentin-Hermann (C‑549/07, EU:C:2008:771, Rn. 39).

( 39 ) Hierzu bedarf es der Klarstellung, dass die dem Luftfahrtunternehmen nach Art. 5 Abs. 3 der der Verordnung Nr. 261/2004 obliegenden „zumutbaren Maßnahmen“ darauf gerichtet sein müssen, die für die Fluggäste typischen und damit absehbaren nachteiligen Folgen des Eintritts außergewöhnlicher Umstände, d. h. Annullierungen und große Verspätungen, zu vermeiden. Auf die Vermeidbarkeit der außergewöhnlichen Umstände selbst kommt es hingegen nicht an.

( 40 ) Urteil vom 5. Juli 2016, Ognyanov (C‑614/14, EU:C:2016:514, Rn. 16).

( 41 ) Vgl. Urteile vom 12. Mai 2011, Eglītis und Ratnieksn (C‑294/10, EU:C:2011:303, Rn. 29 ff.), und vom 4. Mai 2017, Pešková und Peška (C‑315/15, EU:C:2017:342, Rn. 30).

( 42 ) Urteil vom 22. Dezember 2008, Wallentin-Hermann (C‑549/07, EU:C:2008:771, Rn. 40).

( 43 ) Urteile vom 4. April 2019, Germanwings (C‑501/17, EU:C:2019:288, Rn. 31), und vom 22. Dezember 2008, Wallentin-Hermann (C‑549/07, EU:C:2008:771, Rn. 41).

( 44 ) Vgl. Urteil vom 26. Februar 2013, Folkerts (C‑11/11, EU:C:2013:106, Rn. 35 und 47).

( 45 ) Urteil vom 12. Mai 2011, Eglītis und Ratnieks (C‑294/10, EU:C:2011:303, Rn. 28).

( 46 ) Vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Kramme (C‑396/06, EU:C:2007:555, Nr. 47).