Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 18. Januar 2018 – Strabag Belgium/Parlament

(Rechtssache T‑784/17 R)

„Vorläufiger Rechtsschutz – Öffentliche Bauaufträge – Antrag auf einstweilige Anordnungen – Wartefrist – Ungewöhnlich niedriges Angebot – Fumus boni iuris – Dringlichkeit – Interessenabwägung“

1. 

Vorläufiger Rechtsschutz–Aussetzung des Vollzugs–Einstweilige Anordnungen–Voraussetzungen–Fumus boni iuris–Dringlichkeit–Schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden–Kumulativer Charakter–Abwägung sämtlicher betroffener Belange–Reihenfolge und Art und Weise der Prüfung–Ermessen des für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständigen Richters

(Art. 256 Abs. 1 AEUV, 278 AEUV und 279 AEUV; Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 156)

(vgl. Rn. 22-24)

2. 

Vorläufiger Rechtsschutz–Aussetzung des Vollzugs–Voraussetzungen–Dringlichkeit–Beurteilung im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe–Schwerer Schaden–Hinlänglichkeit im Fall eines besonders ernsthaften fumus boni iuris, der in einer offenkundigen und äußerst schwerwiegenden Rechtswidrigkeit besteht–Voraussetzung–Einreichung des Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz innerhalb der Stillhaltefrist vor Vertragsschluss mit dem Zuschlagsempfänger

(Art. 278 AEUV; Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 47; Verordnung Nr. 966/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 118 Abs. 2 und 3; Verordnung Nr. 1268/2012 der Kommission, Art. 171, Abs. 1)

(vgl. Rn. 26-28)

3. 

Vorläufiger Rechtsschutz–Aussetzung des Vollzugs–Voraussetzungen –Fumus boni iuris–Prima-facie-Prüfung der zur Stützung der Klage angeführten Gründe–Klage gegen eine Entscheidung eines Organs, das Angebot eines Bieters im Rahmen der Vergabe eines öffentlichen Auftrags abzulehnen–Klagegrund der fehlenden Prüfung, ob ein Angebot ungewöhnlich niedrig ist–Dem ersten Anzeichen nach nicht unbegründeter Klagegrund

(Art. 278 AEUV; Verordnung Nr. 1268/2012 der Kommission, Art. 151 Abs. 1)

(vgl. Rn. 30, 61, 63, 65, 66)

4. 

Öffentliche Aufträge der Europäischen Union–Vergabe eines Auftrags aufgrund einer Ausschreibung–Ungewöhnlich niedriges Angebot–Pflicht des öffentlichen Auftraggebers zur Anhörung des Bieters–Prüfung des öffentlichen Auftraggebers, ob ein Angebot ungewöhnlich niedrig ist–Zu berücksichtigende Gesichtspunkte–Ermessen des öffentlichen Auftraggebers

(Verordnung Nr. 1268/2012 der Kommission, Art. 151 Abs. 1)

(vgl. Rn. 33-36, 43, 52)

5. 

Vorläufiger Rechtsschutz–Aussetzung des Vollzugs–Einstweilige Anordnungen–Voraussetzungen–Dringlichkeit–Schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden–Beweislast des Antragstellers

(Art. 278 AEUV und 279 AEUV; Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 156 Abs. 3)

(vgl. Rn. 67, 68)

6. 

Vorläufiger Rechtsschutz–Aussetzung des Vollzugs–Voraussetzungen–Dringlichkeit–Schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden–Finanzieller Schaden–Beurteilung im Einzelfall–Schaden, der mit dem Verlust einer Chance, einen öffentlichen Auftrag vergeben zu bekommen, verbunden ist–Beträchtlicher Schaden

(Art. 278 AEUV)

(vgl. Rn. 73-76)

7. 

Vorläufiger Rechtsschutz–Aussetzung des Vollzugs–Voraussetzungen–Abwägung sämtlicher betroffener Belange–Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung eines Organs, das Angebot eines Bieters im Rahmen der Vergabe eines öffentlichen Auftrags abzulehnen–Vorliegen eines fumus boni iuris hinsichtlich der fehlenden Prüfung, ob ein Angebot ungewöhnlich niedrig ist–Möglichkeit des Organs, kurzfristig zu prüfen, ob das Angebot außergewöhnlich niedrig ist–Vorrang der Interessen des abgelehnten Bieters

(Art. 278 AEUV; Verordnung Nr. 1268/2012 der Kommission, Art. 151 Abs. 1)

(vgl. Rn. 78, 85-88)

Gegenstand

Antrag gemäß den Art. 278 und 279 AEUV auf Aussetzung des Vollzugs des Beschlusses des Parlaments vom 24. November 2017, mit dem das Angebot der Antragstellerin abgelehnt wurde und der Auftrag hinsichtlich eines Rahmenvertrags über Generalunternehmerleistungen für die Gebäude des Parlaments in Brüssel (Belgien) (Ausschreibung 06/D 20/2017/M036) an fünf Bieter vergeben wurde, sowie auf Anordnung gegenüber dem Parlament, verschiedene Unterlagen vorzulegen

Tenor

1. 

Der Vollzug des Beschlusses des Europäischen Parlaments vom 24. November 2017, mit dem das Angebot der Strabag Belgium abgelehnt wurde und der Auftrag hinsichtlich eines Rahmenvertrags über Generalunternehmerleistungen für die Gebäude des Parlaments in Brüssel (Belgien) (Ausschreibung 06/D 20/2017/M036) an fünf Bieter vergeben wurde, wird ausgesetzt.

2. 

Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

3. 

Der Beschluss vom 6. Dezember 2017, Strabag Belgium/Parlament (T‑784/17 R), wird aufgehoben.

4. 

Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.