URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

2. April 2020 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Wettbewerb – Kartelle – Art. 101 Abs. 1 AEUV – Kartenzahlungssysteme – Vereinbarung zwischen Banken über die Festlegung des Interbankenentgelts – Vereinbarung, die den Wettbewerb sowohl ihrem Zweck als auch ihrer Wirkung nach beschränkt – Begriff der ‚bezweckten‘ Wettbewerbsbeschränkung“

In der Rechtssache C‑228/18

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Kúria (Oberster Gerichtshof, Ungarn) mit Entscheidung vom 6. März 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 3. April 2018, in dem Verfahren

Gazdasági Versenyhivatal

gegen

Budapest Bank Nyrt.,

ING Bank NV Magyarországi Fióktelepe,

OTP Bank Nyrt.,

Kereskedelmi és Hitelbank Zrt.,

Magyar Külkereskedelmi Bank Zrt.,

ERSTE Bank Hungary Zrt.,

Visa Europe Ltd,

MasterCard Europe SA

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan (Berichterstatter) sowie der Richter I. Jarukaitis, E. Juhász, M. Ilešič und C. Lycourgos,

Generalanwalt: M. Bobek,

Kanzler: R. Șereș, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. Juni 2019,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

des Gazdasági Versenyhivatal, vertreten durch A. Kőhalmi und M. Nacsa als Bevollmächtigte,

der Budapest Bank Nyrt., zunächst vertreten durch L. Wallacher, dann durch A. Kékuti, ügyvédek,

der ING Bank NV Magyarországi Fióktelepe, vertreten durch A. Kőmíves, ügyvéd,

der OTP Bank Nyrt., vertreten durch L. Réti und P. Mezei, ügyvédek,

der Kereskedelmi és Hitelbank Zrt., vertreten durch Z. Hegymegi-Barakonyi, ügyvéd,

der Magyar Külkereskedelmi Bank Zrt., vertreten durch S. Szendrő, ügyvéd,

der ERSTE Bank Hungary Zrt., vertreten durch L. Wallacher, ügyvéd,

der Visa Europe Ltd, vertreten durch Z. Marosi und G. Fejes, ügyvédek,

der MasterCard Europe SA, vertreten durch E. Ritter, ügyvéd,

der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér, G. Koós und G. Tornyai als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch F. Castilla Contreras, V. Bottka und I. Zaloguin als Bevollmächtigte,

der EFTA-Überwachungsbehörde, vertreten durch M. Sánchez Rydelski, C. Zatschler, C. Simpson und C. Howdle als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 5. September 2019

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 101 Abs. 1 AEUV.

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Gazdasági Versenyhivatal (ungarische Wettbewerbsbehörde) und sechs Finanzinstituten – nämlich der Budapest Bank Nyrt., der ungarischen Tochtergesellschaft der ING Bank NV, der OTP Bank Nyrt., der Kereskedelmi és Hitelbank Zrt., der Magyar Külkereskedelmi Bank Zrt. und der ERSTE Bank Hungary Zrt. – sowie zwei Gesellschaften, die Kartenzahlungsdienstleistungen anbieten, nämlich Visa Europe Ltd (im Folgenden: Visa) und MasterCard Europe SA (im Folgenden: MasterCard), über eine Entscheidung der Wettbewerbsbehörde, mit der diese das Vorliegen einer wettbewerbswidrigen Vereinbarung in Bezug auf die Interbankenentgelte festgestellt hat.

Ungarisches Recht

3

§ 11 Abs. 1 des Tisztességtelen piaci magatartás és a versenykorlátozás tilalmáról szóló 1996. évi LVII. törvény (Gesetz Nr. LVII von 1996 über das Verbot unlauteren Marktverhaltens und der Wettbewerbsbeschränkung) (im Folgenden: Gesetz über unlauteres Marktverhalten) bestimmt:

„Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen zwischen Unternehmen sowie Beschlüsse von im Einklang mit der Vereinigungsfreiheit gegründeten Unternehmensvereinigungen, von unternehmerischen Einrichtungen des öffentlichen Rechts, von Unternehmensverbänden und sonstigen ähnlichen Gebilden aus Unternehmen …, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder möglicherweise oder tatsächlich bewirken, sind verboten. Vereinbarungen, die zwischen Unternehmen geschlossen werden, die nicht voneinander unabhängig sind, gelten nicht als solche Vereinbarungen.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

4

Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass Visa und MasterCard bzw. deren jeweilige Rechtsvorgänger es Mitte der 1990er Jahre nach ihren internen Regelungen gestatteten, dass zum einen die ihre Karten ausgebenden Finanzinstitute (im Folgenden: Issuing-Banken) und zum anderen die Finanzinstitute, die den Händlern Dienstleistungen erbringen, die es ihnen ermöglichen, diese Karten als Zahlungsmittel zu akzeptieren (im Folgenden: Acquiring-Banken), gemeinsam die Höhe des sogenannten nationalen „Interbanken“-Entgelts zwischen Issuing-Banken und Acquiring-Banken festsetzten, d. h. den Betrag, den Letztere an Erstere bei einer Kreditkartentransaktion zahlen.

5

In den Jahren 1995 und 1996 führten die im Kartengeschäft tätigen Banken eine multilaterale Zusammenarbeit (im Folgenden: Forum) ein, in deren Rahmen von Fall zu Fall verschiedene Fragen besprochen wurden, für die eine Zusammenarbeit auf diesem Sektor für erforderlich gehalten wurde.

6

Im Rahmen des Forums legten sieben Banken, von denen die Mehrheit den von Visa und MasterCard eingerichteten Kartenzahlungssystemen beigetreten war und die einen Großteil des nationalen Marktes der Issuing- und Acquiring-Banken darstellten, am 24. April 1996 nach mehreren Verhandlungen den Text einer Vereinbarung (im Folgenden: MSC‑Vereinbarung) über die Bestimmung der Mindesthöhe des von den Händlern zu entrichtenden einheitlichen Dienstleistungsentgelts (im Folgenden: MSC) je Händlerkategorie fest. Sodann schlossen sie am 28. August 1996 eine am 1. Oktober 1996 in Kraft getretene Vereinbarung, in der sie die Höhe des Interbankenentgelts für Zahlungen, die mittels Karten geleistet wurden, die von einer dem Kartenzahlungssystem von Visa oder MasterCard angeschlossenen Bank ausgegeben worden waren, einheitlich festlegten (im Folgenden: MIF‑Vereinbarung). Kereskedelmi és Hitelbank verhandelte die MIF‑Vereinbarung für Visa und MasterCard, die die Vereinbarung anwendeten.

7

Letztlich wurde die MSC‑Vereinbarung von diesen sieben Banken nicht unterzeichnet, aber die von der MIF‑Vereinbarung erfassten Interbankenentgelte beeinflussten als Kostenbestandteil mittelbar die Bestimmung der Höhe des MSC. Insbesondere fungierten die von der MIF‑Vereinbarung erfassten Entgelte als Untergrenze bei der Ermäßigung des MSC. Die Verfolgung der in der geplanten MSC‑Vereinbarung festgelegten Ziele spielte zudem beim Abschluss der MIF‑Vereinbarung und bei der Berechnung der einheitlichen Tarife für Visa und MasterCard eine Rolle, auch wenn diese Ziele später nicht erreicht wurden.

8

Später traten der MIF‑Vereinbarung weitere am Kartenzahlungsdienstegeschäft interessierte Banken bei und beteiligten sich an den Tätigkeiten des Forums, so dass im Jahr 2006 die Zahl der Banken, die Parteien dieser im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vereinbarung waren, auf 22 angewachsen war.

9

Die MIF‑Vereinbarung war am 31. Januar 2008, als die Wettbewerbsbehörde ein diese Vereinbarung betreffendes Verfahren einleitete, noch in Kraft.

10

Die MIF‑Vereinbarung wurde mit Wirkung zum 30. Juli 2008 gekündigt.

11

In einer Entscheidung vom 24. September 2009 (im Folgenden: Entscheidung der Wettbewerbsbehörde) stellte die Wettbewerbsbehörde fest, dass die 22 Banken, die Parteien der MIF‑Vereinbarung seien, sowie Visa und MasterCard eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung geschlossen hätten, die nicht unter eine Freistellung falle, indem sie erstens die Höhe und die Struktur des auf Visa und MasterCard sowie alle Banken anwendbaren Interbankenentgelts einheitlich festgelegt, zweitens in ihren internen Regelungen einen Rahmen für eine solche Vereinbarung geschaffen und drittens diese Vereinbarung erleichtert hätten. Durch dieses Verhalten hätten sie seit dem Zeitpunkt, zu dem sie der MIF‑Vereinbarung beigetreten seien – der Zeitpunkt des Beginns des wettbewerbswidrigen Verhaltens für die Banken, die die MIF‑Vereinbarung geschlossen hätten, sei derjenige des Inkrafttretens des Gesetzes über unlautere Geschäftspraktiken am 1. Januar 1997, für die später beigetretenen Banken seien es hiervon abweichende Zeitpunkte – bis zum 30. Juli 2008 gegen § 11 Abs. 1 dieses Gesetzes und nach dem 1. Mai 2004 gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstoßen. Dieses Verhalten stelle nicht nur eine sogenannte „bezweckte“ Wettbewerbsbeschränkung in dem Sinne dar, dass die MIF‑Vereinbarung ein wettbewerbswidriges Verhalten bezwecke, sondern auch eine sogenannte „bewirkte“ Beschränkung in dem Sinne, dass diese Vereinbarung eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung habe. Die Wettbewerbsbehörde verhängte gegen die sieben Banken, die die MIF‑Vereinbarung ursprünglich geschlossen hatten, sowie gegen Visa und MasterCard Bußgelder in unterschiedlicher Höhe.

12

Visa und MasterCard sowie sechs der zur Zahlung von Bußgeldern verurteilten Banken erhoben gegen die Entscheidung der Wettbewerbsbehörde beim Fővárosi Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság (Hauptstädtisches Verwaltungs- und Arbeitsgericht, Ungarn) Klage; die Klage wurde abgewiesen.

13

Auf das von diesen Parteien mit Ausnahme von MasterCard eingelegte Rechtsmittel hin änderte der Fővárosi Törvényszék (Hauptstädtischer Gerichtshof, Ungarn) die Entscheidung der Wettbewerbsbehörde ab und beendete das Verfahren in Bezug auf die ungarische Tochtergesellschaft der ING Bank aus verfahrensrechtlichen Gründen. In Bezug auf die übrigen Parteien erklärte es die angefochtene Entscheidung für nichtig und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an die Wettbewerbsbehörde zurück.

14

Die Wettbewerbsbehörde legte gegen das Urteil des Fővárosi Törvényszék (Hauptstädtischer Gerichtshof) Kassationsbeschwerde beim vorlegenden Gericht, der Kúria (Oberster Gerichtshof, Ungarn), ein.

15

Das vorlegende Gericht fragt sich erstens, ob ein und dieselbe Verhaltensweise zugleich wegen ihres wettbewerbswidrigen Zwecks und wegen ihrer wettbewerbswidrigen Wirkungen als voneinander unabhängigen Rechtsgrundlagen Anlass zur Feststellung einer Zuwiderhandlung im Hinblick auf Art. 101 Abs. 1 AEUV geben kann.

16

Zum einen stützten die nationalen Wettbewerbsbehörden und die Europäische Kommission in besonders komplexen Fällen ihre Entscheidungen auf eine doppelte Rechtsgrundlage, damit es auch bei einer später teilweise abweichenden Beurteilung im Rahmen einer gerichtlichen Kontrolle zu einer Verurteilung in der Sache komme.

17

Zum anderen könnte aus der Verwendung der Konjunktion „oder“ in Art. 101 Abs. 1 AEUV abgeleitet werden, dass es nicht möglich sei, ein und dieselbe Vereinbarung zugleich als eine „bezweckte“ und eine „bewirkte“ Wettbewerbsbeschränkung zu betrachten, da eine Entscheidung in diesem Sinne ein unbestimmtes und widersprüchliches Gepräge habe.

18

Außerdem erforderten die Freistellungsbedingungen und die Sanktionen notwendigerweise je nachdem eine unterschiedliche Bewertung, ob die betreffende Beschränkung als „bezweckte“ oder als „bewirkte“ Beschränkung eingestuft werde, so dass die Einstufung dieser Beschränkung in jedem Fall materiell-rechtlich relevant sei. Auch wenn die betreffende Wettbewerbsbehörde im Fall einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung nach Maßgabe des tatsächlichen Kontexts eine eingehende Untersuchung der Auswirkungen der fraglichen Beschränkung vornehmen müsse, um Sanktionen in angemessener Höhe beschließen und das Vorliegen von Freistellungsbedingungen beurteilen zu können, bedeute dies noch nicht, dass eine Entscheidung, mit der ein wettbewerbswidriges Verhalten festgestellt und geahndet werde, auf einer doppelten Grundlage beruhen könne.

19

Zweitens fragt sich das vorlegende Gericht, ob die MIF‑Vereinbarung als „bezweckte“ Wettbewerbsbeschränkung habe angesehen werden können. Die Kommission habe in ihrer Entscheidungspraxis nie einen entschiedenen Standpunkt zu der Frage eingenommen, ob dergleiche Vereinbarungen als derartige Beschränkungen erachtet werden könnten. Die Antwort auf diese Frage ergebe sich auch nicht eindeutig aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs. Außerdem weise das Ausgangsverfahren Unterschiede zu den bisher von der Kommission und vom Gerichtshof geprüften Fällen auf. Einer dieser Unterschiede bestehe darin, dass in den früheren Rechtssachen nicht geprüft worden sei, ob die Interbankenentgelte tatsächlich in derselben Höhe festgesetzt worden seien.

20

Zum letztgenannten Punkt weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass es sich bei der MIF‑Vereinbarung nicht um ein rein horizontales Preiskartell gehandelt habe, da an dieser Vereinbarung unterschiedslos die Issuing-Banken und die Acquiring-Banken beteiligt gewesen seien. Selbst wenn im Übrigen Visa und MasterCard unmittelbar an der MIF‑Vereinbarung beteiligt gewesen seien, habe diese keine Verkaufs- und Kaufpreise festgelegt, aber durchaus die Transaktionsbedingungen für ihre jeweiligen Dienstleistungen. Das vorlegende Gericht hebt ferner hervor, dass die MIF‑Vereinbarung einen Markt mit atypischem und unvollkommenem Wettbewerb betroffen habe, dessen Wirkungen nur durch Regulierung behoben werden könnten. Schließlich betont das vorlegende Gericht, dass der Markt bereits früher zum wesentlichen Teil durch einheitliche Preise gekennzeichnet gewesen sei. Es sei insbesondere nur dann, wenn sich die übrigen Wettbewerbsbedingungen zwischen Visa und MasterCard unterschieden, nicht wettbewerbswidrig, unterschiedliche Interbankenentgelte zu verlangen, doch lägen im vorliegenden Fall keine dahingehenden Hinweise vor.

21

Umgekehrt räumt das vorlegende Gericht ein, dass es Argumente gebe, die den Schluss zuließen, dass die MIF‑Vereinbarung zu einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung führte. Insbesondere liege einer der Beweggründe für die in dieser Vereinbarung festgelegte Vereinheitlichung der Preise darin, dass es sich dabei um eine notwendige Voraussetzung der MSC‑Vereinbarung handele. Da dieser Zweck jedoch unmittelbar weggefallen sei, da die MSC‑Vereinbarung nicht zustande gekommen sei, könne der MIF‑Vereinbarung keinerlei Wirkung zugesprochen werden. Zwar habe eine solche subjektive Absicht, den Wettbewerb zu beschränken, wenn nicht bei den an dieser Vereinbarung beteiligten Banken, so doch zumindest in der Vorstellung von Visa und MasterCard bestehen können, indessen könne aus subjektiven Absichten für sich genommen nicht das Vorliegen eines wettbewerbsbeschränkenden Zwecks der MIF‑Vereinbarung abgeleitet werden.

22

Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, dass es aufgrund der Notwendigkeit, neben dem reinen Inhalt der angeblich wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung auch deren wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhang zu berücksichtigen, besonders unklar sei, wo die Prüfung der Vereinbarung im Hinblick auf ihren Zweck ende und wo die Prüfung der Vereinbarung unter dem Gesichtspunkt ihrer Wirkungen beginne.

23

Soweit die Wettbewerbsbehörde schließlich davon ausgegangen sei, dass die MIF‑Vereinbarung auch aus dem Grund eine „bezweckte“ Wettbewerbsbeschränkung darstelle, dass sie eine mittelbare Festlegung der Preise in Bezug auf die Höhe des von den Händlern entrichteten Entgelts bedeute, ist das vorlegende Gericht der Auffassung, dass von einer mittelbaren Preisfestsetzung nicht die Rede sei.

24

Drittens und letztens hegt das vorlegende Gericht Zweifel hinsichtlich der Beteiligung von Visa an der MIF‑Vereinbarung und insbesondere hinsichtlich der Frage, ob Visa als Partei dieser Vereinbarung angesehen werden könne, obwohl Visa nicht direkt an der Festlegung des Inhalts dieser Vereinbarung beteiligt gewesen sei, aber deren Abschluss ermöglicht und sie dann auch akzeptiert und angewandt habe, oder ob vielmehr von einer abgestimmten Verhaltensweise zwischen Visa und den Banken, die die Vereinbarung geschlossen hätten, auszugehen sei. Das vorlegende Gericht fragt sich auch, ob eine solche Unterscheidung erforderlich ist, wobei es allerdings darauf hinweist, dass es Folgen für die Beurteilung der Verantwortlichkeit und für die angewandten Sanktionen haben könne, wie die Beteiligung von Visa gewertet werde.

25

Unter diesen Umständen hat die Kúria (Oberster Gerichtshof) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist Art. 101 Abs. 1 AEUV dahin auszulegen, dass ein und dieselbe Verhaltensweise gleichzeitig aufgrund voneinander unabhängiger Rechtsgrundlagen, nämlich des wettbewerbsbeschränkenden Zwecks und der wettbewerbsbeschränkenden Wirkung, gegen diese Bestimmung verstoßen kann?

2.

Ist Art. 101 Abs. 1 AEUV dahin auszulegen, dass die MIF‑Vereinbarung, mit der das Interbankenentgelt, das für die Nutzung der Kreditkarten von Visa und MasterCard anfällt und den Issuing-Banken zusteht, in einer für beide Kreditkartenunternehmen einheitlichen Höhe festgelegt wird, eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung darstellt?

3.

Ist Art. 101 Abs. 1 AEUV dahin auszulegen, dass als Parteien der MIF‑Vereinbarung auch Visa und MasterCard anzusehen sind, obwohl diese Unternehmen nicht unmittelbar an der Ausarbeitung des Inhalts der Vereinbarung beteiligt waren, deren Abschluss jedoch ermöglicht und die Vereinbarung akzeptiert und angewandt haben, oder ist vielmehr davon auszugehen, dass diese Unternehmen ihre Verhaltensweise mit den die Vereinbarung schließenden Banken abgestimmt haben?

4.

Ist Art. 101 Abs. 1 AEUV dahin auszulegen, dass für die Feststellung eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht eine Abgrenzung, ob es sich um eine Beteiligung an der MIF‑Vereinbarung oder um eine Abstimmung der Verhaltensweise mit den an der Vereinbarung beteiligten Banken handelt, angesichts des Streitgegenstands nicht erforderlich ist?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

26

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 101 Abs. 1 AEUV dahin auszulegen ist, dass er dem entgegensteht, dass bei ein und demselben wettbewerbswidrigen Verhalten davon ausgegangen wird, dass es eine Einschränkung des Wettbewerbs im Sinne dieser Bestimmung sowohl bezweckt als auch bewirkt.

Zur Zulässigkeit

27

Die Budapest Bank, die ERSTE Bank Hungary und MasterCard halten die erste Frage für unzulässig. Die beiden Banken weisen insbesondere darauf hin, dass es in der vorliegenden Rechtssache nur um die Kriterien des Begriffs der „bezweckten“ Beschränkung gegangen sei. Im Übrigen seien die ungarischen Gerichte selbst davon ausgegangen, dass die Einstufung eines Verhaltens als bezweckte oder bewirkte Wettbewerbsbeschränkung die Prüfung unterschiedlicher Umstände erfordere, so dass sich die Frage, ob eine zweifache Einstufung auf der Grundlage eines identischen Sachverhalts möglich sei, nicht stelle. Nach Ansicht von MasterCard ist die erste Frage hypothetisch, da sie zum einen keine Auswirkung auf den Ausgang des Ausgangsrechtsstreits habe und zum anderen nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ein und dasselbe Verhalten als bezweckte oder bewirkte Einschränkung qualifiziert werden könne, es aber nicht auf einer doppelten Grundlage qualifiziert werden müsse.

28

Ohne förmlich die Unzulässigkeit der ersten Frage geltend zu machen, hält die OTP Bank im Übrigen eine Umformulierung der Frage für erforderlich, da sich aus ihrer gegenwärtigen Formulierung nicht klar ergebe, inwiefern sie für den Ausgangsrechtsstreit relevant sei; die Magyar Külkereskedelmi Bank und die ungarische Regierung machen hingegen geltend, dass diese Frage für die Entscheidung dieses Rechtsstreits nicht als relevant angesehen werden könne, da nach Auffassung der genannten Bank die MIF‑Vereinbarung den Wettbewerb weder ihrem Zweck noch ihrer Wirkung nach einschränkt und nach Ansicht der ungarischen Regierung eine gleichzeitige Beurteilung des Zwecks und der Wirkung einer Verhaltensweise nur problematisch ist, wenn sie gegen den Grundsatz ne bis in idem verstieße, was vorliegend nicht der Fall sei.

29

Nach ständiger Rechtsprechung kann der Gerichtshof die Entscheidung über die Vorlagefrage eines nationalen Gerichts nur ablehnen, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn er nicht über die tatsächlichen oder rechtlichen Angaben verfügt, die für eine sachdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteil vom 13. Juli 2006, Manfredi u. a.,C‑295/04 bis C‑298/04, EU:C:2006:461, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

30

Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Entscheidung der Wettbewerbsbehörde, die, wie sich aus den Rn. 11 bis 14 des vorliegenden Urteils ergibt, der Kassationsbeschwerde zugrunde liegt, mit der das vorlegende Gericht befasst ist, die MIF‑Vereinbarung sowohl als bezweckte als auch als bewirkte Beschränkung einstuft. Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die erste Frage, mit der das vorlegende Gericht gerade wissen möchte, ob eine solche zweifache Einstufung mit Art. 101 Abs. 1 AEUV vereinbar ist, in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht oder hypothetischer Natur ist.

31

Im Übrigen vermag keiner der besonderen Umstände, die von den Parteien, die Erklärungen abgegeben haben, angeführt worden sind, diese Feststellung in Frage zu stellen. Insbesondere betreffen die Tatsachen, dass die eine oder andere Einstufung der MIF‑Vereinbarung möglicherweise nicht begründet ist, dass das vorlegende Gericht nicht verpflichtet ist, ein und dasselbe Verhalten auf einer doppelten Grundlage einzustufen, oder dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende doppelte Einstufung nicht gegen den Grundsatz ne bis in idem verstößt, nicht die Zulässigkeit der ersten Vorlagefrage, sondern die Begründetheit der Entscheidung der Wettbewerbsbehörde.

32

Die erste Frage ist deshalb zulässig.

Zur Begründetheit

33

In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Vereinbarungen nur dann unter das in Art. 101 Abs. 1 AEUV aufgestellte Verbot fallen, wenn sie eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts „bezwecken oder bewirken“. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs seit dem Urteil vom 30. Juni 1966, LTM (56/65, EU:C:1966:38) erfordert es der durch die Konjunktion „oder“ gekennzeichnete alternative Charakter dieser Voraussetzung, zunächst den Zweck der Vereinbarung als solchen heranzuziehen (Urteile vom 26. November 2015, Maxima Latvija,C‑345/14, EU:C:2015:784, Rn. 16, und vom 20. Januar 2016, Toshiba Corporation/Kommission,C‑373/14 P, EU:C:2016:26, Rn. 24).

34

Steht der wettbewerbswidrige Zweck einer Vereinbarung fest, brauchen daher ihre Auswirkungen auf den Wettbewerb nicht geprüft zu werden (Urteile vom 26. November 2015, Maxima Latvija,C‑345/14, EU:C:2015:784, Rn. 17, und vom 20. Januar 2016, Toshiba Corporation/Kommission,C‑373/14 P, EU:C:2016:26, Rn. 25).

35

Nach der Rechtsprechung beeinträchtigen nämlich bestimmte Arten der Koordinierung zwischen Unternehmen den Wettbewerb hinreichend, um als bezweckte Beschränkung eingestuft zu werden, so dass die Prüfung ihrer Auswirkungen nicht notwendig ist. Diese Rechtsprechung liegt darin begründet, dass bestimmte Formen der Koordinierung zwischen Unternehmen schon ihrem Wesen nach als schädlich für das gute Funktionieren des Wettbewerbs angesehen werden können (Urteile vom 11. September 2014, MasterCard u. a./Kommission,C‑382/12 P, EU:C:2014:2201, Rn. 184 und 185, sowie vom 20. Januar 2016, Toshiba Corporation/Kommission,C‑373/14 P, EU:C:2016:26, Rn. 26).

36

So steht fest, dass bestimmte kollusive Verhaltensweisen, wie z. B. diejenigen, die zur horizontalen Festsetzung der Preise durch Kartelle führen, als derart geeignet angesehen werden können, negative Auswirkungen auf insbesondere den Preis, die Menge oder die Qualität der Waren und Dienstleistungen zu haben, dass für die Anwendung von Art. 101 Abs. 1 AEUV der Nachweis, dass sie konkrete Auswirkungen auf den Markt haben, als überflüssig erachtet werden kann. Die Erfahrung zeigt nämlich, dass solche Verhaltensweisen Minderungen der Produktion und Preiserhöhungen nach sich ziehen, die zu einer schlechten Verteilung der Ressourcen zulasten insbesondere der Verbraucher führen (Urteile vom 11. September 2014, CB/Kommission,C‑67/13 P, EU:C:2014:2204, Rn. 51, und vom 26. November 2015, Maxima Latvija,C‑345/14, EU:C:2015:784, Rn. 19).

37

In Anbetracht der in den Rn. 35 und 36 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt das wesentliche rechtliche Kriterium bei der Ermittlung, ob eine Vereinbarung eine „bezweckte“ Wettbewerbsbeschränkung enthält, daher in der Feststellung, dass eine solche Vereinbarung in sich selbst eine hinreichende Beeinträchtigung des Wettbewerbs erkennen lässt, die die Annahme rechtfertigt, dass eine Prüfung ihrer Auswirkungen auf den Wettbewerb nicht erforderlich ist (Urteil vom 26. November 2015, Maxima Latvija,C‑345/14, EU:C:2015:784, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).

38

Lässt jedoch die Prüfung einer Art von Koordinierung zwischen Unternehmen keine hinreichende Beeinträchtigung des Wettbewerbs erkennen, so sind ihre Auswirkungen zu untersuchen, und es müssen, damit sie vom Verbot erfasst wird, Merkmale vorliegen, aus denen sich insgesamt ergibt, dass der Wettbewerb tatsächlich spürbar verhindert, eingeschränkt oder verfälscht worden ist (Urteil vom 11. September 2014, CB/Kommission,C‑67/13 P, EU:C:2014:2204, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39

Auch wenn somit aus der in den Rn. 33 bis 38 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung hervorgeht, dass es im Fall der Einstufung einer Vereinbarung als „bezweckte“ Einschränkung des Wettbewerbs im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV für die Annahme, dass die Vereinbarung nach dieser Bestimmung verboten ist, nicht erforderlich ist, darüber hinaus die Wirkung dieser Vereinbarung darzutun, hat der Gerichtshof im Übrigen bereits festgestellt, dass ein und dieselbe Verhaltensweise eine Wettbewerbsbeschränkung sowohl bezweckt als auch bewirkt hat (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 1. Oktober 1987, van Vlaamse Reisbureaus,311/85, EU:C:1987:418, Rn. 17, vom 19. April 1988, Erauw-Jacquery,27/87, EU:C:1988:183, Rn. 14 und 15, vom 27. September 1988, Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission,89/85, 104/85, 114/85, 116/85, 117/85 und 125/85 bis 129/85, EU:C:1988:447, Rn. 13, sowie vom 9. Juli 2015, InnoLux/Kommission,C‑231/14 P, EU:C:2015:451, Rn. 72).

40

Dass die Feststellung einer „bezweckten“ Wettbewerbsbeschränkung die zuständige Behörde oder das zuständige Gericht der Notwendigkeit enthebt, deren Wirkungen zu prüfen, bedeutet folglich keineswegs, dass diese Behörde oder dieses Gericht eine solche Prüfung nicht vornehmen könnte, wenn sie oder es dies für angebracht hält.

41

Die in der vorstehenden Randnummer angestellten Erwägungen werden keinesfalls durch diejenigen in Frage gestellt, auf die das vorlegende Gericht Bezug nimmt und wonach es zum einen im Fall einer „bezweckten“ Wettbewerbsbeschränkung schwieriger sei, eine Freistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV zu rechtfertigen, als im Fall einer „bewirkten“ Beschränkung und wonach zum anderen eine „bezweckte“ Beschränkung strenger geahndet werde als eine „bewirkte“ Beschränkung.

42

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass gegebenenfalls die Erwägungen, die der Einstufung eines Verhaltens als „bezweckte“ Wettbewerbsbeschränkung zugrunde liegen, auch im Rahmen der Prüfung der Frage, ob diese Einschränkung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV freigestellt werden kann, oder bei der Prüfung der Sanktion, die im Zusammenhang mit dieser Einschränkung zu verhängen ist, eine Rolle spielen, keine Auswirkungen auf die Möglichkeit der zuständigen Wettbewerbsbehörde hat, eine Verhaltensweise eines Unternehmens als Einschränkung des Wettbewerbs nach Art. 101 Abs. 1 AEUV sowohl wegen ihres Zwecks als auch wegen ihrer Auswirkungen einzustufen.

43

Schließlich ist hinzuzufügen, dass, wie der Generalanwalt in den Nrn. 29 und 30 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, die der zuständigen Behörde oder dem zuständigen Gericht eröffnete Möglichkeit, ein und dasselbe wettbewerbswidrige Verhalten sowohl als „bezweckte“ als auch als „bewirkte“ Beschränkung einzustufen, diese Behörde oder dieses Gericht nicht von der Verpflichtung entbindet, zum einen die diesbezüglichen Feststellungen durch die erforderlichen Nachweise zu untermauern und zum anderen klarzustellen, inwieweit sich diese Nachweise auf die eine oder die andere Art der so festgestellten Einschränkung beziehen.

44

Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 101 Abs. 1 AEUV dahin auszulegen ist, dass er dem nicht entgegensteht, dass bei ein und demselben wettbewerbswidrigen Verhalten davon ausgegangen wird, dass es eine Einschränkung des Wettbewerbs im Sinne dieser Bestimmung sowohl bezweckt als auch bewirkt.

Zur zweiten Frage

45

Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 101 Abs. 1 AEUV dahin auszulegen ist, dass eine Vereinbarung zwischen Banken, mit der das Interbankenentgelt in einheitlicher Höhe festgelegt wird, das bei der Durchführung eines Kartenzahlungsvorgangs den Issuing-Banken solcher Karten zusteht, die von auf dem betreffenden nationalen Markt tätigen Kartenzahlungsdienstleistern angeboten werden, als Vereinbarung einzustufen ist, die im Sinne dieser Vorschrift eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs „bezweckt“.

Zur Zulässigkeit

46

Die Wettbewerbsbehörde, die Magyar Külkereskedelmi Bank, MasterCard und die ungarische Regierung halten die zweite Frage für unzulässig, da es nicht Sache des Gerichtshofs sei, sich zur konkreten Anwendung von Art. 101 Abs. 1 AEUV auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens zu äußern.

47

Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass sich die Rolle des Gerichtshofs im Verfahren nach Art. 267 AEUV, der auf einer klaren Aufgabentrennung zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof beruht, auf die Auslegung derjenigen Bestimmungen des Unionsrechts beschränkt, zu denen ihm Fragen vorgelegt werden (Urteil vom 14. März 2013, Allianz Hungária Biztosító u. a.,C‑32/11, EU:C:2013:160, Rn. 29).

48

Der Gerichtshof kann jedoch bei seiner Entscheidung im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens gegebenenfalls bestimmte Punkte klarstellen, um dem nationalen Gericht eine Richtschnur für seine Auslegung zu geben (Urteil vom 13. Juli 2006, Manfredi u. a.,C‑295/04 bis C‑298/04, EU:C:2006:461, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung). Zwar ist nämlich der Gerichtshof im Rahmen des Art. 267 AEUV nicht befugt, die Vorschriften des Unionsrechts auf konkrete Fälle anzuwenden, er kann aber dem nationalen Gericht die Auslegungshinweise geben, die dieses zur Entscheidung des Rechtsstreits benötigt (vgl. u. a. Urteile vom 26. Januar 1977, Gesellschaft für Überseehandel,49/76, EU:C:1977:9, Rn. 4, und vom 8. Juli 1992, Knoch,C‑102/91, EU:C:1992:303, Rn. 18).

49

Im vorliegenden Fall geht aus der Begründung der Vorlageentscheidung hervor, dass das vorlegende Gericht den Gerichtshof im Wesentlichen darum ersucht, sich nicht zur konkreten Anwendung von Art. 101 Abs. 1 AEUV auf die Umstände des Ausgangsverfahrens zu äußern, sondern zu der Frage, ob eine Vereinbarung zwischen Banken, mit der das Interbankenentgelt, das bei der Durchführung eines Kartenzahlungsvorgangs den Issuing-Banken solcher Karten zusteht, in einheitlicher Höhe festgelegt wird, im Hinblick auf diese Vorschrift als Vereinbarung angesehen werden kann, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt.

50

Die zweite Frage ist deshalb zulässig.

Zur Begründetheit

51

Über die in den Rn. 33 bis 40 des vorliegenden Urteils dargelegten Erwägungen hinaus ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs bei der Prüfung der Frage, ob eine Vereinbarung zwischen Unternehmen oder ein Beschluss einer Unternehmensvereinigung eine hinreichende Beeinträchtigung des Wettbewerbs erkennen lässt, um als „bezweckte“ Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV aufgefasst zu werden, auf den Inhalt ihrer Bestimmungen und die mit ihr verfolgten Ziele sowie auf den wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhang, in dem sie steht, abzustellen. Im Rahmen der Beurteilung dieses Zusammenhangs sind auch die Art der betroffenen Waren und Dienstleistungen, die auf dem betreffenden Markt oder den betreffenden Märkten bestehenden tatsächlichen Bedingungen und die Struktur dieses Marktes oder dieser Märkte zu berücksichtigen (Urteil vom 11. September 2014, CB/Kommission,C‑67/13 P, EU:C:2014:2204, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

52

In Bezug auf die Berücksichtigung der Ziele, die mit einer Maßnahme verfolgt werden, die Gegenstand einer Beurteilung nach Art. 101 Abs. 1 AEUV ist, hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Tatsache, dass eine Maßnahme ein legitimes Ziel verfolgt, nicht die Feststellung ausschließt, dass diese Maßnahme im Hinblick auf ein weiteres mit ihr verfolgtes Ziel, das seinerseits als unrechtmäßig anzusehen ist, auch unter Berücksichtigung des Inhalts der Bestimmungen dieser Maßnahme und des Zusammenhangs, in dem sie steht, einen wettbewerbsbeschränkenden Zweck verfolgt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. September 2014, CB/Kommission,C‑67/13 P, EU:C:2014:2204, Rn. 70).

53

Außerdem ist es den Wettbewerbsbehörden und den Gerichten der Mitgliedstaaten und der Union nicht verwehrt, die Absicht der Beteiligten zu berücksichtigen, auch wenn sie kein notwendiges Element ist, um festzustellen, ob eine Vereinbarung zwischen Unternehmen wettbewerbsbeschränkenden Charakter hat (Urteil vom 11. September 2014, CB/Kommission,C‑67/13 P, EU:C:2014:2204, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).

54

Überdies ist der Begriff der „bezweckten“ Wettbewerbsbeschränkung eng auszulegen. Da nämlich andernfalls die Kommission von der Verpflichtung entbunden würde, die konkreten Auswirkungen von Vereinbarungen auf den Markt zu beweisen, bei denen überhaupt nicht feststeht, dass sie schon ihrer Natur nach schädlich für das gute Funktionieren des Wettbewerbs sind, kann der Begriff der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung nur auf bestimmte Arten von Koordinierung zwischen Unternehmen angewandt werden, die den Wettbewerb hinreichend beeinträchtigen, damit davon ausgegangen werden kann, dass die Prüfung ihrer Auswirkungen nicht notwendig ist. Der Umstand, dass die in Art. 101 Abs. 1 AEUV vorgesehenen Arten von Vereinbarungen keine abschließende Liste der verbotenen Kollusionen darstellen, ist insoweit irrelevant (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. September 2014, CB/Kommission,C‑67/13 P, EU:C:2014:2204, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

55

Kann nicht davon ausgegangen werden, dass die betreffende Vereinbarung einen wettbewerbswidrigen Zweck verfolgt, so ist zu prüfen, ob sie wegen der Wettbewerbsstörungen, die sie bewirkt, als verboten angesehen werden kann. Hierzu ist, wie der Gerichtshof wiederholt entschieden hat, der Wettbewerb so zu betrachten, wie er ohne diese Vereinbarung bestehen würde, um deren Auswirkungen auf die Wettbewerbsparameter, wie namentlich Preis, Menge und Qualität der Produkte und Dienstleistungen, zu beurteilen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. September 2014, MasterCard u. a./Kommission,C‑382/12 P, EU:C:2014:2201, Rn. 161 und 164 und die dort angeführte Rechtsprechung).

56

Im vorliegenden Fall geht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Unterlagen hervor, dass im Bereich der offenen Bankkartensysteme drei Märkte zu unterscheiden sind, nämlich zunächst der „intersystemische Markt“, auf dem die unterschiedlichen Kartensysteme miteinander im Wettbewerb stehen, dann der „Issuing-Markt“, auf dem die Issuing-Banken miteinander im Wettbewerb um die Kundengruppe der Bankkarteninhaber stehen, und schließlich der „Acquiring-Markt“, auf dem die Acquiring-Banken miteinander um die Kundengruppe der Händler konkurrieren.

57

Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts ging die Wettbewerbsbehörde in ihrer Entscheidung davon aus, dass die MIF‑Vereinbarung insbesondere deshalb eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung darstelle, weil sie erstens den wichtigsten Bestandteil des Preiswettbewerbs auf dem intersystemischen Markt in Ungarn neutralisiert habe, ihr zweitens die Banken selbst eine wettbewerbsbeschränkende Rolle auf dem Acquiring-Markt in diesem Mitgliedstaat zugewiesen hätten und sie drittens zwangsläufig den Wettbewerb auf diesem letztgenannten Markt beeinträchtigt habe.

58

Vor dem Gerichtshof haben die Wettbewerbsbehörde, die ungarische Regierung und die Kommission ebenfalls in diesem Sinne geltend gemacht, dass die MIF‑Vereinbarung eine „bezweckte“ Wettbewerbsbeschränkung darstelle, weil sie eine mittelbare Festlegung der Dienstleistungsentgelte impliziere, die als Preise auf dem Acquiring-Markt in Ungarn dienten. Die sechs im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Banken sowie Visa und MasterCard bestreiten hingegen, dass dies der Fall gewesen sei.

59

Zu der Frage, ob eine Vereinbarung wie die MIF‑Vereinbarung im Hinblick auf die relevanten Merkmale der Situation des Ausgangsverfahrens und ihren wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhang als „bezweckte“ Wettbewerbsbeschränkung eingestuft werden kann, ist darauf hinzuweisen, dass es, wie sich aus Rn. 47 des vorliegenden Urteils ergibt, Sache des vorlegenden Gerichts ist, letztlich zu beurteilen, ob die MIF‑Vereinbarung eine Einschränkung des Wettbewerbs bezweckte. Im Übrigen verfügt der Gerichtshof nicht über alle insoweit möglicherweise relevanten Informationen.

60

Was die dem Gerichtshof tatsächlich vorgelegten Informationen betrifft, ist zunächst zum Inhalt der MIF‑Vereinbarung anzumerken, dass es feststeht, dass diese die Höhe der Interbankenentgelte vereinheitlichte, die die Acquiring-Banken an die Issuing-Banken zahlten, wenn ein Zahlungsvorgang unter Verwendung einer Karte durchgeführt wurde, die von einer Bank ausgegeben worden war, die Mitglied des von Visa oder MasterCard angebotenen Kartenzahlungssystems war.

61

Hierzu ist festzustellen, dass, wie der Generalanwalt in Nr. 53 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, eine Vereinbarung wie die MIF‑Vereinbarung, gleichviel ob unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbs zwischen den beiden Kartenzahlungssystemen oder unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbs zwischen den Acquiring-Banken hinsichtlich der Dienstleistungsentgelte betrachtet, nicht unmittelbar Einkaufs- oder Verkaufspreise festlegt, sondern einen Aspekt der Kosten standardisiert, die bei den Acquiring-Banken zugunsten der Issuing-Banken als Gegenleistung für Dienstleistungen entstehen, die bei der Verwendung von Kreditkarten, die die letztgenannten Banken ausgegeben haben, als Zahlungsmittel anfallen.

62

Ungeachtet dieser Erwägung ergibt sich bereits aus dem Wortlaut von Art. 101 Abs. 1 Buchst. a AEUV, dass eine Vereinbarung über die „unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise“ auch als eine Vereinbarung angesehen werden kann, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezweckt. Es stellt sich daher die Frage, ob eine Vereinbarung wie die MIF‑Vereinbarung im Sinne dieser Vorschrift mittelbar Preise festsetzt, soweit mit ihr mittelbar die Dienstleistungsentgelte festgelegt wurden.

63

Außerdem ergibt sich auch aus dem Wortlaut von Art. 101 Abs. 1 Buchst. a AEUV und insbesondere aus dem Wort „insbesondere“, dass, wie in Rn. 54 des vorliegenden Urteils ausgeführt, die in Art. 101 Abs. 1 AEUV vorgesehenen Arten von Vereinbarungen keine abschließende Liste der verbotenen Kollusionen darstellen, so dass andere Arten von Vereinbarungen als „bezweckte“ Einschränkung eingestuft werden können, wenn eine solche Einstufung im Einklang mit den sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebenden Anforderungen erfolgt, auf die in den Rn. 33 bis 39, 47 und 51 bis 55 des vorliegenden Urteils hingewiesen worden ist. Daher kann auch nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass eine Vereinbarung wie die MIF‑Vereinbarung als „bezweckte“ Einschränkung eingestuft wird, da sie ein Element des Wettbewerbs zwischen zwei Kartenzahlungssystemen neutralisierte.

64

Insoweit geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass in der MIF‑Vereinbarung einheitliche Höhen für Interbankenentgelte für verschiedene mit den von Visa und MasterCard angebotenen Karten getätigte Zahlungsvorgänge festgelegt worden sind. Ferner ist ein Teil der früher vereinheitlichten Entgelte erhöht worden, ein anderer Teil aber auf dem früheren Niveau belassen worden. In dem Zeitraum, in dem die MIF‑Vereinbarung in Kraft war, d. h. vom 1. Oktober 1996 bis zum 30. Juli 2008, sank die Höhe der Interbankenentgelte mehrmals ab.

65

Aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten geht zwar hervor, dass in der MIF‑Vereinbarung für die Festsetzung der Interbankenentgelte spezifische Prozentsätze und Beträge festgelegt wurden, doch lässt der Inhalt dieser Vereinbarung nicht zwangsläufig eine „bezweckte“ Einschränkung erkennen, da eine Schädlichkeit ihrer Bestimmungen für den Wettbewerb nicht erwiesen ist.

66

Was sodann die mit der MIF‑Vereinigung verfolgten Ziele betrifft, hat der Gerichtshof bereits in Bezug auf zweiseitige Kartenzahlungssysteme wie die von Visa und MasterCard angebotenen entschieden, dass es Sache der zuständigen Behörde oder des zuständigen Gerichts ist, eine Prüfung der Erfordernisse des Gleichgewichts zwischen den Issuing- und den Acquiring-Tätigkeiten innerhalb des betreffenden Zahlungssystems vorzunehmen, um zu bestimmen, ob der Inhalt einer Vereinbarung oder eines Beschlusses einer Unternehmensvereinigung das Vorliegen einer „bezweckten“ Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV offenbart (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. September 2014, CB/Kommission,C‑67/13 P, EU:C:2014:2204, Rn. 76 und 77).

67

Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Koordinierung zwischen Unternehmen schon ihrer Natur nach schädlich für das gute Funktionieren des Wettbewerbs ist, ist nämlich unter Berücksichtigung u. a. der Art der fraglichen Dienstleistungen sowie der Struktur der betreffenden Märkte und der auf diesen bestehenden tatsächlichen Bedingungen jeder relevante Anhaltspunkt bezüglich des wirtschaftlichen oder juristischen Zusammenhangs, in den sich diese Koordinierung einfügt, zu berücksichtigen, ohne dass es notwendig wäre, dass ein solcher Anhaltspunkt sich auf den relevanten Markt bezieht oder nicht (Urteil vom 11. September 2014, CB/Kommission,C‑67/13 P, EU:C:2014:2204, Rn. 78).

68

Dies gilt insbesondere dann, wenn dieser Anhaltspunkt gerade in der Berücksichtigung von Interaktionen zwischen dem relevanten Markt und einem anderen mit diesem zusammenhängenden Markt liegt, und das umso mehr, wenn es wie im vorliegenden Fall Interaktionen zwischen zwei Teilen eines zweiseitigen Systems gibt (Urteil vom 11. September 2014, CB/Kommission,C‑67/13 P, EU:C:2014:2204, Rn. 79).

69

Wenn im vorliegenden Fall die Angaben in den dem Gerichtshof vorliegenden Akten darauf hindeuten, dass mit der MIF‑Vereinbarung mehrere Ziele verfolgt wurden, ist es Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, welches oder gar welche dieser Ziele tatsächlich nachgewiesen sind.

70

Insoweit hat das vorlegende Gericht ausgeführt, dass die Verwirklichung der in der MSC‑Vereinbarung festgelegten Ziele, auch wenn diese nicht in Kraft getreten sei, beim Abschluss der MIF‑Vereinbarung und bei der Berechnung der darin vorgesehenen einheitlichen Tarife eine Rolle gespielt habe. Die MSC‑Vereinbarung hatte aber gerade den Zweck, für jede Gruppe von Händlern die Mindesthöhe des von diesen zu entrichtenden einheitlichen Dienstleistungsentgelts festzulegen.

71

Allerdings deuten einige Anhaltspunkte, die in den dem Gerichtshof vorliegenden Akten enthalten sind, darauf hin, dass ein Ziel der MIF‑Vereinbarung darin bestand, ein gewisses Gleichgewicht zwischen den Issuing- und den Acquiring-Tätigkeiten innerhalb des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Kartenzahlungssystems zu gewährleisten.

72

Insbesondere seien zum einen die Interbankenentgelte nicht durch Unter- oder Obergrenzen vereinheitlicht worden, sondern durch feste Beträge. Wenn das Ziel der MIF‑Vereinbarung nur darin bestanden hätte, sicherzustellen, dass die Händler Dienstleistungsentgelte in einer bestimmten Höhe zahlten, wäre es den Parteien dieser Vereinbarung möglich gewesen, nur Mindestgrenzen für die Interbankenentgelte vorzusehen. Zum anderen ist festzustellen, dass, während das Interbankenentgelt an die Issuing-Banken als Gegenleistung für die durch die Nutzung einer Zahlungskarte aktivierten Dienste gezahlt wird, die Banken den dem Gerichtshof vorliegenden Akten zufolge in den Jahren 2006 und 2007 von MasterCard und Visa darüber informiert wurden, dass die von den beiden Letztgenannten durchgeführten Kostenstudien zeigten, dass die in der MIF‑Vereinbarung festgelegten Kostenniveaus nicht ausreichten, um sämtliche von den Issuing-Banken getragenen Kosten zu decken.

73

Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass diese Gesichtspunkte darauf hinweisen, dass die MIF‑Vereinbarung ein Ziel verfolgte, das nicht darin bestand, eine Untergrenze für die Dienstleistungsentgelte sicherzustellen, sondern darin, ein gewisses Gleichgewicht zwischen den „Issuing“- und den „Acquiring“-Tätigkeiten innerhalb jedes der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Kartenzahlungssysteme zu schaffen, um zu gewährleisten, dass bestimmte durch die Nutzung von Karten im Rahmen von Zahlungsvorgängen verursachte Kosten gedeckt werden, und diese Systeme gleichzeitig vor unerwünschten Wirkungen zu schützen, die sich aus einem zu hohen Niveau der Interbankenentgelte und somit gegebenenfalls der Dienstleistungsentgelte ergeben würden.

74

Das vorlegende Gericht weist auch darauf hin, dass die MIF‑Vereinbarung, indem sie den Wettbewerb zwischen den beiden im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Kartenzahlungssystemen hinsichtlich des Kostenaspekts der Interbankenentgelte neutralisiert habe, zu einer Verstärkung des Wettbewerbs zwischen diesen Systemen in anderer Hinsicht habe führen können. Insbesondere hat es ausgeführt, dass sowohl die Entscheidung der Wettbewerbsbehörde als auch die bei ihm anhängige Kassationsbeschwerde auf der Prämisse beruhten, dass die Merkmale der von Visa und MasterCard angebotenen Produkte im Wesentlichen die gleichen seien. Diese Merkmale hätten sich in dem Zeitraum, in dem das im vorliegenden Fall gerügte wettbewerbswidrige Verhalten stattgefunden habe, ändern können. Die Vereinheitlichung der Interbankenentgelte habe einen Wettbewerb hinsichtlich der anderen Merkmale, Transaktionsbedingungen und Preise dieser Produkte auslösen können.

75

Sollte dies tatsächlich der Fall sein – was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist –, kann eine gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstoßende Wettbewerbsbeschränkung auf dem Markt für Zahlungssysteme in Ungarn erst nach einer Beurteilung des Wettbewerbs festgestellt werden, der auf diesem Markt bestanden hätte, wenn es die MIF‑Vereinbarung nicht gegeben hätte; wie sich aus Rn. 55 des vorliegenden Urteils ergibt, gehört diese Beurteilung zur Prüfung der Wirkungen dieser Vereinbarung.

76

Wie der Generalanwalt in Nr. 54 und in den Nrn. 63 bis 73 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, müssen nämlich, um die Einstufung einer Vereinbarung als „bezweckte“ Wettbewerbsbeschränkung ohne Erforderlichkeit der Prüfung ihrer Wirkungen zu rechtfertigen, hinreichend belastbare und solide Erfahrungswerte dafür bestehen, dass diese Vereinbarung als ihrem Wesen nach schädlich für das gute Funktionieren des Wettbewerbs angesehen werden kann.

77

Was im vorliegenden Fall zum einen den Wettbewerb zwischen den beiden Kartenzahlungssystemen betrifft, lässt sich anhand der dem Gerichtshof vorliegenden Informationen nicht feststellen, ob die Beseitigung des Wettbewerbs zwischen Visa und MasterCard hinsichtlich des Aspekts der Kosten, die die Interbankenentgelte darstellen, für sich genommen eine hinreichende Beeinträchtigung des Wettbewerbs erkennen lässt, um davon ausgehen zu können, dass die Prüfung ihrer Wirkungen nicht notwendig ist. Insoweit ist neben den Erwägungen in den Rn. 74 und 75 des vorliegenden Urteils darauf hinzuweisen, dass die vor dem Gerichtshof vorgebrachten Argumente, mit denen im vorliegenden Fall das Vorliegen einer „bezweckten“ Einschränkung dargetan werden soll, im Wesentlichen in der Behauptung bestehen, dass das Vorliegen einer einheitlichen Höhe der Interbankenentgelte zwischen diesen beiden Systemen die wettbewerbswidrigen Auswirkungen, die sich aus der Vereinheitlichung dieser Entgelte ergäben, innerhalb jedes dieser Systeme verstärkt habe.

78

Zum anderen liegen dem Gerichtshof in Bezug auf den Acquiring-Markt in Ungarn, selbst wenn mit der Vereinbarung insbesondere bezweckt worden sein sollte, eine Mindestgrenze für Dienstleistungsentgelte festzulegen, nicht genügend Angaben vor, die belegen könnten, dass diese Vereinbarung den Wettbewerb auf diesem Markt hinreichend beeinträchtigte, so dass eine „bezweckte“ Wettbewerbsbeschränkung festgestellt werden könnte. Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, die insoweit notwendigen Prüfungen anzustellen.

79

Insbesondere lassen im vorliegenden Fall vorbehaltlich dieser Prüfungen die hierzu vorgetragenen Gesichtspunkte nicht den Schluss zu, dass hinreichend allgemeine und beständige Erfahrungswerte dafür bestehen, dass das wettbewerbsschädigende Wesen einer Vereinbarung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden es rechtfertigte, von jeglicher Prüfung der konkreten Auswirkungen dieser Vereinbarung auf den Wettbewerb abzusehen. Die Anhaltspunkte, auf die sich die Wettbewerbsbehörde, die ungarische Regierung und die Kommission in diesem Zusammenhang stützen, d. h. im Wesentlichen die Entscheidungspraxis dieser Behörde und die Rechtsprechung der Unionsgerichte, zeigen beim gegenwärtigen Stand gerade, dass eine eingehende Prüfung der Auswirkungen einer solchen Vereinbarung erforderlich ist, um festzustellen, ob diese tatsächlich die Einführung einer Untergrenze für die Dienstleistungsentgelte bewirkt hat und ob diese Vereinbarung im Hinblick auf die Situation, die ohne sie bestanden hätte, eine Einschränkung des Wettbewerbs bewirkt hat.

80

Was schließlich den Zusammenhang betrifft, in dem die MIF‑Vereinbarung steht, ist erstens festzustellen, dass zwar, wie die Kommission geltend macht, weder die Komplexität der Kartenzahlungssysteme der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art noch die Zweiseitigkeit dieser Systeme als solche oder das Bestehen vertikaler Beziehungen zwischen den verschiedenen Arten der betroffenen Wirtschaftsteilnehmer für sich genommen einer Einstufung der MIF‑Vereinbarung als „bezweckte“ Einschränkung entgegenstehen (vgl. entsprechend Urteil vom 14. März 2013, Allianz Hungária Biztosító u. a.,C‑32/11, EU:C:2013:160, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung). Gleichwohl muss solch ein wettbewerbswidriger Zweck nachgewiesen werden.

81

Zweitens ist vor dem Gerichtshof vorgetragen worden, dass der Wettbewerb zwischen den Kartenzahlungssystemen in Ungarn nicht zu einem Absinken, sondern zu einer Erhöhung der Interbankenentgelte geführt habe, entgegen der disziplinierenden Wirkung auf die Preise, die der Wettbewerb in einer Marktwirtschaft üblicherweise entfalte. Dies sei u. a. darauf zurückzuführen, dass die Händler auf die Festlegung der Interbankenentgelte nur einen beschränkten Druck ausüben könnten, während die Issuing-Banken ein Interesse daran hätten, höhere Provisionseinnahmen zu erzielen.

82

Für den Fall, dass das vorlegende Gericht auch feststellen sollte, dass a priori ernst zu nehmende Hinweise vorliegen, die belegen können, dass die MIF‑Vereinbarung zu einem solchen Erhöhungsdruck geführt hat, oder dass es zumindest widersprüchliche oder mehrdeutige Anhaltspunkte in dieser Hinsicht gibt, können diese Hinweise oder Anhaltspunkte vom vorlegenden Gericht im Rahmen seiner Prüfung, ob im vorliegenden Fall eine „bezweckte“ Einschränkung vorliegt, nicht außer Acht gelassen werden. Entgegen der Auffassung, die sich insoweit aus den schriftlichen Erklärungen der Kommission zu ergeben scheint, ist nämlich der Umstand, dass ohne die MIF‑Vereinbarung die aus dem Wettbewerb hervorgehenden Interbankenentgelte höher gewesen wären, für die Prüfung des Vorliegens einer sich aus dieser Vereinbarung ergebenden Einschränkung relevant, da sich ein solcher Umstand gerade auf den dieser Vereinbarung vorgeworfenen wettbewerbswidrigen Zweck betreffend den Acquiring-Markt in Ungarn bezöge, nämlich dass diese Vereinbarung die Verringerung der Interbankenentgelte und damit den Druck nach unten begrenzt hat, den die Händler auf die Acquiring-Banken hätten ausüben können, um eine Verringerung der Dienstleistungsentgelte zu erreichen.

83

Hinzu kommt, dass, wenn ernst zu nehmende Hinweise dafür bestehen sollten, dass sich ein Erhöhungsdruck auf die Interbankenentgelte ergeben hätte, wenn die MIF‑Vereinbarung nicht geschlossen worden wäre, so dass nicht geltend gemacht werden könnte, dass diese Vereinbarung eine „bezweckte“ Wettbewerbsbeschränkung auf dem Acquiring-Markt in Ungarn darstellte, eine eingehende Prüfung der Auswirkungen dieser Vereinbarung vorzunehmen wäre, in deren Rahmen nach der in Rn. 55 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung der Wettbewerb zu prüfen wäre, wie er sich ohne diese Vereinbarung darstellen würde, um deren Auswirkungen auf die Wettbewerbsparameter zu beurteilen und so festzustellen, ob sie tatsächlich wettbewerbsbeschränkende Wirkungen hatte.

84

Drittens und letztens ist darauf hinzuweisen, dass der vom vorlegenden Gericht hervorgehobene Umstand, dass die an dieser Vereinbarung beteiligten Banken unterschiedslos die von den Interbankenentgelten unmittelbar betroffenen Wirtschaftsteilnehmer umfassten, d. h. sowohl Issuing-Banken als auch Acquiring-Banken, die im Übrigen häufig dieselben sind, auch im Rahmen der Prüfung der Frage, ob die MIF‑Vereinbarung als „bezweckte“ Wettbewerbsbeschränkung eingestuft werden kann, relevant ist.

85

Insbesondere steht dieser Umstand für sich genommen zwar in keiner Weise der Feststellung einer „bezweckten“ Wettbewerbsbeschränkung in Bezug auf eine Vereinbarung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende entgegen, doch kann er eine gewisse Bedeutung im Rahmen der Prüfung der Frage haben, ob die MIF‑Vereinbarung das Ziel hatte, ein gewisses Gleichgewicht innerhalb jedes der im vorliegenden Fall betroffenen Kartenzahlungssysteme zu gewährleisten. Nicht nur haben nämlich die Issuing- und die Acquiring-Banken durch diese Vereinbarung versuchen können, ihre möglicherweise gegensätzlichen Interessen miteinander in Einklang zu bringen, sondern vielleicht wollten auch die Banken, die sowohl auf dem Issuing-Markt als auch auf dem Acquiring-Markt tätig waren, ein Interbankenentgeltniveau erreichen, das es erlaubte, ihre Tätigkeiten auf diesen beiden Märkten bestmöglich zu sichern.

86

Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 101 Abs. 1 AEUV dahin auszulegen ist, dass eine Vereinbarung zwischen Banken, mit der das Interbankenentgelt in einheitlicher Höhe festgelegt wird, das bei der Durchführung eines Kartenzahlungsvorgangs den Issuing-Banken solcher Karten zusteht, die von auf dem betreffenden nationalen Markt tätigen Kartenzahlungsdienstleistern angeboten werden, nicht als Vereinbarung eingestuft werden kann, die im Sinne dieser Vorschrift eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs „bezweckt“, es sei denn, dass davon auszugehen ist, dass diese Vereinbarung im Hinblick auf ihren Inhalt, ihre Ziele und ihren Zusammenhang den Wettbewerb hinreichend beeinträchtigt, um derart eingestuft zu werden, was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist.

Zur dritten und zur vierten Frage

87

Mit seiner dritten und seiner vierten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 101 Abs. 1 AEUV dahin auszulegen ist, dass es erforderlich ist, genauer zu bestimmen, welcher Art die Beteiligung von Gesellschaften war, die Kartenzahlungsdienste erbringen und die nicht unmittelbar an der Ausarbeitung des Inhalts einer im Hinblick auf diese Bestimmung als wettbewerbswidrig angesehenen Vereinbarung zwischen Banken teilgenommen haben, deren Abschluss aber ermöglicht und die Vereinbarung auch akzeptiert und angewandt haben; falls dies zu bejahen sein sollte, möchte das vorlegende Gericht weiter wissen, ob nach derselben Vorschrift diese Gesellschaften als Parteien dieser Vereinbarung oder als Beteiligte an einer Abstimmung der Verhaltensweise mit den Banken anzusehen sind, die diese Vereinbarung geschlossen haben.

88

Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass die dritte und die vierte Frage für den Fall gestellt werden, dass das vorlegende Gericht veranlasst sein sollte, für ein späteres Verfahren unionsrechtskonforme Hinweise zu geben. Insbesondere habe sich der Fővárosi Törvényszék (Hauptstädtischer Gerichtshof) in dem Urteil, das Gegenstand der bei ihm anhängigen Kassationsbeschwerde sei, nicht mit der Frage der Beteiligung von Visa an der MIF‑Vereinbarung aus unionsrechtlicher Sicht befasst, und Visa habe zu dieser Frage beim vorlegenden Gericht keine Anschlusskassationsbeschwerde eingelegt.

89

Außerdem hat MasterCard in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof vorgetragen, dass der Ausgangsrechtsstreit keine Auswirkungen auf die Rechtsstellung von MasterCard habe, da MasterCard, wie ebenfalls aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, gegen das erstinstanzliche Urteil des Fővárosi Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság (Hauptstädtisches Verwaltungs- und Arbeitsgericht) kein Rechtsmittel beim Fővárosi Törvényszék (Hauptstädtischer Gerichtshof) eingelegt habe.

90

Folglich ist, wie das vorlegende Gericht ausdrücklich einräumt, die Auslegung des Unionsrechts, die es mit der dritten und der vierten Frage begehrt, nicht erforderlich, um ihm die Entscheidung des bei ihm derzeit anhängigen Rechtsstreits zu ermöglichen, sondern könnte im Rahmen eines etwaigen künftigen nationalen Verfahrens nützlich sein.

91

Unter diesen Umständen sind in Anbetracht der in Rn. 29 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung die dritte und die vierte Frage wegen ihres hypothetischen Charakters als unzulässig anzusehen.

Kosten

92

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

 

1.

Art. 101 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass er dem nicht entgegensteht, dass bei ein und demselben wettbewerbswidrigen Verhalten davon ausgegangen wird, dass es eine Einschränkung des Wettbewerbs im Sinne dieser Bestimmung sowohl bezweckt als auch bewirkt.

 

2.

Art. 101 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass eine Vereinbarung zwischen Banken, mit der das Interbankenentgelt in einheitlicher Höhe festgelegt wird, das bei der Durchführung eines Kartenzahlungsvorgangs den Issuing-Banken solcher Karten zusteht, die von auf dem betreffenden nationalen Markt tätigen Kartenzahlungsdienstleistern angeboten werden, nicht als Vereinbarung eingestuft werden kann, die im Sinne dieser Vorschrift eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs „bezweckt“, es sei denn, dass davon auszugehen ist, dass diese Vereinbarung im Hinblick auf ihren Inhalt, ihre Ziele und ihren Zusammenhang den Wettbewerb hinreichend beeinträchtigt, um derart eingestuft zu werden, was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Ungarisch.