URTEIL DES GERICHTSHOFS (Achte Kammer)
19. Dezember 2018 ( *1 )
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 2004/18/EG – Art. 1 Abs. 5 – Art. 32 Abs. 2 – Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge – Rahmenvereinbarungen – Klausel zur Erweiterung der Rahmenvereinbarung auf andere öffentliche Auftraggeber – Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung der Wirtschaftsteilnehmer – Fehlende Bestimmung der Menge der öffentlichen Folgeaufträge oder Bestimmung unter Bezugnahme auf den normalen Bedarf der die Rahmenvereinbarung nicht unterzeichnenden öffentlichen Auftraggeber – Verbot“
In der Rechtssache C‑216/17
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) mit Entscheidung vom 9. März 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 24. April 2017, in dem Verfahren
Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato – Antitrust,
Coopservice Soc. coop. arl
gegen
Azienda Socio-Sanitaria Territoriale della Vallecamonica – Sebino (ASST),
Azienda Socio-Sanitaria Territoriale del Garda (ASST),
Azienda Socio-Sanitaria Territoriale della Valcamonica (ASST),
Beteiligte:
Markas Srl,
ATI – Zanetti Arturo & C. Srl e in proprio,
Regione Lombardia,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung des Richters J. Malenovský in Wahrnehmung der Aufgaben des Kammerpräsidenten sowie der Richter M. Safjan und D. Šváby (Berichterstatter),
Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,
Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. Juli 2018,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– |
der Coopservice Soc. coop. arl, vertreten durch P. S. Pugliano, avvocato, |
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der Markas Srl, vertreten durch F. G. Scoca, P. Adami und I. Tranquilli, avvocati, |
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der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von B. Tidore und P. Palmieri, avvocati dello Stato, |
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der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, J. Vláčil und T. Müller als Bevollmächtigte, |
– |
der österreichischen Regierung, vertreten durch M. Fruhmann als Bevollmächtigten, |
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der finnischen Regierung, vertreten durch S. Hartikainen als Bevollmächtigten, |
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der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Gattinara und P. Ondrůšek als Bevollmächtigte, |
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 3. Oktober 2018
folgendes
Urteil
1 |
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 5 und Art. 32 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. 2004, L 134, S. 114, Berichtigung ABl. 2004, L 351, S. 44) und von Art. 33 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18 (ABl. 2014, L 94, S. 65). |
2 |
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen zweier vom vorlegenden Gericht verbundener Klagen, nämlich erstens der Autorità Garante della Concorrenza e del mercato (Wettbewerbsbehörde, Italien, im Folgenden: AGCM) und zweitens der Coopservice Soc. Coop. arl jeweils gegen die Azienda Socio-Sanitaria Territoriale della Vallecamonica – Sebino (regionale Gesundheitseinrichtung des Valcamonica – Sebino, Italien, im Folgenden: ASST Valcamonica) wegen deren Entscheidung, einem Vertrag über die Dienste der Krankenhausreinigung sowie der Sammlung und Entsorgung von Abfall (im Folgenden: ursprünglicher Vertrag) beizutreten, der 2012 von der Azienda Socio-Sanitaria Territoriale del Garda (regionale Gesundheitseinrichtung Gardasee, Italien, im Folgenden: ASST Gardasee) mit der ATI – Zanetti Arturo & C. Srl, einer Bietergemeinschaft von Unternehmen, zu der die Markas Srl und Zanetti Arturo gehören (im Folgenden: ATE Markas), geschlossen worden war. |
Rechtlicher Rahmen
Richtlinie 2004/18
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In den Erwägungsgründen 11 und 15 der Richtlinie 2004/18 heißt es:
…
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Art. 1 („Definitionen“) Abs. 5 dieser Richtlinie bestimmt: „Eine ‚Rahmenvereinbarung‘ ist eine Vereinbarung zwischen einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern und einem oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern, die zum Ziel hat, die Bedingungen für die Aufträge, die im Laufe eines bestimmten Zeitraums vergeben werden sollen, festzulegen, insbesondere in Bezug auf den Preis und gegebenenfalls die in Aussicht genommene Menge.“ |
5 |
Art. 2 („Grundsätze für die Vergabe von Aufträgen“) dieser Richtlinie lautet: „Die öffentlichen Auftraggeber behandeln alle Wirtschaftsteilnehmer gleich und nichtdiskriminierend und gehen in transparenter Weise vor.“ |
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In Art. 9 („Methoden zur Berechnung des geschätzten Wertes von öffentlichen Aufträgen, von Rahmenvereinbarungen und von dynamischen Beschaffungssystemen“) dieser Richtlinie heißt es: „(1) Grundlage für die Berechnung des geschätzten Auftragswertes ist der Gesamtwert ohne MwSt., der vom öffentlichen Auftraggeber voraussichtlich zu zahlen ist. Bei dieser Berechnung ist der geschätzte Gesamtwert einschließlich aller Optionen und der etwaigen Verlängerungen des Vertrags zu berücksichtigen. … (3) Ein Bauvorhaben oder ein Beschaffungsvorhaben mit dem Ziel, eine bestimmte Menge von Waren und/oder Dienstleistungen zu beschaffen, darf nicht zu dem Zwecke aufgeteilt werden, das Vorhaben der Anwendung dieser Richtlinie zu entziehen. … (7) Bei regelmäßig wiederkehrenden öffentlichen Aufträgen oder Daueraufträgen über Lieferungen oder Dienstleistungen wird der geschätzte Auftragswert wie folgt berechnet:
Die Wahl der Methode zur Berechnung des geschätzten Wertes eines öffentlichen Auftrags darf nicht in der Absicht erfolgen, die Anwendung dieser Richtlinie zu umgehen. … (9) Der zu berücksichtigende Wert einer Rahmenvereinbarung oder eines dynamischen Beschaffungssystems ist gleich dem geschätzten Gesamtwert ohne MwSt. aller für die gesamte Laufzeit der Rahmenvereinbarung oder des dynamischen Beschaffungssystems geplanten Aufträge.“ |
7 |
Art. 32 („Rahmenvereinbarungen“) der Richtlinie bestimmt: „(1) Die Mitgliedstaaten können für die öffentlichen Auftraggeber die Möglichkeit des Abschlusses von Rahmenvereinbarungen vorsehen. (2) Für den Abschluss einer Rahmenvereinbarung befolgen die öffentlichen Auftraggeber die Verfahrensvorschriften dieser Richtlinie in allen Phasen bis zur Zuschlagserteilung der Aufträge, die auf diese Rahmenvereinbarung gestützt sind. Für die Auswahl der Parteien einer Rahmenvereinbarung gelten die Zuschlagskriterien gemäß Artikel 53. Aufträge, die auf einer Rahmenvereinbarung beruhen, werden nach den in den Absätzen 3 und 4 beschriebenen Verfahren vergeben. Diese Verfahren sind nur zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und den Wirtschaftsteilnehmern anzuwenden, die von Anbeginn an an der Rahmenvereinbarung beteiligt sind. Bei der Vergabe der auf einer Rahmenvereinbarung beruhenden Aufträge dürfen die Parteien keinesfalls substanzielle Änderungen an den Bedingungen dieser Rahmenvereinbarung vornehmen; dies ist insbesondere in dem in Absatz 3 genannten Fall zu beachten. Mit Ausnahme von Sonderfällen, in denen dies insbesondere aufgrund des Gegenstands der Rahmenvereinbarung gerechtfertigt werden kann, darf die Laufzeit der Rahmenvereinbarung vier Jahre nicht überschreiten. Der öffentliche Auftraggeber darf das Instrument der Rahmenvereinbarung nicht missbräuchlich oder in einer Weise anwenden, durch die der Wettbewerb behindert, eingeschränkt oder verfälscht wird. (3) Wird eine Rahmenvereinbarung mit einem einzigen Wirtschaftsteilnehmer geschlossen, so werden die auf dieser Rahmenvereinbarung beruhenden Aufträge entsprechend den Bedingungen der Rahmenvereinbarung vergeben. Für die Vergabe der Aufträge kann der öffentliche Auftraggeber den an der Rahmenvereinbarung beteiligten Wirtschaftsteilnehmer schriftlich konsultieren und ihn dabei auffordern, sein Angebot erforderlichenfalls zu vervollständigen. (4) Wird eine Rahmenvereinbarung mit mehreren Wirtschaftsteilnehmern geschlossen, so müssen mindestens drei Parteien beteiligt sein, sofern eine ausreichend große Zahl von Wirtschaftsteilnehmern die Eignungskriterien und/oder eine ausreichend große Zahl von zulässigen Angeboten die Zuschlagskriterien erfüllt. Die Vergabe von Aufträgen, die auf einer mit mehreren Wirtschaftsteilnehmern geschlossenen Rahmenvereinbarung beruhen, erfolgt
…“ |
8 |
Art. 35 („Bekanntmachungen“) dieser Richtlinie sieht in Abs. 4 vor: „Ein öffentlicher Auftraggeber, der einen öffentlichen Auftrag vergeben oder eine Rahmenvereinbarung geschlossen hat, sendet spätestens 48 Tage nach der Vergabe des Auftrags beziehungsweise nach Abschluss der Rahmenvereinbarung eine Bekanntmachung mit den Ergebnissen des Vergabeverfahrens ab. Bei Rahmenvereinbarungen im Sinne von Artikel 32 brauchen die öffentlichen Auftraggeber nicht für jeden Einzelauftrag, der aufgrund dieser Vereinbarung vergeben wird, eine Bekanntmachung mit den Ergebnissen des jeweiligen Vergabeverfahrens abzusenden. …“ |
9 |
In Anhang VII Teil A („Angaben, die in den Bekanntmachungen für öffentliche Aufträge enthalten sein müssen“) der Richtlinie heißt es: „… Bekanntmachung …
…“ |
Italienisches Recht
Nationales Recht
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Art. 1 Abs. 449 letzter Teil der Legge n. 296 (Gesetz Nr. 296) vom 27. Dezember 2006 (Supplemento ordinario Nr. 244 zur GURI Nr. 299 vom 27. Dezember 2006) bestimmt: „Die Einrichtungen des staatlichen Gesundheitsdienstes sind in jedem Fall verpflichtet, beim Einkauf von den Vereinbarungen Gebrauch zu machen, die von den zuständigen regionalen Stellen abgeschlossen wurden, oder, wenn keine regionalen Vereinbarungen in Kraft sind, von den Rahmenvereinbarungen Gebrauch zu machen, die die Consip SpA (zentrale Beschaffungsstelle der italienischen Verwaltung) abgeschlossen hat.“ |
11 |
Das Decreto legislativo n. 163 (gesetzesvertretendes Dekret Nr. 163) vom 12. April 2006 (Supplemento ordinario Nr. 107 zur GURI Nr. 100 vom 2. Mai 2006) in der für den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens maßgeblichen Fassung hatte u. a. zum Gegenstand, die Richtlinie 2004/18 umzusetzen. |
12 |
Aus Art. 3 Abs. 13 dieses Dekrets ging hervor: „Eine ‚Rahmenvereinbarung‘ ist eine Vereinbarung zwischen einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern und einem oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern, die zum Ziel hat, die Bedingungen für die Aufträge, die im Laufe eines bestimmten Zeitraums vergeben werden sollen, festzulegen, insbesondere in Bezug auf den Preis und gegebenenfalls die in Aussicht genommene Menge.“ |
13 |
Die Funktionsweise einer mit einem einzigen Wirtschaftsteilnehmer geschlossenen Rahmenvereinbarung wurde in Art. 59 dieses Dekrets beschrieben. Diese Bestimmung übernahm in ihren Abs. 2 bis 4 wörtlich Art. 32 Abs. 2 Unterabs. 1 bis 3 und Abs. 3 der Richtlinie 2004/18. Dagegen unterließ sie es, Art. 32 Abs. 2 Unterabs. 4 und 5 dieser Richtlinie umzusetzen, die zum Gegenstand haben, mit Ausnahme von ordnungsgemäß begründeten Sonderfällen die Laufzeit einer Rahmenvereinbarung auf vier Jahre zu begrenzen bzw. den öffentlichen Auftraggebern zu verbieten, von Rahmenvereinbarungen missbräuchlich oder in einer Weise Gebrauch zu machen, durch die der Wettbewerb behindert, eingeschränkt oder verfälscht wird. |
14 |
Art. 1 Abs. 12 des Decreto-legge 6 luglio 2012 n. 95 (Gesetzesdekret Nr. 95 vom 6. Juli 2012, Supplemento ordinario Nr. 141 zur GURI Nr. 156 vom 6. Juli 2012), convertito con modificazioni dalla legge 7 agosto 2012, n. 135 (mit Änderungen in Gesetz umgewandelt durch das Gesetz Nr. 135 vom 7. August 2012, Supplemento ordinario Nr. 173 zur GURI Nr. 189 vom 14. August 2012) lässt zur Verbesserung der in der ursprünglichen Ausschreibung festgelegten Vertragsbedingungen eine Änderung der Bedingungen eines öffentlichen Auftrags während seiner Durchführung zu. |
15 |
Nach Art. 15 Abs. 13 Buchst. b dieses Decreto-legge kann ein im Sinne dieser Vorschrift übermäßig teurer Liefer- oder Dienstleistungsauftrag gekündigt werden, um ohne eine neue Ausschreibung einen neuen Vertrag zu schließen, der die Bedingungen übernimmt, die in dem mit anderen Unternehmen geschlossenen in Kraft befindlichen Vertrag enthalten sind. |
Regionales Recht
16 |
In der Lombardei (Italien) verpflichtet Art. 3 Abs. 7 der Legge regionale n. 14 (Regionales Gesetz Nr. 14) vom 19. Mai 1997 die gesamte regionale Verwaltung, von zentralisierten Formen der Beschaffung, insbesondere der regionalen Beschaffungsstelle, Gebrauch zu machen. |
17 |
Der Beschluss des Regionalrats Nr. 2633 vom 6. Dezember 2011 wiederholt die Verpflichtung der ASST, sich Sammelbestellungen anzuschließen und auf die Beschaffungsstellen zurückzugreifen. |
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
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Der Ausgangsrechtsstreit hat seinen Ursprung im Dekret Nr. 1158/2015, das am 30. Dezember 2015 vom Generaldirektor der ASST Valcamonica erlassen wurde, um ohne Durchführung eines Verfahrens zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags dem ursprünglichen Vertrag für den Zeitraum zwischen dem 1. Februar 2016 und dem 15. Februar 2021 beizutreten. |
19 |
Zu diesem Zweck verlangte der Generaldirektor der ASST Valcamonica die Erweiterung des öffentlichen Auftrags, der mit dem am 4. November 2011 vom Generaldirektor der ASST Gardasee erlassenen Dekret Nr. 828/2011 (im Folgenden: Dekret Nr. 828/2011) ursprünglich an ATE Markas vergeben worden war. |
20 |
Mit diesem Dekret wurden die Dienste der Reinigung der Räumlichkeiten sowie der Sammlung und der Entsorgung von Abfall für einen Zeitraum von 108 Monaten, d. h. 9 Jahre, vom 16. Februar 2012 bis zum 15. Februar 2021, an ATE Markas vergeben. Nr. 5 des Lastenhefts dieses Auftrags enthielt eine Klausel mit der Überschrift „Erweiterung des Vertrags“ (im Folgenden: Erweiterungsklausel), die einer oder mehreren der in dieser Klausel genannten Einrichtungen erlaubte, vom Zuschlagsempfänger des Auftrags zu verlangen, ihn zu ihren Gunsten zu erweitern, und zwar „zu denselben Bedingungen wie denen des fraglichen Auftrags“. In dieser Klausel, in der u. a. die ASST Valcamonica erwähnt war, hieß es, dass der Zuschlagsempfänger nicht verpflichtet war, den Antrag auf Erweiterung anzunehmen. Außerdem bildete sich auf der Grundlage dieser Klausel ein „selbständiges Vertragsverhältnis“, das die Restlaufzeit des vom ursprünglichen Vertrag vorgesehenen Auftragszeitraums abdeckte. |
21 |
Coopservice, die bis dahin die Reinigung der Räumlichkeiten der ASST Valcamonica sicherstellte, und die AGCM erhoben jeweils Klage vor dem Tribunale amministrativo regionale della Lombardia (Regionales Verwaltungsgericht der Lombardei, Italien) u. a. auf Nichtigerklärung des Dekrets Nr. 1158/2015, des Dekrets Nr. 828/2011 und der Erweiterungsklausel mit der Begründung, dass diese Rechtsakte die Vergabe eines neuen Dienstleistungsauftrags unter Verstoß gegen die nationalen und europäischen Wettbewerbsregeln und insbesondere gegen die Pflicht, ein Vergabeverfahren durchzuführen, gestatteten. |
22 |
Mit Urteil vom 7. November 2016 wies das Tribunale amministrativo regionale della Lombardia (Regionales Verwaltungsgericht der Lombardei) diese beiden Klagen mit der Begründung ab, dass zwischen einem bestimmten Wirtschaftsteilnehmer und einem einzigen Auftraggeber, der für sich selbst und für andere öffentliche Auftraggeber handele, die in der Vereinbarung zwar genannt würden, aber nicht unmittelbar daran beteiligt seien, eine Rahmenvereinbarung geschlossen werden könne. Außerdem sei es nicht notwendig, dass in einer Rahmenvereinbarung ausdrücklich und von Anfang an die Menge der Leistungen genannt werde, die die Auftraggeber, die sich möglicherweise auf die Erweiterungsklausel beriefen, verlangen könnten, da diese Menge implizit vorhergesehen werden könne, indem man den gewöhnlichen Bedarf heranziehe. |
23 |
Coopservice und AGCM legten daraufhin gegen dieses Urteil beim vorlegenden Gericht, dem Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien), Rechtsmittel ein. |
24 |
Vor diesem macht Markas, die dem Rechtsstreit zur Unterstützung der ASST Valcamonica als Streithelferin beigetreten ist, geltend, dass deren Beitritt zum ursprünglichen Vertrag mit Art. 33 der Richtlinie 2014/24 in Einklang stehe, und beantragt, dem Gerichtshof eine Vorabentscheidungsfrage nach der Auslegung dieser Bestimmung vorzulegen. |
25 |
Hierzu trifft das vorlegende Gericht drei Feststellungen. |
26 |
Erstens sei Art. 32 der Richtlinie 2004/18 auf das Ausgangsverfahren anwendbar. Da es jedoch zum einen feststellt, dass diese Richtlinie durch die Richtlinie 2014/24 mit Wirkung zum 18. April 2016 aufgehoben worden sei und dass die für die Lösung des Rechtsstreits maßgeblichen Bestimmungen dieser Richtlinie mit denen der Richtlinie 2004/18 identisch seien, hält es das vorlegende Gericht für angebracht, die Richtlinie 2004/18 in Verbindung mit der Richtlinie 2014/24 auszulegen. |
27 |
Zweitens hält es das vorlegende Gericht grundsätzlich für zutreffend, den ursprünglichen Vertrag als „Rahmenvereinbarung“ im Sinne der Richtlinien 2004/18 und 2014/24 einzustufen. |
28 |
Drittens habe eine „Rahmenvereinbarung“ im Sinne von Art. 1 Abs. 5 und Art. 32 der Richtlinie 2004/18 zwei Haupteigenschaften. Zum einen müsse der Aufruf zum Wettbewerb im Vorfeld zum Zeitpunkt der Bestimmung des Zuschlagsempfängers erfolgen und sei daher für den Abschluss jedes einzelnen Auftrags, der in Durchführung der Rahmenvereinbarung mit dem Wirtschaftsteilnehmer geschlossen werde, der am Ende des öffentlichen Vergabeverfahrens, das zum Abschluss dieser Rahmenvereinbarung geführt habe, ausgewählt worden sei (im Folgenden: Folgeaufträge), nicht notwendig. Zum anderen müssten in einer Rahmenvereinbarung in Anbetracht des Adverbs „gegebenenfalls“ in Art. 1 Abs. 5 der Richtlinie 2004/18 die Mengen, die sie betreffen werde, nicht genau angegeben werden. |
29 |
Zwar könne der vom Tribunale amministrativo regionale della Lombardia (Regionales Verwaltungsgericht der Lombardei) eingenommene Standpunkt im Hinblick auf das vom italienischen Gesetzgeber unterstützte Ziel der Förderung von Sammelbeschaffungen gerechtfertigt werden, doch sei dieser Standpunkt nicht mit dem Unionsrecht vereinbar. Ferner stellt das vorlegende Gericht fest, dass es zu dieser Frage keine einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs gebe. |
30 |
Hierzu vertritt der Consiglio di Stato (Staatsrat) die Auffassung, dass die vom Tribunale amministrativo regionale della Lombardia (Regionales Verwaltungsgericht der Lombardei) zugrunde gelegte Auslegung des Adverbs „gegebenenfalls“ zu weit gehe. Aus Sicht des vorlegenden Gerichts muss die Erweiterungsklausel zweifach eingeschränkt werden. Auf subjektiver Ebene müsse sie die Auftraggeber nennen, die sich auf sie berufen könnten, während sie auf objektiver Ebene den wirtschaftlichen Wert der eventuellen Erweiterung auch in Form eines Höchstbetrags angeben müsse, wie es in mehreren seiner Urteile entschieden habe. Eine gegenteilige Auslegung würde eine unbegrenzte Folge freihändiger Vergaben legitimieren, die gegen die fundamentalen Grundsätze des Unionsrechts verstoßen würden, wonach öffentliche Aufträge durch öffentliche Vergabeverfahren vergeben würden, und so den Wettbewerb beeinträchtigen würden. |
31 |
Das vorlegende Gericht neigt daher dazu, eine enge Auslegung dieses Adverbs zugrunde zu legen, wonach die Rahmenvereinbarung „gegebenenfalls“ die Menge festlege, die sie betreffen werde. Diese Präzisierung dürfe nur dann weggelassen werden, wenn die Leistungen unter Berücksichtigung der tatsächlichen oder rechtlichen Sachlage, von der die Parteien der in Rede stehenden Rahmenvereinbarung Kenntnis hätten, selbst klar und eindeutig bestimmt und bestimmbar seien, auch wenn sie nicht in ihren Inhalt aufgenommen worden seien. |
32 |
In Beantwortung eines Ersuchens um Klarstellung, das der Gerichtshof gemäß Art. 101 der Verfahrensordnung an das vorlegende Gericht gerichtet hatte, um zu erfahren, aus welchen Gründen es den zwischen dem ursprünglichen Auftragnehmer und ATE Markas geschlossenen Vertrag als Rahmenvereinbarung im Sinne von Art. 1 Abs. 5 und Art. 32 der Richtlinie 2004/18 eingestuft habe, obwohl dieser öffentliche Auftrag für eine Dauer von neun Jahren geschlossen worden sei, erklärte das vorlegende Gericht mit Entscheidung vom 20. Februar 2018, dass es als Verwaltungsgericht durch den Dispositionsgrundsatz gebunden sei und dass eine Feststellung von Amts wegen nur dann zulässig sei, wenn ein Verwaltungsakt besonders schwere Fehler enthalte, die seine Nichtigerklärung rechtfertigten. Nach Angaben des vorlegenden Gerichts „ist offensichtlich auszuschließen, dass eine Dauer von mehr als der gesetzlich vorgesehenen Mindestdauer einen Fehler einer solchen Schwere darstellt, die die Nichtigkeit der Maßnahme rechtfertigen würde und das Gericht daher theoretisch von Amts wegen feststellen könnte“. Zudem weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass der ursprüngliche Vertrag unter Berücksichtigung seines besonderen Gegenstands, den ordnungsgemäßen Betrieb mehrerer Krankenhäuser aufrechtzuerhalten, unter die Ausnahme in Art. 32 Abs. 2 Unterabs. 4 der Richtlinie 2004/18 fallen könnte. |
33 |
Unter diesen Umständen hat der Consiglio di Stato (Staatsrat) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen: |
Zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens
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Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass die Argumentation des vorlegenden Gerichts auf der Prämisse beruht, dass der ursprüngliche Vertrag als „Rahmenvereinbarung“ im Sinne von Art. 1 Abs. 5 und Art. 32 der Richtlinie 2004/18 einzustufen sei. |
35 |
Coopservice und die Europäische Kommission bezweifeln jedoch, dass diese Prämisse stichhaltig ist. Sie machen nämlich geltend, dass der ursprüngliche Vertrag gegen Art. 32 Abs. 2 Unterabs. 4 der Richtlinie 2004/18 verstoße, wonach die Laufzeit einer Rahmenvereinbarung „[m]it Ausnahme von Sonderfällen, in denen dies insbesondere aufgrund des Gegenstands der Rahmenvereinbarung gerechtfertigt werden kann“, vier Jahre nicht überschreiten dürfe. Es sei jedoch keine Erklärung vorgebracht worden, um die Nichteinhaltung der vierjährigen Frist zu rechtfertigen. Daraus folge, dass der Vertrag nicht als „Rahmenvereinbarung“ im Sinne der Richtlinie 2004/18 eingestuft werden könne und daher das Vorabentscheidungsersuchen für unzulässig erklärt werden müsse. |
36 |
Da das vorlegende Gericht nämlich nicht erläutere, aus welchen Gründen der ursprüngliche Vertrag, der für eine Dauer von neun Jahren geschlossen worden sei, unter die Ausnahme in Art. 32 Abs. 2 Unterabs. 4 der Richtlinie 2004/18 fallen könnte, habe es weder den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen, in den sich die von ihm gestellten Fragen einfügten, umrissen, noch die von ihm angenommenen tatsächlichen Umstände erläutert, auf denen seine Fragen beruhten, und zwar unter Missachtung der Vorgaben von Art. 94 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs. |
37 |
Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten nach Art. 267 AEUV die Notwendigkeit, zu einer für das vorlegende Gericht zweckdienlichen Auslegung des Unionsrechts zu gelangen, gebietet, dass dieses Gericht den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen umreißt, in den sich die gestellten Fragen einfügen, oder dass es zumindest die von ihm angenommenen tatsächlichen Umstände erläutert, auf denen diese Fragen beruhen. Der Gerichtshof ist nämlich nur befugt, sich auf der Grundlage des ihm vom nationalen Gericht unterbreiteten Sachverhalts zur Auslegung einer Unionsvorschrift zu äußern (vgl. aus jüngerer Zeit im Rahmen der Niederlassungsfreiheit Beschluss vom 31. Mai 2018, Bán, C‑24/18, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:376, Rn. 14 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
38 |
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das mit Art. 267 AEUV eingerichtete Verfahren jedoch ein Instrument der Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten, mit dem der Gerichtshof diesen Gerichten Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts gibt, die sie zur Entscheidung des bei ihnen anhängigen Rechtsstreits benötigen (vgl. u. a. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 1992, Meilicke, C‑83/91, EU:C:1992:332, Rn. 22, und vom 20. Dezember 2017, Global Starnet, C‑322/16, EU:C:2017:985, Rn. 24). |
39 |
Im Rahmen dieser Zusammenarbeit spricht eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Fragen zum Unionsrecht, so dass der Gerichtshof das Ersuchen eines nationalen Gerichts nur dann zurückweisen kann, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Dezember 2006, Cipolla u. a., C‑94/04 und C‑202/04, EU:C:2006:758, Rn. 25, und vom 11. Mai 2017, Archus und Gama, C‑131/16, EU:C:2017:358, Rn. 42). |
40 |
Zudem gebietet es das Unionsrecht den nationalen Gerichten nicht, von Amts wegen die Frage eines Verstoßes gegen Unionsvorschriften aufzugreifen, wenn sie durch die Prüfung dieser Frage die ihnen grundsätzlich gebotene Passivität aufgeben müssten, indem sie die Grenzen des Rechtsstreits zwischen den Parteien überschreiten und sich auf andere Tatsachen und Umstände stützen, als sie die Prozesspartei, die ein Interesse an der Anwendung hat, ihrem Begehren zugrunde gelegt hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Dezember 1995, van Schijndel und van Veen, C‑430/93 und C‑431/93, EU:C:1995:441, Rn. 21 und 22). |
41 |
Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts zu prüfen, ob es ihm, wie der Generalanwalt in Nr. 77 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, nicht möglich ist, die Vereinbarkeit der für den ursprünglichen Vertrag vorgesehenen Laufzeit mit Art. 32 Abs. 2 Unterabs. 4 der Richtlinie 2004/18 zu beurteilen, da sich die Parteien des Ausgangsverfahrens – so scheint es – auf Anhang VII Teil A Abschnitt „Bekanntmachung“ Nr. 6 Buchst. c („Dienstleistungsaufträge“) dieser Richtlinie berufen haben. Diese Bestimmung nennt bei den Angaben, die unbedingt in den Bekanntmachungen für öffentliche Dienstleistungsaufträge enthalten sein müssen, den für die gesamte Laufzeit der Rahmenvereinbarung veranschlagten Gesamtwert der Dienstleistungen. |
42 |
Überdies ist in keiner Weise dargetan worden, dass ein öffentlicher Auftrag wie der ursprüngliche Vertrag nur deshalb nicht als „Rahmenvereinbarung“ im Sinne von Art. 1 Abs. 5 und Art. 32 Abs. 2 Unterabs. 4 der Richtlinie 2004/18 eingestuft werden könnte, weil er für eine Laufzeit von mehr als vier Jahren geschlossen wurde, ohne dass der Auftraggeber die Überschreitung dieser Laufzeit gerechtfertigt hat. In einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden kann nämlich insbesondere nicht ausgeschlossen werden, dass ein Vertrag wie der ursprüngliche Vertrag in den ersten vier Jahren seiner Anwendung einen im Sinne dieser letztgenannten Vorschrift gültigen Vertrag darstellt und nach Ablauf dieses Zeitraums unwirksam wird. |
43 |
Infolgedessen ist das Vorabentscheidungsersuchen für zulässig zu erklären. |
Zu den Vorlagefragen
44 |
In den dem Gerichtshof vorgelegten Fragen bezieht sich das vorlegende Gericht gleichzeitig auf die Richtlinien 2004/18 und 2014/24. |
45 |
Hierzu ist vorab darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs grundsätzlich diejenige Richtlinie anwendbar ist, die zu dem Zeitpunkt gilt, zu dem der öffentliche Auftraggeber die Art des durchzuführenden Verfahrens auswählt und endgültig entscheidet, ob ein vorheriger Aufruf zum Wettbewerb für die Vergabe eines öffentlichen Auftrags durchzuführen ist. Unanwendbar sind hingegen die Bestimmungen einer Richtlinie, deren Umsetzungsfrist nach diesem Zeitpunkt abgelaufen ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. Juli 2014, Impresa Pizzarotti, C‑213/13, EU:C:2014:2067, Rn. 31, und vom 7. April 2016, Partner Apelski Dariusz, C‑324/14, EU:C:2016:214, Rn. 83). |
46 |
Im Ausgangsverfahren nahm der ursprüngliche Vertrag die Form des am 4. November 2011 erlassenen Dekrets Nr. 828/2011 an, während die Richtlinie 2004/18 durch die Richtlinie 2014/24 erst mit Wirkung zum 18. April 2016 aufgehoben wurde. |
47 |
Folglich war die Richtlinie 2004/18 zum Zeitpunkt des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens noch anwendbar, so dass das Vorabentscheidungsersuchen dahin auszulegen ist, dass mit ihm eine Auslegung dieser Richtlinie und nicht der Richtlinie 2014/24 begehrt wird (vgl. entsprechend Beschluss vom 10. November 2016, Spinosa Costruzioni Generali und Melfi, C‑162/16, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:870, Rn. 21). |
48 |
Somit möchte das vorlegende Gericht mit seinen beiden Fragen, die zusammen zu prüfen sind, offenbar wissen, ob Art. 1 Abs. 5 und Art. 32 der Richtlinie 2004/18 dahin auszulegen sind, dass sie den Abschluss einer Rahmenvereinbarung gestatten, nach der zum einen ein öffentlicher Auftraggeber für sich selbst und für andere speziell genannte öffentliche Auftraggeber handelt, die jedoch selbst nicht unmittelbar Parteien dieser Rahmenvereinbarung sind, und zum anderen die Menge der Leistungen, die die nicht unterzeichnenden öffentlichen Auftraggeber verlangen können, wenn sie die in dieser Rahmenvereinbarung vorgesehenen Folgeaufträge abschließen, nicht bestimmt oder durch die Bezugnahme auf ihren normalen Bedarf bestimmt ist. |
Zur Möglichkeit eines öffentlichen Auftraggebers, für sich selbst und für andere eindeutig genannte öffentliche Auftraggeber zu handeln, die aber nicht unmittelbar Parteien der Rahmenvereinbarung sind
49 |
Nach Art. 32 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2004/18 werden Aufträge, die auf einer Rahmenvereinbarung beruhen, nach Verfahren vergeben, die nur zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und den Wirtschaftsteilnehmern anzuwenden sind, die von Anbeginn an an der Rahmenvereinbarung beteiligt sind. |
50 |
Da sich allein anhand des Wortlauts dieser Bestimmung nicht ermitteln lässt, ob das Erfordernis, von Anbeginn an an der Rahmenvereinbarung beteiligt zu sein, sowohl für die öffentlichen Auftraggeber als auch die Wirtschaftsteilnehmer oder nur für die Wirtschaftsteilnehmer gilt, ist nicht nur ihr Wortlaut zu berücksichtigen, sondern auch ihr Kontext und die Ziele, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. November 1983, Merck, 292/82, EU:C:1983:335, Rn. 12). |
51 |
In diesem Zusammenhang ist zunächst hervorzuheben, dass Art. 32 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2004/18 im Licht des elften Erwägungsgrundes dieser Richtlinie vorsieht, dass, wenn eine Rahmenvereinbarung mit mehreren Zuschlagsempfängern geschlossen wird, die Folgeaufträge nach erneutem Aufruf der Parteien zum Wettbewerb über die nicht festgelegten Bedingungen geschlossen werden. Ebenso verpflichtet Anhang VII Teil A Abschnitt „Bekanntmachung“ Nr. 18 dieser Richtlinie den Auftraggeber, der von Anbeginn an an der Rahmenvereinbarung beteiligt ist, die „vorgesehene Anzahl und gegebenenfalls die Höchstzahl der Wirtschaftsteilnehmer, die Partei der Rahmenvereinbarung werden sollen …“, anzugeben. |
52 |
Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, dass das Erfordernis, von Anbeginn an an der Rahmenvereinbarung beteiligt zu sein, nur für die Wirtschaftsteilnehmer gilt, da es nicht darum gehen kann, die öffentlichen Auftraggeber selbst zum Wettbewerb aufzurufen. |
53 |
Diese Auslegung trägt außerdem dazu bei, die praktische Wirksamkeit von Art. 1 Abs. 5 und Art. 32 der Richtlinie 2004/18 sicherzustellen, deren Ziel u. a. darin besteht, die Effizienz des öffentlichen Beschaffungswesens zu verbessern, indem durch den Rückgriff auf Rahmenverträge Sammelbestellungen bei öffentlichen Aufträgen gefördert werden, um Skaleneffekte zu erzielen. |
54 |
Überdies wird diese Auslegung, wie der Generalanwalt in Nr. 62 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, durch den Wortlaut von Art. 32 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2014/24 bestätigt, wonach die Verfahren zur Vergabe von Aufträgen, die auf einer Rahmenvereinbarung beruhen, nur zwischen jenen öffentlichen Auftraggebern, die zu diesem Zweck im Aufruf zum Wettbewerb oder in der Aufforderung zur Interessensbestätigung eindeutig bezeichnet worden sind, und jenen Wirtschaftsteilnehmern, die Vertragspartei der Rahmenvereinbarung in der Form, wie sie abgeschlossen wurde, waren, angewandt werden dürfen. |
55 |
Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass Art. 32 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2004/18 einem öffentlichen Auftraggeber erlauben soll, anderen öffentlichen Auftraggebern den Zugang zu einer Rahmenvereinbarung zu eröffnen, die er im Begriff ist, mit den Wirtschaftsteilnehmern zu schließen, die ursprünglich Partei dieser Rahmenvereinbarung sind. |
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Art. 32 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2004/18 verlangt also nicht, dass ein „sekundärer“ öffentlicher Auftraggeber wie die ASST Valcamonica im Ausgangsverfahren an der Unterzeichnung der Rahmenvereinbarung beteiligt war, um anschließend einen Folgevertrag abschließen zu können. Es reicht aus, dass ein solcher öffentlicher Auftraggeber als potenzieller Nutznießer dieser Rahmenvereinbarung ab dem Zeitpunkt ihres Abschlusses erscheint, indem er eindeutig in den Ausschreibungsunterlagen ausdrücklich genannt wird, was geeignet ist, diese Möglichkeit sowohl dem „sekundären“ öffentlichen Auftraggeber selbst als auch jedem interessierten Wirtschaftsteilnehmer anzuzeigen. Diese Nennung kann entweder in der Rahmenvereinbarung selbst oder in einem anderen Dokument wie einer Erweiterungsklausel in den Verdingungsunterlagen erfolgen, wenn die Anforderungen an die Publizität und die Rechtssicherheit und damit an die Transparenz eingehalten werden. |
Zur Möglichkeit der eine Rahmenvereinbarung nicht unterzeichnenden öffentlichen Auftraggeber, die Menge der Leistungen, die verlangt werden kann, wenn sie Folgeverträge abschließen, nicht zu bestimmen oder sie durch Bezugnahme auf ihren normalen Bedarf zu bestimmen
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Aus Art. 1 Abs. 5 der Richtlinie 2004/18 geht hervor, dass eine Rahmenvereinbarung zum Ziel hat, die Bedingungen für die Aufträge, die im Laufe eines bestimmten Zeitraums vergeben werden sollen, festzulegen, insbesondere in Bezug auf den Preis und gegebenenfalls die in Aussicht genommene Menge. |
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Zwar könnte aus dem Adverb „gegebenenfalls“ abgeleitet werden, dass die Angabe der Mengen der Leistungen, die die Rahmenvereinbarung betrifft, nur fakultativ ist. |
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Diese Auffassung trifft allerdings nicht zu. |
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Erstens geht aus einer Reihe anderer Bestimmungen der Richtlinie 2004/18 hervor, dass die Rahmenvereinbarung von Anbeginn an die Höchstmenge der Lieferungen und Dienstleistungen, die Gegenstand der Folgeverträge sein können, bestimmen muss. Insbesondere bestimmt Art. 9 Abs. 9 dieser Richtlinie, in dem u. a. die Methoden für die Berechnung des geschätzten Werts der Rahmenvereinbarung dargestellt werden, dass der zu berücksichtigende Wert gleich dem geschätzten Gesamtwert ohne Mehrwertsteuer aller für die gesamte Laufzeit der Rahmenvereinbarung geplanten Aufträge ist. Auch Anhang VII Teil A Abschnitt „Bekanntmachung“ Nr. 6 Buchst. c („Dienstleistungsaufträge“) der Richtlinie 2004/18 verlangt, dass in der Bekanntmachung zu einer solchen Vereinbarung der für die gesamte Laufzeit der Rahmenvereinbarung veranschlagte Gesamtwert der Dienstleistungen sowie – wann immer möglich – des Wertes und der Häufigkeit der zu vergebenden Aufträge angegeben wird. Wie die Kommission im Wesentlichen vorträgt und wie der Generalanwalt in Nr. 78 seiner Schlussanträge festgestellt hat, unterliegt der öffentliche Auftraggeber, der von Anbeginn an an der Rahmenvereinbarung beteiligt ist, zwar nur einer Handlungspflicht, wenn es darum geht, den Wert und die Häufigkeit jedes einzelnen der abzuschließenden Folgeaufträge anzugeben, er muss jedoch unbedingt die Gesamtmenge angeben, in die sich die Folgeaufträge einfügen können. |
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Zweitens müssen nach Art. 32 Abs. 3 der Richtlinie 2004/18, wenn eine Rahmenvereinbarung mit einem einzigen Wirtschaftsteilnehmer geschlossen wird, die auf dieser Rahmenvereinbarung beruhenden Folgeaufträge entsprechend den Bedingungen der Rahmenvereinbarung vergeben werden. Daraus folgt, dass der öffentliche Auftraggeber, der von Anbeginn an an der Rahmenvereinbarung beteiligt ist, sich für sich selbst und für potenzielle öffentliche Auftraggeber, die in dieser Vereinbarung eindeutig genannt werden, nur bis zu einer bestimmten Menge verpflichten kann, und dass diese Rahmenvereinbarung ihre Wirkung verliert, wenn diese Menge erreicht ist. |
62 |
Drittens ist diese Auslegung geeignet, die Beachtung der fundamentalen Grundsätze sicherzustellen, die die Vergabe öffentlicher Aufträge regeln und die gemäß Art. 32 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/18 beim Abschluss einer Rahmenvereinbarung anwendbar sind. Die Rahmenvereinbarung fällt nämlich allgemein unter den Begriff „öffentlicher Auftrag“, da sie die verschiedenen Aufträge, für die sie gilt, zu einem einheitlichen Auftrag zusammenfasst (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 4. Mai 1995, Kommission/Griechenland, C‑79/94, EU:C:1995:120, Rn. 15, vom 29. November 2007, Kommission/Italien, C‑119/06, nicht veröffentlicht, EU:C:2007:729, Rn. 43, und vom 11. Dezember 2014, Azienda sanitaria locale n. 5 Spezzino u. a., C‑113/13, EU:C:2014:2440, Rn. 36). |
63 |
Sowohl die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung als auch der daraus folgende Grundsatz der Transparenz (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Dezember 2015, UNIS und Beaudout Père et Fils, C‑25/14 und C‑26/14, EU:C:2015:821, Rn. 38) verlangen, dass alle Bedingungen und Modalitäten des Vergabeverfahrens in der Bekanntmachung oder in den Verdingungsunterlagen klar, genau und eindeutig formuliert sind, damit, erstens, alle durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt ihre genaue Bedeutung verstehen und sie in gleicher Weise auslegen können und, zweitens, der öffentliche Auftraggeber imstande ist, tatsächlich zu überprüfen, ob die Angebote der Bieter die für den betreffenden Auftrag geltenden Kriterien erfüllen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Juli 2017, Ingsteel und Metrostav, C‑76/16, EU:C:2017:549, Rn. 34). |
64 |
Die u. a. in Art. 2 der Richtlinie 2004/18 verankerten Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung der am Abschluss der Rahmenvereinbarung interessierten Wirtschaftsteilnehmer würden beeinträchtigt, wenn der öffentliche Auftraggeber, der von Anbeginn an an der Rahmenvereinbarung beteiligt ist, die Gesamtmenge, die eine solche Vereinbarung betrifft, nicht angäbe. |
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Der Grundsatz der Transparenz ist gerade deshalb so notwendig, weil die öffentlichen Auftraggeber im Falle eines Folgeauftrags gemäß Art. 35 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2004/18 für jeden Einzelauftrag, der aufgrund dieser Rahmenvereinbarung vergeben wird, eine Bekanntmachung mit den Ergebnissen des jeweiligen Vergabeverfahrens nicht abzusenden brauchen. |
66 |
Wäre zudem der öffentliche Auftraggeber, der von Anbeginn an an der Rahmenvereinbarung beteiligt ist, nicht verpflichtet, von vornherein die Gesamtmenge und den Gesamtbetrag der Leistungen, die von dieser Vereinbarung abgedeckt werden, anzugeben, könnte deren Abschluss dazu dienen, einen Auftrag künstlich aufzuspalten und so unter den von der Richtlinie 2004/18 festgelegten Schwellenwerten bleiben, was Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 2004/18 verbietet. |
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Überdies kann man, selbst unterstellt, dass sich eine Bezugnahme auf den normalen Bedarf der in der Rahmenvereinbarung eindeutig bezeichneten öffentlichen Auftraggeber für die nationalen Wirtschaftsteilnehmer als ausreichend explizit erweisen könnte, nicht annehmen, dass dies zwangsläufig auch für einen in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Wirtschaftsteilnehmer gilt. |
68 |
Wenn die Gesamtmenge der Dienstleistungen, die dieser normale Bedarf darstellt, bekannt ist, dürfte es schließlich keine Schwierigkeit bereiten, sie in der Rahmenvereinbarung selbst oder in einem anderen veröffentlichten Dokument wie den Verdingungsunterlagen anzugeben und dadurch die vollumfängliche Beachtung der Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung zu gewährleisten. |
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Viertens konkretisiert die Tatsache, dass vom öffentlichen Auftraggeber, der von Anbeginn an an der Rahmenvereinbarung beteiligt ist, verlangt wird, in der Rahmenvereinbarung die Menge und den Betrag der Leistungen, die diese Vereinbarung abdeckt, anzugeben, das in Art. 32 Abs. 2 Unterabs. 5 der Richtlinie 2004/18 aufgestellte Verbot, das Instrument der Rahmenvereinbarung missbräuchlich oder in einer Weise anzuwenden, durch die der Wettbewerb behindert, eingeschränkt oder verfälscht wird. |
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Es ist daher auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 1 Abs. 5 und Art. 32 Abs. 2 Unterabs. 4 der Richtlinie 2004/18 dahin auszulegen sind, dass
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Kosten
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Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig. |
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) für Recht erkannt: |
Art. 1 Abs. 5 und Art. 32 Abs. 2 Unterabs. 4 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge sind dahin auszulegen, dass |
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Unterschriften |
( *1 ) Verfahrenssprache: Italienisch.