Rechtssache T‑598/18

Grupo Textil Brownie, SL

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum

Urteil des Gerichts (Dritte Kammer) vom 30. Januar 2020

„Unionsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung der Unionswortmarke BROWNIE – Ältere nationale Wortmarken BROWNIES, BROWNIE, Brownies und Brownie – Relatives Eintragungshindernis – Verwechslungsgefahr – Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 (jetzt Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung [EU] 2017/1001) – Ernsthafte Benutzung der älteren Marke – Art. 42 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 47 Abs. 2 und 3 der Verordnung 2017/1001)“

  1. Unionsmarke – Definition und Erwerb der Unionsmarke – Relative Eintragungshindernisse – Für die Prüfung eines relativen Eintragungshindernisses relevanter Zeitpunkt – Anmeldezeitpunkt – Austritt des betreffenden Mitgliedstaats aus der Union – Keine Auswirkung

    (Art. 50 EUV; Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 8 Abs. 1 und 2 Buchst. a Ziff. ii und 42 Abs. 3)

    (vgl. Rn. 19)

  2. Unionsmarke – Bemerkungen Dritter und Widerspruch – Prüfung des Widerspruchs – Nachweis der Benutzung der älteren Marke – Ernsthafte Benutzung – Begriff – Auslegung unter Berücksichtigung des Normzwecks von Art. 42 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 207/2009

    (Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, zehnter Erwägungsgrund und Art. 42 Abs. 2 und 3; Verordnung Nr. 2868/95 der Kommission, Art. 1 Regel 22 Abs. 3)

    (vgl. Rn. 30)

  3. Unionsmarke – Bemerkungen Dritter und Widerspruch – Prüfung des Widerspruchs – Nachweis der Benutzung der älteren Marke – Ernsthafte Benutzung – Begriff – Beurteilungskriterien

    (Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 42 Abs. 2 und 3; Verordnung Nr. 2868/95 der Kommission, Art. 1 Regel 22 Abs. 3)

    (vgl. Rn. 31-34, 51)

  4. Unionsmarke – Bemerkungen Dritter und Widerspruch – Prüfung des Widerspruchs – Nachweis der Benutzung der älteren Marke – Benutzung während des Fünfjahreszeitraums

    (Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 42 Abs. 2 und 3)

    (vgl. Rn. 37, 38)

  5. Unionsmarke – Bemerkungen Dritter und Widerspruch – Prüfung des Widerspruchs – Nachweis der Benutzung der älteren Marke – Ernsthafte Benutzung – Benutzung während des Fünfjahreszeitraums – Berücksichtigung von Nachweisen für die Benutzung außerhalb dieses Zeitraums – Voraussetzungen

    (Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 42 Abs. 2 und 3; Verordnung Nr. 2868/95 der Kommission, Art. 1 Regel 22 Abs. 3)

    (vgl. Rn. 41)

  6. Unionsmarke – Bemerkungen Dritter und Widerspruch – Prüfung des Widerspruchs – Nachweis der Benutzung der älteren Marke – Beweiskraft der Beweismittel – Beurteilungskriterien

    (Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 42 Abs. 2 und 3 und Art. 78 Abs. 1 Buchst. f)

    (vgl. Rn. 53, 74, 76)

  7. Unionsmarke – Bemerkungen Dritter und Widerspruch – Prüfung des Widerspruchs – Nachweis der Benutzung der älteren Marke – Ernsthafte Benutzung – Verwendung der Marke in einer Form, die nur in Bestandteilen abweicht, ohne dass dadurch die Unterscheidungskraft der Marke beeinflusst wird – Gegenstand und materieller Anwendungsbereich von Art. 15 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009

    (Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a und Art. 42 Abs. 2 und 3)

    (vgl. Rn. 61-63)

  8. Unionsmarke – Entscheidungen des Amtes – Grundsatz der Gleichbehandlung – Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung – Vorherige Entscheidungspraxis des Amtes – Gebot rechtmäßigen Handelns – Erforderlichkeit einer strengen und umfassenden Prüfung in jedem Einzelfall

    (vgl. Rn. 93)

Zusammenfassung

Im Urteil Grupo Textil Brownie/EUIPO – The Guide Association (BROWNIE) (T‑598/18) vom 30. Januar 2020 hat das Gericht bestimmte Aspekte des Nachweises der ernsthaften Benutzung einer älteren Marke geklärt und die Klage gegen die Entscheidung der Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen The Guide Association (im Folgenden: Streithelferin) und Grupo Textil Brownie (im Folgenden: Klägerin) abgewiesen.

Im vorliegenden Fall hatte die Streithelferin Widerspruch gegen die Eintragung der Wortmarke BROWNIE eingelegt, wobei sie sich auf die ältere britische Wortmarkenserie BROWNIES, BROWNIE, Brownies und Brownie (im Folgenden zusammen: die ältere Marke) stützte. Die Klägerin forderte die Streithelferin auf, die ernsthafte Benutzung der älteren Marke nachzuweisen. Die Widerspruchsabteilung des EUIPO befand, die Streithelferin habe diesen Nachweis erbracht, stellte eine Verwechslungsgefahr zwischen den einander gegenüberstehenden Marken in Bezug auf bestimmte Waren und Dienstleistungen fest und gab dem Widerspruch somit teilweise statt. Die dagegen eingelegte Beschwerde wurde von der Beschwerdekammer des EUIPO zurückgewiesen.

Was erstens die Auswirkungen des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union betrifft ( 1 ), hat das Gericht darauf hingewiesen, dass für die Beurteilung des Vorliegens eines relativen Eintragungshindernisses auf den Zeitpunkt der Anmeldung der Unionsmarke abzustellen ist, gegen die aufgrund einer älteren Marke Widerspruch erhoben wurde. Daher seien die verschiedenen Aspekte der älteren Marke in der Form zu prüfen, wie sie zum Zeitpunkt der Anmeldung einer solchen Eintragung bestanden. Der Umstand, dass die ältere Marke nach Anmeldung der Unionsmarke, gegen die aufgrund dieser älteren Marke Widerspruch eingelegt wurde, ihren Status als in einem Mitgliedstaat eingetragene Marke ( 2 ) verlieren könnte – insbesondere infolge eines möglichen Austritts des betreffenden Mitgliedstaats aus der Union gemäß Art. 50 EUV, ohne dass in einem Abkommen nach Art. 50 Abs. 2 EUV hierfür besondere Bestimmungen festgelegt worden wären –, sei daher für das Ergebnis des Widerspruchs grundsätzlich unerheblich. Ebenso bleibe das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage vor dem Gericht gegen eine Entscheidung der Beschwerdekammern des EUIPO, mit der einem auf eine solche ältere nationale Marke gestützten Widerspruch stattgegeben oder eine entsprechende Entscheidung der Widerspruchsabteilung bestätigt wird, grundsätzlich unberührt.

Zum Vorbringen der Klägerin, wonach bestimmte Nachweise nicht in den maßgeblichen Zeitraum fielen, hat das Gericht zweitens darauf hingewiesen, dass sich aus Art. 42 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 207/2009 eindeutig ergebe, dass nur die ernsthafte Benutzung im maßgeblichen Zeitraum erfolgen müsse. Sofern sich Nachweise für eine ernsthafte Benutzung auf eine Benutzung im maßgeblichen Zeitraum bezögen, könne nicht verlangt werden, dass diese Nachweise selbst innerhalb des relevanten Zeitraums entstanden seien. Folglich sei das Vorbringen der Klägerin, wonach bestimmte Nachweise allein deshalb nicht in den maßgeblichen Zeitraum fielen, weil sie außerhalb dieses Zeitraums entstanden seien, als solches nicht geeignet, ihnen ihre Beweiskraft im Rahmen von Art. 42 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 207/2009 abzusprechen.

Drittens erinnerte das Gericht in Bezug auf die Nachweise für eine vor oder nach dem maßgeblichen Zeitraum liegende Benutzung daran, dass nach der Rechtsprechung solche Beweise berücksichtigt werden können, soweit sie es ermöglichen, den Umfang der Benutzung der älteren Marke und die tatsächlichen Absichten des Inhabers innerhalb dieses Zeitraums zu bestätigen oder besser zu beurteilen. Solche Beweismittel könnten jedoch nur dann berücksichtigt werden, wenn andere Nachweise vorgelegt worden seien, die sich auf den maßgeblichen Zeitraum bezögen.

Viertens hat das Gericht in Bezug auf das als Nachweis der ernsthaften Benutzung vorgelegte Werbematerial zum einen ausgeführt, es sei bereits entschieden worden, dass grundsätzlich nachzuweisen sei, dass Werbematerial, das die ältere Marke erwähne, deren ernsthafte Benutzung nachgewiesen werden müsse, bei den maßgeblichen Verkehrskreisen hinreichend verbreitet worden sei, um die Ernsthaftigkeit der Benutzung der fraglichen Marke nachzuweisen. Das Gericht hat jedoch zum anderen festgestellt, dass sich aus der Rechtsprechung auch ergebe, dass bei der Beurteilung der Nachweise für die ernsthafte Benutzung einer Marke nicht jedes Beweisstück einzeln zu prüfen sei, sondern sie zusammen zu prüfen seien, um ihren wahrscheinlichsten und kohärentesten Aussagegehalt zu ermitteln. Selbst wenn also der Beweiswert eines Beweismittels insofern begrenzt sei, als es für sich genommen nicht mit Sicherheit erkennen lasse, ob und wie die betreffenden Waren in den Verkehr gebracht worden seien, und wenn dieses Beweismittel allein daher nicht entscheidend sei, könne es dennoch bei der Gesamtbeurteilung der Ernsthaftigkeit der Benutzung der fraglichen Marke berücksichtigt werden. Dies sei z. B. dann der Fall, wenn dieses Beweismittel andere Beweismittel ergänze. Im vorliegenden Fall befand das Gericht, dass das Werbematerial ein Beweismittel unter anderen sei, so dass es von der Beschwerdekammer berücksichtigt werden konnte.

Fünftens und letztens hat das Gericht in Bezug auf die Beweiskraft einer ehrenwörtlichen Erklärung, mit der die ernsthafte Benutzung der älteren Marke nachgewiesen werden sollte, daran erinnert, dass sich aus Art. 78 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 ( 3 ) ergebe, dass schriftliche Erklärungen, die unter Eid oder an Eides statt abgegeben würden oder nach dem Recht des Staates, in dem sie abgegeben werden, eine ähnliche Wirkung hätten, zu den Beweismitteln gehörten, die vor dem EUIPO insbesondere zulässig seien. Im vorliegenden Fall war die ehrenwörtliche Erklärung in Form einer Zeugenaussage gemäß den in England und Wales geltenden zivilprozessualen Regeln abgegeben worden. Außerdem hat das Gericht darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung einer Erklärung, wenn sie im Sinne von Art. 78 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 von einem leitenden Mitarbeiter der Partei erstellt wurde, die die ernsthafte Benutzung der älteren Marke nachzuweisen habe, nur dann ein Beweiswert zukommen könne, wenn sie durch andere Beweismittel gestützt werde, was vorliegend der Fall gewesen sei.


( 1 ) Das Austrittsabkommen war bei Abschluss der Beratung noch nicht endgültig angenommen.

( 2 ) Im Sinne von Art. 8 Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii und Art. 42 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EU] 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke [ABl. 2017, L 154, S. 1]).

( 3 ) Jetzt Art. 97 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung 2017/1001.