URTEIL DES GERICHTSHOFS (Sechste Kammer)

8. November 2018 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Geplante Veräußerung von Aktien einer Enkelgesellschaft – Ausgaben für im Hinblick auf diese Veräußerung bezogene Dienstleistungen – Nicht durchgeführte Veräußerung – Antrag auf Vorsteuerabzug – Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer“

In der Rechtssache C‑502/17

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Vestre Landsret (Landgericht der Region West, Dänemark) mit Entscheidung vom 15. August 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 18. August 2017, in dem Verfahren

C&D Foods Acquisition ApS

gegen

Skatteministeriet

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Ersten Kammer J.‑C. Bonichot in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Sechsten Kammer sowie der Richter A. Arabadjiev und C. G. Fernlund (Berichterstatter),

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der C&D Foods Acquisition ApS, vertreten durch T. Frøbert und K. Bastian, advokater,

der dänischen Regierung, vertreten durch J. Nymann-Lindegren als Bevollmächtigten im Beistand von D. Auken, advokat,

der Europäischen Kommission, vertreten durch R. Lyal und N. Gossement als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 6. September 2018

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1).

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der C&D Foods Acquisition ApS (im Folgenden: C&D Foods) und dem Skatteministerium (Finanzministerium, Dänemark) wegen dessen Weigerung, ihr den Abzug der Vorsteuer zu gestatten, die sie auf Beratungsleistungen entrichtet hatte, die sie im Rahmen einer geplanten, aber nicht durchgeführten Veräußerung von Aktien einer Enkelgesellschaft, der sie Verwaltungs- und IT‑Dienstleistungen erbrachte, in Anspruch genommen hatte.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3

Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 bestimmt:

„Der Mehrwertsteuer unterliegen folgende Umsätze:

c)

Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt;

…“

4

Art. 9 Abs. 1 dieser Richtlinie lautet:

„(1) Als ‚Steuerpflichtiger‘ gilt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbstständig ausübt.

Als ‚wirtschaftliche Tätigkeit‘ gelten alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt insbesondere die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen.“

5

Art. 168 der Richtlinie 2006/112 sieht vor:

„Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige berechtigt, in dem Mitgliedstaat, in dem er diese Umsätze bewirkt, vom Betrag der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:

a)

die in diesem Mitgliedstaat geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht wurden oder werden;

…“

Dänisches Recht

6

Zu dem im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt ergaben sich die einschlägigen Bestimmungen des Momslov (Mehrwertsteuergesetz) aus der Gesetzesbekanntmachung Nr. 966 vom 14. Oktober 2005 in geänderter Fassung (im Folgenden: Mehrwertsteuergesetz).

7

§ 3 Abs. 1 des Mehrwertsteuergesetzes bestimmt:

„Steuerpflichtige sind juristische oder natürliche Personen, die selbständig eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben.“

8

§ 4 Abs. 1 dieses Gesetzes sieht vor:

„Als Lieferung eines Gegenstands gilt die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen.“

9

In § 13 Abs. 1 Nr. 11 des Gesetzes heißt es:

„Folgende Waren und Leistungen sind von der Steuer befreit:

11.   folgende finanzielle Aktivitäten:

e)

Umsätze – einschließlich der Vermittlung, jedoch nicht der Verwahrung und der Verwaltung –, die sich auf Wertpapiere beziehen, mit Ausnahme von Warenpapieren und sonstigen Papieren, die bestimmte Rechte, insbesondere Nutzungsrechte, an Grundstücken geben, sowie von Anteilrechten und Aktien, deren Besitz rechtlich oder tatsächlich das Eigentums- oder Nutzungsrecht an einem Grundstück oder Grundstücksteil begründet.“

10

§ 37 Abs. 1 des Gesetzes lautet:

„Nach den §§ 47, 49, 51 oder 51 a registrierte Unternehmen können bei der Berechnung der Steuerschuld als Vorsteuer gemäß § 56 Abs. 3 die nach diesem Gesetz vorgesehene Steuer auf den Erwerb usw. von Waren und Dienstleistungen abziehen, die ausschließlich für nicht nach § 13 von der Steuer befreite Lieferungen des Unternehmens, darunter Lieferungen im Ausland (vgl. allerdings Abs. 6), verwendet werden.“

11

Das vorlegende Gericht führt aus, dass nach der Praxis der SKAT (dänische Steuerverwaltung) eine Holdingmuttergesellschaft, die in die Verwaltung einer Tochtergesellschaft eingegriffen hat, kein Recht auf Abzug der Mehrwertsteuer auf Beratungskosten im Zusammenhang mit der Veräußerung der Anteile am Gesellschaftskapital der Tochtergesellschaft hat, und zwar auch dann nicht, wenn es um die Veräußerung sämtlicher Anteile geht, da eine solche Veräußerung nach § 13 Abs. 1 Nr. 11 Buchst. e von der Steuer befreit ist.

12

Habe es sich beim vorausgehenden Erwerb und Besitz der Anteile an der Tochtergesellschaft um eine wirtschaftliche Tätigkeit gehandelt, stelle die Veräußerung dieser Anteile durch die Holdinggesellschaft nach Auffassung der SKAT einen steuerbefreiten Umsatz dar. Die Vorsteuer auf die mit dieser Veräußerung verbundenen Kosten sei daher nicht abzugsfähig.

13

Ein Recht auf Abzug der Vorsteuer auf die Beratungskosten im Zusammenhang mit der Veräußerung von Anteilen an einer Tochtergesellschaft könne jedoch dann bestehen, wenn diese Kosten als Teil der Gemeinkosten der wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen angesehen werden könnten. Dies setze voraus, dass die getätigten Ausgaben als Kostenelemente der auf die wirtschaftliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen entfallenden Umsätze angesehen werden könnten. Fänden die Ausgaben dagegen Eingang in den Preis der veräußerten Gesellschaftsanteile, bestehe insoweit kein Abzugsrecht. Nach Auffassung der SKAT hängt das Abzugsrecht von einer konkreten Beurteilung der Frage ab, ob die getätigten Ausgaben Eingang in den Preis der veräußerten Aktien finden können oder ausschließlich Teil der Kostenelemente der auf die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen entfallenden Umsätze sind.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

14

C&D Foods, eine Gesellschaft dänischen Rechts, gehört zu dem internationalen Konzern Arovit (im Folgenden: Arovit-Konzern). Sie war die Muttergesellschaft der Arovit Holding A/S, ebenfalls eine Gesellschaft dänischen Rechts, die Eigentümerin der Arovit Petfood war, die wiederum Eigentümerin der übrigen Gesellschaften des Konzerns war.

15

Vor dem 1. März 2007 bestand die Haupttätigkeit von C&D Foods darin, Muttergesellschaft von Arovit Holding zu sein. Am 1. März 2007 traf C&D Foods eine Verwaltungsvereinbarung mit ihrer Enkelgesellschaft Arovit Petfood über die Erbringung von Verwaltungs- und IT‑Dienstleistungen. Gemäß dieser Vereinbarung stellte C&D Foods ihre Leistungen Arovit Petfood monatlich in Rechnung, und zwar auf der Grundlage ihrer Personalkosten zuzüglich eines Aufschlags von 10 % und der Mehrwertsteuer.

16

Am 13. August 2008 übernahm das isländische Kreditinstitut Kaupthing Bank den Arovit-Konzern für einen Euro, als das Darlehen, das sie dem damaligen Eigentümer des Konzerns gewährt hatte, notleidend wurde. Da Kaupthing Bank beabsichtigte, sämtliche Aktien von Arovit Petfood zu veräußern, um nicht mehr Gläubiger dieses Konzerns zu sein, schloss sie im Zeitraum Dezember 2008 bis März 2009 für Rechnung von C&D Foods zahlreiche Beraterverträge im Zusammenhang mit der geplanten Veräußerung (im Folgenden: streitige Dienstleistungen).

17

Nachdem C&D Foods im Jahr 2009 Ausgaben für dieses Vorhaben getätigt hatte, zog sie die darauf entfallende Vorsteuer ab. Die Verkaufsbemühungen wurden im Spätsommer/Herbst des Jahres 2009 aufgegeben, da sich kein Käufer fand.

18

Die SKAT versagte C&D Foods mit Entscheidung vom 26. Januar 2012 den Vorsteuerabzug für die auf die streitigen Dienstleistungen entfallenden Ausgaben. Die Entscheidung wurde vom Landsskatteret (Nationale Steuerkommission, Dänemark) u. a. mit der Begründung bestätigt, dass diese Ausgaben keinen hinreichenden Bezug zu den mehrwertsteuerpflichtigen Umsätzen von C&D Foods aufwiesen.

19

C&D Foods focht die Entscheidung vor dem Ret i Esbjerg (Gericht Esbjerg, Dänemark) an, das die Rechtssache wegen ihres grundsätzlichen Charakters an das Vestre Landsret (Landgericht der Region West, Dänemark) verwies.

20

Dieses Gericht fragt sich, ob eine Holdinggesellschaft die Vorsteuer auf Ausgaben für eine geplante, aber nicht durchgeführte Veräußerung von Aktien einer Enkelgesellschaft, der sie Verwaltungs- und IT‑Dienstleistungen erbringt, abziehen kann.

21

Unter diesen Umständen hat das Vestre Landsret (Landgericht der Region West) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.

Ist Art. 168 der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen, dass eine Holdinggesellschaft unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens zum vollen Abzug der Mehrwertsteuer auf Eingangsleistungen im Zusammenhang mit „Due diligence“-Untersuchungen vor einer geplanten, aber nicht durchgeführten Veräußerung von Anteilen an einer Tochtergesellschaft berechtigt ist, der sie mehrwertsteuerpflichtige Verwaltungs- und IT‑Dienstleistungen erbringt?

2.

Ist es für die Beantwortung der vorstehenden Frage von Bedeutung, dass der Preis für die mehrwertsteuerpflichtigen Verwaltungs- und IT‑Dienstleistungen, die die Holdinggesellschaft im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit erbringt, so festgesetzt ist, dass er ihren Lohnkosten zuzüglich eines „mark-up“ von 10 % entspricht?

3.

Kann unabhängig von der Beantwortung der vorstehenden Fragen ein Vorsteuerabzugsrecht für die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Beratungskosten als Gemeinkosten bestehen und, wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?

Zu den Vorlagefragen

22

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Vorlagefragen dem vorlegenden Gericht zufolge nicht die Frage betreffen, wer der richtige Träger der Aufwendungen für die streitigen Dienstleistungen war, sondern nur das Recht, die auf diese Ausgaben entfallende Mehrwertsteuer unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens abzuziehen.

23

Hierzu ist festzustellen, dass, wie die Generalanwältin in Nr. 16 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, das Recht auf Vorsteuerabzug nach Art. 168 der Richtlinie 2006/112 voraussetzt, dass der Steuerpflichtige der Empfänger der betreffenden Lieferungen oder Dienstleistungen ist.

24

Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten des Ausgangsverfahrens ergibt sich, dass Kaupthing Bank für Rechnung von C&D Foods Beratungsleistungen in Anspruch genommen hat, um die Veräußerung der an Arovit Petfood gehaltenen Aktien vorzubereiten. Der Erlös aus dieser geplanten Veräußerung hätte es Kaupthing Bank ermöglichen sollen, nicht mehr Gläubiger des Arovit-Konzerns zu sein.

25

Da aus der Vorlage zur Vorabentscheidung hervorgeht, dass C&D Foods Empfängerin zumindest einiger der streitigen Dienstleistungen war und das vorlegende Gericht zudem erläutert hat, warum es eine Beantwortung der Vorlagefragen für erforderlich hält, scheinen diese Fragen nicht hypothetischer Natur zu sein.

26

Sodann ist, um die Vorlagefragen beantworten zu können, vorab zu bestimmen, ob eine Veräußerung von Aktien wie die im Ausgangsverfahren fragliche eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellt, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2006/112 fällt.

27

Es ist daher davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht mit diesen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, im Wesentlichen wissen möchte, ob die Art. 2, 9 und 168 der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen sind, dass eine geplante, aber nicht durchgeführte Veräußerung von Aktien wie die im Ausgangsverfahren fragliche in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2006/112 fällt, und, wenn dies der Fall ist, zu bestimmen, ob diese Vorschriften einer Gesellschaft das Recht auf Abzug der Vorsteuer, die auf Ausgaben im Zusammenhang mit der Veräußerung von Aktien einer Enkelgesellschaft entrichtet wurde, der diese Gesellschaft mehrwertsteuerpflichtige Verwaltungsleistungen erbringt, einräumen, obwohl der Verkaufserlös zur Tilgung einer fälligen Schuld dienen sollte, und gegebenenfalls, wie weit dieser Abzug reicht.

28

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass mit der am 1. Januar 2007 in Kraft getretenen Richtlinie 2006/112 die Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. 1977, L 145, S. 1) aufgehoben wurde, ohne dass ihr gegenüber wesentliche Änderungen vorgenommen wurden. Da die maßgeblichen Bestimmungen der Richtlinie 2006/112 inhaltlich im Wesentlichen mit denen der Sechsten Richtlinie 77/388 übereinstimmen, ist die zu Letzterer ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs auch für die Richtlinie 2006/112 einschlägig.

29

Nach Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112, der den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer festlegt, unterliegen lediglich diejenigen im Inland ausgeführten Tätigkeiten dieser Steuer, die wirtschaftlicher Natur sind. Nach Art. 9 dieser Richtlinie gilt als Steuerpflichtiger, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbständig ausübt. Aus diesem Art. 9 geht ferner hervor, dass der Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden, insbesondere die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen, erfasst (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Oktober 2009, SKF,C‑29/08, EU:C:2009:665, Rn. 27).

30

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist eine Gesellschaft, deren einziger Zweck der Erwerb von Beteiligungen an anderen Unternehmen ist, ohne dass sie unmittelbar oder mittelbar in die Verwaltung dieser Gesellschaften eingreift, kein Mehrwertsteuerpflichtiger im Sinne von Art. 9 der Richtlinie 2006/112 und somit nicht zum Vorsteuerabzug gemäß Art. 168 dieser Richtlinie berechtigt. Der bloße Erwerb und das bloße Halten von Aktien stellen für sich genommen nämlich keine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der Richtlinie 2006/112 dar, die den Erwerber bzw. Inhaber zum Steuerpflichtigen machen würde, da diese Vorgänge nicht die Nutzung eines Gegenstands zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen beinhalten, weil das einzige Entgelt aus ihnen in einem etwaigen Gewinn beim Verkauf dieser Aktien liegt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 29. Oktober 2009, SKF,C‑29/08, EU:C:2009:665, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 17. Oktober 2018, Ryanair,C‑249/17, EU:C:2018:834, Rn. 16).

31

Insoweit hat der Gerichtshof klargestellt, dass nur Zahlungen, die die Gegenleistung für einen Umsatz oder eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellen, in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen und dass dies nicht auf Zahlungen zutrifft, die auf dem bloßen Eigentum an einem Gegenstand beruhen, wie dies bei Dividenden oder anderen Erträgen von Aktien der Fall ist (Urteil vom 29. Oktober 2009, SKF,C‑29/08, EU:C:2009:665, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

32

Etwas anderes gilt jedoch, wenn die finanzielle Beteiligung an einem anderen Unternehmen unbeschadet der Rechte, die dem Anteilseigner in seiner Eigenschaft als Aktionär oder Gesellschafter zustehen, mit unmittelbaren oder mittelbaren Eingriffen in die Verwaltung der Gesellschaft einhergeht, an der die Beteiligung begründet worden ist, soweit ein solcher Eingriff die Vornahme von Umsätzen einschließt, die gemäß Art. 2 der Richtlinie 2006/112 der Mehrwertsteuer unterliegen, wie die Erbringung von Verwaltungs-, Buchhaltungs- und IT‑Dienstleistungen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Oktober 2009, SKF,C‑29/08, EU:C:2009:665, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33

Außerdem geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass sich auf Aktien oder Anteile an einer Gesellschaft beziehende Umsätze in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen, wenn sie im Rahmen des gewerbsmäßigen Wertpapierhandels oder zum Zweck des unmittelbaren oder mittelbaren Eingreifens in die Verwaltung der Gesellschaften erfolgen, an denen die Beteiligung begründet worden ist, oder wenn sie eine unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung einer steuerbaren Tätigkeit darstellen (Urteil vom 29. Oktober 2009, SKF,C‑29/08, EU:C:2009:665, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34

Zur Frage, ob Ausgaben im Zusammenhang mit einer Aktienveräußerung in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen, ist festzustellen, dass der Gerichtshof diese Frage im Urteil vom 29. Oktober 2009, SKF (C‑29/08, EU:C:2009:665), in Bezug auf Ausgaben zu prüfen hatte, die eine Muttergesellschaft im Zusammenhang mit der Veräußerung der Aktien einer Tochtergesellschaft und einer beherrschten Gesellschaft tätigte, denen sie als Muttergesellschaft mehrwertsteuerpflichtige Dienstleistungen erbrachte.

35

Der Gerichtshof hat in Rn. 33 des Urteils vom 29. Oktober 2009, SKF (C‑29/08, EU:C:2009:665), ausgeführt, dass in einem solchen Kontext eine Veräußerung, die zur Umstrukturierung eines Konzerns durch die Muttergesellschaft erfolgte, als ein Vorgang betrachtet werden konnte, der darin bestand, nachhaltig Einnahmen aus Tätigkeiten, die über den bloßen Verkauf von Aktien hinausgingen, zu erzielen. Der Gerichtshof hat daher festgestellt, dass dieser Vorgang eine direkte Verbindung zur Organisation der Tätigkeit aufwies, die der Konzern ausübte, und somit eine unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung der steuerbaren Tätigkeit des Steuerpflichtigen darstellte und folglich in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fiel.

36

Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs geht ferner hervor, dass die Feststellung, ob ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen den verwendeten Gegenständen oder Dienstleistungen und einem Ausgangsumsatz oder ausnahmsweise einem Eingangsumsatz besteht, anhand ihres objektiven Inhalts zu treffen ist (Urteil vom 21. Februar 2013, Becker,C‑104/12, EU:C:2013:99, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37

In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof präzisiert, dass der ausschließliche Entstehungsgrund des fraglichen Umsatzes berücksichtigt werden kann, da dieser als ein Kriterium für die Bestimmung des objektiven Inhalts anzusehen ist. Steht fest, dass ein Umsatz nicht für die Zwecke der der Steuer unterliegenden Tätigkeiten eines Steuerpflichtigen getätigt wurde, kann daher nicht von einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang zwischen ihm und diesen Tätigkeiten im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs ausgegangen werden, selbst wenn dieser Umsatz auch in Anbetracht seines objektiven Inhalts mehrwertsteuerpflichtig ist (Urteil vom 21. Februar 2013, Becker,C‑104/12, EU:C:2013:99, Rn. 29).

38

Daraus folgt, dass eine Aktienveräußerung grundsätzlich nur dann in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fällt, wenn sie ihren ausschließlichen unmittelbaren Entstehungsgrund in der steuerbaren wirtschaftlichen Tätigkeit der fraglichen Muttergesellschaft hat oder eine unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung dieser Tätigkeit darstellt. Dies ist dann der Fall, wenn die Veräußerung erfolgt, um den daraus erzielten Erlös direkt für die steuerbare wirtschaftliche Tätigkeit der Muttergesellschaft oder die wirtschaftliche Tätigkeit der Gruppe, deren Muttergesellschaft sie ist, zu verwenden.

39

Im vorliegenden Fall geht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervor, dass der Zweck der im Ausgangsverfahren fraglichen Aktienveräußerung darin lag, den Erlös aus dieser Veräußerung zur Tilgung der gegenüber Kaupthing Bank, der neuen Eigentümerin des Arovit-Konzerns, bestehenden Verbindlichkeiten zu verwenden. Eine solche Veräußerung lässt sich, wie in der vorstehenden Randnummer ausgeführt, weder als ein Umsatz ansehen, der seinen ausschließlichen unmittelbaren Entstehungsgrund in der steuerbaren wirtschaftlichen Tätigkeit von C&D Foods hat, noch als ein Umsatz, der eine unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung der steuerbaren wirtschaftlichen Tätigkeit dieser Gesellschaft darstellt. Unter diesen Umständen stellt diese Veräußerung keinen Umsatz dar, der darin besteht, nachhaltig Einnahmen aus Tätigkeiten, die über den bloßen Verkauf von Aktien hinausgehen, zu erzielen und fällt damit nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer. Daraus folgt, dass die auf die streitigen Dienstleistungen entfallende Mehrwertsteuer nicht abzugsfähig ist.

40

Dieser Schluss wird nicht schon dadurch in Frage gestellt, dass ein etwaiger Verkauf der Aktien von Arovit Petfood zu einer Übertragung der ihr von C&D Foods erbrachten Verwaltungs- und IT‑Dienstleistungen geführt hätte. Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten ergibt sich nämlich, dass Kaupthing Bank die Aktien von Arovit Petfood auf jeden Fall verkaufen wollte. Daher wären die Ausgaben für die streitigen Dienstleistungen auch dann entstanden, wenn C&D Foods Arovit Petfood keine Verwaltungs- und IT‑Dienstleistungen erbracht hätte. Eine etwaige Übertragung der im Ausgangsverfahren fraglichen Dienstleistungen kann daher nicht ihren ausschließlichen unmittelbaren Entstehungsgrund in der wirtschaftlichen Tätigkeit von C&D Foods haben.

41

Schließlich wird dieser Schluss auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die geplante Veräußerung nicht durchgeführt wurde. Denn in diesem Zusammenhang ist entscheidend, dass die Ausgaben für die streitigen Dienstleistungen selbst dann, wenn diese Veräußerung erfolgt wäre, nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer gefallen wären und damit kein Recht auf Vorsteuerabzug hätten eröffnen können.

42

Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass die Art. 2, 9 und 168 der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen sind, dass eine geplante, aber nicht durchgeführte Veräußerung von Aktien wie die im Ausgangsverfahren fragliche, die nicht ihren ausschließlichen unmittelbaren Entstehungsgrund in der steuerbaren wirtschaftlichen Tätigkeit der betreffenden Gesellschaft hat oder nicht eine unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung dieser wirtschaftlichen Tätigkeit darstellt, nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fällt.

Kosten

43

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) für Recht erkannt:

 

Die Art. 2, 9 und 168 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sind dahin auszulegen, dass eine geplante, aber nicht durchgeführte Veräußerung von Aktien wie die im Ausgangsverfahren fragliche, die nicht ihren ausschließlichen unmittelbaren Entstehungsgrund in der steuerbaren wirtschaftlichen Tätigkeit der betreffenden Gesellschaft hat oder nicht eine unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung dieser wirtschaftlichen Tätigkeit darstellt, nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fällt.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Dänisch.