SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MICHAL BOBEK

vom 26. November 2019 ( 1 )

Rechtssache C‑717/18

Procureur-generaal,

Beteiligte:

X

(Vorabentscheidungsersuchen des Hof van Beroep te Gent [Berufungsgericht Gent, Belgien])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen – Rahmenbeschluss des Rates 2002/584/JI – Europäischer Haftbefehl – Art. 2 Abs. 2 – Abschaffung der Überprüfung des Vorliegens der beiderseitigen Strafbarkeit – Voraussetzungen – Straftaten, die im Ausstellungsmitgliedstaat mit einem Höchststrafmaß von mindestens drei Jahren bedroht sind – Prüfung des Strafmaßes nach dem Recht des Ausstellungsmitgliedstaats, das auf den Sachverhalt anwendbar ist, oder nach dem Recht, das zum Zeitpunkt der Ausstellung des Europäischen Haftbefehls gilt – Grundsätze der Gesetzmäßigkeit und der Rechtssicherheit“

I. Einleitung

1.

Die gesuchte Person, gegen die der Europäische Haftbefehl (im Folgenden: EuHB) in der vorliegenden Rechtssache erging, ist Rapper und Komponist (im Folgenden: Gesuchter). Er wurde in Spanien wegen mehrerer 2012 und 2013 begangener Straftaten verurteilt. Eine dieser Straftaten war die „Verherrlichung von Terrorismus und Erniedrigung seiner Opfer“. Nach dem auf diese Straftat zum Zeitpunkt ihrer Begehung anwendbaren Recht war sie mit einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren bedroht.

2.

Der Gesuchte verließ Spanien und begab sich nach Belgien. Die zuständige spanische Justizbehörde erließ einen EuHB zur Vollstreckung der Freiheitsstrafe. Im EuHB war angegeben, dass die Straftat der Verherrlichung von Terrorismus und Erniedrigung seiner Opfer unter die Kategorie „Terrorismus“ fällt und das Höchstmaß der Freiheitsstrafe für die Straftat der Verherrlichung von Terrorismus und Erniedrigung seiner Opfer nach einer Änderung des spanischen Strafgesetzbuchs von 2015 drei Jahre beträgt.

3.

Nach Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten ( 2 ) erfolgt bei den dort aufgeführten Straftaten, darunter derjenigen des „Terrorismus“, keine Überprüfung des Vorliegens der beiderseitigen Strafbarkeit, wenn sie mit einer Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens drei Jahren bedroht sind. Welches aber ist der Bezugspunkt für die Prüfung, ob diese Voraussetzung erfüllt ist? Ist es das Höchstmaß der Freiheitsstrafe, das für den konkreten Fall gilt und das sich in der Regel aus dem Recht ergibt, das zum Zeitpunkt der Begehung der Straftat anwendbar war? Oder ist es das Höchststrafmaß nach dem zum Zeitpunkt der Ausstellung des EuHB geltenden nationalen Recht?

II. Rechtlicher Rahmen

4.

Art. 2 des Rahmenbeschlusses bestimmt:

„(1)   Ein Europäischer Haftbefehl kann bei Handlungen erlassen werden, die nach den Rechtsvorschriften des Ausstellungsmitgliedstaats mit einer Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung im Höchstmaß von mindestens zwölf Monaten bedroht sind, oder im Falle einer Verurteilung zu einer Strafe oder der Anordnung einer Maßregel der Sicherung, deren Maß mindestens vier Monate beträgt.

(2)   Bei den nachstehenden Straftaten erfolgt, wenn sie im Ausstellungsmitgliedstaat nach der Ausgestaltung in dessen Recht mit einer Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung im Höchstmaß von mindestens drei Jahren bedroht sind, eine Übergabe aufgrund eines Europäischen Haftbefehls nach Maßgabe dieses Rahmenbeschlusses und ohne Überprüfung des Vorliegens der beiderseitigen Strafbarkeit:

Terrorismus,

(3)   Der Rat kann einstimmig und nach Anhörung des Europäischen Parlaments nach Maßgabe von Artikel 39 Absatz 1 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) jederzeit beschließen, weitere Arten von Straftaten in die in Absatz 2 enthaltene Liste aufzunehmen. Der Rat prüft im Licht des Berichts, den die Kommission ihm nach Artikel 34 Absatz 3 unterbreitet, ob es sich empfiehlt, diese Liste auszuweiten oder zu ändern.

(4)   Bei anderen Straftaten als denen des Absatzes 2 kann die Übergabe davon abhängig gemacht werden, dass die Handlungen, derentwegen der Europäische Haftbefehl ausgestellt wurde, eine Straftat nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats darstellen, unabhängig von den Tatbestandsmerkmalen oder der Bezeichnung der Straftat.“

III. Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefragen

5.

In den Jahren 2012 und 2013 wurden von dem Gesuchten mehrere Rap-Songs komponiert, dargeboten und im Internet veröffentlicht.

6.

Die Audiencia Nacional (Nationaler Gerichtshof, Spanien) verurteilte den Gesuchten wegen dieser Taten mit Urteil vom 21. Februar 2017 zu: A) einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren wegen der Straftat der Verherrlichung von Terrorismus und Erniedrigung seiner Opfer, strafbar nach den Art. 578 und 579 des spanischen Strafgesetzbuchs (im Folgenden: Strafe A), B) einer Freiheitsstrafe von einem Jahr wegen der Straftat der Verleumdung und schweren Beleidigung der Krone, strafbar nach Art. 490.3 des spanischen Strafgesetzbuchs (im Folgenden: Strafe B), und C) einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten wegen der Straftat der bedingungslosen Drohung, strafbar nach Art. 169.2 des spanischen Strafgesetzbuchs (im Folgenden: Strafe C).

7.

Die Verurteilung und die Verhängung der Strafen erfolgten nach den Bestimmungen des Strafgesetzbuchs, die zum Zeitpunkt des zugrunde liegenden Sachverhalts, also vor der Änderung im Jahr 2015, galten.

8.

Das gegen das Urteil vom 21. Februar 2017 eingelegte Rechtsmittel wurde vom spanischen Obersten Gerichtshof mit Urteil vom 15. Februar 2018 zurückgewiesen.

9.

Der Gesuchte verließ Spanien und begab sich nach Belgien. Die Audiencia Nacional (Nationaler Gerichtshof) erließ am 25. Mai 2018 einen EuHB gegen ihn zur Vollstreckung der wegen der drei genannten Straftaten verhängten Freiheitsstrafe (im Folgenden: erster EuHB).

10.

Den dem Gerichtshof vorliegenden Akten ist zu entnehmen, dass die Rechtbank van eerste aanleg Oost-Vlaanderen, afdeling Gent (Gericht erster Instanz Ostflandern, Abteilung Gent, Belgien), die Audiencia Nacional (Nationaler Gerichtshof) um zusätzliche Informationen ersuchte, um über die Vollstreckung des ersten EuHB entscheiden zu können. Auf dieses Ersuchen hin erließ das spanische Gericht am 27. Juni 2018 einen weiteren EuHB (im Folgenden: zweiter EuHB), der sich auf den gleichen Sachverhalt wie der erste EuHB bezieht.

11.

Beide Haftbefehle enthalten die gleichen Angaben in Feld c Nr. 2 (Angaben zu den wegen der drei Straftaten verhängten Strafen) und Feld e Abschnitt I, in dem für die der Strafe A zugrunde liegenden Straftaten das Feld „Terrorismus“ angekreuzt war.

12.

Der zweite EuHB enthält jedoch zusätzliche Angaben in den Feldern e und f. In Feld e (Straftaten) wurde die im ersten EuHB enthaltene Kurzdarstellung der Straftaten um eine detaillierte Beschreibung dieser Straftaten, einschließlich der Texte der Rapsongs, die zu den Verurteilungen geführt hatten, ergänzt. In Feld f (fakultative Angaben zu sonstigen für den Fall relevanten Umständen) war im ersten EuHB nichts ausgefüllt, während im zweiten EuHB die einschlägigen Bestimmungen des spanischen Strafgesetzbuchs über die begangenen Straftaten in der zum Zeitpunkt des Erlasses des EuHB geltenden Gesetzesfassung, nämlich in dem 2015 geänderten Wortlaut, detailliert aufgeführt wurden.

13.

Die Rechtbank van eerste aanleg Oost-Vlaanderen, afdeling Gent (Gericht erster Instanz Ostflandern, Abteilung Gent), erbat erneut zusätzliche Informationen von der Audiencia Nacional (Nationaler Gerichtshof). In einem Antwortschreiben des spanischen Gerichts wurden zusätzliche Informationen über das Strafsystem angeboten. In diesem Schreiben heißt es ferner, dass die Anführung der Bestimmungen des spanischen Strafgesetzbuchs in der geänderten Fassung von 2015 im zweiten EuHB einen Fehler dargestellt habe.

14.

Mit Beschluss vom 17. September 2018 lehnte die Rechtbank van eerste aanleg Oost-Vlaanderen, afdeling Gent (Gericht erster Instanz Ostflandern, Abteilung Gent), die Vollstreckung des zweiten EuHB ab. Den dem Gerichtshof vorliegenden Akten ist zu entnehmen, dass dieses Gericht die Auffassung vertrat, dass die Straftat der Verherrlichung von Terrorismus und Erniedrigung seiner Opfer nicht als Straftat des „Terrorismus“ im Sinne der Liste in Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses anzusehen sei. Darüber hinaus sei nicht bei allen Straftaten, derentwegen der EuHB erlassen worden sei, das Erfordernis der beiderseitigen Strafbarkeit erfüllt.

15.

Gegen diesen Beschluss hat die Staatsanwaltschaft am 17. September 2018 Rechtsmittel eingelegt. Der Procureur-generaal (Generalstaatsanwalt) hat am 26. September 2018 einen Antrag gestellt, in dem er die Ansicht vertritt, dass das im EuHB beschriebene Verhalten, das zu der Verurteilung zu Strafe A geführt habe, der Straftat des „Terrorismus“ entspreche, die in der Liste in Art. 5 Abs. 2 Unterabs. 2 der Wet van 19 december 2003 betreffende het Europees aanhoudingsbevel (Gesetz vom 19. Dezember 2003 über den Europäischen Haftbefehl, im Folgenden: EuHB-Gesetz), mit dem Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses in das belgische Recht umgesetzt werde, aufgeführt sei.

16.

Der Hof van Beroep te Gent, kamer van inbeschuldigingstelling (Berufungsgericht Gent, Anklagekammer, Belgien), das vorlegende Gericht, sieht die Voraussetzung der Höhe der verhängten Strafe nach Art. 2 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses, wonach eine Freiheitsstrafe von mindestens vier Monaten verhängt worden sein muss, in der vorliegenden Rechtssache durch die oben in Nr. 6 genannten Strafen als erfüllt an. Fraglich sei jedoch, auf welche Fassung der Rechtsvorschriften des Ausstellungsmitgliedstaats für die Beurteilung der Frage abzustellen sei, ob die Voraussetzung eines Höchststrafmaßes von mindestens drei Jahren nach Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses erfüllt sei. Denn die Straftaten, die zu der Verurteilung zu Strafe A geführt hätten, seien in den Jahren 2012 und 2013 begangen worden, als Art. 578 des spanischen Strafgesetzbuchs das Verbrechen der Verherrlichung von Terrorismus und Erniedrigung seiner Opfer mit einer Freiheitsstrafe von ein bis zwei Jahren bedroht habe. Erst danach, am 30. März 2015, sei Art. 578 des spanischen Strafgesetzbuchs geändert worden, und der Strafrahmen für diese Straftat betrage nunmehr ein bis drei Jahre.

17.

Unter diesen Umständen hat der Hof van Beroep te Gent, kamer van inbeschuldigingstelling (Berufungsgericht Gent, Anklagekammer), das Verfahren ausgesetzt und folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.

Lässt Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschusses, wie er durch das EuHB-Gesetz in das belgische Recht umgesetzt wurde, es zu, dass bei der Prüfung durch den Vollstreckungsmitgliedstaat, ob das darin vorgeschriebene Höchststrafmaß von mindestens drei Jahren vorliegt, das Strafgesetz zugrunde gelegt wird, das im Ausstellungsmitgliedstaat zum Zeitpunkt der Ausstellung des Europäischen Haftbefehls gilt?

2.

Lässt Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses, wie er durch das EuHB-Gesetz in das belgische Recht umgesetzt wurde, es zu, dass bei der Prüfung durch den Vollstreckungsmitgliedstaat, ob das darin vorgeschriebene Höchststrafmaß von mindestens drei Jahren vorliegt, ein zum Zeitpunkt der Ausstellung des Europäischen Haftbefehls geltendes Strafgesetz zugrunde gelegt wird, mit dem das Strafmaß im Vergleich zu dem Strafgesetz, das im Ausstellungsmitgliedstaat zum Zeitpunkt der Taten galt, verschärft wurde?

18.

Der Gesuchte, die belgische und die spanische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Diese Beteiligten sowie der Procureur-generaal (Generalstaatsanwalt) haben in der Sitzung vom 16. September 2019 mündliche Ausführungen gemacht.

IV. Würdigung

19.

Art. 2 Abs. 2 ist eine Bestimmung des Rahmenbeschlusses, die zentrale Bedeutung hat. Sie lässt das Erfordernis der beiderseitigen Strafbarkeit entfallen, allerdings nur unter zwei Voraussetzungen. Erstens erfolgt nur bei den 32 dort aufgeführten Straftaten eine Übergabe aufgrund eines EuHB ohne Überprüfung des Vorliegens der beiderseitigen Strafbarkeit. Zweitens muss die Straftat, die dem EuHB zugrunde liegt, im Ausstellungsmitgliedstaat mit einer Freiheitsstrafe oder einer Maßregel der Sicherung im Höchstmaß von mindestens drei Jahren bedroht sein.

20.

Die beiden Vorabentscheidungsfragen des vorlegenden Gerichts, die meines Erachtens am besten zusammen behandelt werden, betreffen die zweite Voraussetzung. Mit ihnen soll geklärt werden, auf welchen Zeitpunkt bzw. welches nationale Recht Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses abstellt: das zum Zeitpunkt der Ausstellung des EuHB geltende oder das auf den konkreten Fall der gesuchten Person tatsächlich anwendbare Recht.

21.

Um diese Frage zu beantworten, werde ich zunächst auf die Auslegung von Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses eingehen. Nach Prüfung seines in der Tat nicht völlig eindeutigen Wortlauts wird meines Erachtens deutlich, dass sein Kontext und Zweck sowie die Gesamtsystematik den Schluss rechtfertigen, dass Art. 2 Abs. 2 sich auf das Recht des ausstellenden Mitgliedstaats beziehen soll, das auf den Fall der gesuchten Person tatsächlich Anwendung findet (A). Darüber hinaus werde ich der Vollständigkeit halber kurz auf die von den Beteiligten im vorliegenden Verfahren ausführlich erörterte Frage eingehen, welche Auswirkungen der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit in der vorliegenden Rechtssache haben kann (B). Schließen werde ich mit einigen abschließenden Bemerkungen dazu, worum es in der vorliegenden Rechtssache nicht geht (C).

A.   Auslegung von Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses

22.

Art. 2 regelt den Anwendungsbereich des Rahmenbeschlusses. In seinem Abs. 1 wird eine wesentliche Vorbedingung für die Ausstellung eines EuHB festgelegt, die zwei Alternativen hat. In Fällen, in denen ein EuHB zum Zweck der Strafverfolgung ausgestellt wird, müssen die fraglichen Handlungen nach dem Recht des ausstellenden Mitgliedstaats mit einer Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung im Höchstmaß von mindestens zwölf Monaten bedroht sein. Alternativ muss diese Strafe dann, wenn eine Strafe oder Maßregel der Sicherung bereits verhängt wurde und der EuHB daher zum Zweck der Vollstreckung ausgestellt wird, mindestens vier Monate betragen.

23.

In der vorliegenden Rechtssache hat das vorlegende Gericht festgestellt, dass diese letztere Alternative erfüllt sei. Die bereits verhängte Strafe beträgt mehr als vier Monate.

24.

Soweit die Bedingung des Art. 2 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses erfüllt ist, werden in Art. 2 Abs. 2 und 4 zwei „Regelungen“ getroffen. Zum einen enthält Art. 2 Abs. 2 die Liste der Straftaten, bei denen eine Übergabe aufgrund eines EuHB ohne Überprüfung des Vorliegens der beiderseitigen Strafbarkeit erfolgen muss. Zum anderen kann nach Art. 2 Abs. 4 bei anderen als den in Art. 2 Abs. 2 aufgeführten Straftaten eine Überprüfung des Vorliegens der beiderseitigen Strafbarkeit erforderlich sein. Art. 2 Abs. 3 stellt eine zwischen den beiden genannten Regelungen vermittelnde „Eingangs“-Klausel dar. Sie sieht die Möglichkeit vor, die Liste der Straftaten in Art. 2 Abs. 2 durch einstimmigen Beschluss des Rates zu erweitern und so Straftaten praktisch aus der Regelung des Art. 2 Abs. 4 in diejenige des Art. 2 Abs. 2 zu überführen.

25.

Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses sieht zwei kumulative Voraussetzungen vor ( 3 ). Erstens muss die betreffende Straftat unter eine der 32 Arten von Straftaten fallen, die in dieser Bestimmung aufgeführt sind. Art. 2 Abs. 2 stellt klar, dass es für die Anwendung dieser Kategorien auf die Definition der Straftat nach dem Recht des Ausstellungsmitgliedstaats ankommt. Zweitens muss die betreffende Straftat im Ausstellungsmitgliedstaat mit einer Freiheitsstrafe oder einer Maßregel der Sicherung im Höchstmaß von mindestens drei Jahren bedroht sein.

26.

Die Beteiligten, die in der vorliegenden Rechtssache Stellung genommen haben, vertreten gegensätzliche Auslegungen dieser zweiten Voraussetzung, die ich im Folgenden als die „Voraussetzung des Strafmaßes“ bezeichne.

27.

Nach Ansicht des Gesuchten und der Kommission richtet sich die Prüfung der zweiten Voraussetzung von Art. 2 Abs. 2 nach dem Recht, das auf die gesuchte Person im Strafverfahren Anwendung findet. In der vorliegenden Rechtssache ist dies die Fassung des spanischen Strafgesetzbuchs von vor 2015, die auf den zugrunde liegenden Sachverhalt anwendbar ist und von den nationalen Gerichten des Ausstellungsmitgliedstaats im Hinblick auf die Verhängung der Strafe gegen den Gesuchten, um deren Vollstreckung jetzt ersucht wird, auch tatsächlich angewandt wurde.

28.

Dagegen ist nach Ansicht der spanischen und der belgischen Regierung sowie des Procureur-generaal (Generalstaatsanwalt) für diese Prüfung der Zeitpunkt der Ausstellung des EuHB maßgeblich. In der vorliegenden Rechtssache wäre dies das Recht, das nach der Änderung des spanischen Strafgesetzbuchs von 2015 gilt, mit der das Höchstmaß der Strafe für die Straftat der Verherrlichung von Terrorismus und Erniedrigung seiner Opfer von zwei auf drei Jahre erhöht wurde.

29.

Zur Beantwortung der Fragen des vorlegenden Gerichts sind Wortlaut, Kontext und Zweck von Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses zu prüfen.

a) Wortlaut

30.

Der Wortlaut von Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses lässt keine eindeutige Antwort auf die vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen zu. Diese Bestimmung bezieht sich nämlich lediglich eher allgemein auf „[die] nachstehenden Straftaten …, wenn sie im Ausstellungsmitgliedstaat nach der Ausgestaltung in dessen Recht mit einer Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung im Höchstmaß von mindestens drei Jahren bedroht sind“ ( 4 ). Der genaue Zeitpunkt, zu dem die Straftaten nach dieser Maßgabe mit Strafe bedroht sein müssen, wird also nicht ausdrücklich genannt.

31.

Trotz dieser Unklarheit führen die spanische und die belgische Regierung sowie der Procureur-generaal wortlautbezogene Argumente für ihre Ansicht an, dass der rechtliche Maßstab für die zweite Voraussetzung von Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses das zum Zeitpunkt der Ausstellung des EuHB geltende Recht des Ausstellungsmitgliedstaats sein müsse.

32.

Nach ihrer Ansicht folgt aus der Verwendung der Gegenwartsform in der Formulierung „bedroht sind“ in Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses, dass es auf den Zeitpunkt der Ausstellung des EuHB ankomme.

33.

Dies ist nicht überzeugend. Die Verwendung der Gegenwartsform an sich und in einer eher generischen und neutralen Form kann für die Auslegung von Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses kaum entscheidend sein. In der Rechtssprache wird regelmäßig die Gegenwartsform verwendet, wenn allgemeine Rechte oder Pflichten festgelegt werden, ohne dass damit irgendeine Aussage oder Einschränkung in Bezug auf die zeitliche Anwendbarkeit dieser Bestimmungen verbunden wäre.

34.

Dieses Argument wird auch durch andere Bestimmungen des Rahmenbeschlusses sofort widerlegt. Wie von der spanischen Regierung in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, ist Art. 2 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses, der sich in ähnlicher Weise auf „Handlungen“ bezieht, „die nach den Rechtsvorschriften des Ausstellungsmitgliedstaats mit [Strafe] bedroht sind“, dahin zu verstehen, dass er sich auf das Recht bezieht, das auf die Strafsache, in deren Rahmen der EuHB erlassen wird, tatsächlich Anwendung findet, und nicht auf das Recht, das zu dem späteren Zeitpunkt der Ausstellung des Haftbefehls gilt.

35.

Insoweit hat die belgische Regierung in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass Art. 2 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses, obwohl sie die gleiche Wendung „mit Strafe bedroht“ enthielten, dennoch unterschiedlich auszulegen seien, weil sich Art. 2 Abs. 1 auf Handlungen und Art. 2 Abs. 2 auf Straftaten beziehe.

36.

Dieses Vorbringen läuft offenbar darauf hinaus, dass die Bezugnahme auf mit Strafe bedrohte Handlungen in Art. 2 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses die Auslegung dieser Bestimmung an die konkreten mit Strafe bedrohten Handlungen knüpfen soll, um die es im jeweiligen Fall geht, was bedeuten würde, dass es auf das Recht ankäme, das auf diese Handlungen Anwendung findet. Umgekehrt würde der Umstand, dass Art. 2 Abs. 2 abstrakt auf mit Strafe bedrohte Straftaten Bezug nimmt, bedeuten, dass der zugrunde zu legende Zeitpunkt derjenige der Ausstellung des EuHB wäre. Mit anderen Worten wären die Bestimmungen dahin auszulegen, dass sie sich auf verschiedene Zeitpunkte beziehen, weil Art. 2 Abs. 1 auf „Handlungen“ und nicht, wie Art. 2 Abs. 2, auf „Straftaten“ Bezug nimmt.

37.

Dieser Ansicht kann meines Erachtens nicht gefolgt werden. Dass sowohl in Abs. 1 als auch in Abs. 2 von Art. 2 des Rahmenbeschlusses die gleiche Wendung „mit Strafe bedroht“ gebraucht wird, würde normalerweise dafür sprechen, dass diese Absätze gleich auszulegen sind. Das soeben skizzierte, gegen diese Auslegung vorgebrachte Argument stützt sich auf den eher eigentümlichen Gegenschluss, dass mit der Wendung „mit Strafe bedroht“ zwei verschiedene Substantive („Handlungen“ und „Straftaten“) näher definiert werden sollten. Aus den Leitgedanken, die der Anwendung des Rahmenbeschlusses ( 5 ) zugrunde liegen und im nächsten Abschnitt näher erläutert werden ( 6 ), folgt indes, dass die Verwendung unterschiedlicher Substantive sich aus dem systematischen Zusammenspiel zwischen Art. 2 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses ergibt.

38.

Eine rein am Wortlaut orientierte Auslegung von Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses bleibt somit ohne eindeutiges Ergebnis. Daher sind systematische und teleologische Aspekte zu betrachten.

b) Kontext

39.

Drei Arten von Erwägungen sprechen für die Auslegung, dass es für die Prüfung der Voraussetzungen in Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses auf das Recht ankommt, das auf den konkreten Fall Anwendung findet: die innere Systematik von Art. 2 selbst (i), die weiter gefasste Systematik des Rahmenbeschlusses bei Betrachtung von Art. 2 in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 und dem Formblatt im Anhang des Rahmenbeschlusses (ii) sowie die allgemeinen Leitgedanken und die Funktionsfähigkeit des EuHB‑Systems in seiner Gesamtheit (iii).

i) Innere Systematik von Art. 2

40.

Art. 2 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses legt als wesentliche Voraussetzung fest, dass ein EuHB nur erlassen werden kann a) bei Handlungen, die nach den Rechtsvorschriften des Ausstellungsmitgliedstaats mit einer Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung im Höchstmaß von mindestens zwölf Monaten bedroht sind, oder b) im Falle einer Verurteilung zu einer Strafe oder der Anordnung einer Maßregel der Sicherung, deren Maß mindestens vier Monate beträgt. Wie von der belgischen und der spanischen Regierung eingeräumt, ist kaum vorstellbar, wie die dort genannten Strafmaße geprüft werden könnten, ohne das Recht in Betracht zu ziehen, das in der Sache tatsächlich Anwendung findet. Dies wird im Fall b deutlicher, nämlich wenn – wie in der vorliegenden Rechtssache – eine Strafe bereits verhängt wurde.

41.

Ausgehend davon, dass bei der Prüfung der Voraussetzungen von Art. 2 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses in der vorliegenden Rechtssache auf das Recht des Ausstellungsmitgliedstaats abzustellen ist, das bei der die Strafe verhängenden Verurteilung zur Anwendung kommt, wird klar, dass ein anderer Ansatz bei der Prüfung von Art. 2 Abs. 2 ausgesprochen unterschiedliche Ansätze in Bezug auf das im Ausstellungsmitgliedstaat maßgebliche Recht innerhalb ein und derselben unionsrechtlichen Bestimmung und möglicherweise innerhalb ein und desselben Verfahrens auf nationaler Ebene zur Folge hätte.

42.

Die auf den Wortlaut gestützte Ansicht, dass Art. 2 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses auf „Handlungen“, Art. 2 Abs. 2 aber auf „Straftaten“ Bezug nehme, kann keine hinreichende Grundlage für die Annahme sein, dass sich diese Bestimmungen auf verschiedene Zeitpunkte für die Prüfung des einschlägigen rechtlichen Rahmens des Ausstellungsmitgliedstaats beziehen ( 7 ). Eine systematische Auslegung von Art. 2 zeigt, dass es für die Verwendung der unterschiedlichen Begriffe „Handlungen“ und „Straftaten“ in Abs. 1 bzw. Art. 2 dieser Bestimmung andere Gründe gibt. Die Bezugnahme auf „Handlungen“ in Art. 2 Abs. 1 fügt sich nahtlos in die Gesamtstruktur von Art. 2 ein, der EuHB regelt, die mit zwei Zielen erlassen werden: der Strafverfolgung und der Vollstreckung von Urteilen. Soweit er sich auf die Strafverfolgung bezieht, nimmt Art. 2 Abs. 1 logischerweise auf eine „mit Strafe bedrohte Handlung“ Bezug, während er, soweit es um die Vollstreckung geht, auf eine „Verurteilung“ Bezug nimmt. Art. 2 Abs. 2 verwendet die abweichende und neutralere Terminologie „mit Strafe bedrohte Straftaten“, weil er beide Arten von Fallgestaltungen, in denen ein EuHB erlassen werden kann (nämlich zur Strafverfolgung und zur Vollstreckung), erfasst.

43.

Der Grund dafür, dass Art. 2 Abs. 2 sich auf „Straftaten“ und nicht auf „Handlungen“ bezieht, hat somit nichts damit zu tun, dass der Gesetzgeber für die in verschiedenen Absätzen ein und derselben Bestimmung vorgesehenen Voraussetzungen unterschiedliche zeitliche Rahmen hätte festlegen wollen. Dass Art. 2 Abs. 2 „Straftaten“ in den Mittelpunkt stellt, lässt sich besser dadurch erklären, dass mit dieser Bestimmung eine Liste von Straftaten aufgestellt werden soll, für die das Erfordernis des Vorliegens der beiderseitigen Strafbarkeit – in Fällen der Strafverfolgung und der Vollstreckung – abgeschafft wird. In diesem Kontext ist es nur logisch, dass dort von „mit Strafe bedrohten Straftaten“ die Rede ist.

44.

Der Procureur-generaal (Generalstaatsanwalt) hat in der mündlichen Verhandlung ein zusätzliches systematisches Argument vorgebracht, nämlich dass Art. 2 Abs. 4 des Rahmenbeschlusses dazu führe, dass der Vollstreckungsmitgliedstaat das Erfordernis der beiderseitigen Strafbarkeit anhand der Rechtsvorschriften prüfe, die seine Rechtsordnung zum Zeitpunkt der Vollstreckung des EuHB vorsehe.

45.

Dieses Vorbringen ist für die nach Art. 2 Abs. 4 erforderliche Prüfung hinsichtlich des Vollstreckungsmitgliedstaats sicherlich zutreffend. Ich kann jedoch nicht erkennen, dass dies entsprechend auch für die Voraussetzungen in Art. 2 Abs. 2 hinsichtlich des Ausstellungsmitgliedstaats gelten sollte.

46.

Art. 2 Abs. 4 des Rahmenbeschlusses sieht die Möglichkeit vor, die Vollstreckung eines EuHB in Bezug auf ein Verhalten abzulehnen, das der Vollstreckungsmitgliedstaat nicht als verwerflich betrachtet und das daher in seiner Rechtsordnung keine Straftat darstellt ( 8 ). Demnach ist die Frage des einschlägigen Rechts im Vollstreckungsmitgliedstaat mit dem Leitgedanken verbunden, Kriterien für die Anerkennung aus Sicht des Vollstreckungsmitgliedstaats zu prüfen. Sie hat überhaupt nichts mit den Voraussetzungen zu tun, die sich aus dem rechtlichen Maßstab im Ausstellungsmitgliedstaat ergeben. Mit anderen Worten bezieht sich die Prüfung des für Art. 2 Abs. 4 relevanten rechtlichen Rahmens auf die Vorschriften des Vollstreckungsmitgliedstaats, die naturgemäß keine Anwendung in der Sache finden, sondern als Maßstab für die beiderseitige Strafbarkeit als Voraussetzung für eine Anerkennung dienen. Umgekehrt stützt sich Art. 2 Abs. 2 ebenso wie Art. 2 Abs. 1 auf den rechtlichen Rahmen des Ausstellungsmitgliedstaats, der die Grundlage für die Anerkennung der gerichtlichen Entscheidung durch Vollstreckung des EuHB bildet.

47.

Es ist eine Sache, dass ein Vollstreckungsmitgliedstaat das Vorliegen der beiderseitigen Strafbarkeit auf der Grundlage der Wertmaßstäbe überprüft, die sein Strafrecht zum Zeitpunkt der Vollstreckung eines EuHB vermittelt. Es ist eine ganz andere Frage, ob ein Ausstellungsmitgliedstaat einen EuHB nach einer spezifischen vereinfachten Regelung aufgrund von Rechtsvorschriften erlässt, die auf die betreffenden Straftaten keine Anwendung finden und die eine andere Beurteilung der Schwere der Straftat in Form einer höheren Strafe beinhalten, als sie durch das dem EuHB zugrunde liegende Urteil verhängt wird.

48.

Schließlich bringt die spanische Regierung ein weiteres Argument vor. Jede andere als die von ihr vertretene Auslegung würde dazu führen, dass dann, wenn der Unionsgesetzgeber nach Art. 2 Abs. 3 weitere Straftaten in die Liste des Art. 2 Abs. 2 aufnehmen sollte, ein EuHB, der sich auf vor dieser neuen Gesetzgebung liegende Sachverhalte und Verurteilungen beziehe, nicht mehr vollstreckt werden könnte.

49.

Ich kann nicht erkennen, inwieweit ein solches hochspekulatives Argument erheblich sein kann. Die künftige Aufnahme neuer Straftaten in die Liste des Art. 2 Abs. 2 könnte in der Tat Fragen der zeitlichen Anwendbarkeit aufwerfen. Diesen Fragen wäre allerdings zum gegebenen Zeitpunkt umfassend und übergreifend Rechnung zu tragen, da eine Vielzahl allgemeiner Bestimmungen und Voraussetzungen des Rahmenbeschlusses berührt wären ( 9 ). Es kann ihnen nicht vorgreiflich, auf eine einzelne Kategorie möglicherweise betroffener Fragen beschränkt, Rechnung getragen werden. Auch sollte nicht zugelassen werden, dass solche Eventualitäten die Auslegung einer allgemeinen Voraussetzung des Rahmenbeschlusses in einem davon völlig unabhängigen Fall wie demjenigen der vorliegenden Rechtssache verzerren.

ii) Art. 8 Abs. 1 und beigefügtes Formular

50.

Die Kommission trägt im Wesentlichen vor, dass das Formular im Anhang des Rahmenbeschlusses in Verbindung mit dessen Art. 8 Abs. 1 dafür spreche, dass es für die Voraussetzung des Strafmaßes in Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses auf das Recht ankomme, das in der Sache, in der um die Übergabe ersucht werde, tatsächlich Anwendung finde.

51.

Art. 8 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses regelt den Inhalt des EuHB und legt damit fest, welche Hauptvoraussetzungen zu erfüllen sind, damit der EuHB gültig ist ( 10 ). Er sieht vor, dass ein EuHB entsprechend dem im Anhang beigefügten Formblatt verschiedene Arten von Informationen enthalten muss, so etwa a) die Identität und die Staatsangehörigkeit der gesuchten Person, b) die Kontaktdaten der ausstellenden Justizbehörde, c) die Angabe, ob ein vollstreckbares Urteil, ein Haftbefehl oder eine andere vollstreckbare justizielle Entscheidung mit gleicher Rechtswirkung nach den Art. 1 und 2 vorliegt, d) die Art und rechtliche Würdigung der Straftat, insbesondere in Bezug auf Art. 2, e) die Beschreibung der Umstände, unter denen die Straftat begangen wurde, f) im Fall eines rechtskräftigen Urteils die verhängte Strafe oder der für die betreffende Straftat im Ausstellungsmitgliedstaat gesetzlich vorgeschriebene Strafrahmen und, g) soweit möglich, die anderen Folgen der Straftat.

52.

Das dem Rahmenbeschluss beigefügte Formular enthält verschiedene auszufüllende Felder. Die Felder entsprechen zwar nicht genau den jeweiligen Unterabsätzen von Art. 8 Abs. 1, decken aber die gleichen Angaben ab.

53.

Die Felder b, c und e im beigefügten Formblatt zeigen, dass die verlangten Angaben sich auf den konkreten Fall beziehen. In Feld b muss die ausstellende Justizbehörde konkrete Angaben zu der Entscheidung machen, die dem Haftbefehl zugrunde liegt. In Feld c muss sie die Dauer der Strafe angeben, einschließlich 1) der „Höchstdauer der Freiheitsstrafe oder der freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung, die für die Straftat(en) verhängt werden können“, und 2) der Dauer der verhängten Freiheitsstrafe oder der freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung sowie die noch zu verbüßende Strafe.

54.

Dass die Erfüllung der Voraussetzungen von Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses zwangsläufig mit dem Recht verknüpft ist, das auf die Sache anwendbar ist, wird durch Feld e noch weiter verdeutlicht. In diesem Feld hat die ausstellende Justizbehörde Angaben zu den Straftaten zu machen; hierzu gehört eine „Beschreibung der Umstände, unter denen die Straftat(en) begangen wurde(n), einschließlich Tatzeit (Datum und Uhrzeit), Tatort und Art der Beteiligung der gesuchten Person an der(n) Straftat(en)“, sowie die „Art und rechtliche Würdigung der Straftat(en) und anwendbare gesetzliche Bestimmungen“. Unmittelbar im Anschluss daran ist in Feld e des Formblatts die Liste der 32 Straftaten des Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses wiedergegeben, und es heißt dort: „Bitte kreuzen Sie gegebenenfalls an, ob es sich um eine oder mehrere der folgenden – nach dem Recht des Ausstellungsstaats definierten – Straftaten handelt, die im Ausstellungsmitgliedstaat mit einer Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßnahme der Sicherung im Höchstmaß von mindestens drei Jahren bedroht sind“.

55.

Es würde jeder Logik widersprechen, wenn eine ausstellende Justizbehörde verpflichtet wäre, in Feld e die gesetzliche Bestimmung anzugeben, die auf die Sache anwendbar ist, und dann unmittelbar im Anschluss daran in Feld e Abschnitt I eine andere gesetzliche Bestimmung angeben würde, die auf den Sachverhalt nicht anwendbar ist.

56.

Die Kommission zieht hieraus den Schluss, dass die ausstellende Justizbehörde sich bei ihren Angaben nicht auf ein Strafmaß beziehen kann, das schwerer ist als dasjenige, das auf die betreffende Strafsache Anwendung findet.

57.

Ich stimme mit der Kommission überein.

58.

Sowohl Art. 8 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses als auch die Angaben, die in dem Formblatt im Anhang des Rahmenbeschlusses zur Erfüllung der Voraussetzungen dieses Artikels konkret verlangt werden, weisen auf dasselbe Ergebnis hin: Die Angaben, die im EuHB gemacht werden müssen, beziehen sich alle spezifisch auf die konkreten Handlungen, Straftaten, justiziellen Entscheidungen und Verurteilungen in der vorliegenden Strafsache.

59.

Dies gilt insbesondere für Feld e des beigefügten Formblatts. Im Einklang mit Art. 8 Abs. 1 Buchst. d des Rahmenbeschlusses sind in Feld e Einzelheiten zu der Straftat für die Zwecke der Anwendung von Art. 2 anzugeben. In Feld e werden ausdrücklich Angaben zu den Straftaten verlangt, auf die sich der Haftbefehl „bezieht“, sowie eine Beschreibung der Umstände, unter denen die Straftat(en) begangen wurde(n), und Angaben über die „Art und rechtliche Würdigung der Straftat(en) und anwendbare gesetzliche Bestimmungen“ ( 11 ).

60.

Es steht außer Zweifel, dass sich diese Vorgaben auf die spezifischen gesetzlichen Bestimmungen beziehen, die auf die Straftaten Anwendung finden, auf die sich der Haftbefehl bezieht, und die den tatsächlichen Umständen entsprechen, die ebenfalls in Feld e zu beschreiben sind. Es wäre wiederum, um es vorsichtig auszudrücken, unlogisch, von diesen Leitgedanken im konkreten Zusammenhang von Feld e Abschnitt I radikal abzuweichen und die Wendung „Straftaten …, die im Ausstellungsmitgliedstaat mit einer Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßnahme der Sicherung im Höchstmaß von mindestens drei Jahren bedroht sind“ dahin zu verstehen, dass sie sich eigentlich auf späteres Recht bezieht, das auf die Straftaten, auf die sich der EuHB bezieht, keine Anwendung findet.

61.

In der mündlichen Verhandlung wurde die Frage erörtert, welchen Stellenwert das beigefügte Formblatt für die Auslegung hat. Meines Erachtens besteht hier aber nur wenig Raum für eine Diskussion. Denn Anhänge sind, wenn sie Bestandteil des Rechtsakts sind, dem sie beigefügt sind, für die Auslegung der Bestimmungen, auf die sie sich beziehen, relevant ( 12 ). Die Rechtsprechung des Gerichtshofs bestätigt diesen Stellenwert für die Auslegung gerade auch im Zusammenhang mit dem dem Rahmenbeschuss beigefügten Formblatt eindeutig ( 13 ). Der Anhang sieht ein besonderes Formblatt vor, das die ausstellenden Justizbehörden unter Angabe der ausdrücklich verlangten Informationen ausfüllen müssen ( 14 ).

62.

Darüber hinaus besteht insoweit kein Widerspruch zwischen dem Inhalt des Anhangs, der das Formblatt für den EuHB enthält, und den rechtlichen Bestimmungen des Rahmenbeschlusses. Im Gegenteil spricht die spezifische Art der Angaben, die für das Formblatt im Anhang und insbesondere für Feld e erforderlich sind, ebenfalls für das (meines Erachtens recht eindeutige) Ergebnis, das sich, wie bereits ausgeführt, aus Art. 8 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses ableiten lässt.

63.

Der Procureur-generaal (Generalstaatsanwalt) und die belgische Regierung haben in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, dass Feld c Nr. 1 des Formblatts, das sich auf die „Höchstdauer der Freiheitsstrafe oder der freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung, die für die Straftat(en) verhängt werden können“, bezieht, nicht ausgefüllt werden müsse, wenn der EuHB zum Zweck der Vollstreckung ausgestellt werde, sondern nur dann, wenn er zum Zweck der Strafverfolgung ausgestellt werde.

64.

Richtig ist zwar, dass dieses Feld des Anhangs in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 Buchst. f im Fall eines rechtskräftigen Urteils von der ausstellenden Justizbehörde lediglich Angaben zu der verhängten Strafe verlangt ( 15 ). Die Angaben zum Strafmaß in Feld c Nr. 1 des Formblatts sind daher offenbar nur dann erforderlich, wenn ein solches Urteil nicht vorliegt und der EuHB zum Zweck der Strafverfolgung ausgestellt wird ( 16 ).

65.

Ich gehe hier vorläufig nicht auf Feld e ( 17 ) ein, das, wie ausgeführt, in Verbindung mit Feld c die vom Procureur-generaal (Generalstaatsanwalt) und der belgischen Regierung geäußerten Zweifel ausräumt. Selbst wenn man aber allein auf Feld c Nr. 1 abstellt, lässt sich dem Umstand, dass in diesem Feld im Fall einer bereits erfolgten Verurteilung keine Angaben zum Strafmaß erforderlich sind, nichts dafür entnehmen, dass das für die Voraussetzungen von Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses maßgebende Recht ein anderes sein sollte als dasjenige, das auf den Sachverhalt tatsächlich Anwendung findet.

66.

Zwar hat der Gerichtshof im Urteil Piotrowski für die Auslegung gewisse Folgen an den Umstand geknüpft, dass bestimmte Angaben nach Art. 8 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses oder dem beigefügten Formblatt nicht erforderlich sind ( 18 ). Die Gründe, aus denen diese Folgen für die Auslegung in jener Rechtssache an diesen Umstand geknüpft wurden, liegen in der vorliegenden Rechtssache jedoch nicht vor.

67.

In der Rechtssache Piotrowski ging es um einen der zwingenden Gründe für die Ablehnung der Vollstreckung eines EuHB ( 19 ). In diesem Kontext ist es nur folgerichtig, dass die Ablehnung nur auf Angaben beruhen kann, die der vollstreckenden Justizbehörde mittels des Formblatts tatsächlich mitgeteilt wurden. Dagegen geht es in der vorliegenden Rechtssache nicht um einen Ablehnungsgrund, sondern um eine der Voraussetzungen für die Anwendung der Regelung des Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses, wonach keine Überprüfung des Vorliegens der beiderseitigen Strafbarkeit erfolgt. Ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, kann der EuHB dennoch vollstreckt werden, allerdings nur nach der Regelung des Art. 2 Abs. 4.

68.

Ferner lässt sich daraus, dass nach dem dem Rahmenbeschluss beigefügten Formblatt Angaben zu dem für die Straftat angedrohten Höchststrafmaß nicht ausdrücklich erforderlich sind, weil bereits eine Strafe verhängt wurde, nicht schließen, dass für Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses deshalb das zum Zeitpunkt der Ausstellung des EuHB geltende Recht maßgeblich wäre. Die logische Folge einer Auslegung, die auf diesen Umstand abstellt, ist vielmehr, dass, weil in diesem Fall die Angaben im Formblatt nicht erforderlich sind, die Voraussetzungen des Art. 2 Abs. 2 selbst nicht anwendbar sind. Diese Auslegung würde indes die Voraussetzung des Strafmaßes in Art. 2 Abs. 2 aushöhlen.

69.

Darin liegt das allgemeine systematische Problem, das dieses Vorbringen aufwirft. Es leitet den Inhalt eines von der ausstellenden Justizbehörde für Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses anzuwendenden Kriteriums aus dem Umstand her, dass dieses Kriterium von der vollstreckenden Justizbehörde nicht geprüft werden muss. Gegenseitiges Vertrauen basiert jedoch auf der gegenteiligen Annahme: Mit dem modus operandi des Rahmenbeschlusses wird ein Gleichgewicht zwischen gegenseitigem Vertrauen einerseits und einer minimalen Restkontrolle andererseits angestrebt. Das Vertrauen wird den ausstellenden Behörden in der Annahme entgegengebracht, dass sie die dem System des EuHB zugrunde liegenden materiellen Anforderungen strikt einhalten. Das gilt erst recht im Kontext von Art. 2 Abs. 2, bei dem das gegenseitige Vertrauen am weitesten reicht und eine Überprüfung des Vorliegens der beiderseitigen Strafbarkeit bei besonders schweren Straftaten entfallen lässt. Ferner kann das Vertrauen nicht so weit ausgedehnt werden, dass es die vollstreckende Justizbehörde daran hindern würde, die Einhaltung der Voraussetzungen von Art. 2 Abs. 2 zu überprüfen, wenn sie aufgrund der ihr vorliegenden Angaben Zweifel hegt.

70.

Mit anderen Worten folgt aus dem Umstand, dass Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses auf einem System der Selbstdeklaration beruht, bei dem nur eine minimale Prima-facie-Kontrolle durch die vollstreckende Justizbehörde vorgesehen ist ( 20 ), nicht, dass die zugrunde liegenden Kriterien, die von der ausstellenden Justizbehörde angewendet werden sollen, keinen Regeln unterlägen. Das Gegenteil ist der Fall: Es gibt nur zwei Voraussetzungen, aber diese beiden Voraussetzungen müssen vom Ausstellungsmitgliedstaat strikt beachtet werden ( 21 ).

iii) Leitgedanken und Funktionsfähigkeit des EuHB‑Systems

71.

Die vorstehende Erörterung zeigt, dass es zwingende, sich aus dem Rahmenbeschluss ergebende Gründe sowohl logischer als auch systematischer Natur dafür gibt, eine Auslegung abzulehnen, die das Recht, das auf die Strafsache, in der um die Übergabe ersucht wird, tatsächlich Anwendung findet, von dem Recht lösen würde, das für Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses maßgeblich ist.

72.

Es gibt mindestens noch zwei weitere Argumente, die sich allgemeiner auf die Anwendung und die Funktionsfähigkeit des EuHB‑Systems beziehen und nicht unerwähnt bleiben sollten.

73.

Erstens besteht der unbestreitbare Vorteil einer Auslegung von Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses in dem Sinne, dass er sich auf das Recht bezieht, das auf den Sachverhalt tatsächlich anwendbar ist, darin, dass diese Auslegung einen vorhersehbaren und stabilen Bezugsrahmen bietet.

74.

Im Gegensatz dazu bestünde bei der von der spanischen und der belgischen Regierung sowie vom Procureur-generaal (Generalstaatsanwalt) vertretenen konkurrierenden Auslegung die Gefahr, dass der dem EuHB für die Zwecke der Anwendung von Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses zugrunde liegende rechtliche Rahmen zu einer variablen Größe wird, was bedeuten würde, dass sich der für Art. 2 Abs. 2 heranzuziehende rechtliche Rahmen möglicherweise mehrfach ändern könnte. Dies könnte eine Situation herbeiführen, in der spätere EuHB aufgrund von anderen Bestimmungen des nationalen Rechts oder anderen Fassungen der gleichen Bestimmung erlassen würden, die, je nachdem, wie sich der rechtliche Kontext im Ausstellungsmitgliedstaat ändert, zunehmend von dem rechtlichen Rahmen abweichen könnten, der auf die Strafsache tatsächlich Anwendung findet. Abgesehen von (nationalen) Regelungen über Verjährungsfristen wären der Möglichkeit keine Grenzen gesetzt, EuHB wegen derselben Straftaten aufgrund eines anderen rechtlichen Rahmens erneut zu erlassen. Man kann sich also leicht vorstellen, dass im Laufe der Jahre aufeinanderfolgende EuHB wegen desselben Sachverhalts erlassen würden, der zwar nach denselben Vorschriften strafbar bliebe, aber bei jeder Änderung des nationalen Rechts unter eine andere rechtliche Regelung des Rahmenbeschlusses fiele.

75.

Die einem solchen Bezugsrahmen innewohnende Instabilität würde dadurch noch weiter verstärkt, dass der Zeitpunkt des Erlasses des EuHB von verschiedenen Umständen abhängen kann und in der Praxis der verschiedenen Mitgliedstaaten nicht einheitlich ist ( 22 ).

76.

Die Kombination dieser beiden zeitlichen Variablen würde die Anwendung des Systems in ein unberechenbares Billardspiel verwandeln, bei dem es schwierig, wenn nicht gar unmöglich wäre, festzustellen, ob die Voraussetzungen von Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses erfüllt sind (oder sein werden).

77.

Dass es an einem festen und objektiven Punkt fehlt, durch den das Recht bestimmt wird, nach dem sich die Erfüllung der Voraussetzungen von Art. 2 Abs. 2 im Ausstellungsmitgliedstaat richtet, könnte sogar zu taktischen Entscheidungen führen, z. B. dazu, den Erlass eines EuHB zu verzögern, weil rechtliche Änderungen bevorstehen, die es ermöglichen könnten, Art. 2 Abs. 2 anstelle von Art. 2 Abs. 4 anzuwenden. Eine sachgerecht gestaltete Regelung sollte aber vielmehr darauf abzielen, das gegenteilige Verhalten der nationalen Justizbehörden zu fördern, nämlich rasch und rechtzeitig um die Übergabe einer Person zu ersuchen. Darüber hinaus lässt sich rein hypothetisch die Möglichkeit eines Missbrauchs entsprechend gestalteter zeitlicher Regelungen nicht völlig ausschließen, da es möglich wäre, den Strafrahmen nach dem nationalen Recht nachträglich zu ändern, um eine Übergabe bestimmter gesuchter Personen zu erreichen oder zu erleichtern.

78.

In Anbetracht all dieser Erwägungen bietet nur eine Auslegung von Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses dahin, dass er sich auf das Recht bezieht, das auf den Sachverhalt der Rechtssache anwendbar ist, einen einfachen, eindeutigen und vorhersehbaren rechtlichen Rahmen, der durch das Recht festgelegt wird, das in der dem EuHB zugrunde liegenden Sache tatsächlich Anwendung findet. Mit der möglichen (und einzigen) Ausnahme späterer Änderungen des nationalen Strafrechts, die für den Beschuldigten günstiger wären und somit die Anwendung des Grundsatzes der lex mitior nach sich zögen, bliebe dieser Bezugsrahmen unveränderlich und stabil.

79.

Zweitens würde die von der spanischen und der belgischen Regierung sowie vom Procureur-generaal (Generalstaatsanwalt) vertretene Auslegung zu einer eher unlogischen Situation führen, die die reibungslose Anwendung des EuHB‑Systems noch unter einem weiteren Aspekt behindern würde.

80.

Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses gilt sowohl für zum Zweck der Vollstreckung als auch für zum Zweck der Strafverfolgung erlassene EuHB. Vollstreckende Justizbehörden könnten somit damit konfrontiert werden, dass Rechtsvorschriften, auf die sich die ausstellende Justizbehörde bei ihren Angaben in Feld e stützt, den Angaben in Feld c Nr. 1 oder den zusätzlichen Angaben in Feld f widersprechen könnten ( 23 ). Es bestünde sogar die Gefahr, dass in den verschiedenen Teilen des Feldes e selbst verschiedene Bestimmungen genannt werden. In diesem Fall könnten vollstreckende Justizbehörden, die sich mit verschiedenen rechtlichen Maßstäben konfrontiert sehen, die innerhalb ein und desselben EuHB angeführt werden, vernünftigerweise Zweifel haben, ob die Voraussetzungen von Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses erfüllt sind, und würden es wahrscheinlich für notwendig erachten, von der ausstellenden Justizbehörde zusätzliche Informationen zu erbeten ( 24 ). Dies würde die reibungslose Anwendung des EuHB‑Systems gefährden, in dem Ersuchen um zusätzliche Informationen nach Art. 15 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses, wie von der spanischen Regierung zu Recht vorgetragen, die Ausnahme und nicht die Regel sein sollten ( 25 ).

81.

Die vorstehende Erörterung lässt sich auf die folgende direkte Frage konzentrieren: Warum sollte eine unlogische Auslegung von Art. 2 Abs. 2 vertreten werden, die systematische Probleme schafft, wenn die Anwendung des Höchststrafmaßes, das in der Sache tatsächlich Anwendung findet, als Maßstab eine viel logischere, angemessenere, vorhersehbarere und praktischere Lösung bietet? Das einzige insoweit verbleibende Argument ist der Verweis auf die Wirksamkeit, der sowohl von der spanischen als auch von der belgischen Regierung ins Feld geführt wurde und auf den ich jetzt eingehe.

c) Zweck

82.

Der Rahmenbeschluss ist das Flaggschiff des gegenseitigen Vertrauens in der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen in der Union. Mit ihm sollte das multilaterale System der Auslieferungsverfahren ersetzt und die Übergabe gesuchter Personen zwischen den Mitgliedstaaten erleichtert werden, indem ein neues, vereinfachtes und wirksameres System der justiziellen Zusammenarbeit auf der Grundlage gegenseitigen Vertrauens eingeführt wird. Sein Ziel besteht eindeutig darin, die justizielle Zusammenarbeit zu erleichtern und zu beschleunigen. Da der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung den Eckstein dieses Instruments bildet, sollten die vollstreckenden Justizbehörden EuHB in der Regel vollstrecken und dies nur aus den im Rahmenbeschluss aufgeführten Ablehnungsgründen, die abschließend und eng auszulegen sind, ablehnen ( 26 ).

83.

Die belgische und die spanische Regierung berufen sich mit ihrem teleologischen Argument auf diese ständige Rechtsprechung, die ihre Auslegung von Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses stützen soll, wonach die Anwendung des zum Zeitpunkt des Erlasses des EuHB im Ausstellungsmitgliedstaat geltenden Rechts den Zielen des Rahmenbeschlusses am besten Rechnung trage.

84.

Insoweit sind meines Erachtens drei wichtige Klarstellungen geboten.

85.

Erstens ist die Wirksamkeit des Rahmenbeschlusses in dem Sinne, dass die Übergabe so weit wie möglich erleichtert werden soll, nicht der einzige Wert, der mit diesem Instrument verfolgt wird. Dies kommt nicht nur im zwölften Erwägungsgrund und in Art. 1 Abs. 3 zum Ausdruck, die die Verpflichtung zur Achtung der Grundrechte im Bereich des EuHB betonen, sondern auch darin, dass der Rahmenbeschluss verschiedene Verfahrensregelungen und ‑garantien festlegt, die bei der Durchführung und Anwendung des EuHB‑Systems einzuhalten sind. Wenn die Wirksamkeit der einzige übergeordnete Wert wäre, der alle anderen Werte und Aspekte überlagern darf, warum gibt es dann verschiedene Übergaberegelungen mit unterschiedlichen Vorschriften, und warum sind verschiedene Ablehnungsgründe vorgesehen?

86.

Zweitens, und im Kontext der vorliegenden Rechtssache vielleicht noch entscheidender, sollte die Wirksamkeit eines konkreten EuHB im Einzelfall (individuelle Wirksamkeit) nicht mit der Wirksamkeit des Rahmenbeschlusses (strukturelle Wirksamkeit) verwechselt werden. Nach meinem Verständnis betrifft die von den beiden Regierungen angeführte Rechtsprechung des Gerichtshofs die strukturelle Wirksamkeit, nämlich die reibungslose Anwendung und Funktionsfähigkeit des EuHB‑Systems als solchem. Aus den oben erläuterten Gründen ( 27 ) würde eine Auslegung von Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses dahin, dass er sich auf das Recht bezieht, das bei Ausstellung des EuHB gilt, vielleicht die Übergabe im vorliegenden Einzelfall erleichtern, aber gewiss nicht die reibungslose Anwendung und die strukturelle Wirksamkeit des EuHB‑Systems insgesamt fördern ( 28 ).

87.

Drittens und abschließend zeigt die von der belgischen und der spanischen Regierung sowie vom Procureur-generaal (Generalstaatsanwalt) vertretene Auslegung auch, warum die Ad-hoc-Wirksamkeit im Einzelfall sich schwer in allgemein wirksame und anwendbare Regelungen übersetzen lässt. Es könnten nämlich außer dem auf die Strafsache anwendbaren Recht und dem zum Zeitpunkt der Ausstellung des EuHB geltenden Recht, die im Mittelpunkt der Stellungnahmen in der vorliegenden Rechtssache stehen, auch noch weitere Optionen als maßgebend angesehen werden, etwa das zum Zeitpunkt der Tat geltende Recht (das möglicherweise aufgrund des Lex‑mitior-Grundsatzes nicht mit dem Recht identisch ist, das auf die Strafsache Anwendung findet), das zum Zeitpunkt des Eingangs des EuHB im Vollstreckungsmitgliedstaat geltende Recht oder das zum Zeitpunkt der Entscheidung über den EuHB geltende Recht.

88.

Jeder dieser verschiedenen rechtlichen Rahmen mag in einem bestimmten Fall als der wirksamste angesehen werden, um die Übergabe einer gesuchten Person erfolgreich sicherzustellen, je nachdem, wie die Straftat eingestuft und bestraft wird und wie sich der Sachverhalt des Einzelfalls darstellt. Sofern nicht die Vorhersehbarkeit auf das Wissen reduziert werden soll, dass die ausstellende Justizbehörde für Art. 2 Abs. 2 einfach selektiv jeden von ihr gewünschten rechtlichen Maßstab auswählen darf, bietet das auf die Wirksamkeit im Einzelfall gestützte Vorbringen einfach keinen vorhersehbaren Bezugsrahmen.

d) Zwischenergebnis

89.

Aufgrund der vorstehend erörterten Erwägungen zum Wortlaut, Kontext und Zweck des Rahmenbeschlusses komme ich zu dem Ergebnis, dass Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses sich auf das Recht bezieht, das auf den jeweiligen Fall tatsächlich Anwendung findet.

90.

Ergänzt sei, dass dieses Ergebnis sicherlich auch den Grundinstinkten jedes Rechtsanwalts bzw. Strafverteidigers entspricht. Die in der vorliegenden Rechtssache vorgetragenen recht technischen Argumente sollten nicht zu den sprichwörtlichen Bäumen werden, die uns den Blick auf den Wald verstellen. Dieser ist bemerkenswert leicht zu erkennen: Wird ein Ersuchen um Übergabe einer bestimmten Person wegen einer konkreten Straftat gestellt, muss es sich bei dem Höchststrafmaß logischerweise um dasjenige handeln, das auf den konkreten Fall Anwendung findet, und nicht um eines, das möglicherweise wenige oder viele Jahre später nach nationalem Recht anwendbar werden könnte.

91.

Die vom Hof van Beroep te Gent (Berufungsgericht Gent) vorgelegten Fragen sind daher dahin zu beantworten, dass Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses dahin auszulegen ist, dass er für die Prüfung der in diesem Artikel enthaltenen Schwelle eines Höchstmaßes von mindestens drei Jahren auf das Strafrecht verweist, das im Ausstellungsmitgliedstaat auf die konkrete(n) Straftat(en) Anwendung findet, auf die sich der EuHB bezieht.

B.   Grundsatz der Gesetzmäßigkeit

92.

Die im ersten Teil der vorliegenden Schlussanträge vorgenommene Prüfung der Leitgedanken, der Anwendung und der Systematik von Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses liefert meines Erachtens eine eigenständige, hinreichende und abschließende Antwort auf die vom vorlegenden Gericht aufgeworfene Problematik. Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit kann meines Erachtens auf dieses Ergebnis keine Auswirkungen haben. Da dieser Grundsatz jedoch von den Beteiligten angesprochen und ausführlich erörtert wurde, werde ich der Klarstellung und Vollständigkeit halber mit einigen abschließenden Bemerkungen auf die Bedeutung des Gesetzmäßigkeitsgrundsatzes für die vorliegende Rechtssache eingehen.

93.

Der Gesuchte führt in seinen schriftlichen Erklärungen Argumente an, die sich auf den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit stützen. Seiner Ansicht nach ist dieser auf die Vollstreckung eines EuHB anwendbar. Die belgische und die spanische Regierung sowie der Procureur-generaal (Generalstaatsanwalt) sind anderer Ansicht. Nach der Definition des Gesetzmäßigkeitsgrundsatzes in der Rechtsprechung des Gerichtshofs, aber auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) sei der Gesetzmäßigkeitsgrundsatz in der vorliegenden Rechtssache nicht anwendbar. Die Kommission hat sich zwar in ihren schriftlichen Erklärungen auf Erwägungen im Zusammenhang mit dem Gesetzmäßigkeitsgrundsatz gestützt, ihren Standpunkt in der mündlichen Verhandlung jedoch geändert und erklärt, dass der Gesetzmäßigkeitsgrundsatz für die Auslegung von Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses nicht relevant sei.

94.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs „[darf] nach dem insbesondere in Art. 49 Abs. 1 Satz 1 der Charta [der Grundrechte der Europäischen Union] niedergelegten Grundsatz der Gesetzmäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen (nullum crimen, nulla poena sine lege), der eine besondere Ausformung des allgemeinen Grundsatzes der Rechtssicherheit darstellt, niemand wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden …, die zur Zeit ihrer Begehung nach innerstaatlichem oder internationalem Recht nicht strafbar war“ ( 29 ). Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit erfordert daher, dass eine Unionsregelung Straftaten und die für sie angedrohten Sanktionen klar definiert. Diese Anforderung ist erfüllt, „wenn der Rechtsunterworfene anhand des Wortlauts der einschlägigen Bestimmung und nötigenfalls mit Hilfe ihrer Auslegung durch die Gerichte erkennen kann, welche Handlungen und Unterlassungen seine strafrechtliche Verantwortung begründen“ ( 30 ). Mit dem Rückwirkungsverbot in Strafsachen ist „u. a. unvereinbar, dass ein Richter in einem Strafverfahren wegen eines Verhaltens, das nicht durch eine vor Begehung der in Rede stehenden Straftat erlassene nationale Rechtsvorschrift verboten ist, eine Strafe verhängen oder die Regelung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit derer, gegen die sich das Verfahren richtet, verschärfen kann“ ( 31 ).

95.

Die spanische und die belgische Regierung sowie der Procureur-generaal (Generalstaatsanwalt) machen geltend, dass die von ihnen vertretene Auslegung von Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses in der vorliegenden Rechtssache nicht zu einem Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit führe. Denn weder die Bestimmung des die Straftat darstellenden Verhaltens noch die dafür angedrohte Strafe seien davon in irgendeiner Weise berührt. Die Bezugnahme auf das Recht, das zum Zeitpunkt der Ausstellung des EuHB gelte, lasse das auf die Strafsache anwendbare Recht unverändert. Sie erfolge ausschließlich für die Zwecke der Anwendung eines Instruments der justiziellen Zusammenarbeit. Nach Ansicht dieser Regierungen ist der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit nach der Rechtsprechung des EGMR in Fällen der internationalen Zusammenarbeit bei der Vollstreckung strafrechtlicher Sanktionen nicht anwendbar.

96.

Ich stimme mit dieser Ansicht überein. Nach der Rechtsprechung des EGMR würde der Sachverhalt der vorliegenden Rechtssache nicht unter den Schutz von Art. 7 der Europäischen Menschenrechtskonvention (im Folgenden: EMRK) fallen. Zwar ist in dieser Rechtsprechung anerkannt, dass die Abgrenzung zwischen einer „Strafe“ (dem „materiellen Inhalt“, der von Art. 7 Abs. 1 der EMRK erfasst sein muss) und einer Maßnahme, die die Durchführung oder Vollstreckung einer Strafe betrifft (und eher „verfahrensbezogene“ Aspekte aufweist) nicht klar gezogen ist ( 32 ). Es ist jedoch ständige Rechtsprechung des EGMR, dass die Anwendung verschiedener Instrumente der internationalen Zusammenarbeit bei der Vollstreckung strafrechtlicher Sanktionen nicht die Strafe selbst, sondern ihre Vollstreckung betrifft, so dass sie nicht in den Geltungsbereich von Art. 7 der EMRK fällt.

97.

So hat der EGMR im Urteil Szabó/Schweden entschieden, dass Art. 7 der EMRK nicht berührt ist, obwohl zum Zeitpunkt der Begehung der Straftat durch den Beschwerdeführer das Zusatzprotokoll zum Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen ( 33 ) von Schweden noch nicht ratifiziert worden war und die Überstellung sich nachteilig auf die Aussetzung seiner Strafe zur Bewährung auswirkte. Der EGMR hat festgestellt, dass die Überstellung des Beschwerdeführers bzw. konkret die Vorschriften über die Aussetzung der Strafe zur Bewährung – die in Ungarn strenger waren als in Schweden – nicht als „Strafe“ im Sinne von Art. 7 der EMRK anzusehen sind, weil Fragen der Aussetzung einer Strafe zur Bewährung die Vollstreckung einer Strafe betreffen ( 34 ). Der EGMR hat diesen Ansatz im Zusammenhang mit dem Rahmenbeschluss bestätigt und insoweit ausgeführt, dass „die Übergabe … keine … für die Begehung einer Straftat auferlegte Strafe [ist], sondern ein Verfahren, das die Vollstreckung eines [in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen] Urteils ermöglichen soll“ ( 35 ).

98.

Im Einklang mit diesem Ansatz hält der EGMR es nicht für problematisch, wenn verschiedene Instrumente der internationalen Zusammenarbeit auf Straftaten oder Urteile angewendet werden, die vor ihrem Inkrafttreten in einem bestimmten Staat begangen wurden bzw. ergangen sind ( 36 ). Dies ist auch für einen EuHB bestätigt worden ( 37 ).

99.

Dieses Verständnis des Gesetzmäßigkeitsgrundsatzes ist auch für die Rechtsprechung des Gerichtshofs zum EuHB prägend. Im Urteil Advokaten voor de Wereld hat der Gerichtshof festgestellt, dass darin, dass Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses die Überprüfung des Vorliegens der beiderseitigen Strafbarkeit abschafft, kein Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit liegt, da für die Definition der Straftaten und der für sie angedrohten Strafen weiterhin das Recht des Ausstellungsmitgliedstaats maßgebend bleibt ( 38 ). Dieses Urteil hat die Betonung auf das gegenseitige Vertrauen und darauf gelegt, dass die Wahrung des Gesetzmäßigkeitsgrundsatzes vom Ausstellungsmitgliedstaat zu gewährleisten ist.

100.

Daher dürfte es nach der Rechtsprechung sowohl des Gerichtshofs als auch des EGMR nicht gegen den in Art. 49 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Grundsatz der Gesetzmäßigkeit, ausgelegt im Einklang mit dem Geltungsbereich von Art. 7 der EMRK, verstoßen, wenn bei der Prüfung der Voraussetzung des Strafmaßes in Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses auf das Recht des Ausstellungsmitgliedstaats zum Zeitpunkt der Ausstellung des EuHB abgestellt wird. Denn eine solche Auslegung würde nicht zur Verhängung einer Strafe im Strafverfahren führen, die der Ausstellungsmitgliedstaat zum Zeitpunkt der Begehung der Straftaten nicht vorgesehen hatte.

101.

Gleichwohl sind drei weitere Erwägungen zu berücksichtigen.

102.

Erstens spricht über das enge Verständnis des Geltungsbereichs des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit hinaus auch der Grundsatz der Rechtssicherheit für die in Nr. 91 der vorliegenden Schlussanträge vertretene Auslegung von Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses. Dieser Grundsatz bedeutet nämlich, dass über den eng umrissenen Geltungsbereich der Definition von Straftaten und Strafen im Strafrecht hinaus das Unionsrecht und die nationalen Umsetzungsregelungen eindeutig sein müssen und ihre Anwendung für die Betroffenen insbesondere im Bereich des Strafrechts vorhersehbar sein muss. Dieser Standard muss in besonderem Maß beachtet werden, wenn es sich um Vorschriften handelt, die Auswirkungen auf Einzelne haben können ( 39 ). Dies gilt nicht nur für Bestimmungen des materiellen Strafrechts, sondern auch für solche des Strafprozessrechts wie den Rahmenbeschluss, die für die gesuchte Person einen Freiheitsentzug nach sich ziehen können ( 40 ).

103.

In diesem weiter gefassten Kontext verlangt die Rechtsprechung zur Rechtssicherheit, dass die nationalen Rechtsnormen eindeutig formuliert sein müssen, nicht nur, um den Betroffenen ein klares und genaues Verständnis ihrer Rechte und Pflichten zu vermitteln, sondern auch, um es den nationalen Gerichten zu ermöglichen, ihre Anwendung sicherzustellen. Die unvorhersehbare Situation, die entstünde, wenn der nicht eindeutige Wortlaut von Art. 2 Abs. 2 dahin ausgelegt würde, dass sich das Recht, nach dem sich die Voraussetzung des Strafmaßes richtet, später jederzeit ändern könnte, wäre mit den durch den Grundsatz der Rechtssicherheit vorgegebenen Erfordernissen der Klarheit und Vorhersehbarkeit schwerlich zu vereinbaren.

104.

Zweitens hat der Gerichtshof zwar im Urteil Advocaten voor de Wereld festgestellt, dass Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses nicht gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit verstößt, dies aber auf der Grundlage, dass für die Definition der Straftaten und der für sie angedrohten Strafen „weiterhin das Recht des Ausstellungsmitgliedstaats maßgeblich [ist], der, wie im Übrigen Art. 1 Abs. 3 des Rahmenbeschlusses bestimmt, die Grundrechte und die allgemeinen Rechtsgrundsätze, wie sie in Art. 6 EU niedergelegt sind, und damit den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen zu achten hat“ ( 41 ). Die in dieser Bestimmung gestellten Anforderungen in Bezug auf die Qualifizierung der Straftaten und ihre Schwere anhand des Strafmaßes im Ausstellungsmitgliedstaat müssen unter Wahrung eines Höchstmaßes an Rechtssicherheit angewendet werden. Sie bilden die Grundlage für das Vertrauen, das vom Vollstreckungsmitgliedstaat verlangt wird und von dem der Erfolg des Rahmenbeschlusses als System vollständig abhängt.

105.

Schließlich ergibt sich aus der neueren Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die Mitgliedstaaten verschiedene Ansätze zum Geltungsbereich des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit verfolgen ( 42 ). Diese verschiedenen Ansätze können auch darin zum Ausdruck kommen, wie sie die verschiedenen Voraussetzungen für die Anwendung von Instrumenten der justiziellen Zusammenarbeit im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, insbesondere des Rahmenbeschlusses, prüfen. Eine Auslegung der betreffenden Bestimmung, wie sie von der spanischen und der belgischen Regierung sowie vom Procureur-generaal (Generalstaatsanwalt) vertreten wird, liefe Gefahr, in einem Bereich, in dem der Rahmenbeschluss selbst keine eindeutige Antwort gibt, in Konflikt mit einigen der nationalen Auffassungen vom Gesetzmäßigkeitsgrundsatz zu geraten ( 43 ).

C.   Schlussbemerkungen

106.

Nachdem ich eine Antwort auf die vom vorlegenden Gericht gestellte konkrete Frage vorgeschlagen habe, erscheint es mir sinnvoll, anstelle einer Schlussfolgerung noch einmal darauf hinzuweisen, worum es in der vorliegenden Rechtssache, so wie sie dem Gerichtshof vorgelegt worden ist, nicht geht.

107.

Erstens könnte aus einem bestimmten Verständnis heraus angenommen werden, dass der dem Strafverfahren im Ausstellungsmitgliedstaat zugrunde liegende Sachverhalt und rechtliche Rahmen mit dem Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung kollidieren. Die beim Gerichtshof anhängige Rechtssache betrifft diese Fragen jedoch ebenso wenig wie in irgendeiner Weise die Begründetheit der Verurteilung, um deren Vollstreckung mit dem in Rede stehenden EuHB ersucht wird.

108.

Zweitens betrifft die vorliegende Rechtssache auch nicht die Prüfung der ersten Voraussetzung für die Anwendung von Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses: Kann die Straftat der „Verherrlichung von Terrorismus und Erniedrigung seiner Opfer“ im Sinne des spanischen Strafgesetzbuchs automatisch unter „Terrorismus“ subsumiert werden, der als eine der 32 Straftaten in der Liste des Art. 2 Abs. 2 genannt ist?

109.

Drittens hat die Antwort, die auf die Fragen in der vorliegenden Rechtssache gegeben wird, auch keine Auswirkungen auf andere, für die Erfolgsaussichten des fraglichen EuHB relevante Aspekte, wie etwa die Prüfung einer Übergabe wegen der anderen beiden Straftaten, für die um die Übergabe ersucht wurde, oder die Prüfung der Voraussetzung des Vorliegens der beiderseitigen Strafbarkeit nach Art. 2 Abs. 4 des Rahmenbeschlusses für die drei in Rede stehenden Straftaten durch die vollstreckende Justizbehörde.

110.

Viertens sei auch daran erinnert, dass unter dem Gesichtspunkt der möglichen praktischen und systematischen Konsequenzen die Erörterung der Frage, welches Recht (in welcher zeitlichen Fassung) in Bezug auf den Ausstellungsmitgliedstaat nach Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses maßgeblich ist, nicht automatisch auf die Auslegung von Art. 2 Abs. 4 übertragbar ist ( 44 ).

V. Ergebnis

111.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Hof van Beroep te Gent (Berufungsgericht Gent, Belgien) gestellte Frage wie folgt zu beantworten:

Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten ist dahin auszulegen, dass er für die Prüfung der dort vorgesehenen Schwelle eines Höchstmaßes von mindestens drei Jahren auf das Strafrecht verweist, das im Ausstellungsmitgliedstaat auf die konkrete(n) Straftat(en) Anwendung findet, auf die sich der EuHB bezieht.


( 1 ) Originalsprache: Englisch.

( 2 ) ABl. 2002, L 190, S. 1, in der durch den Rahmenbeschluss 2009/299/JI des Rates vom 26. Februar 2009 (ABl. 2009, L 81, S. 24) geänderten Fassung (im Folgenden: Rahmenbeschluss).

( 3 ) Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, bedeutet das nicht unbedingt, dass der EuHB nicht vollstreckt werden kann. Vielmehr kommt dann die Regelung in Art. 2 Abs. 4 des Rahmenbeschlusses zur Anwendung. Nach dieser Bestimmung kann die Übergabe vom Vorliegen der beiderseitigen Strafbarkeit abhängig gemacht werden, so dass die vollstreckende Justizbehörde die Vollstreckung ablehnen kann, wenn die Handlung, derentwegen der EuHB ergangen ist, nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats keine Straftat darstellt, wie sich aus dem fakultativen Ablehnungsgrund nach Art. 4 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses ergibt.

( 4 ) Hervorhebung nur hier.

( 5 ) Siehe oben, Nrn. 22 bis 25.

( 6 ) Siehe unten, Nrn. 40 bis 43.

( 7 ) Wie oben in den Nrn. 35 bis 37 skizziert.

( 8 ) Vgl. entsprechend Urteil vom 11. Januar 2017, Grundza (C‑289/15, EU:C:2017:4, Rn. 45), sowie meine Schlussanträge in jener Rechtssache (C‑289/15, EU:C:2016:622, Nr. 68).

( 9 ) Hingewiesen sei beispielsweise darauf, dass der Rahmenbeschluss für seinen eigenen zeitlichen Anwendungsbereich auf den Zeitpunkt der Ausstellung neuer Übergabeersuchen abstellt. Nach Art. 34 Abs. 1 waren die Mitgliedstaaten verpflichtet, den Rahmenbeschluss bis zum 31. Dezember 2003 umzusetzen. Daher gelten nach Art. 32 für nach dem 1. Januar 2004 eingehende Ersuchen die gemäß dem Rahmenbeschluss erlassenen Bestimmungen.

( 10 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 1. Juni 2016, Bob-Dogi (C‑241/15, EU:C:2016:385, Rn. 63 und 64), und vom 6. Dezember 2018, IK (Vollstreckung einer zusätzlichen Strafe) (C‑551/18 PPU, EU:C:2018:991, Rn. 43).

( 11 ) Hervorhebung nur hier.

( 12 ) Vgl. z. B. konkret für Anhänge von Rechtsakten im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit Urteile vom 16. September 2015, Alpha Bank Cyprus (C‑519/13, EU:C:2015:603, Rn. 49 ff.), und vom 2. März 2017, Henderson (C‑354/15, EU:C:2017:157, Rn. 56). Vgl. auch Urteil vom 5. Juli 2018, X (C‑213/17, EU:C:2018:538, Rn. 52).

( 13 ) Vgl. z. B. Urteile vom 1. Juni 2016, Bob-Dogi (C‑241/15, EU:C:2016:385, Rn. 44), vom 10. August 2017, Tupikas (C‑270/17 PPU, EU:C:2017:628, Rn. 89), und vom 23. Januar 2018, Piotrowski (C‑367/16, EU:C:2018:27, Rn. 57 bis 59).

( 14 ) Urteil vom 6. Dezember 2018, IK (Vollstreckung einer zusätzlichen Strafe) (C‑551/18 PPU, EU:C:2018:991, Rn. 49).

( 15 ) Diese Auslegung wird durch das Urteil vom 6. Dezember 2018, IK (Vollstreckung einer zusätzlichen Strafe) (C‑551/18 PPU, EU:C:2018:991, Rn. 48 bis 51), gestützt.

( 16 ) Diese Auslegung kommt auch in der Bekanntmachung der Kommission – Handbuch mit Hinweisen zur Ausstellung und Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls (ABl. 2017, C 335, S. 1) zum Ausdruck, wonach Feld c, des beigefügten Formblatts „dem Nachweis [dient], dass der EuHB die Voraussetzungen gemäß Artikel 2 Absatz 1 des EuHB-Rahmenbeschlusses erfüllt. Im vorgerichtlichen Stadium ist dabei das grundsätzlich mögliche Strafmaß und nach Verhängung der Strafe die Länge der tatsächlich verhängten Strafe zugrunde zu legen“.

( 17 ) Wie oben erläutert, Nrn. 59 und 60.

( 18 ) Urteil vom 23. Januar 2018, Piotrowski (C‑367/16, EU:C:2018:27).

( 19 ) Die Rechtssache betraf den zwingenden Ablehnungsgrund des Art. 3 Abs. 3 des Rahmenbeschlusses, wonach die vollstreckende Justizbehörde die Vollstreckung eines EuHB ablehnt, wenn die gesuchte Person „nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats aufgrund ihres Alters für die Handlung, die diesem Haftbefehl zugrunde liegt, nicht strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann“. Da u. a. das im Anhang vorgesehene Formblatt keine speziellen Informationen enthält, die es den vollstreckenden Justizbehörden gestatten, im Einzelfall zu prüfen, ob die zusätzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafrecht des Ausstellungsmitgliedstaats die Verfolgung eines Minderjährigen möglich ist, ist der Gerichtshof zu dem Schluss gelangt, dass die vollstreckende Justizbehörde nur prüfen muss, ob die betreffende Person das Mindestalter erreicht hat, um im Vollstreckungsmitgliedstaat für die Handlung, die diesem Haftbefehl zugrunde liegt, strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden zu können, ohne diese zusätzlichen Voraussetzungen berücksichtigen zu müssen. Urteil vom 23. Januar 2018, Piotrowski (C‑367/16, EU:C:2018:27, Rn. 59 und 62).

( 20 ) Zur Diskussion und zu verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber der Anwendung von Art. 2 Abs. 2 in verschiedenen Mitgliedstaaten vgl. z. B. Ambos, K., European Criminal Law, Cambridge University Press, Cambridge, 2018, S. 432 ff.

( 21 ) Am Rande ist allerdings einzuräumen, dass das Vorbringen des Procureur-generaal (Generalstaatsanwalt) und der belgischen Regierung lebhaft veranschaulicht, welche systemeigene Spannung zwischen der verwendeten Terminologie auf der einen Seite und der rechtlichen Gestaltung und der Anwendung des EuHB‑Systems (bzw. auch vieler anderer Systeme der gegenseitigen Anerkennung in der Union) auf der anderen Seite besteht. Das Leitbild soll (gegenseitiges) Vertrauen sein, das durch das Gesetz geschaffen und gefördert werden soll. Hat man indes Vertrauen, besteht wenig Bedarf für Recht. Erst wenn kein Vertrauen (mehr) besteht, werden durchsetzbare Rechtsvorschriften notwendig. Ab einem bestimmten Punkt könnten durchsetzbare Rechtsvorschriften tatsächlich durch gegenseitiges Vertrauen ersetzt werden. Dies kann jedoch nur schrittweise und organisch in einem Bottom-up-Ansatz der sozialen Interaktion geschehen. Vertrauen kann nicht normativ von oben verordnet werden.

( 22 ) Die Praxis zeigt, dass der Zeitpunkt, zu dem ein EuHB erlassen wird, von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat sehr unterschiedlich ist. Dabei kann es sich um den Beginn oder den Abschluss der Ermittlungen, den Zeitpunkt, zu dem üblicherweise Untersuchungshaft angeordnet oder ein Tatverdacht festgestellt wird, oder jeden Zeitpunkt des Strafverfahrens bis zum Abschluss der Hauptverhandlung handeln. Vgl. EAW – Rights. Analysis of the implementation and operation of the European Arrest Warrant from the point of view of defence practitioners, Council of Bars and Law Societies of Europe/European Lawyers Foundation, Brüssel/Den Haag, 2016, S. 25 f.

( 23 ) Siehe oben, Nr. 54 der vorliegenden Schlussanträge.

( 24 ) Vgl. zu der entsprechenden Befugnis der vollstreckenden Justizbehörden Urteile vom 10. August 2017, Tupikas (C‑270/17 PPU, EU:C:2017:628, Rn. 91), und vom 10. August 2017, Zdziaszek (C‑271/17 PPU, EU:C:2017:629, Rn. 103).

( 25 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. Januar 2018, Piotrowski (C‑367/16, EU:C:2018:27, Rn. 61).

( 26 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Juli 2018, Minister for Justice and Equality (Mängel des Justizsystems) (C‑216/18 PPU, EU:C:2018:586, Rn. 39 bis 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 27 ) Nrn. 72 bis 81 der vorliegenden Schlussanträge.

( 28 ) Die Metapher, die sich in diesem Kontext aufdrängt, ist diejenige des Generals, der, um eine Schlacht zu gewinnen, bereit ist, den Krieg zu verlieren.

( 29 ) Vgl. z. B. Urteil vom 20. Dezember 2017, Vaditrans (C‑102/16, EU:C:2017:1012, Rn. 50).

( 30 ) Vgl. z. B. Urteil vom 3. Juni 2008, The International Association of Independent Tanker Owners u. a. (C‑308/06, EU:C:2008:312, Rn. 71 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. insbesondere Urteil vom 3. Mai 2007, Advocaten voor de Wereld (C‑303/05, EU:C:2007:261, Rn. 50).

( 31 ) Urteil vom 5. Dezember 2017, M.A.S. und M.B. (C‑42/17, EU:C:2017:936, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 32 ) Vgl. zu dieser Diskussion meine Schlussanträge in der Rechtssache Scialdone (C‑574/15, EU:C:2017:553, Nr. 151) mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 21. Oktober 2013, Del Río Prada/Spanien (Große Kammer) (CE:ECHR:2013:1021JUD004275009, § 85 ff. und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 33 ) Zusatzprotokoll zum Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen vom 18. Dezember 1997 (European Treaty Series Nr. 167).

( 34 ) Entscheidung des EGMR über die Zulässigkeit vom 27. Juni 2006, Szabó/Schweden (CE:ECHR:2006:0627DEC002857803). Vgl. ferner zum Zusatzprotokoll zum Überstellungsübereinkommen Entscheidungen des EGMR über die Zulässigkeit vom 27. Juni 2006, Csoszánszki/Schweden (CE:ECHR:2006:0627DEC002231802), vom 6. September 2011, Müller/Tschechische Republik (CE:ECHR:2011:0906DEC004805809), und vom 23. Oktober 2012, Ciok/Polen (CE:ECHR:2012:1023DEC000049810). Vgl. zu weiteren Fällen im Bereich der internationalen Zusammenarbeit Entscheidung des EGMR über die Zulässigkeit vom 5. Juli 2007, Saccoccia/Österreich (CE:ECHR:2007:0705DEC006991701).

( 35 ) Entscheidung des EGMR über die Zulässigkeit vom 7. Oktober 2008, Monedero Angora/Spanien (CE:ECHR:2008:1007DEC004113805, § 2). Vgl. auch Entscheidung des EGMR über die Zulässigkeit vom 23. Oktober 2012, Giza/Polen (CE:ECHR:2012:1023DEC000199711, §§ 30 bis 34).

( 36 ) Entscheidungen des EGMR über die Zulässigkeit vom 27. Juni 2006, Szabó/Schweden (CE:ECHR:2006:0627DEC002857803), und vom 6. September 2011, Müller/Tschechische Republik (CE:ECHR:2011:0906DEC004805809).

( 37 ) Entscheidung des EGMR über die Zulässigkeit vom 7. Oktober 2008, Monedero Angora/Spanien (CE:ECHR:2008:1007DEC004113805, § 2).

( 38 ) Urteil vom 3. Mai 2007, Advocaten voor de Wereld (C‑303/05, EU:C:2007:261, Rn. 53).

( 39 ) Vgl. z. B. Urteil vom 9. Juli 2015, Salomie und Oltean (C‑183/14, EU:C:2015:454, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 40 ) Der Gerichtshof hat sich in seiner Rechtsprechung mit der Gesetzmäßigkeit in ihrem weit gefassten Verständnis (im Sinne von Rechtmäßigkeit und in Verbindung mit dem Begriff der Rechtsstaatlichkeit) unter einer Reihe von Aspekten beschäftigt, die nichts mit der Definition von Straftaten und Strafen zu tun haben, so etwa mit den Regeln, die für die Stellen gelten, die für die Verhängung von Sanktionen zuständig sind. Vgl. z. B. Urteile vom 1. Oktober 2015, Weltimmo (C‑230/14, EU:C:2015:639, Rn. 56), und vom 17. Januar 2019, Dzivev u. a. (C‑310/16, EU:C:2019:30, Rn. 34 und 35). Ebenso gelten die Erfordernisse der Klarheit und Genauigkeit allgemein für das „Gesetz“, das Einschränkungen der Grundrechte vorsieht. Vgl. Urteile vom 17. Dezember 2015, WebMindLicenses (C‑419/14, EU:C:2015:832, Rn. 81), und vom 17. Januar 2019, Dzivev u. a. (C‑310/16, EU:C:2019:30, Rn. 40).

( 41 ) Urteil vom 3. Mai 2007, Advocaten voor de Wereld (C‑303/05, EU:C:2007:261, Rn. 53). Hervorhebung nur hier.

( 42 ) Urteil vom 5. Dezember 2017, M.A.S. und M.B. (C‑42/17, EU:C:2017:936, Rn. 60).

( 43 ) A good example of this diversity can be found in the discussions in the European Committee on Crime Problems of the Council of Europe. The discussions on the point in time of reference when considering double criminality as regards extradition requests shows that several Member States consider that the point in time should be that of the facts giving rise to the offence due to considerations of legality, while other Member States consider that the point in time should be that of the extradition request, in order to foster judicial cooperation. See Compilation of Replies to the questionnaire on the reference moment to be applied when considering double criminality as regards extradition requests, PC-OC(2013)12Bil.Rev3, European Committee on Crime Problems, Committee of Experts on the Operation of European Conventions on Co-operation in Criminal Matters, Strasbourg, 25 November 2014.

( 44 ) Wie oben in den Nrn. 45 bis 47 erörtert.