URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

14. November 2018 ( *1 )

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Staatliche Beihilfen – Für rechtswidrig und mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärte Beihilfen – Rückforderungspflicht – Urteil des Gerichtshofs, mit dem die Vertragsverletzung festgestellt wird – Unternehmen, das sowohl zivile als auch militärische Tätigkeiten ausübt – Nichtdurchführung – Wesentliche Sicherheitsinteressen eines Mitgliedstaats – Art. 346 Abs. 1 Buchst. b AEUV – Finanzielle Sanktionen – Zwangsgeld – Pauschalbetrag – Zahlungsfähigkeit – Faktor ‚n‘ – Kriterien für die Beurteilung der Zahlungsfähigkeit – Bruttoinlandsprodukt – Gewichtung der Stimmen des Mitgliedstaats im Rat der Europäischen Union – Neues Abstimmungssystem im Rat“

In der Rechtssache C‑93/17

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 260 Abs. 2 AEUV, eingereicht am 22. Februar 2017,

Europäische Kommission, vertreten durch A. Bouchagiar und B. Stromsky als Bevollmächtigte,

Klägerin,

gegen

Hellenische Republik, vertreten durch K. Boskovits und A. Samoni-Rantou als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung der Vizepräsidentin R. Silva de Lapuerta in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Ersten Kammer sowie der Richter J.‑C. Bonichot, A. Arabadjiev (Berichterstatter), C. G. Fernlund und S. Rodin,

Generalanwalt: M. Wathelet,

Kanzler: R. Schiano, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. März 2018,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. Mai 2018

folgendes

Urteil

1

Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission,

festzustellen, dass die Hellenische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 260 Abs. 1 AEUV verstoßen hat, dass sie die Maßnahmen zur Durchführung des Urteils vom 28. Juni 2012, Kommission/Griechenland (C‑485/10, nicht veröffentlicht, EU:C:2012:395, im Folgenden: Feststellungsurteil), nicht ergriffen hat;

der Hellenischen Republik aufzugeben, an die Kommission ein Zwangsgeld in Höhe von 34974 Euro für jeden Tag des Verzugs bei der Durchführung des Feststellungsurteils für die Zeit vom Tag der Verkündung des Urteils in der vorliegenden Rechtssache bis zu dem Tag, an dem das Feststellungsurteil durchgeführt sein wird, zu zahlen;

der Hellenischen Republik aufzugeben, an die Kommission einen Pauschalbetrag zu zahlen, dessen Höhe sich aus der Multiplikation eines Tagesbetrags von 3828 Euro mit der Zahl der Tage ergibt, in denen die Vertragsverletzung vom Tag der Verkündung des Feststellungsurteils bis zu dem Tag, an dem dieser Mitgliedstaat sie abgestellt haben wird, oder in Ermangelung einer Abstellung bis zum Tag der Verkündung des Urteils in der vorliegenden Rechtssache fortbesteht;

der Hellenischen Republik die Kosten aufzuerlegen.

Rechtlicher Rahmen

2

Art. 346 Abs. 1 Buchst. b AEUV bestimmt:

„Die Vorschriften der Verträge stehen folgenden Bestimmungen nicht entgegen:

b)

jeder Mitgliedstaat kann die Maßnahmen ergreifen, die seines Erachtens für die Wahrung seiner wesentlichen Sicherheitsinteressen erforderlich sind, soweit sie die Erzeugung von Waffen, Munition und Kriegsmaterial oder den Handel damit betreffen; diese Maßnahmen dürfen auf dem Binnenmarkt die Wettbewerbsbedingungen hinsichtlich der nicht eigens für militärische Zwecke bestimmten Waren nicht beeinträchtigen.“

Vorgeschichte des Rechtsstreits

3

Die Hellenic Shipyards SA (Ellinika Nafpigeia AE, im Folgenden: ENAE), Eigentümerin einer griechischen, in Skaramagkas (Griechenland) gelegenen zivilen und militärischen Werft, ist auf den Bau von Kriegsschiffen spezialisiert. Im Jahr 1985 stellte ENAE ihre Tätigkeit ein, und ihre Abwicklung wurde eingeleitet. Im September 1985 wurde ENAE von der dem griechischen Staat gehörenden griechischen Bank Elliniki Trapeza Viomichanikis Anaptixeos AE (im Folgenden: ETVA) erworben. Am 18. September 1995 verkaufte ETVA 49 % der Aktien von ENAE an die Beschäftigten dieser Gesellschaft.

4

Im Jahr 1998 schloss die Hellenische Republik im Rahmen eines Vorhabens betreffend die Modernisierung ihrer U-Boot-Flotte mit ENAE einen Vertrag über den Bau von drei U-Booten „HDW Klasse 214“ und den optionalen Bau eines vierten U-Boots (Archimedes-Vertrag) sowie einen Vertrag über die Modernisierung von drei U-Booten „HDW Klasse 209“ (Neptun‑II-Vertrag).

5

Im Jahr 2001 beschloss die Hellenische Republik, ENAE zu privatisieren. Am 11. Oktober 2001 wurde zwischen ETVA und den Beschäftigten von ENAE auf der einen und einem aus der Howaldtswerke-Deutsche Werft GmbH (im Folgenden: HDW) und der Ferrostaal AG bestehenden Konsortium (im Folgenden zusammen: HDW-Ferrostaal) auf der anderen Seite ein Vertrag über den Verkauf der Aktien von ENAE geschlossen. HDW-Ferrostaal gründete zur Verwaltung seiner Beteiligung an ENAE die Greek Naval Shipyard Holding (Elliniki Nafpigokataskevastiki AE Chartofylakeiou, im Folgenden: GNSH), die zu gleichen Teilen von HDW und Ferrostaal gehalten wurde.

6

Im Januar 2005 wurde HDW von der ThyssenKrupp AG erworben. Im November 2005 erwarb ThyssenKrupp die von Ferrostaal gehaltenen Aktien von GNSH. ThyssenKrupp hielt folglich seitdem sämtliche Gesellschaftsanteile an ENAE und besaß die Kontrolle über diese. GNSH und ENAE wurden in die ThyssenKrupp Marine Systems AG eingegliedert, eine auf Kriegsschiffsysteme und spezielle Handelsschiffe spezialisierte Sparte von ThyssenKrupp.

7

In diesem Kontext ergriff die Hellenische Republik in den Jahren 1996 bis 2003 eine Reihe von Maßnahmen, bestehend aus Kapitalzuführungen, Bürgschaften und Darlehen zugunsten von ENAE, zu denen mehrere Entscheidungen des Rates der Europäischen Union und der Kommission ergangen sind.

8

Am 2. Juli 2008 erließ die Kommission die Entscheidung 2009/610/EG über die von Griechenland gewährten Beihilfen C 16/04 (ex NN 29/04, CP 71/02 und CP 133/05) für Hellenic Shipyards SA (ABl. 2009, L 225, S. 104), deren Art. 2, 3, 8, 9 und 11 bis 15 bestimmen, dass diese Maßnahmen Beihilfen darstellten, die mit dem Binnenmarkt nicht vereinbar seien.

9

Den Art. 5 und 6 dieser Entscheidung zufolge sind die dort aufgeführten Beihilfen, obwohl zuvor von der Kommission genehmigt, missbräuchlich durchgeführt worden und müssen daher zurückgefordert werden.

10

Nach Art. 16 der Entscheidung 2009/610 stellte die Schadloshaltung, die ETVA HDW-Ferrostaal gewährt hatte und die die Entschädigung des Letzteren für jede staatliche Beihilfe vorsah, die von ENAE zurückgefordert wird, als Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV eine Beihilfe dar, die mit dem Binnenmarkt ebenfalls nicht vereinbar war und demnach sofort gesperrt werden musste.

11

Die Kommission stellte fest, dass die zurückzufordernden Beihilfen ausschließlich dem Zivilbereich von ENAE zugutegekommen seien, und bestimmte in Art. 17 dieser Entscheidung, dass sie von den dem Zivilbereich zugeordneten Vermögenswerten dieser Gesellschaft zurückgefordert werden müssten.

12

Art. 18 der Entscheidung 2009/610 verpflichtete die Hellenische Republik, die in den Art. 2, 3, 5, 6, 8, 9 und 11 bis 15 dieser Entscheidung bezeichneten Beihilfen unmittelbar zurückzufordern. Nach dieser Bestimmung musste die Hellenische Republik die Erfüllung dieser Entscheidung innerhalb von vier Monaten nach ihrer Mitteilung, d. h. nach dem 13. August 2008, sicherstellen.

13

Die Hellenische Republik machte geltend, dass die vollständige Rückforderung der in Rede stehenden Beihilfen angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage von ENAE zu deren Insolvenz führen und dadurch ihre Tätigkeiten im militärischen Bereich beeinträchtigen könnte, einschließlich des Baus und der Modernisierung der U-Boote der „HDW Klasse 214“ und der „HDW Klasse 209“; sie könnte deshalb der Wahrung der wesentlichen Sicherheitsinteressen der Hellenischen Republik im Sinne des Art. 346 AEUV zuwiderlaufen. Um dies zu vermeiden, gelangten die Kommission, die Hellenische Republik und ENAE im Anschluss an im Zeitraum von Juni bis Oktober 2010 geführte Verhandlungen und nach Verpflichtungsschreiben von ENAE und der Hellenischen Republik vom 27. bzw. 29. Oktober 2010 zu einer Vereinbarung, der zufolge die Entscheidung 2009/610 als ordnungsgemäß durchgeführt gilt, sofern die folgenden Zusagen eingehalten werden:

Unterbrechung der zivilen Tätigkeiten von ENAE für einen Zeitraum von 15 Jahren ab 1. Oktober 2010.

Die den zivilen Tätigkeiten von ENAE zugeordneten Vermögenswerte würden verkauft und der Erlös werde an die griechischen Behörden ausgezahlt. Falls die Versteigerung nicht zum Verkauf aller oder eines Teils dieser Vermögenswerte führen sollte, werde ENAE diese dem griechischen Staat als alternative Erfüllung der Verpflichtung zur Rückzahlung der Beihilfe übereignen. In diesem Fall müsste der griechische Staat sicherstellen, dass keiner dieser Vermögenswerte in dem vorgenannten Zeitraum von 15 Jahren erneut von ENAE oder ihren derzeitigen oder zukünftigen Aktionären erworben werde.

ENAE werde auf die Konzession eines Trockendocks verzichten, dessen Benutzung für die Fortführung ihrer Tätigkeiten im militärischen Bereich nicht erforderlich sei. Der griechische Staat werde sicherstellen, dass diese Konzession und das von ihr betroffene Grundstück in dem vorgenannten Zeitraum von 15 Jahren nicht erneut von ENAE oder ihren derzeitigen oder zukünftigen Aktionären erworben würden.

ENAE werde auf die in Art. 16 der Entscheidung 2009/610 bezeichnete Schadloshaltung verzichten und kein Verfahren anstrengen, das auf diese gestützt sei oder mit ihr zusammenhänge. Die Hellenische Republik verpflichte sich, vor jeder gerichtlichen oder außergerichtlichen Instanz die Nichtigkeit dieser Schadloshaltung geltend zu machen.

Binnen sechs Monaten nach der Zustimmung der Kommission zu der Liste der Zusagen werde die Hellenische Republik ihr den Nachweis für die Rückgabe des Trockendocks an den griechischen Staat sowie aktualisierte Informationen über die Versteigerung der dem Zivilbereich zugeordneten Vermögenswerte übermitteln. Ferner werde die Hellenische Republik die Kommission jährlich über den jeweiligen Stand der Rückforderung der nicht vereinbaren Beihilfen unterrichten und dabei Beweise dafür, dass ENAE keine zivilen Tätigkeiten mehr ausübe, vorlegen und Auskünfte über das Eigentum an den dem griechischen Staat übergebenen Vermögenswerten und ihre Verwendung sowie über die Nutzung des von der Konzession des Trockendocks betroffenen Grundstücks erteilen.

14

Am 8. Oktober 2010 erhob die Kommission, die der Auffassung war, dass die Hellenische Republik ihren Verpflichtungen aus der Entscheidung 2009/610 nicht nachgekommen sei, nach Art. 108 Abs. 2 AEUV eine Vertragsverletzungsklage gegen die Hellenische Republik, um feststellen zu lassen, dass diese innerhalb der vorgeschriebenen Frist nicht alle erforderlichen Maßnahmen erlassen hat, um dieser Entscheidung nachzukommen.

15

Mit Schreiben vom 1. Dezember 2010 teilte die Kommission der Hellenischen Republik mit, dass sie die Entscheidung 2009/610 als vollständig durchgeführt ansehen werde, wenn die in Rn. 13 des vorliegenden Urteils aufgeführten Zusagen tatsächlich umgesetzt würden. Sie stellte in diesem Schreiben klar, dass die dem Zivilbereich zugeordneten Vermögenswerte von ENAE binnen sechs Monaten ab dem Datum dieses Schreibens verkauft oder auf den griechischen Staat übertragen werden müssten.

16

Am 28. Juni 2012 entschied der Gerichtshof mit seinem Feststellungsurteil, dass die Hellenische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 2, 3, 5, 6, 8, 9 und 11 bis 19 der Entscheidung 2009/610 verstoßen hat, dass sie innerhalb der vorgeschriebenen Frist nicht alle Maßnahmen erlassen hat, die erforderlich waren, um dieser Entscheidung nachzukommen, und dass sie der Kommission die in Art. 19 dieser Entscheidung aufgeführten Informationen nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist mitgeteilt hat.

Vorverfahren

17

Nach der Verkündung des Feststellungsurteils tauschten die Kommission und die Hellenische Republik eine Reihe von Schreiben über den Stand der Rückforderung der nicht vereinbaren Beihilfen aus.

18

Das griechische Parlament erließ in diesem Zusammenhang das Gesetz Nr. 4099/2012, das am 20. Dezember 2012 in Kraft trat. Dessen Art. 169 Abs. 2 bestimmt, dass „[m]it Inkrafttreten des vorliegenden Gesetzes … das ausschließliche Nutzungsrecht, das [ENAE] durch Art. 1 Abs. 15 des Gesetzes Nr. 2302/1995 … in der durch Art. 6 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 2941/2011 ergänzten Fassung eingeräumt wurde, insoweit aufgehoben [wird], als es den Teil des im Eigentum des Staates stehenden Grundstücks ABK 266 mit einer [in dem in Anhang I des vorliegenden Gesetzes veröffentlichten topografischen Plan] bezeichneten Fläche von … (216663,985 m2) sowie den vor dem genannten öffentlichen ABK-Grundstück gelegenen Küstenstreifen betrifft.“

19

Am 11. Januar 2013 befassten ENAE und ihre damaligen Eigentümer den Internationalen Schiedsgerichtshof der Internationalen Handelskammer (im Folgenden: ICC‑Schiedsgericht) mit einer Schadensersatzklage gegen die Hellenische Republik wegen der angeblichen Verletzung erstens einer im März 2010 zwischen der Hellenischen Republik, ENAE, HDW, ThyssenKrupp und der Abu Dhabi Mar LLC (die im Jahr 2009 75,1 % der Aktien von ENAE, die im Besitz von ThyssenKrupp waren, gekauft hatte) geschlossenen Rahmenvereinbarung (Framework Agreement), in deren Art. 11 auf die Verpflichtung der Hellenischen Republik zur Rückforderung der staatlichen Beihilfe Bezug genommen wurde, zweitens einer Durchführungsvereinbarung (Implementation Agreement), die von den Parteien dieser Rahmenvereinbarung geschlossen worden war und durch die mehrere Streitigkeiten betreffend die Durchführung des Archimedes- und des Neptun‑II-Vertrags geregelt werden sollten, und drittens der im Rahmen dieser Vereinbarungen geschlossenen Verträge über den Bau und die Modernisierung von U-Booten. Am 23. April 2014 erhob die Hellenische Republik vor dem ICC‑Schiedsgericht ihrerseits eine Schadensersatzklage gegen ENAE und deren Anteilseigner wegen Verstoßes gegen die Durchführungsvereinbarung und die Verträge über den Bau und die Modernisierung der U-Boote, insbesondere gegen die Verpflichtung, die U‑Boote unter den vorgesehenen Bedingungen und innerhalb der vorgesehenen Fristen zu liefern.

20

Das griechische Parlament erließ außerdem das Gesetz Nr. 4237/2014, das am 12. Februar 2014 in Kraft trat und dessen Art. 12 im Hinblick auf die nationalen Sicherheitsinteressen der Hellenischen Republik die Aussetzung von Zwangsversteigerungen jeder Art in das bewegliche und unbewegliche Vermögen von ENAE vorsah.

21

Durch Art. 26 des Gesetzes Nr. 4258/2014, das am 14. April 2014 in Kraft trat, übertrug die Hellenische Republik das den Bau und die Modernisierung der U‑Boote betreffende Projekt der Marine, weil ENAE ihre vertraglichen Verpflichtungen zur Gewährleistung der für die Verteidigung und die nationale Sicherheit erforderlichen operativen Kapazitäten nicht eingehalten habe. In dieser Bestimmung hieß es ferner, dass die Marine die Arbeiten an den U‑Booten in den Werftanlagen von ENAE ohne Gegenleistung weiterführen und die Gehälter und Sozialabgaben der Beschäftigten als Entschädigung für ihre Arbeit zahlen werde.

22

Am 27. November 2014 übersandte die Kommission, nach deren Meinung die Entscheidung 2009/610 noch nicht durchgeführt worden war, den griechischen Behörden gemäß Art. 260 Abs. 2 AEUV ein Mahnschreiben, in dem sie ihnen eine Durchführungsfrist von zwei Monaten einräumte.

23

In dem Mahnschreiben hielt die Kommission fest, dass die griechischen Behörden den Betrag der nicht vereinbaren Beihilfen nicht zurückgefordert und ihr keine Informationen über die Durchführung der Entscheidung 2009/610 gegeben hätten.

24

Die griechischen Behörden beantworteten das Mahnschreiben mit Schreiben vom 23. Januar 2015. Darin berichteten sie zum einen, dass ENAE ein obstruktives Verhalten an den Tag lege und es an jeder Zusammenarbeit im Hinblick auf die Einhaltung der im Schreiben vom 1. Dezember 2010 aufgeführten Zusagen fehlen lasse. Zum anderen verwiesen sie auf die Notwendigkeit, ENAE noch 18 bis 20 Monate lang betriebsfähig zu halten, damit die Marine in deren Anlagen den Bau und die Modernisierung der U-Boote, wie im Archimedes- und im Neptun‑II-Vertrag vorgesehen, abschließen könne.

25

Am 4. Dezember 2015 richteten die griechischen Behörden an ENAE eine Rückzahlungsanordnung über einen Betrag von 523352889,23 Euro, der ungefähr 80 % des zurückzufordernden Betrags einschließlich Zinsen bis zum 30. November 2015 ausmachte. Am 5. Februar 2016 erhob ENAE beim Dioikitiko Protodikeio Athinon (Verwaltungsgericht des ersten Rechtszugs Athen, Griechenland) eine Klage auf Nichtigerklärung dieser Rückzahlungsanordnung. Im März 2016 erließen die griechischen Steuerbehörden Bescheide zur Vollstreckung der Rückzahlungsanordnung. Am 13. April 2016 legte ENAE bei demselben Gericht gegen diese Vollstreckungsbescheide Widerspruch ein. Am 23. Mai 2016 stellte ENAE bei diesem Gericht Anträge auf Aussetzung des Vollzugs der genannten Rechtsakte. Die Kommission trat in diesen Rechtssachen gemäß Art. 29 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 [AEUV] (ABl. 2015, L 248, S. 9) als amicus curiae auf.

26

Am 29. September 2016 wies das Dioikitiko Protodikeio Athinon (Verwaltungsgericht des ersten Rechtszugs Athen) die Anträge von ENAE auf Aussetzung des Vollzugs zurück.

27

Im Anschluss daran leiteten die griechischen Behörden am 3. Februar 2017 ein Verfahren zur Vollstreckung in die dem Zivilbereich zugeordneten Vermögenswerte von ENAE ein. Am 6. Februar 2017 nahmen diese Behörden Pfändungen bei drei Banken vor, bei denen ENAE Konten unterhielt. Wegen vorausgegangener Pfändungen anderer Gläubiger und der schwierigen finanziellen Lage des Unternehmens zog die Hellenische Republik jedoch keine Beträge ein.

28

Am 12. Mai 2016 stellten ENAE und ihre Aktionäre parallel hierzu beim ICC‑Schiedsgericht einen Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der von den griechischen Behörden im Dezember 2015 und im März 2016 erlassenen innerstaatlichen Verwaltungsakte, die die Rückforderung der in Rede stehenden staatlichen Beihilfen zum Gegenstand hatten. Das ICC‑Schiedsgericht wies diesen Antrag im Eilverfahren zurück. Außerdem beantragten ENAE und ihre Aktionäre, es den griechischen Behörden zu untersagen, während der Dauer des Schiedsverfahrens ein Insolvenzverfahren jeglicher Art gegen ENAE einzuleiten.

29

Durch vorläufigen Beschluss vom 5. August 2016 wies das ICC‑Schiedsgericht diesen Antrag zurück und führte zur Begründung aus, dass es in die Durchführung der Entscheidung 2009/610 nicht eingreifen könne. Es stellte allerdings fest, dass die Rückforderung der Beihilfe ENAE in die Insolvenz treiben könnte, und untersagte es deshalb der Hellenischen Republik, eine Maßnahme zur Nationalisierung von ENAE zu ergreifen, die Verwaltung von ENAE unter ihre Kontrolle zu bringen oder ein Insolvenzverfahren gegen ENAE und ihr Vermögen einzuleiten, ohne das Schiedsgericht zuvor davon zu informieren.

30

Am 13. Februar 2017 teilten die griechischen Behörden der Kommission ihre Absicht mit, ENAE einem besonderen Liquidierungsverfahren nach dem am 15. November 2014 in Kraft getretenen Gesetz Nr. 4307/2014 zu unterwerfen (im Folgenden: Sonderverwaltung), und baten um ein Treffen mit der Kommission, um die Bedingungen der Durchführung dieses Verfahrens zu besprechen.

31

Vor diesem Hintergrund hat die Kommission am 22. Februar 2017 die vorliegende Klage erhoben.

Entwicklungen nach der Anrufung des Gerichtshofs

32

Am 8. März 2017 fand ein Treffen zur Anordnung der Sonderverwaltung in Bezug auf ENAE statt. Bei diesem Treffen legten die griechischen Behörden der Kommission einen detaillierten Plan vor, um ENAE unter die vorgeschlagene Sonderverwaltung zu stellen.

33

Am 21. März 2017 wurden zwei schwimmende Trockendocks beschlagnahmt, die ENAE gehörten.

34

Am 10. April 2017 reichte ENAE beim ICC‑Schiedsgericht einen Antrag im Eilverfahren ein, der auf den Erlass von Sicherungsmaßnahmen abzielte, die es den griechischen Behörden untersagen sollten, das Verfahren zur Anordnung der Sonderverwaltung in Bezug auf diese Gesellschaft gemäß dem Gesetz Nr. 4307/2014 einzuleiten. Das ICC‑Schiedsgericht wies in seinem Beschluss vom 27. Juni 2017 darauf hin, dass sein Schiedsspruch in Kürze ergehen werde. Es führte aus, dass die Einleitung eines Sonderverwaltungsverfahrens gegen ENAE deren Aktionären die Kontrolle über das Unternehmen entziehen würde und der von den Gläubigern benannte Sonderverwalter Entscheidungen fällen könnte, die die Stellung von ENAE im Schiedsverfahren beeinträchtigten. In diesem Zusammenhang entschied das ICC‑Schiedsgericht, dass sich die griechischen Behörden bis zur Verkündung seines Endschiedsspruchs jeder Maßnahme zur Rückforderung zu enthalten hätten, die direkt oder indirekt zu einer Änderung der Kontrolle über die Verwaltung von ENAE führen würde; dies umfasste auch Insolvenzverfahren und die Anordnung der Sonderverwaltung in Bezug auf diese Gesellschaft.

35

Am 29. Juni 2017 forderten die griechischen Behörden ENAE in einem Schreiben dazu auf, die restlichen 20 % des Betrags der zurückzuzahlenden Beihilfen einschließlich Zinsen bis zum 30. Juni 2017, d. h. 95098200,99 Euro, zu zahlen. Nachdem diese Zahlung ausblieb, wurden die Finanzbehörden mit Schreiben des Ypourgeio Oikonomias kai Anaptyxis (Ministerium für Wirtschaft und Entwicklung, Griechenland) vom 31. Juli 2017 beauftragt, diesen Betrag beizutreiben.

36

Am 12. Oktober 2017 leiteten die griechischen Behörden ein Verfahren vor den griechischen Gerichten ein, um ENAE dem in Art. 68 des am 15. November 2014 in Kraft getretenen Gesetzes Nr. 4307/2014 vorgesehenen Sonderverwaltungsverfahren zu unterstellen.

37

Im Lauf des Verfahrens hat der Gerichtshof drei Anträgen der Hellenischen Republik in Bezug auf die Vorlage neuer Dokumente gemäß Art. 128 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs stattgegeben. Der Kommission ist jeweils eine Frist zur Stellungnahme zu diesen Dokumenten eingeräumt worden.

38

Aus diesen Dokumenten geht erstens hervor, dass das Monomeles Protodikeio Athinon (Erstinstanzliches Gericht Athen, Griechenland, in Einzelrichterbesetzung) mit seinem Urteil Nr. 725/2018 vom 8. März 2018 dem Antrag der griechischen Behörden stattgegeben, ENAE unter Sonderverwaltung gestellt und einen Sonderverwalter bestellt hat.

39

Zweitens zeigen diese Dokumente, dass die unabhängige Behörde für öffentliche Einnahmen am 26. März 2018 versucht hat, mit einer Erklärung vom 22. März 2018 beim Sonderverwalter die Forderungen der Hellenischen Republik in Bezug auf die Rückzahlung der betreffenden Beihilfen im Rahmen des Verfahrens über die Sonderverwaltung dieser Gesellschaft anzumelden. Konkret hat diese Behörde einen Betrag von 713883282,19 Euro mit den für die verspätete Zahlung auf die Forderung fälligen Erhöhungen angemeldet. Dieser Betrag enthält die Beträge von 524896095,75 Euro und 95171888,92 Euro, die der griechische Staat beitreiben muss, um seinen Verpflichtungen aus der Entscheidung 2009/610 und aus dem Feststellungsurteil nachzukommen.

40

Der Sonderverwalter wurde von allen diesen Maßnahmen per postlagerndes Einschreiben in Kenntnis gesetzt.

41

Drittens geht aus den von der Hellenischen Republik gemäß Art. 128 Abs. 2 der Verfahrensordnung vorgelegten Dokumenten hervor, dass ENAE, vertreten durch ihren Sonderverwalter, am 26. Juni 2018 mit einem Übergabeprotokoll den Besitz an dem Grundstück ABK 266 und dem vor diesem gelegenen Küstenstreifen an die Etaireia Akiniton Dimosiou AE (Aktiengesellschaft für die Liegenschaften des Staates, im Folgenden: ETAD) übergeben hat.

Zur Vertragsverletzung

Vorbringen der Parteien

42

Die Kommission wirft der Hellenischen Republik vor, die zur Durchführung des Feststellungsurteils erforderlichen Maßnahmen nicht ergriffen zu haben, da sowohl seit dem Erlass der Entscheidung 2009/610 als auch seit der Verkündung dieses Urteils mehrere Jahre vergangen seien, ohne dass die griechischen Behörden die fraglichen Beihilfen von ENAE zurückerlangt hätten.

43

Zunächst macht die Kommission geltend, die Hellenische Republik habe nicht alle für die Durchführung einer Entscheidung wie der Entscheidung 2009/610 grundsätzlich erforderlichen Maßnahmen getroffen.

44

Die griechischen Behörden hätten nämlich durch den Erlass des in Art. 12 des Gesetzes Nr. 4237/2014 vorgesehenen Moratoriums die Rückforderung der Beihilfen erschwert.

45

Erst im Dezember 2015 und im März 2016 hätten die griechischen Behörden innerstaatliche Verwaltungsakte zur teilweisen Rückforderung der in Rede stehenden staatlichen Beihilfen von ENAE erlassen. Diese Maßnahmen hätten aber nicht zur Beitreibung irgendeines Betrags bei diesem Unternehmen geführt.

46

Sodann habe die Hellenische Republik auch nicht die im Schreiben vom 1. Dezember 2010 aufgeführten und als alternative Maßnahmen zur Durchführung der Entscheidung 2009/610 angesehenen Verpflichtungen erfüllt.

47

Insoweit macht die Kommission erstens geltend, dass ein Verkauf der den zivilen Tätigkeiten von ENAE zugeordneten Vermögenswerte nicht stattgefunden habe und dass diese der Aufstellung der zivilen Vermögenswerte widerspreche.

48

Zweitens habe das griechische Parlament zwar ein Gesetz über die Rückgabe des Trockendocks angenommen, doch habe die Hellenische Republik noch keine entsprechende Karte mit einer genauen Angabe des zurückgegebenen Gebiets übersandt oder einen Beweis dafür übermittelt, dass diese Grundstücke nicht mehr von ENAE genutzt würden.

49

Drittens hätten die griechischen Behörden, abgesehen von der Entschließung des Verwaltungsrats von ENAE vom 14. April 2010, wonach dieses Unternehmen seine zivilen Tätigkeiten einstellen werde, keinen weiteren Beweis dafür vorgelegt, dass sich dieses Unternehmen seit dem Zeitpunkt dieser Entschließung jeder zivilen Tätigkeit enthalten habe.

50

Viertens hätten die griechischen Behörden keine Dokumente zum Nachweis dafür übersandt, dass die in Art. 16 der Entscheidung 2009/610 bezeichnete Schadloshaltung aufgehoben und niemals angewandt worden sei.

51

Fünftens hätten die griechischen Behörden zu keinem Zeitpunkt einen Bericht über den Stand der Durchführung dieser Entscheidung vorgelegt.

52

Sechstens weist die Kommission darauf hin, dass das einzige Verteidigungsmittel, das von der Hellenischen Republik geltend gemacht werden könne, die Berufung auf die absolute Unmöglichkeit der korrekten Durchführung der Entscheidung 2009/610 sei, indem nachgewiesen werde, dass keine Vermögenswerte vorhanden seien, die zurückgefordert werden könnten. In einem solchen Fall müsse der Mitgliedstaat aber die Liquidation und die endgültige Einstellung der Tätigkeit des begünstigten Unternehmens herbeiführen.

53

Im vorliegenden Fall hätten die griechischen Behörden eine absolute Unmöglichkeit der Rückforderung der in Rede stehenden Beihilfen zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht. Zum einen hätten sie sich auf die Behauptung beschränkt, dass eine vollständige Rückforderung zur Abwicklung der Werften geführt hätte, was negative Auswirkungen auf die nationalen Sicherheitsinteressen gehabt hätte, und zum anderen hätten sie eine Obstruktion seitens ENAE für die unterbliebene Rückforderung verantwortlich gemacht, obwohl eine solche Obstruktion die Nichtdurchführung der Entscheidung 2009/610 nicht rechtfertige.

54

In Bezug auf die von der Hellenischen Republik geltend gemachten nationalen Verteidigungsinteressen, die nur den Bau von U-Booten in den Anlagen von ENAE für die Marine beträfen, weist die Kommission darauf hin, dass die in Art. 346 AEUV vorgesehene Ausnahme außergewöhnliche und klar definierte Fälle betreffe und daher nicht weit ausgelegt werden könne. Der Mitgliedstaat müsse deshalb nachweisen, dass diese Ausnahme für den Schutz seiner wesentlichen Sicherheitsinteressen erforderlich sei.

55

In diesem Zusammenhang ist die Kommission der Auffassung, dass die Berufung der Hellenischen Republik auf ihre Sicherheitsinteressen einer Grundlage entbehre. Die griechischen Behörden hätten nie erklärt, weshalb der Bau und die Modernisierung der U-Boote unbedingt in den Werftanlagen von ENAE erfolgen müssten und nicht in anderen griechischen Werften, vor allem nachdem das Projekt des Baus und der Modernisierung der U-Boote durch Art. 26 des Gesetzes Nr. 4258/2014 der Marine übertragen worden sei.

56

Die Hellenische Republik erwidert, sie habe alle Maßnahmen getroffen, um dem Feststellungsurteil nachzukommen.

57

Art. 12 des Gesetzes Nr. 4237/2014 stelle keine Maßnahme dar, die die Rückforderung der in Rede stehenden Beihilfen erschwere, weil die dort vorgesehene Aussetzung der Zwangsvollstreckung in die Vermögenswerte von ENAE nur anwendbar sei, soweit eine Zwangsvollstreckung den Bau und die Instandhaltung von U-Booten der Marine beeinträchtige, was mit Art. 346 Abs. 1 Buchst. b AEUV in Einklang stehe. Außerdem zeige der Umstand, dass die griechischen Behörden später Vollstreckungsmaßnahmen gegen ENAE getroffen hätten, dass Art. 12 dieses Gesetzes einer solchen Rückforderung nicht entgegenstehe.

58

Sodann beruft sich die Hellenische Republik auf ihre wesentlichen Sicherheitsinteressen im Sinne von Art. 346 Abs. 1 Buchst. b AEUV und macht dabei geltend, dass eine Rückforderung weder die Fortführung der militärischen Tätigkeiten der größten und produktivsten Schiffswerft in Griechenland behindern noch in das weite Ermessen eingreifen dürfe, über das sie bei der Wahl der von ihr für erforderlich gehaltenen Maßnahmen verfüge.

59

Die Hellenische Republik könne nämlich nicht die Insolvenz von ENAE herbeiführen, da dieses Verfahren die gesamten Vermögenswerte dieses Unternehmens betreffen und die ordnungsgemäße Fortführung der militärischen Tätigkeiten der Werft und damit die Verteidigungskapazitäten dieses Mitgliedstaats gefährden würde. Aus diesen Gründen hätten die griechischen Behörden der Umsetzung der im Schreiben vom 1. Dezember 2010 aufgeführten Zusagen den Vorrang eingeräumt.

60

Insoweit trägt die Hellenische Republik in Bezug auf den Verkauf der dem Zivilbereich zugeordneten Vermögenswerte von ENAE vor, dass sie auf Widerstand seitens dieser Gesellschaft gestoßen sei, die mit der Aufstellung der für den Verkauf vorgesehenen zivilen Vermögenswerte nicht einverstanden gewesen sei.

61

Wegen dieses Widerstands hätten die griechischen Behörden gegenüber dieser Gesellschaft Rückzahlungsanordnungen erlassen und Pfändungen veranlasst.

62

Da diese Maßnahmen wegen früherer Pfändungen durch andere Gläubiger und des offenkundigen Fehlens hinreichender Vermögenswerte von ENAE zu keiner Rückzahlung geführt hätten, seien die griechischen Behörden der Auffassung gewesen, dass diese Gesellschaft unter eine Sonderverwaltung gemäß den Bestimmungen des Gesetzes Nr. 4307/2014 zu stellen sei. Nachdem die Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem U-Boot-Bau der Marine übertragen worden seien, hätten die griechischen Behörden nämlich Liquidationsmaßnahmen gegen ENAE treffen können, ohne die Durchführung der militärischen Programme zu beeinträchtigen.

63

In diesem Zusammenhang trägt die Hellenische Republik vor, dass die Anordnung einer Sonderverwaltung in Bezug auf ENAE die angemessene Maßnahme zur Liquidation dieser Gesellschaft darstelle, die mit den Anforderungen des Unionsrechts völlig in Einklang stehe, da das Verfahren die öffentliche Versteigerung aller oder eines Teils der Unternehmensbereiche oder einzelner Vermögenswerte in der Verantwortung eines unabhängigen Verwalters und unter gerichtlicher Kontrolle erlaube. Dieses Verfahren der Sonderverwaltung, das in einem Zeitraum von zwölf Monaten ab der Bestellung des Sonderverwalters abgeschlossen werden könne, gewähre mindestens dieselben Garantien wie das gewöhnliche Insolvenzverfahren und sei sehr viel schneller und transparenter. Es könne einen Wertverlust der betreffenden Vermögenswerte verhindern und stelle sicher, dass die dem Militärbereich zugeordneten Vermögenswerte von ENAE im Einklang mit den wesentlichen Sicherheitsinteressen der Hellenischen Republik als einheitlicher Bereich verkauft würden.

64

Was die Rückgabe der ENAE zur ausschließlichen Nutzung zugewiesenen Grundstücke betrifft, trägt die Hellenische Republik vor, dass das Recht zur Nutzung dieser Grundstücke am 20. Dezember 2012 durch Art. 169 Abs. 2 des Gesetzes Nr. 4099/2012 aufgehoben worden sei. Kopien der Eintragung dieses Vorgangs im örtlich zuständigen Hypothekenregister, die der Kommission übersandt worden seien, bewiesen, dass diese Grundstücke zurückgegeben worden seien. Der Umstand, dass diese Grundstücke von ENAE nicht mehr genutzt würden, ergebe sich daraus, dass dieses Unternehmen seit 2010 keine zivile Tätigkeit mehr ausübe.

65

Außerdem ist die Hellenische Republik der Ansicht, dass die Rückgabe der fraglichen Grundstücke eine Maßnahme zur Durchführung der Entscheidung 2009/610 darstelle, weil die griechischen Behörden verpflichtet seien, die Liquidation sämtlicher zivilen Vermögenswerte von ENAE zu betreiben, wenn keine hinreichenden Vermögenswerte vorhanden seien. Die Bewertung dieser Grundstücke zu den Preisen von 2008 zeige, dass sie 60 % vom Gesamtwert der zivilen Vermögenswerte von ENAE bzw. 58 % der nicht dem Militärbereich zugeordneten Infrastruktur der Werft ausmachten. Im Hinblick auf diese Berechnung betreffe der Verkauf der zivilen Vermögenswerte von ENAE in Wirklichkeit nur einen kleinen Teil des Wertes des zivilen Bereichs dieses Unternehmens.

66

Zur Einstellung der zivilen Tätigkeiten von ENAE trägt die Hellenische Republik vor, der Verwaltungsrat dieser Gesellschaft habe hierzu ausdrücklich eine Entscheidung getroffen, und die neue Verwaltung der Gesellschaft habe mehrmals bestätigt, dass ENAE seit 2010 keine zivile Tätigkeit mehr ausübe. Zudem habe ENAE nach dem 30. September 2011 aufgrund ihrer schlechten wirtschaftlichen Lage keine Bilanz mehr veröffentlicht.

67

Was schließlich die in Art. 16 der Entscheidung 2009/610 behandelte Schadloshaltung betrifft, macht die Hellenische Republik geltend, dass ENAE verpflichtet gewesen sei, auf diese zu verzichten. Weiter stellt dieser Mitgliedstaat fest, dass sich die Frage der Anwendung dieser Garantie bisher nicht gestellt habe, so dass die griechischen Behörden noch keine Gelegenheit gehabt hätten, deren Nichtigkeit geltend zu machen.

Würdigung durch den Gerichtshof

68

Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervorgeht, dass der Mitgliedstaat, an den ein Beschluss gerichtet ist, der ihn zur Rückforderung rechtswidriger, für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärter Beihilfen verpflichtet, nach Art. 288 AEUV alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen hat, um die Durchführung dieses Beschlusses sicherzustellen. Er muss die geschuldeten Beträge tatsächlich wiedererlangen, um die Wettbewerbsverzerrung zu beseitigen, die durch den mit diesen Beihilfen verbundenen Wettbewerbsvorteil verursacht wurde (Urteil vom 9. November 2017, Kommission/Griechenland, C‑481/16, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:845, Rn. 23).

69

Die Rückforderung einer für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärten rechtswidrigen Beihilfe muss nämlich unverzüglich und nach den Verfahren des betreffenden Mitgliedstaats erfolgen, sofern hierdurch die sofortige und tatsächliche Vollstreckung der Kommissionsentscheidung ermöglicht wird. Zu diesem Zweck unternehmen die betreffenden Mitgliedstaaten unbeschadet des Unionsrechts alle in ihren jeweiligen Rechtsordnungen verfügbaren erforderlichen Schritte einschließlich vorläufiger Maßnahmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. November 2017, Kommission/Griechenland, C‑481/16, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:845, Rn. 24).

70

Was die Fälle betrifft, in denen die rechtswidrig gezahlten staatlichen Beihilfen von begünstigten Unternehmen, die in Schwierigkeiten sind oder sich in der Insolvenz befinden, zurückzufordern sind, ist darauf hinzuweisen, dass solche Schwierigkeiten die Pflicht zur Rückforderung der Beihilfe unberührt lassen. Der Mitgliedstaat ist also verpflichtet, je nach Fall die Abwicklung der Gesellschaft herbeizuführen, seine Forderung bei den Verbindlichkeiten der Gesellschaft anzumelden oder jede andere Maßnahme zu ergreifen, die die Rückzahlung der Beihilfe ermöglicht (Urteil vom 17. Januar 2018, Kommission/Griechenland, C‑363/16, EU:C:2018:12, Rn. 36).

71

Im vorliegenden Fall geht indessen aus den Akten hervor, dass sich die Kommission, die Hellenische Republik und ENAE angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage von ENAE – und um diese Gesellschaft nicht in die Insolvenz zu führen, die Durchführung der Programme „Archimedes“ und „Neptun II“ für die Marine nicht zu gefährden und somit nicht die wesentlichen Sicherheitsinteressen dieses Mitgliedstaats im Sinne von Art. 346 AEUV zu beeinträchtigen – dazu verpflichtet haben, eine alternative Methode der Rückforderung anzuwenden, damit die Kommission die Entscheidung 2009/610 als vollständig durchgeführt ansehen kann.

72

Um festzustellen, ob die Hellenische Republik alle erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, um dem Feststellungsurteil nachzukommen, ist daher zu prüfen, ob dieser Mitgliedstaat die im Schreiben vom 1. Dezember 2010 aufgeführten Zusagen eingehalten oder ob er die in Rede stehenden, in den Art. 2, 3, 5, 6, 8, 9 und 11 bis 15 der Entscheidung 2009/610 definierten staatlichen Beihilfen vollständig zurückerlangt hat und ob die in Art. 19 dieser Entscheidung aufgezählten Ausführungen bei der Kommission eingereicht wurden.

73

Vorab ist klarzustellen, dass, was das Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 260 Abs. 2 AEUV betrifft, als maßgebender Zeitpunkt zur Beurteilung des Vorliegens einer Vertragsverletzung auf den des Ablaufs der Frist abzustellen ist, die in dem nach dieser Bestimmung versandten Mahnschreiben gesetzt wurde (Urteil vom 31. Mai 2018, Kommission/Italien, C‑251/17, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:358, Rn. 32).

74

Da die Kommission im vorliegenden Fall, wie in Rn. 22 des vorliegenden Urteils ausgeführt wurde, der Hellenischen Republik am 27. November 2014 ein Mahnschreiben gemäß dem Verfahren nach Art. 260 Abs. 2 AEUV übersandt hat, ist der maßgebende Zeitpunkt gemäß der vorstehenden Randnummer der des Ablaufs der Frist, die in diesem Mahnschreiben gesetzt wurde, d. h. der 27. Januar 2015.

75

Es ist jedoch unstreitig, dass die griechischen Behörden die im Schreiben vom 1. Dezember 2010 aufgeführten Zusagen zu diesem Zeitpunkt, am 27. Januar 2015, nicht eingehalten haben.

76

Aus den Akten geht nämlich hervor, dass die einzige Maßnahme, die die Hellenische Republik zu diesem Zeitpunkt getroffen hatte, der Erlass des am 20. Dezember 2012 in Kraft getretenen Gesetzes Nr. 4099/2012 war.

77

Jedoch ist insoweit klarzustellen, dass aus den Akten hervorgeht, dass sowohl das ICC‑Schiedsgericht als auch das Monomeles Protodikeio Athinon (Erstinstanzliches Gericht Athen, in Einzelrichterbesetzung) festgestellt haben, dass ENAE tatsächlich trotz Inkrafttretens dieses Gesetzes das von der Konzession für das Trockendock betroffene öffentliche Grundstück nicht zurückgegeben hat.

78

Gemäß dem Protokoll vom 26. Juni 2018 hat ENAE die Übergabe des Besitzes an dem Grundstück ABK 266, einschließlich des Trockendocks, dessen Nutzung ihr mit einer Konzession gewährt worden war, sowie des vor diesem gelegenen Küstenstreifens vollzogen. Die Hellenische Republik hat indessen nicht nachgewiesen, dass diese Gesellschaft dem griechischen Staat den Besitz an diesem Grundstück tatsächlich vor dem 27. Januar 2015 übergeben hat.

79

Somit kann nicht festgestellt werden, dass ENAE auf die Konzession des Trockendocks verzichtet hätte, wie es nach den im Schreiben vom 1. Dezember 2010 aufgeführten Zusagen erforderlich war.

80

Zum Vorbringen der Hellenischen Republik, der Umstand, dass dieses Grundstück von ENAE nicht mehr genutzt werde, ergebe sich daraus, dass diese Gesellschaft seit 2010 keine zivile Tätigkeit mehr ausübe, was sich aus der Entscheidung des Verwaltungsrats dieser Gesellschaft vom 14. April 2010 ergebe, ist festzustellen, dass weder aus dieser Entscheidung noch aus den Akten hervorgeht, dass ENAE ihre zivilen Tätigkeiten im Sinne der im Schreiben vom 1. Dezember 2010 aufgeführten Zusagen unterbrochen hätte.

81

Die genannte Entscheidung des Verwaltungsrats kann sich nämlich nicht auf die Zusage der Unterbrechung der zivilen Tätigkeiten von ENAE für einen Zeitraum von 15 Jahren ab dem 1. Dezember 2010 beziehen, weil sie vor dem Verpflichtungsschreiben von ENAE vom 27. Oktober 2010 datiert. In dieser Entscheidung wird nur erwähnt, dass im Zusammenhang mit einem Darlehensvertrag von ENAE „die nicht im Schiffsbau bestehende Tätigkeit derzeit vollständig unterbrochen“ sei.

82

Außerdem war die Hellenische Republik auf Aufforderung des Gerichtshofs nicht in der Lage, Dokumente vorzulegen, die beweisen könnten, dass ENAE die Verpflichtung zur Aufgabe ihrer zivilen Tätigkeiten für einen Zeitraum von 15 Jahren eingehalten hätte.

83

Da die Hellenische Republik nicht dargetan hat, dass ENAE ihre zivilen Tätigkeiten ab dem 1. Dezember 2010 unterbrochen hat, hat sie nicht den Nachweis erbracht, dass diese Gesellschaft das von der Konzession des Trockendocks betroffene öffentliche Grundstück nicht mehr nutzte.

84

Was die Verpflichtung zum Verkauf der dem zivilen Bereich zugeordneten Vermögenswerte von ENAE oder deren Rückgabe an den griechischen Staat betrifft, ist offenkundig, dass dieser Verkauf oder diese Rückgabe nicht stattgefunden hat. Diese Zusage wurde daher nicht eingehalten.

85

In Bezug auf die in Art. 16 der Entscheidung 2009/610 erwähnte Schadloshaltung ist festzustellen, dass ENAE gemäß dem Schreiben vom 1. Dezember 2010 auf sie verzichten musste und verpflichtet war, kein Verfahren auf ihrer Grundlage oder im Zusammenhang mit ihr einzuleiten. Aus den Akten geht nicht hervor, dass ein solcher Verzicht erfolgt wäre oder dass die Hellenische Republik diese Schadloshaltung per Gesetz aufgehoben hätte. Somit hat sie diese Zusage nicht eingehalten.

86

Nach der sich aus dem Schreiben vom 1. Dezember 2010 ergebenden Vereinbarung zwischen der Kommission, der Hellenischen Republik und ENAE mussten alle Zusagen eingehalten werden, um die ordnungsgemäße Durchführung der Entscheidung 2009/610 belegen zu können. Daher genügt es, dass eine der Zusagen nicht eingehalten wurde, um das Scheitern dieser Methode der Rückforderung festzustellen. Die in Rn. 13 des vorliegenden Urteils aufgezählten Zusagen sind jedoch nicht eingehalten worden.

87

Zu der Hauptpflicht der Hellenischen Republik, die in Rede stehenden, in den Art. 2, 3, 5, 6, 8, 9 und 11 bis 15 der Entscheidung 2009/610 definierten staatlichen Beihilfen vollständig zurückzufordern, genügt die Feststellung, dass es offenkundig ist, dass die griechischen Behörden diese Pflicht nicht erfüllt und die in Art. 19 dieser Entscheidung aufgezählten Ausführungen nicht bei der Kommission eingereicht haben.

88

Was das Argument der Hellenischen Republik betrifft, ihre wesentlichen Sicherheitsinteressen im Sinne von Art. 346 Abs. 1 Buchst. b AEUV hätten es ihr nicht erlaubt, die Insolvenz von ENAE herbeizuführen, da ein solches Verfahren sämtliche Vermögenswerte dieser Gesellschaft betroffen und die Fortführung der dem militärischen Bereich zuzuordnenden Tätigkeiten der Schiffswerft und damit die Verteidigungsfähigkeit dieses Mitgliedstaats in Gefahr gebracht hätte, obwohl es eine angemessenere Maßnahme für die Abwicklung dieser Gesellschaft gebe, die den wesentlichen Sicherheitsinteressen dieses Mitgliedstaats Rechnung trage, nämlich die Sonderverwaltung für diese Gesellschaft, ist darauf hinzuweisen, dass die Möglichkeit, ENAE unter eine Sonderverwaltung zu stellen, den griechischen Behörden vor Ablauf der in dem Mahnschreiben festgesetzten Frist, d. h. dem 27. Januar 2015 offengestanden hätte, da das Gesetz Nr. 4307/2014 am 15. November 2014 in Kraft getreten ist.

89

Aus den Akten geht jedoch hervor, dass der Antrag auf Einleitung dieses Verfahrens erst am 12. Oktober 2017 gestellt wurde.

90

Selbst wenn man unterstellt, dass die Hellenische Republik sich im Stadium der Rückforderung der in Rede stehenden staatlichen Beihilfen mit Erfolg auf ihre wesentlichen Sicherheitsinteressen im Sinne von Art. 346 Abs. 1 Buchst. b AEUV berufen kann, genügt daher die Feststellung, dass dieser Mitgliedstaat am 27. Januar 2015 nicht die Maßnahme ergriffen hatte, die er selbst als im Hinblick auf seine wesentlichen Sicherheitsinteressen als angemessen ansieht.

91

Die Hellenische Republik kann somit nicht mit Erfolg geltend machen, dass sie alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen habe, um das Verfahren zur Rückforderung der fraglichen staatlichen Beihilfen durchzuführen. Das Feststellungsurteil war somit am 27. Januar 2015 nicht durchgeführt.

92

Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die Hellenische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 260 Abs. 1 AEUV verstoßen hat, dass sie nicht alle Maßnahmen ergriffen hat, die sich aus dem Feststellungsurteil ergeben.

Zu den finanziellen Sanktionen

Zum Zwangsgeld

Vorbringen der Parteien

93

Die Kommission ist erstens der Auffassung, dass die der Hellenischen Republik vorgeworfene Vertragsverletzung zum Zeitpunkt der Prüfung des Sachverhalts durch den Gerichtshof noch andauere.

94

Was speziell die Forderungsanmeldung vom 22. März 2018 betrifft, mit der die Hellenische Republik den Sonderverwalter von ENAE über ihre Forderungen in Bezug auf die Rückzahlung der betreffenden Beihilfen im Rahmen des Verfahrens der Sonderverwaltung dieser Gesellschaft informiert hat, ist die Kommission der Auffassung, dass die Eintragung der Forderungen auf Rückerstattung der betreffenden Beihilfen in die Forderungstabelle als eine grundsätzlich angemessene Maßnahme angesehen werden könne, die geeignet sei, die Beseitigung der Wettbewerbsverzerrung zu gewährleisten, soweit auf diese Maßnahme entweder die Beitreibung des gesamten Betrags der genannten Beihilfen oder – wenn die Beitreibung sich im Lauf des Insolvenzverfahrens als unmöglich herausstelle – die Abwicklung des Unternehmens und die endgültige Einstellung seiner Tätigkeit folge. Die bloße Anmeldung dieser Forderungen genüge nicht, um davon auszugehen, dass dieser Mitgliedstaat seiner Rückforderungspflicht nachgekommen sei. Die Kommission fügt hinzu, dass nach Art. 77 des Gesetzes Nr. 4307/2014 die förmliche Eintragung in die Forderungstabelle nach – und nicht vor – dem Übergang der Vermögenswerte des betroffenen Unternehmens erfolge, der sich aus der Sonderverwaltung dieses Unternehmens ergebe.

95

Was das Übergabeprotokoll betrifft, mit dem ENAE den Besitz an dem Grundstück ABK 266 sowie dem vor diesem gelegenen Küstenstreifen an ETAD übergeben hat, bemerkt die Kommission, dass dieses Protokoll vom 26. Juni 2018 datiere. Die Übergabe sei daher verspätet, weil sie gemäß dem Schreiben vom 1. Dezember 2010 in den sechs auf dieses Schreiben folgenden Monaten hätte erfolgen müssen. Außerdem macht die Kommission geltend, die Hellenische Republik habe noch keine Karte, die klar die dem Staat zurückgegebenen Grundstücke angebe, und keine Beweise dafür, dass ENAE diese Grundstücke nicht mehr nutze, übermittelt.

96

Zweitens stützt sich die Kommission, was die Höhe des Zwangsgelds betrifft, auf ihre Mitteilung SEK(2005) 1658 vom 12. Dezember 2005 mit dem Titel „Anwendung von Artikel [260 AEUV]“ (ABl. 2007, C 126, S. 15), um vorzuschlagen, dass die Höhe des Zwangsgelds je Tag berechnet wird, indem ein einheitlicher Grundbetrag von 670 Euro mit einem Schwerekoeffizienten von 5 auf einer Skala von 1 bis 20 und einem Dauerkoeffizienten von 3, d. h. dem höchsten Koeffizienten, multipliziert wird. Das Ergebnis werde sodann mit einem Faktor „n“ multipliziert, der für die Hellenische Republik 3,48 betrage, die Zahlungsfähigkeit des säumigen Mitgliedstaats widerspiegeln solle und hierzu auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) dieses Mitgliedstaats und die Zahl seiner Stimmen im Rat abstelle.

97

Zum Schwerekoeffizienten betont die Kommission die zentrale Stellung der Bestimmungen des AEU-Vertrags über staatliche Beihilfen, die schädigenden Auswirkungen, die die unvereinbaren, nicht zurückgezahlten Beihilfen auf den Schiffsbausektor hätten, die beachtliche Höhe der nicht zurückgezahlten Beihilfe und die Wiederholung rechtswidrigen Verhaltens dieses Mitgliedstaats im Bereich der staatlichen Beihilfen.

98

Zum Dauerkoeffizienten führt die Kommission aus, dass die Vertragsverletzung mehrere Jahre seit der Verkündung des Feststellungsurteils und mehr als acht Jahre seit der Bekanntgabe der Entscheidung 2009/610 andauere.

99

Zum Faktor „n“ führt die Kommission aus, dass die Berechnung auf der Grundlage der Entwicklung des BIP der Hellenischen Republik im am kürzesten zurückliegenden Jahr, für das verlässliche Wirtschaftsdaten verfügbar seien, und der Stimmengewichtung dieses Mitgliedstaats im Rat vorzunehmen sei.

100

Was die Stimmengewichtung im Rat betrifft, meint die Kommission, dass die Änderung des Abstimmungssystems im Rat ab dem 1. April 2017 nicht bedeute, dass sie verpflichtet sei, ihren Vorschlag für den Faktor „n“ anzupassen. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung sei das alte System der Stimmengewichtung noch nicht ausgelaufen gewesen. Daher sei der Faktor, der sich aus dem alten System der Stimmengewichtung ergebe, nach wie vor eine für die Berechnung der Sanktionen zweckmäßige Bezugsbasis.

101

Unter diesen Umständen hält die Kommission ein Zwangsgeld in Höhe von 34974 Euro je Tag für nach den Umständen angemessen und in Bezug auf die vorgeworfene Vertragsverletzung sowie die Zahlungsfähigkeit des betreffenden Mitgliedstaats verhältnismäßig.

102

Die Hellenische Republik trägt erstens vor, sie habe ihre Forderungen mit der Forderungsanmeldung vom 22. März 2018 im Rahmen des Sonderverwaltungsverfahrens beim Sonderverwalter von ENAE angemeldet. Diese Gesellschaft habe auch mit dem Protokoll vom 26. Juni 2018 die Übergabe des Besitzes an dem Grundstück ABK 266 einschließlich des Trockendocks, dessen Nutzung ihr durch eine Konzession erlaubt worden sei, sowie an dem vor diesem Grundstück gelegenen Küstenstreifen vorgenommen. Diese Übergabe des Besitzes sei ein wichtiger Teil der Durchführung der Verpflichtung zur Rückforderung der in Rede stehenden staatlichen Beihilfen.

103

Zweitens rügt die Hellenische Republik die Koeffizienten der Schwere und der Dauer des Verstoßes, die die Kommission verwendet hat.

104

Hierzu führt sie aus, die Kommission habe eine Reihe von Gesichtspunkten unberücksichtigt gelassen, die die Schwere des Verstoßes milderten, wie beispielsweise die Tatsache, dass ENAE seit 2010 keine zivile Tätigkeit mehr ausübe und somit keinen Wettbewerbsdruck auf andere Unternehmen im Schiffsbausektor mehr ausübe. Ferner weist sie auf mehrere Schwierigkeiten hin, denen sie bei der Durchführung der Entscheidung 2009/610 gegenübergestanden habe; dies gelte namentlich für den Beschluss des ICC‑Schiedsgerichts vom 27. Juni 2017. Sie bestreitet auch, wiederholt Vertragsverletzungen im Bereich der staatlichen Beihilfen begangen zu haben. Aus diesen Gründen dürften der Schwerekoeffizient und der Dauerkoeffizient nicht höher als 1 sein.

105

Was die Zahlungsfähigkeit angeht, meint die Hellenische Republik zum einen, dass der Faktor „n“ mit Hilfe der neuesten finanziellen Daten aktualisiert werden müsse. Sie wirft der Kommission vor, den tatsächlichen Zustand der griechischen Wirtschaft und den Umstand außer Acht gelassen zu haben, dass das Land nach wie vor einem makroökonomischen Anpassungsprogramm unterliege, da es sich nicht erfolgreich auf den Finanzmärkten finanzieren könne.

106

Zum anderen ist die Hellenische Republik der Auffassung, dass der Faktor „n“ nicht korrekt berechnet sei, da der AEU-Vertrag ab dem 1. April 2017 das System der gewichteten Stimmen im Rat endgültig aufgegeben und durch ein System der doppelten Mehrheit der Mitgliedstaaten und der Bevölkerungen ersetzt habe, wonach jeder Mitgliedstaat nur eine Stimme im Rat habe. So meint die Hellenische Republik, dass die Mitgliedstaaten, deren Bevölkerung und deren BIP mit den ihren vergleichbar seien, eine deutliche Verringerung ihres Einflusses im Rat hätten hinnehmen müssen.

Würdigung durch den Gerichtshof

107

Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass es Sache des Gerichtshofs ist, in jeder Rechtssache und anhand der Umstände des Einzelfalls, mit dem er befasst ist, sowie nach Maßgabe des ihm erforderlich erscheinenden Grades an Überzeugungs- und Abschreckungswirkung die angemessenen finanziellen Sanktionen zu bestimmen, um insbesondere die Wiederholung ähnlicher Verstöße gegen das Unionsrecht zu verhindern (Urteil vom 31. Mai 2018, Kommission/Italien, C‑251/17, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:358, Rn. 63).

108

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist die Verhängung eines Zwangsgelds grundsätzlich nur insoweit gerechtfertigt, als die Vertragsverletzung, die sich aus der Nichtdurchführung eines früheren Urteils ergibt, bis zur Prüfung des Sachverhalts durch den Gerichtshof andauert (Urteil vom 31. Mai 2018, Kommission/Italien, C‑251/17, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:358, Rn. 64).

109

Im vorliegenden Fall macht die Hellenische Republik geltend, sie habe zum Zeitpunkt der Prüfung des Sachverhalts durch den Gerichtshof die im Schreiben vom 1. Dezember 2010 und in der Entscheidung 2009/610 aufgeführten Verpflichtungen umgesetzt.

110

Hierzu führt sie aus, sie habe ihre Forderungen im Rahmen des Sonderverwaltungsverfahrens beim Sonderverwalter von ENAE angemeldet und die Übergabe des Besitzes an dem Grundstück ABK 266, einschließlich des Trockendocks, dessen Nutzung ENAE durch eine Konzession erlaubt worden sei, sowie an dem vor diesem Grundstück gelegenen Küstenstreifen veranlasst.

111

Was erstens das Vorbringen in Bezug auf die Anmeldung der Forderungen betrifft, ist im vorliegenden Fall offenkundig, dass die Hellenische Republik zum Zeitpunkt der Prüfung des Sachverhalts durch den Gerichtshof die Forderungen auf Rückerstattung der betreffenden Beihilfen nicht in die Forderungstabelle eingetragen hat. Aus den Akten geht nämlich nicht hervor, dass der Sonderverwalter diese Forderungen in die Forderungstabelle eingetragen hat. Im Übrigen wird nach Art. 77 des Gesetzes Nr. 4307/2014 die förmliche Eintragung in die Forderungstabelle nach der Übertragung der Vermögenswerte des betreffenden Unternehmens, die sich aus der Sonderverwaltung ergibt, unter die dieses Unternehmen gestellt ist, und nicht vor dieser Übertragung vorgenommen. Es ist jedoch unstreitig, dass eine solche Übertragung der Vermögenswerte nicht stattgefunden hat. Somit kann sich die Hellenische Republik nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie mit der Forderungsanmeldung vom 22. März 2018 ihre Forderungen im Rahmen des Sonderverwaltungsverfahrens beim Sonderverwalter von ENAE angemeldet habe.

112

Jedenfalls genügt die Eintragung der Forderungen auf Rückerstattung der betreffenden Beihilfen für sich genommen nicht, um die Verpflichtung zur Durchführung des Feststellungsurteils zu erfüllen (Urteil vom 11. Dezember 2012, Kommission/Spanien, C‑610/10, EU:C:2012:781, Rn. 103). Eine solche Eintragung ist nämlich als grundsätzlich zur Sicherstellung der Beseitigung der Wettbewerbsverzerrung geeignete Maßnahme anzusehen, soweit einer solchen Maßnahme entweder die vollständige Rückerstattung dieser Beihilfen oder die Abwicklung des Unternehmens und die endgültige Einstellung seiner Tätigkeiten folgt, wenn eine solche Rückerstattung während des Insolvenzverfahrens unmöglich ist (Urteil vom 17. Januar 2018, Kommission/Griechenland, C‑363/16, EU:C:2018:12, Rn. 42).

113

Zweitens genügt zu dem Vorbringen bezüglich der Übergabe des Besitzes an dem Grundstück ABK 266 der Hinweis, dass es sich dabei jedenfalls nur um eine teilweise Durchführung der Rückforderungspflicht handelt. Diese Übergabe gewährleistet für sich genommen weder die vollständige Beitreibung der in Rede stehenden staatlichen Beihilfen noch die Einhaltung aller in dem Schreiben vom 1. Dezember 2010 aufgeführten Zusagen.

114

Daher kann die Hellenische Republik nicht geltend machen, sie habe zum Zeitpunkt der Prüfung des Sachverhalts durch den Gerichtshof alle für die Durchführung des Feststellungsurteils erforderlichen Maßnahmen getroffen.

115

Nach alledem ist festzustellen, dass die der Hellenischen Republik vorgeworfene Vertragsverletzung bis zur Prüfung des Sachverhalts des konkreten Falls durch den Gerichtshof fortgedauert hat.

116

Unter diesen Umständen ist die Verurteilung der Hellenischen Republik zur Zahlung eines Zwangsgelds ein angemessenes finanzielles Mittel, um sie zu veranlassen, die Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich sind, um die festgestellte Vertragsverletzung zu beenden und die vollständige Durchführung des Feststellungsurteils zu gewährleisten.

117

Nach ständiger Rechtsprechung ist das Zwangsgeld nach Maßgabe des Überzeugungsdrucks festzusetzen, der erforderlich ist, damit der mit der Durchführung eines Vertragsverletzungsurteils säumige Mitgliedstaat sein Verhalten ändert und die gerügte Zuwiderhandlung beendet (Urteil vom 31. Mai 2018, Kommission/Italien, C‑251/17, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:358, Rn. 68).

118

Bei der Ausübung seines Ermessens auf diesem Gebiet hat der Gerichtshof das Zwangsgeld so festzusetzen, dass es zum einen den Umständen angepasst ist und zum anderen in einem angemessenen Verhältnis zur festgestellten Vertragsverletzung und zur Zahlungsfähigkeit des betreffenden Mitgliedstaats steht (Urteil vom 31. Mai 2018, Kommission/Italien, C‑251/17, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:358, Rn. 69).

119

Die Vorschläge der Kommission zur Höhe des Zwangsgelds können den Gerichtshof nicht binden und stellen lediglich einen nützlichen Bezugspunkt dar. Auch Leitlinien wie die in den Mitteilungen der Kommission enthaltenen binden den Gerichtshof nicht, tragen jedoch dazu bei, die Transparenz, Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit des Vorgehens der Kommission zu gewährleisten, wenn dieses Organ dem Gerichtshof Vorschläge unterbreitet. Im Rahmen eines auf Art. 260 Abs. 2 AEUV gestützten Verfahrens wegen einer Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats, die ungeachtet des Umstands fortbesteht, dass sie bereits in einem ersten Urteil festgestellt worden ist, das nach Art. 258 AEUV oder Art. 108 Abs. 2 AEUV ergangen ist, muss es dem Gerichtshof nämlich freistehen, das verhängte Zwangsgeld in der Höhe und in der Form festzusetzen, die er für angemessen hält, um diesen Mitgliedstaat dazu zu bringen, die Nichterfüllung der sich aus diesem ersten Urteil des Gerichtshofs ergebenden Verpflichtungen zu beenden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 31. Mai 2018, Kommission/Italien, C‑251/17, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:358, Rn. 70).

120

Bei der Festsetzung der Höhe des Zwangsgelds sind zur Gewährleistung des Charakters des Zwangsgelds als Druckmittel im Hinblick auf eine einheitliche und wirksame Anwendung des Unionsrechts grundsätzlich die Schwere des Verstoßes, seine Dauer und die Zahlungsfähigkeit des betreffenden Mitgliedstaats als Grundkriterien heranzuziehen. Bei der Anwendung dieser Kriterien ist insbesondere zu berücksichtigen, welche Folgen die Nichtdurchführung für die privaten und die öffentlichen Interessen hat und wie dringend es ist, dass der betreffende Mitgliedstaat seinen Verpflichtungen nachkommt (Urteil vom 31. Mai 2018, Kommission/Italien, C‑251/17, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:358, Rn. 71).

121

Was zum Ersten die Schwere des Verstoßes betrifft, ist, wie der Generalanwalt in Nr. 124 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, darauf hinzuweisen, dass die Bestimmungen des AEU-Vertrags über staatliche Beihilfen eine zentrale Stellung einnehmen.

122

Die Vorschriften, die Gegenstand der Entscheidung 2009/610 und des Feststellungsurteils sind, stellen nämlich den Ausdruck einer der wesentlichen Aufgaben dar, die der Europäischen Union gemäß Art. 3 Abs. 3 EUV übertragen worden sind, nämlich der Errichtung eines Binnenmarkts, wobei nach dem Protokoll (Nr. 27) über den Binnenmarkt und den Wettbewerb, das gemäß Art. 51 EUV Bestandteil der Verträge ist, der Binnenmarkt ein System umfasst, das den Wettbewerb vor Verfälschungen schützt.

123

Die Bedeutung der in einem Fall wie dem vorliegenden verletzten Unionsvorschriften liegt vor allem darin, dass durch die Rückzahlung der für rechtswidrig und mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärten Beihilfen die Wettbewerbsverzerrung beseitigt wird, die durch den mit den Beihilfen verschafften Wettbewerbsvorteil verursacht wurde, und der Empfänger durch diese Rückerstattung den Vorteil verliert, den er auf dem Markt gegenüber seinen Konkurrenten besaß (Urteil vom 11. Dezember 2012, Kommission/Spanien, C‑610/10, EU:C:2012:781, Rn. 127).

124

Was die in der vorliegenden Rechtssache festgestellte Vertragsverletzung betrifft, ist erstens darauf hinzuweisen, dass die Hellenische Republik weder die in Rede stehenden staatlichen Beihilfen vollständig zurückerlangt noch die im Schreiben vom 1. Dezember 2010 aufgeführten Zusagen eingehalten hat. Allerdings ist im Hinblick auf den in Rn. 118 des vorliegenden Urteils genannten Grundsatz, dass das Zwangsgeld den Umständen angepasst und in einem angemessenen Verhältnis zur festgestellten Vertragsverletzung stehen muss, die Tatsache zu berücksichtigen, dass ENAE, vertreten durch ihren Sonderverwalter, den Besitz an dem Grundstück ABK 266 einschließlich des Trockendocks, dessen Nutzung ihr durch eine Konzession erlaubt worden war, sowie an dem vor diesem Grundstück gelegenen Küstenstreifen an ETAD übergeben hat und dass dieses Grundstück einen bedeutenden Teil der zivilen Vermögenswerte von ENAE darstellt.

125

Zweitens ist die beachtliche Höhe der nicht zurückgezahlten Beihilfe hervorzuheben. Wie der Generalanwalt in Nr. 125 seiner Schlussanträge festgestellt hat, steigt der zurückzuzahlende Betrag ständig um die anwendbaren Zinsen und überstieg zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung 670 Millionen Euro, so dass er mehr als 2,6-mal höher war als der ursprüngliche Betrag.

126

Drittens ist zu berücksichtigen, dass der Schiffsbaumarkt grenzüberschreitend ist. Dieser Wirtschaftssektor ist über fast alle Mitgliedstaaten verstreut. Folglich beträfen die schädigenden Wirkungen von nicht zurückgezahlten unvereinbaren Beihilfen nicht nur Unternehmen in Griechenland, sondern auch Unternehmen in der übrigen Union.

127

Viertens ist in Bezug auf das Vorbringen der Hellenischen Republik, dass Umstände vorlägen, die die Schwere des Verstoßes milderten, insbesondere die Obstruktion und das Fehlen jeder Zusammenarbeit seitens ENAE bei der Umsetzung der im Schreiben vom 1. Dezember 2010 aufgeführten Zusagen sowie die Auswirkungen des Beschlusses des ICC‑Schiedsgerichts vom 27. Juni 2017, darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung rechtliche, politische oder praktische Schwierigkeiten, mit denen der betreffende Mitgliedstaat bei der Durchführung einer die Rückforderung rechtswidriger Beihilfen anordnenden Entscheidung konfrontiert wird, ohne dass er wirkliche Schritte gegenüber den fraglichen Unternehmen unternommen hätte, um die Beihilfe zurückzufordern, und ohne dass er der Kommission ein alternatives Vorgehen zur Durchführung einer solchen Entscheidung vorgeschlagen hätte, das es erlaubt hätte, diese Schwierigkeiten zu überwinden, es nicht rechtfertigen können, dass dieser Mitgliedstaat die ihm nach dem Unionsrecht obliegenden Verpflichtungen nicht einhält. Das Gleiche gilt für die angeblichen internen Probleme bei der Durchführung der Kommissionsentscheidung (Urteil vom 9. November 2017, Kommission/Griechenland, C‑481/16, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:845, Rn. 29). Unter diesen Umständen können die von der Hellenischen Republik geltend gemachten Schwierigkeiten daher im vorliegenden Fall nicht als mildernde Umstände angesehen werden.

128

Schließlich ist ein wiederholtes rechtswidriges Verhalten dieses Mitgliedstaats im Bereich der staatlichen Beihilfen festzustellen. Die Hellenische Republik ist nämlich zum einen im Rahmen von Klagen nach Art. 108 Abs. 2 AEUV wegen der Nichtdurchführung von Entscheidungen über die Rückforderung von Beihilfen in den Rechtssachen, in denen die Urteile vom 1. März 2012, Kommission/Griechenland (C‑354/10, nicht veröffentlicht, EU:C:2012:109), vom 17. Oktober 2013,Kommission/Griechenland (C‑263/12, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:673), vom 9. November 2017, Kommission/Griechenland (C‑481/16, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:845), und vom 17. Januar 2018, Kommission/Griechenland (C‑363/16, EU:C:2018:12), ergangen sind, und zum anderen im Rahmen einer Klage nach Art. 228 Abs. 2 Unterabs. 3 EG in der Rechtssache, in der das Urteil vom 7. Juli 2009, Kommission/Griechenland (C‑369/07, EU:C:2009:428), ergangen ist, verurteilt worden.

129

Im vorliegenden Fall ist der Verstoß gegen die Vorschriften des AEU-Vertrags über staatliche Beihilfen erheblich.

130

Zum Zweiten ist, was die Dauer des Verstoßes angeht, bei deren Beurteilung auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem der Gerichtshof den Sachverhalt würdigt, und nicht auf den Zeitpunkt, zu dem er von der Kommission angerufen worden ist (Urteil vom 31. Mai 2018, Kommission/Italien, C‑251/17, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:358, Rn. 78).

131

Da die Hellenische Republik nicht nachweisen konnte, dass die Verletzung ihrer Verpflichtung zur vollständigen Durchführung des Feststellungsurteils beendet wurde, ist unter diesen Umständen festzustellen, dass diese Vertragsverletzung seit mehr als sechs Jahren seit der Verkündung dieses Urteils andauert; dies stellt eine erhebliche Dauer dar.

132

Was zum Dritten die Zahlungsfähigkeit und insbesondere den Vorschlag der Kommission angeht, den Grundbetrag mit einem speziellen, für die Hellenische Republik geltenden Koeffizienten zu multiplizieren, so hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass diese Berechnungsmethode ein geeignetes Instrument darstellt, um die Zahlungsfähigkeit des betreffenden Staates unter Beibehaltung einer angemessenen Differenzierung zwischen den verschiedenen Mitgliedstaaten zu berücksichtigen (Urteil vom 7. Juli 2009, Kommission/Griechenland, C‑369/07, EU:C:2009:428, Rn. 123).

133

Wie nämlich der Generalanwalt in Nr. 132 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, hat es der Gerichtshof bei der Berechnung finanzieller Sanktionen stets akzeptiert, auf das BIP des betreffenden Mitgliedstaats und die Zahl seiner Stimmen im Rat abzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 4. Juli 2000, Kommission/Griechenland, C‑387/97, EU:C:2000:356, Rn. 88, vom 25. November 2003, Kommission/Spanien, C‑278/01, EU:C:2003:635, Rn. 59, vom 10. Januar 2008, Kommission/Portugal, C‑70/06, EU:C:2008:3, Rn. 48, und vom 4. Juni 2009, Kommission/Griechenland, C‑109/08, EU:C:2009:346, Rn. 42).

134

Was das Kriterium des BIP angeht, so ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die jüngste Entwicklung des BIP eines Mitgliedstaats zu berücksichtigen, wie sie sich zum Zeitpunkt der Prüfung des Sachverhalts durch den Gerichtshof darstellt (Urteil vom 31. Mai 2018, Kommission/Italien, C‑251/17, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:358, Rn. 81 und die dort angeführte Rechtsprechung).

135

Somit ist zum einen zu berücksichtigen, dass sich das BIP der Hellenischen Republik zwischen 2010 und 2016 um mehr als 25 % verringert hat, und zum anderen, dass das BIP im Jahr 2017 zum ersten Mal seit dem Jahr 2007 angestiegen ist. Die Bedeutung dieser Wirtschaftskrise wird also vom Gerichtshof bei der Festlegung der Höhe des Zwangsgelds gebührend berücksichtigt.

136

Was das Kriterium der Stimmen eines Mitgliedstaats im Rat angeht, ist klarzustellen, dass nach Art. 3 Abs. 1 des Protokolls (Nr. 36) über die Übergangsbestimmungen am 1. November 2014 ein neues Verfahren der qualifizierten Mehrheit, die doppelte Mehrheit, in Kraft getreten ist.

137

Nach Art. 3 Abs. 2 dieses Protokolls können die Mitgliedstaaten bis zum 31. März 2017 noch eine Beschlussfassung auf der Grundlage der alten Regelung der qualifizierten Mehrheit beantragen.

138

Somit wurde ab dem 1. April 2017 das System der gewichteten Stimmen durch das der doppelten Mehrheit ersetzt, wonach die qualifizierte Mehrheit erreicht ist, wenn sie mindestens 55 % bzw., wenn der Vorschlag nicht von der Kommission oder vom Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik stammt, 72 % der Mitglieder des Rates umfasst, sofern die von diesen vertretenen Mitgliedstaaten zusammen mindestens 65 % der Bevölkerung der Union ausmachen.

139

Angesichts der Modalitäten des neuen Systems der doppelten Mehrheit und der Unterschiede, die es zum alten System der gewichteten Stimmen aufweist, ist das neue System der doppelten Mehrheit nicht direkt auf den Mechanismus zur Berechnung der Sanktionen übertragbar und kann somit das alte System der gewichteten Stimmen für diese Zwecke nicht wirklich ersetzen.

140

Wie nämlich der Generalanwalt in Nr. 140 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, liefert das neue System der doppelten Mehrheit keine zufriedenstellenden Kriterien für die angemessene Feststellung der Zahlungsfähigkeit der Mitgliedstaaten.

141

Außerdem ist festzustellen, dass der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung nach dem 1. April 2017, dem Datum, ab dem das alte System der gewichteten Stimmen nicht mehr anwendbar ist, für die Zwecke der Beurteilung der Zahlungsfähigkeit der Mitgliedstaaten nur noch das BIP des betreffenden Mitgliedstaats heranzieht (Urteile vom 22. Februar 2018, Kommission/Griechenland, C‑328/16, EU:C:2018:98, und vom 31. Mai 2018, Kommission/Italien, C‑251/17, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:358).

142

In diesem Kontext ist für die Zwecke der Beurteilung der Zahlungsfähigkeit der Hellenischen Republik nicht auf das Kriterium der Zahl der Stimmen, über die dieser Mitgliedstaat im Rat verfügte, oder das neue System der doppelten Mehrheit, sondern auf das BIP dieses Mitgliedstaats als vorrangigen Faktor abzustellen.

143

Was die Periodizität des Zwangsgelds betrifft, ist die von der Hellenischen Republik geltend gemachte Besonderheit der Maßnahmen zur Rückerlangung der in Rede stehenden Beihilfen zu berücksichtigen.

144

Für die Hellenische Republik wäre es ersichtlich besonders schwierig, innerhalb kurzer Frist eine vollständige Durchführung der Entscheidung 2009/610 und damit des Feststellungsurteils zu erreichen, weil die entsprechenden Maßnahmen nicht von einem Tag auf den anderen getroffen werden können und ihre Wirkungen nicht sofort wahrgenommen werden können.

145

Angesichts dieser Besonderheit ist es denkbar, dass es diesem Mitgliedstaat gelingt, den Grad der Durchführung der Entscheidung 2009/610 beträchtlich zu erhöhen, ohne innerhalb einer solchen Frist deren vollständige Durchführung zu erreichen.

146

Folglich kann erst am Ende eines Zeitraums, der eine Gesamtbewertung der erzielten Ergebnisse erlaubt, gegebenenfalls die Beendigung des in Rede stehenden Verstoßes festgestellt werden.

147

Daher ist ein halbjährliches Zwangsgeld festzulegen, um es der Kommission zu ermöglichen, den Stand der Fortschritte bei der Durchführung dieses Urteils im Hinblick auf die am Ende des fraglichen Zeitraums bestehende Situation zu beurteilen.

148

Die Hellenische Republik ist daher zu verurteilen, an die Kommission ein Zwangsgeld in Höhe von 7294000 Euro für jedes Halbjahr zu zahlen, um das sich die Umsetzung der zur Durchführung des Feststellungsurteils erforderlichen Maßnahmen verzögert, und zwar beginnend mit dem Tag der Verkündung des vorliegenden Urteils bis zu dem Tag, an dem das Feststellungsurteil vollständig durchgeführt worden ist.

Zum Pauschalbetrag

Vorbringen der Parteien

149

Die Kommission schlägt dem Gerichtshof vor, die Höhe des Pauschalbetrags durch die Multiplikation eines Tagessatzes mit der Zahl der Tage des Fortbestands des Verstoßes zu bestimmen.

150

Die Kommission regt an, bei der Berechnung des Pauschalbetrags den gleichen Schwerekoeffizienten und den gleichen Faktor „n“ wie beim Zwangsgeld heranzuziehen. Dagegen sei der Grundbetrag für die Berechnung des Pauschalbetrags auf 220 Euro je Tag festzulegen. Anders als bei der Berechnung des Zwangsgelds werde kein Dauerkoeffizient herangezogen, da der Dauer des Verstoßes bereits durch die Multiplizierung eines Tagessatzes mit der Anzahl der Tage, an denen der Verstoß fortbestehe, Rechnung getragen werde.

151

Auf dieser Grundlage schlägt die Kommission einen Pauschalbetrag vor, der sich aus der Multiplikation des Betrags von 3828 Euro mit der Zahl der Tage ergibt, die zwischen der Verkündung des Feststellungsurteils und dem Tag der Erfüllung der Verpflichtungen des Mitgliedstaats oder, bei deren Ausbleiben, dem der Verkündung des vorliegenden Urteils vergangen sind.

152

Die Hellenische Republik hat zum Pauschalbetrag keine besonderen Argumente vorgebracht. Da die Kommission für dessen Berechnung dieselben Kriterien verwendet wie für die Berechnung des Zwangsgelds, etwa die Schwere und die Dauer des Verstoßes, ist das Vorbringen der Hellenischen Republik zum Zwangsgeld zu berücksichtigen.

Würdigung durch den Gerichtshof

153

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in Ausübung seines Ermessens auf dem betreffenden Gebiet kumulativ ein Zwangsgeld und einen Pauschalbetrag verhängen darf (Urteil vom 31. Mai 2018, Kommission/Italien, C‑251/17, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:358, Rn. 96).

154

Die Verurteilung zur Zahlung eines Pauschalbetrags und die gegebenenfalls erfolgende Festsetzung seiner Höhe muss in jedem Einzelfall von der Gesamtheit der maßgebenden Aspekte abhängig gemacht werden, die sich sowohl auf die Merkmale der festgestellten Vertragsverletzung als auch auf die Haltung beziehen, die der Mitgliedstaat eingenommen hat, der von dem auf der Grundlage von Art. 260 AEUV eingeleiteten Verfahren betroffen ist. Insoweit gewährt diese Bestimmung dem Gerichtshof ein weites Ermessen bei der Entscheidung darüber, ob es einen Grund für die Verhängung einer derartigen Sanktion gibt, und gegebenenfalls bei der Bemessung ihrer Höhe (Urteil vom 31. Mai 2018, Kommission/Italien, C‑251/17, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:358, Rn. 97).

155

Im vorliegenden Fall deutet die Gesamtheit der rechtlichen und tatsächlichen Aspekte, die zur Feststellung der Vertragsverletzung geführt haben, darauf hin, dass eine wirksame Prävention zukünftiger ähnlicher Verstöße gegen das Unionsrecht den Erlass einer abschreckenden Maßnahme wie die Verhängung eines Pauschalbetrags erfordert.

156

Unter diesen Umständen ist es Sache des Gerichtshofs, in Ausübung seines Ermessens diesen Pauschalbetrag so festzusetzen, dass er zum einen den Umständen angepasst ist und zum anderen in angemessenem Verhältnis zu dem begangenen Verstoß steht (Urteil vom 31. Mai 2018, Kommission/Italien, C‑251/17, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:358, Rn. 99).

157

Zu den insoweit relevanten Faktoren zählen u. a. Aspekte wie die Schwere des festgestellten Verstoßes und der Zeitraum, in dem er seit der Verkündung des Urteils, mit dem er festgestellt wurde, fortbestanden hat (Urteil vom 31. Mai 2018, Kommission/Italien, C‑251/17, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:358, Rn. 100).

158

Die im vorliegenden Fall zu berücksichtigenden Umstände gehen u. a. aus den in den Rn. 120 bis 142 des vorliegenden Urteils dargelegten Erwägungen zur Schwere und Dauer des Verstoßes sowie zur Zahlungsfähigkeit des betroffenen Mitgliedstaats hervor.

159

Nach alledem ist bei angemessener Würdigung der Umstände des vorliegenden Falls der Pauschalbetrag, den die Hellenische Republik zu zahlen hat, auf 10000000 Euro festzusetzen.

160

Folglich ist die Hellenische Republik zu verurteilen, an die Kommission einen Pauschalbetrag von 10000000 Euro zu zahlen.

Kosten

161

Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Hellenischen Republik beantragt hat und die Vertragsverletzung festgestellt worden ist, sind der Hellenischen Republik die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Die Hellenische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 260 Abs. 1 AEUV verstoßen, dass sie bei Ablauf der Frist, die in dem von der Europäischen Kommission am 27. November 2014 versandten Mahnschreiben gesetzt worden war, nicht alle Maßnahmen ergriffen hatte, die sich aus dem Urteil vom 28. Juni 2012, Kommission/Griechenland (C‑485/10, nicht veröffentlicht, EU:C:2012:395), ergeben.

 

2.

Die Hellenische Republik wird verurteilt, an die Europäische Kommission ein Zwangsgeld in Höhe von 7294000 Euro für jeden Sechsmonatszeitraum ab der Verkündung des vorliegenden Urteils bis zur Durchführung des Urteils vom 28. Juni 2012, Kommission/Griechenland (C‑485/10, nicht veröffentlicht, EU:C:2012:395), zu zahlen.

 

3.

Die Hellenische Republik wird verurteilt, an die Europäische Kommission einen Pauschalbetrag von 10000000 Euro zu zahlen.

 

4.

Die Hellenische Republik trägt die Kosten.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Griechisch.