SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MANUEL CAMPOS SÁNCHEZ-BORDONA

vom 2. April 2020 ( 1 )

Rechtssache C‑3/19

Asmel societá consortile a r.l.

gegen

A.N.A.C. – Autorità Nazionale Anticorruzione,

Beteiligte:

A.N.A.C.A.P. – Associazione Nazionale Aziende Concessionarie Servizi entrate

(Vorabentscheidungsersuchen des Consiglio di Stato [Staatsrat, Italien])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Vergabe öffentlicher Aufträge – Zentrale Beschaffungsstellen – Kleine Gemeinden – Beschränkung auf lediglich zwei Modelle zentraler Beschaffungsstellen – Verbot der Beteiligung privaten Kapitals – Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten – Geografische Beschränkung ihrer Tätigkeiten“

1. 

Nach dem zur Zeit des Sachverhalts geltenden italienischen Recht in der Auslegung durch den Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) dürfen kleine Gebietskörperschaften für die Beschaffung von Bauleistungen, Waren und Dienstleistungen nur dann auf zentrale Beschaffungsstellen zurückgreifen, wenn dies unter ausschließlich öffentlich-rechtlichen Organisationsformen wie zwischen Gemeinden gebildeten Konsortien oder Gemeindeverbänden geschieht.

2. 

Das vorlegende Gericht hegt Zweifel an der Vereinbarkeit dieser Regelung mit dem Unionsrecht, da sie möglicherweise die Nutzung der zentralen Beschaffungsstellen in einer Weise beschränkt, die mit der auf die Kalenderdaten, auf die sich seine Vorlage zur Vorabentscheidung bezieht, zeitlich anwendbaren Richtlinie 2004/18/EG ( 2 ) sowie mit den „Grundsätze[n] der Dienstleistungsfreiheit und der maximalen Öffnung des Wettbewerbs im Bereich der öffentlichen Dienstleistungsaufträge“ unvereinbar ist.

I. Rechtlicher Rahmen

A.   Unionsrecht. Richtlinie 2004/18

3.

Ihr 15. Erwägungsgrund lautet:

„In den Mitgliedstaaten haben sich verschiedene zentrale Beschaffungsverfahren entwickelt. Mehrere öffentliche Auftraggeber haben die Aufgabe, für andere öffentliche Auftraggeber Ankäufe zu tätigen oder öffentliche Aufträge zu vergeben/Rahmenvereinbarungen zu schließen. In Anbetracht der großen Mengen, die beschafft werden, tragen diese Verfahren zur Verbesserung des Wettbewerbs und zur Rationalisierung des öffentlichen Beschaffungswesens bei. Daher sollte der Begriff der für öffentliche Auftraggeber tätigen zentralen Beschaffungsstelle im Gemeinschaftsrecht definiert werden. Außerdem sollte unter Einhaltung der Grundsätze der Nichtdiskriminierung und der Gleichbehandlung definiert werden, unter welchen Voraussetzungen davon ausgegangen werden kann, dass öffentliche Auftraggeber, die Bauleistungen, Waren und/oder Dienstleistungen über eine zentrale Beschaffungsstelle beziehen, diese Richtlinie eingehalten haben.“

4.

Der 16. Erwägungsgrund lautet:

„Zur Berücksichtigung der unterschiedlichen Gegebenheiten in den Mitgliedstaaten sollte es in das Ermessen derselben gestellt werden, zu entscheiden, ob für die öffentlichen Auftraggeber die Möglichkeit vorgesehen werden soll, auf Rahmenvereinbarungen, zentrale Beschaffungsstellen, dynamische Beschaffungssysteme, elektronische Auktionen und Verhandlungsverfahren, wie sie in dieser Richtlinie vorgesehen und geregelt sind, zurückzugreifen.“

5.

In Art. 1 („Definitionen“) heißt es:

„…

(9)   ‚Öffentliche Auftraggeber‘ sind der Staat, die Gebietskörperschaften, die Einrichtungen des öffentlichen Rechts und die Verbände, die aus einer oder mehreren dieser Körperschaften oder Einrichtungen des öffentlichen Rechts bestehen.

Als ‚Einrichtung des öffentlichen Rechts‘ gilt jede Einrichtung, die

a)

zu dem besonderen Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen,

b)

Rechtspersönlichkeit besitzt und

c)

überwiegend vom Staat, von Gebietskörperschaften oder von anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts finanziert wird, hinsichtlich ihrer Leitung der Aufsicht durch Letztere unterliegt oder deren Verwaltungs‑, Leitungs- oder Aufsichtsorgan mehrheitlich aus Mitgliedern besteht, die vom Staat, von den Gebietskörperschaften oder von anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts ernannt worden sind.

In Anhang III befinden sich die nicht erschöpfenden Verzeichnisse der Einrichtungen und Kategorien von Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die die in Unterabsatz 2 Buchstaben a, b und c genannten Kriterien erfüllen. Die Mitgliedstaaten geben der Kommission regelmäßig die Änderungen ihrer Verzeichnisse bekannt.

(10)   Eine ‚zentrale Beschaffungsstelle‘ ist ein öffentlicher Auftraggeber, der

für öffentliche Auftraggeber bestimmte Waren und/oder Dienstleistungen erwirbt oder

öffentliche Aufträge vergibt oder Rahmenvereinbarungen über Bauleistungen, Waren oder Dienstleistungen für öffentliche Auftraggeber schließt.

…“

6.

Art. 11 („Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Abschluss von Rahmenvereinbarungen durch zentrale Beschaffungsstellen“) bestimmt:

„(1)   Die Mitgliedstaaten können festlegen, dass die öffentlichen Auftraggeber Bauleistungen, Waren und/oder Dienstleistungen durch zentrale Beschaffungsstellen erwerben dürfen.

(2)   Bei öffentlichen Auftraggebern, die Bauleistungen, Waren und/oder Dienstleistungen durch eine zentrale Beschaffungsstelle gemäß Artikel 1 Absatz 10 erwerben, wird vermutet, dass sie diese Richtlinie eingehalten haben, sofern diese zentrale Beschaffungsstelle sie eingehalten hat.“

B.   Italienisches Recht

1. Testo unico degli enti locali (Einheitstext über die Gebietskörperschaften) ( 3 )

7.

In Art. 30 Abs. 1 heißt es:

„Um bestimmte Aufgaben und Dienste in koordinierter Weise durchzuführen, können Gebietskörperschaften untereinander entsprechende Vereinbarungen treffen.“

8.

Art. 31 Abs. 1 lautet:

„Die Gebietskörperschaften können zur gemeinsamen Verwaltung eines oder mehrerer Dienste und zur gemeinsamen Wahrnehmung von Aufgaben unter sinngemäßer Anwendung der Regeln für Sonderunternehmen im Sinne von Art. 114 ein Konsortium bilden. Andere öffentliche Einrichtungen können sich, wenn sie dazu befugt sind, nach Maßgabe der für sie geltenden Vorschriften an dem Konsortium beteiligen.“

9.

Art. 32 Abs. 1 schreibt vor:

„Ein Gemeindeverband ist die aus zwei oder mehr meist benachbarten Gemeinden bestehende Gebietskörperschaft für die gemeinsame Wahrnehmung von Aufgaben und Erbringung von Dienstleistungen.“

2. Codice dei contratti pubblici (Gesetzbuch für das öffentliche Auftragswesen) ( 4 )

10.

Nach Art. 3 Abs. 25 sind öffentliche Auftraggeber

„[d]ie staatliche Verwaltung; die Gebietskörperschaften; sonstige nicht wirtschaftlich tätige öffentlich-rechtliche Körperschaften; öffentlich-rechtliche Einrichtungen und die Verbände, Vereinigungen und Konsortien, unabhängig von ihrer Bezeichnung, die aus solchen Rechtssubjekten gebildet worden sind“.

11.

Art. 3 Abs. 34 definiert eine zentrale Beschaffungsstelle wie folgt:

„Ein öffentlicher Auftraggeber, der:

bestimmte Waren und/oder Dienstleistungen für öffentliche Auftraggeber oder andere Auftraggeber erwirbt oder

öffentliche Aufträge vergibt oder Rahmenvereinbarungen über Bauleistungen, Waren oder Dienstleistungen für öffentliche Auftraggeber oder andere Auftraggeber schließt“.

12.

Art. 33 Abs. 3a ( 5 ) lautete in seiner ursprünglichen Fassung:

„Gemeinden mit einer Einwohnerzahl von höchstens 5000 im Gebiet einer Provinz haben im Rahmen von Gemeindeverbänden nach Art. 32 der konsolidierten Fassung des Decreto legislativo Nr. 267 vom 18. August 2000, soweit vorhanden, oder indem eine spezielle Konsortialvereinbarung zwischen diesen Gemeinden geschlossen wird und die zuständigen Stellen genutzt werden, eine einzige zentrale Beschaffungsstelle mit dem Erwerb von Bauleistungen, Dienstleistungen und Lieferungen zu betrauen.“

13.

Seit seiner Änderung im Jahr 2014 ( 6 ) lautet derselbe Art. 33 Abs. 3a:

„Gemeinden, die keine Provinzhauptstädte sind, erwerben Bauleistungen, Waren und Dienstleistungen im Rahmen der Gemeindeverbände nach Art. 32 des Decreto legislativo Nr. 267 vom 18. August 2000, soweit vorhanden, oder indem eine spezielle Konsortialvereinbarung zwischen diesen Gemeinden geschlossen wird und die zuständigen Stellen genutzt werden oder indem sie gemäß Gesetz Nr. 56 vom 7. April 2014 auf einen Aggregator oder die Provinzen zurückgreifen. Alternativ können diese Gemeinden ihre Beschaffungen über die von der Consip SpA oder einem anderen Referenzaggregator betriebenen elektronischen Beschaffungsinstrumente tätigen.“

II. Sachverhalt und Vorlagefragen

14.

Die Asmel società consortile a.r.l. (im Folgenden: Asmel s.c.a.r.l.) ist eine Konsortialgesellschaft mit beschränkter Haftung, die am 23. Januar 2013 gegründet wurde und an deren Kapital das Konsortium Asmez (24 %) ( 7 ), die private Vereinigung Asmel (25 %) ( 8 ) und die Gemeinde Caggiano (51 %) beteiligt sind.

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15.

Im Lauf der Jahre hat die Asmel s.c.a.r.l. für die Gebietskörperschaften die Tätigkeit einer zentralen Beschaffungsstelle übernommen ( 9 ).

16.

Das Rechtsverhältnis zwischen der Asmel s.c.a.r.l. und Gemeinden, die nicht zu ihren Teilhabern gehören, gestaltete sich in der Form, dass die jeweiligen Gemeindeverwaltungen Vergabebeschlüsse fassten, in denen sie

einerseits auf einen früheren Beschluss Bezug nahmen, durch den sie eingewilligt hatten, der Vereinigung Asmel beizutreten und ein Konsortium im Sinne von Art. 33 Abs. 3a CCP zu bilden;

andererseits die Asmel s.c.a.r.l. beauftragten, die öffentlichen Ausschreibungsverfahren über eine informatische Plattform durchzuführen ( 10 ).

17.

Infolge mehrerer Beschwerden führte die Autorità Nazionale Anticorruzione (nationale Antikorruptionsbehörde, im Folgenden: ANAC) Ermittlungen durch, bei denen sie feststellte, dass sich weder die Asmel s.c.a.r.l. noch das Konsortium Asmez an die im CCP vorgesehenen Organisationsmodelle für zentrale Beschaffungsstellen hielten.

18.

Nach den Feststellungen der ANAC war die Asmel s.c.a.r.l. ein privates Rechtssubjekt, genauer gesagt, eine privatrechtliche Gesellschaft, die wiederum aus anderen Vereinigungen bestand. Damit könne es sich nicht um eine zentrale Beschaffungsstelle handeln, da die italienische Rechtsordnung als solche nur öffentlich-rechtliche Handlungsformen in Form öffentlich-rechtlicher Einrichtungen oder Verbänden von Gebietskörperschaften wie Gemeindeverbänden und Gemeindekonsortien zulasse, die durch Vereinbarungen nach Art. 30 TUEL entstanden seien. Die ANAC führte weiter aus, selbst wenn die Heranziehung von privaten Rechtssubjekten zulässig wäre, sollte es sich um In-house-Einrichtungen handeln, deren Tätigkeit sich auf das Gebiet der Gründungsgemeinden beschränke, während im vorliegenden Fall weder das Erfordernis der entsprechenden Kontrolle noch die territoriale Abgrenzung der erbrachten Tätigkeit vorliege.

19.

Die ANAC kam zum Ergebnis, dass die Asmel s.c.a.r.l. zwar ihre Warenbeschaffung für die zugehörigen Gemeinden durchführe, dass diese aber nur mittelbar an der zentralen Beschaffungsstelle beteiligt seien. Die Gebietskörperschaften seien zunächst nur der Vereinigung Asmel beigetreten und hätten erst später durch eine Entscheidung der Gemeindeverwaltung die Asmel s.c.a.r.l. mit den Beschaffungsaufgaben betraut.

20.

Mit Beschluss Nr. 32 vom 30. April 2015 schloss die ANAC aus, dass die Gesellschaft Asmel s.c.a.r.l. als Einrichtung des öffentlichen Rechts eingestuft werden könne; sie verbot ihr, bei der Vergabe öffentlicher Aufträge als Vermittler tätig zu werden, und erklärte die von ihr durchgeführten Ausschreibungen für rechtswidrig.

21.

Die Asmel s.c.a.r.l. erhob gegen diesen Beschluss Klage beim Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Verwaltungsgericht für die Region Lazio, Italien). Ihrer Auffassung nach besitze sie Rechtspersönlichkeit, auch wenn es sich um eine Rechtspersönlichkeit des allgemeinen Rechts handle; sie erfülle Erfordernisse des Allgemeininteresses, sei nicht gewerblich tätig, werde von zugehörigen Gebietskörperschaften finanziert und handle unter ihrem beherrschenden Einfluss. Folglich sei sie ein öffentlicher Auftraggeber, der die Voraussetzungen erfülle, um als „zentrale Beschaffungsstelle“ eingestuft zu werden.

22.

Das Gericht des ersten Rechtszugs wies die Klage der Asmel s.c.a.r.l. mit dem Urteil Nr. 2339 vom 22. Februar 2016 ab. In Anbetracht der Finanzierungsmodalitäten und der Kontrolle über ihre Verwaltung könne sie nicht als Einrichtung des öffentlichen Rechts eingestuft werden. Sie entspreche nicht den im CCP vorgesehenen Organisationsmodellen für zentrale Beschaffungsstellen; zudem müsste sich ihr Tätigkeitsbereich auf das Gebiet der Gemeinden beschränken, von denen sie gegründet worden sei.

23.

Die Asmel s.c.a.r.l. focht das Urteil des Gerichts des ersten Rechtszugs beim Consiglio di Stato (Staatsrat) an und berief sich dabei auf verschiedene Gründe, die dieses Gericht für relevant hält. Im Hinblick auf diese Vorlage sind dies insbesondere zwei:

Es treffe nicht zu, dass das Organisationsmodell eines Konsortiums in Form einer Gesellschaft mit den Vorschriften des CCP über zentrale Beschaffungsstellen unvereinbar sei;

der CCP sehe keine geografische Beschränkung der Tätigkeiten dieser zentralen Beschaffungsstellen vor.

24.

Der Consiglio di Stato (Staatsrat) weist darauf hin, dass die Gebietskörperschaften zu den in Art. 3 Abs. 25 CCP genannten öffentlichen Auftraggebern gehörten. Jede dieser Körperschaften könne grundsätzlich die Aufgaben einer zentralen Beschaffungsstelle übernehmen (Art. 3 Abs. 34 CCP). Allerdings müssten kleine Gemeinden dies in Form eines „konkreten Organisationsmodells“ (Art. 33 Abs. 3a CCP) tun, das von den generellen Vorschriften für andere Zweige der Verwaltung abweiche.

25.

Nach diesem „konkreten Organisationsmodell“ dürften kleine Gemeinden ( 11 ) ausschließlich auf zentrale Beschaffungsstellen in einer von zwei Formen zurückgreifen: a) auf Gemeindeverbände im Sinne von Art. 32 TUEL und b) auf von Gebietskörperschaften gebildete Konsortien im Sinne von Art. 31 TUEL ( 12 ).

26.

Nach Ansicht des Consiglio di Stato (Staatsrat) wird es den kleinen Gemeinden durch diese ihnen auferlegte Pflicht anscheinend unmöglich gemacht, ohne Beschränkungen hinsichtlich der Form der Zusammenarbeit auf zentrale Beschaffungsstellen zurückzugreifen.

27.

Auch sieht er in den nationalen Vorschriften eine weitere Einschränkung in Bezug auf die Gemeindekonsortien, da private Einrichtungen an diesen nicht beteiligt werden dürften ( 13 ). Dieser Ausschluss könnte im Widerspruch zu den unionsrechtlichen Grundsätzen der Dienstleistungsfreiheit und der maximalen Öffnung gegenüber dem Wettbewerb stehen, da Dienstleistungen, die als unternehmerische Tätigkeiten einzustufen seien und unter diesem Aspekt besser im freien Wettbewerb des Binnenmarkts ausgeführt werden könnten, ausschließlich abschließend festgelegten italienischen öffentlichen Einrichtungen vorbehalten blieben.

28.

Zudem geht seine Auslegung dahin, dass, auch wenn die interne Regelung kein geografisches Gebiet für die Tätigkeit der zentralen Beschaffungsstellen definiere, diese doch ein Korrespondenzverhältnis zwischen den Gemeinden, die von den zentralen Beschaffungsstellen Gebrauch machten, und deren Tätigkeitsbereich festlege. Dieser Tätigkeitsbereich sei somit auf das Gebiet der Gemeinden, die zu dem Gemeindeverband gehörten oder das Konsortium bildeten, beschränkt. Nach Ansicht des Consiglio di Stato steht auch eine solche Beschränkung im Widerspruch zum Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs und dem Grundsatz der maximalen Öffnung des Wettbewerbs, da sie den Tätigkeiten der zentralen Beschaffungsstellen vorbehaltene Zonen einführe.

29.

Vor diesem Hintergrund hat der Consiglio di Stato (Staatsrat) dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Steht das Unionsrecht einer nationalen Vorschrift wie Art. 33 Abs. 3a des Decreto legislativo Nr. 163 vom 12. April 2006 entgegen, wonach die Autonomie von Gemeinden bei der Beauftragung einer zentralen Beschaffungsstelle auf nur zwei Organisationsmodelle, einen Gemeindeverband, soweit bereits vorhanden, oder ein zwischen Gemeinden zu gründendes Konsortium, beschränkt wird?

Stehen das Unionsrecht und insbesondere die Grundsätze der Dienstleistungsfreiheit und der maximalen Öffnung des Wettbewerbs im Bereich der öffentlichen Dienstleistungsaufträge einer nationalen Vorschrift wie Art. 33 Abs. 3a des Decreto legislativo Nr. 163 vom 12. April 2006 entgegen, wonach in Verbindung mit Art. 3 Abs. 25 des Decreto legislativo Nr. 163 vom 12. April 2006 in Bezug auf das Organisationsmodell der Gemeindekonsortien die Möglichkeit ausgeschlossen wird, privatrechtliche Konstruktionen zu errichten, z. B. ein Konsortium nach den allgemeinen Rechtsvorschriften mit der Beteiligung auch von privaten Rechtssubjekten?

Stehen das Unionsrecht und insbesondere die Grundsätze der Dienstleistungsfreiheit und der maximalen Öffnung des Wettbewerbs im Bereich der öffentlichen Dienstleistungsaufträge einer nationalen Vorschrift wie Art. 33 Abs. 3a des Decreto legislativo Nr. 163 vom 12. April 2006 entgegen, wonach der Tätigkeitsbereich dieser zentralen Beschaffungsstellen beschränkt wird, sofern diese Bestimmung dahin ausgelegt wird, dass die Gemeindekonsortien als zentrale Beschaffungsstellen in einem Gebiet tätig werden, das demjenigen der zugehörigen Gemeinden als Gesamtheit betrachtet entspricht und demnach höchstens die Provinzebene umfasst?

III. Verfahren vor dem Gerichtshof

30.

Der Vorlagebeschluss ist am 3. Januar 2019 beim Gerichtshof eingegangen.

31.

Die Asmel s.c.a.r.l., die italienische Regierung und die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht und sind zur mündlichen Verhandlung am 29. Januar 2020 erschienen.

IV. Würdigung

A.   Zulässigkeit der Vorlagefragen

32.

Sowohl die Kommission als auch die italienische Regierung erheben Einwände gegen die Zulässigkeit der Vorlagefragen.

33.

Nach Auffassung der italienischen Regierung sind sämtliche Vorlagefragen unzulässig, da es sich um hypothetische Fragen handle. Gleichgültig wie die Antwort des Gerichtshofs ausfalle, könne dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsmittel nicht stattgegeben werden, da die Asmel s.c.a.r.l. keinen Beschaffungsauftrag aufgrund eines Ausschreibungsverfahrens erhalten habe.

34.

Diesem Einwand kann nicht gefolgt werden, da die Beurteilung, ob zur Entscheidung des Rechtsstreits, mit dem es befasst ist, eine Vorlage zur Vorabentscheidung erforderlich ist, dem vorlegenden Gericht obliegt; nur dann, wenn sich offenkundig das Gegenteil erwiese (was hier nicht der Fall ist), dürfte der Gerichtshof die Beantwortung der Vorlagefragen verweigern.

35.

Der Einwand der italienischen Regierung betrifft eher die materiell-rechtliche Auseinandersetzung als die Zulässigkeit der Vorlage selbst. Welche Art von zentralen Beschaffungsstellen – rein öffentlich-rechtliche oder auch solche mit privater Beteiligung – die kleinen Gemeinden beauftragen können, ist keine hypothetische, sondern eine reale Frage, deren Beantwortung erfordert, die durch die italienische Vorschrift auferlegten Beschränkungen am Unionsrecht zu messen.

36.

Die Kommission trägt in erster Linie vor, dass die von der ANAC angewandte Vorschrift, an deren Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht der Consiglio di Stato (Staatsrat) Zweifel hegt, anscheinend aufgehoben worden sei, so dass die möglichen Nachteile für die Asmel s.c.a.r.l., um die es bei der Vorlage gehe, nicht mehr vorhanden wären. Dieser Umstand könnte das nachträgliche Entfallen des Streitgegenstands zur Folge haben.

37.

Die von der Kommission angesprochene Aufhebung betraf 2016 den Wortlaut von Art. 33 Abs. 3a des CCP nach dessen Änderung im Jahr 2014. Es ist Sache des nationalen Gerichts, die Auswirkung dieser Aufhebung auf das Ausgangsverfahren zu prüfen. Unter dem hier maßgeblichen Blickwinkel kann man jedoch nicht von einem Wegfall des Gegenstands der Vorlage sprechen, insbesondere, wenn in dem Rechtsstreit nach dem zum Zeitpunkt des Sachverhalts geltenden Wortlaut der Vorschrift zu entscheiden ist ( 14 ).

38.

Was die von der Kommission vorgebrachte Einwendung der Unzulässigkeit im Hinblick auf die dritte Vorlagefrage betrifft, werde ich diese bei der dortigen Prüfung behandeln.

B.   Einleitende Klarstellungen

39.

Zusammenfassend möchte der Consiglio di Stato (Staatsrat) wissen, ob ein Organisationsmodell, das für die kleinen Gebietskörperschaften die Beauftragung zentraler Beschaffungsstellen unter lediglich zwei Formen zulässt ( 15 ) (Gemeindeverbände und Gemeindekonsortien), mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

40.

Der Vorlagebeschluss erwähnt die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) als Grundsatz, der durch die italienische Regelung beeinträchtigt sein könnte; daneben werden ausdrücklich die Vorschriften der Richtlinie 2004/18 über zentrale Beschaffungsstellen angeführt.

41.

Im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe greift der Gerichtshof auf die Grundfreiheiten des AEUV zurück, wenn die für den jeweiligen Bereich geltende Richtlinie nicht anwendbar ist. In der vorliegenden Rechtssache war die zeitlich auf das öffentliche Beschaffungswesen anwendbare Richtlinie (und damit die unionsrechtliche Regelung der zentralen Beschaffungsstellen) die Richtlinie 2004/18.

42.

Außerdem wiederholt der CCP selbst in Art. 3 Nr. 34 die Definition der zentralen Beschaffungsstelle in Art. 1 Abs. 10 der Richtlinie 2004/18, was darauf hindeutet, dass mit dieser nationalen Bestimmung diese Richtlinie in nationales Recht umgesetzt wurde.

43.

Ich teile daher die Auffassung der Kommission, dass die Beantwortung der zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen nach der Richtlinie 2004/18 zu erfolgen hat.

44.

Schließlich ist unerheblich, dass im Vorlagebeschluss nicht der Wert eines im Ausgangsverfahren angefochtenen öffentlichen Auftrags angegeben ist, um die Prüfung zu ermöglichen, ob er den Schwellenwert für die Anwendung der Richtlinie 2004/18 erreicht. Die Beschreibung des Umfangs der Tätigkeit der Asmel s.c.a.r.l. bietet Grund zur Vermutung, dass er über dem in Art. 7 der Richtlinie 2004/18 vorgesehenen Schwellenwert ( 16 ) liegt, und es ist diese Tätigkeit im Allgemeinen, auf die sich die Vorlage bezieht.

45.

Obwohl ich die drei zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen letztlich gemeinsam beantworten werde, erscheint es mir angemessener, sie getrennt voneinander zu prüfen, und zwar in der vom Consiglio di Stato (Staatsrat) vorgeschlagenen Reihenfolge.

C.   Erste Vorlagefrage

46.

Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts wird durch Art. 33 Abs. 3a des CCP „die Autonomie von Gemeinden bei der Beauftragung einer zentralen Beschaffungsstelle auf nur zwei Organisationsmodelle, einen Gemeindeverband, soweit bereits vorhanden, oder ein zwischen Gemeinden zu gründendes Konsortium beschränkt“. Seine Frage geht dahin, ob diese Vorschrift dem Unionsrecht (ohne nähere Angaben) widerspricht ( 17 ).

47.

Der weitere oder geringere Umfang der Autonomie der Gebietskörperschaften im jeweiligen Mitgliedstaat, von dem das vorlegende Gericht spricht, ist vom Verfassungsgesetzgeber bzw. vom einfachen Gesetzgeber dieser Staaten zu definieren, ohne dass das Unionsrecht hierzu genaue Vorschriften enthielte.

48.

Ich werde mich daher auf die Richtlinie 2004/18 konzentrieren, mit der die „zentralen Beschaffungsstellen“ in das Unionsrecht eingeführt wurden, und zwar als Folge einer in einigen Mitgliedstaaten gängigen Praxis, nach der die öffentliche Verwaltung sich Waren oder Dienstleistungen über dieses zentralisierte System beschaffen sollte ( 18 ).

49.

Auch wenn sie von ihrem zeitlichen Anwendungsbereich her nicht anwendbar ist, wurde diese Technik der Zentralisierung von Beschaffungsaufträgen auch von der Richtlinie 2014/24/EU ( 19 ) aufrechterhalten, sogar noch umfassender, als dies bei der vorhergehenden Richtlinie der Fall war ( 20 ).

50.

Nach Art. 1 Abs. 10 der Richtlinie 2004/18 ist eine „‚zentrale Beschaffungsstelle‘ … ein öffentlicher Auftraggeber, der für öffentliche Auftraggeber bestimmte Waren und/oder Dienstleistungen erwirbt oder öffentliche Aufträge vergibt oder Rahmenvereinbarungen über Bauleistungen, Waren oder Dienstleistungen für öffentliche Auftraggeber schließt“.

51.

Nach Art. 11 der Richtlinie 2004/18 können die Mitgliedstaaten festlegen, dass die öffentlichen Auftraggeber „Bauleistungen, Waren und/oder Dienstleistungen durch zentrale Beschaffungsstellen erwerben“ dürfen ( 21 ).

52.

In Art. 1 Abs. 9 der Richtlinie 2004/18 wird definiert, welche Rechtssubjekte öffentliche Auftraggeber sind, nämlich „der Staat, die Gebietskörperschaften, die Einrichtungen des öffentlichen Rechts und die Verbände, die aus einer oder mehreren dieser Körperschaften oder Einrichtungen des öffentlichen Rechts bestehen“.

53.

Die Logik der Richtlinie 2004/18 allein lässt nicht den Schluss zu, dass an einer Einrichtung des öffentlichen Rechts unter den dortigen strengen Voraussetzungen nicht auch private Rechtssubjekte beteiligt sein könnten. Nach Art. 1 Abs. 9 Unterabs. 2 der Richtlinie 2004/18 hängt die Eigenschaft der Einrichtung des öffentlichen Rechts von bestimmten Faktoren ab, die einerseits an ihren Ursprung und ihre Rechtspersönlichkeit anknüpfen ( 22 ), andererseits an ihre Abhängigkeit und die Beaufsichtigung durch den Staat, die Gebietskörperschaften oder durch andere Einrichtungen des öffentlichen Rechts ( 23 ).

54.

Ein privates Rechtssubjekt könnte somit grundsätzlich an einer als öffentlicher Auftraggeber eingestuften öffentlichen Einrichtung beteiligt sein, sofern diese die erwähnten Voraussetzungen erfüllt ( 24 ).

55.

Nach den Angaben im Vorlagebeschluss dürfen zentrale Beschaffungsstellen bei kleinen Gebietskörperschaften ausschließlich als öffentlich-rechtliche Rechtssubjekte wie Gemeindeverbände und Gemeindekonsortien gegründet werden. Bei zentralen Beschaffungsstellen, die von kleinen Gebietskörperschaften mit der Beschaffung von Bauleistungen, Waren und/oder Dienstleistungen betraut werden könnten, sei deshalb keine Beteiligung von privaten Rechtssubjekten zulässig.

56.

Auch wenn die Richtlinie 2004/18 verlangt, dass die zentralen Beschaffungsstellen öffentliche Auftraggeber sein müssen, so zwingt dies die Mitgliedstaaten noch nicht dazu, jeder Einrichtung des öffentlichen Rechts (mit oder ohne private Beteiligung), die selbst öffentlicher Auftraggeber ist, deren Nutzung vorzuschreiben.

57.

Die Richtlinie 2004/18 räumt den Mitgliedstaaten in diesem Bereich einen weiten Gestaltungsspielraum ein. Ihr 16. Erwägungsgrund hebt „[z]ur Berücksichtigung der unterschiedlichen Gegebenheiten in den Mitgliedstaaten“ hervor, dass „es in das Ermessen derselben gestellt werden [sollte], zu entscheiden, ob für die öffentlichen Auftraggeber die Möglichkeit vorgesehen werden soll, auf … zentrale Beschaffungsstellen …, wie sie in dieser Richtlinie vorgesehen und geregelt sind, zurückzugreifen“.

58.

Die normative Entsprechung dieses Erwägungsgrundes ist Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2004/18, auf den ich bereits hingewiesen habe. Danach können die Mitgliedstaaten festlegen, dass die öffentlichen Auftraggeber (hier die Gebietskörperschaften) Bauleistungen, Waren und/oder Dienstleistungen durch zentrale Beschaffungsstellen erwerben dürfen.

59.

Meiner Auffassung nach umfasst diese Option auch die Möglichkeit, die Regelung auszuwählen, die den öffentlichen Interessen am besten gerecht wird, da die Richtlinie 2004/18 keine spezifischen Regeln über die Beteiligung privater Rechtssubjekte an den zentralen Beschaffungsstellen enthält. Damit ist ausreichend, dass die nationale Vorschrift die wesentlichen Merkmale dieser Einrichtung nicht verfälscht und dass sie von den zentralen Beschaffungsstellen verlangt, dass sie sich in ihrer Funktionsweise an die Vorschriften der Richtlinie 2004/18 halten (Art. 11 Abs. 2 a. E.).

60.

Das kürzlich ergangene Urteil Irgita ( 25 ) bietet einige grundlegende Anhaltspunkte für die Auslegung, die auch bei dieser Vorlage gültig sind. Selbst wenn es in einem anderen Kontext ( 26 ) (aber immerhin im öffentlichen Beschaffungswesen) und im Hinblick auf eine Vorschrift (Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24) ergangen ist, die sich nicht auf die zentralen Beschaffungsstellen bezieht, wird dort hervorgehoben, dass diese Vorschrift den Mitgliedstaaten „nicht die Freiheit nehmen [kann], eine Form der Erbringung von Dienstleistungen, der Ausführung von Arbeiten oder der Beschaffung von Lieferungen zum Nachteil der anderen zu bevorzugen“ ( 27 ).

61.

Im Urteil Irgita des Gerichtshofs

wird festgestellt, dass „[d]ie Freiheit der Mitgliedstaaten, die Art der Erbringung von Dienstleistungen, durch die die öffentlichen Auftraggeber für ihren eigenen Bedarf sorgen, zu wählen, … sich auch aus dem fünften Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/24 [ergibt]“ ( 28 ),

wird als weiteres Argument die Richtlinie 2014/23/EU ( 29 ) angeführt, die die Freiheit der Mitgliedstaaten, die beste Organisationsform für Bau- oder Dienstleistungen auszuwählen, hervorhebt ( 30 ). Zur Begründung dieses Standpunkts wird Art. 2 Abs. 1 dieser Richtlinie erwähnt ( 31 ).

62.

Aufgrund dieser Gestaltungsfreiheit der Mitgliedstaaten gehe ich davon aus, dass die Richtlinie 2004/18 nicht dagegen spricht, dass einer von ihnen sich dafür entscheidet, dass seine kleinen Gebietskörperschaften, wenn sie eine eigene zentrale Beschaffungsstelle nutzen möchten, sich gemeinschaftlicher Strukturen, die ausschließlich öffentlich-rechtlich sind, wie Gemeindeverbänden oder Gemeindekonsortien, bedienen müssen.

63.

Die Mitgliedstaaten können je nach ihren eigenen Interessen und nach den zum jeweiligen Zeitpunkt gegebenen besonderen Umständen Zentralisierungsformen oder ‑techniken für das öffentliche Beschaffungswesen einführen (die auf nationaler, regionaler, provinzialer oder lokaler Ebene gebildet werden können) ( 32 ). Auch können sie, wie auch Art. 37 Abs. 1 a. E. der Richtlinie 2014/24 bestätigt, „festlegen, dass bestimmte Beschaffungen durch Rückgriff auf zentrale Beschaffungsstellen oder eine oder mehrere bestimmte zentrale Beschaffungsstellen durchzuführen sind“.

64.

Die Gemeindeverbände und Gemeindekonsortien sind Organisationsmodelle der Gebietskörperschaften und nehmen an deren öffentlich-rechtlicher Natur teil. Damit ist in keiner Weise überraschend, dass das nationale Recht, das diese für die gemeinschaftliche Organisation von Dienstleistungen oder zur gemeinschaftlichen Ausübung öffentlicher Aufgaben gedachten Modelle regelt, keine Beteiligung von Privatpersonen oder privaten Unternehmen an diesen vorsieht.

65.

Der nationale Gesetzgeber kann entweder ein dezentralisiertes gemeindliches Beschaffungssystem (in dem sich jede Gemeinde für sich die von ihr zu beschaffenden Waren, Bau- oder Dienstleistungen beschafft) oder ein zentralisiertes bzw. aggregiertes System wählen (d. h. eine gemeinschaftliche Beschaffungsform, die von mehreren Gemeinden oder zentralen Beschaffungsstellen getragen wird, deren sie sich bedienen) ( 33 ).

66.

Hinsichtlich dieses zweiten Systems räumt die Richtlinie 2004/18, wie bereits dargestellt, dem nationalen Gesetzgeber die Freiheit ein, es auszugestalten. Diese Gestaltungsfreiheit umfasst, auch wenn die Richtlinie 2004/18 dies nicht ausdrücklich erwähnt (dafür aber die Richtlinie 2014/24), auch die Befugnis, es für einige öffentliche Auftraggeber verpflichtend einzuführen.

67.

Nichts würde dagegensprechen, die Möglichkeit der Beteiligung privater Rechtssubjekte an zentralen Beschaffungsstellen vorzusehen. Allerdings ist mir auch nicht klar, warum es gegen die Richtlinie 2004/18 oder eine andere Vorschrift des Unionsrechts verstoßen sollte, wenn das öffentlich-rechtliche Organisationsmodell in Form von Gemeindeverbänden und Gemeindekonsortien auf zentrale Beschaffungsstellen übertragen wird, die in diesen Gemeindeverbänden oder Gemeindekonsortien als Mittel zur Beschaffung von Bauleistungen, Dienstleistungen und Lieferungen für die jeweiligen Gemeinden genutzt werden.

68.

Es ist richtig, dass die Freiheit des nationalen Gesetzgebers auch nicht unbegrenzt ist, wie das Urteil Irgita in einem ähnlichen Zusammenhang deutlich gemacht hat, und dass die gewählte Option weder gegen die Vorschriften und Grundsätze des AEUV noch gegen die dort verankerten Freiheiten verstoßen darf ( 34 ).

69.

In diesem Punkt beschränkt sich der Consiglio di Stato (Staatsrat) auf die Erklärung, dass die vom italienischen Gesetzgeber auferlegte Beschränkung, da „die zentralen Beschaffungsstellen Unternehmen [sind, die] die Dienstleistung der Beschaffung von Waren und Dienstleistungen zu Gunsten öffentlicher Auftraggeber anbiete[n] ( 35 )“, die in Art. 57 AEUV anerkannte Dienstleistungsfreiheit verletzen könnte.

70.

Dass eine zentrale Beschaffungsstelle in ihren Beziehungen zu Dritten als Wirtschaftsteilnehmer eingeordnet werde kann ( 36 ), genügt allerdings nicht, um ohne Weiteres zur Anwendung der Art. 56 und 57 AEUV zu kommen, wenn dieser Begriff nicht von dem des öffentlichen Auftraggebers losgelöst werden kann und als solcher nach der Richtlinie 2004/18 nur „der Staat, die Gebietskörperschaften, die Einrichtungen des öffentlichen Rechts und die Verbände, die aus einer oder mehreren dieser Körperschaften oder Einrichtungen des öffentlichen Rechts bestehen“, in Frage kommen.

71.

Ich bin deshalb mit der italienischen Regierung einer Meinung, dass der nationale Gesetzgeber den Status der zentralen Beschaffungsstellen, die dauerhaft für die öffentliche Verwaltung die Aufgaben des öffentlichen Auftraggebers übernehmen, Rechtssubjekten des öffentlichen Rechts vorbehalten darf ( 37 ).

72.

Diese zentralen Beschaffungsstellen standen unter der Richtlinie 2004/18 nicht etwa in einem Markt für die Dienstleistungen einer zentralen Beschaffungsstelle (der nicht existierte) im Wettbewerb mit privatrechtlichen Rechtssubjekten, die dieselben Dienstleistungen an die öffentlich-rechtlichen Körperschaften erbracht hätten. Davon zu unterscheiden ist, dass private Unternehmen oder Einrichtungen, was reine Hilfstätigkeiten im Sinne einer Unterstützung der Beschaffungstätigkeit der öffentlichen Auftraggeber anbelangt, diesen gegen Bezahlung ihre Mitwirkung (beispielsweise in Form einer Beratung) anbieten können.

73.

Die Rechtslage kann sich mit der Richtlinie 2014/24 geändert haben, deren Art. 37 Abs. 4 die Vergabe eines „öffentlichen Dienstleistungsauftrag[s] zur Ausübung zentraler Beschaffungstätigkeiten an eine zentrale Beschaffungsstelle“ gestattet.

74.

Dass diese Vergabe erfolgen kann, „ohne die in dieser Richtlinie vorgesehenen Verfahren anzuwenden“, wie dieselbe Vorschrift ausdrücklich klarstellt, ließe sich damit erklären, dass sie zugunsten von öffentlich-rechtlichen zentralen Beschaffungsstellen erfolgen muss (gegebenenfalls mit beschränkter privater Beteiligung und unter Aufsicht der öffentlichen Hand). Andernfalls – wenn die Beauftragung zugunsten eines privaten Rechtssubjekts erfolgen könnte – wäre kaum verständlich, dass dieses beauftragt würde, ohne dass der Auftrag zuvor nach den Verfahren der Richtlinie 2014/24 ausgeschrieben worden wäre.

75.

Ausgehend von diesen Prämissen sind die Art. 56 und 57 AEUV in der vorliegenden Rechtssache meines Erachtens nicht unmittelbar anwendbar. Unabhängig davon, dass alle Elemente des Rechtsstreits sich allein auf Italien beschränken, ohne dass sich grenzüberschreitende Bezüge ergäben ( 38 ), ist entscheidend, dass die Auslegung des als vorrangig anzusehenden Unionsrechts (die Richtlinie 2004/18) nicht verlangt, dass die von den kleinen Gebietskörperschaften gegründeten zentralen Beschaffungsstellen zwingend privaten Rechtssubjekten offenstehen müssen.

76.

Was das Wettbewerbsrecht ( 39 ) im Bereich öffentlicher Aufträge betrifft, bin ich nicht der Auffassung, dass die italienische Vorschrift gegen dieses als solches verstößt. Der Wettbewerb, den das Unionsrecht in diesem Bereich schützen will, ist in erster Linie der Wettbewerb zwischen den Wirtschaftsteilnehmern, die den öffentlichen Auftraggebern Bauleistungen, Waren oder Dienstleistungen anbieten. Wenn Letztere (hier die von Gemeindeverbänden und Gemeindekonsortien gebildeten zentralen Beschaffungsstellen) bei der Beschaffung dieser Leistungen die Verfahren der Richtlinie 2004/18 einhalten, bleibt der Wettbewerb zwischen diesen Wirtschaftsteilnehmern erhalten.

77.

Anders ausgedrückt, hat die verpflichtende Nutzung der eigenen zentralen Beschaffungsstellen (in Form von Gemeindeverbänden und Gemeindekonsortien) durch die kleinen Gebietskörperschaften nicht zur Folge, dass der wettbewerblich organisierte Markt zwischen den an der Versorgung der öffentlichen Verwaltung mit von ihr benötigten Waren, Bau- und Dienstleistungen interessierten Wirtschaftsteilnehmern verschwindet.

D.   Zweite Vorlagefrage

78.

Der Consiglio di Stato (Staatsrat) möchte weiter wissen, ob eine nationale Norm, durch die „die Möglichkeit ausgeschlossen wird, privatrechtliche Konstruktionen zu errichten, z. B. ein Konsortium nach den allgemeinen Rechtsvorschriften mit der Beteiligung auch von privaten Rechtssubjekten“, gegen das Unionsrecht („insbesondere die Grundsätze der Dienstleistungsfreiheit und der maximalen Öffnung des Wettbewerbs im Bereich der öffentlichen Dienstleistungsaufträge“) verstößt.

79.

Ich muss zunächst vorausschicken, dass mit der zweiten Vorlagefrage entgegen ihrer Formulierung nicht geklärt werden soll, ob Gemeindekonsortien im Allgemeinen die Beteiligung privater Rechtssubjekte zulassen müssen. Der Zweifel des vorlegenden Gerichts bezieht sich, in seinem Kontext verstanden, vielmehr darauf, ob es mit dem Unionsrecht vereinbar ist, dass Beteiligungen des privaten Sektors an den aus diesen Konsortien hervorgegangenen zentralen Beschaffungsstellen verboten sind.

80.

So ausgelegt, ergibt sich die Antwort meiner Ansicht nach aus der Beantwortung der ersten Vorlagefrage, so dass hier nichts weiter zu ergänzen wäre.

81.

Allerdings behauptet die Kommission ( 40 ), dass der Beschluss der ANAC, der den Rechtsstreit ausgelöst hat, über das, was angemessen sei, hinausgehe, da er die Asmel s.c.a.r.l. unter jedweden Umständen ausnahmslos daran hindere, die Tätigkeit eines „Aggregators“ auszuüben, und ihr die Eigenschaft eines öffentlichen Auftraggebers abspreche ( 41 ).

82.

Nach dem Dafürhalten der Kommission ist eine nationale Norm, die wie die hier in Rede stehende unter einer bestimmten Rechtsform und unter Beteiligung privater Rechtssubjekte gegründete Einrichtungen ausschließt, nur mit dem Unionsrecht vereinbar, wenn diese Einrichtungen für andere Zwecke ( 42 ) als diejenigen, um die es in der Vorschrift geht, als Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Sinne von Art. 1 Abs. 9 der Richtlinie 2004/18 angesehen werden können.

83.

In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission ihren Standpunkt nuanciert: Im Anschluss an die Bestätigung, dass Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2004/18 mit einer nationalen Norm wie der hier in Rede stehenden, die die Organisationsmodelle der zentralen Beschaffungsstellen, die von kleineren Gebietskörperschaften genutzt werden könnten, auf zwei begrenze, vereinbar sei, stellte sie klar, dass ihr Einwand sich ausschließlich auf andere Methoden zur Vergabe öffentlicher Aufträge als diejenigen beziehe, die die Nutzung dieser zentralen Beschaffungsstellen implizierten.

84.

Ich glaube nicht, dass der Gerichtshof sich zu dieser Erklärung der Kommission äußern muss, da sich die Frage des vorlegenden Gerichts auf die spezifischen Eigenschaften von Gemeindeverbänden und Gemeindekonsortien zur Errichtung dauerhafter zentraler Beschaffungsstellen beschränkt und sich nicht auf andere Eigenschaften bezieht. Ob die Gebietskörperschaften befugt sind, selbständig Aufträge im Rahmen eines nicht zentralisierten Beschaffungssystems zu vergeben, ist eine Frage, die über die gestellten Vorlagefragen hinausgeht.

E.   Dritte Vorlagefrage

85.

Der Consiglio di Stato (Staatsrat) geht als Prämisse von der Auslegung der in Rede stehenden nationalen Vorschrift dahin aus, dass „die Gemeindekonsortien als zentrale Beschaffungsstellen [nur] in einem Gebiet tätig werden [dürfen], das demjenigen der zugehörigen Gemeinden, als Gesamtheit betrachtet, entspricht, und demnach höchstens die Provinzebene umfasst“.

86.

Von dieser Auslegung ausgehend, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob diese nationale Vorschrift den Grundsätzen der Dienstleistungsfreiheit und der maximalen Öffnung des Wettbewerbs im Bereich der öffentlichen Dienstleistungsaufträge widerspricht.

87.

Sowohl die italienische Regierung als auch die Kommission sind mit der Frage, so wie sie gestellt wird, nicht ganz einverstanden:

Der italienischen Regierung zufolge ist die Begründung des vorlegenden Gerichts hierfür unklar, was sie daran hindere, insoweit Stellung zu beziehen. Nach ihrem Verständnis vertritt das vorlegende Gericht einander widersprechende Thesen, wenn es einerseits ( 43 ) feststelle, die Vorschrift führe „den Tätigkeiten der [von kleinen Gemeinden beauftragten] zentralen Beschaffungsstellen vorbehaltene Zonen“ ein (was nach Auffassung der italienischen Regierung einen Vorteil für die Gemeindekonsortien mit sich bringen soll), und andererseits versichere, die geografische Beschränkung stelle einen Nachteil für die zentralen Beschaffungsstellen dar.

Die Kommission hält die Frage für hypothetisch, da die geografische Beschränkung eine zentrale Beschaffungsstelle wie die Asmel s.c.a.r.l. nicht benachteilige, sondern vielmehr begünstige, da sie ihr Tätigkeitsgebiet, das von dem der Gemeindeverbände und Gemeindekonsortien abweiche, ausdehne (und nicht verringere).

88.

Meines Erachtens ist diese Frage nicht hypothetisch. Das Problem, das sie aufwirft, ist – über den Wortlaut des Vorlagebeschlusses hinaus –, ob die geografische Beschränkung des Tätigkeitsgebiets bestimmter zentraler Beschaffungsstellen, nämlich derjenigen, die von Gemeindeverbänden und Gemeindekonsortien gegründet worden sind, gegen das Unionsrecht (konkret gegen die bereits genannten Grundsätze) verstößt.

89.

Zwar ist richtig, dass diese Frage außerordentlich sinnvoll für die Entscheidung eines zukünftigen Verfahrens über die Gründung eines (öffentlich-rechtlichen) Gemeindekonsortiums als zentrale Beschaffungsstelle wäre, was nicht unmittelbar Gegenstand des Ausgangsverfahrens ist. Da dieses Verfahren sich ausschließlich auf den Beschluss der ANAC über die Tätigkeit der Asmel s.c.a.r.l. als zentrale Beschaffungsstelle für alle Gemeinden und ohne geografische Beschränkungen bezieht, kommt den von der Kommission erhobenen Einwänden auch ein gewisses Gewicht zu.

90.

Gleichwohl muss hier die Vermutung für die Sachdienlichkeit auch dieser Vorlagefrage gelten, so wie sie vom vorlegenden Gericht gestellt wird. Wenn dieses eine Antwort des Gerichtshofs zu einer Rechtsfrage für unerlässlich hält, die nach seinem Verständnis die Auslegung des Unionsrechts erfordert, muss der Gerichtshof sie ihm geben, es sei denn, sie wäre offenkundig für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens nicht erforderlich, was hier nicht der Fall ist.

91.

Im Hinblick auf die Beantwortung der Frage finde ich in der Richtlinie 2004/18 keine Vorschrift, die den Mitgliedstaaten verpflichtende Regeln für die Regelung der geografischen Einflussbereiche der von Gemeindeverbänden oder Gemeindekonsortien gegründeten zentralen Beschaffungsstellen auferlegen würde.

92.

Vielmehr erscheint es mir kohärent mit der Gestaltung dieser Kooperationsformen zwischen Gebietskörperschaften, dass die von ihnen gegründeten zentralen Beschaffungsstellen sich auf die Gesamtheit ihrer jeweiligen Gebiete beschränken. Aus Sicht der Gemeinden, die die Dienste der zentralen Beschaffungsstelle in Anspruch nehmen, können sich die Wirkungen der zwischen ihnen und der Beschaffungsstelle bestehenden Verbindung ohnehin nur in ihrem eigenen Gebiet zeigen.

93.

Auch hier könnten sich die Schwierigkeiten, diese Formen für gültig zu erklären, daraus ergeben, dass die Grundfreiheiten der Verträge zu beachten sind. Allerdings bin ich der Meinung, dass aus den bereits im Zusammenhang mit der ersten Frage dargestellten Gründen weder Art. 56 AEUV noch die Vorschriften des Wettbewerbsrechts verletzt sind. Auf jeden Fall ist dem Wortlaut des Vorlagebeschlusses nicht eindeutig zu entnehmen, weshalb eine dieser Freiheiten beeinträchtigt sein könnte.

94.

Im Hinblick auf die Unternehmen, die den Gemeinden Bauleistungen, Waren oder Dienstleistungen über deren zentrale Beschaffungsstellen anbieten, möchte ich hinzufügen, dass nichts darauf hindeutet, dass diese Lieferungen, Bau- oder Dienstleistungen von Unternehmen stammen müssen, die im Gebiet der zugehörigen Gemeinden ansässig sind. Mit anderen Worten, es gibt keinen Grund für die Annahme, dass der Markt den außerhalb dieses Gebiets ansässigen Unternehmen verschlossen bliebe, gleichgültig, ob es sich um italienische Wirtschaftsteilnehmer oder um solche aus irgendeinem anderen Mitgliedstaat handelt.

V. Ergebnis

95.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, dem Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) wie folgt zu antworten:

Das Unionsrecht und insbesondere Art. 11 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge stehen einer nationalen Vorschrift, wonach – nach der Auslegung durch das vorlegende Gericht – kleine Gebietskörperschaften Bauleistungen, Waren und Dienstleistungen über zentrale Beschaffungsstellen erwerben müssen, die nach zwei konkreten Organisationsmodellen gegründet sein müssen, nämlich in der Form eines Gemeindeverbands oder eines Gemeindekonsortiums, deren Tätigkeitsbereich auf das Gebiet dieser Gemeinden in seiner Gesamtheit betrachtet beschränkt ist, nicht entgegen.


( 1 ) Originalsprache: Spanisch.

( 2 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. 2004, L 134, S. 114).

( 3 ) Decreto legislativo (Gesetzesvertretendes Dekret) Nr. 267 vom 18. August 2000 (im Folgenden: TUEL).

( 4 ) Decreto legislativo Nr. 163 vom 12. April 2006 (im Folgenden: CCP).

( 5 ) Eingeführt durch Art. 23 Abs. 4 des Decreto-legge (Gesetzesdekret) Nr. 201 vom 6. Dezember 2011, umgewandelt durch das Gesetz Nr. 214 vom 22. Dezember 2011.

( 6 ) Art. 9 Abs. 4 des Decreto-legge Nr. 66 vom 24. April 2014, umgewandelt durch das Gesetz Nr. 89 vom 23. Juni 2014. Art. 33 Abs. 3a des CCP wurde später durch Art. 217 des Decreto legislativo Nr. 50 vom 18. April 2016 aufgehoben.

( 7 ) Das Konsortium Asmez wurde am 25. März 1994 in Neapel von privaten Unternehmen gegründet. Es nahm die Arbeit mit der Aufnahme der Selene service s.r.l., einer der Associazione Nazionale Comuni Italiani (Nationale Vereinigung italienischer Gemeinden) nahestehenden Gesellschaft, unter ihre Mitglieder auf. Später haben sich auch Gemeinden der Regionen Basilicata und Calabria dem Konsortium angeschlossen.

( 8 ) Die Vereinigung Asmel wurde am 26. Mai 2010 durch Asmenet Campania und Asmenet Calabria, beide Konsortialgesellschaften mit beschränkter Haftung, sowie das Consorzio Asmez und die Associazione Nazionale Piccoli Comuni Italiani (Nationale Vereinigung kleiner italienischer Gemeinden) gegründet.

( 9 ) Nach den Ausführungen im Vorlagebeschluss organisierte sie konkret eine Ausschreibung zum Abschluss von Rahmenabkommen zur Vergabe der Dienste der Erhebung und Kontrolle der gemeindlichen Grundsteuer sowie der Vollstreckung von Steuerschulden sowie 152 verschiedene Online-Vergabeverfahren für mit der Asmel s.c.a.r.l verbundene Gemeinden.

( 10 ) Die Vergütung für diese Dienstleistungen betrug 1,5 % des Auftragswerts; sie war vom jeweiligen Zuschlagsempfänger der über diese Plattform vergebenen Aufträge zu zahlen.

( 11 ) Ursprünglich – nach der ersten Fassung der Vorschrift – handelte es sich um Gemeinden mit einer Bevölkerung von unter 5000 Einwohnern, danach umfasste der Begriff nach der Formulierung aus dem Jahr 2014 alle Gemeinden, die nicht Provinzhauptstadt waren.

( 12 ) Allerdings ist dem, wie die italienische Regierung anmerkt, hinzuzufügen, dass es die in Rede stehende Vorschrift seit ihrer Änderung im Jahr 2014 zulässt, dass diese Gemeinden „[a]lternativ … ihre Beschaffungen über die von der Consip SpA oder einem anderen Referenzaggregator betriebenen elektronischen Beschaffungsinstrumente tätigen [können]“. Auf diese beiden Möglichkeiten wurde im Beschluss der ANAC vom 30. April 2015 hingewiesen, indem hervorgehoben wurde, dass die kleinen Gemeinden auch die auf nationaler Ebene tätige zentrale Beschaffungsstelle für Beschaffungsaufgaben der öffentlichen Verwaltung (Consip) oder „andere Referenzaggregatoren“ nutzen könnten, darunter die auf regionaler Ebene tätigen zentralen Beschaffungsstellen.

( 13 ) Nach der Definition des „öffentlichen Auftraggebers“ in Art. 3 Abs. 25 CCP sind Konsortien mit dieser Eigenschaft ausschließlich solche, die zwischen öffentlich-rechtlichen Rechtssubjekten geschlossen werden.

( 14 ) In der mündlichen Verhandlung hat die Regierung versichert, dass die neue Regelung über die zentralen Beschaffungsstellen (Art. 37 Abs. 4 des Decreto legislativo Nr. 50 vom 18. April 2016), die die des aufgehobenen Art. 33 Abs. 3 CCP habe ersetzen sollen, aufgrund von Art. 1 des Gesetzes Nr. 55 von 2019 nicht vor dem 31. Dezember 2020 in Kraft treten werde. Aufgrund dieser Angabe hat die Kommission die Sachdienlichkeit der Vorabentscheidung für die Entscheidung des Rechtsstreits trotz der Gesetzesänderung aus dem Jahr 2016 schließlich bejaht.

( 15 ) Der Vorlagebeschluss geht hiervon aus. Vgl. jedoch die Nuancierung durch die italienische Regierung im Hinblick auf die Möglichkeit, dass kleine Gemeinden auch zentrale Beschaffungsstellen auf nationaler oder regionaler Ebene beauftragen können (vgl. Fn. 12).

( 16 ) In Abschnitt 1.4 des Vorlagebeschlusses, auf den die Kommission in Nr. 34 ihrer schriftlichen Erklärungen Bezug nimmt, wird darauf hingewiesen, dass die Zahl der Ausschreibungsverfahren, mit denen die Asmel s.c.a.r.l. im Auftrag verschiedener Gebietskörperschaften befasst war, mindestens 152 betrug (vgl. Fn. 9 dieser Schlussanträge).

( 17 ) Siehe Fn. 12 über weitere Möglichkeiten, die den Gemeinden zur Verfügung stehen.

( 18 ) 15. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/18.

( 19 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. 2014, L 94, S. 65).

( 20 ) Im 59. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/24 heißt es: „Unionsweit zeichnet sich auf den öffentlichen Beschaffungsmärkten ein starker Trend zur Zusammenführung der Nachfrage der öffentlichen Beschaffer ab, wobei das Ziel darin besteht, Größenvorteile, unter anderem eine Senkung der Preise und der Transaktionskosten, zu erzielen und das Beschaffungsmanagement zu verbessern und zu professionalisieren.“

( 21 ) In der englischen Fassung der Vorschrift heißt es: „contracting authorities may purchase works, suplies and/or services from or through a central purchasing body“ (im Original ohne Kursivsetzung). Die Verwendung dieser Doppelung (from or through) scheint die Zweiteilung von Kategorien und Aufgaben der zentralen Beschaffungsstellen vorwegzunehmen, die in der späteren Richtlinie 2014/24 noch deutlicher ausgedrückt wird: Die Beschaffungsstellen können entweder – durch Ankauf, Lagerung und Weiterverkauf – als Großhändler oder aber als Zwischenhändler der öffentlichen Auftraggeber handeln, für die sie öffentliche Aufträge vergeben, dynamische Beschaffungssysteme verwalten oder Rahmenvereinbarungen abschließen, die diese öffentlichen Auftraggeber nutzen können (vgl. 69. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/24).

( 22 ) Es muss sich um Einrichtungen handeln, die zu dem speziellen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen, und die über eigene Rechtspersönlichkeit verfügen.

( 23 ) Es muss sich um Einrichtungen handeln, „deren Tätigkeit überwiegend vom Staat, von Gebietskörperschaften oder von anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts finanziert wird, hinsichtlich ihrer Leitung der Aufsicht durch Letztere unterlieg[en] oder deren Verwaltungs‑, Leitungs- oder Aufsichtsorgan mehrheitlich aus Mitgliedern besteht, die vom Staat, von den Gebietskörperschaften oder von anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts ernannt worden sind.“

( 24 ) Was die Asmel s.c.a.r.l. betrifft, wurde die Weigerung, dieser den Status einer Einrichtung des öffentlichen Rechts anzuerkennen, auf die Modalität ihrer Finanzierung sowie darauf gestützt, dass an ihr Unternehmen und andere private Rechtssubjekte beteiligt sind, über deren Management und Leitung der Staat, die Gebietskörperschaften oder andere Einrichtungen des öffentlichen Rechts nicht die von der Vorschrift geforderte Kontrolle ausüben können. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, diese Feststellung des Gerichts des ersten Rechtszugs zu überprüfen und gegebenenfalls zu bestätigen.

( 25 ) Urteil vom 3. Oktober 2019 (C‑285/18, EU:C:2019:829, im Folgenden: Urteil Irgita).

( 26 ) In dieser Rechtssache war umstritten, ob die nationalen Beschränkungen über „die Bedingungen [hinausgehen], die ein öffentlicher Auftraggeber einhalten muss, wenn er einen internen Auftrag abschließen will“.

( 27 ) Urteil Irgita (Rn. 44).

( 28 ) Ebd. (Rn. 45). Auch wenn dort auf die Richtlinie 2014/24 Bezug genommen wird, die zeitlich nicht auf diese Rechtssache anwendbar ist, wird in ebendieser Rn. 45 hervorgehoben, dass der fünfte Erwägungsgrund „insoweit die Rechtsprechung des Gerichtshofs aus der Zeit vor dieser Richtlinie [aufnimmt]“. Nach dem wiederholt angeführten Erwägungsgrund werden „die Mitgliedstaaten durch diese Richtlinie in keiner Weise dazu verpflichtet …, die Erbringung von Dienstleistungen an Dritte oder nach außen zu vergeben, wenn sie diese Dienstleistungen selbst erbringen oder die Erbringung durch andere Mittel als öffentliche Aufträge im Sinne dieser Richtlinie organisieren möchten“.

( 29 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe (ABl. 2014, L 94, S. 1).

( 30 ) Urteil Irgita (Rn. 47).

( 31 )

( 32 ) Die italienische Regierung, die einen Teil des Beschlusses der ANAC vom 30. April 2015 wiedergegeben hat, hebt hervor, dass die in Rede stehende Vorschrift eingeführt wurde, um der Gefahr einer Infiltrierung durch die Mafien vorzubeugen (vgl. Art. 13 des Gesetzes 136/2010, „Außerordentlicher Plan gegen die Mafien“). Das später erlassene „Salva‑Italia-Dekret“ (Art. 23 Abs. 4 des Decreto-Legge Nr. 201 vom 6. Dezember 2011, umgewandelt durch das Gesetz Nr. 214 vom 22. Dezember 2011) führte dazu, dass die Zentralisierung des Beschaffungswesens der kleineren Gemeinden bei der Ausarbeitung der neuen Fassung von Art. 33 Abs. 3a CCP zur Verpflichtung und zu einem Instrument zur Kontrolle der Ausgaben wurde.

( 33 ) Die Frage nach den Grenzen, die die Verfassung eines jeden Staats dem Gesetzgeber in Bezug auf die lokale Autonomie der Gebietskörperschaften (d. h. deren Befugnis zur Selbstorganisation) auferlegen kann, ist von den hier aufgeworfenen Fragen grundverschieden.

( 34 ) Urteil Irgita (Rn. 48): „Die Freiheit, über die die Mitgliedstaaten bei der Wahl des Verwaltungsinstruments [verfügen], das ihrer Ansicht nach am besten geeignet ist, um Bau- oder Dienstleistungen erbringen zu lassen, kann jedoch nicht schrankenlos sein. Sie ist vielmehr unter Beachtung der Grundregeln des AEUV, insbesondere des freien Warenverkehrs, der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs, sowie der sich daraus ergebenden Grundsätze wie Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung, gegenseitige Anerkennung, Verhältnismäßigkeit und Transparenz auszuüben.“

( 35 ) Abschnitt 10.3 des Vorlagebeschlusses.

( 36 ) Dies ist bei der Asmel s.c.a.r.l. der Fall, die für ihre Leistungen von ihren Kunden ein Entgelt erhält.

( 37 ) Schriftliche Erklärungen der italienischen Regierung, Nrn. 70 ff.

( 38 ) Urteil vom 15. November 2016, Ullens de Schooten (C‑268/15, EU:C:2016:874, Rn. 47), mit Angaben zu bereits früherer Rechtsprechung: „[D]ie Bestimmungen des AEU-Vertrags über … den freien Dienstleistungsverkehr … [finden] auf einen Sachverhalt, dessen Merkmale sämtlich nicht über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen, keine Anwendung“.

( 39 ) Unter diesem Blickwinkel könnte sich die Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung eher durch die Zusammenführung und Zentralisierung der Beschaffung ergeben, die, wie der 59. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/24 zu bedenken gibt, „eine übermäßige Konzentration der Kaufkraft und geheime Absprachen“ hervorrufen könnten.

( 40 ) Vgl. Nrn. 60 bis 63 ihrer schriftlichen Erklärungen.

( 41 ) Die Kommission erkennt an, dass es ausschließlich Sache des nationalen Gerichts ist, sich zur Eigenschaft der Asmel s.c.a.r.l., als Einrichtung des öffentlichen Rechts zu äußern, wofür es u. a. zu bewerten haben wird, ob die öffentliche Hand in dieser Gesellschaft einen beherrschenden Einfluss ausübt. Die Asmel s.c.a.r.l geht hiervon ebenfalls als Ausgangspunkt aus.

( 42 ) Hervorhebung wie im Original.

( 43 ) Abschnitt 11.3 des Vorlagebeschlusses.