Rechtssache C‑298/17

France Télévisions SA

gegen

Playmédia und Rat supérieur de l’audiovisuel (CSA)

(Vorabentscheidungsersuchen des Conseil d’État [Frankreich])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 2002/22/EG – Elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste – Universaldienst und Nutzerrechte – Unternehmen, das ein für die öffentliche Verbreitung von Hör- und Fernsehrundfunkkanälen genutztes elektronisches Kommunikationsnetz betreibt – Unternehmen, das die Echtzeitübertragung (Live-Streaming) von Fernsehprogrammen im Internet anbietet – Übertragungspflicht“

Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Vierte Kammer) vom 13. Dezember 2018

  1. Rechtsangleichung – Elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste – Universaldienst und Nutzerrechte – Richtlinie 2002/22 – Öffentliche Verbreitung von Hör- und Fernsehrundfunkkanälen – Zumutbare Übertragungspflichten – Geltungsbereich – Unternehmen, das die Echtzeitübertragung (Live-Streaming) von Fernsehprogrammen im Internet anbietet – Ausschluss

    (Richtlinie 2002/22 des Europäischen Parlaments und des Rates in der durch die Richtlinie 2009/136 geänderten Fassung, 5. Erwägungsgrund und Art. 31 Abs. 1)

  2. Rechtsangleichung – Elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste – Universaldienst und Nutzerrechte – Richtlinie 2002/22 – Öffentliche Verbreitung von Hör- und Fernsehrundfunkkanälen – Zumutbare Übertragungspflichten – Geltungsbereich – Möglichkeit der Mitgliedstaaten, die Übertragungspflichten auf von der Richtlinie nicht erfasste Unternehmen zu erstrecken

    (Art. 56 AEUV; Richtlinie 2002/22 des Europäischen Parlaments und des Rates in der durch die Richtlinie 2009/136 geänderten Fassung, Art. 1 Abs. 3 und 31 Abs. 4)

  1.  Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und ‑diensten (Universaldienstrichtlinie) in der durch die Richtlinie 2009/136/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass ein Unternehmen, das die Echtzeitübertragung von Fernsehprogrammen im Internet anbietet, nicht als ein Unternehmen anzusehen ist, das ein für die öffentliche Verbreitung von Hör- und Fernsehrundfunkkanälen genutztes elektronisches Kommunikationsnetz betreibt.

    Aus dem fünften Erwägungsgrund der Rahmenrichtlinie geht aber klar hervor, dass es notwendig ist, die Regulierung der Übertragung von der Regulierung von Inhalten zu trennen und dass der gemeinsame Rechtsrahmen, zu dem die Universaldienstrichtlinie gehört, nicht die Inhalte von Diensten betrifft, die über elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste bereitgestellt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. November 2013, UPC Nederland, C‑518/11, EU:C:2013:709, Rn. 38).

    (vgl. Rn. 20, 22, Tenor 1)

  2.  Die Bestimmungen der Richtlinie 2002/22 in der durch die Richtlinie 2009/136 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass sie einen Mitgliedstaat nicht daran hindern, in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens Unternehmen, die – ohne elektronische Kommunikationsnetze bereitzustellen – im Internet die Echtzeitübertragung von Fernsehprogrammen anbieten, eine Übertragungspflicht aufzuerlegen.

    In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass gemäß Art. 1 Abs. 3 der Rahmenrichtlinie die von der Union oder den Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Unionsrecht getroffenen Maßnahmen zur Verfolgung von Zielen, die im Interesse der Allgemeinheit liegen, insbesondere in Bezug auf die Regulierung von Inhalten und die audiovisuelle Politik, von den zum gemeinsamen Rechtsrahmen gehörenden Richtlinien unberührt bleiben. Demnach steht es den Mitgliedstaaten nach der Universaldienstrichtlinie frei, Übertragungspflichten aufzuerlegen, die über die in Art. 31 Abs. 1 dieser Richtlinie vorgesehenen hinausgehen, u. a. Unternehmen, die – ohne elektronische Kommunikationsnetze bereitzustellen – die Echtzeitübertragung von Fernsehprogrammen im Internet anbieten. Die Mitgliedstaaten müssen aber das Unionsrecht und insbesondere die in Art. 56 AEUV verankerten Vorschriften über den freien Dienstleistungsverkehr beachten, wenn sie Unternehmen, die nicht unter Art. 31 Abs. 1 der Universaldienstrichtlinie fallen, Übertragungspflichten auferlegen.

    (vgl. Rn. 25, 27, 29, 36, Tenor 2)