1.2.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 35/16


Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer) vom 24. November 2020 (Vorabentscheidungsersuchen des Hof van beroep te Brussel — Belgien) — Strafverfahren gegen AZ

(Rechtssache C-510/19) (1)

(Vorlage zur Vorabentscheidung - Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen - Europäischer Haftbefehl - Rahmenbeschluss 2002/584/JI - Art. 6 Abs. 2 - Begriff „vollstreckende Justizbehörde“ - Art. 27 Abs. 2 - Grundsatz der Spezialität - Art. 27 Abs. 3 Buchst. g und Abs. 4 - Ausnahme - Verfolgung wegen einer „anderen Handlung“ als derjenigen, die der Übergabe zugrunde liegt - Zustimmung der vollstreckenden Justizbehörde - Zustimmung der Staatsanwaltschaft des Vollstreckungsmitgliedstaats)

(2021/C 35/20)

Verfahrenssprache: Niederländisch

Vorlegendes Gericht

Hof van beroep te Brussel

Parteien des Ausgangsverfahrens

AZ

Beteiligte: Openbaar Ministerie, YU, ZV

Tenor

1.

Bei dem Begriff „vollstreckende Justizbehörde“ in Art. 6 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten in der durch den Rahmenbeschluss 2009/299/JI des Rates vom 26. Februar 2009 geänderten Fassung handelt es sich um einen autonomen Begriff des Unionsrechts, der dahin auszulegen ist, dass er sich auf die Behörden eines Mitgliedstaats erstreckt, die, ohne notwendigerweise Richter oder Gerichte zu sein, in diesem Mitgliedstaat an der Strafrechtspflege mitwirken, bei der Ausübung ihrer der Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls innewohnenden Aufgaben unabhängig handeln und ihre Aufgaben im Rahmen eines Verfahrens ausüben, das den Anforderungen an einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz genügt.

2.

Art. 6 Abs. 2 und Art. 27 Abs. 3 Buchst. g und Abs. 4 des Rahmenbeschlusses 2002/584 in der durch den Rahmenbeschluss 2009/299 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass es sich bei dem Staatsanwalt eines Mitgliedstaats, der zwar an der Rechtspflege mitwirkt, aber im Rahmen der Ausübung seiner Entscheidungsbefugnis eine Einzelweisung seitens der Exekutive erhalten kann, nicht um eine „vollstreckende Justizbehörde“ im Sinne dieser Bestimmungen handelt.


(1)  ABl. C 312 vom 16.9.2019.