SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

GERARD HOGAN

vom 12. September 2019 ( 1 )

Rechtssache C‑524/18

Dr. Willmar Schwabe GmbH & Co. KG

gegen

Queisser Pharma GmbH & Co. KG

(Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs, Deutschland)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Öffentliche Gesundheit – Information und Verbraucherschutz – Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 – Gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel – Art. 10 Abs. 1 und 3 – Begriff des ‚Beifügens‘ einer speziellen gesundheitsbezogenen Angabe – Verweis auf allgemeine, nichtspezifische positive Wirkungen – Verpflichtung zur Erbringung wissenschaftlicher Nachweise – Anwendungsbereich“

1. 

Kann dann, wenn auf der Vorderseite der Verpackung von Nahrungsergänzungsmitteln allgemeine gesundheitsbezogene Angaben gemacht werden, davon ausgegangen werden, dass der Hersteller das Erfordernis nach Art. 10 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1924/2006 ( 2 ) erfüllt, wonach solche Angaben „nur zulässig [sind], wenn ihnen eine in einer der Listen nach Artikel 13 oder 14 enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist“, sofern eine solche spezielle gesundheitsbezogene Angabe auf der Rückseite dieser Verpackung dargestellt ist? Dies ist im Wesentlichen die Hauptfrage, die dem Gerichtshof jetzt aufgrund eines entsprechenden Vorabentscheidungsersuchens des Bundesgerichtshofs (Deutschland) zur Entscheidung vorliegt.

2. 

Die Frage bezüglich der wissenschaftlichen Nachweise ist in den Schlussanträgen des Generalanwalts Bobek in der Rechtssache Nelsons (C‑177/15) erörtert worden ( 3 ). Vor diesem Hintergrund schlage ich somit – wie vom Gerichtshof erbeten – vor, die vorliegenden Schlussanträge ausschließlich auf die Frage der Auslegung von Art. 10 Abs. 3 zu beschränken. Zuvor ist der einschlägige rechtliche Rahmen darzustellen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3.

In der Verordnung Nr. 1924/2006 wird im ersten Erwägungsgrund festgestellt, dass „[z]unehmend … Lebensmittel in der Gemeinschaft mit nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben gekennzeichnet [werden] und … mit diesen Angaben für sie Werbung gemacht [wird]. Um dem Verbraucher ein hohes Schutzniveau zu gewährleisten und ihm die Wahl zu erleichtern, sollten die im Handel befindlichen Produkte … sicher sein und eine angemessene Kennzeichnung aufweisen.“

4.

Weiterhin wird im 16. Erwägungsgrund festgestellt, dass „[e]s … wichtig [ist], dass Angaben über Lebensmittel vom Verbraucher verstanden werden können und es … angezeigt [ist], alle Verbraucher vor irreführenden Angaben zu schützen. Der Gerichtshof der Europäischen [Union] hat es allerdings in seiner Rechtsprechung in Fällen im Zusammenhang mit Werbung seit dem Erlass der Richtlinie 84/450/EWG des Rates vom 10. September 1984 über irreführende und vergleichende Werbung für erforderlich gehalten, die Auswirkungen auf einen fiktiven typischen Verbraucher zu prüfen. Entsprechend dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und im Interesse der wirksamen Anwendung der darin vorgesehenen Schutzmaßnahmen nimmt diese Verordnung den normal informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher unter Berücksichtigung sozialer, kultureller und sprachlicher Faktoren nach der Auslegung des Gerichtshofs als Maßstab, zielt mit ihren Bestimmungen jedoch darauf ab, die Ausnutzung von Verbrauchern zu vermeiden, die aufgrund bestimmter Charakteristika besonders anfällig für irreführende Angaben sind.“

5.

Nach dem 23. Erwägungsgrund „[sollten g]esundheitsbezogene Angaben … für die Verwendung in der Gemeinschaft nur nach einer wissenschaftlichen Bewertung auf höchstmöglichem Niveau zugelassen werden. Damit eine einheitliche wissenschaftliche Bewertung dieser Angaben gewährleistet ist, sollte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit solche Bewertungen vornehmen.“

6.

Nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 bedeutet Angabe „jede Aussage oder Darstellung, die nach dem Gemeinschaftsrecht oder den nationalen Vorschriften nicht obligatorisch ist, einschließlich Darstellungen durch Bilder, grafische Elemente oder Symbole in jeder Form, und mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Lebensmittel besondere Eigenschaften besitzt“.

7.

Nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 bedeutet ferner gesundheitsbezogene Angabe „jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht“.

8.

Nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. a „[ist d]ie Verwendung nährwert- und gesundheitsbezogener Angaben … nur zulässig, wenn die nachstehenden Bedingungen erfüllt sind: a) Es ist anhand allgemein anerkannter wissenschaftlicher Nachweise nachgewiesen, dass das Vorhandensein, das Fehlen oder der verringerte Gehalt des Nährstoffs oder der anderen Substanz, auf die sich die Angabe bezieht, in einem Lebensmittel oder einer Kategorie von Lebensmitteln eine positive ernährungsbezogene Wirkung oder physiologische Wirkung hat.“

9.

Nach Art. 6 Abs. 1 „[müssen n]ährwert- und gesundheitsbezogene Angaben … sich auf allgemein anerkannte wissenschaftliche Nachweise stützen und durch diese abgesichert sein“.

10.

Nach Art. 10 Abs. 1 „[sind g]esundheitsbezogene Angaben … verboten, sofern sie nicht den allgemeinen Anforderungen in Kapitel II und den speziellen Anforderungen im vorliegenden Kapitel entsprechen, gemäß dieser Verordnung zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß den Artikeln 13 und 14 aufgenommen sind“.

11.

Nach Art. 10 Abs. 3 „[sind] Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden … nur zulässig, wenn ihnen eine in einer der Listen nach Artikel 13 oder 14 enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist“.

12.

Nach Art. 13 Abs. 1 „[dürfen i]n der in Absatz 3 vorgesehenen Liste genannte gesundheitsbezogene Angaben, die a) die Bedeutung eines Nährstoffs oder einer anderen Substanz für Wachstum, Entwicklung und Körperfunktionen, b) die psychischen Funktionen oder Verhaltensfunktionen oder … beschreiben oder darauf verweisen, … gemacht werden, ohne den Verfahren der Artikel 15 bis 19 zu unterliegen, wenn sie i) sich auf allgemein anerkannte wissenschaftliche Nachweise stützen und ii) vom durchschnittlichen Verbraucher richtig verstanden werden“.

13.

Nach Art. 13 Abs. 3 verabschiedet die Kommission „[n]ach Anhörung der [Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit] … nach dem in Artikel 25 Absatz 3 genannten Regelungsverfahren mit Kontrolle … als Änderung nicht wesentlicher Bestimmungen dieser Verordnung durch Ergänzung eine Gemeinschaftsliste zulässiger Angaben gemäß Absatz 1 sowie alle für die Verwendung dieser Angaben notwendigen Bedingungen“.

14.

Nach Art. 1 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 432/2012 ( 4 )„[ist d]ie Liste der zulässigen gesundheitsbezogenen Angaben gemäß Artikel 13 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, die über Lebensmittel gemacht werden dürfen, … im Anhang dieser Verordnung festgelegt. Die in Absatz 1 genannten gesundheitsbezogenen Angaben dürfen gemäß den im Anhang aufgeführten Bedingungen über Lebensmittel gemacht werden.“

15.

Im Anhang wird Vitamin B in den Formen B6 und B12 aufgeführt, für die beide u. a. die Angabe gemacht werden darf, dass es „zu einem normalen Energiestoffwechsel bei[trägt]“, sowie Zink, für das u. a. die Angabe gemacht werden darf, dass es „zu einer normalen kognitiven Funktion bei[trägt]“.

16.

Der Anhang regelt ferner, dass die jeweiligen Angaben nur für Lebensmittel zulässig sind, die die Mindestanforderungen an eine Vitamin‑B6‑, ‑B12- bzw. Zink-Quelle gemäß der im Anhang der Verordnung Nr. 1924/2006 aufgeführten Angabe „[Name des Vitamins/der Vitamine] und/oder [Name des Mineralstoffs/der Mineralstoffe]-Quelle“ erfüllen.

17.

Unter dieser Überschrift sieht der Anhang der Verordnung Nr. 1924/2006 vor, dass „[d]ie Angabe, ein Lebensmittel sei eine Vitaminquelle oder Mineralstoffquelle, sowie jegliche Angabe, die für den Verbraucher voraussichtlich dieselbe Bedeutung hat, … nur zulässig [ist], wenn das Produkt mindestens eine gemäß dem Anhang der Richtlinie 90/496/EWG signifikante Menge oder eine Menge enthält, die den gemäß Artikel 6 der Verordnung (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Zusatz von Vitaminen und Mineralstoffen sowie bestimmten anderen Stoffen zu Lebensmitteln zugelassenen Abweichungen entspricht“.

18.

Schließlich sind mit dem Durchführungsbeschluss 2013/63 ( 5 ) Leitlinien zur Umsetzung der in Art. 10 der Verordnung Nr. 1924/2006 dargelegten speziellen Bedingungen für gesundheitsbezogene Angaben angenommen worden (im Folgenden: Leitlinien).

19.

Nach Abschnitt 3 Abs. 1 der Leitlinien „[dürfen g]emäß Artikel 10 Absatz 3 … einfache, werbewirksame Aussagen über die allgemeinen, nichtspezifischen Vorteile eines Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden ohne vorherige Zulassung, aber unter Einhaltung spezifischer Anforderungen gemacht werden. Solche Angaben könnten nützlich für den Verbraucher sein, da sie eine verbraucherfreundlichere Botschaft vermitteln. Sie könnten vom Verbraucher jedoch leicht missverstanden und/oder falsch ausgelegt werden und möglicherweise dazu führen, dass er glaubt, das Lebensmittel bringe weitere/bessere Vorteile für die Gesundheit mit sich, als dies tatsächlich der Fall ist. Aus diesem Grund darf nur dann auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile für die Gesundheit verwiesen werden, wenn einem solchen Verweis eine spezielle gesundheitsbezogene Angabe aus den Listen der zulässigen gesundheitsbezogenen Angaben im EU-Register beigefügt ist. Für die Zwecke der Verordnung sollte die dem Verweis auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile für die Gesundheit beigefügte zugelassene spezielle gesundheitsbezogene Angabe neben oder unter diesem Verweis angebracht werden.“

20.

Weiter sollten nach Abschnitt 3 Abs. 2 „[d]ie speziellen Angaben aus den Listen der zulässigen gesundheitsbezogenen Angaben … einen gewissen Bezug zu dem Verweis auf die allgemeinen Vorteile haben. Je breiter dieser Verweis ausgelegt wird, z. B. ‚für eine gute Gesundheit‘, desto mehr gesundheitsbezogene Angaben aus den Listen der zulässigen gesundheitsbezogenen Angaben könnten als begleitende Angaben zum Verweis in Frage kommen. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass Artikel 10 den Rahmen für die Verwendung gesundheitsbezogener Angaben vorgibt, und da Artikel 10 ausdrücklich auf die Vorschriften von Kapitel II und IV Bezug nimmt, sollten diese Vorschriften ebenfalls eingehalten werden, wenn Unternehmer den Anforderungen gemäß Artikel 10 Absatz 3 genügen möchten. Damit die Verbraucher nicht in die Irre geleitet werden, sind die Lebensmittelunternehmer dazu verpflichtet, den Zusammenhang zwischen dem Verweis auf die allgemeinen, nichtspezifischen Vorteile des Lebensmittels und der beigefügten speziellen zulässigen gesundheitsbezogenen Angabe herzustellen.“

21.

Nach Abschnitt 3 Abs. 3 schließlich „[wurden b]ei der wissenschaftlichen Bewertung der zum Zweck der Zulassung vorgelegten Angaben … einige Angaben als zu allgemein bzw. zu nichtspezifisch für eine Bewertung eingestuft. Diese Angaben konnten nicht zugelassen werden und werden daher im EU‑Register der nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben in der Liste der nicht zugelassenen Angaben geführt. Dies schließt nicht aus, dass auf die betreffenden Angaben die Bestimmungen des Artikels 10 Absatz 3 angewandt werden können, wodurch sie rechtmäßig verwendet werden dürfen, wenn ihnen gemäß dem genannten Artikel eine spezielle Angabe aus der Liste der zulässigen gesundheitsbezogenen Angaben beigefügt ist.“

22.

Das EU-Register der nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben wird von der Europäischen Kommission veröffentlicht ( 6 ). Es enthält 40 nicht zugelassene Angaben über Vitamin B, davon fünf über Vitamin B2 und sechs über Vitamin B12 sowie sieben nicht zugelassene Angaben über Zink. Zu den nicht zugelassenen Angaben zählt offenbar keine derjenigen Angaben, die in der vorliegenden Rechtssache gemacht wurden.

Nationales Recht

23.

Nach § 3 Abs. 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) ( 7 ) sind „[u]nlautere geschäftliche Handlungen … unzulässig, wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen“.

24.

Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG „[handelt u]nlauter …, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt. Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über folgende Umstände enthält: 1. die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung wie Verfügbarkeit, Art, Ausführung, Vorteile, Risiken, Zusammensetzung, Zubehör, Verfahren oder Zeitpunkt der Herstellung, Lieferung oder Erbringung, Zwecktauglichkeit, Verwendungsmöglichkeit, Menge, Beschaffenheit, Kundendienst und Beschwerdeverfahren, geographische oder betriebliche Herkunft, von der Verwendung zu erwartende Ergebnisse oder die Ergebnisse oder wesentlichen Bestandteile von Tests der Waren oder Dienstleistungen“.

25.

Nach § 11 Abs. 1 des Lebensmittel‑, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuchs (LFGB) ( 8 ) ist es „verboten, Lebensmittel unter irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung in den Verkehr zu bringen oder für Lebensmittel allgemein oder im Einzelfall mit irreführenden Darstellungen oder sonstigen Aussagen zu werben. Eine Irreführung liegt insbesondere dann vor, wenn 1. bei einem Lebensmittel zur Täuschung geeignete Bezeichnungen, Angaben, Aufmachungen, Darstellungen oder sonstige Aussagen über Eigenschaften, insbesondere über Art, Beschaffenheit, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprung, Herkunft oder Art der Herstellung oder Gewinnung verwendet werden“.

Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefragen

26.

Die Dr. Willmar Schwabe GmbH & Co. KG (im Folgenden: Klägerin) stellt her und vertreibt pflanzliche Arzneimittel mit Ginkgoblätter-Extrakt, die zur symptomatischen Behandlung von hirnorganisch bedingten mentalen Leistungseinbußen zugelassen sind, wozu insbesondere Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen gehören.

27.

Die Queisser Pharma GmbH & Co. KG (im Folgenden: Beklagte) vertreibt das Nahrungsergänzungsmittel „Doppelherz aktiv Ginkgo + B‑Vitamine + Cholin“, das aus insgesamt acht Inhaltsstoffen besteht, darunter Cholin, Zink, Ginkgoblätter-Extrakt und die Vitamine B1 (Thiamin), B2, B5 (Pantothensäure) und B12.

28.

Auf der Vorderseite der Umverpackung befindet sich die Angabe „B‑Vitamine und Zink für Gehirn, Nerven, Konzentration und Gedächtnis“.

29.

Auf der Rückseite der Umverpackung befinden sich verschiedene Angaben, u. a. die folgenden über B‑Vitamine und Zink für Gehirn, Nerven, Konzentration und Gedächtnis:

„Vitamin B1 und Vitamin B12 tragen zum normalen Energiestoffwechsel und zur normalen Nervenfunktion bei und leisten einen Beitrag zur normalen Funktion der Psyche.

Vitamin B2 spielt wie Vitamin B1 eine Rolle im normalen Energiestoffwechsel und für die normale Nervenfunktion. Darüber hinaus trägt es dazu bei, die Zellen vor oxidativem Stress zu schützen.

Das Spurenelement Zink leistet einen Beitrag zur normalen kognitiven Funktion und trägt dazu bei, die Zellen vor oxidativem Stress zu schützen.“

30.

Auf der Rückseite der Verpackung befinden sich auch weitere Angaben über B‑Vitamine mit anderem Bezug als zu Gehirn, Nerven, Konzentration und Gedächtnis sowie weitere Angaben über sonstige Inhaltsstoffe.

31.

Die Klägerin hat beim Landgericht Düsseldorf (Deutschland) Klage mit der Begründung erhoben, dass die Angabe auf der Vorderseite der Umverpackung gegen die Bestimmungen gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. a, Art. 6 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1924/2006 sowie § 5 Abs. 1 UWG und § 11 Abs. 1 LFGB verstoße. Das Landgericht Düsseldorf hat die Klage mit Urteil vom 28. August 2014 abgewiesen.

32.

Die Berufung der Klägerin ist mit Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf (Deutschland) vom 30. Juni 2016 mit der Begründung abgewiesen worden, dass die Angabe auf der Vorderseite der Umverpackung weder gegen Art. 10 Abs. 1 noch gegen Art. 10 Abs. 3 der Verordnung verstoße.

33.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf stellte fest, dass die Angabe eine allgemeine, nichtspezifische gesundheitsbezogene Angabe darstelle, der spezielle gesundheitsbezogene Angaben auf der Rückseite der Umverpackung, insbesondere über Vitamin B1, B5 und B12 sowie Zink, beigefügt seien. Außerdem sehe Art. 10 Abs. 3 der Verordnung keine besonderen Anforderungen dahin vor, in welcher Art und Weise spezielle Angaben einer allgemeinen Angabe beigefügt sein müssten.

34.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf stellte weiterhin fest, dass die Angabe auf der Vorderseite der Umverpackung, wenn sie als spezielle gesundheitsbezogene Angabe anzusehen wäre, den Anforderungen nach Art. 10 Abs. 1 entsprechen würde, da für die einzelnen speziellen Angaben auf der Rückseite der Umverpackung Nachweise erbracht worden wären. Es könne jedoch nur eine Angabe, die sich auf spezielle Funktionen des Organismus beziehe, als spezielle gesundheitsbezogene Angabe angesehen werden, was hier nicht der Fall sei.

35.

Bezüglich des geltend gemachten Verstoßes gegen § 5 Abs. 1 UWG und § 11 Abs. 1 LFGB stellte das Oberlandesgericht Düsseldorf fest, dass angesichts seiner Feststellungen in Bezug auf die Verordnung auf diese Bestimmungen nicht mehr eingegangen werden müsse.

36.

Die Klägerin hat Revision beim vorlegenden Gericht, dem Bundesgerichtshof (Deutschland), eingelegt. Das vorlegende Gericht hat die Auslegung von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung durch das Oberlandesgericht Düsseldorf allgemein bestätigt, wobei eine Prüfung des Art. 10 Abs. 1 nicht erforderlich sei.

37.

Die Art und Weise, in der spezielle Angaben einer allgemeinen Angabe beigefügt sein müssten, werfe jedoch Fragen nach der Auslegung der Verordnung auf, insbesondere angesichts dessen, dass verschiedene Sprachfassungen sowie die bisherige Rechtsprechung des vorlegenden Gerichts zwischen den allgemeinen und den speziellen Angaben offenbar einen unmittelbaren Zusammenhang voraussetzten, der beispielsweise durch einen Sternchenhinweis hergestellt werden könne, durch den der Leser von der einen auf die andere Angabe verwiesen werde.

38.

Außerdem komme es für die vorliegende Rechtssache auch darauf an, ob einer allgemeinen gesundheitsbezogenen Angabe nicht nur spezielle gesundheitsbezogene Angaben beigefügt sein müssten, sondern sie sich auch selbst auf wissenschaftliche Nachweise stützen müsse, auch wenn solche allgemeinen gesundheitsbezogenen Angaben nach Art. 10 Abs. 3 von den Zulassungsverfahren der Verordnung ausgenommen seien.

39.

Vor diesem Hintergrund hat das vorlegende Gericht folgende Fragen vorgelegt:

1.

Sind einem Verweis auf allgemeine, nichtspezifische gesundheitsbezogene Vorteile spezielle gesundheitsbezogene Angaben gemäß einer der Listen nach Art. 13 oder Art. 14 der Verordnung Nr. 1924/2006 bereits dann „beigefügt“ im Sinne von Art. 10 Abs. 3 dieser Verordnung, wenn sich der Verweis auf der Vorderseite und die zugelassenen Angaben auf der Rückseite einer Umverpackung befinden und nach der Verkehrsauffassung die Angaben zwar inhaltlich eindeutig auf den Verweis bezogen sind, der Verweis aber keinen eindeutigen Hinweis wie etwa einen Sternchenhinweis auf die rückseitigen Angaben enthält?

2.

Müssen auch bei Verweisen auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile im Sinne des Art. 10 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1924/2006 Nachweise im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und Art. 6 Abs. 1 dieser Verordnung vorliegen?

40.

Schriftliche Erklärungen sind von der Klägerin, der Beklagten und der Kommission eingereicht worden; diese Beteiligten haben auch in der mündlichen Verhandlung vorgetragen.

Würdigung

Einleitung

41.

Die Klägerin trägt vor, dass die Fragen des vorlegenden Gerichts sich auf die Auslegung von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung konzentrierten, der Gerichtshof jedoch auch auf die Auslegung von Art. 10 Abs. 1 einzugehen habe.

42.

Die Kommission hat ebenfalls vorgeschlagen, dass der Gerichtshof dazu Stellung nehmen sollte, ob allgemeine gesundheitsbezogene Angaben, die sich auf die Wirkung verschiedener Inhaltsstoffe in Verbindung miteinander bezögen, einer Zulassung nach der Verordnung bedürften.

43.

Als Ausgangspunkt ist zunächst auf die ständige Rechtsprechung hinzuweisen, wonach angesichts dessen, dass nach Art. 267 AEUV „die Befugnis, den Wortlaut der zu stellenden Fragen festzulegen, ausschließlich dem innerstaatlichen Gericht verliehen ist, … die Parteien die Fassung der Fragen nicht ändern [können]“ ( 9 ).

44.

Aus der ständigen Rechtsprechung ergibt sich allerdings auch, dass der Gerichtshof auf weitere Fragen eingehen kann, wenn dies seiner Ansicht nach für das vorlegende Gericht sachdienlich ist ( 10 ).

45.

In der vorliegenden Rechtssache ist zur Beantwortung der ersten Frage des vorlegenden Gerichts meines Erachtens zunächst auf die Unterscheidung zwischen allgemeinen und speziellen Angaben einzugehen, auch wenn das nationale Gericht diese Frage nicht ausdrücklich stellt.

46.

Die Frage der Wirkung allgemeiner gesundheitsbezogener Angaben zu verschiedenen Inhaltsstoffen in Verbindung miteinander dürfte mit der zweiten Frage des vorlegenden Gerichts im Zusammenhang stehen. Wie bereits angeführt, hat der Gerichtshof darum gebeten, die vorliegenden Schlussanträge auf die erste Frage zu beschränken.

Frage 1

47.

Im Rahmen der ersten Frage geht es im Wesentlichen darum, in welcher Art und Weise allgemeinen gesundheitsbezogenen Angaben spezielle gesundheitsbezogene Angaben beigefügt sein müssen; wie bereits erwähnt, ist meines Erachtens jedoch zunächst festzustellen, nach welchen Kriterien zwischen allgemeinen und speziellen gesundheitsbezogenen Angaben zu unterscheiden ist.

Spezielle und allgemeine gesundheitsbezogene Angaben

48.

In Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung Nr. 1924/2006, wo gesundheitsbezogene Angaben definiert sind, ist keine Unterscheidung zwischen speziellen und allgemeinen Angaben vorgesehen. Ebenso wenig unterschieden wird in Art. 5 Abs. 1, wonach für gesundheitsbezogene Angaben wissenschaftliche Nachweise erforderlich sind, und in Art. 10 Abs. 1, wonach für gesundheitsbezogene Angaben eine im Anhang der Verordnung Nr. 432/2012 der Kommission genannte zugelassene Formulierung verwendet werden muss.

49.

Die Verwendung allgemeiner gesundheitsbezogener Angaben ist jedoch in Art. 10 Abs. 3 ausdrücklich vorgesehen, der sie darüber hinaus als „nichtspezifisch“ bezeichnet und verlangt, dass ihnen „spezielle“ gesundheitsbezogene Angaben beizufügen sind. Vor diesem Hintergrund wird offenbar klar, dass spezielle und allgemeine Angaben komplementäre Bestandteile gesundheitsbezogener Angaben sind, so dass jede Angabe entweder speziell oder allgemein sein muss.

50.

Hierfür spricht die von Generalanwalt Bobek in der Rechtssache Nelson vertretene Ansicht, dass mit Art. 10 Abs. 3 „nicht eine neue, andere Kategorie von auf Produkten erscheinenden Angaben bezeichnet [werden soll], sondern … vielmehr zwei besondere Arten gesundheitsbezogener Angaben – allgemeine und spezielle – anerkannt werden, die eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen“ ( 11 ).

51.

Bestätigt wird dieses Verständnis ferner durch die Leitlinien, die mit dem Durchführungsbeschluss 2013/63 der Kommission zur Annahme von Leitlinien zur Umsetzung der in Artikel 10 der Verordnung Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates dargelegten speziellen Bedingungen für gesundheitsbezogene Angaben festgelegt worden sind, nach deren Nr. 3 Abs. 3 „bei der wissenschaftlichen Bewertung der zum Zweck der Zulassung vorgelegten Angaben … einige Angaben als zu allgemein bzw. zu nichtspezifisch für eine Bewertung eingestuft [wurden]“. Nach dieser Bestimmung ist weiterhin bei diesen Angaben „nicht aus[geschlossen], dass auf die betreffenden Angaben die Bestimmungen des Artikels 10 Absatz 3 angewandt werden können, wodurch sie rechtmäßig verwendet werden dürfen, wenn ihnen gemäß dem genannten Artikel eine spezielle Angabe aus der Liste der zulässigen gesundheitsbezogenen Angaben beigefügt ist“.

52.

Damit stellt sich die Frage, ob es sachdienlich wäre, Definitionskriterien für eine Unterscheidung zwischen speziellen und allgemeinen gesundheitsbezogenen Angaben aufzustellen. Die „Rechtmäßigkeit“ spezieller gesundheitsbezogener Angaben setzt voraus, dass sie „zugelassen“ und ihre Formulierungen auf einer veröffentlichten Liste aufgeführt sind. Eine als zu allgemein befundene gesundheitsbezogene Angabe wird von der Zulassung ausgeschlossen, kann jedoch gleichwohl als eine allgemeine gesundheitsbezogene Angabe verwendet werden, wenn ihr eine rechtmäßige spezielle Angabe beigefügt ist.

53.

Demnach sind für die praktische Anwendung der Verordnung Nr. 1924/2006 insoweit offenbar nur zwei Fragen zu prüfen. Die erste ist, ob es sich bei der gesundheitsbezogenen Angabe um eine rechtmäßige spezielle Angabe handelt, die auf der Liste der zugelassenen Angaben steht, und sofern dies nicht der Fall ist, ist die zweite, ob der gesundheitsbezogenen Angabe rechtmäßige spezielle Angaben beigefügt sind, die sie stützen.

54.

Ob es sich bei einer gesundheitsbezogenen Angabe im Einzelfall um eine rechtmäßige spezielle Angabe oder um eine gestützte allgemeine Angabe handelt, ist eine Frage der Beurteilung des nationalen Gerichts anhand des konkreten Sachverhalts. Die Beurteilung spezieller Angaben ist weniger komplex, da sie auf einem Abgleich mit der Liste der zugelassenen Angaben beruht. Die Beurteilung allgemeiner Angaben ist hingegen etwas komplexer, da sie einen Abgleich der allgemeinen Angaben mit den sie mutmaßlich stützenden speziellen Angaben voraussetzt.

55.

Weder der Verordnung noch den von der Kommission erlassenen zusätzlichen Maßnahmen ist zu entnehmen, in welchem Maße diese Stützung gegeben sein muss, wenngleich die Leitlinien in Nr. 3 Abs. 2 in der Tat vorsehen, dass „die Lebensmittelunternehmer dazu verpflichtet [sind], den Zusammenhang zwischen dem Verweis auf die allgemeinen, nichtspezifischen Vorteile des Lebensmittels und der beigefügten speziellen zulässigen gesundheitsbezogenen Angabe herzustellen“.

56.

In der vorliegenden Rechtssache dürfte die allgemeine Angabe zum Teil durch eine zugelassene spezielle Angabe über Zink gestützt sein, wobei die Frage, inwieweit sie durch zugelassene spezielle Angaben über B‑Vitamine gestützt ist, eher komplexer erscheint. Wie gerade erwähnt, ist es jedoch Sache des nationalen Gerichts, dies anhand des konkreten Sachverhalts und gegebenenfalls einschlägiger wissenschaftlicher oder sonstiger Nachweise zu beurteilen, auf die die Beteiligten möglicherweise verweisen.

Angaben, denen weitere Angaben beigefügt sind

57.

Die Beklagte spricht sich für eine weite Auslegung des Begriffs „beifügen“ aus, da davon auszugehen sei, dass ein Verbraucher auch die Rückseite einer Verpackung lese, während die Klägerin und die Kommission sich für eine enge Auslegung des Begriffs „beifügen“ aussprechen, da Art. 10 Abs. 3 eine Ausnahme von der Hauptregel in Art. 10 Abs. 1 bilde, wonach gesundheitsbezogene Angaben einer Zulassung bedürften. Sie bringen weiter vor, dass in der vorliegenden Rechtssache die mutmaßlich stützenden speziellen gesundheitsbezogenen Angaben in eine längere Aufzählung verschiedener Angaben gemischt seien, wodurch die Feststellung erschwert werde, welche Angaben die allgemeine gesundheitsbezogene Angabe stützen sollten.

58.

Nach Nr. 3 Abs. 1 der Leitlinien „[sollte f]ür die Zwecke der Verordnung … die dem Verweis auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile für die Gesundheit beigefügte zugelassene spezielle gesundheitsbezogene Angabe neben oder unter diesem Verweis angebracht werden“ ( 12 ).

59.

Der Wortlaut der Leitlinien („neben“ oder „unter“) deutet auf den ersten Blick darauf hin, dass die spezielle gesundheitsbezogene Angabe in unmittelbarer Nähe der allgemeinen gesundheitsbezogenen Angabe stehen muss, um im Sinne von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung „beigefügt“ zu sein. Auch wenn Art. 10 Abs. 4 vorsieht, dass Leitlinien erlassen werden können, damit im Einklang mit dem zweiten Erwägungsgrund des Durchführungsbeschlusses 2013/63 der Kommission „die genannten Bestimmungen einheitlich angewandt werden“ und „die Unternehmer sich auf mehr Klarheit und Rechtssicherheit stützen können“, versteht sich von selbst, dass in einer auf die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit gründenden Union der eigentliche Wortlaut von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung durch Leitlinien wie die vorliegenden nicht geändert oder anderweitig erweitert werden kann.

60.

Folglich ist über die Frage daher ausschließlich anhand des eigentlichen Wortlauts von Art. 10 Abs. 3 zu entscheiden. So schmal und fein die Unterscheidung auch sein mag, das Wort „beifügen“ ist gleichwohl etwas weiter und weitreichender als die in den Leitlinien verwendeten Wörter „neben“ oder „unter“. So könnte man im alltäglichen Sprachgebrauch beispielsweise von einem Brief sprechen, der einem Geschenk „beigefügt“ ist, auch wenn vielleicht der Brief in einem verschlossenen Umschlag und das Geschenk selbst gesondert verpackt ist.

61.

Meines Erachtens deutet die Verwendung des Wortes „beifügen“ in diesem Kontext daher darauf hin, dass es ausreicht, wenn die nach Art. 10 Abs. 3 erforderlichen speziellen gesundheitsbezogenen Angaben anderswo auf der Verpackung gut sichtbar dargestellt sind. Die speziellen gesundheitsbezogenen Angaben müssen nicht neben oder unter oder anderweitig in unmittelbarer Nähe zu den allgemeinen gesundheitsbezogenen Angaben, die in der vorliegenden Rechtssache auf der Vorderseite der Verpackung gemacht werden, platziert sein. Art. 10 Abs. 3 setzt auch nicht voraus, dass die allgemeinen und speziellen gesundheitsbezogenen Angaben in irgendeiner Weise miteinander verbunden sein müssen, etwa durch einen Sternchenhinweis. Es reicht vielmehr aus, wenn die speziellen gesundheitsbezogenen Angaben so deutlich sichtbar sind, dass sie für den Verbraucher erkennbar und lesbar sind.

62.

Sollte die Ansicht vertreten werden, dass Art. 10 Abs. 3 in dieser Auslegung durch die Rechtsprechung mangelhaft sei oder die Verbraucherinteressen nicht hinreichend schütze, steht es dem Unionsgesetzgeber selbstverständlich frei, diesen Mangel zu beheben. Nach derzeitigem Rechtsstand ist jedoch anzuerkennen, dass nach allgemeinem Sprachgebrauch bei einer Aussage auf der Rückseite einer Verpackung davon ausgegangen werden kann, dass sie einer Aussage auf der Vorderseite dieser Verpackung „beigefügt“ ist.

63.

Diese Ansicht wird durch das Urteil Neptune (C‑157/14) ( 13 ) gestützt, in dem der Gerichtshof bestätigte, dass „der Unionsgesetzgeber es mit der Annahme der Bestimmungen der Verordnung Nr. 1924/2006 und der Richtlinie 2009/54 für erforderlich erachtet hat, eine angemessene und transparente Information der Verbraucher … zu gewährleisten“.

64.

Ferner ergibt sich nach dem Urteil Teekanne (C‑195/14) ( 14 )„aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass Verbraucher, die sich in ihrer Kaufentscheidung nach der Zusammensetzung des Erzeugnisses richten, zunächst das Verzeichnis der Zutaten lesen“.

65.

Die in dieser Rechtsprechung herangezogenen Kriterien lassen sich meines Erachtens auf die vorliegende Rechtssache in dem Sinne entsprechend übertragen, dass davon ausgegangen werden kann, dass ein Verbraucher, der eine allgemeine gesundheitsbezogene Angabe auf der Vorderseite der Verpackung eines Lebensmittelerzeugnisses liest, auch die weiteren Informationen zur Kenntnis nimmt, die auf der Rückseite der Verpackung angegeben sind; zu diesen kann neben einem Verzeichnis der Zutaten auch eine Reihe spezieller gesundheitsbezogener Angaben gehören, die die allgemeine gesundheitsbezogene Angabe stützen sollen.

66.

Es kann somit meines Erachtens nicht allgemein verlangt werden, dass ein spezifisches, einen Zusammenhang herstellendes Instrument, wie etwa ein Sternchenhinweis, verwendet werden müsste, um die Aufmerksamkeit des Verbrauchers von der Vorder- auf die Rückseite der Verpackung zu lenken. Die Lage wird jedoch komplexer, soweit die Information auf der Rückseite der Verpackung ein Gemisch von Aussagen enthält, von denen lediglich einige die allgemeine gesundheitsbezogene Angabe auf der Vorderseite der Verpackung stützen sollen, wie von der Klägerin und der Kommission angeführt wird.

67.

Ob eine allgemeine gesundheitsbezogene Angabe tatsächlich durch eine spezielle gesundheitsbezogene Angabe in einer Art und Weise gestützt wird, die für den Verbraucher hinreichend eindeutig ist, ist eine Frage der Beurteilung des nationalen Gerichts anhand des konkreten Sachverhalts.

68.

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof im Urteil Teekanne (C‑195/14) ( 15 ) hervorgehoben hat, dass „[d]as nationale Gericht … hauptsächlich auf die mutmaßliche Erwartung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abstellen [muss]“.

69.

Im Übrigen sei in der vorliegenden Rechtssache darauf hingewiesen, dass ein zusätzliches Problem darin liegen könnte, dass verschiedene Aussagen auf der Rückseite der Verpackung über Vitamin B offenbar nicht der Liste der zugelassenen speziellen gesundheitsbezogenen Angaben entsprechen. Dies zu beurteilen, ist jedoch wiederum Sache des nationalen Gerichts.

Frage 2

70.

Wie oben erwähnt, beschränken sich die vorliegenden Schlussanträge auf die Erörterung der ersten Frage.

71.

In der Rechtssache Nelsons (C‑177/15) ( 16 ) vertrat Generalanwalt Bobek die Ansicht, dass „es nicht erforderlich ist, unmittelbare wissenschaftliche Nachweise für allgemeine gesundheitsbezogene Angaben zu erbringen. Stattdessen müssen diesen Angaben spezielle gesundheitsbezogene Angaben beigefügt sein, die durch solche Nachweise belegt sind. Infolgedessen werden für die allgemeine Angabe mittelbare Nachweise erbracht.“

72.

Dieser Ansicht würde ich mich anschließen.

Ergebnis

73.

Ich schlage dem Gerichtshof vor, die erste vom Bundesgerichtshof (Deutschland) zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage wie folgt zu beantworten:

1.

Art. 10 Abs. 1 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel ist dahin auszulegen, dass unter dem Begriff „spezielle gesundheitsbezogene Angaben“ Angaben zu verstehen sind, die nach der Verordnung zugelassen worden sind, während unter dem Begriff „allgemeine gesundheitsbezogene Angaben“ Angaben zu verstehen sind, denen spezielle gesundheitsbezogene Angaben beigefügt sein können.

2.

Art. 10 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1924/2006 ist dahin auszulegen, dass für die Beurteilung, ob allgemeinen gesundheitsbezogenen Angaben spezielle gesundheitsbezogene Angaben beigefügt sind, erstens zu prüfen ist, ob die speziellen gesundheitsbezogenen Angaben zugelassen sind, zweitens, ob die speziellen gesundheitsbezogenen Angaben die allgemeinen gesundheitsbezogenen Angaben stützen, und drittens, ob der Zusammenhang, in dem die allgemeinen und die speziellen Angaben zueinander stehen, für einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher erkennbar ist.

3.

Es ist davon auszugehen, dass die Platzierung allgemeiner gesundheitsbezogener Angaben auf der Vorderseite und die Platzierung spezieller gesundheitsbezogener Angaben auf der Rückseite der Verpackung ausreicht, um einen Zusammenhang zwischen den Angaben in der Weise herzustellen, dass angenommen werden kann, dass die spezielle gesundheitsbezogene Angabe der allgemeinen gesundheitsbezogenen Angabe „beigefügt“ ist im Sinne von Art. 10 Abs. 3. Es ist jedoch vom nationalen Gericht zu beurteilen, ob aufgrund der Platzierung sonstiger Informationen auf der Verpackung der Zusammenhang für einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher nicht mehr hinreichend eindeutig erkennbar sein könnte.


( 1 ) Originalsprache: Englisch.

( 2 ) Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (ABl. 2006, L 404, S. 9), zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) 2019/343 vom 28. Februar 2019. Auf den Sachverhalt der vorliegenden Rechtssache findet die am 13. Dezember 2014 als Dokument 02006R1924‑20141213 veröffentlichte konsolidierte Fassung der Verordnung Anwendung.

( 3 ) EU:C:2016:474. Der Gerichtshof hatte im Urteil vom 23. November 2016, Nelsons (C‑177/15, EU:C:2016:888), keinen Anlass, auf die Frage einzugehen.

( 4 ) Verordnung (EU) Nr. 432/2012 der Kommission vom 16. Mai 2012 zur Festlegung einer Liste zulässiger anderer gesundheitsbezogener Angaben über Lebensmittel als Angaben über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos sowie die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern (ABl. 2012, L 136, S. 1), zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) 2017/1407 der Kommission. Auf den Sachverhalt der vorliegenden Rechtssache findet die am 13. Mai 2014 als Dokument 02012R0432‑20140513 veröffentlichte konsolidierte Fassung der Verordnung Anwendung.

( 5 ) Durchführungsbeschluss 2013/63/EU der Kommission vom 24. Januar 2013 zur Annahme von Leitlinien zur Umsetzung der in Artikel 10 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates dargelegten speziellen Bedingungen für gesundheitsbezogene Angaben (ABl. 2013, L 22, S. 25).

( 6 ) Vgl. http://ec.europa.eu/food/safety/labelling_nutrition/claims/register/public/.

( 7 ) In der auf den Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung.

( 8 ) In der auf den Fall des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung.

( 9 ) Urteil vom 6. März 2003, Kaba (C‑466/00, EU:C:2003:127, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 10 ) Vgl. Urteil vom 17. Dezember 2015, Neptune Distribution (C‑157/14, EU:C:2015:823, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung), sowie Urteil vom 7. August 2018, Smith (C‑122/17, EU:C:2018:631, Rn. 34).

( 11 ) Schlussanträge des Generalanwalts Bobek in der Rechtssache Nelsons (C‑177/15, EU:C:2016:474, Nr. 56).

( 12 ) [Betrifft nicht die deutsche Sprachfassung der vorliegenden Schlussanträge.]

( 13 ) Urteil vom 17. Dezember 2015 (EU:C:2015:823, Rn. 51).

( 14 ) Urteil vom 4. Juni 2015 (EU:C:2015:361, Rn. 37).

( 15 ) Urteil vom 4. Juni 2015 (EU:C:2015:361, Rn. 36).

( 16 ) Schlussanträge des Generalanwalts Bobek in der Rechtssache Nelsons (C‑177/15, EU:C:2016:474, Nr. 71).