URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

13. Dezember 2018 ( *1 ) ( 1 )

„Rechtsmittel – Schadensersatzklage – Art. 340 Abs. 2 AEUV – Überlange Verfahrensdauer im Rahmen zweier Rechtssachen vor dem Gericht der Europäischen Union – Ersatz des Schadens, der den Klägerinnen entstanden sein soll – Materieller Schaden – Bankbürgschaftskosten – Kausalzusammenhang – Verzugszinsen – Immaterieller Schaden“

In den verbundenen Rechtssachen C‑138/17 P und C‑146/17 P

betreffend zwei Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 17. und 22. März 2017,

Europäische Union, vertreten durch den Gerichtshof der Europäischen Union, dieser vertreten durch J. Inghelram und Á. M. Almendros Manzano als Bevollmächtigte (C‑138/17 P),

Rechtsmittelführerin,

andere Parteien des Verfahrens:

Gascogne Sack Deutschland GmbH, vormals Sachsa Verpackung GmbH, mit Sitz in Wieda (Deutschland),

Gascogne SA, mit Sitz in Saint-Paul-lès-Dax (Frankreich),

Prozessbevollmächtigte: F. Puel und E. Durand, avocats,

Klägerinnen im ersten Rechtszug,

Europäische Kommission, vertreten durch C. Urraca Caviedes, S. Noë und F. Erlbacher als Bevollmächtigte,

Streithelferin im ersten Rechtszug,

und

Gascogne Sack Deutschland GmbH mit Sitz in Wieda,

Gascogne SA mit Sitz in Saint-Paul-lès-Dax,

Prozessbevollmächtigte: F. Puel und E. Durand, avocats (C‑146/17 P),

Rechtsmittelführerinnen,

andere Parteien des Verfahrens:

Europäische Union, vertreten durch den Gerichtshof der Europäischen Union, dieser vertreten durch J. Inghelram und Á. M. Almendros Manzano als Bevollmächtigte,

Beklagte im ersten Rechtszug,

Europäische Kommission,

Streithelferin im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung der Vizepräsidentin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Ersten Kammer sowie der Richter J.‑C. Bonichot, E. Regan, C. G. Fernlund und S. Rodin,

Generalanwalt: N. Wahl,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 25. Juli 2018

folgendes

Urteil

1

Mit ihren jeweiligen Rechtsmitteln beantragen die Europäische Union auf der einen Seite sowie die Gascogne Sack Deutschland GmbH und die Gascogne SA auf der anderen Seite die teilweise Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 10. Januar 2017, Gascogne Sack Deutschland und Gascogne/Europäische Union (T‑577/14, EU:T:2017:1, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem die Europäische Union verurteilt worden ist, Gascogne eine Entschädigung in Höhe von 47064,33 Euro für den materiellen Schaden zu zahlen, der diesem Unternehmen durch die Nichteinhaltung der angemessenen Dauer des Gerichtsverfahrens in den Rechtssachen entstanden ist, in denen die Urteile vom 16. November 2011, Groupe Gascogne/Kommission (T‑72/06, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:671) und Sachsa Verpackung/Kommission (T‑79/06, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:674) (im Folgenden zusammen: Rechtssachen T‑72/06 und T‑79/06), ergangen sind, sowie auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 5000 Euro an Gascogne Sack Deutschland und einer Entschädigung in Höhe von 5000 Euro an Gascogne für den immateriellen Schaden, der diesen Unternehmen durch die Nichteinhaltung der angemessenen Dauer des Gerichtsverfahrens jeweils entstanden ist, und die Klage im Übrigen abgewiesen worden ist.

Vorgeschichte der Rechtsstreitigkeiten

2

Mit Klageschriften, die am 23. Februar 2006 bei der Kanzlei des Gerichts eingingen, erhoben die Sachsa Verpackung GmbH, jetzt Gascogne Sack Deutschland, und die Groupe Gascogne SA, jetzt Gascogne, jeweils eine Klage gegen die Entscheidung K(2005) 4634 der Kommission vom 30. November 2005 in einem Verfahren nach Artikel [101 AEUV] (Sache COMP/F/38.354 – Industriesäcke) (im Folgenden: Entscheidung K[2005] 4634). In ihren Klageschriften beantragten sie im Wesentlichen, diese Entscheidung, soweit diese sie betrifft, für nichtig zu erklären oder, hilfsweise, die gegen sie verhängte Geldbuße herabzusetzen.

3

Mit Urteilen vom 16. November 2011, Groupe Gascogne/Kommission (T‑72/06, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:671) und Sachsa Verpackung/Kommission (T‑79/06, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:674), wies das Gericht diese Klagen ab.

4

Mit Rechtsmittelschriften, die am 27. Januar 2012 eingingen, legten Gascogne Sack Deutschland und Groupe Gascogne Rechtsmittel gegen die Urteile vom 16. November 2011, Groupe Gascogne/Kommission (T‑72/06, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:671) bzw. Sachsa Verpackung/Kommission (T‑79/06, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:674), ein.

5

Mit Urteilen vom 26. November 2013, Gascogne Sack Deutschland/Kommission (C‑40/12 P, EU:C:2013:768) und Groupe Gascogne/Kommission (C‑58/12 P, EU:C:2013:770), wies der Gerichtshof diese Rechtsmittel zurück.

Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

6

Mit Klageschrift, die am 4. August 2014 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhoben Gascogne Sack Deutschland und Gascogne gegen die Europäische Union, vertreten durch den Gerichtshof der Europäischen Union, eine Klage gemäß Art. 268 AEUV auf Ersatz des Schadens, der diesen Gesellschaften wegen einer unangemessen langen Dauer des Verfahrens vor dem Gericht im Rahmen der Rechtssachen T‑72/06 und T‑79/06 entstanden sein soll.

7

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Gericht für Recht erkannt und entschieden:

„1.

Die Europäische Union, vertreten durch den Gerichtshof der Europäischen Union, wird verurteilt, Gascogne eine Entschädigung in Höhe von 47064,33 Euro für den materiellen Schaden zu zahlen, der diesem Unternehmen durch die Nichteinhaltung der angemessenen Dauer des Gerichtsverfahrens in den Rechtssachen [T‑72/06 und T‑79/06] entstanden sein soll … Diese Entschädigung erhöht sich um die Ausgleichszinsen für die Zeit vom 4. August 2014 bis zur Verkündung des vorliegenden Urteils unter Zugrundelegung eines Zinssatzes in Höhe der jährlichen Inflationsrate, die für den Mitgliedstaat, in dem das Unternehmen seinen Sitz hat, von Eurostat (Statistisches Amt der Europäischen Union) für den fraglichen Zeitraum festgestellt worden ist.

2.

Die [Europäische Union], vertreten durch den Gerichtshof der Europäischen Union, wird verurteilt, eine Entschädigung in Höhe von 5000 Euro an Gascogne Sack Deutschland und eine Entschädigung in Höhe von 5000 Euro an Gascogne für den immateriellen Schaden zu zahlen, der diesen Unternehmen durch die Nichteinhaltung der angemessenen Dauer des Gerichtsverfahrens in den Rechtssachen T‑72/06 und T‑79/06 jeweils entstanden ist.

3.

Zusätzlich zu jeder der oben in den Nrn. 1 und 2 genannten Entschädigungen sind ab Verkündung des vorliegenden Urteils bis zur vollständigen Zahlung Verzugszinsen zu dem von der Europäischen Zentralbank (EZB) für ihre wesentlichen Refinanzierungsgeschäfte zugrunde gelegten Zinssatz zuzüglich zwei Prozentpunkte zu zahlen.

4.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5.

Die [Europäische Union], vertreten durch den Gerichtshof der Europäischen Union, trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten von Gascogne Sack Deutschland und Gascogne, die im Zusammenhang mit der Einrede der Unzulässigkeit stehen, über die mit Beschluss vom 2. Februar 2015, Gascogne Sack Deutschland und Gascogne/Europäische Union (T‑577/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:80), entschieden worden ist.

6.

Gascogne Sack Deutschland und Gascogne einerseits und die [Europäische Union], vertreten durch den Gerichtshof der Europäischen Union, andererseits tragen ihre eigenen Kosten, die im Zusammenhang mit der Klage stehen, die zu dem vorliegenden Urteil geführt hat.

7.

Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten.“

Anträge der Parteien

8

Mit ihrem Rechtsmittel in der Rechtssache C‑138/17 P beantragt die Europäische Union,

Nr. 1 des Tenors des angefochtenen Urteils aufzuheben;

den im ersten Rechtszug von Gascogne Sack Deutschland und Gascogne gestellten Antrag auf Zahlung von 187571 Euro wegen der Verluste, die durch die zusätzlichen Zahlungen für die Bankbürgschaft für den über die angemessene Verfahrensdauer hinausgehenden Zeitraum entstanden sein sollen, als unbegründet zurückzuweisen;

Gascogne Sack Deutschland und Gascogne die Kosten aufzuerlegen.

9

Gascogne Sack Deutschland und Gascogne beantragen jeweils,

das Rechtsmittel zurückzuweisen;

der Rechtsmittelführerin die Kosten aufzuerlegen.

10

Die Europäische Kommission beantragt, dem Rechtsmittel in allen Punkten stattzugeben.

11

Mit ihrem Rechtsmittel in der Rechtssache C‑146/17 P beantragen Gascogne Sack Deutschland und Gascogne,

das angefochtene Urteil teilweise aufzuheben;

im Rahmen der Befugnis des Gerichtshofs zu unbeschränkter Nachprüfung entsprechend den im ersten Rechtszug gestellten Anträgen der Rechtsmittelführerinnen endgültig über den finanziellen Ausgleich für ihre materiellen und immateriellen Schäden zu entscheiden;

der Europäischen Union die Kosten aufzuerlegen.

12

Die Europäische Union beantragt,

das Rechtsmittel als teilweise ins Leere gehend und teilweise unbegründet, jedenfalls aber als unbegründet zurückzuweisen;

den Rechtsmittelführerinnen die Kosten aufzuerlegen.

13

Mit Beschluss des Präsidenten der Ersten Kammer vom 17. April 2018 sind die Rechtssachen C‑138/17 P und C‑146/17 P für die Zwecke der Schlussanträge und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

Zu den Rechtsmitteln

14

Die Europäische Union stützt ihr Rechtsmittel in der Rechtssache C‑138/17 P auf drei Gründe.

15

Das Rechtsmittel in der Rechtssache C‑146/17 P wird auf sieben Gründe gestützt.

Zum ersten Rechtsmittelgrund in der Rechtssache C‑138/17 P

Vorbringen der Parteien

16

Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund macht die Europäische Union, die Rechtsmittelführerin in der Rechtssache C‑138/17 P, geltend, das Gericht habe, indem es angenommen habe, dass zwischen der Nichteinhaltung der angemessenen Dauer des Gerichtsverfahrens in den Rechtssachen T‑72/06 und T‑79/06 und dem Verlust, der Gascogne durch die Zahlung von Bankbürgschaftskosten für den diese angemessene Verfahrensdauer überschreitenden Zeitraum entstanden sei, ein hinreichend unmittelbarer Kausalzusammenhang bestehe, den Begriff „Kausalzusammenhang“ rechtlich fehlerhaft ausgelegt.

17

Konkret vertritt die Europäische Union die Auffassung, das Gericht habe sich auf die fehlerhafte Prämisse gestützt, dass die Entscheidung, eine Bankbürgschaft zu stellen, zu einem einzigen Zeitpunkt getroffen werde, nämlich dem Zeitpunkt der „ursprünglichen Entscheidung“, die Bürgschaft zu stellen. Da jedoch die Pflicht zur Zahlung der Geldbuße während des gesamten Verfahrens vor den Unionsgerichten und sogar über diesen Zeitraum hinaus bestanden habe, da die Geldbuße nicht aufgehoben worden sei, hätten die Klägerinnen die Möglichkeit gehabt, die Geldbuße zu zahlen und damit der ihnen insoweit obliegenden Pflicht nachzukommen. Da es den Klägerinnen jederzeit möglich gewesen sei, die Geldbuße zu zahlen, sei die von ihnen getroffene eigene Entscheidung, diese Zahlung durch eine Bankbürgschaft zu ersetzen, eine fortdauernde Entscheidung, die sie während des gesamten Verfahrens aufrechterhalten hätten. Somit liege die maßgebliche Ursache für die Zahlung der Bankbürgschaftskosten in ihrer eigenen Entscheidung, die Geldbuße nicht zu zahlen und die Zahlung durch eine Bankbürgschaft zu ersetzen, begründet und nicht in der Nichteinhaltung der angemessenen Dauer des Gerichtsverfahrens.

18

Die Kommission schließt sich dem Vorbringen der Europäischen Union an.

19

Gascogne Sack Deutschland und Gascogne, die Rechtsmittelgegnerinnen in der Rechtssache C‑138/17 P, machen zum einen geltend, dass das Gericht im vorliegenden Fall zu Recht die sich u. a. aus dem Urteil vom 21. April 2005, Holcim (Deutschland)/Kommission (T‑28/03, EU:T:2005:139, Rn. 121 bis 123), und dem Beschluss vom 12. Dezember 2007, Atlantic Container Line u. a./Kommission (T‑113/04, nicht veröffentlicht, EU:T:2007:377, Rn. 39 und 40), ergebende Rechtsprechung nicht angewandt habe, da sich der vorliegende Sachverhalt wesentlich von den Sachverhalten der Rechtssachen unterscheide, auf die sich diese Rechtsprechung beziehe, wie das Gericht in Rn. 121 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, und zum anderen, dass in diesem Urteil das Vorliegen eines Kausalzusammenhangs zwischen dem vom Gericht begangenen Fehler und dem Gascogne entstandenen Schaden rechtlich hinreichend dargestellt sei.

20

Des Weiteren betonen Gascogne Sack Deutschland und Gascogne, dass der Umstand, dass die Europäische Union den Grundsatz der Entschädigung an sich in Frage stelle, indem sie jede Position des ihnen entstandenen Schadens in Abrede stelle, obwohl der Gerichtshof in seinen Urteilen vom26. November 2013, Gascogne Sack Deutschland/Kommission (C‑40/12 P, EU:C:2013:768) und Groupe Gascogne/Kommission (C‑58/12 P, EU:C:2013:770), sowohl die übermäßig lange Verfahrensdauer als auch im Grundsatz das Vorliegen eines aus dieser Dauer resultierenden Schadens anerkannt habe, einen „Verfahrensmissbrauch“ darstelle.

21

Gascogne Sack Deutschland und Gascogne beantragen daher, diesen Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

Würdigung durch den Gerichtshof

22

Wie der Gerichtshof bereits ausgeführt hat, bezieht sich die von Art. 340 Abs. 2 AEUV aufgestellte Voraussetzung des Kausalzusammenhangs darauf, dass ein hinreichend unmittelbarer ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Verhalten der Unionsorgane und dem Schaden in der Weise besteht, dass das gerügte Verhalten die entscheidende Ursache für den Schaden sein muss, wobei der Kläger die Beweislast für diesen Zusammenhang trägt (Urteil vom 31. März 2011, Mauerhofer/Kommission, C‑433/10 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2011:204, Rn. 127 und die dort angeführte Rechtsprechung).

23

Somit ist zu prüfen, ob die Nichteinhaltung der angemessenen Dauer des Gerichtsverfahrens in den Rechtssachen T‑72/06 und T‑79/06 die entscheidende Ursache für den sich aus der Zahlung von Bankbürgschaftskosten während des diese angemessene Verfahrensdauer überschreitenden Zeitraums ist, um das Vorliegen eines unmittelbaren ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgeworfenen Verhalten und dem geltend gemachten Schaden feststellen zu können.

24

Insoweit ist festzustellen, dass der Gerichtshof im Rahmen einer gegen die Kommission erhobenen Schadensersatzklage, die u. a. darauf gerichtet war, Erstattung der den Klägern entstandenen Kosten einer zum Zweck der Aussetzung der Vollziehung bestimmter – später aufgehobener – Bescheide über die Wiedereinziehung von im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Ausfuhrerstattungen gestellten Sicherheit zu erlangen, entschieden hat, dass dann, wenn eine Entscheidung, mit der eine Geldbuße auferlegt wird, mit der Möglichkeit versehen wird, bis zur Entscheidung über eine Klage gegen diese Entscheidung eine Kaution zur Absicherung der Zahlung der Geldbuße und der Verzugszinsen zu stellen, sich der in den Kosten für die Sicherheit bestehende Schaden nicht aus dieser Entscheidung ergibt, sondern aus der eigenen Entscheidung des Betroffenen, eine Sicherheit zu bestellen, anstatt seine Rückzahlungspflicht sofort zu erfüllen. Unter diesen Umständen hat der Gerichtshof befunden, dass zwischen dem der Kommission vorgeworfenen Verhalten und dem behaupteten Schaden kein unmittelbarer Kausalzusammenhang bestand (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Februar 2013, Inalca und Cremonini/Kommission, C‑460/09 P, EU:C:2013:111, Rn. 118 und 120).

25

Das Gericht hat aber in Rn. 121 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass der Zusammenhang zwischen der Überschreitung der angemessenen Verfahrensdauer in den Rechtssachen T‑72/06 und T‑79/06 und der Zahlung von Bankbürgschaftskosten während des diese angemessene Verfahrensdauer überschreitenden Zeitraums durch die ursprüngliche Entscheidung von Gascogne, die mit der Entscheidung K(2005) 4634 verhängte Geldbuße nicht sofort zu zahlen und eine Bankbürgschaft zu stellen, nicht habe beseitigt worden sein können.

26

Konkret gelangte das Gericht, wie aus den Rn. 119 und 120 des angefochtenen Urteils hervorgeht, zu der in Rn. 121 dieses Urteils angeführten Schlussfolgerung, indem es sich auf zwei Umstände stützte, nämlich zum einen, dass zu dem Zeitpunkt, zu dem Gascogne eine Bankbürgschaft gestellt habe, die Nichteinhaltung der angemessenen Dauer des Gerichtsverfahrens nicht vorhersehbar gewesen sei und diese Gesellschaft zu Recht habe davon ausgehen können, dass diese Klagen innerhalb angemessener Frist behandelt würden, und zum anderen, dass die angemessene Verfahrensdauer überschritten worden sei, nachdem Gascogne ihre ursprüngliche Entscheidung, eine Bürgschaft zu stellen, bereits gefasst gehabt habe.

27

Den beiden vom Gericht in den Rn. 119 und 120 des angefochtenen Urteils angeführten Umständen kann aber für die Annahme, dass der Kausalzusammenhang zwischen der Nichteinhaltung der angemessenen Dauer des Gerichtsverfahrens in den Rechtssachen T‑72/06 und T‑79/06 und dem Schaden, der Gascogne durch die Zahlung von Bankbürgschaftskosten während des diese angemessene Verfahrensdauer überschreitenden Zeitraums entstanden ist, durch die Entscheidung dieses Unternehmens, diese Bürgschaft zu stellen, nicht habe unterbrochen worden sein können, keine Bedeutung zukommen.

28

Dies wäre nämlich nur dann der Fall, wenn die Aufrechterhaltung der Bankbürgschaft in der Weise zwingend wäre, dass ein Unternehmen, das eine Klage gegen eine Entscheidung der Kommission erhoben hat, mit der ihm eine Geldbuße auferlegt wird, und sich entschieden hat, eine Bankbürgschaft zu stellen, um dieser Entscheidung nicht sofort nachkommen zu müssen, nicht berechtigt wäre, vor dem Tag der Verkündung des Urteils bezüglich dieser Klage die Geldbuße zu zahlen und die von ihm gestellte Bankbürgschaft aufzuheben.

29

Wie der Generalanwalt in den Nrn. 37, 49 und 50 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, obliegt die Aufrechterhaltung einer Bankbürgschaft aber ebenso wie deren Stellung der freien Entscheidung des betreffenden Unternehmens im Hinblick auf seine finanziellen Interessen. Das Unionsrecht hindert dieses Unternehmen nämlich in keiner Weise daran, die von ihm gestellte Bankbürgschaft jederzeit aufzuheben und die verhängte Geldbuße zu zahlen, wenn es in Anbetracht der Veränderung der Umstände gegenüber den zum Zeitpunkt der Stellung der Bürgschaft gegebenen Umständen der Ansicht ist, dass diese Option für das Unternehmen vorteilhafter ist. Dies könnte u. a. dann der Fall sein, wenn der Ablauf des Verfahrens vor dem Gericht das betreffende Unternehmen zu der Annahme veranlasst, dass das Urteil später erlassen werden wird als von ihm ursprünglich in Betracht gezogen und dass folglich die Kosten der Bankbürgschaft höher sein werden als ursprünglich bei der Stellung dieser Bürgschaft von ihm vorgesehen.

30

Im vorliegenden Fall ist in Anbetracht dessen, dass zum einen im September 2009, d. h. 43 Monate nach Erhebung der Klagen in den Rechtssachen T‑72/06 und T‑79/06, noch nicht einmal das mündliche Verfahren in diese Rechtssachen eröffnet worden war, wie aus den vom Gericht in Rn. 63 des angefochtenen Urteils getroffenen Feststellungen hervorgeht, und dass zum anderen Gascogne selbst in ihrer Klageschrift eine Verfahrensdauer von genau 43 Monaten als für die Behandlung von Nichtigkeitsklagen in Wettbewerbssachen gewöhnliche Verfahrensdauer angesehen hat, festzustellen, dass Gascogne spätestens im September 2009 wissen musste, dass die Verfahrensdauer in den genannten Rechtssachen die von ihr ursprünglich in Betracht gezogene bei Weitem überschreiten würde, und sie die Zweckmäßigkeit der Aufrechterhaltung der Bankbürgschaft im Hinblick auf die zusätzlichen Kosten, die diese Aufrechterhaltung bedeuten könnte, überdenken konnte.

31

Unter diesen Umständen kann die Nichteinhaltung der angemessenen Dauer des Gerichtsverfahrens in den Rechtssachen T‑72/06 und T‑79/06 nicht die entscheidende Ursache für den Gascogne durch die Zahlung von Bankbürgschaftskosten während des die Verfahrensdauer überschreitenden Zeitraums entstandenen Schaden sein. Wie der Generalanwalt in Nr. 58 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, beruht dieser Schaden auf der eigenen Entscheidung von Gascogne, die Bankbürgschaft während des gesamten Verfahrens in diesen Rechtssachen trotz der finanziellen Folgen, die dies bedeutete, aufrechtzuerhalten.

32

Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass das Gericht, indem es angenommen hat, dass zwischen der Nichteinhaltung der angemessenen Dauer des Gerichtsverfahrens in den Rechtssachen T‑72/06 und T‑79/06 und dem Verlust, der Gascogne durch die Zahlung von Bankbürgschaftskosten während des die angemessene Verfahrensdauer überschreitenden Zeitraums entstanden sei, ein hinreichend unmittelbarer Kausalzusammenhang bestehe, den Begriff „Kausalzusammenhang“ rechtlich fehlerhaft ausgelegt hat.

33

Schließlich kann das Vorbringen der Rechtsmittelgegnerinnen, wonach das Handeln der Rechtsmittelführerin im Rahmen der Rechtssache C‑138/17 P als „Verfahrensmissbrauch“ eingestuft werden könne, diese Beurteilung nicht in Frage stellen.

34

Denn der Gerichtshof hat in seinen Urteilen vom 26. November 2013, Gascogne Sack Deutschland/Kommission (C‑40/12 P, EU:C:2013:768, Rn. 102) und Groupe Gascogne/Kommission (C‑58/12 P, EU:C:2013:770, Rn. 96), zwar festgestellt, dass das Gericht die Anforderungen bezüglich der Einhaltung der angemessenen Dauer des Gerichtsverfahrens in den Rechtssachen T‑72/06 und T‑79/06 nicht beachtet habe, in diesen Urteilen aber – wie der Generalanwalt in Nr. 60 seiner Schlussanträge hervorgehoben hat und entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelgegnerinnen – nicht das Vorliegen eines sich aus dieser Nichtbeachtung ergebenden Schadens anerkannt.

35

Der Gerichtshof hat vielmehr entschieden, dass der Ersatz des Schadens, der durch die Nichteinhaltung einer angemessenen Verfahrensdauer durch das Gericht verursacht wurde, beim Gericht selbst eingeklagt werden muss, und dass es Sache des Gerichts ist, unter Prüfung der hierzu vorgelegten Nachweise sowohl die Verwirklichung des geltend gemachten Schadens als auch den Kausalzusammenhang zwischen dem Schaden und der überlangen Dauer des streitigen Gerichtsverfahrens zu beurteilen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 26. November 2013, Gascogne Sack Deutschland/Kommission, C‑40/12 P, EU:C:2013:768, Rn. 90 und 94, sowie Groupe Gascogne/Kommission, C‑58/12 P, EU:C:2013:770, Rn. 84 und 88).

36

Da dem vorliegenden Rechtsmittelgrund stattzugeben ist, ist folglich Nr. 1 des Tenors des angefochtenen Urteils aufzuheben, ohne dass über den zweiten und den dritten von der Europäischen Union zur Stützung ihres Rechtsmittels in der Rechtssache C‑138/17 P geltend gemachten Rechtsmittelgrund entschieden werden müsste.

Zu den ersten drei Rechtsmittelgründen in der Rechtssache C‑146/17 P

37

Mit den Rechtsmittelgründen eins bis drei in der Rechtssache C‑146/17 P wird geltend gemacht, das Gericht habe einen Rechtsfehler bei der Auslegung und der Durchführung des Verbots, ultra petita zu entscheiden, begangen, eine widersprüchliche doppelte Begründung gegeben, was die Entschädigung für den entstandenen materiellen Schaden anbelange, und gegen die Verteidigungsrechte der Rechtsmittelführerinnen verstoßen.

38

Da sich diese Rechtsmittelgründe auf die Höhe der Entschädigung beziehen, die das Gericht für den materiellen Schaden gewährt hat, der dadurch entstanden ist, dass Gascogne während des die angemessene Dauer des Gerichtsverfahrens überschreitenden Zeitraums Bankbürgschaftskosten zahlte, und da, wie aus Rn. 36 des vorliegenden Urteils hervorgeht, Nr. 1 des Tenors des angefochtenen Urteils aufzuheben ist, sind die genannten Rechtsmittelgründe nicht mehr zu prüfen.

Zum vierten und zum fünften Rechtsmittelgrund in der Rechtssache C‑146/17 P

Vorbringen der Parteien

39

Mit ihrem vierten Rechtsmittelgrund machen Gascogne Sack Deutschland und Gascogne, die Rechtsmittelführerinnen in der Rechtssache C‑146/17 P, geltend, das Gericht habe, indem es die Auffassung vertreten habe, dass ihrem Antrag auf Ersatz des ihnen entstandenen immateriellen Schadens nicht stattzugeben sei, da nach der auf die Urteile vom 26. November 2013, Gascogne Sack Deutschland/Kommission (C‑40/12 P, EU:C:2013:768) und Groupe Gascogne/Kommission (C‑58/12 P, EU:C:2013:770), zurückgehenden Rechtsprechung des Gerichtshofs der mit einer Schadensersatzklage befasste Unionsrichter die Höhe einer Geldbuße nicht aus dem Grund in Frage stellen könne, dass die angemessene Dauer des Gerichtsverfahrens nicht eingehalten worden sei, einen offensichtlichen Rechtsfehler bei der Auslegung dieser Rechtsprechung begangen.

40

Nach Ansicht der Rechtsmittelführerinnen geht aus den in Rn. 39 des vorliegenden Urteils angeführten Urteilen hervor, dass die übermäßig lange Dauer eines Verfahrens vor dem Gericht nicht die Aufhebung oder Herabsetzung einer Geldbuße im Rahmen eines Klageverfahrens mit unbeschränkter Nachprüfung ermöglichen könne, da über eine Entschädigung für den mit dieser Verfahrensdauer zusammenhängenden Schaden in einem dafür vorgesehenen Verfahren entschieden werden müsse, weil die übermäßig lange Dauer von dem, was der Sanktion zugrunde liege, unabhängig sei. In diesen Urteilen werde somit kein Zusammenhang zwischen der Höhe der Entschädigung, die aufgrund von Schäden gewährt werde, die durch eine überlange Dauer des Verfahrens vor dem Gericht entstanden seien, im Rahmen einer Schadensersatzklage und der Höhe einer wegen wettbewerbswidriger Praktiken verhängten Geldbuße hergestellt. Dem vom Gerichtshof in den genannten Urteilen vertretenen Standpunkt liege vielmehr die gegenseitige „absolute Undurchlässigkeit“ dieser beiden Fragen zugrunde.

41

Mit ihrem fünften Rechtsmittelgrund machen Gascogne Sack Deutschland und Gascogne geltend, das Gericht habe dadurch, dass es es abgelehnt habe, ihrem Antrag auf Ersatz des immateriellen Schadens stattzugeben, da die Gewährung einer solchen Entschädigung angesichts ihrer Höhe faktisch dazu führen würde, die Höhe der gegen sie verhängten Geldbuße in Frage zu stellen, den Art. 256 Abs. 1 und Art. 340 Abs. 2 AEUV die praktische Wirksamkeit genommen und gegen diese Vorschriften verstoßen, die gerade die Schaffung eines wirksamen Rechtsbehelfs für die Opfer von Schäden bezweckten, die von Unionsorganen verursacht worden seien, insbesondere solcher Schäden, die auf einer übermäßig langen Verfahrensdauer vor einem Unionsgericht beruhten, und diesen Opfern einen angemessenen und vollständigen Ersatz des erlittenen Schadens ermöglichen sollten, und auch dem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf die praktische Wirksamkeit genommen und gegen dieses Recht verstoßen.

42

Die Europäische Union, die Rechtsmittelgegnerin in der Rechtssache C‑146/17 P, hält diese Rechtsmittelgründe für ins Leere gehend, jedenfalls aber für unbegründet.

Würdigung durch den Gerichtshof

43

Mit ihrem vierten und ihrem fünften Rechtsmittelgrund rügen die Rechtsmittelführerinnen die Beurteilung, die das Gericht in Rn. 163 des angefochtenen Urteils vorgenommen hat.

44

Wie aus den Rn. 155 bis 165 des angefochtenen Urteils hervorgeht, stellt diese Beurteilung aber einen nicht tragenden Grund dieses Urteils dar, da die Entscheidung des Gerichts, dem Antrag auf eine Entschädigung in Höhe von 500000 Euro für erlittenen immateriellen Schaden nicht stattzugeben, in Rn. 160 dieses Urteils, deren Inhalt von den Rechtsmittelführerinnen nicht gerügt wird, hinreichend begründet ist.

45

Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung Rügen, die gegen nicht tragende Gründe einer Entscheidung des Gerichts gerichtet sind, nicht zur Aufhebung dieser Entscheidung führen können und daher ins Leere gehen (Urteil vom 14. Dezember 2016, SV Capital/ABE, C‑577/15 P, EU:C:2016:947, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).

46

Folglich sind der vierte und der fünfte Rechtsmittelgrund als ins Leere gehend zurückzuweisen.

Zum sechsten Rechtsmittelgrund in der Rechtssache C‑146/17 P

Vorbringen der Parteien

47

Mit ihrem sechsten Rechtsmittelgrund machen Gascogne Sack Deutschland und Gascogne geltend, dass sich das Gericht formal widersprochen habe, indem es jeder von ihnen eine Entschädigung in Höhe von 5000 Euro wegen immaterieller Schäden zuerkannt habe, obwohl es zum einen festgestellt habe, dass der Ersatz des immateriellen Schadens die Höhe der von der Kommission verhängten Geldbuße nicht, auch nicht teilweise, in Frage stellen dürfe, und zum anderen das Vorliegen eines immateriellen Schadens der Rechtsmittelführerinnen ausdrücklich anerkannt habe, der, worauf in Rn. 165 des angefochtenen Urteils hingewiesen werde, in Anbetracht „des Ausmaßes der Überschreitung der angemessenen [Verfahrensdauer]“ und der „Wirksamkeit der vorliegenden Klage“ zu ersetzen sei.

48

Die Europäische Union hält diesen Rechtsmittelgrund für ins Leere gehend, jedenfalls aber für unbegründet.

Würdigung durch den Gerichtshof

49

Mit ihrem sechsten Rechtsmittelgrund machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, die Begründung des angefochtenen Urteils sei in zweifacher Hinsicht widersprüchlich.

50

Was erstens das Vorbringen betrifft, wonach ein Widerspruch zwischen den Rn. 161 bis 164 des angefochtenen Urteils auf der einen und Rn. 165 des Urteils auf der anderen Seite bestehe, genügt der Hinweis, dass der Tenor dieses Urteils, was die Gewährung einer Entschädigung in Höhe eines Betrags von weniger als 500000 Euro an die Rechtsmittelführerinnen anbelangt, in Rn. 160 des angefochtenen Urteils – wie aus Rn. 44 des vorliegenden Urteils hervorgeht – hinreichend begründet ist. Somit geht dieses Vorbringen, mit dem die Rn. 161 bis 165 des angefochtenen Urteils gerügt werden, ins Leere und ist daher gemäß der in Rn. 45 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung zurückzuweisen.

51

Was zweitens das Vorbringen betrifft, wonach Rn. 165 des angefochtenen Urteils widersprüchlich sei, ist darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass sich die vom Gericht aufgrund des den Rechtsmittelführerinnen durch die Unsicherheit bei der Planung von Entscheidungen und bei der Führung der Unternehmen entstandenen immateriellen Schadens gewährte Entschädigung auf lediglich 5000 Euro beläuft, nicht ausschließt, dass das Gericht das Ausmaß der Überschreitung der angemessenen Dauer des Gerichtsverfahrens und die Wirksamkeit der Klage berücksichtigt hat.

52

Rn. 165 des angefochtenen Urteils ist somit nicht widersprüchlich.

53

Folglich ist der sechste Rechtsmittelgrund als teils unzulässig, teils unbegründet zurückzuweisen.

Zum siebten Rechtsmittelgrund in der Rechtssache C‑146/17 P

Vorbringen der Parteien

54

Mit ihrem siebten Rechtsmittelgrund machen Gascogne Sack Deutschland und Gascogne geltend, das Gericht habe ganz offensichtlich gegen seine Begründungspflicht verstoßen, indem es sich darauf beschränkt habe, ohne jeden Nachweis dafür als Erstes in Rn. 154 des angefochtenen Urteils auszuführen, dass „die Feststellung eines Verstoßes gegen die Einhaltung der angemessenen Dauer des Gerichtsverfahrens angesichts des Gegenstands und der Schwere dieses Verstoßes ausreichen, um die behauptete Rufschädigung wiedergutzumachen“, und als Zweites in Rn. 165 des angefochtenen Urteils auszuführen, dass „eine jeder der Klägerinnen gewährte Entschädigung von 5000 Euro einen angemessenen Ersatz für den Schaden darstellt, der ihnen aufgrund des länger anhaltenden Zustands der Ungewissheit entstanden ist, in dem sie sich während des Verfahrens befanden“.

55

Die Europäische Union beantragt, diesen Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

Würdigung durch den Gerichtshof

56

Mit ihrem siebten Rechtsmittelgrund werfen die Rechtsmittelführerinnen dem Gericht vor, es habe das angefochtene Urteil nicht hinreichend begründet.

57

Was erstens die gegen Rn. 154 des angefochtenen Urteils gerichtete Rüge anbelangt, geht aus den Rn. 151 bis 154 dieses Urteils, die sich auf eine von den Rechtsmittelführerinnen geltend gemachte angebliche Rufschädigung beziehen, und insbesondere aus dem Wort „jedenfalls“ in Rn. 154 des Urteils hervor, dass die in der letztgenannten Randnummer angeführte Beurteilung einen nicht tragenden Grund darstellt, da der in Rn. 153 des angefochtenen Urteils dargelegte Grund genügt, um den Entschädigungsantrag hinsichtlich der angeblichen Rufschädigung zurückzuweisen.

58

Diese Rüge geht somit gemäß der in Rn. 45 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ins Leere und ist daher zurückzuweisen.

59

Was als Zweites die Rüge anbelangt, mit der Rn. 165 des angefochtenen Urteils angefochten wird, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung aus der Begründung eines Urteils die Überlegungen des Gerichts klar und eindeutig hervorgehen müssen, so dass die Betroffenen die Gründe für die Entscheidung des Gerichts erkennen können und der Gerichtshof seine Kontrollfunktion ausüben kann (Urteil vom 2. April 2009, France Télécom/Kommission, C‑202/07 P, EU:C:2009:214, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

60

Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof im besonderen Kontext von Schadensersatzklagen wiederholt entschieden hat, dass allein das Gericht, wenn es das Vorliegen eines Schadens festgestellt hat, dazu befugt ist, im Rahmen des Klageantrags über Art und Umfang des Schadensersatzes zu befinden. Die Urteile des Gerichts müssen allerdings ausreichend begründet sein, damit der Gerichtshof sie nachprüfen kann, und, wenn es um die Ermittlung eines Schadens geht, die Kriterien nennen, anhand deren der festgesetzte Betrag bestimmt wurde (Urteil vom 30. Mai 2017, Safa Nicu Sepahan/Rat, C‑45/15 P, EU:C:2017:402, Rn. 50 und 51 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

61

Wie der Generalanwalt in Nr. 100 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, hat das Gericht in den Rn. 147 bis 157 des angefochtenen Urteils zunächst die Gründe hinreichend dargelegt, die es zu der Annahme veranlasst haben, dass bestimmte Positionen des von den Rechtsmittelführerinnen geltend gemachten immateriellen Schadens von diesen ausreichend bewiesen worden seien, andere Positionen hingegen nicht. Sodann hat das Gericht in Rn. 158 des angefochtenen Urteils befunden, dass in Anbetracht der Umstände des vorliegenden Falles der festgestellte immaterielle Schaden, d. h. der Schaden, der durch einen lang anhaltenden Zustand der Ungewissheit entstanden sei, in den die Rechtsmittelführerinnen während des Verfahrens in den Rechtssachen T‑72/06 und T‑79/06 jeweils versetzt worden seien, durch die Feststellung der Nichteinhaltung der angemessenen Verfahrensdauer nicht vollständig habe beseitigt werden können. In den Rn. 159 bis 164 des angefochtenen Urteils hat das Gericht schließlich die bei der Ermittlung der Höhe der Entschädigung berücksichtigten Kriterien angegeben.

62

Unter diesen Umständen können die Rechtsmittelführerinnen dem Gericht nicht vorwerfen, es habe gegen seine Begründungspflicht verstoßen, indem es in Rn. 165 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, dass die jeder von ihnen gewährte Entschädigung in Höhe von 5000 Euro insbesondere unter Berücksichtigung des Ausmaßes der Überschreitung der angemessenen Dauer des Gerichtsverfahrens, ihres Verhaltens, der Notwendigkeit, die Beachtung des Wettbewerbsrechts durchzusetzen, und der Wirksamkeit der Klage einen angemessenen Ersatz für den Schaden darstelle, der ihnen aufgrund des länger anhaltenden Zustands der Ungewissheit entstanden sei, in dem sie sich während des Verfahrens in den Rechtssachen T‑72/06 bzw. T‑79/06 befunden hätten.

63

Folglich ist der siebte Rechtsmittelgrund als teils unzulässig, teils ins Leere gehend zurückzuweisen.

64

Nach alledem ist das Rechtsmittel in der Rechtssache C‑146/17 P insgesamt zurückzuweisen.

Zur Klage vor dem Gericht

65

Nach Art. 61 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union hebt der Gerichtshof, wenn das Rechtsmittel begründet ist, die Entscheidung des Gerichts auf. Er kann sodann den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist, oder die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückverweisen.

66

Im vorliegenden Fall ist nach Ansicht des Gerichtshofs endgültig über die von Gascogne Sack Deutschland und Gascogne beim Gericht erhobene Schadensersatzklage zu entscheiden, soweit diese Klage auf Ersatz des sich aus der Zahlung von Bankbürgschaftskosten über die angemessene Dauer des Gerichtsverfahrens in den Rechtssachen T‑72/06 und T‑79/06 hinaus entstandenen Schadens gerichtet ist.

67

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die außervertragliche Haftung der Union im Sinne von Art. 340 Abs. 2 AEUV nach ständiger Rechtsprechung vom Vorliegen einer Reihe von Voraussetzungen abhängt, nämlich der Rechtswidrigkeit des dem Unionsorgan vorgeworfenen Verhaltens, dem tatsächlichen Bestehen des Schadens und der Existenz eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Verhalten des Organs und dem geltend gemachten Schaden (Urteil vom 20. September 2016, Ledra Advertising u. a./Kommission und EZB, C‑8/15 P bis C‑10/15 P, EU:C:2016:701, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).

68

Wie das Gericht in Rn. 53 des angefochtenen Urteils ausgeführt hat, ist die Klage, wenn eine dieser Voraussetzungen nicht vorliegt, insgesamt abzuweisen, ohne dass die übrigen Voraussetzungen der außervertraglichen Haftung der Union geprüft zu werden brauchten (Urteil vom 14. Oktober 1999, Atlanta/Europäische Gemeinschaft, C‑104/97 P, EU:C:1999:498, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung). Außerdem ist der Unionsrichter nicht gehalten, diese Voraussetzungen in einer bestimmten Reihenfolge zu prüfen (Urteil vom 18. März 2010, Trubowest Handel und Makarov/Rat und Kommission, C‑419/08 P, EU:C:2010:147, Rn. 42, und die dort angeführte Rechtsprechung).

69

Aus den in den Rn. 22 bis 32 des vorliegenden Urteils genannten Gründen ist die von Gascogne Sack Deutschland und Gascogne beim Gericht erhobene Schadensersatzklage abzuweisen, soweit sie auf eine Entschädigung in Höhe von 187571 Euro für den materiellen Schaden gerichtet ist, der durch die Zahlung von Bankbürgschaftskosten über die angemessene Dauer des Gerichtsverfahrens in den Rechtssachen T‑72/06 und T‑79/06 hinaus entstanden sein soll.

Kosten

70

Nach Art. 184 Abs. 2 seiner Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel begründet ist und er den Rechtsstreit selbst endgültig entscheidet.

71

Gemäß Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

72

Da die Europäische Union beantragt hat, Gascogne Sack Deutschland und Gascogne zur Tragung der Kosten zu verurteilen, und diese sowohl im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens in der Rechtssache C‑138/17 P als auch im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens in der Rechtssache C‑146/17 P mit ihrem Vorbringen unterlegen sind, sind diesen Gesellschaften neben ihren eigenen Kosten die gesamten Kosten aufzuerlegen, die der Europäischen Union im Rahmen dieser beiden Rechtsmittelverfahren entstanden sind.

73

Gemäß Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung tragen die Europäische Union auf der einen Seite und Gascogne Sack Deutschland sowie Gascogne auf der anderen Seite ihre im ersten Rechtszug entstandenen eigenen Kosten.

74

Nach Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, tragen die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Im Übrigen kann der Gerichtshof nach Art. 184 Abs. 4 der Verfahrensordnung einer erstinstanzlichen Streithilfepartei, die das Rechtsmittel nicht selbst eingelegt hat, ihre eigenen Kosten auferlegen, wenn sie am schriftlichen oder mündlichen Verfahren vor dem Gerichtshof teilgenommen hat.

75

Die Kommission, die im ersten Rechtszug als Streithelferin aufgetreten ist und am schriftlichen Verfahren des Rechtsmittelverfahrens in der Rechtssache C‑138/17 P teilgenommen hat, trägt sowohl die ihr im Verfahren des ersten Rechtszugs als auch die ihr im Rechtsmittelverfahren in der Rechtssache C‑138/17 P entstandenen eigenen Kosten.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Nr. 1 des Tenors des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 10. Januar 2017, Gascogne Sack Deutschland und Gascogne/Europäische Union (T‑577/14, EU:T:2017:1), wird aufgehoben.

 

2.

Das von der Gascogne Sack Deutschland GmbH und der Gascogne SA eingelegte Rechtsmittel in der Rechtssache C‑146/17 P wird zurückgewiesen.

 

3.

Die von der Gascogne Sack Deutschland GmbH und der Gascogne SA erhobene Schadensersatzklage wird abgewiesen, soweit sie auf eine Entschädigung in Höhe von 187571 Euro für den angeblichen, in der Zahlung von Bankbürgschaftskosten über die angemessene Dauer des Gerichtsverfahrens in den Rechtssachen, in denen die Urteile vom 16. November 2011, Groupe Gascogne/Kommission (T‑72/06, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:671) und Sachsa Verpackung/Kommission (T‑79/06, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:674), ergangen sind, hinaus bestehenden materiellen Schaden gerichtet ist.

 

4.

Die Gascogne Sack Deutschland GmbH und die Gascogne SA tragen außer ihren eigenen Kosten in den vorliegenden Rechtsmittelverfahren die gesamten Kosten, die der Europäischen Union, vertreten durch den Gerichtshof der Europäischen Union, in diesen Verfahren entstanden sind, sowie ihre eigenen Kosten im Verfahren des ersten Rechtszugs.

 

5.

Die Europäische Union, vertreten durch den Gerichtshof der Europäischen Union, trägt die ihr im Verfahren des ersten Rechtszugs entstandenen eigenen Kosten.

 

6.

Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten sowohl im Verfahren des ersten Rechtszugs als auch im Rechtsmittelverfahren in der Rechtssache C‑138/17 P.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Französisch.

( 1 ) Die vorliegende Sprachfassung ist in den Schlüsselwörtern sowie in den Rn. 28 und 31 gegenüber der ursprünglich online gestellten Fassung geändert worden.