Verbundene Rechtssachen C‑142/17 und C‑143/17
Manuela Maturi u. a.
gegen
Fondazione Teatro dell’Opera di Roma,
Fondazione Teatro dell’Opera di Roma
gegen
Manuela Maturi u. a.
und
Catia Passeri
gegen
Fondazione Teatro dell’Opera di Roma
(Vorabentscheidungsersuchen der Corte suprema di cassazione)
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs – Sozialpolitik – Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen – Richtlinie 2006/54/EG – Nationale Regelung, nach der Bühnenarbeitnehmer, die das Rentenalter erreicht haben, ihre Tätigkeit übergangsweise bis zu dem zuvor für einen Rentenanspruch vorgesehenen Alter von 47 Jahren für Frauen und 52 Jahren für Männer weiter ausüben können“
Leitsätze – Beschluss des Gerichtshofs (Zehnte Kammer) vom 7. Februar 2018
Sozialpolitik – Männliche und weibliche Arbeitnehmer – Zugang zur Beschäftigung und Arbeitsbedingungen – Gleichbehandlung – Richtlinie 2006/54 – Nationale Regelung, nach der Bühnenarbeitnehmer, die das Rentenalter erreicht haben, ihre Tätigkeit übergangsweise bis zu dem von der vorherigen Rentenregelung für einen Rentenanspruch vorgesehenen Alter weiter ausüben können – Nach dem Geschlecht differenzierte Festsetzung des Alters, ab dem ein Anspruch auf diese Rente besteht – Unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts – Unzulässigkeit
(Richtlinie 2006/54 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 2 Abs. 1 Buchst. b und 14 Abs. 1 Buchst. c)
Art. 14 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen ist dahin auszulegen, dass eine nationale Regelung wie Art. 3 Abs. 7 des in das Gesetz Nr. 100 vom 29. Juni 2010 umgewandelten Gesetzesdekrets Nr. 64 vom 30. April 2010 in seiner auf den Sachverhalt der Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung, nach der als Tänzer beschäftigte Arbeitnehmer, die das in dieser Regelung für Frauen und für Männer auf 45 Jahre festgesetzte Renteneintrittsalter erreicht haben, während einer Übergangszeit von zwei Jahren eine Option wahrnehmen können, die ihnen die weitere Ausübung ihrer Berufstätigkeit ermöglicht, bis sie die in der zuvor geltenden Regelung vorgesehene Altersgrenze für die Weiterbeschäftigung von 47 Jahren für Frauen und 52 Jahren für Männer erreichen, eine nach dieser Richtlinie verbotene unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts schafft.
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2006/54 eine Unterscheidung zwischen unmittelbaren Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts einerseits und den als „mittelbar“ bezeichneten Diskriminierungen andererseits in dem Sinne trifft, dass Erstere nicht durch ein rechtmäßiges Ziel gerechtfertigt werden können. Dagegen können Vorschriften, Kriterien oder Verfahren, die mittelbare Diskriminierungen darstellen können, nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie der Einstufung als Diskriminierung entgehen, wenn sie „durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel … zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich [sind]“ (Urteil vom 18. November 2010, Kleist,C‑356/09, EU:C:2010:703, Rn. 41).
Somit kann eine Ungleichbehandlung wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende nicht mit der Absicht gerechtfertigt werden, die betreffenden Arbeitnehmer mit keiner plötzlichen restriktiven Änderung der früheren Regelung für die Weiterbeschäftigung zu konfrontieren.
(vgl. Rn. 38-40 und Tenor)