SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

HENRIK SAUGMANDSGAARD ØE

vom 30. Januar 2020 ( 1 )

Rechtssache C‑452/18

XZ

gegen

Ibercaja Banco SA

(Vorabentscheidungsersuchen des Juzgado de Primera Instancia e Instrucción no 3 de Teruel (Untersuchungsgericht erster Instanz Nr. 3 von Teruel, Spanien])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen – Richtlinie 93/13/EWG – Hypothekarkreditvertrag – Klausel zur Beschränkung der Variabilität des Zinssatzes (Mindestzinssatzklausel) – Transparenzmangel – Missbräuchlichkeit – Abschluss einer Vereinbarung zwischen den Parteien über die Novation der Mindestzinssatzklausel, die Bestätigung der Gültigkeit des Hypothekarkreditvertrags und den wechselseitigen Verzicht auf seine gerichtliche Anfechtung – Vereinbarkeit mit der Richtlinie 93/13 – Voraussetzungen“

I. Einleitung

1.

Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen ist vom Juzgado de Primera Instancia e Instrucción no 3 de Teruel (Untersuchungsgericht erster Instanz Nr. 3 von Teruel, Spanien) im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen XZ und der Ibercaja Banco SA (im Folgenden: Ibercaja) eingereicht worden. Im Wesentlichen waren die Parteien des Ausgangsverfahrens durch einen Hypothekarkreditvertrag mit variablem Zinssatz gebunden. Dieser Vertrag enthielt eine Mindestzinssatzklausel zur Beschränkung der Variabilität des genannten Zinssatzes. Ein Urteil des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien) stellte die Vereinbarkeit einer solchen Klausel mit der spanischen Regelung zur Umsetzung der Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ( 2 ) in Frage. In diesem Kontext schlossen XZ und Ibercaja eine Vereinbarung, über deren rechtliche Einordnung sie streiten und die sich auf die Novation der fraglichen Klausel, die Bestätigung der Gültigkeit des genannten Kreditvertrags und den wechselseitigen Verzicht auf seine gerichtliche Anfechtung bezieht.

2.

Die Fragen des vorlegenden Gerichts an den Gerichtshof beziehen sich auf die Vereinbarkeit einer solchen Vereinbarung mit der Richtlinie 93/13. Sie geben dem Gerichtshof erstmals Gelegenheit, zu entscheiden, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen ein Verbraucher vertraglich auf die Geltendmachung der Missbräuchlichkeit einer bestimmten Klausel im Sinne dieser Richtlinie verzichten kann. Von dieser Frage hängt insbesondere der Umfang der Autonomie ab, über die ein Verbraucher und ein Gewerbetreibender verfügen, wenn es darum geht, eine potenziell missbräuchliche Vertragsklausel zu bestätigen oder zu erneuern oder aber einvernehmliche Regelungen, insbesondere Vergleiche, zu schließen, um ihre diesbezüglichen Streitigkeiten außergerichtlich beizulegen.

3.

In den vorliegenden Schlussanträgen werde ich erläutern, dass die Richtlinie 93/13 einen Verbraucher und einen Gewerbetreibenden grundsätzlich nicht daran hindert, eine Vereinbarung über den Verzicht des Verbrauchers auf die Geltendmachung der Missbräuchlichkeit einer vorbestehenden Klausel zu schließen. Gleichwohl muss eine solche Vereinbarung den Anforderungen dieser Richtlinie, insbesondere dem darin vorgesehenen Transparenzgebot, genügen. Daher werde ich dem Gerichtshof vorschlagen, einen Ansatz zu wählen, der es u. a. ermöglicht, die Gültigkeit „wirklicher“ Vergleichsvereinbarungen, die Verbraucher in voller Kenntnis der Sachlage schließen, zu bewahren und gleichzeitig solche zu missbilligen, die von den Gewerbetreibenden aufgezwungen werden und nur den Anschein einer Vergleichsvereinbarung haben.

II. Rechtlicher Rahmen

A.   Richtlinie 93/13

4.

Art. 3 der Richtlinie 93/13 bestimmt:

„(1)   Eine Vertragsklausel, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde, ist als missbräuchlich anzusehen, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht.

(2)   Eine Vertragsklausel ist immer dann als nicht im Einzelnen ausgehandelt zu betrachten, wenn sie im Voraus abgefasst wurde und der Verbraucher deshalb, insbesondere im Rahmen eines vorformulierten Standardvertrags, keinen Einfluss auf ihren Inhalt nehmen konnte.

Die Tatsache, dass bestimmte Elemente einer Vertragsklausel oder eine einzelne Klausel im Einzelnen ausgehandelt worden sind, schließt die Anwendung dieses Artikels auf den übrigen Vertrag nicht aus, sofern es sich nach der Gesamtwertung dennoch um einen vorformulierten Standardvertrag handelt.

Behauptet ein Gewerbetreibender, dass eine Standardvertragsklausel im Einzelnen ausgehandelt wurde, so obliegt ihm die Beweislast.

(3)   Der Anhang enthält eine als Hinweis dienende und nicht erschöpfende Liste der Klauseln, die für missbräuchlich erklärt werden können.“

5.

Art. 4 dieser Richtlinie sieht vor:

„(1)   Die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel wird unbeschadet des Artikels 7 unter Berücksichtigung der Art der Güter oder Dienstleistungen, die Gegenstand des Vertrages sind, aller den Vertragsabschluss begleitenden Umstände sowie aller anderen Klauseln desselben Vertrages oder eines anderen Vertrages, von dem die Klausel abhängt, zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses beurteilt.

(2)   Die Beurteilung der Missbräuchlichkeit der Klauseln betrifft weder den Hauptgegenstand des Vertrages noch die Angemessenheit zwischen dem Preis bzw. dem Entgelt und den Dienstleistungen bzw. den Gütern, die die Gegenleistung darstellen, sofern diese Klauseln klar und verständlich abgefasst sind.“

6.

In Art. 6 Abs. 1 der genannten Richtlinie heißt es:

„Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind, und legen die Bedingungen hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften fest; sie sehen ferner vor, dass der Vertrag für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend bleibt, wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann.“

7.

Der mit „Klauseln gemäß Artikel 3 Absatz 3“ überschriebene Anhang derselben Richtlinie nennt in seiner Nr. 1 Buchst. q Klauseln, die darauf abzielen oder zur Folge haben, dass „dem Verbraucher die Möglichkeit, Rechtsbehelfe bei Gericht einzulegen oder sonstige Beschwerdemittel zu ergreifen, genommen oder erschwert wird, und zwar insbesondere dadurch, dass er ausschließlich auf ein nicht unter die rechtlichen Bestimmungen fallende[s] Schiedsgerichtsverfahren verwiesen wird, die ihm zur Verfügung stehenden Beweismittel ungebührlich eingeschränkt werden oder ihm die Beweislast auferlegt wird, die nach dem geltenden Recht einer anderen Vertragspartei obläge“.

B.   Spanisches Recht

8.

Die Richtlinie 93/13 ist im Wesentlichen durch die Ley 7/1998 sobre condiciones generales de la contratación (Gesetz 7/1998 über allgemeine Geschäftsbedingungen) vom 13. April 1998, die mit anderen Bestimmungen zur Umsetzung verschiedener EU-Richtlinien im Bereich des Verbraucherschutzes durch das Real Decreto Legislativo 1/2007 por el que se aprueba el texto refundido de la Ley General para la Defensa de los Consumidores y Usuarios y otras leyes complementarias (Königliches Gesetzesdekret 1/2007 zur Billigung der Neufassung des Allgemeinen Gesetzes zum Schutz der Verbraucher und Nutzer mit Nebengesetzen, im Folgenden: Königliches Gesetzesdekret 1/2007) vom 16. November 2001 neu gefasst worden ist, in spanisches Recht umgesetzt worden.

9.

Art. 10 des Königlichen Gesetzesdekrets 1/2007 bestimmt:

„Ein Vorabverzicht auf Rechte, die diese Regelung den Verbrauchern und Nutzern verleiht, ist nichtig, ebenso Umgehungsgeschäfte nach Art. 6 des [spanischen] Zivilgesetzbuchs.“

10.

Art. 83 des Königlichen Gesetzesdekrets 1/2007 sieht in seinem Abs. 1 vor, dass „[m]issbräuchliche Klauseln … nichtig [sind] und … als nicht vereinbart [gelten]“.

III. Ausgangsrechtsstreit, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

11.

Mit öffentlicher Urkunde vom 23. Dezember 2011 erwarb XZ bei einem Bauträger ein Grundstück. Dieses Grundstück war mit einer Hypothek zugunsten der Caja de Ahorros de la Inmaculada de Aragón als Sicherheit für die Rückzahlung eines Darlehens belastet, das diese dem besagten Bauträger nach Maßgabe eines Vertrags vom 23. Juli 2010 bewilligt hatte ( 3 ). Mit dem Erwerb des erwähnten Grundstücks trat XZ in die Rechte des Bauträgers aus diesem Vertrag ein.

12.

Der Hypothekarkreditvertrag sah für das genannte Darlehen einen variablen Zinssatz vor. Eine Vertragsklausel beschränkte diese Variabilität gleichwohl durch die Angabe eines jährlichen Höchstzinssatzes von 9,75 % und eines jährlichen Mindestzinssatzes von 3,25 %.

13.

Am 4. März 2014 schloss Ibercaja, die in die Rechtsposition der Caja de Ahorros de la Inmaculada de Aragón aus dem fraglichen Darlehen nachgerückt war ( 4 ), mit XZ eine mit „Novationsvertrag zur Abänderung des Darlehens“ überschriebene Vereinbarung. Diese Vereinbarung sah insbesondere eine Senkung des Mindestzinssatzes auf 2,35 % vor, die ab der nächsten Rate des Darlehens und bis zu dessen vollständiger Rückzahlung galt. Die genannte Vereinbarung enthielt darüber hinaus eine Klausel, die sich wie folgt las:

„Die Parteien bestätigen die Gültigkeit und die Anwendung des Darlehens, erachten seine Bedingungen für angemessen und verzichten deshalb ausdrücklich und wechselseitig darauf, auf den Abschluss und die Klauseln des Vertrags sowie die bis zum heutigen Tage geleisteten und als konform anerkannten Zahlungen gestützte Ansprüche gegeneinander geltend zu machen.“

14.

Außerdem enthielt dieselbe Vereinbarung einen von XZ verfassten und unterzeichneten handschriftlichen Vermerk, der einem von Ibercaja bereitgestellten Muster folgte und mit der Erstere erklärte:

„Ich bin mir bewusst und verstehe, dass der Zinssatz meines Darlehens niemals unter einen jährlichen nominalen Zinssatz von 2,35 % fallen würde.“

15.

Am 14. Januar 2016 zahlte XZ die letzte Darlehensrate zurück.

16.

Am 1. Februar 2017 erhob die Betroffene vor dem Juzgado de Primera Instancia e Instrucción no 3 de Teruel (Untersuchungsgericht erster Instanz Nr. 3 von Teruel) Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der im Hypothekarkreditvertrag enthaltenen Mindestzinssatzklausel wegen Missbräuchlichkeit und auf Verurteilung von Ibercaja zur Rückerstattung der aufgrund dieser Klausel überzahlten Beträge.

17.

Vor dem erwähnten Gericht stellte Ibercaja in Abrede, dass die genannte Klausel missbräuchlich ist, und wandte sich u. a. mit einem Verweis auf den zwischen ihr und XZ geschlossenen „Novationsvertrag zur Abänderung des Darlehens“ gegen die begehrte Rückerstattung. In diesem Zusammenhang machte XZ geltend, die in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 vorgesehene Regel, wonach missbräuchliche Klauseln „für den Verbraucher unverbindlich sind“, müsse sich auf einen solchen Vertrag erstrecken, so dass dieser – wie auch die besagte Klausel selbst – als nichtig anzusehen sei.

18.

Unter diesen Umständen beschloss der Juzgado de Primera Instancia e Instrucción no 3 de Teruel (Untersuchungsgericht erster Instanz Nr. 3 von Teruel), das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist der Grundsatz, dass nichtige Klauseln unverbindlich sind (Art. 6 der Richtlinie 93/13), auch auf spätere Verträge und Rechtsgeschäfte über diese Klauseln zu erstrecken, wie z. B. den „Novationsvertrag zur Abänderung des Darlehens“?

Lässt sich daraus, dass die vollständige Nichtigkeit bedeutet, dass die betreffende Klausel im rechtlich-wirtschaftlichen Leben des Vertrags niemals existent war, der Schluss ziehen, dass auch die späteren Rechtshandlungen und ihre Wirkungen auf diese Klausel, d. h. der „Novationsvertrag zur Abänderung des Darlehens“, aus der Rechtswirklichkeit verschwinden und daher als nichtexistent und wirkungslos anzusehen sind?

2.

Können Dokumente, die nicht ausgehandelte Klauseln, die möglicherweise die Missbräuchlichkeits- und Transparenzkontrollen nicht bestehen, abändern oder Vergleiche darüber beinhalten, allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von Art. 3 der Richtlinie 93/13 sein, so dass bei ihnen dieselben Nichtigkeitsgründe vorliegen wie bei den abgeänderten oder im Wege des Vergleichs modifizierten Originaldokumenten?

3.

Muss auch der im „Novationsvertrag zur Abänderung des Darlehens“ enthaltene Verzicht auf eine gerichtliche Geltendmachung insoweit nichtig sein, als die Kunden in den von ihnen unterzeichneten Verträgen weder über die Nichtigkeit der Klausel noch über die Höhe ihres Anspruchs auf Rückerstattung der Zinsen, die sie aufgrund der ihnen ursprünglich auferlegten „Mindestzinssatzklauseln“ bezahlt haben, unterrichtet wurden?

Es wird darauf hingewiesen, dass der Kunde auf diese Weise einen Rechtsbehelfsverzicht unterzeichnet, ohne von der Bank darüber unterrichtet worden zu sein, worauf er verzichtet oder was dieser Verzicht finanziell für ihn bedeutet.

4.

Fehlt es – bei einer Prüfung des „Novationsvertrags zur Abänderung des Darlehens“ anhand der Rechtsprechung des Gerichtshofs und von Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 – der eingefügten neuen Mindestzinssatzklausel wiederum an Transparenz, da die Bank die im Urteil des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) vom 9. Mai 2013 festgelegten Transparenzkriterien aufs Neue verletzt und den Kunden über die tatsächlichen finanziellen Kosten dieser Klausel in seinem Hypothekenvertrag nicht so in Kenntnis gesetzt hat, dass ihm der Zinssatz (und die sich daraus ergebende Rate) bekannt war, den (die) er zu zahlen hätte, wenn keine Mindestzinssatzklausel angewandt und der im Hypothekendarlehen vereinbarte Zinssatz ohne Beschränkung nach unten gelten würde?

Hätte somit das Finanzinstitut, als es dem Kunden das als Novation bezeichnete Dokument über die „Mindestzinssatzklauseln“ auferlegte, die in Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 genannten Transparenzkontrollen erfüllen und den Verbraucher über die Höhe der Beträge, um die er durch die Anwendung der „Mindestzinssatzklauseln“ geschädigt worden ist, sowie über den Zinssatz, der gelten würde, wenn es diese Klauseln nicht gäbe, informieren müssen, und liegt, wenn die Bank dies nicht getan hat, bei diesen Dokumenten ebenfalls ein Nichtigkeitsgrund vor?

5.

Kann das Klauselwerk über Rechtsbehelfe in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des „Novationsvertrags zur Abänderung des Darlehens“ aufgrund seines Inhalts im Rahmen von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 in Verbindung mit deren Anhang mit missbräuchlichen Klauseln und konkret mit Nr. 1 Buchst. q dieses Anhangs als missbräuchliche Klausel angesehen werden, weil es das Recht der Verbraucher, die ihnen zustehenden Rechte wahrzunehmen, die nach Unterzeichnung des Vertrags entstehen oder erkennbar werden, beschränkt, wie dies hinsichtlich der Möglichkeit, die vollständige Rückzahlung der gezahlten Zinsen zu verlangen, der Fall war (vgl. Urteil Gutiérrez Naranjo u. a. ( 5 ))?

19.

Die Vorlageentscheidung vom 26. Juni 2018 ist am 11. Juli 2018 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen. Ibercaja, die spanische Regierung und die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Dieselben Parteien und Beteiligten sowie XZ waren in der mündlichen Verhandlung vom 11. September 2019 vertreten.

IV. Würdigung

20.

Hintergrund der vorliegenden Rechtssache ist die Problematik der Mindestzinssatzklauseln, die in Kreditverträgen verwendet werden ( 6 ). Ich rufe kurz in Erinnerung, dass die Praxis, der insbesondere die spanischen Banken in zeitlicher Nähe zur und während der Finanzkrise, die die Weltwirtschaft in den Jahren zwischen 2007 und 2012 erschüttert hat, gefolgt sind, darin bestand, Hypothekardarlehen mit variablem Zinssatz anzubieten, die eine solche Klausel zur Beschränkung der Variabilität dieses Zinssatzes umfassten. Konkret bedeutet die besagte Klausel, dass, falls der genannte Zinssatz unter die darin vorgesehene Mindestschwelle sinkt, der Darlehensnehmer Zinsen zu zahlen hat, die dieser Schwelle entsprechen ( 7 ). In der Praxis haben die Mindestzinssatzklauseln daher dazu geführt, dass die spanischen Verbraucher daran gehindert waren, vom Absinken der Zinssätze im Verlauf der erwähnten Finanzkrise zu profitieren, und gleichzeitig die Kreditinstitute vor den negativen Auswirkungen geschützt wurden, die dieses Absinken auf ihre Margen hätte haben müssen ( 8 ).

21.

Allerdings ist die Verwendung von Mindestzinssatzklauseln für die spanischen Banken nicht ohne Folgen geblieben. In einem Urteil vom 9. Mai 2013 ( 9 ) hat das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) die Missbräuchlichkeit wegen fehlender Transparenz festgestellt und folglich die Mindestzinssatzklauseln in den von drei unter ihnen angewandten allgemeinen Geschäftsbedingungen für nichtig erklärt. Gleichwohl hat dieses Gericht die zeitlichen Wirkungen seines Urteils, das sich u. a. nicht auf Beträge beziehen sollte, die von den Verbrauchern aufgrund dieser Klauseln vor dem Tag seiner Veröffentlichung gezahlt worden waren, beschränkt ( 10 ). Obwohl die Parteien des Ausgangsverfahrens darüber uneins sind, wie viel Aufsehen dieses Urteil bei seiner Verkündung erregt hat, lässt sich meines Erachtens ohne Weiteres sagen, dass es zumindest ernsthafte Zweifel hinsichtlich der Frage hat aufkommen lassen, ob die von anderen Banken verwendeten Mindestzinssatzklauseln mit dem gleichen Transparenzmangel behaftet waren.

22.

In diesem Kontext hat Ibercaja im Juli 2013 eine interne Politik angenommen, die darin bestand, mit einigen, wenn nicht allen ihrer Kunden mit einem Hypothekardarlehen, das eine Mindestzinssatzklausel enthielt ( 11 ), eine mit „Novationsvertrag zur Abänderung des Darlehens“ überschriebene Vereinbarung zu schließen. Diese Vereinbarung sah insbesondere eine Senkung der Mindestzinssatzschwelle für das Darlehen des betreffenden Kunden vor, die ab der nächsten Rate und bis zum Ende dieses Darlehens galt, sowie einen ausdrücklichen und wechselseitigen Verzicht auf eine gerichtliche Anfechtung der Klauseln des genannten Darlehens. Am 4. März 2014 hat Ibercaja mit XZ eine solche Vereinbarung geschlossen.

23.

Am 21. Dezember 2016 hat der Gerichtshof, von mehreren spanischen Gerichten mit der Frage nach den aus der Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Mindestzinssatzklausel zu ziehenden Folgen befasst, das Urteil Gutiérrez Naranjo verkündet. In diesem Urteil hat der Gerichtshof im Wesentlichen entschieden, dass der nationale Richter, wenn er die Missbräuchlichkeit einer solchen Klausel feststellt, gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 grundsätzlich verpflichtet ist, sie unangewendet zu lassen und anzuordnen, dass dem Verbraucher die aufgrund dieser Klausel gezahlten Beträge rückerstattet werden ( 12 ). Der Gerichtshof hat außerdem klargestellt, dass diese Vorschrift einer zeitlichen Beschränkung des Rückerstattungsanspruchs, wie sie das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) in seinem Urteil vom 9. Mai 2013 vorgenommen hatte, entgegensteht ( 13 ).

24.

XZ, die vermutlich von diesem Urteil des Gerichtshofs Kenntnis erlangt hatte, hat am 1. Februar 2017 das vorlegende Gericht angerufen und beantragt, die in ihrem Hypothekarkreditvertrag enthaltene Mindestzinssatzklausel wegen Missbräuchlichkeit für nichtig zu erklären und Ibercaja zu verurteilen, ihr die aufgrund dieser Klausel überzahlten Beträge zurückzuerstatten ( 14 ).

25.

Im Zentrum der Erörterungen vor diesem Gericht steht die Frage, welche Rechtsfolgen der zwischen XZ und Ibercaja am 4. März 2014 geschlossene „Novationsvertrag zur Abänderung des Darlehens“ für diese Anträge haben kann.

26.

Die Bank trägt nämlich vor, diese Vereinbarung hindere XZ daran, die Missbräuchlichkeit der ursprünglich im Hypothekarkreditvertrag enthaltenen Mindestzinssatzklausel gerichtlich geltend zu machen. Ihre diesbezügliche Argumentation knüpft an ein Urteil des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) vom 11. April 2018 ( 15 ) an, in dem sich dieses zu Vereinbarungen geäußert hat, die mit den zwischen Ibercaja und zwei anderen ihrer Kunden geschlossenen Vereinbarungen identisch sind. Das genannte Gericht hat im Wesentlichen die Ansicht vertreten, eine solche Vereinbarung stelle einen Vergleich ( 16 ) dar, der von den Parteien geschlossen worden sei, um die durch sein Urteil vom 9. Mai 2013 entstandene Unsicherheit über die Gültigkeit der in ihren Kreditverträgen enthaltenen Mindestzinssatzklausel außergerichtlich und endgültig zu klären, und zwar im Gegenzug für wechselseitige Zugeständnisse in Form einer Senkung der in dieser Klausel vorgesehenen Zinssatzschwelle. Da der Vergleich für die Parteien verbindlich sei, könne der Richter die Frage der Missbräuchlichkeit der Klausel nicht prüfen. In diesem Rahmen hat das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) entschieden, dass die Richtlinie 93/13 einen Gewerbetreibenden und einen Verbraucher nicht daran hindere, einen Vergleich zu schließen, um ihre Streitigkeiten außergerichtlich beizulegen. Außerdem hat dieses Gericht die Auffassung vertreten, dass die in Rede stehenden Vereinbarungen für die Verbraucher transparent seien ( 17 ).

27.

XZ trägt ihrerseits vor, der „Novationsvertrag zur Abänderung des Darlehens“ sei als nichtig anzusehen und könne das vorlegende Gericht somit nicht daran hindern, ihre Anträge zu prüfen. Ihre diesbezügliche Argumentation spiegelt wiederum das Sondervotum zum Urteil des Tribunal Supremo vom 11. April 2018 ( 18 ) wider, das in der vorstehenden Nummer erwähnt wird. Darin wird im Wesentlichen vorgetragen, eine solche Vereinbarung stelle keinen Vergleich, sondern einen Vertrag über die Novation ( 19 ) der in den Hypothekarkreditverträgen der betreffenden Kunden enthaltenen Mindestzinssatzklausel dar, wobei eine solche Novation nach nationalem Recht nicht rechtsgültig sei ( 20 ). Jedenfalls hindere zum einen Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 die Parteien daran, eine missbräuchliche Klausel zu ändern oder zu bestätigen, bzw. den Verbraucher, auf das Recht zu verzichten, sie gerichtlich anzufechten. Zum anderen fehle es einer solchen Vereinbarung an Transparenz, da sie nicht die Informationen enthalte, die es den Verbrauchern ermöglichten, die wirtschaftlichen und rechtlichen Folgen zu verstehen, die sich für sie aus ihrem Abschluss ergäben. Das vorlegende Gericht ist tendenziell derselben Meinung.

28.

Vorab weise ich darauf hin, dass, obwohl aus den beiden vorstehenden Nummern hervorgeht, dass die rechtliche Einordnung des „Novationsvertrags zur Abänderung des Darlehens“ zwischen den Parteien des Ausgangsverfahrens streitig ist, diese Frage, wie die Kommission geltend macht, allein unter das spanische Recht fällt, so dass nicht der Gerichtshof, sondern das vorlegende Gericht über sie zu entscheiden hat.

29.

Es ist hingegen Aufgabe des Gerichtshofs, anhand der Richtlinie 93/13 den Fall zu prüfen, dass (1) ein Verbraucher und ein Gewerbetreibender durch einen Vertrag gebunden sind, (2) ernsthafte Zweifel daran aufgekommen sind, ob eine Klausel dieses Vertrags ( 21 ) potenziell missbräuchlich im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der genannten Richtlinie ist, und (3) die Parteien die fragliche Klausel durch eine nachfolgende Vereinbarung erneuert ( 22 ), die Gültigkeit des ursprünglichen Vertrags bestätigt und wechselseitig auf seine gerichtliche Anfechtung verzichtet haben. Genauer gesagt geht es zunächst darum, festzustellen, worum das vorlegende Gericht in seiner ersten Frage ersucht, ob es grundsätzlich gegen Art. 6 Abs. 1 der erwähnten Richtlinie verstößt, wenn eine solche Vereinbarung Bindungswirkung für den Verbraucher hat. Ich werde in einem ersten Teil der vorliegenden Schlussanträge darlegen, weshalb dies meines Erachtens nicht der Fall ist (Abschnitt A).

A.   Möglichkeit für den Verbraucher, eine potenziell missbräuchliche Klausel zu erneuern, ihre Gültigkeit zu bestätigen und/oder auf ihre gerichtliche Anfechtung zu verzichten (erste Vorlagefrage)

30.

Gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 – daran sei erinnert – [sehen die Mitgliedstaaten vor], dass „missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind, und legen die Bedingungen hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften fest“. Nach dieser Vorschrift muss das nationale Gericht, wenn es die Missbräuchlichkeit einer bestimmten Vertragsklausel feststellt, alle Konsequenzen ziehen, die sich nach nationalem Recht aus dieser Feststellung ergeben, um sicher sein zu können, dass die Klausel für den Verbraucher unverbindlich ist. Das genannte Gericht hat besagte Klausel tatsächlich unangewendet zu lassen, damit sie den Verbraucher nicht bindet ( 23 ).

31.

Im Urteil Gutiérrez Naranjo hat der Gerichtshof weiter festgestellt, dass eine missbräuchliche Klausel „grundsätzlich als von Anfang an nicht existent anzusehen ist, so dass sie gegenüber dem Verbraucher keine Wirkungen haben kann“. Folglich muss die gerichtliche Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel „grundsätzlich dazu führen, dass die Sach- und Rechtslage wiederhergestellt wird, in der sich der Verbraucher ohne diese Klausel befunden hätte“. Hat der Verbraucher nach der fraglichen Klausel Geldbeträge zu zahlen, entfaltet die Verpflichtung des [nationalen] Gerichts, sie unangewendet zu lassen, „im Hinblick auf diese Beträge grundsätzlich Restitutionswirkung“ ( 24 ).

32.

Sollte das vorlegende Gericht in der Ausgangsrechtssache feststellen, dass die im Hypothekarkreditvertrag enthaltene Mindestzinssatzklausel missbräuchlich im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 ist, wäre es gemäß deren Art. 6 Abs. 1 demnach grundsätzlich verpflichtet, diese Klausel unangewendet zu lassen und Ibercaja zu verurteilen, XZ die aufgrund der genannten Klausel überzahlten Beträge zurückzuerstatten.

33.

Nach der vom Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) in seinem Urteil vom 11. April 2018 vorgenommenen Auslegung des spanischen Rechts würde der „Novationsvertrag zur Abänderung des Darlehens“das vorlegende Gericht jedoch daran hindern, die eigentliche Frage der Missbräuchlichkeit dieser Mindestzinssatzklausel zu prüfen ( 25 ). Genauer gesagt könnte XZ, worauf die spanische Regierung hinweist, zwar nicht mehr die Gültigkeit der ursprünglich im Hypothekarkreditvertrag enthaltenen Mindestzinssatzklausel gerichtlich überprüfen lassen, sehr wohl aber die Gültigkeit der in dieser Vereinbarung vorgesehenen neuen Mindestzinssatzklausel gerichtlich anfechten.

34.

Unter diesen Umständen stellt sich die Frage, ob Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13, wie XZ vorträgt ( 26 ), Verbraucher und Gewerbetreibende grundsätzlich daran hindert, eine Vereinbarung über die Novation einer potenziell missbräuchlichen Klausel, die Bestätigung ( 27 ) ihrer Gültigkeit und/oder den Verzicht auf ihre gerichtliche Anfechtung zu schließen – oder besser gesagt, ob es gegen diese Vorschrift verstößt, wenn die genannte Vereinbarung Bindungswirkung für den Verbraucher hat.

35.

Wie bereits ausgeführt, bin ich nicht dieser Meinung. Meines Erachtens ist die Frage nämlich differenziert zu beantworten.

36.

Nach meinem Verständnis beruht der Ansatz von XZ auf der Rechtsprechung des Gerichtshofs, wonach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 unter Berücksichtigung der schwächeren Verhandlungsposition, in der sich der Verbraucher gegenüber dem Gewerbetreibenden befindet, und des geringeren Informationsstands eine zwingende Bestimmung darstellt, die darauf zielt, die formale Ausgewogenheit der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien durch eine materielle Ausgewogenheit zu ersetzen und so deren Gleichheit wiederherzustellen, wobei diese Vorschrift überdies als eine Norm zu betrachten ist, die den im nationalen Recht zwingenden innerstaatlichen Bestimmungen gleichwertig ist ( 28 ).

37.

Ich bin mir darüber im Klaren, dass diese Rechtsprechung in Verbindung mit der in den Nrn. 30 und 31 der vorliegenden Schlussanträge in Erinnerung gerufenen Rechtsprechung in gewissem Maße an die Regelung der absoluten Nichtigkeit anknüpft, die im Recht verschiedener Mitgliedstaaten, darunter das Königreich Spanien, besteht ( 29 ). Dies ist im Übrigen genau die Sanktion, die im spanischen Recht bei Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel vorgesehen ist ( 30 ). Die Regelung der absoluten Nichtigkeit lässt jedoch keinerlei Raum für den Willen der Vertragsparteien. Diese können eine mit einer solchen Nichtigkeit belegte Verbindlichkeit nicht bestätigen oder erneuern. Sie können sich auch nicht über sie vergleichen: Der Richter wird ihre Nichtigkeit und die fehlenden Wirkungen dieser Vorgänge von Amts wegen feststellen. Nach Auffassung von XZ können Verbraucher und Gewerbetreibende eine missbräuchliche Klausel somit weder erneuern noch bestätigen oder einen Vergleich über sie abschließen. Eine etwaige Einigung zwischen den Parteien kann den Richter nicht daran hindern, die Frage der Missbräuchlichkeit einer bestimmten Vertragsklausel zu prüfen ( 31 ).

38.

Die Rechtsprechung des Gerichtshofs geht in Wirklichkeit jedoch nicht so weit. Dieser entscheidet nämlich kontinuierlich – und das ist aus meiner Sicht ausschlaggebend –, dass der Verbraucher auf die Geltendmachung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel verzichten kann ( 32 ). Nach Auffassung des Gerichtshofs „geht die Richtlinie 93/13 nicht so weit, dem System zum Schutz gegen die Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch Gewerbetreibende, das sie zugunsten der Verbraucher eingeführt hat, zwingenden Charakter zu verleihen“ ( 33 ), und „beinhaltet das Recht des Verbrauchers auf wirksamen Schutz … auch die Befugnis, seine Rechte eben nicht geltend zu machen“ ( 34 ).

39.

Im Urteil Banif Plus Bank ( 35 ) hat der Gerichtshof daher klargestellt, dass es dem nationalen Gericht obliegt, „gegebenenfalls den vom Verbraucher geäußerten Willen zu berücksichtigen, wenn dieser im Wissen um die Unverbindlichkeit einer missbräuchlichen Klausel gleichwohl angibt, dass er gegen deren Nichtanwendung sei, und so nach vorheriger Aufklärung seine freie Einwilligung in die fragliche Klausel erteilt“.

40.

Im Gegensatz zur Kommission glaube ich nicht, dass diese Erwägungen lediglich in einem Fall relevant sind, in dem der Richter die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel von Amts wegen festgestellt und den Verbraucher darüber unterrichtet hat. Aus ihnen geht in meinen Augen eine allgemeinere Logik hervor, wonach Letzterer auf die Geltendmachung der Missbräuchlichkeit einer bestimmten Klausel verzichten kann, sofern dieser Verzicht, wie der Gerichtshof im letztgenannten Urteil entschieden hat, auf eine freie und aufgeklärte Einwilligung seinerseits zurückgeht.

41.

Diese Logik spiegelt nach meinem Dafürhalten den in der Rechtsprechung des Gerichtshofs vorhandenen Gedanken wider, wonach die Richtlinie 93/13 den Verbraucher u. a. vor Verpflichtungen bewahren soll, die er nicht kennt oder deren Umfang er nicht wirklich erfasst ( 36 ). Ist sich der Verbraucher umgekehrt der Rechtsfolgen bewusst, die sich für ihn aus einem Verzicht auf den Schutz ergeben, den diese Richtlinie ihm bietet, ist ein solcher Verzicht mit der genannten Richtlinie vereinbar.

42.

Auch wenn ein Verbraucher so angesehen wird, als sei er sich der Folgen seines Tuns bewusst, wenn er vor dem Richter, nachdem er von diesem über die Missbräuchlichkeit einer Klausel unterrichtet worden ist, verzichtet, sich darauf zu berufen, bedeutet das jedoch nicht, dass es keinen anderen Fall gäbe, in dem dies möglich wäre. Insbesondere vermag ich nicht zu erkennen, weshalb ein Verbraucher grundsätzlich daran gehindert sein sollte, auf vertraglichem Wege von seiner Möglichkeit eines Verzichts Gebrauch zu machen, sofern – noch einmal – dieser Verzicht auf eine freie und aufgeklärte Einwilligung zurückgeht. Was letzteren Punkt betrifft, sollten einander gleichwohl zwei Annahmen gegenübergestellt werden.

43.

Einerseits kann ein Verbraucher meines Erachtens niemals vorab auf den Schutz aus der Richtlinie 93/13 verzichten, wenn er bei einem Gewerbetreibenden eine Ware erwirbt oder von diesem eine Dienstleistung empfängt. Eine Klausel eines Kaufvertrags oder eines Vertrags über die Erbringung einer Dienstleistung, mit der seine Gültigkeit bestätigt oder auf das Recht verzichtet wird, ihn gerichtlich anzufechten, kann für den Verbraucher keinerlei Bindungswirkung haben. Verschiedene Instrumente des Unionsrechts verbieten einen solchen Verzicht im Übrigen ausdrücklich ( 37 ).

44.

Ein solcher Verzicht kann nämlich keinesfalls als „aufgeklärt“ angesehen werden. Der Einzelne erfasst die Bedeutung des Schutzes, den das Verbraucherrecht bietet, erst dann wirklich, wenn eine Schwierigkeit auftritt und er diesen Schutz konkret benötigt. In diesem Sinne ist meines Erachtens der Gedanke des vorherigen Verzichts zu verstehen: Ein Verzicht ist „vorherig“, wenn er im Voraus – zum Zeitpunkt der Begründung des Vertragsverhältnisses zwischen dem Gewerbetreibenden und dem Verbraucher – erfolgt, wobei Letzterer die Tatsache, dass er problematisch werden könnte, nicht bedenkt oder ihm nicht genügend Bedeutung beimisst.

45.

Andererseits kann, wenn in diesem Vertragsverhältnis ein Problem aufgetreten ist, beispielsweise ernsthafte Zweifel an der potenziellen Missbräuchlichkeit einer bestimmten Vertragsklausel im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 aufgekommen sind und die Parteien gegebenenfalls darüber streiten, die Tatsache, dass der Verbraucher auf die Geltendmachung der fehlenden Bindungswirkung dieser Klausel verzichtet, nicht mit der gleichen Strenge gesehen werden. In einem solchen Fall kann der Verbraucher die Bedeutung des Schutzes erfassen, den ihm die genannte Richtlinie bietet, und daher die Tragweite des Verzichts verstehen ( 38 ). Mit anderen Worten ist es einem Verbraucher meines Erachtens möglich, unter bestimmten Voraussetzungen im Nachhinein vertraglich auf die Rechte aus der Richtlinie zu verzichten.

46.

Im letztgenannten Fall hat der Verbraucher nach meinem Dafürhalten folglich die Möglichkeit, im Wege einer Vereinbarung mit dem Gewerbetreibenden die betreffende Klausel zu erneuern, sie zu bestätigen oder aber auf eine gerichtliche Klärung der Frage ihrer Missbräuchlichkeit zu verzichten, sofern er das frei und aufgeklärt tut ( 39 ).

47.

Er kann u. a. von seiner Verzichtsmöglichkeit Gebrauch machen, indem er mit dem Gewerbetreibenden einen Vergleich über die besagte Klausel schließt, gleichviel, ob dieser Vergleich gerichtlich oder außergerichtlich ist. Ein solcher Vergleich kann für den Verbraucher im Übrigen gewisse Vorteile aufweisen, darunter den Vorteil, einen unmittelbaren Nutzen zu erzielen – das ist gerade der Zweck der wechselseitigen Zugeständnisse, die in einem Vergleich gemacht werden müssen –, ohne die Klausel gerichtlich anfechten, die Kosten des Prozesses tragen und seinen Ausgang abwarten zu müssen, zumal er zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs nicht die Gewissheit hat, dass dieser Ausgang günstig für ihn sein wird ( 40 ).

48.

Sofern er sie, ich wiederhole, in voller Kenntnis der Sachlage geschlossen hat, vermag ich nicht zu erkennen, weshalb eine solche Vereinbarung keine Bindungswirkung haben sollte, auch für den Verbraucher. Insbesondere muss ein Vergleich den Parteien Rechtssicherheit bieten können, was bedeutet, dass er für eine von ihnen nicht ohne Bindungswirkung bleiben kann. Außerdem handelt es sich beim Verzicht auf ein gerichtliches Vorgehen im Gegenzug für wechselseitige Zugeständnisse, wie ich im Folgenden erläutern werde, um den „Hauptgegenstand“ eines Vergleichs im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13, d. h. um den Kern der Vertragsautonomie, die mit dieser Richtlinie grundsätzlich nicht in Frage gestellt werden soll ( 41 ).

49.

Der letztgenannte Punkt wird aus meiner Sicht durch die Bestimmungen der Richtlinie 2013/11/EU über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten ( 42 ) bestätigt. Nach dieser Richtlinie können Verbraucher und Gewerbetreibende, wenn sie über einen Verbrauchervertrag streiten, auf ein Verfahren zur alternativen Streitbeilegung (im Folgenden: AS) zurückgreifen. Entscheiden sie sich in diesem Rahmen für einen Rückgriff auf ein Verfahren zur Beilegung der Streitigkeit, indem sie eine Lösung – wie beispielsweise die Mediation – vorschlagen, und mündet dieses Verfahren in einen für beide Seiten annehmbaren Kompromiss, wird dieser Kompromiss in der Regel durch einen Vergleich konkretisiert ( 43 ). Der Unionsgesetzgeber hat den Verbraucher in einem solchen Fall jedoch nicht auf das Recht beschränkt, diese Streitigkeit trotz der erzielten gütlichen Einigung gerichtlich überprüfen zu lassen. Im Gegenteil: Der genannte Gesetzgeber hat anerkannt, dass eine solche Einigung Rechtswirkungen für den Verbraucher hat ( 44 ). Gleichwohl sieht die erwähnte Richtlinie Garantien vor, mit denen sichergestellt werden soll, dass sich der Abschluss eines solchen Vergleichs aus einer freien und aufgeklärten Einwilligung seitens des Verbrauchers ergibt ( 45 ). Auch wenn ebendiese Richtlinie nicht für gütliche Einigungen gilt, die zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern außerhalb eines AS-Verfahrens erzielt werden ( 46 ), lässt sich die daraus ergebende Logik meines Erachtens verallgemeinern.

50.

Im Gegensatz zur Kommission bin ich nicht der Ansicht, dass die Antwort aufgrund von Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anders ausfallen muss. Meines Erachtens garantiert dieser Artikel zum einen, dass der Verbraucher die ihm nach der Richtlinie 93/13 zustehenden Rechte tatsächlich gerichtlich geltend machen kann, indem er sicherstellt, dass dieser hierzu über Rechtsbehelfe verfügt, die keinen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen unterliegen, die diese Geltendmachung übermäßig erschweren oder sogar unmöglich machen könnten ( 47 ). Die Vorschrift soll den Verbraucher jedoch nicht dazu zwingen, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen, wenn er sich bewusst dafür entscheidet, auf sie zu verzichten. Zum anderen ist, auch wenn ich zugebe, dass der Einzelne sein Recht, vor Gericht aufzutreten, in Anbetracht der fundamentalen Bedeutung des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf nicht generell aufgeben kann, dieser Fall gleichwohl von einem gezielten, auf eine Klausel oder einen bestimmten Rechtsstreit ausgerichteten Verzicht zu unterscheiden.

51.

Abgesehen davon darf jedoch nicht aus den Augen verloren werden, dass sich der Verbraucher gegenüber dem Gewerbetreibenden in einer schwächeren Verhandlungsposition befindet und einen geringeren Informationsstand besitzt ( 48 ). Die Gefahr, dass sich der Verzicht des Verbrauchers auf die Geltendmachung der Missbräuchlichkeit einer Klausel aus einem Machtmissbrauch ( 49 ) des Gewerbetreibenden ergibt, darf nicht verkannt werden. Indem er mit diesem eine Vereinbarung über einen solchen Verzicht schließt, kann der Verbraucher somit nicht auf jeglichen gerichtlichen Rechtsschutz verzichten, und diese schwächere Position muss durch ein „positives Eingreifen“ des Richters ausgeglichen werden können ( 50 ).

52.

In diesem Zusammenhang weise ich darauf hin, dass es sich bei einer solchen Vereinbarung per Definition um einen Vertrag handelt, der zum einen den allgemeinen und besonderen Regeln des für ihn geltenden Vertragsrechts unterliegt und zum anderen wie jeder beliebige Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher unter die Richtlinie 93/13 fallen könnte ( 51 ). Nur wenn diese Vereinbarung den genannten verschiedenen Regeln entspricht, kommt ihr Bindungswirkung zu.

53.

Folglich kann die erwähnte Vereinbarung gerichtlich überprüft werden ( 52 ). Ich weise im Übrigen darauf hin, dass die Parteien des Ausgangsverfahrens und die anderen Beteiligten im vorliegenden Fall zwar über die Frage streiten, ob XZ vor Gericht beantragen kann, die Missbräuchlichkeit der ursprünglich im Hypothekarkreditvertrag enthaltenen Mindestzinssatzklausel unter Berücksichtigung des Abschlusses des „Novationsvertrags zur Abänderung des Darlehens“ festzustellen; niemand stellt jedoch die Tatsache in Frage, dass sie vor diesem Gericht die Gültigkeit der letztgenannten Vereinbarung anfechten kann ( 53 ).

54.

Aus meiner Sicht kann der Richter im Rahmen der erwähnten gerichtlichen Kontrolle „positiv eingreifen“, was erforderlich ist, um den Verbraucher vor Machtmissbrauch des Gewerbetreibenden zu schützen. Wenn ihm eine derartige Vereinbarung unterbreitet wird, muss der Richter – auch von Amts wegen – prüfen, ob der Verzicht des Verbrauchers auf die Geltendmachung der Missbräuchlichkeit einer bestimmten Klausel auf dessen freie und aufgeklärte Einwilligung oder im Gegenteil auf einen solchen Missbrauch zurückgeht. Dazu gehört u. a. ( 54 ) eine Prüfung, ob die Klauseln dieser Vereinbarung im Einzelnen ausgehandelt oder vielmehr vom Gewerbetreibenden auferlegt worden sind und – im letztgenannten Fall – ob die sich aus der Richtlinie 93/13 ergebenden Gebote der Transparenz, der Ausgewogenheit sowie von Treu und Glauben beachtet worden sind.

55.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die erste Frage zu antworten, dass es, wenn bei einem Vertrag zwischen einem Verbraucher und einem Gewerbetreibenden ernsthafte Zweifel daran aufgekommen sind, ob eine Klausel dieses Vertrags potenziell missbräuchlich im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 ist, und die Parteien die fragliche Klausel durch eine nachfolgende Vereinbarung abgeändert, die Gültigkeit des ursprünglichen Vertrags bestätigt und wechselseitig auf die gerichtliche Anfechtung seiner Klauseln verzichtet haben, nicht gegen Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie verstößt, wenn die Vereinbarung Bindungswirkung für den Verbraucher hat, sofern sie auf dessen freie und aufgeklärte Einwilligung zurückgeht.

56.

Unter Berücksichtigung dieses Antwortvorschlags werde ich in einem zweiten Teil der vorliegenden Schlussanträge darlegen, welche Voraussetzungen eine Vereinbarung wie die in der vorstehenden Nummer genannte erfüllen muss, um mit der Richtlinie 93/13 vereinbar zu sein. Dabei werde ich im Einklang mit meinen Ausführungen in Nr. 54 der vorliegenden Schlussanträge zunächst auf den Begriff „nicht im Einzelnen ausgehandelte Vertragsklausel“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie und damit auf einen Begriff zurückkommen, der Gegenstand der zweiten Vorlagefrage ist (Abschnitt B). Anschließend werde ich die sich aus der erwähnten Richtlinie ergebenden Gebote der Transparenz, der Ausgewogenheit sowie von Treu und Glauben prüfen, die in der dritten, der vierten und der fünften Vorlagefrage angesprochen werden (Abschnitt C).

B.   Begriff „nicht im Einzelnen ausgehandelte Vertragsklausel“ (zweite Vorlagefrage)

57.

Nach meinem Verständnis möchte das vorlegende Gericht mit seiner zweiten Frage Klarstellungen zum Begriff „nicht im Einzelnen ausgehandelte Vertragsklausel“ in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 erhalten, und zwar um die Klauseln des „Novationsvertrags zur Abänderung des Darlehens“ anhand der sich aus dieser Richtlinie ergebenden Gebote der Transparenz, der Ausgewogenheit sowie von Treu und Glauben kontrollieren zu können. Ich erinnere daran, dass die genannte Richtlinie nach besagtem Art. 3 Abs. 1 ausschließlich für Vertragsklauseln gilt, die nicht derart ausgehandelt worden sind. Die Vorschrift stellt daher eine Vorbedingung für diese Kontrolle dar. Einige Klarstellungen sie betreffend erscheinen mir allerdings willkommen ( 55 ).

58.

Die Richtlinie 93/13 definiert den Begriff „nicht im Einzelnen ausgehandelte Vertragsklausel“ nicht. Art. 3 Abs. 2 dieser Richtlinie stellt in seinem Unterabs. 1 gleichwohl klar, dass eine Vertragsklausel immer dann als nicht im Einzelnen ausgehandelt zu betrachten ist, wenn sie „im Voraus abgefasst“ wurde und der Verbraucher „deshalb“, insbesondere im Rahmen eines „vorformulierten Standardvertrags“, „keinen Einfluss auf ihren Inhalt nehmen konnte“.

59.

Aus dieser Vorschrift lassen sich meines Erachtens mehrere Erkenntnisse ableiten. Zunächst ist eine Klausel im Einklang mit dem üblichen Wortsinn „im Einzelnen ausgehandelt“, wenn sie zwischen den Parteien speziell erörtert worden ist. Sodann ist dies u. a. nicht der Fall, wenn die fragliche Klausel vom Gewerbetreibenden „vor“ jeder Erörterung des Gegenstands, den sie behandelt, abgefasst wird. Schließlich ist das entscheidende Kriterium, wie die Kommission geltend macht, die Frage, ob der Verbraucher (nicht) die Möglichkeit hatte, Einfluss auf den Inhalt dieser Klausel zu nehmen ( 56 ).

60.

Aus ihr folgt ferner, dass zu den Klauseln, deren Inhalt von den Verbrauchern nicht beeinflusst werden kann, insbesondere solche in sogenannten „vorformulierten Standardverträgen“ gehören, d. h. Verträgen, die sie lediglich akzeptieren oder insgesamt ablehnen können, so dass sich ihr Handlungsspielraum darauf beschränkt, mit dem Gewerbetreibenden zu kontrahieren oder nicht zu kontrahieren. Der Begriff „vorformulierter Standardvertrag“ ist im Übrigen eng verknüpft mit dem Begriff „allgemeine Geschäftsbedingungen“, nämlich vorformulierten Standardklauseln, die ein Gewerbetreibender systematisch in seinen Geschäftsbeziehungen zu Verbrauchern verwendet, um seine Kosten zu rationalisieren.

61.

Auch wenn allgemeine Geschäftsbedingungen und vorformulierte Standardverträge daher den „Kern“ der Richtlinie 93/13 darstellen, möchte ich gleichwohl hervorheben, dass diese für sämtliche nicht ausgehandelte Klauseln gilt. Im Fall einer vorformulierten Standardklausel stellt Art. 3 Abs. 2 der genannten Richtlinie schlicht eine Vermutung für das Fehlen von Verhandlungen auf, die durch den vom Gewerbetreibenden zu erbringenden Beweis des Gegenteils widerlegt werden kann ( 57 ). Im umgekehrten Fall gilt diese Vermutung nicht, so dass es dem Verbraucher obliegt, das Fehlen von Verhandlungen nachzuweisen.

62.

In der Ausgangsrechtssache wird es Aufgabe des vorlegenden Gerichts sein, festzustellen, ob die Klauseln des „Novationsvertrags zur Abänderung des Darlehens“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 im Einzelnen ausgehandelt wurden oder nicht ( 58 ). Ausgangspunkt für seine Analyse wird die Prüfung der Frage sein müssen, ob es sich um vorformulierte Standardklauseln handelt – was der Fall zu sein scheint ( 59 ). Falls dem tatsächlich so ist, wird das Fehlen solcher Verhandlungen gemäß Art. 3 Abs. 2 dieser Richtlinie vermutet, und Ibercaja wird den Gegenbeweis zu erbringen haben.

63.

Was den letztgenannten Punkt angeht, möchte ich klarstellen, dass, wie die Kommission zu Recht vorträgt, für die Feststellung, ob Verhandlungen stattgefunden haben, an die den Vertragsschluss begleitenden Umstände anzuknüpfen ist. Der Verbraucher hatte die Möglichkeit, Einfluss auf den Inhalt einer bestimmten Klausel zu nehmen, wenn diesem Vertragsschluss Erörterungen zwischen den Parteien vorausgegangen sind, die ihm tatsächlich Gelegenheit geboten haben, das zu tun. Der Gewerbetreibende muss somit nicht nur die Durchführung solcher Erörterungen beweisen, sondern auch dartun, dass dem Verbraucher im Verlauf dieser Erörterungen eine aktive Rolle bei der Festlegung des Inhalts der Klausel zukam ( 60 ).

64.

Im vorliegenden Fall beschränkt sich Ibercaja im Wesentlichen darauf, vorzutragen, dass nach den Informationen im internen Dokument zur Festlegung ihrer Politik in Bezug auf die Neuaushandlung der Mindestzinssatzklauseln in den Kreditverträgen ihrer Kunden ( 61 ) die niedrigste Zinssatzschwelle, die ihre Mitarbeiter den Kunden in diesem Rahmen hätten anbieten können, bei 2,75 % gelegen habe. Die Tatsache, dass der mit XZ geschlossene „Novationsvertrag zur Abänderung des Darlehens“ eine Mindestzinssatzschwelle von 2,35 % enthält, zeige somit, dass es Verhandlungen zwischen den Parteien gegeben habe. Es wird Aufgabe des vorlegenden Gerichts sein, den Beweiswert dieser Informationen – die meines Erachtens schwerlich genügen, um die in der vorstehenden Nummer erwähnten Tatsachen nachzuweisen – zu bestimmen ( 62 ).

65.

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die zweite Frage zu antworten, dass eine Vertragsklausel nicht im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 im Einzelnen ausgehandelt wurde, wenn der Verbraucher tatsächlich keine Möglichkeit hatte, Einfluss auf ihren Inhalt zu nehmen. Dies ist anhand der den Vertragsschluss begleitenden Umstände und insbesondere anhand des Umfangs der Erörterungen zu prüfen, die zwischen den Parteien über den in dieser Klausel behandelten Gegenstand stattgefunden haben. Handelt es sich um eine vorformulierte Standardklausel, hat der Gewerbetreibende gemäß Art. 3 Abs. 2 der genannten Richtlinie zu beweisen, dass sie derart ausgehandelt wurde.

C.   Kontrolle der sich aus der Richtlinie 93/13 ergebenden Gebote der Transparenz, der Ausgewogenheit sowie von Treu und Glauben (dritte, vierte und fünfte Vorlagefrage)

66.

Wenn unterstellt wird, dass die Klauseln des „Novationsvertrags zur Abänderung des Darlehens“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 nicht im Einzelnen ausgehandelt wurden, befragt das vorlegende Gericht den Gerichtshof mit seiner dritten, vierten und fünften Frage zur Vereinbarkeit der beiden wichtigsten Klauseln dieser Vereinbarung mit den sich aus der genannten Richtlinie ergebenden Geboten der Transparenz, der Ausgewogenheit sowie von Treu und Glauben: Der Klausel über den wechselseitigen Verzicht auf ein gerichtliches Vorgehen einerseits und der neuen Mindestzinssatzklausel, mit der die Schwelle im Hypothekarkreditvertrag zwischen XZ und Ibercaja abgeändert wird, andererseits. Ich werde diese beiden Klauseln der Reihe nach prüfen.

1. Kontrolle der Klausel über den wechselseitigen Verzicht auf ein gerichtliches Vorgehen

67.

Die dritte und die fünfte Frage des vorlegenden Gerichts beziehen sich im Wesentlichen auf die Frage, ob Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 in Verbindung mit deren Anhang Nr. 1 Buchst. q dahin auszulegen ist, dass eine nicht im Einzelnen ausgehandelte Klausel über den wechselseitigen Verzicht auf ein gerichtliches Vorgehen missbräuchlich im Sinne des besagten Art. 3 Abs. 1 ist, da sie zum einen den Verbraucher daran hindert, Rechte auszuüben, die nach Abschluss dieser Vereinbarung erkennbar geworden sind, darunter die Möglichkeit, die Rückerstattung der aufgrund der Mindestzinssatzklausel überzahlten Beträge zu verlangen ( 63 ), und zum anderen den Verbraucher nicht über die potenzielle Missbräuchlichkeit der letztgenannten Klausel bzw. die Höhe seines möglichen Anspruchs auf Rückerstattung unterrichtet hat.

68.

Insoweit sei daran erinnert, dass eine Vertragsklausel, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde, gemäß Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 als missbräuchlich anzusehen ist, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht. Darüber hinaus sieht Art. 5 dieser Richtlinie vor, dass, wenn die dem Verbraucher unterbreiteten Klauseln schriftlich niedergelegt sind, sie stets klar und verständlich abgefasst sein müssen, wobei das letztgenannte Erfordernis gemeinhin so verstanden wird, dass mit ihm ein Gebot der Transparenz aufgestellt wird. Außerdem gehören zu den potenziell missbräuchlichen Klauseln gemäß Nr. 1 Buchst. q des Anhangs der genannten Richtlinie solche Klauseln, die darauf abzielen oder zur Folge haben, dass „dem Verbraucher die Möglichkeit, Rechtsbehelfe bei Gericht einzulegen oder sonstige Beschwerdemittel zu ergreifen, genommen oder erschwert wird“.

69.

In diesem Zusammenhang trägt die Kommission vor, eine Vertragsklausel über den wechselseitigen Verzicht auf ein gerichtliches Vorgehen, die im Sinne des erwähnten Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde – wie es bei der in den „Novationsvertrag zur Abänderung des Darlehens“ aufgenommenen Klausel vermutlich der Fall ist –, sei per se missbräuchlich, ohne dass es insoweit einer zusätzlichen Prüfung bedürfe ( 64 ).

70.

Ich für meinen Teil bin im Einklang mit den in Abschnitt A der vorliegenden Schlussanträge gegebenen Erläuterungen der Ansicht, dass die Antwort differenzierter sein muss. Abgesehen davon, dass die Liste im Anhang der Richtlinie 93/13 gemäß deren Art. 3 Abs. 3 nur als Hinweis dient und eine Vertragsklausel folglich nicht allein deshalb als missbräuchlich eingestuft werden kann, weil sie in dieser Liste aufgeführt ist ( 65 ), muss meines Erachtens nämlich die Unterscheidung zwischen vorherigem Verzicht und nachträglichem Verzicht im Blick behalten werden.

71.

Einerseits ist eine in einen Kaufvertrag oder einen Vertrag über die Erbringung einer Dienstleistung aufgenommene Klausel über den Verzicht auf ein gerichtliches Vorgehen tatsächlich als per se missbräuchlich anzusehen. Wie ich in den Nrn. 43 und 44 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt habe, kann ein Verbraucher nämlich niemals vorab auf den gerichtlichen Schutz und die ihm zustehenden Rechte aus der Richtlinie 93/13 verzichten. Dabei spielt es keine Rolle, ob dieser Verzicht wechselseitig ist.

72.

Andererseits bin ich jedoch der Meinung, dass die Richtlinie 93/13 Vertragsklauseln, die einen wechselseitigen Verzicht auf ein gerichtliches Vorgehen vorsehen, grundsätzlich nicht entgegensteht, wenn diese Klauseln in Vereinbarungen wie beispielsweise einem Vergleich enthalten sind, deren eigentlicher Gegenstand die Beilegung einer Streitigkeit zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher ist.

73.

In einem solchen Kontext könnte die Klausel über den Verzicht auf ein gerichtliches Vorgehen, wie ich in Nr. 47 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt habe, nämlich als vom „Hauptgegenstand“ einer solchen Vereinbarung im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 erfasst angesehen werden. Es sei darauf hingewiesen, dass unter diesen Begriff nach Ansicht des Gerichtshofs diejenigen Klauseln zu fassen sind, die die Hauptleistungen des betreffenden Vertrags festlegen und ihn als solche charakterisieren ( 66 ). Insoweit gehört es zum Wesen insbesondere eines Vergleichs, dass eine Klausel über den Verzicht auf sämtliche Rechte, Handlungen und Ansprüche im Zusammenhang mit der zugrunde liegenden Streitigkeit enthalten und die Erhebung oder Weiterbetreibung eines Klageverfahrens zwischen den Parteien, das den gleichen Gegenstand hat, ausgeschlossen ist ( 67 ).

74.

In Anwendung dieses Art. 4 Abs. 2 sind Klauseln, die vom „Hauptgegenstand des Vertrages“ erfasst werden, grundsätzlich jedoch nicht Gegenstand einer Beurteilung ihrer etwaigen Missbräuchlichkeit ( 68 ). Sofern sie sich in den besonderen Kontext einfügt, der in den beiden vorstehenden Nummern skizziert worden ist, kann eine Klausel über den Verzicht auf ein gerichtliches Vorgehen somit nicht als per se missbräuchlich angesehen werden.

75.

In diesem besonderen Kontext ist eine solche Klausel aus meiner Sicht auch nicht allein deshalb missbräuchlich, weil sie den Verbraucher daran hindern könnte, Rechte auszuüben, die nach Abschluss der sie enthaltenden Vereinbarung erkennbar geworden sind. Dies ist vorliegend beim Anspruch auf Rückerstattung, den XZ aus Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 herleitet, der Fall, wie das vorlegende Gericht in seiner fünften Frage hervorhebt. In diesem Zusammenhang erinnere ich daran, dass das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) im Urteil vom 9. Mai 2013 über Mindestzinssatzklauseln die zeitlichen Wirkungen seines Urteils, das die vor dem Tag seiner Veröffentlichung geleisteten Zahlungen nicht betreffen sollte, beschränkt hatte. Die vorliegende Vereinbarung ist am 4. März 2014, also nach diesem Urteil, aber zwei Jahre vor dem am 21. Dezember 2016 verkündeten Urteil Gutiérrez Naranjo, in dem der Gerichtshof entschieden hat, dass der genannte Art. 6 Abs. 1 einer solchen Beschränkung entgegensteht ( 69 ), geschlossen worden. Für die Prüfung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel ist jedoch auf den Zeitpunkt des Abschlusses des betreffenden Vertrags abzustellen und müssen die gesamten Umstände berücksichtigt werden, von denen der Gewerbetreibende zu diesem Zeitpunkt Kenntnis haben konnte und die die spätere Erfüllung dieses Vertrags beeinflussen ( 70 ).

76.

In der Ausgangsrechtssache wird das vorlegende Gericht zu prüfen haben, ob die in den „Novationsvertrag zur Abänderung des Darlehens“ aufgenommene Klausel über den wechselseitigen Verzicht auf ein gerichtliches Vorgehen tatsächlich im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 vom „Hauptgegenstand des Vertrages“ erfasst wird. Dies wird u. a. von der Frage abhängen, ob es sich dabei, wie Ibercaja behauptet, wirklich um einen Vergleich handelt ( 71 ).

77.

Allerdings wird die Prüfung dort jedenfalls nicht enden dürfen. Ich erinnere nämlich daran, dass Klauseln, die vom „Hauptgegenstand des Vertrages“ erfasst werden, gemäß Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 nicht Gegenstand einer Beurteilung ihrer etwaigen Missbräuchlichkeit sind, sofern sie klar und verständlich abgefasst sind. Das Transparenzgebot in Art. 5 dieser Richtlinie ist daher auch bei den genannten Klauseln zu beachten.

78.

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs kann dieses Transparenzgebot insoweit nicht auf die bloße Verständlichkeit der Vertragsklauseln in formeller und grammatikalischer Hinsicht beschränkt werden ( 72 ). Art. 4 Abs. 2 und Art. 5 der Richtlinie 93/13 schreiben eine Kontrolle der materiellen Transparenz dieser Klauseln vor ( 73 ). Eine Vertragsklausel ist in materieller Hinsicht transparent, wenn ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher die (rechtlichen und wirtschaftlichen) Folgen verstehen kann, die sich daraus für ihn ergeben. Insbesondere ist zu prüfen, ob der betreffende Vertrag den Anlass und die Besonderheiten des Verfahrens, auf das sich die fragliche Klausel bezieht, transparent darstellt. In diesem Rahmen sind auch die vom Gewerbetreibenden bereitgestellte Werbung und vorvertragliche Information über die Vertragsbedingungen und ihre Folgen für den Verbraucher relevant ( 74 ).

79.

Bei einer Vertragsklausel über den wechselseitigen Verzicht auf die gerichtliche Anfechtung der Gültigkeit einer vorbestehenden Klausel, die sich in eine Vereinbarung wie beispielsweise einen Vergleich einfügt, kann ein Durchschnittsverbraucher meiner Meinung nach verstehen, welche rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen sich daraus für ihn ergeben, wenn er sich zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarung des Mangels, mit dem die letztgenannte Klausel möglicherweise behaftet ist, der Rechte, die er insoweit aus der Richtlinie 93/13 herleiten konnte, der Tatsache, dass er frei war, die besagte Vereinbarung zu schließen oder sie abzulehnen und vor Gericht zu ziehen, sowie des Umstands bewusst ist, dass er das nach ihrem Abschluss nicht mehr tun könnte ( 75 ). Dies wird das vorlegende Gericht in der Ausgangsrechtssache anhand der Bestimmungen des „Novationsvertrags zur Abänderung des Darlehens“ und der vorvertraglichen Informationen, die Ibercaja XZ erteilt hat, zu prüfen haben.

80.

In diesem Rahmen wird das genannte Gericht zum einen zu prüfen haben, ob sich XZ vor Abschluss des „Novationsvertrags zur Abänderung des Darlehens“ des potenziellen Mangels der im Hypothekarkreditvertrag enthaltenen Mindestzinssatzklausel und der Rechte, die sie gegebenenfalls aus der Richtlinie 93/13 herleiten konnte, wirklich bewusst war. Ich werde mich insoweit auf den Hinweis beschränken, dass nicht sicher ist, ob XZ bei Ibercaja überhaupt eine Beschwerde eingereicht hat, die auf die Streichung dieser Klausel gerichtet war, und ob die fragliche Vereinbarung von besagter Bank nicht so sehr als Vergleich, in dem zum Ausdruck kam, dass die Parteien darüber stritten ( 76 ), sondern als „Novationsvertrag“ vorgestellt worden ist, mit dem der Hypothekarkreditvertrag an die Veränderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen angepasst werden sollte. Die in dieser Vereinbarung enthaltene Klausel über den wechselseitigen Verzicht ist als solche mehrdeutig, da ausgesprochen weit: Sie zielt nicht auf die Frage der Gültigkeit der Mindestzinssatzklausel ab, sondern bezieht sich auf sämtliche Klauseln des Hypothekarkreditvertrags.

81.

Das erwähnte Gericht wird zum anderen prüfen müssen, ob XZ von Ibercaja über die Tatsache, dass sie frei war, diese Vereinbarung zu schließen oder sie abzulehnen und vor Gericht zu ziehen, sowie darüber unterrichtet worden war, dass sie das nach ihrem Abschluss nicht mehr tun könnte ( 77 ). In diesem Rahmen ist auch die Frage relevant, ob XZ vor Mitteilung ihrer Entscheidung eine angemessene Überlegungsfrist eingeräumt worden ist. Hierzu weise ich lediglich darauf hin, dass der Vereinbarungsentwurf ihr unstreitig nicht im Voraus vorgelegt worden war ( 78 ) und sie auch keine Gelegenheit gehabt hat, ihn mit nach Hause zu nehmen, da sie gezwungen war, vor Ort eine Entscheidung zu treffen.

82.

In seinem Urteil vom 11. April 2018 hat das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) zwar entschieden, dass eine Vereinbarung wie die von XZ geschlossene dem Transparenzgebot genüge, weil sein Mindestzinssatzklauseln betreffendes Urteil vom 9. Mai 2013 der breiten Öffentlichkeit bekannt sei und die besagte Vereinbarung eine handschriftliche Klausel enthalte, in der der Verbraucher anerkenne, die Tragweite der neuen Mindestzinssatzschwelle verstanden zu haben. Ich hege jedoch Zweifel hinsichtlich dieser Argumentation. Die etwaige Bekanntheit einer Entscheidung genügt nach meinem Dafürhalten nämlich nicht, um einen Gewerbetreibenden von seiner Pflicht zu entbinden, transparente Klauseln abzufassen und in der vorvertraglichen Phase genauso transparent zu handeln. Zum anderen bin ich nicht sicher, ob sich mit einer handschriftlichen Klausel, deren Muster die Bank vorschreibt und die sich auf die Tatsache bezieht, dass der Verbraucher verstanden hat, dass sein Zinssatz nicht unter eine gewisse Schwelle sinken wird, nachweisen lässt, dass dieser Verbraucher die Tragweite des Verzichts verstanden hat, dem er soeben zugestimmt hat.

83.

Sollte das vorlegende Gericht bestätigen, dass es der im „Novationsvertrag zur Abänderung des Darlehens“ enthaltenen Klausel über den wechselseitigen Verzicht auf ein gerichtliches Vorgehen an Transparenz mangelt, würde daraus folgen, dass es die Missbräuchlichkeit dieser Klausel selbst dann kontrollieren könnte, wenn sie vom „Hauptgegenstand des Vertrages“ im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 erfasst würde. Abgesehen davon würde ein solcher Transparenzmangel im besonderen Kontext einer Vereinbarung wie der in Rede stehenden meines Erachtens für den Nachweis der Unvereinbarkeit der genannten Klausel mit dieser Richtlinie genügen, ohne dass es überhaupt einer Prüfung der in ihrem Art. 3 Abs. 1 vorgesehenen Kriterien des erheblichen und ungerechtfertigten Missverhältnisses sowie von Treu und Glauben bedarf. Wegen dieser fehlenden Transparenz kann der in besagter Klausel vorgesehene Verzicht nämlich nicht so angesehen werden, als sei er auf eine „aufgeklärte Einwilligung“ des Verbrauchers zurückzuführen ( 79 ). Im Übrigen würden die fehlende Transparenz und das damit verbundene Informationsgefälle nach meinem Dafürhalten die Annahme des erwähnten erheblichen und ungerechtfertigten Missverhältnisses ermöglichen und dem Nachweis dienen, dass Ibercaja das Gebot von Treu und Glauben verletzt hat ( 80 ).

84.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die dritte und die fünfte Frage zu antworten, dass eine nicht im Einzelnen ausgehandelte Vertragsklausel über den wechselseitigen Verzicht auf ein gerichtliches Vorgehen missbräuchlich im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 ist, es sei denn, diese Klausel ist in einer Vereinbarung enthalten, deren eigentlicher Gegenstand die Beilegung einer Streitigkeit zwischen einem Verbraucher und einem Gewerbetreibenden ist. Gleichwohl muss eine solche Klausel auch dann im Einklang mit dem sich aus Art. 4 Abs. 2 und Art. 5 dieser Richtlinie ergebenden Transparenzgebot stehen. In Bezug auf eine Klausel einer derartigen Vereinbarung über den wechselseitigen Verzicht auf die gerichtliche Anfechtung der Gültigkeit einer vorbestehenden Vertragsklausel wird ein Durchschnittsverbraucher so angesehen, als verstehe er die rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen, die sich daraus für ihn ergeben, wenn er sich zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarung des Mangels, mit dem die letztgenannte Klausel möglicherweise behaftet ist, der Rechte, die er insoweit aus der erwähnten Richtlinie herleiten konnte, der Tatsache, dass er frei war, die besagte Vereinbarung zu schließen oder sie abzulehnen und vor Gericht zu ziehen, sowie des Umstands bewusst ist, dass er das nach ihrem Abschluss nicht mehr tun könnte.

2. Kontrolle der neuen Mindestzinssatzklausel

85.

Mit seiner vierten Frage fragt das vorlegende Gericht, ob es einer Klausel wie der im „Novationsvertrag zur Abänderung des Darlehens“ enthaltenen neuen Mindestzinssatzklausel im Sinne von Art. 4 Abs. 2 und Art. 5 der Richtlinie 93/13 an Transparenz fehlt, weil die Bank den Verbraucher in besagter Vereinbarung über die tatsächlichen finanziellen Kosten dieser Klausel nicht so in Kenntnis gesetzt hat, dass ihm der geltende Zinssatz und die Raten bekannt waren, die er ohne die genannte Klausel zu zahlen hätte.

86.

In der Ausgangsrechtssache wird die neue Mindestzinssatzklausel wahrscheinlich vom „Hauptgegenstand“ des „Novationsvertrags zur Abänderung des Darlehens“ im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 erfasst, und das unabhängig von der rechtlichen Einordnung dieser Vereinbarung nach nationalem Recht. Falls die genannte Vereinbarung, wie XZ vorträgt, darauf abzielt, die ursprüngliche Mindestzinssatzklausel, die im Hypothekarkreditvertrag enthalten war, zu erneuern, kann diese neue Klausel nämlich nur ihr Hauptgegenstand sein. Falls dieselbe Vereinbarung, wie Ibercaja und die spanische Regierung vortragen, bezweckt, eine Streitigkeit im Gegenzug für wechselseitige Zugeständnisse endgültig beizulegen, wird auch die erwähnte Klausel insofern vom Hauptgegenstand erfasst, als sie diese Zugeständnisse konkretisiert.

87.

Gleichwohl muss, wie ich zuvor ausgeführt habe, auch eine Klausel, die vom „Hauptgegenstand des Vertrages“ im Sinne dieses Art. 4 Abs. 2 erfasst wird, dem Transparenzgebot genügen. Wie in den vorliegenden Schlussanträgen in Erinnerung gerufen worden ist, ist eine Vertragsklausel transparent, wenn ein Durchschnittsverbraucher in der Lage ist, die wirtschaftlichen Folgen zu verstehen, die sich daraus für ihn ergeben. Bei einer Mindestzinssatzklausel muss der sie enthaltende Vertrag den Anlass und die Besonderheiten des Verfahrens, auf das sich diese Klausel bezieht, transparent darstellen ( 81 ). Das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) hat in seinem Urteil vom 9. Mai 2013 insoweit Voraussetzungen für die Verwendung derartiger Klauseln in Kreditverträgen festgelegt ( 82 ), bei denen es sich meines Erachtens um eine Konkretisierung des Transparenzgebots handelt, das der Gerichtshof in allgemeinen Worten aufgestellt hat. Diese Voraussetzungen müssen im vorliegenden Fall unabhängig davon eingehalten werden, dass der „Novationsvertrag zur Abänderung des Darlehens“ als solcher kein Kreditvertrag ist. Es wäre Aufgabe des vorlegenden Gerichts, das zu prüfen.

88.

Auf zwei spezielle Aspekte muss gleichwohl eingegangen werden. Zum einen bin ich nicht sicher, ob von einem Kreditinstitut verlangt werden kann, dass es für die Zukunft erläutert, welche Raten der Verbraucher ohne die Mindestzinssatzklausel zu zahlen hätte. Da der Zinssatz von wirtschaftlichen Schwankungen abhängt, die nur selten vorhersehbar sind, erscheint mir ein solches Erfordernis nämlich nicht vernünftig ( 83 ). Im Höchstfall muss der Gewerbetreibende, wie das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) in seiner Rechtsprechung festgestellt hat, Szenarios hinsichtlich des vernünftigerweise vorhersehbaren Verhaltens des Zinssatzes am Tag des Vertragsschlusses angeben. Zum anderen bin ich, was die vom Verbraucher verfasste handschriftliche Klausel angeht ( 84 ), der das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) in seinem Urteil vom 11. April 2018 entscheidende Bedeutung für den Nachweis der Einhaltung des Transparenzgebots beigemessen hat, der Ansicht, dass, auch wenn eine solche Klausel unbestreitbar ein aussagekräftiges Indiz ist, sie allein nicht entscheidend sein kann. Diese handschriftliche Klausel beweist zwar, dass der Verbraucher auf die Wirkungen einer Mindestzinssatzklausel hingewiesen worden ist. Sie genügt jedoch nicht für den Nachweis, dass die strengen Transparenzbedingungen, die der Gerichtshof und das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) festgelegt haben, eingehalten worden sind. Das Indiz, das diese handschriftliche Klausel darstellt, muss meines Erachtens somit durch weitere übereinstimmende Elemente ergänzt werden.

89.

In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die vierte Frage zu antworten, dass eine nicht im Einzelnen ausgehandelte Mindestzinssatzklausel als transparent im Sinne von Art. 4 Abs. 2 und Art. 5 der Richtlinie 93/13 anzusehen ist, wenn der Verbraucher in der Lage ist, die wirtschaftlichen Folgen zu verstehen, die sich daraus für ihn ergeben. Insbesondere muss der sie enthaltende Vertrag den Anlass und die Besonderheiten des Verfahrens, auf das sich diese Klausel bezieht, transparent darstellen. Dagegen kann vom Gewerbetreibenden nicht verlangt werden, dass er für die Zukunft erläutert, welche Raten der Kunde ohne die genannte Klausel zu zahlen hätte.

V. Ergebnis

90.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, wie folgt auf die Fragen des Juzgado de Primera Instancia e Instrucción no 3 de Teruel (Untersuchungsgericht erster Instanz Nr. 3 von Teruel, Spanien) zu antworten:

1.

Sind bei einem Vertrag zwischen einem Verbraucher und einem Gewerbetreibenden ernsthafte Zweifel daran aufgekommen, ob eine Klausel dieses Vertrags potenziell missbräuchlich im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ist, und haben die Parteien die fragliche Klausel durch eine nachfolgende Vereinbarung abgeändert, die Gültigkeit des ursprünglichen Vertrags bestätigt und wechselseitig auf die gerichtliche Anfechtung seiner Klauseln verzichtet, verstößt es nicht gegen Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie, wenn die Vereinbarung Bindungswirkung für den Verbraucher hat, sofern sie auf dessen freie und aufgeklärte Einwilligung zurückgeht.

2.

Eine Vertragsklausel wurde nicht im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 im Einzelnen ausgehandelt, wenn der Verbraucher tatsächlich keine Möglichkeit hatte, Einfluss auf ihren Inhalt zu nehmen. Dies ist anhand der den Vertragsschluss begleitenden Umstände und insbesondere anhand des Umfangs der Erörterungen zu prüfen, die zwischen den Parteien über den in dieser Klausel behandelten Gegenstand stattgefunden haben. Handelt es sich um eine vorformulierte Standardklausel, hat der Gewerbetreibende gemäß Art. 3 Abs. 2 der genannten Richtlinie zu beweisen, dass sie derart ausgehandelt wurde.

3.

Eine nicht im Einzelnen ausgehandelte Vertragsklausel über den wechselseitigen Verzicht auf ein gerichtliches Vorgehen ist missbräuchlich im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13, es sei denn, diese Klausel ist in einer Vereinbarung enthalten, deren eigentlicher Gegenstand die Beilegung eines Rechtsstreits zwischen Verbraucher und Gewerbetreibendem ist. Gleichwohl muss eine solche Klausel auch dann im Einklang mit dem sich aus Art. 4 Abs. 2 und Art. 5 dieser Richtlinie ergebenden Transparenzgebot stehen. In Bezug auf eine Klausel einer derartigen Vereinbarung über den wechselseitigen Verzicht auf die gerichtliche Anfechtung einer vorbestehenden Vertragsklausel wird ein Durchschnittsverbraucher so behandelt, als verstehe er die rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen, die sich daraus für ihn ergeben, wenn er sich zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarung des Mangels, mit dem die letztgenannte Klausel möglicherweise behaftet ist, der Rechte, die er insoweit aus der erwähnten Richtlinie herleiten konnte, der Tatsache, dass er frei war, die besagte Vereinbarung zu schließen oder sie abzulehnen und vor Gericht zu ziehen, sowie des Umstands bewusst ist, dass er das nach ihrem Abschluss nicht mehr tun könnte.

4.

Eine nicht im Einzelnen ausgehandelte Mindestzinssatzklausel ist als transparent im Sinne von Art. 4 Abs. 2 und Art. 5 der Richtlinie 93/13 anzusehen, wenn der Verbraucher in der Lage ist, die wirtschaftlichen Folgen zu verstehen, die sich daraus für ihn ergeben. Insbesondere muss der sie enthaltende Vertrag den Anlass und die Besonderheiten des Verfahrens, auf das sich diese Klausel bezieht, transparent darstellen. Dagegen kann vom Gewerbetreibenden nicht verlangt werden, dass er für die Zukunft erläutert, welche Raten der Kunde ohne die genannte Klausel zu zahlen hätte.


( 1 ) Originalsprache: Französisch.

( 2 ) Richtlinie des Rates vom 5. April 1993 (ABl. 1993, L 95, S. 29).

( 3 ) Im Folgenden: Hypothekarkreditvertrag.

( 4 ) Aus der Vorlageentscheidung und den Erklärungen von Ibercaja geht hervor, dass die Caja de Ahorros de la Inmaculada de Aragón zu einem nicht mitgeteilten Zeitpunkt in die Banco Grupo Cajatrés SA eingegliedert worden ist. Später – am 23. Mai 2013 – ist dieses Institut selbst in Ibercaja eingegliedert worden, bevor es schließlich von dieser am 1. Oktober 2014 übernommen worden ist.

( 5 ) Urteil vom 21. Dezember 2016 (C‑154/15, C‑307/15 und C‑308/15, im Folgenden: Urteil Gutiérrez Naranjo, EU:C:2016:980).

( 6 ) Mit dieser Problematik ist der Gerichtshof bereits befasst worden. Vgl. insbesondere Urteil vom 14. April 2016, Sales Sinués und Drame Ba (C‑381/14 und C‑385/14, EU:C:2016:252), Urteil Gutiérrez Naranjo, sowie Beschluss vom 14. November 2013, Banco Popular Español und Banco de Valencia (C‑537/12 und C‑116/13, EU:C:2013:759).

( 7 ) Vgl. Urteil Gutiérrez Naranjo (Rn. 18).

( 8 ) Das Ausmaß des Phänomens war beträchtlich: Beispielsweise enthielt nicht weniger als ein Drittel aller während des Jahres 2010 in Spanien vertriebenen Hypothekardarlehen eine solche Klausel (vgl. Zunzunegui, F., „Mortgage Credit – Mis-selling of Financial Products – Study requested by the ECON committee“, European Parliament, Policy Department for Economic, Scientific and Quality of Life Policies, Directorate-General for Internal Policies, Juni 2018, S. 23 bis 32 mit Verweisen).

( 9 ) Urteil Nr. 241/2013 (im Folgenden: Urteil des Tribunal Supremo vom 9. Mai 2013 oder Urteil vom 9. Mai 2013, ES:TS:2013:1916).

( 10 ) Das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) hat diese Entscheidung anschließend bestätigt (vgl. u. a. Urteile Nr. 139/2015 vom 25. März 2015, ES:TS:2015:1280, und Nr. 222/2015 vom 29. April 2015, ES:TS:2015:2207). Vgl. Urteil Gutiérrez Naranjo (Rn. 18 bis 21 und 67).

( 11 ) Ibercaja zufolge mussten ihre Mitarbeiter den Abschluss eines „Novationsvertrags zur Abänderung des Darlehens“ nur den Kunden anbieten, die sich nach Erlass des Urteils des Tribunal Supremo vom 9. Mai 2013 über die in ihrem Vertrag enthaltene Mindestzinssatzklausel beschwert hatten. XZ zufolge fügte sich der Abschluss solcher Vereinbarungen hingegen in den Rahmen einer Kampagne ein, die auf sämtliche Kunden abzielte, deren Vertrag eine solche Mindestzinssatzklausel enthielt, unabhängig davon, ob sie sich über sie beschwert hatten oder nicht. Ich möchte klarstellen, dass über die Frage, ob XZ selbst eine solche Beschwerde eingereicht hatte, zwischen den Parteien des Ausgangsverfahrens vor dem vorlegenden Gericht gestritten wird (vgl. Nr. 80 der vorliegenden Schlussanträge).

( 12 ) Konkret also die Differenz zwischen den gemäß der Mindestzinssatzschwelle gezahlten Beträgen und den Beträgen, die gezahlt worden wären, wenn diese Schwelle nicht existiert hätte und der variable Zinssatz angewandt worden wäre.

( 13 ) Vgl. Urteil Gutiérrez Naranjo (Rn. 61 bis 75) sowie Nr. 21 der vorliegenden Schlussanträge.

( 14 ) Der Fall von XZ ist bei weitem kein Einzelfall. Vor den spanischen Gerichten sind mehr als eine Million Klagen auf Rückerstattung von aufgrund einer Mindestzinssatzklausel überzahlten Beträgen erhoben worden (vgl. Zunzunegui, F., a. a. O., S. 6). Zur Frage der Auswirkungen des Urteils des Tribunal Supremo vom 9. Mai 2013 und des Urteils Gutiérrez Naranjo auf die spanische Wirtschaft vgl. International Monetary Fund, IMF Country Report No 17/345, Spain: Financial Sector Assessment Program – Technical Note on Supervision of Spanish Banks – Select[ed] issues, 13. November 2017, S. 8, 10, 23 und 53, der den Vertrieb von Hypothekardarlehen mit einer Mindestzinssatzklausel in den Rang eines systemischen Risikos für diese Wirtschaft erhebt.

( 15 ) Urteil Nr. 205/2018 (im Folgenden: Urteil des Tribunal Supremo vom 11. April 2018 oder Urteil vom 11. April 2018, ES:TS:2018:1238).

( 16 ) Gemäß Art. 1809 des spanischen Zivilgesetzbuchs ist ein Vergleich ein Vertrag, durch den die Parteien, indem jede von ihnen etwas gibt, verspricht oder behält, die Einleitung eines Rechtsstreits verhindern oder einen schon begonnenen Rechtsstreit beenden.

( 17 ) Für nähere Einzelheiten vgl. Nr. 82 der vorliegenden Schlussanträge.

( 18 ) Im Folgenden: Sondervotum des Richters Orduña Moreno.

( 19 ) Die Novation ist ein – u. a. in Art. 1203 des spanischen Zivilgesetzbuchs geregelter – Vertrag, mit dem zwei durch ein vorbestehendes Schuldverhältnis verbundene Parteien diese Schuld ändern oder durch eine andere ersetzen.

( 20 ) Vgl. Fn. 31 der vorliegenden Schlussanträge.

( 21 ) Ibercaja und die spanische Regierung haben hervorgehoben, dass das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) im Urteil vom 9. Mai 2013 nicht alle Mindestzinssatzklauseln, sondern lediglich die Klauseln aufgehoben habe, die von den drei von der bei ihm anhängigen Unterlassungsklage betroffenen Banken verwendet worden waren. Darüber hinaus sind Mindestzinssatzklauseln nach diesem Urteil nur insoweit missbräuchlich, als es ihnen an Transparenz mangelt, was vom Richter auf Einzelfallbasis festgestellt werden muss. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des „Novationsvertrags zur Abänderung des Darlehens“ durch die Parteien des Ausgangsverfahrens war die im Hypothekarkreditvertrag enthaltene Mindestzinssatzklausel nicht gerichtlich angefochten worden. XZ und die Kommission tragen gleichwohl vor, die im genannten Urteil gestellten Transparenzbedingungen seien sehr streng, so dass zumindest eine erhöhte Wahrscheinlichkeit bestehe, dass die streitige Mindestzinssatzklausel missbräuchlich sei. In beinahe 97 % der Fälle seien Gerichtsverfahren wegen missbräuchlicher Klauseln, einschließlich der Mindestzinssatzklauseln, von den Verbrauchern gewonnen worden. Ich erinnere daran, dass sich der Gerichtshof im Urteil Gutiérrez Naranjo nicht zur Missbräuchlichkeit der Mindestzinssatzklauseln geäußert hat. Er ist von der Prämisse ausgegangen, dass sie missbräuchlich waren. Auch in der vorliegenden Rechtssache hat der Gerichtshof nicht selbst über diese Frage zu entscheiden.

( 22 ) Genau genommen wird nicht die Klausel erneuert, sondern die sich daraus ergebende Verpflichtung. Der Einfachheit halber werde ich in den vorliegenden Schlussanträgen gleichwohl von der „Novation einer Klausel“ sprechen.

( 23 ) Vgl. u. a. Urteile vom 6. Oktober 2009, Asturcom Telecomunicaciones (C‑40/08, EU:C:2009:615, Rn. 58), vom 15. März 2012, Pereničová und Perenič (C‑453/10, EU:C:2012:144, Rn. 30), vom 14. Juni 2012, Banco Español de Crédito (C‑618/10, EU:C:2012:349, Rn. 65), sowie vom 30. Mai 2013, Jőrös (C‑397/11, EU:C:2013:340, Rn. 41).

( 24 ) Urteil Gutiérrez Naranjo (Rn. 61 und 62).

( 25 ) Vgl. Nr. 26 der vorliegenden Schlussanträge.

( 26 ) Vgl. Nr. 27 der vorliegenden Schlussanträge.

( 27 ) Mit diesem Begriff beziehe ich mich auf den – u. a. in den Art. 1309 bis 1313 des spanischen Zivilgesetzbuchs genannten – Rechtsakt, durch den eine Vertragspartei auf die Geltendmachung eines Nichtigkeitsgrundes verzichtet.

( 28 ) Vgl. u. a. Urteile vom 26. Oktober 2006, Mostaza Claro (C‑168/05, EU:C:2006:675, Rn. 25, 36 und 37), vom 6. Oktober 2009, Asturcom Telecomunicaciones (C‑40/08, EU:C:2009:615, Rn. 30, 51 und 52), sowie vom 17. Mai 2018, Karel de Grote – Hogeschool Katholieke Hogeschool Antwerpen (C‑147/16, EU:C:2018:320, Rn. 26, 27, 34 und 35).

( 29 ) Es sei daran erinnert, dass im Recht mehrerer Staaten, darunter das Königreich Belgien, die Französische Republik und das Königreich Spanien, zwischen „absoluter“ und „relativer“ Nichtigkeit von Verträgen unterschieden wird. Die absolute Nichtigkeit tritt von Rechts wegen ein und muss vom Richter von Amts wegen festgestellt werden. Umgekehrt kann die relative Nichtigkeit nur von der Partei, die das Gesetz schützen will, gerichtlich geltend gemacht werden und wird gegebenenfalls vom Richter festgestellt. Es ist allgemein anerkannt, dass das Kriterium für die Unterscheidung zwischen diesen beiden Sanktionen die Grundlage der verletzten Vorschrift ist, je nachdem, ob sie auf die Wahrung des Allgemeininteresses oder den Schutz von Privatinteressen abzielt. Die Nichtigkeit ist absolut im ersten Fall und relativ im zweiten. Vgl. u. a. Schlussanträge von Generalanwältin Trstenjak in der Rechtssache Martín Martín (C‑227/08, EU:C:2009:295, Nr. 51 mit Verweisen).

( 30 ) Vgl. Art. 83 Abs. 1 des Königlichen Gesetzesdekrets 1/2007.

( 31 ) Vgl. u. a. Urteil des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) Nr. 558/2017 vom 16. Oktober 2017. In diesem Urteil hat das besagte Gericht die Auffassung vertreten, dass ein „Novationsvertrag“ zwischen einer Bank und einem Verbraucher, in dem diese die in ihren Darlehensvertrag aufgenommene Mindestzinssatzklausel erneuert hatten, nichtig sei, da die besagte Klausel missbräuchlich und folglich absolut nichtig sei. Vgl. auch Urteil vom 26. Februar 2015, Matei (C‑143/13, EU:C:2015:127, Rn. 37 bis 42). In der Rechtssache, die zu diesem Urteil geführt hat, hatten zwei Verbraucher verschiedene Klauseln ihres Kreditvertrags gerichtlich angefochten. Das nationale Gericht hatte den Gerichtshof mit mehreren Fragen nach der Auslegung der Richtlinie 93/13 befasst. Die genannten Verbraucher und die beklagte Bank hatten anschließend einen Vergleich geschlossen, mit dem der Rechtsstreit außergerichtlich beigelegt werden sollte. Die Bank hatte sich zur Begründung der Unzulässigkeit der Vorlagefragen vor dem Gerichtshof auf diesen Vergleich berufen. Das nationale Gericht hatte den Gerichtshof jedoch darauf hingewiesen, dass es diesen Vergleich nicht anerkannt habe, weil die Frage der angeblichen Missbräuchlichkeit der in Rede stehenden Vertragsklauseln eine Frage des zwingenden Rechts sei, über die die Parteien nicht verfügen könnten. Ich möchte hervorheben, dass der Gerichtshof in seinem Urteil nicht über diesen Punkt entschieden hat. Er hat lediglich festgestellt, dass immer noch ein Rechtsstreit vor dem vorlegenden Gericht anhängig war, und die vor ihm erhobene Unzulässigkeitseinrede folglich zurückgewiesen.

( 32 ) Vgl. Urteil vom 4. Juni 2009, Pannon GSM (C‑243/08, EU:C:2009:350, Rn. 33 und 35).

( 33 ) Urteil vom 3. Oktober 2019, Dziubak (C‑260/18, EU:C:2019:819, Rn. 54).

( 34 ) Urteil vom 14. April 2016, Sales Sinués und Drame Ba (C‑381/14 und C‑385/14, EU:C:2016:252, Rn. 25). Wegen des Ursprungs dieser Formulierung vgl. Schlussanträge von Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Duarte Hueros (C‑32/12, EU:C:2013:128, Nr. 53).

( 35 ) Urteil vom 21. Februar 2013 (C‑472/11, EU:C:2013:88, Rn. 35).

( 36 ) Vgl. insbesondere die Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Gebot der Transparenz von Vertragsklauseln, das sich aus Art. 4 Abs. 2 und Art. 5 der Richtlinie 93/13 ergibt (vgl. Abschnitt C der vorliegenden Schlussanträge). Ich beziehe mich hier auf den Gedanken einer „aufgeklärten“ Einwilligung des Verbrauchers. Ganz allgemein fällt die Frage der „Freiheit“ der Einwilligung des Verbrauchers zu einem Vertrag unter die nationalen Vorschriften über Willensmängel (vgl. Fn. 54 der vorliegenden Schlussanträge).

( 37 ) Vgl. u. a. Art. 41 Buchst. a der Richtlinie 2014/17/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Februar 2014 über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 (ABl. 2014, L 60, S. 34) und Art. 25 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2011, L 304, S. 64). Vgl. auch – im spanischen Recht – Art. 10 des Königlichen Gesetzesdekrets 1/2007.

( 38 ) Vgl. entsprechend die in der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1) vorgesehene Lösung auf dem Gebiet der Gerichtsstandsvereinbarungen in grenzüberschreitenden Rechtsstreitigkeiten über Verbraucherverträge. Ich weise darauf hin, dass Kapitel II Abschnitt 4 dieser Verordnung Zuständigkeitsvorschriften zum Schutz des Verbrauchers vorsieht. Art. 19 der genannten Verordnung bestimmt insoweit, dass von diesen Vorschriften nur im Wege von Gerichtsstandsvereinbarungen abgewichen werden kann, die u. a. nach der Entstehung der Streitigkeit zwischen den Parteien getroffen werden. Die Vorschrift wird im Schrifttum damit erklärt, dass der Verbraucher nicht in der Lage ist, die Folgen einer solchen Vereinbarung vollständig zu erfassen, und deshalb auch nicht aufgeklärt zustimmen kann, sobald er weiß, auf was sich die Streitigkeit bezieht. Vgl. Nielsen, P. A., „Article 19“, in Magnus, U., und Mankowski, P., Brussels Ibis Regulation – Commentary, European Commentaries on Private International Law, Verlag Dr. Otto Schmidt, 2016, S. 519.

( 39 ) Bei der Feststellung des Gerichtshofs, dass eine missbräuchliche Klausel als „von Anfang an nicht existent“ anzusehen ist, handelt es sich somit um eine zu relativierende juristische Fiktion – der Gerichtshof hat im Übrigen selbst hervorgehoben, dass dies nur „grundsätzlich“ der Fall ist (vgl. Urteil Gutiérrez Naranjo, Rn. 61). Der Verbraucher hat die Möglichkeit, die Existenz der fraglichen Klausel zu erhalten. Um die Analogie zu den im Recht einiger Mitgliedstaaten bestehenden Nichtigkeitsregelungen (vgl. Nr. 37 der vorliegenden Schlussanträge) fortzuführen: Die Regelung über missbräuchliche Klauseln kommt aus meiner Sicht insoweit den relativen Nichtigkeiten gleich, die zur Novation oder Bestätigung führen können.

( 40 ) Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge von Generalanwalt Wahl in der Rechtssache Gavrilescu (C‑627/15, EU:C:2017:690, Nrn. 46 bis 52).

( 41 ) Vgl. Schlussanträge von Generalanwältin Trstenjak in der Rechtssache Caja de Ahorros y Monte de Piedad de Madrid (C‑484/08, EU:C:2009:682, Nr. 40 mit Verweisen). Vgl. Nr. 73 der vorliegenden Schlussanträge.

( 42 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/EG (Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten) (ABl. 2013, L 165, S. 63).

( 43 ) Zwar regelt die Richtlinie 2013/11 nicht die Frage der Natur oder der Rechtswirkungen des Instruments, das verwendet werden muss, um die Einwilligung der Parteien zur vorgeschlagenen Lösung zu formalisieren, so dass diese Frage dem Recht der einzelnen Mitgliedstaaten unterliegt. Der Vergleich ist jedoch das meistverwendete Instrument zur Konkretisierung der sich aus einer Mediation ergebenden gütlichen Einigung (vgl. Caponi, R., „‚Just Settlement‘ or ‚Just About Settlement‘? Mediated Agreements: A Comparative Overview of the Basics“, RabelsZ, Nr. 79, 2015, S. 117 bis 141).

( 44 ) Vgl. Art. 9 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2013/11.

( 45 ) Vgl. Art. 9 Abs. 2 der Richtlinie 2013/11, der in Fn. 75 der vorliegenden Schlussanträge wiedergegeben wird.

( 46 ) Nach ihrem Art. 2 Abs. 2 Buchst. e gilt die Richtlinie 2013/11 nicht für „direkte Verhandlungen zwischen dem Verbraucher und dem Unternehmer“. Ich stelle im Übrigen fest, dass der Unionsgesetzgeber mit dieser Vorschrift lediglich Vergleiche vom Geltungsbereich der genannten Richtlinie ausgeschlossen hat, die direkt zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern ausgehandelt worden sind: Er hat sie jedoch nicht verboten, obwohl er das sehr wohl hätte tun können, wenn er gewollt hätte.

( 47 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 1. Oktober 2015, ERSTE Bank Hungary (C‑32/14, EU:C:2015:637, Rn. 59), sowie vom 21. April 2016, Radlinger und Radlingerová (C‑377/14, EU:C:2016:283, Rn. 56).

( 48 ) Vgl. die in Nr. 36 der vorliegenden Schlussanträge angeführte Rechtsprechung.

( 49 ) Wegen dieses Begriffs vgl. den neunten Erwägungsgrund der Richtlinie 93/13.

( 50 ) Vgl. u. a. Urteile vom 27. Juni 2000, Océano Grupo Editorial und Salvat Editores (C‑240/98 bis C‑244/98, EU:C:2000:346, Rn. 27), vom 6. Oktober 2009, Asturcom Telecomunicaciones (C‑40/08, EU:C:2009:615, Rn. 31), sowie vom 14. April 2016, Sales Sinués und Drame Ba (C‑381/14 und C‑385/14, EU:C:2016:252, Rn. 23).

( 51 ) Wie es in ihrem zehnten Erwägungsgrund heißt, gilt die Richtlinie 93/13 für „alle Verträge“ zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern.

( 52 ) Vgl. Schlussanträge von Generalanwalt Wahl in der Rechtssache Gavrilescu (C‑627/15, EU:C:2017:690, Nr. 55).

( 53 ) Vgl. Nr. 33 der vorliegenden Schlussanträge.

( 54 ) Die Frage, ob die Einwilligung des Verbrauchers „frei“ ist, ist anhand der nationalen Vorschriften über Willensmängel zu prüfen. Was die „Aufgeklärtheit“ der Einwilligung des Verbrauchers angeht, so kann das Recht der Mitgliedstaaten außerdem Garantien für Geschäfte wie beispielsweise die Novation, die Bestätigung oder den Vergleich vorsehen, gerade um sicherzustellen, dass die Parteien ein solches Geschäft in voller Kenntnis der Sachlage abschließen. Vgl. beispielsweise Art. 1182 des französischen Zivilgesetzbuchs, wonach im Rechtsakt über die Bestätigung einer Verbindlichkeit insbesondere der Mangel des Vertrags erwähnt werden muss.

( 55 ) Bisher hat sich der Gerichtshof im Wesentlichen darauf beschränkt, den nationalen Gerichten den Inhalt von Art. 3 der Richtlinie 93/13 in Erinnerung zu rufen. Vgl. Beschlüsse vom 16. November 2010, Pohotovosť (C‑76/10, EU:C:2010:685, Rn. 57), und vom 3. April 2014, Sebestyén (C‑342/13, EU:C:2014:1857, Rn. 24).

( 56 ) Für eine ähnliche Definition vgl. Art. II.‑1:110 Abs. 1 des Draft Common Frame of Reference (DCFR) (Von Bar, C., u. a. [Hrsg.], Principles, Definitions and Model Rules of European Private Law. Draft Common Frame of Reference (DCFR) – Interim Outline Edition; prepared by the Study Group on a European Civil Code and the Research Group on EC Private Law [Acquis Group], Sellier, European Law Publishers, München, 2008, S. 160). Vgl. in diesem Sinne auch Schlussanträge von Generalanwalt Tanchev in der Rechtssache OTP Bank und OTP Faktoring (C‑51/17, EU:C:2018:303, Nr. 53).

( 57 ) Auch wenn Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 93/13 nahelegt, dass eine im Voraus abgefasste Vertragsklausel „immer“ (d. h. zwangsläufig) als nicht im Einzelnen ausgehandelt zu betrachten ist, belässt sein Unterabs. 3 dem Gewerbetreibenden nämlich in der Tat die Möglichkeit, nachzuweisen, dass eine (vermutlich im Voraus abgefasste) Standardvertragsklausel im Einzelnen ausgehandelt wurde.

( 58 ) Vgl. entsprechend Urteil vom 16. Januar 2014, Constructora Principado (C‑226/12, EU:C:2014:10, Rn. 19), und Beschluss vom 24. Oktober 2019, Topaz (C‑211/17, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:906, Rn. 46).

( 59 ) Ibercaja räumt selbst ein, dass der Abschluss solcher Vereinbarungen mit ihren Kunden auf eine generalisierte Politik zurückging (vgl. Nr. 22 der vorliegenden Schlussanträge). Außerdem hat das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) im Urteil vom 11. April 2018, das – daran sei erinnert – Vereinbarungen betrifft, die mit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vereinbarung identisch sind, entschieden, dass die Klauseln dieser Vereinbarungen nicht im Einzelnen ausgehandelt worden seien, so dass sie anhand des sich aus Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 ergebenden Transparenzgebots kontrolliert werden konnten (vgl. Nrn. 26 und 82 der vorliegenden Schlussanträge).

( 60 ) In diesem Sinne deutet die bloße Tatsache, dass der Gewerbetreibende dem Verbraucher den Inhalt einer Klausel erläutert, nicht darauf hin, dass Verhandlungen stattgefunden haben. Gleiches gilt für den Umstand, dass der Verbraucher dem Inhalt einer Klausel nicht widerspricht oder nicht um Erläuterungen hinsichtlich ihres Inhalts bittet. Die Tatsache, dass eine Klausel im Verlauf der Schriftwechsel zwischen den Parteien erheblich abgeändert worden ist, stellt hingegen einen Anhaltspunkt dafür dar, dass sie im Einzelnen ausgehandelt wurde. Macht der Verbraucher nach Anhörung der Erläuterungen des Gewerbetreibenden einen Gegenvorschlag oder treten die Parteien in eine Diskussion ein, die zu einem Kompromiss führt, ist die Klausel also als ausgehandelt zu betrachten (vgl. Von Bar, C., u. a., a. a. O., S. 161 und 162).

( 61 ) Vgl. Nr. 22 der vorliegenden Schlussanträge.

( 62 ) Auch mit der Tatsache, dass der „Novationsvertrag zur Abänderung des Darlehens“ eine handschriftliche Klausel enthält, durch die der Verbraucher bescheinigt, den Mechanismus der Mindestzinssatzklausel verstanden zu haben (vgl. Nr. 14 der vorliegenden Schlussanträge), lässt sich nicht nachweisen, dass diese Klausel – oder a fortiori die Klausel über den wechselseitigen Verzicht auf ein gerichtliches Vorgehen – im Einzelnen ausgehandelt wurde (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 24. Oktober 2019, Topaz, C‑211/17, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:906, Rn. 47 bis 51).

( 63 ) Vgl. Urteil Gutiérrez Naranjo (Rn. 62).

( 64 ) Vgl. – zu einer nicht im Einzelnen ausgehandelten Gerichtsstandsvereinbarung, die den Gerichten des Sitzes des Gewerbetreibenden die Zuständigkeit zuweist – Urteil vom 27. Juni 2000, Océano Grupo Editorial und Salvat Editores (C‑240/98 bis C‑244/98, EU:C:2000:346, Rn. 24).

( 65 ) Vgl. Urteil vom 19. September 2019, Lovasné Tóth (C‑34/18, EU:C:2019:764, Rn. 45, 46 und 49 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

( 66 ) Vgl. Urteile vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai (C‑26/13, EU:C:2014:282, Rn. 49 und 50), sowie vom 20. September 2017, Andriciuc u. a. (C‑186/16, EU:C:2017:703, Rn. 35 und 36).

( 67 ) Vgl. Art. 1816 des spanischen Zivilgesetzbuchs und Caponi, R., „Agreements Resulting from Mediation: Judiciation Review, Avoidance, and Enforcement“, in Stürner, M., u. a., The Role of Consumer ADR in the Administration of Justice, 2013, Sellier, S. 149 f.

( 68 ) Nach dieser Vorschrift betrifft „[d]ie Beurteilung der Missbräuchlichkeit der Klauseln … weder den Hauptgegenstand des Vertrages noch die Angemessenheit zwischen dem Preis bzw. dem Entgelt und den Dienstleistungen bzw. den Gütern, die die Gegenleistung darstellen, sofern diese Klauseln klar und verständlich abgefasst sind“. Vgl. Urteile vom 3. Juni 2010, Caja de Ahorros y Monte de Piedad de Madrid (C‑484/08, EU:C:2010:309, Rn. 31, 35 und 40), sowie vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai (C‑26/13, EU:C:2014:282, Rn. 41).

( 69 ) Vgl. Nrn. 21 und 23 der vorliegenden Schlussanträge.

( 70 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. September 2017, Andriciuc u. a. (C‑186/16, EU:C:2017:703, Rn. 54).

( 71 ) In seinem Urteil vom 11. April 2018 hat das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) die Ansicht vertreten, dass die Voraussetzungen für einen Vergleich, wie sie in Art. 1809 des Zivilgesetzbuchs vorgesehen sind (vgl. Fn. 16 der vorliegenden Schlussanträge), bei einer Vereinbarung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden erfüllt seien, da die Parteien eine Situation der Ungewissheit hinsichtlich der Gültigkeit der Mindestzinssatzklauseln endgültig hätten regeln wollen, indem sie im Gegenzug für wechselseitige Zugeständnisse auf ein gerichtliches Vorgehen verzichtet hätten: Einerseits habe das Kreditinstitut, das von einer bestimmten Mindestzinssatzschwelle profitiert habe, einer Senkung dieser Schwelle zugestimmt; andererseits habe der Verbraucher, der keine Mindestzinssatzklausel gewollt habe, einen Mindestzinssatz akzeptiert, der niedriger als der ursprünglich festgesetzte gewesen sei (vgl. Nr. 26 der vorliegenden Schlussanträge). In seinem Sondervotum hat der Richter Orduña Moreno seinerseits vorgetragen, diese Vereinbarung stelle keinen Vergleich dar, da sie nicht das Bestehen eines Rechtsstreits zwischen den Parteien widerspiegle. Auch die Audiencia Provincial de Badajoz (Provinzgericht von Badajoz, Spanien) hat sich im Urteil Nr. 168/2018 vom 26. April 2018 zu einem ähnlichen Vertrag geäußert und entschieden, dass von einem Vergleich keine Rede sein könne, da es keinen Rechtsstreit zwischen den Parteien gebe. Ich hege ebenfalls Zweifel an der diesbezüglichen Würdigung durch das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) (vgl. Nr. 80 der vorliegenden Schlussanträge).

( 72 ) Vgl. Urteile vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai (C‑26/13, EU:C:2014:282, Rn. 71 und 72), sowie vom 20. September 2018, EOS KSI Slovensko (C‑448/17, EU:C:2018:745, Rn. 61).

( 73 ) Vgl. Urteil Gutiérrez Naranjo (Rn. 48 bis 51).

( 74 ) Vgl. u. a. Urteile vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai (C‑26/13, EU:C:2014:282, Rn. 73 und 74), sowie vom 5. Juni 2019, GT (C‑38/17, EU:C:2019:461, Rn. 35). Der Gerichtshof hat nämlich wiederholt entschieden, dass die vorvertragliche Information für einen Verbraucher von grundlegender Bedeutung ist. Insbesondere auf der Grundlage dieser Information entscheidet er, ob er sich durch die vom Gewerbetreibenden vorformulierten Bedingungen binden möchte. Vgl. u. a. Urteile vom 21. März 2013, RWE Vertrieb (C‑92/11, EU:C:2013:180, Rn. 44), sowie vom 20. September 2017, Andriciuc u. a. (C‑186/16, EU:C:2017:703, Rn. 48).

( 75 ) Meines Erachtens ist es hier möglich, sich an den vom Unionsgesetzgeber in der Richtlinie 2013/11 vorgesehenen Garantien zu orientieren, die in Nr. 49 der vorliegenden Schlussanträge aufgeführt sind. Nach Art. 9 Abs. 2 dieser Richtlinie sorgen „[d]ie Mitgliedstaaten … dafür, dass in AS-Verfahren, die auf eine Beilegung der Streitigkeit durch Vorschlag einer Lösung abzielen, … b) die Parteien über Folgendes informiert werden, bevor sie einer vorgeschlagenen Lösung zustimmen oder diese befolgen: i) dass sie die Wahl haben, der vorgeschlagenen Lösung zuzustimmen oder diese zu befolgen oder nicht; ii) dass die Beteiligung an dem Verfahren die Möglichkeit nicht ausschließt, die Durchsetzung ihrer Rechte vor Gericht zu suchen; iii) dass die vorgeschlagene Lösung anders sein kann als das Ergebnis eines Gerichtsverfahrens, in dem Rechtsvorschriften angewandt werden; c) die Parteien über die Rechtswirkungen informiert werden, die die Zustimmung zu einer vorgeschlagenen Lösung oder die Befolgung einer vorgeschlagenen Lösung hat, bevor sie einer vorgeschlagenen Lösung zustimmen oder diese befolgen; d) den Parteien eine angemessene Überlegungsfrist eingeräumt wird, bevor sie einer vorgeschlagenen Lösung oder einer gütlichen Einigung zustimmen“.

( 76 ) Beispielsweise wird im Bereich der Gerichtsstandsvereinbarungen in grenzüberschreitenden Verbraucherstreitigkeiten (vgl. Fn. 38 der vorliegenden Schlussanträge) davon ausgegangen, dass eine Streitigkeit zwischen den Parteien entstanden ist, sobald sie über einen bestimmten Punkt uneins sind und ein Verfahren unmittelbar oder in Kürze bevorsteht (vgl. Bericht von P. Jenard zum Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen [ABl. 1979, C 59, S. 1], S. 33). Eine einfache Beschwerde des Verbrauchers genügt nicht, um davon auszugehen, dass dies der Fall ist: Der Gewerbetreibende muss es auch abgelehnt haben, ihr stattzugeben (Nielsen, P. A., a. a. O., S. 520).

( 77 ) Dies bedeutet nicht zwangsläufig, worauf das vorlegende Gericht hinweist, dass der Gewerbetreibende angeben müsste, auf welchen Betrag der Verbraucher genau verzichtet. Ein solches Erfordernis erscheint mir im Rahmen von Vergleichsverhandlungen unrealistisch. Der Gerichtshof achtet im Rahmen des Transparenzgebots im Übrigen darauf, dass er nicht über das hinausgeht, was vernünftigerweise vom Gewerbetreibenden erwartet werden kann (vgl. Urteil vom 19. September 2019, Lovasné Tóth, C‑34/18, EU:C:2019:764, Rn. 69). Darüber hinaus konnte die Bank im vorliegenden Fall zum Zeitpunkt des Abschlusses des „Novationsvertrags zur Abänderung des Darlehens“ vernünftigerweise nicht wissen, dass XZ möglicherweise einen solchen Anspruch auf Rückerstattung erhalten würde (vgl. Nr. 75 der vorliegenden Schlussanträge).

( 78 ) Im 20. Erwägungsgrund der Richtlinie 93/13 heißt es, dass der Verbraucher tatsächlich Gelegenheit haben muss, von allen Vertragsklauseln Kenntnis zu nehmen. Außerdem hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Tatsache, dass der Verbraucher den Vertrag im Voraus erhält, zur Beachtung des Transparenzgebots beiträgt. Vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 24. Oktober 2019, Topaz (C‑211/17, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:906, Rn. 50).

( 79 ) Vgl. meinen Vorschlag für eine Antwort auf die erste Vorlagefrage.

( 80 ) Der Gerichtshof hat entschieden, dass das nationale Gericht für die Feststellung, ob das auf eine Vertragsklausel zurückzuführende Missverhältnis „entgegen dem Gebot von Treu und Glauben“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 verursacht wird, prüfen muss, ob der Gewerbetreibende bei loyalem und billigem Verhalten gegenüber dem Verbraucher vernünftigerweise erwarten durfte, dass der Verbraucher sich nach individuellen Verhandlungen auf eine solche Klausel einlässt. Vgl. u. a. Urteil vom 14. März 2013, Aziz (C‑415/11, EU:C:2013:164, Rn. 69).

( 81 ) Vgl. Nr. 78 der vorliegenden Schlussanträge.

( 82 ) Das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) hat entschieden, dass es einer Mindestzinssatzklausel an Transparenz mangle, soweit a) hinreichend klare Informationen über die Tatsache fehlten, dass es sich um ein Element zur Festlegung des Hauptgegenstands des Vertrages handle, b) die Klauseln gleichzeitig mit den Höchstzinssatzklauseln eingefügt und so dargestellt würden, als stellten sie die Gegenleistung dafür dar, c) es keine Simulationen verschiedener Szenarios hinsichtlich des vernünftigerweise vorhersehbaren Verhaltens des Zinssatzes am Tag des Vertragsschlusses gebe, d) keine vorherige, klare und verständliche Information über die Kosten verglichen mit anderen Darlehensmodalitäten des Instituts – soweit vorhanden – oder eine Mitteilung an den Kunden erfolge, dass diese Modalitäten ihm in Anbetracht seines Profils nicht angeboten würden, und e) die Mindestzinssatzklausel zu einer enormen Menge von Daten gehöre, die sie überlagerten und den Verbraucher ablenkten.

( 83 ) Insbesondere ginge dies meines Erachtens über die Anforderungen der Richtlinie 2014/17 hinaus, die, auch wenn sie auf den Ausgangsrechtsstreit zeitlich nicht anwendbar ist, gleichwohl einen nützlichen Orientierungspunkt liefert. Diese Richtlinie sieht in ihrem Art. 14 nämlich vor, dass der Kreditgeber seine vorvertragliche Informationspflicht mittels des Europäischen Standardisierten Merkblatts (ESIS-Merkblatt) in Anhang II der genannten Richtlinie erfüllen muss. Dieser Anhang bestimmt in seinem Abschnitt 3 („Hauptmerkmale des Kredits“) Nr. 6 jedoch lediglich: „In diesem Abschnitt ist anzugeben, ob der Sollzinssatz fest oder variabel ist, sowie gegebenenfalls die Zeiträume, für die der Zinssatz festgeschrieben ist, wie häufig der Zinssatz in der Folge überprüft wird und inwieweit die Variabilität des Sollzinssatzes nach oben oder nach unten hin begrenzt ist.“

( 84 ) Vgl. Nr. 14 der vorliegenden Schlussanträge.