31.8.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 287/12


Urteil des Gerichtshofs (Erste Kammer) vom 9. Juli 2020 (Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts — Deutschland) — Naturschutzbund Deutschland — Landesverband Schleswig-Holstein e. V./Kreis Nordfriesland

(Rechtssache C-297/19) (1)

(Vorlage zur Vorabentscheidung - Umwelt - Umwelthaftung - Richtlinie 2004/35/EG - Anhang I Abs. 3 zweiter Gedankenstrich - Schädigung, die nicht als „erhebliche Schädigung“ eingestuft werden kann - Begriff „Bewirtschaftung der betreffenden Gebiete, die den Aufzeichnungen über den Lebensraum oder den Dokumenten über die Erhaltungsziele zufolge als normal anzusehen ist oder der früheren Bewirtschaftungsweise der jeweiligen Eigentümer oder Betreiber entspricht“ - Art. 2 Nr. 7 - Begriff „berufliche Tätigkeit“ - Aufgrund gesetzlicher Aufgabenübertragung im öffentlichen Interesse ausgeübte Tätigkeit - Einbeziehung oder Nichteinbeziehung)

(2020/C 287/17)

Verfahrenssprache: Deutsch

Vorlegendes Gericht

Bundesverwaltungsgericht

Parteien des Ausgangsverfahrens

Kläger: Naturschutzbund Deutschland — Landesverband Schleswig-Holstein e. V.

Beklagter: Kreis Nordfriesland

Beteiligte: Deich- und Hauptsielverband Eiderstedt, Körperschaft des öffentlichen Rechts, Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht

Tenor

1.

Der Begriff „Bewirtschaftung der betreffenden Gebiete, die den Aufzeichnungen über den Lebensraum oder den Dokumenten über die Erhaltungsziele zufolge als normal anzusehen ist oder der früheren Bewirtschaftungsweise der jeweiligen Eigentümer oder Betreiber entspricht“ in Anhang I Abs. 3 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden ist dahin zu verstehen, dass er zum einen jede Verwaltungs- oder Organisationsmaßnahme, die Auswirkungen auf die geschützten Arten und natürlichen Lebensräume in einem Gebiet haben kann, erfasst, wie sie sich aus den von den Mitgliedstaaten auf der Grundlage der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen und der Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten verabschiedeten Bewirtschaftungsdokumenten — erforderlichenfalls ausgelegt unter Bezugnahme auf jede innerstaatliche Rechtsvorschrift, die die beiden letztgenannten Richtlinien umsetzt oder mit dem Sinn und Zweck dieser Richtlinien in Einklang steht — ergibt, und zum anderen jede Verwaltungs- oder Organisationsmaßnahme, die als üblich anzusehen sowie allgemein anerkannt ist und feststeht und von den Eigentümern oder Betreibern während eines hinreichend langen Zeitraums bis zum Eintritt eines durch die Auswirkungen dieser Maßnahme verursachten Schadens an den geschützten Arten und natürlichen Lebensräumen praktiziert worden ist, wobei alle diese Maßnahmen außerdem mit den der Richtlinie 92/43 und der Richtlinie 2009/147 zugrunde liegenden Zielen und insbesondere mit der allgemein anerkannten landwirtschaftlichen Praxis vereinbar sein müssen.

2.

Art. 2 Nr. 7 der Richtlinie 2004/35 ist dahin auszulegen, dass der dort definierte Begriff „berufliche Tätigkeit“ auch aufgrund gesetzlicher Aufgabenübertragung im öffentlichen Interesse ausgeübte Tätigkeiten erfasst.


(1)  ABl. C 230 vom 8.7.2019.