SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MICHAL BOBEK

vom 16. Juli 2020 ( 1 )

Rechtssache C‑761/18 P

Päivi Leino-Sandberg

gegen

Europäisches Parlament

„Rechtsmittel – Zugang zu Dokumenten der Unionsorgane – Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 – Antrag eines Dritten auf Zugang zu einem Dokument, das zum Zeitpunkt der Antragstellung Gegenstand einer Nichtigkeitsklage vor dem Gericht war – Verweigerung des Zugangs durch das Europäische Parlament auf der Grundlage des Schutzes von Gerichtsverfahren – Klage auf Nichtigerklärung – Feststellung der Erledigung der Hauptsache wegen der Verfügbarkeit des angeforderten Dokuments auf dem Internet-Blog seines Adressaten – Zweck der Nichtigkeitsklage – Fortbestehendes Rechtsschutzinteresse – Rechtsfolgen, die sich aus der Veröffentlichung einer Fassung des angeforderten Dokuments durch den Adressaten ergeben“

I. Einleitung

1.

Science-Fiction-Fans werden „Reisen, ohne sich zu bewegen“ immer mit dem Buch „Dune“ von Frank Herbert ( 2 ) verbinden, besonders in der surrealen Verfilmung durch David Lynch aus dem Jahr 1984 ( 3 ).

2.

Kann aber im Rahmen der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission ( 4 ) womöglich ein „Verbreiten, ohne zu geben“ stattfinden? Das ist, metaphorisch auf den Punkt gebracht, die Kernfrage, um die es im vorliegenden Rechtsmittelverfahren geht.

3.

Frau Päivi Leino-Sandberg begehrte Zugang zu einem Dokument des Europäischen Parlaments. Ihr Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, dass das angeforderte Dokument Gegenstand einer Klage seines Adressaten vor dem Gericht ( 5 ) sei. Das Dokument könne daher aus Gründen des Schutzes von Gerichtsverfahren gemäß Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 nicht verbreitet werden. Frau Leino-Sandberg erhob vor dem Gericht eine Klage auf Nichtigerklärung dieser Entscheidung. Ohne dass Frau Leino-Sandberg oder das Parlament davon wussten, war jedoch vom Adressaten des Schriftstücks bereits eine Fassung des angeforderten Dokuments auf einem (privaten) Blogspot verfügbar gemacht worden. Aufgrund dessen hat das Gericht sodann festgestellt, dass die Klage in der Hauptsache erledigt sei, da das angeforderte Dokument bereits im Internet verfügbar sei.

4.

Welche Rechtsfolgen hat die Online-Veröffentlichung eines Dokuments, das Gegenstand eines Antrags auf Zugang gemäß der Verordnung Nr. 1049/2001 war, durch einen Dritten für ein vor den Unionsgerichten anhängiges Verfahren? Kann man sagen, dass bei einer Klage gegen die Weigerung, Zugang zu diesem Dokument zu gewähren, der Streitgegenstand entfallen ist und der Kläger kein Interesse mehr am Ausgang des Rechtsstreits besitzt, während der ursprüngliche, den Zugang versagende Beschluss des Organs fortbesteht und der Kläger von dem betreffenden Organ nie eine authentische Fassung des fraglichen Dokuments erhielt?

II. Unionsrechtlicher Rahmen

A. Verordnung Nr. 1049/2001

5.

Art. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 lautet:

„Zweck dieser Verordnung ist es:

a)

die Grundsätze und Bedingungen sowie die aufgrund öffentlicher oder privater Interessen geltenden Einschränkungen für die Ausübung des in Artikel 255 des EG-Vertrags niedergelegten Rechts auf Zugang zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (nachstehend ‚Organe‘ genannt) so festzulegen, dass ein größtmöglicher Zugang zu Dokumenten gewährleistet ist,

b)

Regeln zur Sicherstellung einer möglichst einfachen Ausübung dieses Rechts aufzustellen und

c)

eine gute Verwaltungspraxis im Hinblick auf den Zugang zu Dokumenten zu fördern.“

6.

Art. 2 („Zugangsberechtigte und Anwendungsbereich“) bestimmt:

„(1)   Jeder Unionsbürger sowie jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder Sitz in einem Mitgliedstaat hat vorbehaltlich der in dieser Verordnung festgelegten Grundsätze, Bedingungen und Einschränkungen ein Recht auf Zugang zu Dokumenten der Organe.

…“

7.

Art. 3 enthält einige Begriffsbestimmungen für die Zwecke der Verordnung Nr. 1049/2001:

„…

a)

‚Dokument‘: Inhalte unabhängig von der Form des Datenträgers (auf Papier oder in elektronischer Form, Ton-, Bild- oder audiovisuelles Material), die einen Sachverhalt im Zusammenhang mit den Politiken, Maßnahmen oder Entscheidungen aus dem Zuständigkeitsbereich des Organs betreffen;

b)

‚Dritte‘: alle natürlichen und juristischen Personen und Einrichtungen außerhalb des betreffenden Organs, einschließlich der Mitgliedstaaten, der anderen Gemeinschafts- oder Nicht-Gemeinschaftsorgane und ‑einrichtungen und der Drittländer.“

8.

In Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 heißt es:

„(1)   Die Organe verweigern den Zugang zu einem Dokument, durch dessen Verbreitung Folgendes beeinträchtigt würde:

a)

der Schutz des öffentlichen Interesses im Hinblick auf:

die öffentliche Sicherheit,

die Verteidigung und militärische Belange,

die internationalen Beziehungen,

die Finanz-, Währungs- oder Wirtschaftspolitik der Gemeinschaft oder eines Mitgliedstaats;

b)

der Schutz der Privatsphäre und der Integrität des Einzelnen, insbesondere gemäß den Rechtsvorschriften der Gemeinschaft über den Schutz personenbezogener Daten.

(2)   Die Organe verweigern den Zugang zu einem Dokument, durch dessen Verbreitung Folgendes beeinträchtigt würde:

der Schutz der geschäftlichen Interessen einer natürlichen oder juristischen Person, einschließlich des geistigen Eigentums,

der Schutz von Gerichtsverfahren und der Rechtsberatung,

der Schutz des Zwecks von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten,

es sei denn, es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung.

(7)   Die Ausnahmen gemäß den Absätzen 1 bis 3 gelten nur für den Zeitraum, in dem der Schutz aufgrund des Inhalts des Dokuments gerechtfertigt ist. Die Ausnahmen gelten höchstens für einen Zeitraum von 30 Jahren. …“

9.

Nach Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 ist der Antragsteller „nicht verpflichtet, Gründe für seinen Antrag anzugeben“.

10.

Art. 10 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 bestimmt:

„Ist ein Dokument bereits von dem betreffenden Organ freigegeben worden und für den Antragsteller problemlos zugänglich, kann das Organ seiner Verpflichtung zur Gewährung des Zugangs zu Dokumenten nachkommen, indem es den Antragsteller darüber informiert, wie er das angeforderte Dokument erhalten kann.“

III. Sachverhalt und Verfahren

A.   Hintergrund des Rechtsstreits und Verfahren vor dem Gericht

11.

Der Sachverhalt und das Verfahren vor dem Gericht lassen sich anhand der Angaben im angefochtenen Beschluss ( 6 ) und in den Akten wie folgt zusammenfassen.

12.

Mit dem Beschluss A(2015) 4931 vom 8. Juli 2015 (im Folgenden: angefordertes Dokument) verweigerte das Europäische Parlament Herrn Emilio De Capitani den Zugang zu den die vierte Spalte von zwei Tabellen, die im Rahmen der damals laufenden Triloge erstellt wurden, enthaltenden Dokumenten LIBE‑2013‑0091‑02 und LIBE‑2013‑0091‑03. Dagegen erhob Herr De Capitani am 18. September 2015 Nichtigkeitsklage (im Folgenden: Rechtssache De Capitani).

13.

In der Zwischenzeit, wohl am 12. Juli 2015, hatte Herr De Capitani eine mit Anmerkungen versehene Fassung des angeforderten Dokuments in einem Blog veröffentlicht ( 7 ). In der frei zugänglichen HTML-Fassung auf dem Blogspot scheinen jedoch Teile des wiedergegebenen Textes bearbeitet worden zu sein. Satzteile oder ganze Absätze sind fettgedruckt, andere kursiv gesetzt, einige Sätze sind unterstrichen, und es gibt offenbar einige Auslassungen. Ferner nahm der Autor des Blogs mehrere Ergänzungen des Textes vor, in denen er Anmerkungen zu oder Kritik an den Ausführungen des Parlaments zum Ausdruck bringt.

14.

Im Dezember 2016, als die Rechtssache De Capitani noch beim Gericht anhängig war, stellte Frau Päivi Leino-Sandberg (im Folgenden: Rechtsmittelführerin), damals Professorin für Völker- und Europarecht an der Universität von Ostfinnland, beim Parlament (im Folgenden: Rechtsmittelgegner) einen Antrag auf Zugang zu dem vom Parlament in Bezug auf den Antrag von Herrn De Capitani gefassten Beschluss. Sie machte geltend, dass der Zugang zu dem angeforderten Dokument notwendig sei, um zwei von ihr geleitete Forschungsprojekte zu komplettieren.

15.

Am 23. Januar 2017 verweigerte der Rechtsmittelgegner der Rechtsmittelführerin den Zugang zu dem angeforderten Dokument mit der Begründung, dass dessen Verbreitung den in Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Schutz von Gerichtsverfahren beeinträchtigen würde. Die Rechtsmittelführerin stellte daraufhin einen Zweitantrag.

16.

Am 3. April 2017 bestätigte der Rechtsmittelgegner mit dem Beschluss A(2016) 15112 (im Folgenden: angefochtener Beschluss des Parlaments) seine Weigerung, der Rechtsmittelführerin Zugang zu dem angeforderten Dokument zu gewähren. Er führte insbesondere aus, dass der Beschluss, Herrn De Capitani den Zugang zu verweigern, Gegenstand einer vor dem Gericht anhängigen Klage sei und dass seine öffentliche Verbreitung das Recht auf ein faires Verfahren und die Waffengleichheit zwischen den Parteien beeinträchtigen würde. Darüber hinaus hätte seine Verbreitung zur Folge, dass die richterliche Tätigkeit externem Druck ausgesetzt würde und das Verfahren nicht in aller Ruhe ablaufen könnte.

17.

Die Rechtsmittelführerin erhob am 6. Juli 2017 vor dem Gericht eine Klage auf Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses des Parlaments. Der Rechtsmittelgegner antwortete darauf.

18.

Am 14. November 2017 wies das Gericht die Rechtsmittelführerin durch eine prozessleitende Maßnahme nach Art. 89 seiner Verfahrensordnung darauf hin, dass Herr De Capitani das angeforderte Dokument in dem oben genannten Blog ( 8 ) veröffentlicht habe. Es ersuchte die Rechtsmittelführerin, ihm mitzuteilen, ob sich ihr Begehren erledigt habe, weil das angeforderte Dokument online zugänglich sei.

19.

Am 30. November 2017 antwortete die Rechtsmittelführerin, sie habe erst durch den Hinweis des Gerichts erfahren, dass das angeforderte Dokument online verfügbar sei. Mit der Verfügbarkeit des fraglichen Dokuments im Internet habe sich ihr Begehren nicht erledigt.

20.

In der Folge forderte das Gericht die Parteien auf, sich in ihrem zweiten Schriftsatzwechsel auf die Frage der Zulässigkeit der Klage der Rechtsmittelführerin zu konzentrieren. Die Rechtsmittelführerin reichte ihre Erwiderung im Januar 2018 ein. Der Rechtsmittelgegner legte seine Gegenerwiderung am 9. März 2018 vor. Er führte insbesondere aus, auch er habe von der Online-Veröffentlichung des angeforderten Dokuments erst Kenntnis erlangt, als das Gericht darauf hingewiesen habe. Dass die Rechtsmittelführerin nunmehr Kenntnis von dieser Veröffentlichung habe, mache ihre Nichtigkeitsklage gegenstandslos. Daher werde die Feststellung beantragt, dass die Hauptsache erledigt sei.

21.

Mit Schreiben vom 15. März 2018 teilte das Gericht den Parteien mit, dass der Antrag des Parlaments auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache nicht bearbeitet worden sei, da er entgegen Art. 130 Abs. 2 seiner Verfahrensordnung nicht mit gesondertem Schriftsatz gestellt worden sei.

22.

Am 27. März 2018 beantragte das Parlament mit gesondertem Schriftsatz die Feststellung der Erledigung der Hauptsache. Hilfsweise hielt es an dem Antrag fest, die Klage als unzulässig oder unbegründet abzuweisen und der Rechtsmittelführerin die Kosten aufzuerlegen.

23.

Am 5. April 2018 forderte das Gericht die Rechtsmittelführerin auf, zum Antrag des Rechtsmittelgegners auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache Stellung zu nehmen. In ihrer Antwort wies die Rechtsmittelführerin darauf hin, dass bis zur Mitteilung des Gerichts weder ihr noch dem Rechtsmittelgegner bekannt gewesen sei, dass Herr De Capitani das angeforderte Dokument auf einem Blog ins Internet gestellt habe. Sie sehe in dem Wort „veröffentlicht“ keine zutreffende Bezeichnung für ein irgendwo im Internet auf einem Blog einer Privatperson zu findendes Dokument. Eine nach wie vor bestehende Weigerung des Parlaments könne nicht allein dadurch vor einer gerichtlichen Überprüfung geschützt werden, dass jemand das angeforderte Dokument auf einem Blog zugänglich gemacht habe.

24.

Während in der vorliegenden Rechtssache das Verfahren im ersten Rechtszug noch lief, entschied das Gericht am 22. März 2018 über die Rechtssache De Capitani. Es erklärte den Herrn De Capitani betreffenden Beschluss des Parlaments für nichtig und stellte fest, dass das Parlament gegen Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 verstoßen habe, indem es die Verbreitung der vierten Spalte der fraglichen Dokumente während des laufenden Verfahrens mit der Begründung verweigert habe, dass sich daraus eine ernstliche Beeinträchtigung seines Entscheidungsprozesses ergeben würde ( 9 ).

B.   Der angefochtene Beschluss des Gerichts und das Verfahren vor dem Gerichtshof

25.

In seinem Beschluss vom 20. September 2018 (im Folgenden: angefochtener Beschluss des Gerichts) ( 10 ) hat das Gericht entschieden, dass die Klage der Rechtsmittelführerin in der Hauptsache erledigt sei.

26.

Das Gericht hat im Wesentlichen ausgeführt, eine Nichtigkeitsklage gegen einen Beschluss des Parlaments, mit dem es den Zugang zu Dokumenten verweigere, werde gegenstandslos, wenn die fraglichen Dokumente von einem Dritten zugänglich gemacht worden seien und der Antragsteller zu ihnen Zugang haben und von ihnen so rechtmäßig Gebrauch machen könne, als hätte er sie auf seinen Antrag gemäß der Verordnung Nr. 1049/2001 hin erhalten ( 11 ). Da vom Adressaten des Dokuments selbst eine vollständige Fassung des angeforderten Dokuments zugänglich gemacht worden sei, bestehe kein Zweifel daran, dass die Rechtsmittelführerin es völlig rechtmäßig für ihre universitäre Tätigkeit nutzen könne ( 12 ).

27.

Überdies sei es unwahrscheinlich, dass sich die gerügte unrechtmäßige Zugangsverweigerung künftig unter anderen als den besonderen Umständen dieser Rechtssache wiederholen werde. Die Weigerung des Rechtsmittelgegners, Zugang zu dem angeforderten Dokument zu gewähren, sei fallspezifisch und ad hoc erfolgt, denn erstens sei die Rechtssache De Capitani noch anhängig gewesen, und zweitens sei der Kontext des Antrags der Rechtsmittelführerin durch intensive Debatten in Blogs und Stellungnahmen gekennzeichnet gewesen, die den eigenen Standpunkt des Rechtsmittelgegners in der Rechtssache vermutlich beeinflusst hätten ( 13 ). Darüber hinaus habe der Adressat selbst und nicht der Rechtsmittelgegner das angeforderte Dokument verbreitet, so dass die Rechtsmittelführerin dem Rechtsmittelgegner nicht anlasten könne, eine Verzögerungstaktik angewandt und mit der Verbreitung des angeforderten Dokuments gewartet zu haben, bis eine etwaige Klage vor den Unionsgerichten erhoben worden sei ( 14 ).

28.

Das Gericht ist daher zu dem Ergebnis gekommen, dass die von der Rechtsmittelführerin erhobene Klage in Anbetracht der Verbreitung des angeforderten Dokuments durch Herrn De Capitani gegenstandslos geworden sei. Weder über sie noch über die Anträge der Republik Finnland und des Königreichs Schweden auf Zulassung zur Streithilfe müsse deshalb entschieden werden. Es hat beiden Parteien sowie der Republik Finnland und dem Königreich Schweden ihre eigenen Kosten auferlegt.

29.

Mit dem vorliegenden Rechtsmittel wird der Gerichtshof ersucht, den angefochtenen Beschluss aufzuheben, selbst abschließend in der Sache zu entscheiden und dem Rechtsmittelgegner die Kosten, einschließlich der Kosten der Streithelfer, aufzuerlegen.

30.

Die Rechtsmittelführerin stützt ihr Rechtsmittel auf zwei Gründe. Erstens habe das Gericht rechtsfehlerhaft angenommen, dass die Klage gegenstandslos geworden sei. Zweitens sei es aufgrund von Rechts- und Verfahrensfehlern davon ausgegangen, dass sie kein Rechtsschutzinteresse mehr besitze.

31.

In seiner Rechtsmittelbeantwortung führt das Parlament aus, beide Rechtsmittelgründe seien zurückzuweisen, entweder als teilweise unzulässig und teilweise unbegründet oder als unbegründet.

32.

Die Rechtsmittelführerin und das Parlament haben außerdem eine Erwiderung bzw. eine Gegenerwiderung eingereicht.

33.

Die Republik Finnland und das Königreich Schweden sind dem Rechtsstreit zur Unterstützung der Rechtsmittelführerin beigetreten.

IV. Würdigung

34.

Diese Schlussanträge gliedern sich wie folgt: Zunächst werde ich auf das Verhältnis zwischen den beiden Rechtsmittelgründen und insbesondere auf den Unterschied zwischen dem Zweck (oder dem Gegenstand) einer Nichtigkeitsklage und dem (fortbestehenden) Interesse an einem solchen Verfahren für den Fall eingehen, dass der ursprüngliche Streitgegenstand tatsächlich wegfällt (A). Sodann werde ich den ersten Rechtsmittelgrund prüfen (B). Da ich wie die Rechtsmittelführerin der Ansicht bin, dass der Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits nicht entfallen ist, so dass der erste Rechtsmittelgrund durchgreift, werde ich mich anschließend nur kurz mit dem zweiten Rechtsmittelgrund befassen (C), bevor ich zu einem Ergebnis in Bezug auf die Tragweite des vorliegenden Rechtsmittels komme (D).

A.   Verhältnis zwischen den beiden Rechtsmittelgründen

35.

In ihrer Rechtsmittelschrift hat die Rechtsmittelführerin zwei Rechtsmittelgründe geltend gemacht: Erstens habe das Gericht rechtsfehlerhaft festgestellt, dass die Klage gegenstandslos geworden sei; zweitens habe es rechtsfehlerhaft festgestellt, dass die Rechtsmittelführerin kein Rechtsschutzinteresse mehr besitze.

36.

Zum Verhältnis zwischen diesen beiden Rechtsmittelgründen trägt die Rechtsmittelführerin vor, im angefochtenen Beschluss des Gerichts seien die angebliche Gegenstandslosigkeit der Nichtigkeitsklage und das Rechtsschutzinteresse in unzulässiger Weise vermengt worden. Es handele sich aber um zwei verschiedene rechtliche Konzepte, die getrennt gewürdigt werden müssten. Der Rechtsmittelgegner vertritt die Ansicht, dass das Erfordernis eines fortbestehenden Streitgegenstands zusammen mit der Frage des fortbestehenden Rechtsschutzinteresses zu prüfen sei.

37.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs muss das Rechtsschutzinteresse der Rechtsmittelführerin im Licht des Streitgegenstands bei Klageerhebung vorgelegen haben; andernfalls ist die Klage unzulässig. Der Streitgegenstand muss ebenso wie das Rechtsschutzinteresse bis zum Erlass der gerichtlichen Entscheidung weiter vorliegen; andernfalls ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt. Dies setzt voraus, dass die Klage der Partei, die sie erhoben hat, im Ergebnis einen Vorteil verschaffen kann ( 15 ).

38.

Ein Kläger kann ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse daran haben, die Nichtigerklärung einer Entscheidung zu beantragen, um seine ursprüngliche Lage wiederherzustellen oder um den Urheber der angefochtenen Handlung zu veranlassen, diese für die Zukunft in geeigneter Weise zu ändern, und um somit das Risiko zu vermeiden, dass sich der Rechtsverstoß, der der angefochtenen Handlung anhaften soll, wiederholt ( 16 ).

39.

Ich stimme dem Rechtsmittelgegner zu, dass sich der Gegenstand der Nichtigkeitsklage und das fortbestehende Rechtsschutzinteresse in gewissem Umfang decken können. Es liegt auch auf der Hand, dass die verwendete Terminologie nicht immer einheitlich ist. Beispielsweise werden anstelle des Begriffs „Zweck“ des Rechtsstreits auch die Begriffe „Gegenstand“, „Streitgegenstand“ oder „Ziel“ verwendet. Wenn klar ist, dass das angeforderte Dokument in der Zwischenzeit von dem Organ freigegeben wurde und das ursprüngliche Begehren des Antragstellers somit im Wesentlichen erfüllt wurde, neigt der Gerichtshof überdies dazu, zugleich das Rechtsschutzinteresse zu prüfen, was dazu führt, dass der „Gegenstand“ der Klage als ein Faktor im Gesamtkontext eines fortbestehenden Rechtsschutzinteresses möglicherweise aus dem Blickfeld gerät ( 17 ).

40.

In systematischer Hinsicht unterscheidet der Gerichtshof jedoch im Allgemeinen zwischen zwei Arten von Interessen: erstens dem ursprünglichen Interesse des Klägers an der Klageerhebung und zweitens einem darüber hinausgehenden, fortbestehenden Rechtsschutzinteresse des Klägers, das bestehen bleibt, auch nachdem das ursprüngliche Interesse durch ein bestimmtes Ereignis entfallen ist.

41.

Betrachtet man speziell den tatsächlichen Kontext von Streitigkeiten über den Zugang zu Dokumenten im Rahmen der Verordnung Nr. 1049/2001, ist Gegenstand einer Klage ( 18 ) zur Durchsetzung von Zugangsrechten die Nichtigerklärung der angefochtenen Beschlüsse. Dies ist zweifellos der formale Gegenstand der Klage: die Nichtigerklärung des ablehnenden Beschlusses, die das betreffende Organ zwingt, einen neuen Beschluss zu erlassen. Man kann aber auch sagen, dass einer Klage auf Nichtigerklärung eines Beschlusses, mit dem der Zugang zu einem angeforderten Dokument verweigert wird, ein materieller Gegenstand bzw. ein (dahinter stehender) Zweck zugrunde liegt, und zwar der, Zugang zu dem ursprünglich angeforderten Dokument zu bekommen.

42.

Das ursprüngliche Rechtsschutzinteresse eines Klägers besteht fort (und die Klage kann nicht gegenstandslos werden), solange nicht einer von zwei Fällen eintritt: i) Der angefochtene Beschluss wird förmlich zurückgezogen (formaler Wegfall des Streitgegenstands) oder ii) das Organ verschafft, ohne zwangsläufig den vorherigen Beschluss zurückzuziehen, dem Kläger vollständigen Zugang zu dem angeforderten Dokument, so dass er der Sache nach vollständig befriedigt wird (materieller Wegfall des Streitgegenstands).

43.

Ferner kann der Kläger, auch wenn das ursprüngliche Rechtsschutzinteresse weggefallen sein sollte, gleichwohl ein fortbestehendes Interesse an der Klageerhebung haben oder daran – was in der Praxis häufiger vorkommt –, dass eine abschließende gerichtliche Entscheidung ergeht, obwohl er das Dokument im Lauf des Verfahrens erhalten hat.

44.

Im letztgenannten Fall spiegelt die Rechtsprechung des Gerichtshofs insbesondere zwei Szenarien wider: Beim ersten Szenario behält der Kläger ein Rechtsschutzinteresse, „um zu erreichen, dass er wieder in einen früheren Stand versetzt wird“. Auf dieser Grundlage hat der Gerichtshof beispielsweise festgestellt, dass ein Interesse an der Nichtigkeitsklage als Grundlage einer möglichen Haftungsklage fortbestehen kann ( 19 ). Ein solches Interesse ist anhand der konkreten Umstände unter besonderer Berücksichtigung der Folgen des geltend gemachten Rechtsverstoßes zu beurteilen ( 20 ). Beim zweiten Szenario behält der Kläger ein Rechtsschutzinteresse, „um den Urheber der angefochtenen Handlung zu veranlassen, sie für die Zukunft in geeigneter Weise zu ändern, und um somit das Risiko zu vermeiden, dass sich die Rechtswidrigkeit, die der angefochtenen Handlung anhaften soll, wiederholt“ ( 21 ).

45.

Im Ergebnis besteht das ursprüngliche Interesse an der Erhebung einer Nichtigkeitsklage fort, bis der angefochtene Beschluss förmlich aufgehoben wird oder der Kläger materiell gesehen volle Befriedigung erlangt. Etwaige andere (weitere oder fortbestehende) Interessen beziehen sich auf alle übrigen Erwägungen, die den Gerichtshof veranlassen könnten, auch dann noch ein Urteil zu erlassen, wenn der ursprüngliche Streitgegenstand weggefallen ist.

46.

In Bezug auf die Reihenfolge der Prüfung handelt es sich bei den beiden Fallgruppen um zwei (chrono‑)logisch aufeinanderfolgende Schritte. Nur wenn der erste Prüfungsschritt zu dem Ergebnis führt, dass das ursprüngliche Rechtsschutzinteresse des Klägers weggefallen ist, bedarf es des zweiten Prüfungsschritts. Umgekehrt besteht, solange der Kläger weder formell noch materiell volle Befriedigung erlangt hat, keine Notwendigkeit, sich mit einem etwaigen anderen oder weiteren Interesse an einer Nichtigerklärung durch ein Unionsgericht zu befassen.

47.

Aus diesen Gründen halte ich es im vorliegenden Fall für sinnvoll, die beiden Rechtsmittelgründe in der von der Rechtsmittelführerin vorgebrachten Reihenfolge nacheinander zu prüfen. Sie repräsentieren nämlich die logische Reihenfolge, in der die Frage des Rechtsschutzinteresses geprüft werden sollte.

B.   Erster Rechtsmittelgrund

48.

Der erste Rechtsmittelgrund betrifft im Wesentlichen die Frage, ob die Rechtsmittelführerin materielle Befriedigung erlangt hat und ob dadurch der ursprüngliche Streitgegenstand (und das ursprüngliche Rechtsschutzinteresse) weggefallen sind.

49.

Die Rechtsmittelführerin, unterstützt von der finnischen und der schwedischen Regierung, meint, dass dies nicht der Fall sei. Der Rechtsmittelgegner habe seinen angefochtenen Beschluss nicht zurückgezogen. Wie aus dem Urteil ClientEarth ( 22 ) hervorgehe, sei die Veröffentlichung von Dokumenten, zu denen Zugang beantragt worden sei, kein relevanter Faktor dafür, ob der Streitgegenstand fortbestehe. Ferner macht die Rechtsmittelführerin geltend, sie habe vom Parlament nie eine authentische Fassung des angeforderten Dokuments erhalten. Bei ihrer Forschung könne sie sich nicht auf bruchstückhafte und nicht authentische Informationen aus privaten Internet-Blogs stützen.

50.

Der Rechtsmittelgegner führt aus, nachdem sich herausgestellt habe, dass das angeforderte Dokument von seinem Adressaten veröffentlicht worden sei, sei die Klage gegenstandslos geworden. Der Blog, in dem Herr De Capitani das Dokument veröffentlicht habe, sei der Rechtsmittelführerin höchstwahrscheinlich bekannt gewesen, da dort ihre eigenen Beiträge veröffentlicht worden seien. Die Rechtsmittelführerin habe daher auf dieses Dokument zugreifen und es in rechtmäßiger Weise für ihre akademische Forschung oder für andere Zwecke nutzen können.

51.

Eine förmliche Rücknahme des ursprünglichen ablehnenden Beschlusses durch das Parlament lässt sich weder den Akten des Gerichts entnehmen, noch wurde sie dem Gerichtshof zur Kenntnis gebracht. Dieses Szenario ist somit im vorliegenden Fall nicht eingetreten und daher hier nicht von Belang.

52.

Hat die Rechtsmittelführerin materielle Befriedigung erlangt, so dass der ursprüngliche Streitgegenstand (und das ursprüngliche Rechtsschutzinteresse) weggefallen sind?

53.

Ob ein ursprüngliches oder ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse vorhanden ist, betrifft, wie schon aus dem vorherigen Abschnitt hervorgeht, das Verfahren vor den Unionsgerichten. Gibt es angesichts der veränderten Umstände noch einen Rechtsstreit? Obwohl es sich um eine weitgehend eigenständige und übergreifende, für jede Art von Rechtsstreitigkeiten vor den Unionsgerichten relevante Kategorie handelt, knüpft die Frage des Rechtsschutzinteresses auch an den Gegenstand einer Rechtssache oder das betroffene Rechtsgebiet an. Wie sonst könnte beurteilt werden, ob eine Klage gegenstandslos geworden und damit möglicherweise abzuweisen ist, wenn nicht geklärt wäre, welchen unionsrechtlichen Anspruch der Antragsteller geltend macht?

54.

Aus diesem Grund werde ich nachfolgend genau damit beginnen: Welche Rechte können Einzelne aufgrund der Verordnung Nr. 1049/2001 geltend machen (und worin bestehen die entsprechenden Pflichten der Organe), die ein Kläger, der die Nichtigerklärung einer Ablehnung des Zugangs durch ein Organ begehrt, durchzusetzen vermag? (1) Sodann werde ich auf die Kriterien eingehen, die das Gericht in der vorliegenden Rechtssache offenbar angewendet hat, um festzustellen, ob die Klägerin materielle Befriedigung erlangt hat (2). Anschließend werde ich am Beispiel des vorliegenden Falles darlegen, warum diese Kriterien konzeptionell falsch und in der Praxis unhaltbar sind (3), und mich schließlich dazu äußern, welche Kriterien angewandt werden sollten (4).

1. Die Rechte Einzelner aus der Verordnung Nr. 1049/2001

55.

Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 sieht ausdrücklich vor, dass „[j]eder Unionsbürger sowie jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder Sitz in einem Mitgliedstaat“ ein (subjektives) Recht auf Zugang zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission hat. Nach Art. 2 Abs. 3 der Verordnung erstreckt sich dieses Recht der Sache nach auf „alle Dokumente eines Organs, das heißt Dokumente aus allen Tätigkeitsbereichen der Union, die von dem Organ erstellt wurden oder bei ihm eingegangen sind und sich in seinem Besitz befinden“.

56.

Was gilt jedoch für Dokumente, die bereits veröffentlicht wurden und allgemein zugänglich sind? Die Entstehungsgeschichte der Verordnung Nr. 1049/2001 sowie die Systematik der Verordnung geben darauf eine recht eindeutige Antwort.

57.

Was erstens die Entstehungsgeschichte betrifft, enthielt der Entwurf der Kommission eine Ausnahme vom Zugang zu Dokumenten, die darin bestand, dass die Verordnung nicht für Dokumente gelten sollte, „die bereits veröffentlicht wurden oder auf sonstige Weise der Öffentlichkeit zugänglich sind“ ( 23 ). Im Gesetzgebungsverfahren regte das Europäische Parlament jedoch nicht nur die Streichung dieser Bestimmung des Entwurfs an, sondern auch die Einführung einer Bestimmung (Art. 2a Abs. 1 des Entwurfs), die ausdrücklich Folgendes vorsah: „Das Recht auf Zugang zu Dokumenten der Organe umfasst den Zugang zu veröffentlichten Dokumenten …“ ( 24 ) Offenbar wollte das Parlament also Dokumente, die bereits auf sonstige Weise für die Öffentlichkeit verfügbar waren (d. h. Dokumente, die von dem Unionsorgan selbst oder von einem Dritten allgemein zugänglich gemacht wurden), zu den Dokumenten zählen, zu denen gemäß der Verordnung Nr. 1049/2001 bei einem Unionsorgan Zugang begehrt werden kann.

58.

Zweitens scheint die jetzige Fassung der Verordnung nach ihrer inneren Systematik eine vermittelnde Position einzunehmen. Für den speziellen Fall, dass Dokumente von dem betreffenden Organ bereits freigegeben wurden und für den Antragsteller problemlos zugänglich sind, enthält Art. 10 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 eine modifizierte Verpflichtung des Unionsorgans gegenüber dem Antragsteller. In diesem Fall ist das Unionsorgan nicht verpflichtet, das angeforderte Dokument zur Verfügung zu stellen, sondern es braucht den Antragsteller nur darüber zu informieren, wie er das angeforderte Dokument erhalten kann.

59.

Ich möchte zwei Punkte hervorheben, die sich eindeutig aus dem Wortlaut des Art. 10 Abs. 2 der Verordnung ergeben. Erstens kann die durch das fragliche Organ bereits erfolgte Freigabe eines Dokuments bei großzügiger Betrachtung so verstanden werden, dass es entweder von dem fraglichen Organ oder vielleicht auch von einem anderen Organ freigegeben wurde, vorausgesetzt natürlich, dass es keinen Zweifel an der Echtheit des angeforderten Dokuments gibt ( 25 ). Zweitens ist mit der Unterrichtung des Antragstellers darüber, wie er das angeforderte Dokument erhalten kann, jedenfalls immer die „offizielle Billigung“ des Exemplars verbunden, auf das Bezug genommen wird.

60.

Die Verordnung Nr. 1049/2001 schweigt in Bezug auf Dokumente, die von Dritten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Sie definiert den Begriff „Dritte“ zwar in ihrem Art. 3 Buchst. b, aber aus anderen Gründen, insbesondere bezüglich des Zugangs zu Dokumenten Dritter im Rahmen von Art. 4 Abs. 4. Sie sieht keineswegs vor, dass die Verpflichtung zur Gewährung des Zugangs durch einen Dritten erfüllt wird, jedenfalls nicht durch eine Privatperson ( 26 ). Das ist aber auch ganz folgerichtig.

61.

Erstens enthält die Verordnung Nr. 1049/2001 nach ihrem Wortlaut keine Ausnahme in Bezug darauf, dass das angeforderte Dokument von einem Dritten veröffentlicht wurde. Die Ausnahmen vom Zugang werden in Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 erschöpfend aufgezählt.

62.

Zweitens geht in Bezug auf den Zweck der Verordnung Nr. 1049/2001 aus ihrem Art. 1 sowie ihren Erwägungsgründen 1, 2, 3 und 4 hervor, dass sie darauf abzielt, Transparenz und Offenheit innerhalb der Unionsorgane, für die diese Verordnung gilt, zu gewährleisten und jedem Unionsbürger den größtmöglichen Zugang zu den Dokumenten der Union und eine möglichst einfache Ausübung dieses Rechts mittels eines unmittelbaren Dialogs zwischen dem Organ und dem Antragsteller zu garantieren. Letzterer hat somit Anspruch auf eine Antwort des betreffenden Unionsorgans, und zwar auch in Bezug auf öffentlich zugängliche Dokumente.

63.

Drittens ist die „offizielle Billigung“ des betreffenden Dokuments durch das Organ gemäß Art. 10 Abs. 2 von entscheidender Bedeutung für dessen Vollständigkeit, Integrität, Authentizität und rechtmäßige Nutzung. Natürlich wäre es niemandem gestattet, Informationen, die er irgendwo im Internet gefunden hat, als offizielles Dokument oder als Standpunkt des Organs zu präsentieren, solange und sofern er nicht das Original des Dokuments oder eine offizielle Antwort oder jedenfalls eine klare Bestätigung dieses Organs erhält, dass das Gefundene tatsächlich von ihm stammt und seinen offiziellen Standpunkt widerspiegelt. Derartige Informationen gemäß Art. 10 Abs. 2 sind umso wichtiger, wenn das Unionsorgan den Zugang zu dem Dokument zunächst aufgrund der Ausnahmen in Art. 4 der Verordnung verweigert hatte.

64.

Im Ergebnis geht aus der Verordnung Nr. 1049/2001 klar hervor, dass Unionsbürger ein subjektives Recht auf Zugang haben. Wird ein Organ mit einem konkreten Antrag konfrontiert, hat es im Wesentlichen drei Möglichkeiten: Erstens kann es den Zugang gewähren. Zweitens kann es den Zugang verweigern, unter Angabe der Gründe, aus denen er nicht gewährt werden kann. Drittens kann es gegebenenfalls – was de facto eine Form der positiven Antwort im Sinne der ersten Möglichkeit ist – eine Antwort gemäß Art. 10 Abs. 2 geben. Das Organ kann den Antragsteller darauf hinweisen, wo er die angeforderte, leicht zugängliche Information selbst finden kann, womit zugleich die Authentizität und Vertrauenswürdigkeit der in Bezug genommenen Information gewährleistet werden.

65.

Indem ein Dokument durch einen Dritten öffentlich zugänglich gemacht wird, wird jedoch der Anspruch des Antragstellers, gemäß der Verordnung Nr. 1049/2001 eine angemessene Antwort des betreffenden Unionsorgans zu erhalten, weder befriedigt, noch erlischt er. Weder der Wortlaut noch der Sinn dieser Verordnung deuten darauf hin, dass die den Unionsorganen obliegenden klaren und spezifischen Verpflichtungen auf Dritte verlagert werden können.

2. Jurašinović

66.

In der Regel wird ein unzufriedener Antragsteller, der glaubt, dass seine durch die Verordnung Nr. 1049/2001 garantierten Rechte verletzt wurden, Klage auf Nichtigerklärung einer ablehnenden Entscheidung des betreffenden Organs erheben. Im Kontext einer solchen Klage kann der ursprüngliche und fortbestehende Streitgegenstand materiell wegfallen, wenn das betreffende Organ, was in der Regel während des Verfahrens geschieht, vollen Zugang zu den angeforderten Inhalten gewährt, also in materieller Hinsicht eine positive Entscheidung trifft und den Zugang nach Art. 10 Abs. 1 gewährt. Ebenso ist es denkbar, dass sich das Organ während eines solchen Verfahrens mit dem Kläger in Verbindung setzt, ihm gemäß Art. 10 Abs. 2 mitteilt, dass das Dokument nunmehr öffentlich zugänglich sei, und ihm Informationen über die Fundstelle des Dokuments übermittelt, was die Integrität und Authentizität des Dokuments gewährleistet.

67.

Im vorliegenden Fall gibt es eindeutig keine derartige Befriedigung des Anspruchs, es sei denn, man wollte entweder in der Gegenerwiderung des Parlaments oder in seinem nachfolgenden Antrag, die Hauptsache für erledigt zu erklären (wobei der Inhalt des fraglichen Beschlusses, was überraschen mag, der Klägerin vom Gericht übermittelt wurde), eine Entscheidung im Sinne von Art. 10 Abs. 2 sehen ( 27 ).

68.

Das Gericht hat jedoch in den Rn. 27 und 28 des angefochtenen Beschlusses, in denen es sich in erster Linie auf das Urteil Jurašinović/Rat (im Folgenden: Urteil Jurašinović) ( 28 ) stützt, festgestellt, „dass eine Klage auf Nichtigerklärung eines Beschlusses, mit dem der Zugang zu Dokumenten verweigert wird, gegenstandslos wird, wenn die fraglichen Dokumente von einem Dritten zugänglich gemacht wurden und der Antragsteller zu ihnen Zugang haben und von ihnen so rechtmäßig Gebrauch machen kann, als hätte er sie auf seinen Antrag gemäß der Verordnung Nr. 1049/2001 erhalten. … Diese Rechtsprechung gilt erst recht im vorliegenden Fall, in dem eine vollständige Fassung des angeforderten Dokuments von dessen Adressat selbst zugänglich gemacht wurde, so dass kein Zweifel daran besteht, dass die Klägerin es in völlig rechtmäßiger Weise für die Zwecke ihrer universitären Tätigkeit verwenden kann.“

69.

Wie bereits dargelegt, kann die allgemeine verfahrensrechtliche Kategorie des Rechtsschutzinteresses in dem Sinne verstanden werden, dass sie bis zu einem gewissen Grad von den materiellen Rechten, die mit einer solchen Klage durchgesetzt werden sollen, unabhängig ist ( 29 ). Daher kann es sein, dass eine derartige verfahrensrechtliche Kategorie der materiellen Rechtslage nicht ganz entspricht. Außerdem sollte die Ausgestaltung der Kategorie des Rechtsschutzes mit einem vernünftigen Maß an Pragmatismus einhergehen. Die Unionsgerichte sind nämlich ebenso wie andere Gerichte jedenfalls im Rahmen von Nichtigkeitsklagen keine Auskunftsstellen für Rechtsfragen, die von Personen ohne erkennbares Interesse am Ausgang des Rechtsstreits angerufen werden könnten.

70.

Auf der anderen Seite gibt es gewisse Grenzen für eine solche Trennung. Diese Grenzen haben ihren Ursprung in der engen Verbindung, die zwischen der materiellen Rechtslage und dem Verfahren besteht, das diese materielle Rechtslage umsetzen soll. Im Rahmen eines Rechtsstreits über den Zugang zu Dokumenten muss die Möglichkeit der materiellen Befriedigung des Begehrens und damit der mögliche Wegfall des Streitgegenstands im Licht davon bewertet werden, worauf der Kläger überhaupt Anspruch hatte.

71.

In Anbetracht dessen bin ich der Ansicht, dass der Ansatz, den das Gericht unter Bezugnahme auf das vorangegangene Urteil Jurašinović gewählt hat und den ich daher einfach als „Jurašinović-Kriterien“ bezeichnen werde, sowohl in begrifflicher als auch in praktischer Hinsicht falsch ist. Bevor ich darlege, warum dies nach dem Sachverhalt des vorliegenden Rechtsmittels so ist, werde ich dieses Urteil zunächst in seinem eigenen Kontext erläutern: wie der Ansatz zustande kam (i), warum er sich nur schwer mit anderen Entscheidungen des Gerichts in Einklang bringen lässt, so dass die Rechtsprechung uneinheitlich ist (ii), und vor allem, warum er nach der Entscheidung der Großen Kammer des Gerichtshofs in der Rechtssache ClientEarth nicht aufrechterhalten werden kann (iii).

i) Von Weber zu Jurašinović: die Entstehungsgeschichte der Kriterien

72.

Die Rechtssache Weber/Kommission ( 30 ) ist wohl der erste Fall, in dem das Gericht durch Beschluss entschieden hat, dass die Hauptsache erledigt ist, wenn das angeforderte Dokument von einem Dritten der Öffentlichkeit (online) zur Verfügung gestellt wurde.

73.

In diesem Fall hatte ein Journalist bei der Kommission Zugang zu einem Schreiben der Generaldirektion Wettbewerb an die deutsche Regierung zu einem deutschen Beihilfeverfahren beantragt. In der Antwort auf eine Frage des Gerichts an die Parteien bestätigte die Kommission, dass dieses Schreiben vollständig in einer im Internet verfügbaren Zeitschrift zugänglich sei. In Rn. 41 des Beschlusses heißt es: „Nach Ansicht der Kommission hat der Kläger somit Zugang zu dem begehrten Schreiben und kann davon so rechtmäßig Gebrauch machen, als wenn er es auf seinen Antrag gemäß der Verordnung Nr. 1049/2001 erhalten hätte.“ Da die Nichtigkeitsklage jedoch aus einem anderen Grund als offensichtlich unzulässig abgewiesen wurde, traf das Gericht diese Feststellung nur als ein die Entscheidung nicht tragendes obiter dictum, ohne dass sie in dieser Rechtssache tatsächlich zur Anwendung kam.

74.

Sodann, in der Rechtssache Jurašinović, war dem Kläger der Zugang zu Ratsdokumenten zum Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia, im Folgenden: ICTY) im Zusammenhang mit einem dort anhängigen Verfahren verweigert worden. Zu seiner Verteidigung machte der Rat geltend, dass der Kläger kein Rechtsschutzinteresse habe, da zum Zeitpunkt der Klageerhebung einige der angeforderten Dokumente in der Rechtssachendatenbank des ICTY im Internet zugänglich gewesen seien.

75.

Das Gericht hat sich vor diesem Hintergrund ausdrücklich auf den Beschluss Weber gestützt und ausgeführt, dass „eine Klage auf Nichtigerklärung einer Entscheidung, mit der der Zugang zu Dokumenten verweigert wird, gegenstandslos wird, wenn die fraglichen Dokumente von einem Dritten zugänglich gemacht wurden und der Antragsteller zu diesen Dokumenten Zugang haben und davon so rechtmäßig Gebrauch machen kann, als hätte er sie auf seinen Antrag gemäß der Verordnung Nr. 1049/2001 erhalten“ ( 31 ). Da das Gericht jedoch feststellte, dass die fraglichen Dokumente „zum Zeitpunkt der Klageerhebung“ auf der Website des ICTY nicht verfügbar waren, wies es die vom Rat erhobene Einrede der Unzulässigkeit letztlich zurück, weil aus den Akten nicht hervorging, dass die Dokumente zu diesem Zeitpunkt der Öffentlichkeit zugänglich waren ( 32 ).

76.

Eine Betrachtung der Rechtssachen, die das Gericht im angefochtenen Beschluss als Präzedenzfälle für seine rechtliche Kernaussage angeführt hat ( 33 ), ergibt mithin, dass die im vorliegenden Fall aufgestellten Kriterien offenbar de facto noch nie zuvor angewandt wurden. Das allein ist allerdings nicht entscheidend. In der sich organisch entwickelnden Unionsrechtsprechung wird ein obiter dictum in einem Fall plötzlich zur ratio in einer anderen Rechtssache. Mit dem Hinweis darauf, dass diese Kriterien bislang noch nie angewandt wurden, möchte ich nur hervorheben, dass ihre Auswirkungen und Folgen notwendigerweise noch recht ungeklärt sind.

ii) Variationen in der Rechtsprechung des Gerichts

77.

Daneben gibt es weitere wichtige Rechtsprechungslinien des Gerichts, die ebenfalls die Frage betreffen, ob und inwieweit der Gegenstand (Zweck) einer den Zugang zu Dokumenten betreffenden Nichtigkeitsklage weggefallen ist, wenn das angeforderte Dokument durch einen Dritten verbreitet wurde.

78.

Vor den Entscheidungen Weber und Jurašinović, im Jahr 1995, als der Zugang zu Dokumenten im Besitz von Unionsorganen noch durch spezielle Rechtsvorschriften für jedes einzelne Organ geregelt wurde, blieb ein vom Svenska Journalistförbundet beim Rat gestellter Antrag auf Zugang zu bestimmten, das Europäische Polizeiamt (Europol) betreffenden Dokumenten erfolglos. Der Antragsteller hatte die betreffenden Dokumente ohnehin bereits von den schwedischen Behörden erhalten. Vor diesem Hintergrund entschied das Gericht gleichwohl, dass „eine Person, der der Zugang zu einem Dokument oder zu einem Teil eines Dokuments verweigert wird, bereits aus diesem Grund ein Interesse an der Nichtigerklärung dieser Entscheidung [hat] … Dass die beantragten Dokumente allgemein bekannt sind, ist in diesem Zusammenhang unerheblich.“ ( 34 ) Das Gericht prüfte den Fall sodann in der Sache und erklärte schließlich die Entscheidung des Rates, dem Antragsteller den Zugang zu den angeforderten Dokumenten zu verweigern, für nichtig.

79.

Noch wichtiger ist vielleicht, dass nach den Entscheidungen Weber und Jurašinović der Kläger in der Rechtssache Access Info Europe/Rat ( 35 ) gegen die Weigerung des Rates klagte, ihm Zugang zu bestimmten Informationen zu gewähren, die in einer Note zum Vorschlag für eine neue Verordnung über den Zugang zu Dokumenten der Unionsorgane enthalten waren. Die Weigerung wurde damit begründet, dass die Gewährung des Zugangs seinen Entscheidungsprozess beeinträchtigen würde. In seiner Klagebeantwortung machte der Rat geltend, dass schon vor Klageerhebung auf der Website der Organisation Statewatch eine vollständige Fassung des angeforderten Dokuments verfügbar gewesen sei. Nach seinen Angaben war die Veröffentlichung nicht genehmigt worden. Als der Rat über den Zugangsantrag entschied, hatte er von ihr keine Kenntnis. Die Klägerin führte in ihrer Erwiderung aus, sie verfüge nunmehr über eine Abschrift der vollständigen Fassung des angeforderten Dokuments, habe aber von ihr keine Kenntnis gehabt, als sie ihren Zugangsantrag gestellt habe.

80.

Das Gericht entschied, dass weder die Verbreitung der Fassung des angeforderten Dokuments im Internet noch die Tatsache, dass die Klägerin später Kenntnis von ihrem Inhalt erhalten habe, die Annahme zulasse, dass sie kein Interesse mehr daran habe, die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung zu beantragen ( 36 ). Das Verhalten von Statewatch sei für die Beurteilung des Interesses der Klägerin an der Erwirkung der Nichtigerklärung dieser Entscheidung ohne Bedeutung. Daraus folge, dass die Klägerin ein Interesse daran habe, die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung zu erwirken, obwohl sie den Inhalt der Informationen, zu denen ihr der Zugang vom Rat verwehrt worden sei, habe erhalten können ( 37 ).

81.

Anders als das Gericht ( 38 ) habe ich einige Schwierigkeiten, den vom Gericht in diesen Rechtssachen gewählten Ansatz von dem vorliegenden Ansatz abzugrenzen. Die vom Gericht in diesen Rechtssachen gewählte Lösung differiert in ihrer Logik und ihrer Herangehensweise sehr deutlich: Der Verbreitung des angeforderten Dokuments durch einen Dritten (sei sie „rechtmäßig“ wie in der Rechtssache Svenska Journalistförbundet oder aber „nicht genehmigt“ wie in der Rechtssache Access Info Europe) wurde keine Auswirkung auf die materielle Befriedigung des Anspruchs und damit auf das Interesse eines Klägers an der Erhebung einer Klage auf Nichtigerklärung einer ablehnenden Entscheidung beigemessen.

iii) ClientEarth

82.

Schließlich und wohl am wichtigsten ist, dass die Große Kammer des Gerichtshofs kürzlich Gelegenheit hatte, sich in der Rechtssache ClientEarth ( 39 ) mit der Frage zu befassen, welche Auswirkungen die materielle Befriedigung bei einer Klage auf Nichtigerklärung im Zusammenhang mit dem Zugang zu Dokumenten auf das Rechtsschutzinteresse der Klägerin hat.

83.

Bei ClientEarth handelt es sich um eine im Bereich des Umweltschutzes tätige Einrichtung ohne Gewinnerzielungsabsicht. Sie beantragte bei der Kommission die Gewährung des Zugangs zu bestimmten Folgenabschätzungsberichten. Die Kommission lehnte den Antrag zunächst aus Gründen des Schutzes des Entscheidungsprozesses ab. Dann gab sie jedoch im Lauf des Verfahrens vor dem Gerichtshof nach und nach alle von ClientEarth angeforderten Dokumente frei ( 40 ).

84.

Zum Antrag der Kommission, die Hauptsache deshalb für erledigt zu erklären, führte der Gerichtshof aus: „Obwohl die verschiedenen [angeforderten] Dokumente im Laufe des vorliegenden Rechtsmittelverfahrens veröffentlicht oder [der Antragstellerin] übermittelt wurden, ist … festzustellen, dass die streitigen Beschlüsse von der Kommission nicht zurückgenommen wurden und daher der Gegenstand des Rechtsstreits nicht weggefallen ist.“ ( 41 )

85.

Ich stimme der Rechtsmittelführerin zu, dass das Urteil ClientEarth insoweit für den vorliegenden Fall relevant ist. Es ist zwar nach seinem Sachverhalt hauptsächlich für die Frage eines weiteren oder fortbestehenden Rechtsschutzinteresses in Fällen aufschlussreich, in denen der Anspruch des Klägers vollständig befriedigt wurde. Es wird daher in erster Linie für die Prüfung des zweiten Rechtsmittelgrundes relevant sein, aber seine Auswirkungen auf den ersten Rechtsmittelgrund dürfen ebenfalls nicht außer Acht gelassen werden.

86.

Der Gerichtshof hat im Urteil ClientEarth (im Licht einer späteren Klarstellung im Beschluss Rogesa ( 42 )) bestätigt, dass der Wegfall des Streitgegenstands entweder voraussetzt, dass der Antragsteller formell befriedigt wurde (die angefochtene Entscheidung muss von dem Organ zurückgenommen worden sein) oder dass er materiell in vollem Umfang vom Organ selbst befriedigt wurde. Ich möchte hervorheben, dass in beiden Fällen die vollständige materielle Erfüllung (für den Gerichtshof) voraussetzte, dass der Antragsteller i) alle angeforderten Dokumente in vollem Umfang und ii) von dem betreffenden Organ erhielt.

87.

Dieser Ansatz ist aber nicht anwendbar i) auf einen Antragsteller, der einen Hinweis darauf erhalten hat, dass eine bearbeitete Fassung des mutmaßlich angeforderten Dokuments existiert, und zwar ii) nicht von dem Organ, von dem er das Dokument angefordert hat, sondern von einem Gericht, wobei iii) diese Fassung von einem Dritten als Privatperson online gestellt wurde, ohne Wissen des Antragstellers oder des Organs.

88.

Es würde der Systematik und dem Geist der Verordnung Nr. 1049/2001 völlig widersprechen, würde man dann einen Wegfall des Rechtsschutzinteresses bejahen. Darüber hinaus würde sogar auf der Ebene der potenziellen gerichtlichen Durchsetzung derartiger Rechte vor den Unionsgerichten ( 43 ) der auf den ersten Blick verführerischen Überlegung, eine Rechtssache zu einem schnellen Abschluss zu bringen, soweit dies jemals eine Rolle spielen sollte ( 44 ), schlecht gedient. Abgesehen von ihrer klaren Unvereinbarkeit mit dem Geist der Verordnung werfen die Jurašinović-Kriterien letztlich mehr praktische Probleme auf, als sie jemals in Form von (einfachen) Lösungen bieten könnten; damit werde ich mich nunmehr befassen.

3. Probleme mit Jurašinović (wie der vorliegende Fall zeigt)

89.

Im Urteil Jurašinović hat das Gericht drei Kriterien oder Bedingungen festgelegt, die erfüllt sein müssen, um zu dem Schluss zu gelangen, dass eine Nichtigkeitsklage gegen einen ablehnenden Bescheid eines Unionsorgans gegenstandslos geworden ist. Sie müssen kumulativ erfüllt sein: i) Das Dokument muss von einem Dritten zugänglich gemacht worden sein, so dass es zum Zeitpunkt der Erhebung der Nichtigkeitsklage oder zumindest zum Zeitpunkt der Entscheidung über sie bereits öffentlich zugänglich war. ii) Der Kläger hat Zugang zu ihm. iii) Die Nutzung des Dokuments ist rechtmäßig.

90.

Diese Kriterien werfen mindestens drei praktische Probleme auf: Kenntnis, Authentizität und rechtmäßige Nutzung.

91.

Erstens geht es um die Kenntnis und Verfügbarkeit des Dokuments. Die Rechtsmittelführerin hat geltend gemacht, ihr Recht auf Information nach der Verordnung Nr. 1049/2001 könne nicht davon abhängen, dass sie in der Lage sei, Google zu nutzen, oder davon, dass ihr bekannt sei, dass ein Dritter das angeforderte Dokument online gestellt habe. Es liefe dem Zweck der Verordnung Nr. 1049/2001, eine möglichst einfache Ausübung des Rechts auf Zugang zu Dokumenten zu gewährleisten, zuwider, wenn die Bürger gezwungen würden, das Internet zu durchforsten. Der Rechtsmittelgegner hat ausgeführt, die Rechtsmittelführerin habe wahrscheinlich von dieser Veröffentlichung gewusst, da einige ihrer Beiträge in eben diesem Blog veröffentlicht würden.

92.

In diesem Punkt stimme ich der Rechtsmittelführerin voll und ganz zu. Mit der Verordnung Nr. 1049/2001 wurde ein institutioneller Zugang zu bestimmten Dokumenten geschaffen. Muss jeder Antragsteller, der jetzt ein Dokument anfordern möchte, zunächst eingehend im Internet nach diesem Dokument suchen? Und falls er anschließend eine Klage auf Nichtigerklärung einer ablehnenden Entscheidung erheben möchte, muss er dann in regelmäßigen Abständen immer wieder suchen, während die Klage anhängig ist, um sicherzustellen, dass das angeforderte Dokument nicht in den folgenden Jahren irgendwo im Internet auftaucht?

93.

Der vorliegende Fall verdeutlicht einen weiteren merkwürdigen Aspekt der ersten Bedingung im Urteil Jurašinović: Das Rechtsschutzinteresse entfiele nicht nur dann, wenn der Antragsteller bereits zum Zeitpunkt der Klageerhebung offensichtlich materiell befriedigt wurde, sondern auch, wenn dies später der Fall wäre, „zumindest zum Zeitpunkt der Entscheidung“. Dies widerspricht nicht nur früheren Ausführungen des Gerichts selbst ( 45 ), sondern auch der anschließenden Entscheidung ClientEarth, in der aus einem sehr guten Grund festgestellt wurde, dass nur in begrenztem Umfang relevant sein kann, was nach Erhebung der Klage auf Nichtigerklärung einer ablehnenden Entscheidung geschieht.

94.

Darüber hinaus wird dieser Gedankengang durch den vorliegenden Fall völlig ad absurdum geführt: Würde das Rechtsschutzinteresse nicht nur dann wegfallen, weil Dokumente irgendwo im Internet von einem Dritten zur Verfügung gestellt wurden, sondern auch hinsichtlich dieser Dokumente selbst, von denen weder der Kläger noch das beklagte Organ Kenntnis hatten? Wie beide Parteien vor dem Gericht erklärt haben, wussten sie nichts von der Veröffentlichung, und zwar ab dem Zeitpunkt, als das Parlament seinen ablehnenden Beschluss fasste, bis zu dem Zeitpunkt, als sie vom Gericht selbst auf diese Tatsache aufmerksam gemacht wurden. Damit wäre, um auf die einleitend aufgeworfene, dem Roman „Dune“ entlehnte Frage zu antworten, ein „Verbreiten (eines angeforderten Dokuments), ohne (jemals Zugang zu ihm) zu geben“, oder sogar ein „Verbreiten ohne Kenntnis“ aus der Sicht des Gerichts im Wesentlichen möglich.

95.

Zweitens geht es um die Authentizität und Integrität des angeforderten Dokuments: Die Rechtsmittelführerin und die schwedische Regierung machen geltend, dass es der Rechtsmittelführerin möglich sein müsse, Informationen aus authentischen Quellen einholen zu können, insbesondere im Hinblick auf ihre berufliche Tätigkeit der akademischen Forschung. Die Rechtsmittelführerin hat betont, dass sie eine von der Finnischen Akademie finanzierte akademische Forscherin sei. Da sie an die Standards der Qualität, Objektivität und Forschungsethik gebunden sei, könne sie sich nicht auf Internetrecherchen nach durchgesickerten oder redigierten Informationen stützen, sondern dürfe nur Informationen aus authentischen Quellen verwenden. Sie hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass Herr De Capitani nach den Angaben in seinem Blog „eine von [ihm] mit Hervorhebungen/Anmerkungen versehene Fassung“ eingestellt habe.

96.

Das Gericht hat ausgeführt, die Parteien seien sich einig gewesen, dass Herr De Capitani „der Öffentlichkeit eine vollständige Fassung dieses Dokuments im Internet zur Verfügung gestellt hat“, und es habe im Urteil De Capitani ( 46 )„den Inhalt des angeforderten Dokuments ausführlich dargelegt“ ( 47 ).

97.

Ich werde mich zu der vom Gericht in diesem Kontext getroffenen Sachverhaltsfeststellung nicht äußern. Die Rechtsmittelführerin hat keine Verfälschung der Beweise gerügt. Es ist daher nicht meine Aufgabe, zu beurteilen, ob es sich bei dem, was zumindest zum Zeitpunkt meiner Einsichtnahme ein frei zugänglicher, vom Autor redigierter und mit Anmerkungen versehener Blogeintrag im HTML-Format war, tatsächlich um eine „vollständige Fassung“ des angeforderten Dokuments handelt ( 48 ).

98.

Wie die Rechtsmittelführerin sowohl vor dem Gerichtshof als auch vor dem Gericht klar zum Ausdruck gebracht hat, verschaffte ihr das „verbreitete“ Dokument keine „Befriedigung“, da die von Herrn De Capitani online gestellte Fassung nicht authentisch und für ihre Zwecke nicht brauchbar war.

99.

Auch dem kann ich nur zustimmen. Meiner Meinung nach ist der Zweck, zu dem ein Antragsteller ein Dokument erhalten möchte, im Rahmen der Verordnung Nr. 1049/2001 irrelevant ( 49 ). Jeder Antragsteller, ob Journalist, Wissenschaftler oder nur neugieriger Bürger, hat nach der Verordnung eindeutig das Recht, von dem Organ eine Antwort zu erhalten. Wie oben bereits dargelegt ( 50 ), wird durch das Insistieren auf einer Antwort des Organs im Fall einer positiven Entscheidung nach Art. 10 Abs. 1 oder Art. 10 Abs. 2 die Echtheit und Zuverlässigkeit der zur Verfügung gestellten Informationen gewährleistet. Dieses Recht hat nach der Verordnung jeder Antragsteller, unabhängig davon, zu welchem Zweck er die Informationen erhalten möchte.

100.

Die praktischen Konsequenzen der Ausführungen des Gerichts in Rn. 26 des angefochtenen Beschlusses würden der Sache nach lauten: „Stellen Sie sich anhand von Informationen aus einem privaten redigierten Blogspot und der Entscheidung des Gerichts in einer anderen Rechtssache selbst ihre eigene Version einer offiziellen Entscheidung zusammen“, wobei beide Texte erlassen bzw. „entdeckt“ wurden, lange nachdem der ursprüngliche Beschluss, der derzeit noch geprüft wird, erging.

101.

Drittens stehen die beiden vorgenannten Punkte in Verbindung mit der Frage der rechtmäßigen Nutzung, dem dritten Kriterium im Urteil Jurašinović. In Rn. 28 des angefochtenen Beschlusses heißt es dazu, dass „eine vollständige Fassung des angeforderten Dokuments von dessen Adressaten selbst zugänglich gemacht wurde, so dass kein Zweifel daran besteht, dass die Klägerin es in völlig rechtmäßiger Weise für die Zwecke ihrer universitären Tätigkeit verwenden kann.“

102.

Auch über diese Ausführungen bin ich etwas verwundert. Wie kann jemand, der Zugang zu einem Dokument begehrt, dem vom Organ mitgeteilt wurde, dass dieses Dokument nicht verbreitet werden könne, und der dann erfährt, dass irgendwo auf einem privaten Blogspot eine Fassung dieses Dokuments existiert, sicher sein, dass er von einem solchen online gefundenen Dokument „so rechtmäßig Gebrauch machen kann, als hätte er [es] auf seinen Antrag gemäß der Verordnung Nr. 1049/2001 erhalten“? Der Antragstellerin war mitgeteilt worden, dass sie genau dieses Dokument nicht erhalten könne. Musste sie nicht aufgrund einer solchen ausdrücklichen Ablehnung logischerweise davon ausgehen, dass das fragliche Dokument ohne Genehmigung im Internet aufgetaucht ist? Ist dieser Schluss nicht geradezu zwingend, wenn das Parlament, auch nachdem es erfahren hatte, dass das Dokument im Internet durch einen Dritten verbreitet worden war, seine ursprüngliche ablehnende Entscheidung nie zurückgezogen hat und bis heute an ihr festhält?

103.

Angesichts des vorliegenden Sachverhalts musste die Rechtsmittelführerin vielmehr in Bezug auf die „rechtmäßige Nutzung“ vernünftigerweise das genaue Gegenteil dessen annehmen, was ihr vom Gericht angesonnen wird. Darüber hinaus sollte generell von einer Person, die den korrekten institutionellen Weg einschlägt, um im Rahmen der Verordnung Nr. 1049/2001 Zugang zu einem bestimmten Dokument zu erhalten, sicher nicht erwartet werden, dass sie eine umfassende rechtliche Bewertung vornimmt – oder ihren Fall vor die Unionsgerichte bringt, damit diese eine solche Bewertung vornehmen –, um zu klären, ob sie eine online gefundene Fassung des angeforderten Dokuments rechtmäßig nutzen darf. Wie gesagt: Nach dem durch die Verordnung Nr. 1049/2001 geschaffenen System hat diese Person Anspruch auf eine eindeutige und direkte Antwort des Unionsorgans, die zugleich auch die Integrität, die Echtheit und die Rechtmäßigkeit der Nutzung der Dokumente garantiert, die der Öffentlichkeit von Dritten zugänglich gemacht wurden.

104.

Klarheit hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Nutzung ist umso bedeutsamer in einer Welt, in der früher oder später alle möglichen Informationen im Internet zirkulieren ( 51 ). Die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Nutzung einiger dieser Informationen kann komplex sein, angefangen bei der Frage, von wem das Dokument wirklich stammt und ob es authentisch ist. Deshalb ist das durch die Verordnung Nr. 1049/2001 geschaffene System für die verbindliche Feststellung der rechtmäßigen Nutzung durch das Organ selbst von entscheidender Bedeutung, damit sich solche Fragen nicht in etwaigen anschließenden Rechtsstreitigkeiten stellen ( 52 ).

4. Zurück zu den Wurzeln: Voraussetzungen für die materielle Befriedigung eines Antragstellers in einer Rechtssache, die den Zugang zu Dokumenten betrifft

105.

In diesen Schlussanträgen wurden die im Urteil Jurašinović aufgestellten Kriterien, auf die sich das Gericht im angefochtenen Beschluss bezogen hat, ausführlich und recht detailliert erörtert. Damit sollte erläutert werden, warum dieser Ansatz meines Erachtens konzeptionell falsch und in der Praxis absurd ist.

106.

Wie der vorangegangene Abschnitt ferner gezeigt hat, hätte der Aufwand, den die Unionsgerichte künftig bei allen Klagen auf Nichtigerklärung ablehnender, im Rahmen der Verordnung Nr. 1049/2001 ergangener Entscheidungen betreiben müssten, nur sehr wenig mit der Entscheidung des Rechtsstreits in der Sache zu tun. Es käme zu endlosen (Tatsachenfragen betreffenden) Diskussionen darüber, wer genau was online gestellt hat, wo und wann es online gestellt wurde, wer davon wusste, ob ein von einem Dritten irgendwo online gestelltes Dokument die gleiche Zahl von Absätzen wie das Original hat oder nicht und so fort.

107.

Darüber hinaus würden solche, Tatsachenfragen betreffende Diskussionen letztlich dazu genutzt, Privatpersonen den Zugang zu den Unionsgerichten zu versperren. Ein Beschluss, mit dem die Hauptsache für erledigt erklärt wird, ist eine ziemlich einschneidende Maßnahme, bei der Unionsgerichte gegen den Willen des Klägers zu dem Ergebnis kommen, dass seine Klage im Wesentlichen unberechtigt und inhaltsleer ist. Davon muss daher mit Bedacht, um nicht zu sagen zurückhaltend Gebrauch gemacht werden, insbesondere in Situationen, in denen der formale Streitgegenstand von den Unionsgerichten bereits durch einen materiellen Streitgegenstand ersetzt wurde, wie in den Rechtssachen, in denen es um den Zugang zu Dokumenten geht ( 53 ). Wird im nächsten Schritt damit begonnen, den Inhalt der materiellen Befriedigung umzudefinieren, so dass kaum noch erkennbar ist, was ursprünglich vom Gericht verlangt wurde ( 54 ), kommt dies der Gefahr des Entzugs jedes wirklichen Zugangs zu den Gerichten gefährlich nahe.

108.

Aus all diesen Gründen schlage ich dem Gerichtshof vor, dem ersten Rechtsmittelgrund stattzugeben und zu den aktuellen, vernünftigen und einfach zu handhabenden Kriterien für die materielle Befriedigung zurückzukehren, die er kürzlich in den Entscheidungen ClientEarth und Rogesa bestätigt hat und die wie folgt zusammengefasst werden können.

109.

Ein Kläger, der die Nichtigerklärung eines von einem Organ gemäß der Verordnung Nr. 1049/2001 gefassten Beschlusses beantragt, kann sein ursprüngliches Rechtsschutzinteresse dann und nur dann verlieren, wenn sein Anspruch entweder formell oder materiell vollständig befriedigt wurde. Formelle Befriedigung bedeutet, dass das Organ den angefochtenen Beschluss zurücknimmt. Materielle Befriedigung kann auch ohne formelle Rücknahme eintreten, aber nur, wenn der Antragsteller i) alle angeforderten Dokumente vollständig in der angeforderten Form und im angeforderten Umfang erhält, und zwar ii) von dem betreffenden Organ gemäß den in Art. 10 Abs. 1 oder in Art. 10 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Modalitäten.

110.

Eine solche vollständige Befriedigung kann dazu führen, dass das ursprüngliche Interesse an der Erhebung oder Weiterverfolgung einer Klage vor den Unionsgerichten in Wegfall kommt. Sofern es auch kein weiteres oder anderes Interesse des Klägers an der Rechtsverfolgung gibt (darauf wird im folgenden Abschnitt eingegangen, der sich mit dem zweiten Rechtsmittelgrund befasst), könnte ausnahmsweise der vollständige Wegfall des Rechtsschutzinteresses festgestellt werden, mit der Folge, dass sich die Hauptsache erledigt hat ( 55 ).

111.

Nach dem Sachverhalt des vorliegenden Falles wurde der Anspruch der Rechtsmittelführerin eindeutig weder formell noch materiell befriedigt. Es liegt auf der Hand, dass das ursprüngliche Interesse der Rechtsmittelführerin an einer Entscheidung in der Sache fortbesteht. Das Gericht hat somit einen Rechtsfehler begangen. Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben.

C.   Zweiter Rechtsmittelgrund

112.

Meines Erachtens sollte dem ersten Rechtsmittelgrund stattgegeben werden. Sollte der Gerichtshof meiner Analyse insoweit beipflichten, bestünde keine Notwendigkeit, den zweiten Rechtsmittelgrund zu prüfen. Angesichts der Aufgabe der Generalanwälte, den Gerichtshof umfassend zu unterstützen, werde ich jedoch auch einige kurze Schlussbemerkungen zum zweiten Rechtsmittelgrund machen.

113.

Dabei kann ich mich in der Tat recht kurzfassen, da die Rechtsmittelführerin, nachdem das Urteil ClientEarth ergangen ist, sicherlich mit dem zweiten Rechtsmittelgrund ebenfalls Erfolg haben würde. Wendet man die Feststellungen in dieser Rechtssache auf den Sachverhalt des vorliegenden Falles an, kann man nur zu dem Ergebnis kommen, dass die Rechtsmittelführerin nicht nur ihr ursprüngliches Rechtsschutzinteresse an diesem Verfahren nie verloren hat, sondern auch ein fortbestehendes Interesse an einem Urteil des Gerichts hat, und zwar zumindest unter dem Gesichtspunkt, dass erneute Rechtsverstöße vermieden werden, falls sie künftig weitere Zugangsanträge stellt.

114.

In Rn. 33 des angefochtenen Beschlusses hat das Gericht ausgeführt, die Weigerung des Parlaments, Zugang zu gewähren, sei fallspezifisch und ad hoc erfolgt. Es bestehe kein Anlass zu der Annahme, dass sich der geltend gemachte Rechtsverstoß künftig unabhängig von den besonderen Umständen des vorliegenden Falls wiederholen werde. Insbesondere habe die „Weigerung des Parlaments im angefochtenen Beschluss … auf der Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren … [beruht], und zwar für die Dauer dieses Verfahrens, da nach den Angaben des Parlaments ein relevanter Zusammenhang zwischen dem angeforderten Dokument und dem laufenden Gerichtsverfahren in der Rechtssache, in der das Urteil [De Capitani] ergangen ist, bestand und der Kontext des Zugangsantrags durch intensive Debatten in Blogs und Stellungnahmen, die geeignet waren, seinen eigenen Standpunkt in der Rechtssache zu beeinflussen, gekennzeichnet waren“.

1. Vorbringen der Parteien

115.

Die Rechtsmittelführerin sowie die finnische und die schwedische Regierung sind der Auffassung, dass die Rechtsmittelführerin weiterhin ein Rechtsschutzinteresse habe, da der gerügte Rechtsverstoß unabhängig von den besonderen Umständen des Falles künftig vermutlich erneut auftreten werde. Die Rechtsmittelführerin trägt vor, die Verweigerung des Zugangs zum angeforderten Dokument durch den Rechtsmittelgegner sei weder fallspezifisch noch ad hoc erfolgt. Wie in der Rechtssache ClientEarth sei es mehr als wahrscheinlich, dass sie künftig weitere Anträge auf Zugang zu ähnlichen Dokumenten wie dem hier in Rede stehenden stellen werde, da ihre derzeitige Forschung zu diesem Thema mindestens bis 2021 andauern werde.

116.

Die Rechtsmittelführerin macht ferner geltend, ein Dokument, das Gegenstand eines Verfahrens vor dem Gerichtshof der Europäischen Union sei, sei zwangsläufig Teil des Gerichtsverfahrens. Dass es in Blogs intensiv geführte Debatten gebe, könne kein Grund sein, Dokumente zurückzuhalten. Im angefochtenen Beschluss habe das Gericht faktisch eine Kategorie von Dokumenten – nämlich endgültige ablehnende Entscheidungen, die gerichtlich angefochten würden – geschaffen, die nicht verbreitet werden müssten und für die (de facto) eine allgemeine Vermutung der Zugangsverweigerung gelte.

117.

Die finnische Regierung ist der Ansicht, es gebe ein erhebliches Risiko, dass der Rechtsmittelgegner die Verbreitung seiner Entscheidungen künftig unter Berufung auf den Schutz von Gerichtsverfahren verweigern werde.

118.

Der Rechtsmittelgegner führt aus, die Rechtsmittelführerin verwechsle die Frage des fortbestehenden Rechtsschutzinteresses mit der Frage der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung. Das Gericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass es ein relevanter Aspekt sei, ob die ablehnende Entscheidung fallspezifisch und ad hoc ergangen sei. Die Verweigerung des Zugangs sei fallspezifisch erfolgt. Sie habe auf einer Würdigung des betreffenden Dokuments im spezifischen Kontext eines Gerichtsverfahrens beruht, das in der Presse und der Öffentlichkeit auf großes Interesse gestoßen sei. Das Gericht habe die ablehnende Entscheidung zu Recht nicht als eine allgemeine de facto Vermutung der Zugangsverweigerung angesehen. Die Umstände des vorliegenden Falles unterschieden sich von denen in der Rechtssache ClientEarth, so dass dieses Urteil nicht einschlägig sei.

2. Nochmals ClientEarth

119.

Ich stimme mit den Parteien darin überein, dass der Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache ClientEarth für den vorliegenden Fall entscheidende Bedeutung zukommt. Da beide Parteien aus dieser Entscheidung jedoch offenbar unterschiedliche Schlussfolgerungen ziehen, erscheint es notwendig, die dort getroffenen Feststellungen im Einzelnen darzulegen.

120.

Wie bereits ausgeführt ( 56 ), hatte die Kommission in dieser Rechtssache, als das Urteil des Gerichtshofs erging, den materiellen Anspruch der Rechtsmittelführerin bereits vollständig befriedigt, so dass es darauf ankam, ob ein weiteres oder zusätzliches Rechtsschutzinteresse bestand. Für dieses verbleibende oder fortbestehende Interesse hat der Gerichtshof auf drei Faktoren abgestellt.

121.

Erstens stellte der Gerichtshof fest, dass wegen der verspäteten, nach dem Ende des Entscheidungsprozesses erfolgten Verbreitung der Dokumente das von ClientEarth mit ihrem Zugangsantrag verfolgte Ziel, den Entscheidungsprozess zu beeinflussen, nicht erreicht werden konnte (Vereitelung des Ziels der Verbreitung) ( 57 ).

122.

Zweitens führte der Gerichtshof aus, dass die Kommission ihre ursprüngliche Entscheidung auf die allgemeine Vermutung gestützt hatte, dass die Verbreitung von Dokumenten, die im Rahmen der Vorbereitung einer Folgenabschätzung erstellt werden, den laufenden Entscheidungsprozess ernsthaft beeinträchtigen würde. Diese allgemeine Vermutung würde die Kommission künftig bei neuen, im Rahmen der Vorbereitung einer laufenden Folgenabschätzung gestellten Anträgen auf Zugang zu Dokumenten möglicherweise wieder anwenden. Der Gerichtshof kam daher zu dem Ergebnis, dass der Rechtsverstoß in Zukunft wahrscheinlich erneut auftreten wird (Wiederholungsgefahr) ( 58 ).

123.

Drittens hielt der Gerichtshof es für besonders wahrscheinlich, dass diese Vermutung in Zukunft gerade auch ClientEarth entgegengehalten wird. Als Einrichtung, die Umweltschutzziele verfolgte, bestand eine ihrer Aufgaben darin, sich um mehr Transparenz und Legitimität des Gesetzgebungsverfahrens der Union zu bemühen. Sie würde daher wahrscheinlich künftig erneut den Zugang zu Dokumenten beantragen, und die Kommission würde einen solchen Antrag wieder auf der Grundlage dieser allgemeinen Vermutung ablehnen. ClientEarth müsste dann eine neue Nichtigkeitsklage erheben, um die Vermutung zu entkräften (besondere Betroffenheit) ( 59 ).

3. Die Wiederholungsgefahr

124.

Im Gegensatz zur Rechtsmittelführerin bin ich mir nicht ganz sicher, inwieweit die drei soeben genannten Punkte tatsächlich „Prüfkriterien“ darstellen und inwieweit es sich nur um drei verschiedene Gegebenheiten handelt, die der Gerichtshof in diesem speziellen Fall für relevant erachtete, um ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse von ClientEarth bejahen zu können.

125.

Ich stimme jedoch voll und ganz mit der Rechtsmittelführerin darin überein, dass diese Voraussetzung erfüllt wäre, wenn man den im Urteil ClientEarth dargelegten Ansatz in Bezug auf die Wahrscheinlichkeit der Gefahr einer Wiederholung des beanstandeten Rechtsverstoßes des Organs im vorliegenden Fall heranziehen würde.

126.

Meiner Meinung nach kann der Gedankengang, der der zweiten Kategorie im Urteil ClientEarth zugrunde liegt, relativ einfach ausgedrückt werden: Beruhte die Verweigerung des Zugangs in dieser Rechtssache i) auf einer allgemeinen rechtlichen Annahme, die der Rechtsmittelgegner wahrscheinlich in künftigen Fällen ii) in Bezug auf denselben Rechtsmittelführer anwenden wird?

127.

Die Logik der in dieser Weise definierten Ausnahme ist recht klar: Weder die Einzelperson (subjektives Interesse) noch die Unionsgerichte (objektives Interesse) wollen sich immer wieder mit gleichartigen Rechtssachen befassen, in denen es aufgrund des Verhaltens des beklagten Organs nie zu einer Entscheidung in der Sache kommen wird. Daher kann im Interesse des Rechts und der ordnungsgemäßen Rechtspflege gelegentlich der Notschalter betätigt und ein Rechtsstreit in der Sache entschieden werden, selbst wenn strenggenommen der ursprüngliche Streitgegenstand weggefallen ist.

128.

Insgesamt gesehen ist das Urteil ClientEarth für Kläger jedoch recht großzügig.

129.

Erstens ist die Wahrscheinlichkeit der Wiederholung eindeutig von den besonderen Umständen des Einzelfalls losgelöst, mithin eindeutig „unabhängig von den besonderen Umständen“ ( 60 ). Das ist durchaus folgerichtig: Ziel ist es, dass die gleiche (fragwürdige) rechtliche Prämisse in anderen, ähnlichen Fällen nicht zur Anwendung gelangt. Andernfalls käme man zu einer sehr problematischen (und sinnentleerten) Auslegung dieser Bedingung, wonach jeder Sachverhalt anders und daher jede Entscheidung ad hoc ergangen und nicht übertragbar wäre. Darauf wird hier aber eindeutig nicht abgezielt: Gerade die mögliche Übertragbarkeit über Einzelfälle hinaus soll erfasst werden.

130.

Zweitens muss somit eine allgemeine, hinreichend abstrakte rechtliche Annahme formuliert werden, die in künftigen Fällen angewandt werden kann. Könnte eine solche Prämisse auf der Grundlage der konkreten Rechtssache formuliert werden, ist der etwaige Kläger natürlich nicht verpflichtet, den Nachweis zu erbringen, dass dies der Fall sein wird ( 61 ). Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit genügt ( 62 ).

131.

Drittens ist jedoch ebenso klar, dass sich die Wahrscheinlichkeit einer Wiederholung auf denselben Antragsteller beziehen muss. Dabei kann es von gewisser Bedeutung sein, ob eine Wiederholung bei ihm „besonders wahrscheinlich“ ist. Das Urteil ClientEarth geht aber offenbar nicht so weit, dass die Möglichkeit für einen Einzelnen geschaffen wird, im Allgemeininteresse zu klagen, indem er lediglich vorbringt, dass das Organ einen gleichartigen Rechtsverstoß gegenüber anderen, zukünftigen Antragstellern begehen könnte. Das Rechtsschutzinteresse besteht für den konkreten Antragsteller fort, der zunächst ein eigenes Rechtsschutzinteresse hatte, die fragliche negative Entscheidung des Unionsorgans anzufechten, bis ein außerhalb seiner Kontrolle liegendes Ereignis eintrat, nämlich die Tatsache, dass der Urheber der angefochtenen Handlung seine Meinung zum Vorteil des Antragstellers in einem konkreten Fall änderte ( 63 ).

132.

Im vorliegenden Fall kann ich der Rechtsmittelführerin nur zustimmen, dass diese Aspekte des Urteils ClientEarth des Gerichtshofs im vorliegenden Rechtsmittelverfahren in vollem Umfang anwendbar sind.

133.

Erstens: Beruhte die Weigerung auf einer weitreichenden rechtlichen Annahme in Bezug auf die Anwendung der Verordnung Nr. 1049/2001, und könnte sie erneut zur Anwendung gelangen? Das trifft zu. Diese Vermutung bzw. diese Rechtsregel oder rechtliche Annahme ( 64 ) scheint in praktischer Hinsicht darauf hinzudeuten, dass die Verbreitung von Unionsbeschlüssen, die vor den Unionsgerichten angefochten werden, den Schutz von Gerichtsverfahren im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1049/2001 erheblich beeinträchtigen würde, insbesondere wenn über diese Beschlüsse intensiv debattiert wird ( 65 ).

134.

Kann eine solche rechtliche Annahme in künftigen Fällen zur Anwendung gelangen? Natürlich kann sie das, was recht gravierende Auswirkungen auf den Zugang zu Dokumenten in allen ähnlichen Fällen hätte: Der Zugang zu jeder abschließenden Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidung, die zufälligerweise vor den Unionsgerichten gerichtlich überprüft wird, könnte gemäß der Verordnung Nr. 1049/2001 ausgeschlossen werden, und zwar für die recht langen Zeiträume bis zum Abschluss der gerichtlichen Überprüfung vor den Unionsgerichten ( 66 ).

135.

Zweitens: Unbeschadet der interessanten Frage, ob Akademiker, die Forschungsgelder erhalten, eine Gruppe darstellen, bei der eine Wiederholung des Rechtsverstoßes „besonders wahrscheinlich“ (im Sinne des Urteils ClientEarth) ist, ist geltend gemacht worden, dass die Rechtsmittelführerin selbst in Zukunft wahrscheinlich weitere Anträge auf Zugang zu Dokumenten stellen werde, die sich im Besitz der Unionsorgane befänden. Ihre Forschungen beträfen eben dieses Thema, wobei ihr aktuelles Forschungsvorhaben durch einen mindestens bis 2021 laufenden Zuschuss finanziert werde. Im Einklang mit dem Urteil ClientEarth des Gerichtshofs besteht somit eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass sie weitere Anträge stellen wird bzw. dass nach allen dem Gerichtshof vorgelegten Tatsachen eine solche Wahrscheinlichkeit künftiger Anträge eindeutig nicht ausgeschlossen werden kann.

136.

Sollte der Gerichtshof auch den zweiten Rechtsmittelgrund der Rechtsmittelführerin prüfen wollen, bin ich im Ergebnis der Ansicht, dass auch er begründet ist.

D.   Tragweite der vorliegenden Rechtssache

137.

Die Rechtsmittelführerin hat die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses beantragt. Darüber hinaus hat sie den Gerichtshof ersucht, von Art. 61 Satz 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union Gebrauch zu machen. Diese Bestimmung ermächtigt den Gerichtshof, einen entscheidungsreifen Rechtsstreit selbst endgültig zu entscheiden, ohne die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückzuverweisen.

138.

Da das Gericht im vorliegenden Fall weder die Zulässigkeit noch die Begründetheit des bei ihm anhängig gemachten Rechtsstreits geprüft hat, schlage ich dem Gerichtshof vor, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Rechtssache gemäß Art. 61 Satz 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union an das Gericht zurückzuverweisen. In Anbetracht des recht singulären Verfahrensablaufs im vorliegenden Fall wurde die erforderliche Erörterung dieser Fragen dadurch abgeschnitten, dass das Gericht dem Rechtsstreit mittels seiner gemäß Art. 89 seiner Verfahrensordnung erlassenen prozessleitenden Maßnahme eine andere Richtung gegeben hat.

V. Ergebnis

139.

Ich schlage dem Gerichtshof vor,

den Beschluss des Gerichts der Europäischen Union vom 20. September 2018, Leino-Sandberg/Parlament (T‑421/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:628), aufzuheben;

die Sache an das Gericht zurückzuverweisen;

die Kostenentscheidung vorzubehalten.


( 1 ) Originalsprache: Englisch.

( 2 ) Erstausgabe bei Chilton, Philadelphia (1965); deutscher Titel: Der Wüstenplanet.

( 3 ) Andere assoziieren „Travelling Without Moving“ allerdings offenbar eher mit dem Titel des 1996 veröffentlichten dritten Studioalbums der britischen Funk- und Acid-Jazz-Band Jamiroquai.

( 4 ) Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 (ABl. 2001, L 145, S. 43).

( 5 ) In dieser Rechtssache erging später das Urteil vom 22. März 2018, De Capitani/Parlament (T‑540/15, EU:T:2018:167).

( 6 ) Beschluss vom 20. September 2018, Leino-Sandberg/Parlament (T‑421/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:628).

( 7 ) Auf www.free-group.eu/2015/07/12/eus-laws-are-like-sausages-you-should-never-watch-them-being-made (wiedergegeben in der Akte des Gerichts in der zuletzt am 21. Mai 2020 abgerufenen Fassung).

( 8 ) Fn. 7 der vorliegenden Schlussanträge; dort befindet sich der vom Gericht angegebene Hyperlink.

( 9 ) Urteil vom 22. März 2018, De Capitani/Parlament (T‑540/15, EU:T:2018:167).

( 10 ) Beschluss vom 20. September 2018, Leino-Sandberg/Parlament (T‑421/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:628).

( 11 ) Rn. 27 des angefochtenen Beschlusses.

( 12 ) Rn. 28 des angefochtenen Beschlusses.

( 13 ) Rn. 33 des angefochtenen Beschlusses.

( 14 ) Rn. 35 des angefochtenen Beschlusses.

( 15 ) Vgl. z. B. Urteile vom 7. Juni 2007, Wunenburger/Kommission (C‑362/05 P, EU:C:2007:322, Rn. 42), vom 17. April 2008, Flaherty u. a./Kommission (C‑373/06 P, C‑379/06 P und C‑382/06 P, EU:C:2008:230, Rn. 25), vom 28. Mai 2013, Abdulrahim/Rat und Kommission (C‑239/12 P, EU:C:2013:331, Rn. 61), vom 9. November 2017, HX/Rat (C‑423/16 P, EU:C:2017:848, Rn. 30), vom 23. November 2017, Bionorica und Diapharm/Kommission (C‑596/15 P und C‑597/15 P, EU:C:2017:886, Rn. 84 und 85), und vom 4. September 2018, ClientEarth/Kommission (C‑57/16 P, EU:C:2018:660, Rn. 43).

( 16 ) Vgl. z. B. Urteile vom 7. Juni 2007, Wunenburger/Kommission (C‑362/05 P, EU:C:2007:322, Rn. 50), vom 28. Mai 2013, Abdulrahim/Rat und Kommission (C‑239/12 P, EU:C:2013:331, Rn. 63), und vom 4. September 2018, ClientEarth/Kommission (C‑57/16 P, EU:C:2018:660, Rn. 48).

( 17 ) Vgl. z. B. Urteil vom 4. September 2018, ClientEarth/Kommission (C‑57/16 P, EU:C:2018:660, Rn. 43 bis 52).

( 18 ) Ich ziehe den Begriff „object“ (Gegenstand) der Klage bewusst dem in der englischen Übersetzung einiger einschlägiger Urteile des Gerichtshofs verwendeten Begriff „purpose“ (Zweck) vor.

( 19 ) Vgl. z. B. Urteile vom 5. März 1980, Könecke Fleischwarenfabrik/Kommission (76/79, EU:C:1980:68, Rn. 9), und vom 28. Mai 2013, Abdulrahim/Rat und Kommission (C‑239/12 P, EU:C:2013:331, Rn. 64).

( 20 ) Vgl. z. B. Urteil vom 28. Mai 2013, Abdulrahim/Rat und Kommission (C‑239/12 P, EU:C:2013:331, Rn. 65).

( 21 ) Vgl. z. B. Urteil vom 28. Mai 2013, Abdulrahim/Rat und Kommission (C‑239/12 P, EU:C:2013:331, Rn. 63), im Kontext restriktiver Maßnahmen und des Fortbestands eines Rechtsschutzinteresses des Klägers trotz Streichung seines Namens von einer Liste, mit der solche Maßnahmen verhängt wurden, oder Urteil vom 4. September 2018, ClientEarth/Kommission (C‑57/16 P, EU:C:2018:660, Rn. 49 bis 54).

( 22 ) Urteil vom 4. September 2018, ClientEarth/Kommission (C‑57/16 P, EU:C:2018:660).

( 23 ) Art. 2 Abs. 2 des Verordnungsentwurfs, ohne Definition des Begriffs „auf sonstige Weise“ (KOM[2000] 30 endg. – 2000/0032[COD]).

( 24 ) Bericht des Europäischen Parlaments vom 27. Oktober 2000 über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (verstärktes Hughes-Verfahren) – Ausschuss für die Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten, KOM(2000) 30 endg. – 2000/0032(COD), PE 285.961. Vgl. insbesondere S. 19, 20 und 72. Hervorhebung nur hier.

( 25 ) So würde z. B. eine Antwort der Kommission an einen Antragsteller, in der sie angibt, dass die angeforderten Dokumente tatsächlich auf einer (eindeutig bezeichneten) Website des Rates verfügbar sind, dem Geist von Art. 10 Abs. 2 entsprechen, auch wenn dies vielleicht nicht ganz seinem Wortlaut entspräche.

( 26 ) Eine etwaige (koordinierte) Verbreitung eines angeforderten Dokuments durch einen Mitgliedstaat im Rahmen von Art. 5 der Verordnung ist etwas anderes.

( 27 ) Was dann aber eine Reihe interessanter Fragen aufwerfen würde, u. a. der, wie weit die Billigung des Parlaments durch die Bezugnahme auf den fraglichen Blogspot ging, da der Blog auch eine Reihe wenig schmeichelhafter Bemerkungen und Aussagen seines Autors zu der vom Parlament vorgenommenen „rechtlichen Analyse“ enthält, die in die wiedergegebenen Teile des angeforderten Dokuments eingefügt wurden.

( 28 ) Urteil vom 3. Oktober 2012, Jurašinović/Rat (T‑63/10, EU:T:2012:516).

( 29 ) Siehe oben, Nr. 53 dieser Schlussanträge.

( 30 ) Beschluss vom 11. Dezember 2006, Weber/Kommission (T‑290/05, nicht veröffentlicht, EU:T:2006:381) (im Folgenden: Beschluss oder Entscheidung Weber).

( 31 ) Urteil vom 3. Oktober 2012, Jurašinović/Rat (T‑63/10, EU:T:2012:516, Rn. 24).

( 32 ) Ebd., Rn. 26.

( 33 ) In der letzten in Rn. 27 des angefochtenen Beschlusses angeführten Entscheidung, dem Urteil vom 15. Oktober 2013, European Dynamics Belgium u. a./EMA (T‑638/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:530), waren die diversen Bezugnahmen auf das Urteil Jurašinović nicht relevant.

( 34 ) Urteil vom 17. Juni 1998, Svenska Journalistförbundet/Rat (T‑174/95, EU:T:1998:127, Rn. 67 und 69). Hervorhebung nur hier.

( 35 ) Urteil vom 22. März 2011, Access Info Europe/Rat (T‑233/09, EU:T:2011:105), im Rechtsmittelverfahren bestätigt durch Urteil vom 17. Oktober 2013, Rat/Access Info Europe (C‑280/11 P, EU:C:2013:671).

( 36 ) Ebd., Rn. 34.

( 37 ) Ebd., Rn. 36 und 37.

( 38 ) Rn. 29 und 30 des angefochtenen Beschlusses. Der einzige Versuch, einen Unterschied zum Urteil Svenska Journalistförbundet darzulegen (wobei es keine Ausführungen zu diesem Aspekt des Urteils Access Info Europe gibt), ist die Feststellung, dass es, anders als im Urteil Svenska Journalistförbundet, im vorliegenden Fall keinen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verbreitung gebe. Diese Prämisse ist aber, wie im folgenden Abschnitt dieser Schlussanträge dargelegt wird, nicht nur anfechtbar, sondern liegt auch neben der Sache.

( 39 ) Urteil vom 4. September 2018, ClientEarth/Kommission (C‑57/16 P, EU:C:2018:660).

( 40 ) Ebd., Rn. 38.

( 41 ) Rn. 45, in der sich der Gerichtshof auf das Urteil vom 7. Juni 2007, Wunenburger/Kommission (C‑362/05 P, EU:C:2007:322, Rn. 48 und 49), gestützt hat.

( 42 ) Im Beschluss vom 17. Dezember 2019, Rogesa/Kommission (C‑568/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:1092), hat der Gerichtshof die Erledigung der Hauptsache festgestellt, nachdem die Kommission, wenngleich ohne Rücknahme ihrer ursprünglichen ablehnenden Entscheidung, die angeforderten Dokumente übermittelt hatte. Wie der Gerichtshof in Rn. 26 klargestellt hat, bestritt die Antragstellerin jedoch nicht, dass durch die Offenlegung die von ihr mit ihrem Zugangsantrag verfolgten Ziele vollständig erreicht wurden, da sie alles erhielt, was sie von der Kommission angefordert hatte.

( 43 ) Vorausgesetzt natürlich, es gibt noch etwas durchzusetzen, denn heutzutage wird früher oder später alles irgendwo im Internet auftauchen …

( 44 ) Quid non. Die Versuchung wird es jedoch immer geben.

( 45 ) Siehe oben, Nrn. 77 bis 81 dieser Schlussanträge.

( 46 ) Urteil vom 22. März 2018, De Capitani/Parlament (T‑540/15, EU:T:2018:167).

( 47 ) Rn. 26 des angefochtenen Beschlusses.

( 48 ) Wie oben in Nr. 13 dieser Schlussanträge beschrieben.

( 49 ) Vgl. Art. 6 Abs. 1 letzter Satz der Verordnung (oben in Nr. 9 dieser Schlussanträge wiedergegeben).

( 50 ) Siehe oben, Nrn. 58 bis 64 dieser Schlussanträge.

( 51 ) Vgl. zuletzt Urteil vom 18. Juli 2017, Kommission/Breyer (C‑213/15 P, EU:C:2017:563, Rn. 62), oder Beschluss vom 14. Mai 2019, Ungarn/Parlament (C‑650/18, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:438, Rn. 14). Vgl. auch Beschluss vom 29. Januar 2009, Donnici/Parlament (C‑9/08, nicht veröffentlicht, EU:C:2009:40, Rn. 18).

( 52 ) Der Beschluss vom 14. Mai 2019, Ungarn/Parlament (C‑650/18, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:438), betraf eine Rechtssache, in der Ungarn seiner Klage vor dem Gerichtshof als Anlage ein Rechtsgutachten des Juristischen Dienstes des Parlaments beigefügt hatte. Dieses Rechtsgutachten war jedoch, ohne dass seine Verbreitung von Ungarn oder sonst jemand verlangt worden wäre, der Website Politico zugespielt worden. Der Gerichtshof befand, dass es auf eine Umgehung des in der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Verfahrens zur Beantragung des Zugangs zu einem solchen Dokument hinausliefe, wenn diesem Mitgliedstaat gestattet würde, ein Rechtsgutachten des Parlaments zu den Akten zu geben, dessen Verbreitung vom Parlament nicht gestattet worden war.

( 53 ) Insbesondere in einem Kontext, in dem es keine klaren Regeln für das korrekte Verhalten des Organs unter solchen Umständen gibt. Kann ein Organ den Anspruch eines Klägers materiell befriedigen, ohne seine frühere Entscheidung jemals formell zu überprüfen? Können seine Handlungen somit de facto seiner eigenen gültigen Entscheidung widersprechen? Wenn die Entscheidung überprüft werden muss, geschieht dies von Amts wegen oder nur nach einem neuen Antrag des Klägers, etwa dann, wenn das zuvor bestehende Verbreitungshindernis weggefallen ist? Die höhere Flexibilität der Unionsorgane, die daraus folgt, dass es keine Europäische Verwaltungsgerichtsordnung gibt, in der solche Fragen normalerweise geregelt werden sollten, darf individuellen Antragstellern, die Zugang zur gerichtlichen Überprüfung begehren, nicht zum Nachteil gereichen. Das genaue Gegenteil sollte der Fall sein: Die Tatsache, dass es keine Regeln gibt, sollte allenfalls zulasten der Organe ausgelegt werden, insbesondere was den individuellen Zugang zu den Unionsgerichten betrifft.

( 54 ) Ohne zu formalistisch sein zu wollen: Der ursprüngliche Gegenstand der Klage ist und bleibt die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung des Parlaments. Analog stelle man sich folgende Situation vor: Ich kaufe Eintrittskarten für ein Konzert, die (weshalb auch immer) von den Organisatoren nie geliefert werden. Wenn ich die Organisatoren vor einem Zivilgericht verklage, damit sie mir die Karten zuschicken oder das Geld zurückgeben, fragt mich das Gericht, ob ich damit zufrieden wäre, mir eine wackelige Aufzeichnung (von Teilen) des Konzerts anzusehen, die aus dem Publikum mit einem Mobiltelefon aufgenommen und dann online gestellt wurde. Da dieses Video offenbar unter Einhaltung der Urheberrechtsregeln hochgeladen wurde, erklärt das Zivilgericht die Hauptsache für erledigt, da ich es mir online ansehen könne.

( 55 ) In Fällen, in denen ein solcher Wegfall des ursprünglichen Rechtsschutzinteresses erst nach der Klageerhebung eintrat und keine besonderen Umstände vorliegen, sind die gesamten Kosten vom Unionsorgan zu tragen. Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. September 2018, ClientEarth/Kommission (C‑57/16 P, EU:C:2018:660, Rn. 130), und Beschluss vom 17. Dezember 2019, Rogesa/Kommission (C‑568/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:1092, Rn. 37).

( 56 ) Siehe oben, Nrn. 82 bis 85 dieser Schlussanträge.

( 57 ) Urteil vom 4. September 2018, ClientEarth/Kommission (C‑57/16 P, EU:C:2018:660, Rn. 46 und 47).

( 58 ) Ebd., Rn. 49 bis 53.

( 59 ) Ebd., Rn. 54.

( 60 ) Vgl. z. B., außer dem Urteil vom 4. September 2018, ClientEarth/Kommission (C‑57/16 P, EU:C:2018:660, Rn. 48 und 50), die Urteile vom 7. Juni 2007, Wunenburger/Kommission (C‑362/05 P, EU:C:2007:322, Rn. 52), und vom 30. April 2020, Izba Gospodarcza Producentów i Operatorów Urządzeń Rozrywkowych/Kommission (C‑560/18 P, EU:C:2020:330, Rn. 40).

( 61 ) Was natürlich nicht ausschließt, dass es Kläger geben mag, die zaubern und tatsächlich Nachweise für die Zukunft vorlegen können.

( 62 ) Tatsächlich geht der Gerichtshof in Rn. 53 des Urteils ClientEarth so weit, die Beweislast de facto dem beklagten Organ aufzuerlegen; dort führt er aus, dass „es möglich [ist], dass die Kommission die … allgemeine Vermutung zukünftig bei neuen Anträgen … wieder anwenden wird, was die Kommission im Übrigen nicht bestritten hat“. Hervorhebungen nur hier.

( 63 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. April 2020, Izba Gospodarcza Producentów i Operatorów Urządzeń Rozrywkowych/Kommission (C‑560/18 P, EU:C:2020:330, Rn. 49 und 50); dort wurde das Urteil ClientEarth bestätigt, wobei die unterschiedlichen Sachverhalte beider Rechtssachen allerdings zu einem anderen Ergebnis führten. Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Pitruzzella in der Rechtssache Izba Gospodarcza Producentów i Operatorów Urządzeń Rozrywkowych/Kommission (C‑560/18 P, EU:C:2019:1052, Nr. 88).

( 64 ) Meines Erachtens zielte ClientEarth nicht auf eine rechtliche Vermutung (im Sinne einer presumptio iuris und aller rechtlichen Implikationen einer solchen Konstruktion) ab, sondern auf eine rechtliche Annahme oder eine Rechtsregel.

( 65 ) Wobei die entsprechend formulierte rechtliche Annahme starke Ähnlichkeit mit der rechtlichen Annahme aufweist, auf die der Gerichtshof in Rn. 49 des Urteils ClientEarth Bezug nimmt.

( 66 ) Ohne überhaupt darüber diskutieren zu müssen, was es für den Kontext des Antrags bedeuten könnte, „durch intensive Debatten in Blogs gekennzeichnet“ zu sein (Rn. 33 des angefochtenen Beschlusses), genügt es, auf das faszinierende Paradox bei dieser Annahme hinzuweisen: Wenn etwas von Interesse ist und daher wahrscheinlich eine Debatte auslösen wird, sollte dann der Zugang dazu verweigert werden? Ist die oft erwähnte Offenheit, Transparenz und größere Verantwortung der Unionsorgane (zweiter Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1049/2001) nur bei Entscheidungen anzustreben, von denen feststeht, dass sie niemand interessieren?