18.1.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 19/7


Urteil des Gerichtshofs (Erste Kammer) vom 12. November 2020 (Vorabentscheidungsersuchen des Sofiyski rayonen sad — Bulgarien) — „Bulstrad Vienna Insurance Group“ АD/Olympic Insurance Company Ltd

(Rechtssache C-427/19) (1)

(Vorlage zur Vorabentscheidung - Richtlinie 2009/138/EG - Art. 274 - Für das Verfahren zur Liquidation von Versicherungsunternehmen maßgebliches Recht - Entzug der Zulassung eines Versicherungsunternehmens - Bestellung eines vorläufigen Liquidators - Begriff „Entscheidung über die Eröffnung eines Verfahrens zur Liquidation eines Versicherungsunternehmens“ - Fehlen einer gerichtlichen Entscheidung über die Eröffnung des Liquidationsverfahrens im Herkunftsmitgliedstaat - Aussetzung der Gerichtsverfahren gegen das betreffende Versicherungsunternehmen in anderen Mitgliedstaaten als dessen Herkunftsmitgliedstaat)

(2021/C 19/08)

Verfahrenssprache: Bulgarisch

Vorlegendes Gericht

Sofiyski rayonen sad

Parteien des Ausgangsverfahrens

Klägerin:„Bulstrad Vienna Insurance Group“ АD

Beklagte: Olympic Insurance Company Ltd

Tenor

1.

Art. 274 der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II) in der durch die Richtlinie 2013/58/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die Entscheidung der zuständigen Behörde, dem betreffenden Versicherungsunternehmen die Zulassung zu entziehen und einen vorläufigen Liquidator zu bestellen, nur dann eine „Entscheidung über die Eröffnung eines Verfahrens zur Liquidation eines Versicherungsunternehmens“ im Sinne dieses Artikels darstellen kann, wenn das Recht des Herkunftsmitgliedstaats dieses Versicherungsunternehmens entweder vorsieht, dass dieser vorläufige Liquidator befugt ist, das Vermögen des Unternehmens zu verwerten und den Erlös unter dessen Gläubigern zu verteilen, oder dass der Entzug der Zulassung des Versicherungsunternehmens automatisch zur Eröffnung des Liquidationsverfahrens führt, ohne dass eine andere Behörde hierfür eine förmliche Entscheidung erlassen müsste.

2.

Art. 274 der Richtlinie 2009/138 in der durch die Richtlinie 2013/58 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass dann, wenn die Voraussetzungen, unter denen eine Entscheidung über den Entzug der Zulassung eines Versicherungsunternehmens und über die Bestellung eines vorläufigen Liquidators für dieses Unternehmen eine „Entscheidung über die Eröffnung eines Verfahrens zur Liquidation eines Versicherungsunternehmens“ im Sinne dieses Artikels darstellt, nicht erfüllt sind, dieser Artikel keine Verpflichtung für die Gerichte der anderen Mitgliedstaaten enthält, das Recht des Herkunftsmitgliedstaats des betreffenden Versicherungsunternehmens anzuwenden, wonach alle gegen ein solches Unternehmen eingeleiteten Gerichtsverfahren auszusetzen sind.


(1)  ABl. C 288 vom 26.8.2019.