URTEIL DES GERICHTSHOFS (Neunte Kammer)

12. September 2019 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Rechtsangleichung – Verordnung (EG) Nr. 882/2004 – Art. 27 – Amtliche Kontrollen von Lebens‑ und Futtermitteln – Finanzierung – Gebühren oder Kostenbeiträge für amtliche Kontrollen – Möglichkeit der Mitgliedstaaten, bestimmte Kategorien von Unternehmern zu befreien – Mindestgebühren“

In den verbundenen Rechtssachen C‑199/18, C‑200/18 und C‑343/18

betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) mit Entscheidungen vom 14. Dezember 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 19. März 2018, in den Verfahren

Pollo del Campo S.c.a.,

Avi Coop Società Cooperativa Agricola (C‑199/18),

C.A.F.A.R. – Società Agricola Cooperativa,

Società Agricola Guidi di Roncofreddo di Guidi Giancarlo e Nicolini Fausta (C‑200/18)

gegen

Regione Emilia-Romagna,

Azienda Unità Sanitaria Locale 104 di Modena,

A.U.S.L. Romagna (C‑199/18 und C‑200/18)

und

SAIGI Società Cooperativa Agricola a r.l.,

MA.GE.MA. Società Agricola Cooperativa

gegen

Regione Emilia-Romagna,

A.U.S.L. Romagna (C‑343/18)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin K. Jürimäe sowie der Richter D. Šváby (Berichterstatter) und S. Rodin,

Generalanwalt: P. Pikamäe,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Pollo del Campo S.c.a., Avi Coop Società Cooperativa Agricola, vertreten durch M. Giustiniani, A. Gamberini und M. Aldegheri, avvocati,

der C.A.F.A.R. – Società Agricola Cooperativa, vertreten durch M. Aldegheri, avvocatessa, dann durch A. Clarizia, avvocato,

der Società Agricola Guidi di Roncofreddo di Guidi Giancarlo e Nicolini Fausta, vertreten durch M. Giustiniani, A. Gamberini und M. Aldegheri, avvocati,

der A.U.S.L. Romagna, vertreten durch A. Lolli, avvocato,

der Regione Emilia-Romagna, vertreten durch G. Puliatti und F. Senofonte, avvocati,

der Europäischen Kommission, vertreten durch F. Moro und D. Bianchi als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 27 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz (ABl. 2004, L 165, S. 1, berichtigt im ABl. 2004, L 191, S. 1).

2

Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von drei Rechtsstreitigkeiten zwischen der Pollo del Campo S.c.a. und der Avi Coop Società Cooperativa Agricola (Rechtssache C‑199/18), der C.A.F.A.R. – Società Agricola Cooperativa und der Società Agricola Guidi di Roncofreddo di Guidi Giancarlo e Nicolini Fausta (Rechtssache C‑200/18) sowie der SAIGI Società Cooperativa Agricola a r.l. und der MA.GE.MA. Società Agricola Cooperativa (Rechtssache C‑343/18) auf der einen Seite und der Regione Emilia-Romagna (Region Emilia-Romagna, Italien), der Azienda Unità Sanitaria Locale 104 di Modena (Örtliches Gesundheitsamt 104 Modena, Italien) und der A.U.S.L. Romagna (Örtliches Gesundheitsamt Romagna, Italien) auf der anderen Seite wegen einer Entscheidung der Region Emilia-Romagna, aufgrund deren die Klägerinnen der Ausgangsverfahren zur Zahlung einer Gebühr zur Deckung der durch die amtlichen veterinärrechtlichen Kontrollen entstandenen Kosten verpflichtet wurden.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 89/662/EWG

3

Art. 1 der Richtlinie 89/662/EWG des Rates vom 11. Dezember 1989 zur Regelung der veterinärrechtlichen Kontrollen im innergemeinschaftlichen Handel im Hinblick auf den gemeinsamen Binnenmarkt (ABl. 1989, L 395, S. 13) in der durch die Richtlinie 2004/41/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 (ABl. 2004, L 157, S. 33, berichtigt im ABl. 2004, L 195, S. 12) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 89/662) sieht vor, dass die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass die veterinärrechtlichen Kontrollen bei Erzeugnissen tierischen Ursprungs, die unter die in Anhang A aufgeführten Rechtsakte fallen und für den Handel bestimmt sind, nicht mehr an den Grenzen, sondern nach Maßgabe dieser Richtlinie durchgeführt werden.

4

In Kapitel I des Anhangs A werden die Richtlinie 2002/99/EG des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Festlegung von tierseuchenrechtlichen Vorschriften für das Herstellen, die Verarbeitung, den Vertrieb und die Einfuhr von Lebensmitteln tierischen Ursprungs (ABl. 2003, L 18, S. 11) und die Verordnung (EG) Nr. 853/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 mit spezifischen Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs (ABl. 2004, L 139, S. 55) erwähnt.

Richtlinie 93/119/EG

5

Die Richtlinie 93/119/EG des Rates vom 22. Dezember 1993 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Schlachtung oder Tötung (ABl. 1993, L 340, S. 21) enthielt gemeinsame Mindestvorschriften für den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Schlachtung oder Tötung, um die rationelle Entwicklung der Erzeugung zu gewährleisten und die Vollendung des Binnenmarkts für Tiere und tierische Erzeugnisse zu erleichtern.

Richtlinie 96/23/EG

6

Die Richtlinie 96/23/EG des Rates vom 29. April 1996 über Kontrollmaßnahmen hinsichtlich bestimmter Stoffe und ihrer Rückstände in lebenden Tieren und tierischen Erzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinien 85/358/EWG und 86/469/EWG und der Entscheidungen 89/187/EWG und 91/664/EWG (ABl. 1996, L 125, S. 10) normiert Kontrollmaßnahmen in Bezug auf die in ihrem Anhang I aufgeführten Stoffe und Rückstandsgruppen.

7

Insoweit sieht der zu Kapitel II („Überwachungspläne für die Ermittlung von Rückständen und Stoffen“) dieser Richtlinie gehörende Art. 3 vor:

„Die Überwachung der Produktionskette für Tiere und Primärerzeugnisse tierischen Ursprungs im Hinblick auf die Untersuchung von lebenden Tieren, ihren festen und flüssigen Ausscheidungen sowie von Tiergewebe, tierischen Erzeugnissen, Futtermitteln und Trinkwasser für Tiere auf Rückstände und Stoffe des Anhangs I [dieser Richtlinie] erfolgt nach Maßgabe dieses Kapitels.“

Verordnung (EG) Nr. 178/2002

8

Die Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. 2002, L 31, S. 1) bestimmt in ihrem Art. 3 („Sonstige Definitionen“):

„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

1.

‚Lebensmittelrecht‘ die Rechts- und Verwaltungsvorschriften für Lebensmittel im Allgemeinen und die Lebensmittelsicherheit im Besonderen, sei es auf gemeinschaftlicher oder auf einzelstaatlicher Ebene, wobei alle Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen von Lebensmitteln wie auch von Futtermitteln, die für der Lebensmittelgewinnung dienende Tiere hergestellt oder an sie verfüttert werden, einbezogen sind;

3.

‚Lebensmittelunternehmer‘ die natürlichen oder juristischen Personen, die dafür verantwortlich sind, dass die Anforderungen des Lebensmittelrechts in dem ihrer Kontrolle unterstehenden Lebensmittelunternehmen erfüllt werden;

6.

‚Futtermittelunternehmer‘ die natürlichen oder juristischen Personen, die dafür verantwortlich sind, dass die Anforderungen des Lebensmittelrechts in dem ihrer Kontrolle unterstehenden Futtermittelunternehmen erfüllt werden.“

Verordnung Nr. 853/2004

9

Anhang III der Verordnung Nr. 853/2004 enthält eine Reihe besonderer Anforderungen. Insbesondere enthält sein Abschnitt 2 Anforderungen an Fleisch von Geflügel und Hasentieren, die insbesondere die Schlachtung und die Fleischzerlegung betreffen.

Verordnung Nr. 882/2004

10

Die Erwägungsgründe 4, 6 und 32 der Verordnung Nr. 882/2004 lauten:

„(4)

Das Futtermittel- und Lebensmittelrecht der Gemeinschaft geht von dem Grundsatz aus, dass Futtermittel- und Lebensmittelunternehmer auf allen Stufen der Produktion, der Verarbeitung und des Vertriebs in den ihnen unterstehenden Unternehmen sicherstellen, dass Futtermittel und Lebensmittel die für ihre Tätigkeit relevanten Vorschriften des Futtermittel- und des Lebensmittelrechts erfüllen.

...

(6)

Die Mitgliedstaaten sollten das Futtermittel- und das Lebensmittelrecht sowie die Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz durchsetzen sowie überwachen und überprüfen, dass die entsprechenden Anforderungen von den Unternehmern auf allen Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen eingehalten werden. Zu diesem Zweck sollten amtliche Kontrollen durchgeführt werden.

(32)

Für die Durchführung amtlicher Kontrollen sollten ausreichende Finanzmittel bereitgestellt werden. Daher sollten die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten Gebühren oder Kostenbeiträge zur Deckung der Kosten erheben können, die durch die amtlichen Kontrollen entstehen. Dabei steht es den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten frei, die Gebühren und Kostenbeiträge auf der Grundlage der entstandenen Kosten und unter Berücksichtigung der betrieblichen Gegebenheiten als Pauschalbeträge festzulegen. Werden die Unternehmer zur Abgabe von Gebühren verpflichtet, so sollten hierfür einheitliche Grundsätze gelten. Es ist daher angezeigt, die Kriterien für die Bestimmung der Höhe von Inspektionsgebühren festzulegen. In Bezug auf Gebühren für Einfuhrkontrollen ist es angebracht, für die wichtigsten Einfuhrgüter unmittelbar Gebührensätze festzulegen, um die einheitliche Anwendung zu gewährleisten und Handelsverzerrungen zu vermeiden.“

11

Zu Titel I („Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen“) der Verordnung Nr. 882/2004 gehört deren Art. 1 („Gegenstand und Anwendungsbereich“), in dessen Abs. 1 es heißt:

„In dieser Verordnung werden allgemeine Regeln für die Durchführung amtlicher Kontrollen festgelegt, mit denen überprüft werden soll, ob Bestimmungen eingehalten werden, die insbesondere darauf abzielen,

a)

unmittelbar oder über die Umwelt auftretende Risiken für Mensch und Tier zu vermeiden, zu beseitigen oder auf ein annehmbares Maß zu senken …“

12

Art. 2 Nr. 1 der Verordnung Nr. 882/2004 definiert „amtliche Kontrolle“ als „jede Form der Kontrolle, die von der zuständigen Behörde oder der [Union] zur Verifizierung der Einhaltung des Futtermittel- und Lebensmittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz durchgeführt wird“.

13

In dem zu Kapitel I („Allgemeine Verpflichtungen“) des Titels II („Amtliche Kontrollen durch die Mitgliedstaaten“) der Verordnung gehörenden Art. 3 („Allgemeine Verpflichtungen hinsichtlich der Organisation amtlicher Kontrollen“) heißt es:

„(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass regelmäßig, auf Risikobasis und mit angemessener Häufigkeit amtliche Kontrollen durchgeführt werden, damit die Ziele der vorliegenden Verordnung erreicht werden; …

(3)   Amtliche Kontrollen werden auf jeder Stufe der Produktion, der Verarbeitung und des Vertriebs von Futtermitteln oder Lebensmitteln, Tieren und tierischen Erzeugnissen durchgeführt. Dazu gehören Kontrollen der Futtermittel- und Lebensmittelunternehmen, der Verwendung von Futtermitteln und Lebensmitteln, der Lagerung von Futtermitteln und Lebensmitteln, aller Prozesse, Materialien, Substanzen, Tätigkeiten oder Vorgänge – einschließlich Transport – im Zusammenhang mit Futtermitteln oder Lebensmitteln sowie lebender Tiere und Pflanzen im Hinblick auf die Erreichung der Ziele dieser Verordnung.

…“

14

In Kapitel VI („Finanzierung amtlicher Kontrollen“) des Titels II bestimmt Art. 26 („Allgemeiner Grundsatz“):

„Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass angemessene finanzielle Mittel für die amtlichen Kontrollen verfügbar sind, und zwar aus beliebigen Mitteln, die sie für angemessen halten, einschließlich einer allgemeinen Besteuerung oder der Einführung von Gebühren oder Kostenbeiträgen, damit die erforderlichen personellen und sonstigen Mittel bereitgestellt werden können.“

15

Art. 27 („Gebühren oder Kostenbeiträge“) der Verordnung Nr. 882/2004 bestimmt:

„(1)   Die Mitgliedstaaten können Gebühren oder Kostenbeiträge zur Deckung der Kosten erheben, die durch die amtlichen Kontrollen entstehen.

(2)   Allerdings sorgen die Mitgliedstaaten bezüglich der in Anhang IV Abschnitt A und Anhang V Abschnitt A genannten Tätigkeiten dafür, dass eine Gebühr erhoben wird.

(3)   Unbeschadet der Absätze 4 und 6 dürfen die Gebühren, die in Verbindung mit den in Anhang IV Abschnitt A und Anhang V Abschnitt A genannten konkreten Tätigkeiten erhoben werden, nicht niedriger sein als die in Anhang IV Abschnitt B und Anhang V Abschnitt B angegebenen Mindestbeträge. Während eines Übergangszeitraums bis zum 1. Januar 2008 können die Mitgliedstaaten bezüglich der in Anhang IV Abschnitt A genannten Tätigkeiten jedoch weiterhin die nach der Richtlinie 85/73/EWG [des Rates vom 29. Januar 1985 über die Finanzierung der Untersuchungen und Hygienekontrollen von frischem Fleisch und Geflügelfleisch (ABl. 1985, L 32, S. 14)] geltenden Beträge erheben.

(4)   Die gemäß Absatz 1 oder 2 zum Zwecke von amtlichen Kontrollen erhobenen Gebühren

...

b)

können auf der Grundlage der von den zuständigen Behörden während eines bestimmten Zeitraums getragenen Kosten als Pauschale festgesetzt werden oder gegebenenfalls den in Anhang IV Abschnitt B bzw. Anhang V Abschnitt B festgelegten Beträgen entsprechen.

(5)   Bei der Festsetzung der Gebühren berücksichtigen die Mitgliedstaaten Folgendes:

a)

die Art des betroffenen Unternehmens und die entsprechenden Risikofaktoren;

b)

die Interessen der Unternehmen mit geringem Durchsatz;

c)

die traditionellen Methoden der Produktion, der Verarbeitung und des Vertriebs;

d)

die Erfordernisse von Unternehmen in Regionen in schwieriger geografischer Lage.

(6)   Zur Berücksichtigung der vom Futtermittel- oder Lebensmittelunternehmen eingesetzten Systeme für Eigenkontrollen und Rückverfolgung sowie des im Rahmen der amtlichen Kontrollen festgestellten Umfangs der Einhaltung der Vorschriften können die Mitgliedstaaten, wenn die amtlichen Kontrollen für eine bestimmte Art von Futtermitteln oder Lebensmitteln oder von Tätigkeiten mit geringerer Häufigkeit durchgeführt werden oder wenn sie den in Absatz 5 Buchstaben b) bis d) genannten Kriterien Rechnung tragen wollen, den Beitrag für die amtlichen Kontrollen auf einen Betrag festlegen, der niedriger als die in Absatz 4 Buchstabe b) genannten Mindestbeträge ist, vorausgesetzt, der betreffende Mitgliedstaat übermittelt der Kommission einen Bericht, in dem Folgendes angegeben ist:

a)

die Art des betreffenden Futtermittels oder Lebensmittels oder der betreffenden Tätigkeit;

b)

die in den betreffenden Futtermittel- oder Lebensmittelunternehmen durchgeführten Kontrollen, und

c)

die Methode für die Berechnung der Reduzierung der Gebühr.

…“

16

In Anhang IV („Tätigkeiten und Mindestgebühren bzw. ‑kostenbeiträge im Zusammenhang mit der amtlichen Kontrolle von Gemeinschaftsbetrieben“) der Verordnung Nr. 882/2004 bestimmt Abschnitt A:

„(1)

Die Tätigkeiten, die unter die Richtlinien 89/662/EWG, 90/425/EWG [des Rates vom 26. Juni 1990 zur Regelung der veterinärrechtlichen und tierzüchterischen Kontrollen im innergemeinschaftlichen Handel mit lebenden Tieren und Erzeugnissen im Hinblick auf den Binnenmarkt (ABl. 1990, L 224, S. 29)], 93/119/EG und 96/23/EG fallen und für die die Mitgliedstaaten derzeit Gebühren gemäß der Richtlinie 85/73/EWG erheben.

(2)

Die Zulassung von Futtermittelbetrieben.“

17

Abschnitt B des Anhangs IV sieht vor, dass die Mitgliedstaaten für Kontrollen im Zusammenhang mit der in diesem Abschnitt enthaltenen Liste von Produkten die in diesem Abschnitt aufgeführten Mindestgebühren bzw. ‑kostenbeiträge erheben. Darin werden u. a. Mindestgebühren bzw. ‑kostenbeiträge im Zusammenhang mit der Fleischuntersuchung und Mindestgebühren bzw. ‑kostenbeiträge im Zusammenhang mit der Kontrolle von Zerlegungsbetrieben festgelegt.

18

Anhang V („Tätigkeiten und Mindestgebühren bzw. ‑kostenbeiträge im Zusammenhang mit den amtlichen Kontrollen von Waren und lebenden Tieren, die in die Gemeinschaft eingeführt werden“) der Verordnung Nr. 882/2004 bestimmt:

„Die Tätigkeiten, die unter die Richtlinien 97/78/EG [des Rates vom 18. Dezember 1997 zur Festlegung von Grundregeln für die Veterinärkontrollen von aus Drittländern in die Gemeinschaft eingeführten Erzeugnissen (ABl. 1997, L 24, S. 9)] und 91/496/EWG [des Rates vom 15. Juli 1991 zur Festlegung von Grundregeln für die Veterinärkontrollen von aus Drittländern in die Gemeinschaft eingeführten Tieren und zur Änderung der Richtlinien 89/662/EWG, 90/425/EWG und 90/675/EWG (ABl. 1991, L 268, S. 56)] fallen und für die die Mitgliedstaaten derzeit Gebühren gemäß der Richtlinie 85/73/EWG erheben.“

19

Abschnitt B des Anhangs V sieht vor, dass die Mitgliedstaaten für amtliche Kontrollen im Zusammenhang mit der in diesem Abschnitt enthaltenen Liste von Produkten die in diesem Abschnitt aufgeführten Mindestgebühren bzw. ‑kostenbeiträge erheben.

Italienisches Recht

20

In Art. 1 des Decreto legislativo n. 194 – Disciplina delle modalità di rifinanziamento dei controlli sanitari ufficiali in attuazione del regolamento (CE) n. 882/2004 (Gesetzesvertretendes Dekret Nr. 194 zur Regelung der Modalitäten der Finanzierung der amtlichen Gesundheitskontrollen gemäß der Verordnung Nr. 882/2004 (im Folgenden: Gesetzesvertretendes Dekret Nr. 194/2008) vom 19. November 2008 (GURI Nr. 289 vom 11. Dezember 2008) wird dessen Anwendungsbereich wie folgt definiert:

„(1)   Das vorliegende Dekret legt die Modalitäten der Finanzierung der in Titel II der Verordnung … Nr. 882/2004 geregelten amtlichen Gesundheitskontrollen fest, die von den Behörden durchgeführt werden, die für die Überwachung der Einhaltung der Vorschriften des Futtermittel- und Lebensmittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz zuständig sind.

(2)   Für die Finanzierung der Kontrollen nach Abs. 1 gelten die in den Anhängen zu diesem Dekret vorgesehenen Gebühren nach Maßgabe der Modalitäten des Art. 2.

(3)   Die Gebühren nach diesem Dekret, die an die Stelle aller anderen für die Gesundheitskontrolle nach Abs. 1 vorgesehenen Gebühren treten, werden von den Unternehmern der Sektoren getragen, die von den Kontrollen gemäß Abs. 1 betroffen sind …“

21

Das Gesetzesvertretende Dekret Nr. 194/2008 enthält in den Abschnitten 1 und 2 von Anhang A die für Schlachthöfe und für Kontrollen von Zerlegungsbetrieben geltenden Gebühren, die den in Anhang IV Abschnitt B der Verordnung Nr. 882/2004 genannten entsprechen.

22

Um die Anwendung der Vorschriften der Verordnung Nr. 882/2004 zu gewährleisten und eine Ungleichbehandlung in Italien zu verhindern, wurde Art. 1 des Gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 194/2008 durch die Legge n. 96 – Disposizioni per l’adempimento di obblighi derivanti dall’appartenenza dell’Italia alle Comunità europee – Legge comunitaria 2009 (Gesetz Nr. 96 mit Bestimmungen zur Erfüllung der Verpflichtungen aus der Mitgliedschaft Italiens in den Europäischen Gemeinschaften – Gemeinschaftsgesetz 2009) vom 4. Juni 2010 (Supplemento ordinario zum GURI Nr. 146 vom 25. Juni 2010) insofern geändert, als folgender Abs. 3a eingefügt wurde:

„Vom Anwendungsbereich dieses Dekrets sind die landwirtschaftlichen Unternehmer ausgenommen, die einer Tätigkeit im Sinne des Art. 2135 des Zivilgesetzbuchs nachgehen.“

23

Art. 2135 des Codice Civile (Zivilgesetzbuch) lautet:

„Landwirtschaftlicher Unternehmer ist, wer eine der folgenden Tätigkeiten ausübt: Bewirtschaftung des Bodens, Forstwirtschaft, Tierhaltung und damit verbundene Tätigkeiten.

Unter Bewirtschaftung des Bodens, unter Forstwirtschaft und unter Tierzucht versteht man Tätigkeiten, die auf die Pflege und Entwicklung eines biologischen Kreislaufs pflanzlicher oder tierischer Natur oder einer notwendigen Stufe eines solchen Kreislaufs gerichtet sind, und für die der Boden, der Wald oder das Süß-, Salz- oder Meereswasser verwendet wird oder verwendet werden kann.

Als damit verbunden gelten jedenfalls die vom selben landwirtschaftlichen Unternehmer ausgeübten Tätigkeiten, die auf eine Bearbeitung, Konservierung, Verarbeitung, Vermarktung und Veredelung von Erzeugnissen gerichtet sind, die vorwiegend aus der Bewirtschaftung des Bodens oder des Waldes oder aus der Tierhaltung erzielt werden, sowie jene Tätigkeiten, die auf die Lieferung von Gütern oder Erbringung von Dienstleistungen durch vorwiegende Verwendung von Betriebseinrichtungen und Betriebsmitteln, die bei der ausgeübten landwirtschaftlichen Tätigkeit gewöhnlich eingesetzt werden, gerichtet sind, wobei die Tätigkeiten zur Verbesserung des Bodens und des Land- und Forstbestandes oder im Zusammenhang mit der Beherbergung und Bewirtung von Gästen in der vom Gesetz bestimmten Art inbegriffen sind.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

24

Die Klägerinnen der Ausgangsverfahren sind landwirtschaftliche Betriebe, die in der Aufzucht, Schlachtung und Vermarktung von Geflügel tätig sind.

25

Mit Beschluss vom 12. Dezember 2011 verpflichtete das regionale Vollzugsorgan der Region Emilia-Romagna u. a. landwirtschaftliche Unternehmer, die die unter die Abschnitte 1 und 2 des Anhangs A des Gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 194/2008 fallenden Tätigkeiten ausüben, also Schlachtbetriebe und Zerlegungsbetriebe, zur Zahlung der in diesem Dekret vorgesehenen Gebühren.

26

Die Klägerinnen der Ausgangsverfahren erhoben beim Tribunale amministrativo regionale per l’Emilia-Romagna (Verwaltungsgericht für die Region Emilia-Romagna, Italien) Klage gegen diesen Beschluss und die sich daraus für sie ergebenden beschwerenden Maßnahmen. Dieses Gericht wies die Klage ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass die Verordnung Nr. 882/2004 es den Mitgliedstaaten nicht gestatte, Ausnahmen von der Verpflichtung zur Zahlung der Veterinärgebühren vorzusehen.

27

Die Klägerinnen der Ausgangsverfahren erhoben sodann beim Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) eine Klage auf Abänderung des Urteils. Sie machen im Wesentlichen geltend, erstens seien nach der unionsrechtlichen Regelung nicht alle Unternehmer des Landwirtschaftssektors, insbesondere nicht die „landwirtschaftlichen Unternehmer“ im Sinne von Art. 2135 des Zivilgesetzbuchs, zur Zahlung der Gebühren für die amtlichen Gesundheitskontrollen verpflichtet. Nach der unionsrechtlichen Regelung müssten die Mitgliedstaaten lediglich die Erhebung einer Gebühr für bestimmte Tätigkeiten wie die Inspektion von Schlachtbetrieben und die Kontrolle des Betriebs von Zerlegungsstätten sicherstellen. Es stehe den Mitgliedstaaten frei, die Finanzierung dieser Kontrollen nach den geeignetsten Modalitäten auszugestalten.

28

Zweitens müsse die Befreiung von der Zahlung der Gebühren auch für landwirtschaftliche Unternehmer gelten, die Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Tierhaltung sowie der Behandlung, Konservierung, Verarbeitung, Vermarktung und Veredelung überwiegend aus der Tierhaltung stammender Erzeugnisse ausübten.

29

Der in diesem Kontext angerufene Consiglio di Stato (Staatsrat) möchte wissen, welche Verpflichtungen sich aus der Verordnung Nr. 882/2004 für die Mitgliedstaaten ergeben. Konkret fragt er zum einen danach, ob diese Verordnung den Mitgliedstaaten die Möglichkeit gibt, Ausnahmen von der Verpflichtung zur Zahlung einer Gebühr für die amtlichen Gesundheitskontrollen vorzusehen.

30

Zum anderen möchte er wissen, wie die Kategorie der landwirtschaftlichen Unternehmer, die von der Zahlung dieser Gebühr befreit werden können, unter Berücksichtigung eines Urteils der Corte di cassazione (Kassationsgerichtshof, Italien) vom 10. November 2016 genau abzugrenzen ist. In diesem Urteil werden die landwirtschaftlichen Genossenschaften und ihre Verbände als „landwirtschaftliche Unternehmer“ im Sinne von Art. 2135 des Zivilgesetzbuchs eingestuft, wenn sie für die Ausübung der in diesem Artikel genannten Tätigkeiten Erzeugnisse ihrer Mitglieder verwenden oder für ihre Mitglieder Waren und Dienstleistungen bereitstellen, die zur Pflege und Entwicklung eines biologischen Kreislaufs dienen.

31

Unter diesen Umständen hat der Consiglio di Stato (Staatsrat) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist die Regelung in Art. 27 der Verordnung Nr. 882/2004, wonach die Mitgliedstaaten bezüglich der in Anhang IV Abschnitt A und Anhang V Abschnitt A genannten Tätigkeiten für die Erhebung einer Gebühr sorgen müssen, dahin auszulegen, dass die Zahlungspflicht für alle landwirtschaftlichen Unternehmer gilt, auch wenn sie „die Schlacht- und Fleischzerlegungstätigkeit als Tätigkeit von nachgeordneter Bedeutung und im Zusammenhang mit Tierhaltung ausüben“?

2.

Darf ein Staat, der ein System zur Erhebung von Abgaben eingerichtet hat, das insgesamt geeignet ist, die Deckung der durch die amtlichen Kontrollen entstehenden Kosten sicherzustellen, bestimmte Kategorien von Unternehmern von der Zahlung der für die Gesundheitskontrolle erhobenen Gebühren ausnehmen oder niedrigere als die in der Verordnung Nr. 882/2004 vorgesehenen Gebühren erheben?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

32

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 27 der Verordnung Nr. 882/2004 dahin auszulegen ist, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, Gebühren für die amtlichen Kontrollen der in Anhang IV Abschnitt A und in Anhang V Abschnitt A der Verordnung genannten Tätigkeiten auch von Lebensmittel- und Futtermittelunternehmern zu erheben, bei denen die Schlacht- und Fleischzerlegungstätigkeiten nachgeordnete Tätigkeiten neben ihrer Haupttätigkeit der Tierhaltung sind.

33

Zunächst geht aus Art. 2 Nr. 1 und Art. 3 der Verordnung Nr. 882/2004 in Verbindung mit deren Erwägungsgründen 4 und 6 hervor, dass die Mitgliedstaaten amtliche Kontrollen durchführen müssen, um zu überprüfen, dass die Futtermittel- und Lebensmittelunternehmer auf allen Stufen der Produktion, der Verarbeitung und des Vertriebs von Futtermitteln oder Lebensmitteln, Tieren und tierischen Erzeugnissen das Futtermittel- und Lebensmittelrecht einhalten.

34

Art. 26 der Verordnung Nr. 882/2004 sieht daher vor, dass die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass angemessene finanzielle Mittel für die amtlichen Kontrollen verfügbar sind, und zwar aus beliebigen Mitteln, die sie für angemessen halten, einschließlich einer allgemeinen Besteuerung oder der Einführung von Gebühren oder Kostenbeiträgen, damit die für die amtlichen Kontrollen erforderlichen personellen und sonstigen Mittel bereitgestellt werden können. Der Gerichtshof hat diesen Artikel im Licht des 32. Erwägungsgrundes der Verordnung dahin ausgelegt, dass die Mitgliedstaaten über einen großen Ermessensspielraum verfügen, um angemessene Finanzmittel zur Verfügung zu stellen, damit die personellen und sonstigen Mittel für die amtlichen Kontrollen bereitgestellt werden können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Juli 2017, Superfoz – Supermercados, C‑519/16, EU:C:2017:601, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35

Dieser Spielraum wird jedoch durch die in Art. 27 der Verordnung Nr. 882/2004 enthaltenen harmonisierten Vorschriften beschränkt, wenn die Mitgliedstaaten beschließen, die dort vorgesehenen Gebühren oder Kostenbeiträge von den Wirtschaftsteilnehmern zu erheben (Urteil vom 26. Juli 2017, Superfoz – Supermercados, C‑519/16, EU:C:2017:601, Rn. 34).

36

Insoweit sieht Art. 27 Abs. 1 der Verordnung Nr. 882/2004 vor, dass die Mitgliedstaaten Gebühren oder Kostenbeiträge zur Deckung der Kosten erheben können, die durch die amtlichen Kontrollen entstehen, während sie nach Art. 27 Abs. 2 dafür sorgen müssen, dass zur Deckung der Kosten, die durch die in Anhang IV Abschnitt A und Anhang V Abschnitt A der Verordnung genannten Tätigkeiten entstehen, eine Gebühr – und kein Kostenbeitrag – erhoben wird.

37

Folglich geht aus dem klaren Wortlaut von Art. 27 Abs. 2 der Verordnung Nr. 882/2004 zum einen hervor, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, eine Gebühr zur Deckung der Kosten zu erheben, die durch die in den genannten Anhängen aufgeführten Tätigkeiten entstehen, und zum anderen, dass der Unionsgesetzgeber in diesem Absatz den Gebührenschuldner nicht ausdrücklich bestimmt hat.

38

Dabei ist zunächst in Bezug auf die in Anhang IV Abschnitt A der Verordnung Nr. 882/2004 aufgeführten Tätigkeiten darauf hinzuweisen, dass dieser Anhang selbst keine Aufzählung der betreffenden Tätigkeiten enthält, sondern auf die in den Richtlinien 89/662, 93/119 und 96/23 genannten Tätigkeiten verweist, für die die Mitgliedstaaten bereits Gebühren nach der Richtlinie 85/73 erheben.

39

Insoweit sieht die Richtlinie 89/662 erstens vor, dass die veterinärrechtlichen Kontrollen bei den von ihrem Anhang A erfassten Lebensmitteln tierischen Ursprungs auf allen Stufen der Erzeugung, der Verarbeitung, der Lagerung, der Vermarktung und des Vertriebs dieser Erzeugnisse durchgeführt werden.

40

Anhang A der Richtlinie 89/662 verweist zum einen auf die Richtlinie 2002/99 zur Festlegung von tierseuchenrechtlichen Vorschriften für das Herstellen, die Verarbeitung, den Vertrieb und die Einfuhr von Lebensmitteln tierischen Ursprungs und zum anderen auf die Verordnung Nr. 853/2004 mit spezifischen Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs, deren Anhang III insbesondere Vorschriften für die Schlachtung und die Fleischzerlegung von Geflügel enthält.

41

Zweitens gilt die Richtlinie 93/119 nach ihrem Art. 1 Abs. 1 für Schlachtungen.

42

Drittens normiert die Richtlinie 96/23 Kontrollmaßnahmen in Bezug auf die in ihrem Anhang I aufgeführten Stoffe und regelt die Überwachung der Produktionskette für Tiere, Primärerzeugnisse tierischen Ursprungs und Futtermittel auf allen Stufen ihrer Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung.

43

Aus diesen Richtlinien ergibt sich, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, auf allen Stufen der Produktions- und Verarbeitungskette für Tiere und Erzeugnisse tierischen Ursprungs sowie der Produktionskette für Futtermittel Kontrollen durchzuführen. Folglich werden die Tätigkeiten der Schlachtung und der Fleischzerlegung, die zu den Stufen der Erzeugung und Verarbeitung von Tieren gehören, von Anhang IV Abschnitt A der Verordnung Nr. 882/2004 erfasst. Somit muss für diese Tätigkeiten nach Art. 27 Abs. 2 der Verordnung eine Zwangsgebühr zur Finanzierung der amtlichen Kontrollen entrichtet werden.

44

Sodann ist festzustellen, dass in Art. 27 Abs. 2 der Verordnung Nr. 882/2004 der Gebührenschuldner nicht bestimmt wird.

45

Aus Art. 27 Abs. 8 der Verordnung Nr. 882/2004 in Verbindung mit ihren Erwägungsgründen 4, 6 und 32 ergibt sich jedoch, dass der Unionsgesetzgeber die Zahlung dieser Gebühr durch Lebensmittel- und Futtermittelunternehmer vorschreiben wollte.

46

Die Begriffe „Lebensmittelunternehmer“ und „Futtermittelunternehmer“ werden zwar in der Verordnung Nr. 882/2004 nicht definiert, doch verweist ihr Art. 2 auf die Verordnung Nr. 178/2002, die die Grundregeln des Lebensmittel- und Futtermittelrechts enthält und in deren Art. 3 Nrn. 3 und 6 die genannten Begriffe definiert werden.

47

Gemäß den letztgenannten Bestimmungen sind Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmer die natürlichen oder juristischen Person, die dafür verantwortlich sind, dass die Anforderungen des Lebensmittelrechts in dem ihrer Kontrolle unterstehenden Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmen erfüllt werden.

48

Gemäß Art. 3 Nr. 1 der Verordnung Nr. 178/2002 umfasst das Lebensmittelrecht alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Unionsrechts und des nationalen Rechts für Lebensmittel im Allgemeinen und die Lebensmittelsicherheit im Besonderen, wobei alle Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen von Lebensmitteln und Futtermitteln einbezogen sind.

49

Daraus folgt, dass jede natürliche oder juristische Person, die im Rahmen ihrer Tätigkeit zur Einhaltung des Lebensmittelrechts verpflichtet ist, als „Lebensmittelunternehmer“ oder „Futtermittelunternehmer“ einzustufen ist.

50

In diesem Zusammenhang ist es irrelevant, dass die Schlachtung und die Fleischzerlegung nachgeordnete Tätigkeiten neben der Haupttätigkeit der Tierhaltung sind.

51

Daher muss das vorlegende Gericht zunächst prüfen, ob der landwirtschaftliche Unternehmer die in Anhang IV Abschnitt A der Verordnung Nr. 882/2004 aufgeführten Tätigkeiten wie Schlachtung und Fleischzerlegung ausübt. Wenn ja, muss das vorlegende Gericht sodann prüfen, ob dieser landwirtschaftliche Unternehmer den Anforderungen des Lebensmittelrechts unterliegt, so dass er als „Lebensmittelunternehmer“ oder „Futtermittelunternehmer“ im Sinne von Art. 3 Nrn. 3 und 6 der Verordnung Nr. 178/2002 einzustufen ist und amtlichen Kontrollen unterliegt, mit denen überprüft werden soll, ob er diese Regelung beachtet.

52

Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 27 der Verordnung Nr. 882/2004 dahin auszulegen ist, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, Gebühren für die amtlichen Kontrollen der in Anhang IV Abschnitt A und in Anhang V Abschnitt A der Verordnung genannten Tätigkeiten auch von Lebensmittel- und Futtermittelunternehmern zu erheben, bei denen die Schlacht- und Fleischzerlegungstätigkeiten nachgeordnete Tätigkeiten neben ihrer Haupttätigkeit der Tierhaltung sind.

Zur zweiten Frage

53

Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 27 der Verordnung Nr. 882/2004 dahin auszulegen ist, dass ein Mitgliedstaat niedrigere als die in Anhang IV Abschnitt B und in Anhang V Abschnitt B der Verordnung Nr. 882/2004 vorgesehenen Mindestgebühren erheben darf.

54

Zunächst geht aus dem Wortlaut von Art. 27 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 882/2004 klar hervor, dass die Gebühren, die in Verbindung mit den in Anhang IV Abschnitt A und Anhang V Abschnitt A der Verordnung Nr. 882/2004 genannten Tätigkeiten erhoben werden, nicht niedriger sein dürfen als die in Anhang IV Abschnitt B und Anhang V Abschnitt B dieser Verordnung angegebenen Mindestbeträge.

55

Sodann ergibt sich aus Abschnitt B dieser Anhänge IV und V, dass die Mitgliedstaaten für Kontrollen im Zusammenhang mit der darin enthaltenen Liste von Produkten die dort aufgeführten Mindestgebühren erheben.

56

Weder Art. 27 Abs. 3 noch Abschnitt B der Anhänge IV und V der Verordnung Nr. 882/2004 sehen jedoch vor, dass von diesen Mindestbeträgen allgemein und nach freiem Ermessen abgewichen werden kann, wenn sich der Staat dafür entschieden hat, die amtlichen Kontrollen im Einklang mit Art. 27 Abs. 4 Buchst. b der Verordnung mittels eines Systems von Pauschalgebühren zu finanzieren.

57

Hierzu hat der Gerichtshof entschieden, dass die Mindestbeträge als Untergrenze anzusehen sind, von der die Mitgliedstaaten grundsätzlich nicht abweichen dürfen (Urteil vom 7. Juli 2011, Rakvere Piim und Maag Piimatööstus, C‑523/09, EU:C:2011:460, Rn. 22 und 27).

58

Für diese Auslegung spricht schließlich auch Art. 27 Abs. 6 der Verordnung Nr. 882/2004, der den einzigen Ausnahmefall regelt, in dem ein Mitgliedstaat berechtigt ist, bei einem bestimmten Unternehmen die Gebühr für die amtliche Kontrolle auf einen Betrag festzulegen, der niedriger als die in Abschnitt B der Anhänge IV und V dieser Verordnung genannten Mindestbeträge ist. In Anbetracht der Angaben des vorlegenden Gerichts kann die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung aber ihrem Wesen nach nicht unter die Ausnahme in Art. 27 Abs. 6 fallen, da sie sich nicht auf die Situation eines bestimmten Unternehmens bezieht, sondern allgemeinen Charakter hat.

59

Daraus folgt, dass Art. 27 Abs. 3 der Verordnung Nr. 882/2004 sowie Abschnitt B ihrer Anhänge IV und V den Mitgliedstaaten keinen Spielraum lassen, der es ihnen gestattet, allgemein und nach eigenem Ermessen von den dort festgelegten Mindestbeträgen abzuweichen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juli 2011, Rakvere Piim und Maag Piimatööstus, C‑523/09, EU:C:2011:460, Rn. 28).

60

Nach alledem ist Art. 27 der Verordnung Nr. 882/2004 dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat keine niedrigeren als die in Anhang IV Abschnitt B und in Anhang V Abschnitt B der Verordnung Nr. 882/2004 vorgesehenen Mindestgebühren erheben darf.

Kosten

61

Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Neunte Kammer) für Recht erkannt:

 

1.

Art. 27 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz ist dahin auszulegen, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, Gebühren für die amtlichen Kontrollen der in Anhang IV Abschnitt A und in Anhang V Abschnitt A der Verordnung genannten Tätigkeiten auch von Lebensmittel- und Futtermittelunternehmern zu erheben, bei denen die Schlacht- und Fleischzerlegungstätigkeiten nachgeordnete Tätigkeiten neben ihrer Haupttätigkeit der Tierhaltung sind.

 

2.

Art. 27 der Verordnung Nr. 882/2004 ist dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat keine niedrigeren als die in Anhang IV Abschnitt B und in Anhang V Abschnitt B der Verordnung Nr. 882/2004 vorgesehenen Mindestgebühren erheben darf.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Italienisch.