SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

HENRIK SAUGMANDSGAARD ØE

vom 25. Juli 2018 ( 1 )

Rechtssache C‑437/17

Gemeinsamer Betriebsrat EurothermenResort Bad Schallerbach GmbH

gegen

EurothermenResort Bad Schallerbach GmbH

(Vorabentscheidungsersuchen des Obersten Gerichtshofs [Österreich])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 45 AEUV – Verordnung (EU) Nr. 492/2011 – Freizügigkeit der Arbeitnehmer – Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit – Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub – Nationale Rechtsvorschriften, wonach Arbeitnehmern mit einer Dienstzeit von 25 Jahren bei demselben Arbeitgeber eine zusätzliche Woche bezahlten Jahresurlaubs zusteht“

I. Einleitung

1.

Mit seinem Vorabentscheidungsersuchen möchte der Oberste Gerichtshof (Österreich) vom Gerichtshof wissen, ob bestimmte Vorschriften des österreichischen Urlaubsgesetzes ( 2 ) (UrlG) mit dem in Art. 45 Abs. 2 AEUV und in Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 ( 3 ) vorgesehenen Verbot der Diskriminierung von Arbeitnehmern aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit und dem in Art. 45 Abs. 1 AEUV gewährleisteten Grundsatz der Arbeitnehmerfreizügigkeit vereinbar ist.

2.

Die fraglichen Bestimmungen des UrlG machen den Anspruch auf die sechste Woche bezahlten Jahresurlaubs im Wesentlichen vom Vorliegen einer Dienstzeit von mindestens 25 Jahren bei demselben – dem derzeitigen – Arbeitgeber abhängig. Bei der Berechnung dieser Dienstzeit werden gleichwohl ergänzend Tätigkeitszeiten bei früheren Arbeitgebern in beschränktem Umfang berücksichtigt.

3.

Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen ist in einem Revisionsverfahren zwischen dem Gemeinsamen Betriebsrat EurothermenResort Bad Schallerbach GmbH (im Folgenden: Betriebsrat) und der EurothermenResort Bad Schallerbach GmbH ergangen, in dem es um die Voraussetzungen für den Anspruch auf die sechste Woche bezahlten Jahresurlaubs geht. Nach Ansicht des Betriebsrats verlangt das Unionsrecht, dass Dienstzeiten, die Arbeitnehmer bei ihren früheren Arbeitgebern, in anderen Mitgliedstaaten als der Republik Österreich, zurückgelegt haben, im gleichen Umfang berücksichtigt werden wie Dienstzeiten beim derzeitigen Arbeitgeber.

4.

In den vorliegenden Schlussanträgen werde ich die Gründe darlegen, aus denen meiner Ansicht nach ein nationales Gesetz wie das UrlG, das für den Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub Dienstzeiten, die ein Arbeitnehmer bei seinen früheren Arbeitgebern zurückgelegt hat, ungünstiger behandelt als die Dienstzeiten, die er bei seinem derzeitigen Arbeitgeber zurückgelegt hat, weder eine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit noch eine Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit begründet. Für den Fall, dass der Gerichtshof annehmen sollte, dass dieses Gesetz zu einer solchen Diskriminierung oder einer solchen Beschränkung führt, werde ich hilfsweise ausführen, weshalb sich dies meines Erachtens rechtfertigen lässt.

II. Rechtlicher Rahmen

A.   Verordnung Nr. 492/2011

5.

Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 492/2011 bestimmt:

„Ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, darf aufgrund seiner Staatsangehörigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Entlohnung, Kündigung und, falls er arbeitslos geworden ist, im Hinblick auf die berufliche Wiedereingliederung oder Wiedereinstellung, nicht anders behandelt werden als die inländischen Arbeitnehmer.“

B.   Österreichisches Recht

6.

§ 2 Abs. 1 UrlG sieht vor:

„Dem Arbeitnehmer gebührt für jedes Arbeitsjahr ein ununterbrochener bezahlter Urlaub. Das Urlaubsausmaß beträgt bei einer Dienstzeit von weniger als 25 Jahren 30 Werktage und erhöht sich nach Vollendung des 25. Jahres auf 36 Werktage.“

7.

In § 3 UrlG heißt es:

„(1)   Für die Bemessung des Urlaubsausmaßes sind Dienstzeiten bei demselben Arbeitgeber, die keine längeren Unterbrechungen als jeweils drei Monate aufweisen, zusammenzurechnen.

(2)   Für die Bemessung des Urlaubsausmaßes sind anzurechnen:

1.

Die in einem anderen Arbeitsverhältnis … im Inland zugebrachte Dienstzeit, sofern sie mindestens je sechs Monate gedauert hat;

(3)   Zeiten nach Abs 2 Z 1 sind insgesamt nur bis zum Höchstausmaß von fünf Jahren anzurechnen. …

…“

III. Ausgangsrechtsstreit, Vorlagefrage und Verfahren vor dem Gerichtshof

8.

EurothermenResort Bad Schallerbach ist eine im Tourismusbereich tätige österreichische Gesellschaft. Sie beschäftigt u. a. eine Reihe von Arbeitnehmern, die Vordienstzeiten aufweisen, die sie bei früheren Arbeitgebern in anderen Mitgliedstaaten als der Republik Österreich zurückgelegt haben.

9.

Der Betriebsrat erhob wegen der Jahresurlaubsansprüche dieser Arbeitnehmer gegen die EurothermenResort Bad Schallerbach eine Klage beim Landesgericht Wels (Österreich). Hierbei machte der Betriebsrat geltend, dass § 3 Abs. 2 Ziff. 1 und Abs. 3 UrlG dadurch, dass er die Möglichkeit, die in anderen Mitgliedstaaten als Österreich zurückgelegten Vordienstzeiten im Rahmen der Dienstzeit, die nach § 2 Abs. 1 UrlG für den Anspruch auf die sechste Urlaubswoche erforderlich ist, zu berücksichtigen, beschränke – und zwar auf maximal fünf Jahre –, insbesondere Wanderarbeitnehmer benachteilige und es für österreichische Arbeitnehmer weniger attraktiv mache, von ihrer Freizügigkeit Gebrauch zu machen. Nach dem Unionsrecht müssten diese Vordienstzeiten vollständig angerechnet werden, so dass jeder Arbeitnehmer mit 25‑jähriger Berufserfahrung Anspruch auf eine sechste Woche Urlaub nach § 2 Abs. 1 UrlG habe.

10.

Mit Urteil vom 25. Januar 2017 wies das Landesgericht Wels (Österreich) die Klage ab. Das Landesgericht war u. a. der Auffassung, dass die streitigen Bestimmungen des UrlG keine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit begründeten, da alle Vordienstzeiten bei früheren Arbeitgebern gleichbehandelt würden. Zwar stelle der Wortlaut von § 3 Abs. 2 Ziff. 1 UrlG nur auf im Inland zurückgelegte Dienstzeiten ab; nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs müssten aber in anderen Mitgliedstaaten zurückgelegte Dienstzeiten in gleicher Weise berücksichtigt werden. Im Übrigen stehe es den Mitgliedstaaten frei, Vergünstigungen für Arbeitnehmer vorzusehen, die eine bestimmte Dienstzeit in einem Unternehmen aufwiesen.

11.

Mit Urteil vom 3. Mai 2017 bestätigte das Oberlandesgericht Linz (Österreich) das erstinstanzliche Urteil. Das Berufungsgericht war der Ansicht, es sei zwar nicht ausgeschlossen, dass sich ein Arbeitnehmer durch den Verlust der sechsten Woche bezahlten Urlaubs davon abhalten lasse, von seiner Freizügigkeit Gebrauch zu machen; die damit verbundene Beschränkung sei aber durch das Ziel gerechtfertigt, die Treue der Arbeitnehmer zu ihrem Arbeitgeber zu belohnen.

12.

Der Betriebsrat erhob daraufhin Revision an den Obersten Gerichtshof. Unter diesen Umständen hat dieser beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Sind Art. 45 AEUV und Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 492/2011 dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung, wie der im Ausgangsverfahren (§ 3 Abs. 2 Ziff. 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 3 und § 2 Abs. 1 UrlG) entgegenstehen, wonach einem Arbeitnehmer, der insgesamt 25 Dienstjahre aufweist, diese aber nicht beim selben österreichischen Arbeitgeber absolviert hat, ein [bezahlter] Jahresurlaub nur im Ausmaß von fünf Wochen gebührt, während einem Arbeitnehmer, der 25 Dienstjahre beim selben österreichischen Arbeitgeber erbracht hat, ein Anspruch auf sechs Wochen pro Jahr zusteht?

13.

Das Vorabentscheidungsersuchen ist am 19. Juli 2017 in das Register der Kanzlei des Gerichtshofs eingetragen worden. Der Betriebsrat, EurothermenResort Bad Schallerbach, die österreichische Regierung sowie die Europäische Kommission haben beim Gerichtshof schriftliche Erklärungen eingereicht. Die Genannten haben auch an der mündlichen Verhandlung vom 3. Mai 2018 teilgenommen.

IV. Analyse

A.   Einleitende Erwägungen

14.

Als erstrangige soziale Errungenschaft ist der Anspruch der Arbeitnehmer auf Jahresurlaub Gegenstand einer unionsrechtlichen Regelung. Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG, der sogenannten „Arbeitszeitrichtlinie“ ( 4 ), gewährleistet allen Arbeitnehmern in der Europäischen Union einen bezahlten Jahresurlaub von vier Wochen. Da diese Richtlinie nur Mindestvorschriften enthält, steht es den Mitgliedstaaten weiterhin frei, Arbeitnehmern, die ihren Rechtsvorschriften unterliegen, umfangreichere Ansprüche einzuräumen. Allerdings müssen die eventuellen Bedingungen, von denen die betreffenden Mitgliedstaaten diese zusätzlichen Ansprüche abhängig machen, den allgemeinen Bestimmungen des Unionsrechts, einschließlich der in Art. 45 AEUV und der Verordnung Nr. 492/2011 vorgesehenen Vorschriften über die Arbeitnehmerfreizügigkeit entsprechen.

15.

Die österreichische Urlaubsgesetzgebung, das UrlG, geht in der Tat über die vom Unionsrecht gewährleisteten vier Wochen hinaus. § 2 Abs. 1 UrlG gewährt Arbeitnehmern pro Urlaubsjahr fünf oder sechs Wochen bezahlten Jahresurlaub, je nachdem, ob sie eine Dienstzeit von 25 Jahren aufweisen oder nicht.

16.

Die hierfür erforderliche Dienstzeit berechnet sich nach den in § 3 UrlG vorgesehenen Regeln. Nach Abs. 1 dieses Paragrafen werden Dienstzeiten bei demselben – dem derzeitigen – Arbeitgeber, zusammengerechnet, soweit sie keine längeren Unterbrechungen als jeweils drei Monate aufweisen ( 5 ). Sein Abs. 2 sieht in Ziff. 1 vor, dass Dienstzeiten bei einem oder mehreren früheren Arbeitgebern ebenfalls berücksichtigt werden, soweit das frühere Arbeitsverhältnis jeweils mindestens sechs Monate gedauert hat ( 6 ). Allerdings werden nach Abs. 3 dieses Paragrafen solche vorherigen Dienstzeiten insgesamt nur bis zu fünf Jahren berücksichtigt.

17.

Um die Bedeutung dieser Vorschriften zu verstehen, nehmen wir den gedachten Fall eines Arbeitnehmers, Herrn Mahler, der fünf Jahre beim Unternehmen X verbracht hatte, danach acht Jahre beim Unternehmen Y, bevor er schließlich zum Unternehmen Z wechselte, wo er seit 15 Jahren ohne Unterbrechung arbeitet. Nach § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 bis 3 UrlG wird das Ausmaß der Ansprüche von Herrn Mahler auf bezahlten Jahresurlaub in erster Linie unter Berücksichtigung seiner Dienstzeit beim Unternehmen Z –15 Jahre – berechnet, zu der ergänzend seine Berufserfahrung bei seinen beiden früheren Arbeitgebern hinzutritt, also 13 Jahre, von denen jedoch nur fünf Jahre zählen – was insgesamt 20 Jahre ergibt. Infolgedessen weist Herr Mahler, obschon sich seine berufliche Laufbahn auf 28 Jahre erstreckt, nicht die Dienstzeit von 25 Jahren auf, die für den Anspruch auf die sechste Woche bezahlten Jahresurlaubs nach § 2 Abs. 1 UrlG erforderlich ist.

18.

Die vom Betriebsrat erhobene Revision an den Obersten Gerichtshof beruht auf der Prämisse, dass die streitigen Vorschriften des UrlG unionsrechtswidrige Folgen nach sich zögen. Diese Vorschriften würden gegen das in Art. 45 Abs. 2 AEUV sowie Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 492/2011 verankerte Diskriminierungsverbot verstoßen und die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, insbesondere österreichischer, einschränken. Auf diese beiden Gesichtspunkte ist daher nacheinander einzugehen, wobei zunächst die Gründe zu untersuchen sind, aus denen meines Erachtens eine Regelung wie das UrlG keine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit mit sich bringt (B), und danach die Gründe, aus denen nach meinem Dafürhalten die gleiche Schlussfolgerung zu ziehen ist, was das Vorliegen einer Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit betrifft (C).

B.   Zum Nichtvorliegen einer Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit der Arbeitnehmer

19.

Art. 45 Abs. 2 AEUV verbietet jede auf der Staatsangehörigkeit beruhende unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen. Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 492/2011 wiederum stellt eine besondere Ausprägung dieses Verbots im speziellen Bereich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen dar. Diese beiden Bestimmungen sind folglich gleich auszulegen ( 7 ).

20.

Vorschriften wie die, die das UrlG vorsieht, fallen in den Anwendungsbereich dieser Bestimmungen, da die Ansprüche der Arbeitnehmer auf bezahlten Jahresurlaub unbestreitbar zu den Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen gehören.

21.

Was das Vorliegen einer eventuellen verbotenen Diskriminierung angeht, wird in § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 bis 3 UrlG hinsichtlich des Ausmaßes der Ansprüche der Arbeitnehmer auf bezahlten Jahresurlaub eine Unterscheidung vorgenommen, die an das Kriterium ihrer Dienstzeit anknüpft. Diese Bestimmungen gelten unterschiedslos für alle Arbeitnehmer, gleich welcher Staatsangehörigkeit. Sie führen also zu keiner Diskriminierung, die unmittelbar aufgrund dieses Kriteriums erfolgen.

22.

Allerdings verbieten nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs Art. 45 Abs. 2 AEUV und Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 492/2011 nicht nur Diskriminierungen, die unmittelbar aufgrund der Staatsangehörigkeit der Arbeitnehmer erfolgen, sondern auch solche, die mittelbar aufgrund dieses Kriteriums erfolgen, d. h. „alle verschleierten Formen der Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungskriterien de facto zum gleichen Ergebnis führen“ ( 8 ).

23.

Der insoweit einschlägige „Test“ wird zum ersten Mal im Urteil vom 23. Mai 1996, O’Flynn ( 9 ), erwähnt. Dem Gerichtshof zufolge „ist eine Vorschrift des nationalen Rechts, sofern sie nicht objektiv gerechtfertigt ist und in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Zweck steht, als mittelbar diskriminierend anzusehen, wenn sie sich ihrem Wesen nach mehr auf Wanderarbeitnehmer als auf inländische Arbeitnehmer auswirken kann und folglich die Gefahr besteht, dass sie Wanderarbeitnehmer besonders benachteiligt“ ( 10 ).

24.

Demzufolge wird jede Maßnahme, sofern sie nicht objektiv gerechtfertigt ist, als mittelbar diskriminierend aufgrund der Staatsangehörigkeit angesehen, wenn es in Anbetracht der allgemein anerkannten Tatsachen ( 11 ) oder anderer Angaben wahrscheinlich ist, dass sie auf Inländer und Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten potenziell unterschiedliche Auswirkungen haben, die für Letztere in besonderem Maße ungünstig sind. Dies muss sich aus dem Wesen der Maßnahme, d. h. aus dem gewählten Unterscheidungskriterium ergeben, das, obwohl es neutral erscheint, Auswirkungen der gleichen Art haben muss wie das Kriterium der Nationalität. Ob das fragliche Kriterium potenziell diskriminierend ist, lässt sich überprüfen, indem Inländer und Ausländer – hypothetisch – in zwei Gruppen aufgeteilt werden, anschließend für jede Gruppe der Anteil der Personen, die durch das fragliche Kriterium benachteiligt sein könnten, geschätzt wird und schließlich diese beiden Anteile miteinander verglichen werden ( 12 ).

25.

In der Rechtsprechung des Gerichtshofs finden sich zahlreiche Beispiele für Kriterien, die in der Praxis die Gruppe derjenigen, die keine Staatsangehörigen des betreffenden Staates sind, besonders benachteiligen können: der Wohnsitz ( 13 ), der Herkunftsort ( 14 ), die Sprache ( 15 ) oder der Ort des Erwerbs der Sprachkenntnisse ( 16 ), der Ort des Erwerbs des Diploms ( 17 ) oder auch das nationale Bildungssystem, dem ein Praktikant angehört ( 18 ).

26.

Solche Kriterien lassen grundsätzlich eine Verbindung zu einem bestimmten Mitgliedstaat erkennen, indem sie an dessen Merkmale, wie dessen Gebiet oder Sprache, anknüpfen, und kommen damit dem Kriterium der Staatsangehörigkeit nahe. Der Anschein der Neutralität verblasst schnell ( 19 ). Zwar können sich Kriterien, die nichts mit irgendwelchen an die Staatsangehörigkeit geknüpften Erwägungen zu tun haben, auf dieser Grundlage trotzdem als mittelbar diskriminierend erweisen. In der Rechtsprechung des Gerichtshofs finden sich hierfür einige historische Beispiele ( 20 ). Allerdings bedarf es dann zusätzlicher Angaben, um das Vorliegen einer Ungleichbehandlung, die mittelbar aufgrund der Staatsangehörigkeit erfolgt, festzustellen ( 21 ).

27.

Im vorliegenden Fall vertreten der Betriebsrat und die Kommission die Ansicht, dass das Kriterium der Dienstzeit, auf das § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 bis 3 UrlG abstellten, in der Praxis für österreichische Arbeitnehmer günstiger sei als für Arbeitnehmer, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten seien. Denn die Erstgenannten wohnten ganz überwiegend in Österreich, träten dort in das Berufsleben ein und könnten die 25 Jahre, die nach § 2 Abs. 1 UrlG für einen Anspruch auf die sechste Woche bezahlten Urlaubs erforderlich seien, bei ein und demselben Arbeitgeber durchgehend beschäftigt bleiben. Die Zweitgenannten hingegen träten im Allgemeinen in ihrem Herkunftsmitgliedstaat in das Berufsleben ein und wechselten erst im weiteren Verlauf ihres Berufslebens zu einem österreichischen Arbeitgeber. Daher sei es für Arbeitnehmer aus anderen Mitgliedstaaten schwieriger die auf diese Weise geforderte Dienstzeit zu erreichen, da die von ihnen erworbene Berufserfahrung nur bis zu der in § 3 Abs. 3 UrlG festgelegten Grenze von fünf Jahren berücksichtigt werde ( 22 ).

28.

EurothermenResort Bad Schallerbach und die österreichische Regierung vertreten die entgegengesetzte Auffassung. Ihrer Ansicht nach lässt sich im vorliegenden Fall keine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit feststellen, da die Vorschriften des UrlG österreichische Arbeitnehmer und Arbeitnehmer aus anderen Mitgliedstaaten gleich behandelten. Das vorlegende Gericht vertritt den gleichen Standpunkt und weist darauf hin, es sei keine feststehende Tatsache, dass die österreichischen Arbeitnehmer dazu neigten, 25 Jahre bei demselben Arbeitgeber beschäftigt zu bleiben, und daher auffallend häufiger Anspruch auf die in § 2 Abs. 1 UrlG vorgesehene sechste Woche bezahlten Urlaubs hätten als die Arbeitnehmer aus anderen Mitgliedstaaten. Österreichische Arbeitnehmer wechselten vielmehr häufig ihren Arbeitgeber.

29.

Wie bereits ausgeführt, teile ich die zweite Ansicht.

30.

Das in § 2 Abs. 1 UrlG verwendete Kriterium der Dienstzeit von 25 Jahren begünstigt nämlich Arbeitnehmer, die während des dort geforderten Zeitraums ihren Arbeitgeber nicht wechseln. Dementsprechend benachteiligt dieses Kriterium sämtliche Arbeitnehmer, die im Lauf ihres Berufslebens den Arbeitgeber gewechselt haben und deren bei ihren vorherigen Arbeitgebern erworbene Berufserfahrung nur bis zu der in § 3 Abs. 3 UrlG vorgesehenen Grenze von fünf Jahren angerechnet wird. Insoweit handelt es sich bei der Staatsangehörigkeit des oder der früheren Arbeitgeber und dem Ort der Erfüllung des oder der betreffenden früheren Arbeitsverhältnisse um Umstände ohne Bedeutung. Die Vorschriften dieses Gesetzes machen keinen Unterschied zwischen der internen Mobilität eines Arbeitnehmers – ob sich dieser innerhalb des österreichischen Hoheitsgebiets bewegt – und dessen externer Mobilität – ob er in einen anderen Mitgliedstaat geht oder aus diesem kommt. Dessen Dienstzeiten bei einem oder mehreren früheren Arbeitgebern werden auf identische Weise unabhängig davon berücksichtigt, ob sie im Inland oder einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegt wurden ( 23 ).

31.

Folglich sind alle Arbeitnehmer, die anderen Mitgliedstaaten als der Republik Österreich angehören und die eine Berufserfahrung von mehr als fünf Jahren bei einem oder mehreren anderen Arbeitgebern als ihrem derzeitigen Arbeitgeber aufweisen, durch die Vorschriften des UrlG zwar beeinträchtigt. Sämtliche österreichischen Arbeitnehmer, die im Laufe ihres Berufslebens den Arbeitgeber gewechselt haben, sind es jedoch in gleichem Maße. Das Kriterium der Dienstzeit betrifft somit die Gruppe der inländischen Arbeitnehmer und die Gruppe der Arbeitnehmer aus anderen Mitgliedstaaten in vergleichbarer Weise ( 24 ). Anders verhielte es sich, wenn aufgrund zusätzlicher Angaben festgestellt würde oder zumindest angenommen werden könnte, dass die Erstgenannten deutlich seltener den Arbeitsplatz wechseln als die Zweitgenannten. Wie das vorlegende Gericht bemerkt, deutet jedoch nichts darauf hin ( 25 ).

32.

Die Kommission macht allerdings geltend, dass die Tatsache, dass ein erheblicher Teil der österreichischen Arbeitnehmer durch die Vorschriften des UrlG beeinträchtigt sei, der Feststellung nicht entgegenstehe, dass eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit vorliege. Es genüge nämlich, festzustellen, dass die Mehrheit der Arbeitnehmer, die die in § 2 Abs. 1 UrlG vorgesehene Voraussetzung der Dienstzeit von 25 Jahren erfüllten, Österreicher seien und/oder die Mehrheit derjenigen, die von der in § 3 Abs. 3 UrlG vorgesehenen eingeschränkten Berücksichtigung der bei vorherigen Arbeitgebern zurückgelegten Dienstzeiten betroffen seien, Angehörige anderer Mitgliedstaaten seien.

33.

Insoweit erinnere ich daran, dass es als Beleg dafür, dass eine nationale Regelung de facto zu einer Ungleichbehandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit führt, weder erforderlich noch ausreichend ist, festzustellen, dass die Mehrheit der begünstigten Personen Inländer oder die Mehrheit der Benachteiligten Ausländer sind. Eine solche Argumentation hätte schwerwiegende Schwächen ( 26 ). Wie in Nr. 24 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt, ist auf das eventuelle Bestehen einer Differenz zwischen dem Anteil der Ausländer, die durch das UrlG beeinträchtigt sein könnten, und dem Anteil der Inländer, bei denen dies möglicherweise der Fall ist, abzustellen. Ein solcher Unterschied ist aber im vorliegenden Fall alles andere als wahrscheinlich ( 27 ).

34.

Eine andere Schlussfolgerung ergibt sich – entgegen dem Vorbringen der Kommission – auch nicht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, wonach eine nationale Maßnahme, um sie als mittelbar diskriminierend qualifizieren zu können, nicht bewirken muss, dass alle Inländer begünstigt werden oder dass unter Ausschluss der Inländer nur die Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten benachteiligt werden ( 28 ).

35.

Diese Rechtsprechung hilft in einer Rechtssache wie der des Ausgangsverfahrens in keiner Weise weiter. Sie besagt nicht mehr und nicht weniger als, dass, soweit sich eine nationale Regelung mehr auf die Gruppe der Ausländer als auf die Gruppe der Inländer auswirken kann, die Tatsache, dass ein bestimmter Anteil der Letztgenannten ebenfalls betroffen ist, der Feststellung nicht entgegensteht, dass eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit vorliegt. Diese Rechtsprechung erlaubt hingegen nicht die Feststellung, dass eine solche Diskriminierung vorliegt, wenn es um eine Regelung geht, die wie im vorliegenden Fall vergleichbare Auswirkungen auf Inländer und Ausländer hat ( 29 ).

36.

Allerdings gibt es eine umfangreiche Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Berechnung der Dienstzeit im öffentlichen Dienst der Mitgliedstaaten für Zwecke der Beförderung und zusätzlicher Vergütungen, die damit im Allgemeinen verbunden sind. Nach dieser Rechtsprechung sind nationale Regelungen, die in diesem Bereich die Berücksichtigung von Dienstzeiten, die ein Beschäftigter in der öffentlichen Verwaltung eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegt hat, völlig ausschließen oder deren Anrechnung an strengere Voraussetzungen knüpfen als die, die für Dienstzeiten in der inländischen öffentlichen Verwaltung gelten, mittelbar diskriminierend aufgrund der Staatsangehörigkeit ( 30 ).

37.

Gleichwohl stützten sich die in den früheren Rechtssachen streitigen Regelungen zwar auf ein Unterscheidungskriterium – die im inländischen öffentlichen Dienst zurückgelegte Dienstzeit –, das auf den ersten Blick dem Unterscheidungskriterium ähnelt, auf das vorliegend das UrlG abstellt, doch in Wirklichkeit unterschieden sich diese Regelungen in ihrer Anwendung von dem UrlG.

38.

Das Urteil vom 30. September 2003, Köbler ( 31 ), liefert hierfür ein anschauliches Beispiel. In dieser Rechtssache ging es um eine besondere Dienstalterszulage, die der österreichische Staat als Dienstherr Universitätsprofessoren gewährte, die diesen Beruf mindestens fünfzehn Jahre an irgendeiner österreichischen öffentlichen Universität ausgeübt hatten. So stellte der Gerichtshof fest, dass diese Zulage eine Honorierung von Professoren an österreichischen Universitäten bewirkte, die ihren Beruf weiterhin in Österreich ausübten und Professoren benachteiligte, die diesen Beruf in anderen Mitgliedstaaten ausübten.

39.

Eine solche Regelung ermöglichte somit eine große Mobilität der Beschäftigten innerhalb einer Gruppe unterschiedlicher inländischer Arbeitgeber ( 32 ). Das UrlG hingegen bewertet nur die bei ein und demselben – dem derzeitigen – Arbeitgeber zurückgelegte Dienstzeit günstig. Wie in Nr. 30 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt, behandelt dieses Gesetz die interne Mobilität im Inland ebenso rigoros wie die externe Mobilität: Jeder Arbeitgeberwechsel führt dazu, dass die ungünstige Behandlung zur Anwendung kommt.

40.

Außerdem hat EurothermenResort Bad Schallerbach in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, ohne dass ihr insoweit widersprochen wurde, dass der derzeitige Arbeitgeber nicht notwendigerweise ein österreichischer Arbeitgeber sein müsse. § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 UrlG verlangten noch nicht einmal, dass die Dienstzeiten beim derzeitigen Arbeitgeber im Inland zurückgelegt sein müssten. Insoweit trägt die im Ausgangsverfahren beklagte Partei, wiederum unwidersprochen, vor, dass alle Dienstzeiten, die ein Arbeitnehmer bei demselben Arbeitgeber verbracht habe, gleich behandelt würden, gleich an welchem Ort sie zurückgelegt worden seien ( 33 ). Die einzige Voraussetzung, die stillschweigend, aber selbstverständlich zu der des Verbleibs bei ein und demselben Arbeitgeber hinzutrete, sei die Anwendbarkeit des österreichischen Rechts zum Zeitpunkt der Gewährung der sechsten Woche.

41.

Stellen wir uns also den Fall eines deutschen Arbeitnehmers vor, der in einen in Deutschland belegenen Betrieb eines bestimmten Unternehmens eintritt und nach mehreren Tätigkeitsjahren in einen in Österreich belegenen Betrieb desselben Unternehmens wechselt – wodurch er grundsätzlich in den Anwendungsbereich des österreichischen Rechts gelangt ( 34 ). Für den Anspruch auf die sechste Urlaubswoche nach den streitigen Vorschriften des UrlG werden seine Tätigkeitszeiten in Deutschland ebenso günstig behandelt wie die in Österreich, da die Voraussetzung der Arbeitgeberidentität erfüllt ist ( 35 ).

42.

Der Betriebsrat und die Kommission haben sich allerdings auf das Urteil SALK ( 36 ) berufen, das ihrer Ansicht nach entsprechend auf die vorliegende Rechtssache zu übertragen ist. In diesem Urteil ging es um ein Gesetz des Landes Salzburg – also mit anderen Worten um ein regionales Gesetz –, das für die Ermittlung des Vorrückungsstichtags der Dienstnehmer einer Dachgesellschaft dreier Krankenhäuser und mehrerer anderer Einrichtungen in diesem Land eine Unterscheidung danach vornahm, ob die Dienstnehmer immer bei Dienststellen dieses Landes oder bei anderen in- oder ausländischen Arbeitgebern gearbeitet hatten. Ersterenfalls schlug die Dienstzeit in vollem Ausmaß zu Buche, während letzterenfalls die vor der Einstellung der Arbeitnehmer beim Land Salzburg zurückgelegten Dienstzeiten nur in einem geringeren Umfang angerechnet wurden.

43.

In dieser Rechtssache ließ sich mit guten Gründen – ebenso wie in der vorliegenden Rechtssache – die Auffassung vertreten, dass die interne und die externe Mobilität in vergleichbarer Weise behandelt wurden. Trotzdem hat der Gerichtshof das Vorliegen einer mittelbaren Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit festgestellt; dabei hat er seine vorherige Rechtsprechung zu Dienstzeiten im öffentlichen Dienst der Mitgliedstaaten auf diese Rechtssache übertragen und auf die in Nr. 34 der vorliegenden Schlussanträge angeführte Rechtsprechung verwiesen ( 37 ).

44.

Ich habe Vorbehalte gegen das Urteil SALK ( 38 ). In der betreffenden Rechtssache wurden sämtliche österreichischen Arbeitnehmer, die einen anderen öffentlichen oder privaten Arbeitgeber als das Land Salzburg hatten, ebenso wie Arbeitnehmer aus anderen Mitgliedstaaten benachteiligt. Ich habe Zweifel, dass in dieser Rechtssache tatsächlich eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit vorlag. Meines Erachtens lässt sich die Rechtsprechung zu Regelungen, die auf nationaler Ebene anwendbar sind – wie Regelungen zum Dienstalter im nationalen öffentlichen Dienst – nur mit Zurückhaltung auf ähnliche Regelungen übertragen, die von den lokalen oder regionalen Behörden erlassen werden. So ist es beispielsweise zwar wahrscheinlich, dass ein auf nationaler Ebene aufgestelltes Wohnsitzerfordernis Angehörige anderer Mitgliedstaaten besonders benachteiligt; dies ist jedoch alles andere als sicher, wenn ein solches Erfordernis von einer lokalen Behörde aufgestellt wird ( 39 ).

45.

Unbeschadet dessen ist es, selbst wenn der Gerichtshof dieses Urteil nicht in Frage stellen möchte, immer noch möglich dieses Urteil und die vorliegende Rechtssache voneinander abzugrenzen. Denn die in diesem Urteil streitige Regelung begünstigte zumindest einen gewissen Grad an interner Mobilität, weil ein Arbeitnehmer des betreffenden Landes die Stelle wechseln und weiterhin von den günstigen Vorschriften über die Berechnung der Dienstzeit profitieren konnte, sofern er sich dazu entschloss, zu einem anderen öffentlichen Unternehmen dieses Landes zu wechseln. Die Vorschriften des UrlG unterscheiden sich somit eindeutig von der in diesem Urteil in Rede stehenden Regelung.

46.

Nach alledem bin ich der Auffassung, dass ein Gesetz wie das UrlG zu keiner unmittelbaren oder mittelbaren Ungleichbehandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit der Arbeitnehmer führt. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn wahrscheinlich wäre, dass österreichische Arbeitnehmer deutlich seltener ihren Arbeitgeber wechseln als Angehörige anderer Mitgliedstaaten. In den Akten, die dem Gerichtshof vorliegen, findet sich für diese Annahme keinerlei Anhaltspunkt.

C.   Zum Nichtvorliegen einer gegen Art. 45 AEUV verstoßenden Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit

47.

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs verbietet Art. 45 AEUV aber nicht nur unmittelbare oder mittelbare Diskriminierungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit, sondern auch nationale Regelungen, die, auch wenn sie unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betroffenen Arbeitnehmer anwendbar sind, deren Freizügigkeit beschränken ( 40 ).

48.

Art. 45 AEUV schützt die Arbeitnehmer eines Mitgliedstaats, die in den Arbeitsmarkt eines anderen Mitgliedstaats eintreten möchten, sowohl gegenüber ihrem Herkunftsmitgliedstaat als auch gegenüber dem Aufnahmemitgliedstaat. In der vorliegenden Rechtssache muss daher geprüft werden, ob Bestimmungen wie die des UrlG geeignet sind, Arbeitnehmer mit der Staatsangehörigkeit anderer Mitgliedstaaten „beim Zugang“ zum österreichischen Markt (1) oder österreichische Arbeitnehmer „beim Verlassen“ des nationalen Markts in Richtung des Markts anderer Mitgliedstaaten (2) zu beschränken.

1. Zum Nichtvorliegen einer Beschränkung „beim Zugang“

49.

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs steht Art. 45 AEUV jeder Maßnahme entgegen, die, auch wenn sie ohne Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit gilt, geeignet ist, die Ausübung der durch den AEU-Vertrag garantierten Grundfreiheiten durch die Unionsangehörigen zu behindern oder weniger attraktiv zu machen ( 41 ).

50.

Da die Richtlinie 2003/88 nur Mindestvorschriften über den Anspruch der Arbeitnehmer auf bezahlten Jahresurlaub vorsieht, gibt es insoweit zwischen den Mitgliedstaaten weiterhin Unterschiede. Im vorliegenden Fall könnten die Vorschriften des UrlG die Idee, sein Berufsleben in Österreich fortzusetzen, für einen Arbeitnehmer theoretisch weniger attraktiv erscheinen lassen, falls das Arbeitsrecht seines Herkunftsmitgliedstaats ihm mehr Urlaub zugesteht als die Vorschriften des UrlG.

51.

Art. 45 AEUV kann einem Arbeitnehmer jedoch nicht garantieren, dass ein Umzug in einen anderen Mitgliedstaat als seinen Herkunftsmitgliedstaat in arbeits- und sozialrechtlicher Hinsicht neutral ist, da ein solcher Umzug aufgrund der in der vorstehenden Nummer erwähnten Unterschiede für den Betroffenen je nach Einzelfall Vor- oder Nachteile in diesem Bereich haben kann. Dieser Artikel verschafft einem solchen Arbeitnehmer nicht das Recht, sich im Aufnahmemitgliedstaat auf die Arbeitsbedingungen zu berufen, die ihm im Herkunftsmitgliedstaat nach den dortigen nationalen Rechtsvorschriften zustanden ( 42 ). Nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz können ihm grundsätzlich nur die Arbeitsbedingungen zustehen, die für die inländischen Arbeitnehmer gelten ( 43 ). Anderenfalls würde irgendeine Rechtsvorschrift des den Arbeitnehmer aufnehmenden Mitgliedstaats, die weniger günstig ist als die des Mitgliedstaats seiner Herkunft, eine Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit darstellen. Ein solches Ergebnis hätte weitreichende Folgen für die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten im Bereich des Arbeits- und Sozialrechts.

52.

Folglich bin ich der Auffassung, dass die Bestimmungen des UrlG für Arbeitnehmer, die die Staatsangehörigkeit anderer Mitgliedstaaten besitzen, keine Beschränkung des Zugangs zum österreichischen Arbeitsmarkt darstellen können.

2. Zum Nichtvorliegen einer Beschränkung „beim Verlassen“

53.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sollen sämtliche Bestimmungen des AEU-Vertrags über die Freizügigkeit den Unionsbürgern die Ausübung beruflicher Tätigkeiten aller Art im Gebiet der Union erleichtern und stehen Maßnahmen entgegen, die die Unionsbürger benachteiligen könnten, wenn sie eine Erwerbstätigkeit im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats ausüben wollen. In diesem Zusammenhang haben die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten insbesondere das ihnen unmittelbar durch den AEU-Vertrag verliehene Recht, ihren Herkunftsland zu verlassen, um sich zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats zu begeben und dort aufzuhalten ( 44 ).

54.

Folglich stellen Bestimmungen, die einen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats daran hindern oder davon abhalten, sein Herkunftsland zu verlassen, um von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, Beschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit dar ( 45 ).

55.

Im vorliegenden Fall ist unbestreitbar, dass die Vorschriften des UrlG nicht zur Folge haben, dass österreichische Arbeitnehmer daran gehindert werden, eine Beschäftigung in anderen Mitgliedstaaten aufzunehmen. Es geht allenfalls darum, festzustellen, ob diese Vorschriften geeignet sind, sie davon abzuhalten, dies zu tun.

56.

Da die Vorschriften des UrlG den Anspruch auf die sechste Woche bezahlten Jahresurlaubs von einem mehrjährigen Verbleib bei demselben Arbeitgeber abhängig machen, stellen sie zwangsläufig einen Anreiz für Arbeitnehmer dar, ihren derzeitigen Arbeitgeber nicht zu verlassen. Ich halte diese Vorschriften trotzdem nicht für geeignet, österreichische Arbeitnehmer davon abzuhalten, ihre Freizügigkeit auszuüben.

57.

Wenn ein Arbeitnehmer den Arbeitgeber wechselt, führt dies hier nicht zum Verlust eines erworbenen Anspruchs ( 46 ). Verlässt ein Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber, um zu einem anderen Arbeitgeber zu wechseln, unterbricht er dadurch lediglich die Kontinuität der Dienstzeit, die erforderlich ist, um die sechste Urlaubswoche zu erlangen, und vermindert somit seine Chancen auf Erhalt dieses Vorteils.

58.

Selbst in dem Fall, dass ein Arbeitnehmer lieber bei seinem derzeitigen Arbeitgeber bleibt, um die Dienstzeit, die nach dem UrlG für den Anspruch auf die zusätzliche sechste Urlaubswoche erforderlich ist, zu erreichen ( 47 ), als eine Beschäftigung bei einem Arbeitgeber in einem anderen Mitgliedstaat aufzunehmen, in dem die Rechtsvorschriften zum Urlaub weniger großzügig sind, würde dies aus den in Nr. 51 der vorliegenden Schlussanträge genannten Gründen keine gegen Art. 45 AEUV verstoßende Beschränkung darstellen: Dieser Artikel kann einem Arbeitnehmer nicht garantieren, dass ein Umzug in einen anderen Mitgliedstaat als seinen Herkunftsmitgliedstaat in arbeits- und sozialrechtlicher Hinsicht neutral ist. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit wird nicht beschränkt, wenn eine Person sich dafür entscheidet, weiter in einem bestimmten Mitgliedstaat zu arbeiten, damit ihr ein sozialer Vorteil zugutekommt, statt zur Ausübung ihrer Tätigkeit in einen Mitgliedstaat zu gehen, in dem die Rechtsvorschriften für sie weniger günstig sind. Das entgegengesetzte Ergebnis hätte auch hier tiefgreifende Auswirkungen für die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten im Bereich des Arbeits- und Sozialrechts.

59.

Der Betriebsrat und die Kommission machen allerdings geltend, die Vorschriften des UrlG seien geeignet, österreichische Arbeitnehmer, die beabsichtigten, ihren derzeitigen Arbeitgeber zu verlassen, um zu einem Arbeitgeber eines anderen Mitgliedstaats zu wechseln, aber den Wunsch hätten, anschließend in den Dienst ihres ersten Arbeitgebers zurückzukehren, von der Ausübung ihrer Freizügigkeit abzuhalten. Insoweit ist daran zu erinnern, dass Dienstzeiten eines Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber nach § 3 Abs. 1 UrlG nur dann zusammenzurechnen sind, wenn sie keine längeren Unterbrechungen als drei Monate aufweisen. Somit würden in dem Fall, dass ein Arbeitnehmer bei seinem ersten Arbeitgeber kündigt, seine Dienste einem anderen – aus- oder inländischen – Arbeitgeber anbietet und anschließend auf seine erste Stelle zurückkehrt, die Dienstzeiten vor seiner Kündigung ebenso wie die Dienstzeiten beim zweiten Arbeitgeber nur bis zu der in § 3 Abs. 3 UrlG vorgesehenen Grenze von fünf Jahren berücksichtigt.

60.

Eine solche Argumentation stützt sich jedoch – wie das vorlegende Gericht zutreffend bemerkt – auf eine Gesamtheit von Umständen, die sowohl zu indirekt als auch zu ungewiss sind, so dass das UrlG keine gegen Art. 45 AEUV verstoßende Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit darstellen kann ( 48 ).

61.

Allerdings hat der Gerichtshof insoweit im Urteil Köbler ( 49 ) entschieden, dass eine nationale Regelung, nach der für den Anspruch auf eine Dienstalterszulage im öffentlichen Dienst Dienstzeiten in einem anderen Mitgliedstaat nicht berücksichtigt werden, Arbeitnehmer des betreffenden Mitgliedstaats davon abhalten kann, ihre Freizügigkeit auszuüben, da bei ihrer Rückkehr in den öffentlichen Dienst dieses Mitgliedstaats ihre in einem anderen Mitgliedstaat erworbene einschlägige Berufserfahrung nicht honoriert würde. Eine ähnliche Auslegung hat der Gerichtshof im Urteil SALK in Bezug auf bei öffentlichen Einrichtungen des Landes Salzburg beschäftigte Arbeitnehmer vorgenommen, die zu diesen Einrichtungen zurückkehren wollten, nachdem sie ihre Freizügigkeit ausgeübt hatten.

62.

Trotzdem bin ich auch hier wiederum nicht sicher, ob sich dieser Gedankengang der Rechtsprechung zum öffentlichen Dienst auf die vorliegende Rechtssache übertragen lässt. Insoweit weist die österreichische Regierung zutreffend darauf hin, dass es eine übliche Praxis sei, dass ein Arbeitnehmer des öffentlichen Sektors zu seiner ursprünglichen Dienststelle zurückkehre, nachdem er zur Verwaltung eines anderen Mitgliedstaats abgeordnet oder freigestellt worden sei, um Berufserfahrung bei einem anderen öffentlichen oder privaten Arbeitgeber zu erwerben. Hingegen sei es weit weniger üblich, dass ein Arbeitnehmer des privaten Sektors, der seinen Arbeitgeber gewechselt habe, in sein erstes Unternehmen zurückkehre, um dort seine Karriere fortzusetzen. Eine solche Rückkehr stelle für einen Arbeitnehmer, der sich nicht sicher sei, ob er im Dienst seines Arbeitgebers bleiben oder kündigen solle, ein ungewisses und indirektes Ereignis dar. Denn die hypothetische Rückkehr hänge vom Zusammentreffen einer Reihe von Bedingungen ab, die der betreffende Arbeitnehmer nicht beeinflussen könne, wie der Verfügbarkeit einer Stelle bei seiner Rückkehr und der Entscheidung des Arbeitgebers, ihn statt einen anderen einzustellen. Diese Argumentation ist meines Erachtens vollkommen nachvollziehbar.

63.

Außerdem betraf die bisherige Rechtsprechung des Gerichtshofs, wie bereits erwähnt, die Berücksichtigung der Dienstzeit von Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst bei der Berechnung des Arbeitsentgelts. In diesem Bereich machen sich die Folgen der Dienstzeit sofort oder nach kurzer Zeit bemerkbar. Hingegen wäre im vorliegenden Fall, selbst wenn es einem Arbeitnehmer gelänge, in den Dienst seines ersten Arbeitgebers zurückzukehren, nachdem er seine Freizügigkeit ausgeübt hat, der Erwerb des Anspruchs auf die sechste Urlaubswoche in Anbetracht der hierfür erforderlichen Dienstzeit von 25 Jahren ein mittelbares Ereignis, das in einer im Allgemeinen fernen Zukunft eintreten würde. Der betreffende Arbeitnehmer müsste also die erforderliche Zeit bei seinem Arbeitgeber bleiben, was auch von relativ ungewissen Umständen abhängen wird, die sowohl in der persönlichen Sphäre des Arbeitnehmers – der sich aus verschiedenen Gründen entschließen könnte, wieder zu gehen – als auch der seines Arbeitgebers liegen – der sich aus verschiedenen Motiven veranlasst sehen könnte, das Arbeitsverhältnis zu beenden.

64.

Nach alledem bin ich der Auffassung, dass die Vorschriften des UrlG für österreichische Arbeitnehmer keine Beschränkung „beim Verlassen“ in Richtung des Arbeitsmarkts anderer Länder darstellen.

D.   Hilfsweise: zum Vorliegen einer objektiven Rechtfertigung

65.

Der Vollständigkeit halber und für den Fall, dass der Gerichtshof annehmen sollte, dass § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 bis 3 UrlG zu einer mittelbaren Ungleichbehandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit führen oder eine Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit begründen, werde ich in den nachfolgenden Nummern darlegen, weshalb ich diese Bestimmungen für jedenfalls gerechtfertigt halte.

66.

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs stellt eine mittelbare Ungleichbehandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit keine verbotene Diskriminierung dar, wenn sie objektiv gerechtfertigt und in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Zweck steht. Eine die Arbeitnehmerfreizügigkeit beschränkende nationale Maßnahme ist ebenfalls mit dem Unionsrecht vereinbar, soweit sie die gleichen Voraussetzungen erfüllt.

67.

Zu der Frage, ob es im vorliegenden Fall eine objektive Rechtfertigung gibt, trägt die österreichische Regierung vor, die streitigen Bestimmungen des UrlG sollten die Treue der Arbeitnehmer zu ihrem Arbeitgeber honorieren.

68.

Der Gerichtshof hat niemals positiv entschieden, dass das Ziel einer Bindung an den Arbeitgeber eine mittelbare Ungleichbehandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder eine Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit rechtfertigt. Er hat sich darauf beschränkt, wiederholt, aber stets mit einem gewissen Vorbehalt festzustellen, dass „nicht auszuschließen [ist]“ ( 50 ), dass die Bindung an den Arbeitgeber eine solche Rechtfertigung darstellen kann, wobei er gleichzeitig im konkreten Fall eine Berufung auf dieses Ziel ausgeschlossen hat ( 51 ).

69.

Meines Erachtens kann ein Bindungsziel tatsächlich eine mittelbare Ungleichbehandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder eine Beschränkung rechtfertigen, die Art. 45 AEUV zuwiderlaufen. Denn von den Mitgliedstaaten verfolgte legitime Ziele der Sozial- und Beschäftigungspolitik sind nach meinem Dafürhalten als insoweit zulässige Rechtfertigungen anzusehen. Beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts haben diese Mitgliedstaaten nämlich einen weiten Gestaltungsspielraum, u. a. bei der Wahl der Ziele, die sie im Rahmen dieser Politik verfolgen wollen ( 52 ). Ich sehe daher kein Hindernis, die Bindung an den Arbeitgeber als ein solches objektives Ziel anzusehen. Wie die EurothermenResort Bad Schallerbach geltend macht, bietet der Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer einen gewissen Schutz. Die Kommission hat außerdem die Ansicht vertreten, dass die Treue der Arbeitnehmer eine gute Sache für den Arbeitgeber sei, der seine Tätigkeit besser planen könne, wenn ihm ein stabiler Personalbestand gewährleistet sei.

70.

Was sodann die Verhältnismäßigkeitsprüfung betrifft, ist daran zu erinnern, dass diese verlangt, dass die fragliche Regelung geeignet sein muss, die Verwirklichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das zu seiner Erreichung Erforderliche hinausgehen darf ( 53 ).

71.

Zum einen halte ich die Vorschriften des UrlG zur Erreichung des angegebenen Bindungsziels geeignet. In den die Dienstzeit von Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes betreffenden Rechtssachen, mit denen der Gerichtshof befasst war, honorierten und entgalten die streitigen Regelungen die Berufserfahrung, die nicht nur bei einem, sondern bei einer Mehrzahl von Arbeitgebern erworben worden war ( 54 ). In Anbetracht dessen hat der Gerichtshof festgestellt, dass die betreffenden Regelungen zur Erreichung dieses Zieles nicht geeignet waren ( 55 ). Es handelte sich letztlich um „falsche“ Treueprämien. Die Vorschriften des UrlG hingegen entgelten – wie in den vorliegenden Schlussanträgen ausgeführt – im Wesentlichen nur die Dienstzeit bei demselben Arbeitgeber. Die sechste Woche bezahlten Jahresurlaubs nach § 2 Abs. 1 UrlG ist somit eine „echte“ Treueprämie ( 56 ).

72.

Der Betriebsrat vertritt allerdings die Ansicht, dass mit den Vorschriften des UrlG dieses Bindungsziel nicht wirksam erreicht werde, da es tatsächlich nur wenige Arbeitnehmer gebe, die die für den Anspruch auf die in § 2 Abs. 1 UrlG vorgesehene sechste Woche bezahlten Jahresurlaubs aufwiesen. Im Übrigen schützten die Vorschriften des UrlG die Arbeitnehmer nicht vor einer möglichen Kündigung vor dem Erreichen dieser Dienstzeit. Zudem seien bessere Bindungsmaßnahmen denkbar.

73.

Unbeschadet dessen erstreckt sich der Gestaltungsspielraum, der den Mitgliedstaaten zusteht, nach der in Nr. 69 der vorliegenden Schlussanträgen angeführten Rechtsprechung auch auf die Festlegung der Maßnahmen, mit denen sich die von ihnen verfolgten Ziele der Sozial- und Beschäftigungspolitik verwirklichen lassen. Folglich darf der Gerichtshof bei der Analyse der Geeignetheit eines Gesetzes wie des UrlG nicht prüfen, ob dieses das beste Mittel darstellt, um die Treue der Arbeitnehmer zu gewährleisten. Es reicht, wenn es tauglich ist, zu dieser Treue beizutragen. Meines Erachtens ist dies der Fall.

74.

Was zum anderen die Erforderlichkeit der Vorschriften des UrlG im Hinblick auf das verfolgte Bindungsziel betrifft, sollte der den Mitgliedstaaten eingeräumte weite Gestaltungsspielraum auch hier zum Zuge kommen. Insbesondere ist es nicht Sache des Gerichtshofs, festzulegen, welche Dienstzeit anspruchsbegründend ist, weil er sonst an die Stelle des nationalen Gesetzgebers träte. Die bloße Tatsache, dass es andere Methoden gibt, Treue zu entgelten, die zweifelsohne in anderen Mitgliedstaaten angewandt werden, genügt auch hier wiederum nicht für die Annahme, dass die Vorschriften des UrlG unverhältnismäßig sind ( 57 ).

75.

Meines Erachtens darf bei der Bewertung der Notwendigkeit der Vorschriften des UrlG auch nicht vergessen werden, dass diese den Arbeitnehmern einen Vorteil gewähren, der über das hinausgeht, was die Richtlinie 2003/88 verlangt. Denjenigen, die keinen Anspruch auf die in § 2 Abs. 1 UrlG vorgesehene sechste Woche bezahlten Urlaubs haben, steht immerhin noch eine Woche mehr Urlaub zu als der durch diese Richtlinie gewährleistete Mindeststandard von vier Wochen.

76.

Im Übrigen hindern die streitigen Bestimmungen einen Arbeitgeber – entgegen dem Vorbringen der Kommission – in keiner Weise daran, die Treue seiner Arbeitnehmer auf andere Weise zu honorieren. EurothermenResort Bad Schallerbach hat, insoweit unwidersprochen, ausgeführt, dass es hierfür sehr wohl andere Maßnahmen im österreichischen Recht gebe. Zudem haben diese Gesellschaft und die österreichische Regierung geltend gemacht, dass die Sozialpartner und die Arbeitgeber individuell auf der Ebene ihres Unternehmens über die Bestimmungen des UrlG hinausgehen könnten, indem sie z. B. die Gewährung einer sechsten Woche bezahlten Urlaubs von einer geringeren Dienstzeit abhängig machten, was die Kommission in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat.

77.

Schließlich hat diese Maßnahme nicht die im Urteil Köbler ( 58 ) beanstandete Abschottung des nationalen Arbeitsmarkts zur Folge. In diesem Urteil hat der Gerichtshof entschieden, dass sich die streitige Dienstalterszulage, indem sie nur die an österreichischen öffentlichen Universitäten erworbene Berufserfahrung honorierte, auf die Entscheidung eines Universitätsprofessors für eine Beschäftigung an einer österreichischen Universität oder einer an der Universität eines anderen Mitgliedstaats auswirken konnte und dadurch zu einer Abschottung des nationalen Arbeitsmarkts führte und dem Wesen der Freizügigkeit der Arbeitnehmer widersprach – was dazu beitrug, dass diese Regelung nicht zu rechtfertigen war ( 59 ). Da im vorliegenden Fall hingegen ein Arbeitnehmer die Kontinuität seiner Dienstzeit für die Gewährung der sechsten Woche bezahlten Urlaubs unabhängig davon unterbricht, ob er zu einem inländischen Arbeitgeber oder einem Arbeitgeber in einem anderen Mitgliedstaat wechselt, haben die Vorschriften des UrlG nicht zur Folge, den Arbeitnehmer bei seiner Entscheidung für eine Beschäftigung bei einem österreichischen Unternehmen oder bei einem Unternehmen eines anderen Mitgliedstaats zu beeinflussen ( 60 ).

78.

In Anbetracht all dessen bin ich der Auffassung, dass Bestimmungen wie § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 UrlG gerechtfertigt und verhältnismäßig sind.

V. Ergebnis

79.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Obersten Gerichtshof (Österreich) zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage wie folgt zu beantworten:

Art. 45 Abs. 1 und 2 AEUV und Art 7 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren nicht entgegenstehen, wonach einem Arbeitnehmer, der insgesamt 25 Dienstjahre aufweist, diese aber nicht beim selben österreichischen Arbeitgeber absolviert hat, ein Jahresurlaub nur im Ausmaß von fünf Wochen gebührt, während einem Arbeitnehmer, der 25 Dienstjahre beim selben Arbeitgeber erbracht hat, ein Anspruch auf sechs Wochen Urlaub pro Jahr zusteht.


( 1 ) Originalsprache: Französisch.

( 2 ) Gesetz vom 7. Juli 1976 (BGBl. Nr. 390/1976) in der Fassung der im BGBl. I Nr. 3/2013 veröffentlichten Änderungen.

( 3 ) Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (ABl. 2011, L 141, S. 1).

( 4 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. 2003, L 299, S. 9).

( 5 ) EurothermenResort Bad Schallerbach und die österreichische Regierung weisen darauf hin, dass nach dem zweiten Satz von § 3 Abs. 1 UrlG, der in der Vorlageentscheidung nicht erwähnt wird, die Dienstzeit auch bei einer Kündigung seitens des Arbeitnehmers, einem vorzeitigen Austritt ohne einen wichtigen Grund oder einer vom Arbeitnehmer verschuldeten Entlassung verloren geht.

( 6 ) Wie in Nr. 10 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt, bezieht sich der Wortlaut von § 3 Abs. 2 Ziff. 1 UrlG zwar nur auf im Inland zurückgelegte Dienstzeiten, die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs hat aber diese Vorschrift „berichtigt“, indem sie verlangt, dass Dienstzeiten in anderen Mitgliedstaaten in gleicher Weise berücksichtigt werden müssen.

( 7 ) Urteil vom 26. Oktober 2006, Kommission/Italien (C‑371/04, EU:C:2006:668, Rn. 17), und vom 5. Dezember 2013, Zentralbetriebsrat der gemeinnützigen Salzburger Landeskliniken (C‑514/12, EU:C:2013:799, im Folgenden: Urteil SALK, Rn. 23). Ich werde daher in den vorliegenden Schlussanträgen nachfolgend eine der beiden Bestimmungen stellvertretend für die jeweils andere oder beide Bestimmungen zusammen erwähnen.

( 8 ) Ausgangspunkt dieser Rechtsprechung ist das Urteil vom 12. Februar 1974, Sotgiu (152/73, EU:C:1974:13, Rn. 11). Für Beispiele aus jüngerer Zeit vgl. Urteile vom 10. September 2009, Kommission/Deutschland (C‑269/07, EU:C:2009:527, Rn. 53), vom 28. Juni 2012, Erny (C‑172/11, EU:C:2012:399, Rn. 39), sowie vom 20. Juni 2013, Giersch u. a. (C‑20/12, EU:C:2013:411, Rn. 41).

( 9 ) C‑237/94, EU:C:1996:206.

( 10 ) Urteil vom 23. Mai 1996, O’Flynn (C‑237/94, EU:C:1996:206, Rn. 20) (Hervorhebungen nur hier). Mit diesem Urteil wurden die unterschiedlichen Formulierungen vereinheitlicht, die der Gerichtshof zuvor verwendet hatte. Dieser hatte abwechselnd entschieden, dass Voraussetzungen als mittelbar diskriminierend anzusehen waren, die zwar unabhängig von der Staatsangehörigkeit gelten, aber „im Wesentlichen … oder ganz überwiegend … Wanderarbeitnehmer betreffen“ oder „von inländischen Arbeitnehmern leichter zu erfüllen sind als von Wanderarbeitnehmern“ oder bei denen „die Gefahr besteht, dass sie sich besonders zum Nachteil von Wanderarbeitnehmern auswirken …“ (vgl. Rn. 18 dieses Urteils; Hervorhebungen nur hier). Die in diesem Urteil verwendete Formulierung findet sich seither ständig in der Rechtsprechung des Gerichtshofs (vgl. u. a. Urteile vom 27. November 1997, Meints, C‑57/96, EU:C:1997:564, Rn. 45, vom 10. September 2009, Kommission/Deutschland, C‑269/07, EU:C:2009:527, Rn. 54, und vom 5. Dezember 2013, SALK, C‑514/12, EU:C:2013:799, Rn. 26).

( 11 ) Im Urteil vom 23. Mai 1996, O’Flynn (C‑237/94, EU:C:1996:206, Rn. 22), hat der Gerichtshof daher entschieden, dass Rechtsvorschriften, die die Gewährung einer Geldleistung zur Deckung der Kosten, die einem Arbeitnehmer für die Erd- oder Feuerbestattung eines verstorbenen Angehörigen seiner Familie entstehen, davon abhängig machen, dass die Bestattung im Inland stattfindet, eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit darstellen kann, da „vor allem Wanderarbeitnehmer beim Tod eines Familienangehörigen angesichts der Bindungen, die die Angehörigen einer solchen Familie im Allgemeinen mit ihrem Herkunftsstaat aufrechterhalten, eine Bestattung in einem anderen Mitgliedstaat vornehmen lassen [werden]“ (Hervorhebung nur hier).

( 12 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. März 2018, SEGRO und Horváth (C‑52/16 und C‑113/16, EU:C:2018:157, Rn. 73), sowie meine Schlussanträge in den verbundenen Rechtssachen SEGRO und Horváth (C‑52/16 und C‑113/16, EU:C:2017:410, Nrn. 79 und 80). Die Frage der Bestimmung der Auswirkungen einer Maßnahme auf verschiedene Personengruppen ist Gegenstand einer sehr viel präziseren Rechtsprechung im Bereich der Gleichbehandlung männlicher und weiblicher Arbeitnehmer (für eine Zusammenfassung dieser Rechtsprechung und eine Erläuterung der zahlreichen durch diese Frage aufgeworfenen Schwierigkeiten siehe Barnard, C., EU employment Law, Oxford University Press, Oxford, 2012, 4. Aufl., S. 282 bis 286). Für die Zwecke des Verbots der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit ist – in Anbetracht der Allgemeinheit des insoweit angewandten Tests – kein so hoher Grad an Präzision erforderlich.

( 13 ) Vgl. u. a. Urteile vom 14. Februar 1995, Schumacker (C‑279/93, EU:C:1995:31, Rn. 28), und vom 7. Mai 1998, Clean Car Autoservice (C‑350/96, EU:C:1998:205, Rn. 29).

( 14 ) Urteil vom 12. Februar 1974, Sotgiu (152/73, EU:C:1974:13, Rn. 11).

( 15 ) Urteil vom 28. November 1989, Groener (C‑379/87, EU:C:1989:599, Rn. 12).

( 16 ) Urteile vom 28. November 1989, Groener (C‑379/87, EU:C:1989:599, Rn. 23), und vom 6. Juni 2000, Angonese (C‑281/98, EU:C:2000:296, Rn. 39 bis 42).

( 17 ) Urteil vom 7. Juli 2005, Kommission/Österreich (C‑147/03, EU:C:2005:427, Rn. 43, 46 und 47).

( 18 ) Urteil vom 21. November 1991, Le Manoir (C‑27/91, EU:C:1991:441, Rn. 11).

( 19 ) Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge von Generalanwalt Lenz in der Rechtssache O’Flynn (C‑237/94, EU:C:1996:123, Nr. 27). Geografische und sprachliche Voraussetzungen sind, was die Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit angeht, die Entsprechung von Voraussetzungen für den Zugang zu einer Beschäftigung, wie das Erfordernis einer Mindestgröße (vgl. Urteil vom 18. Oktober 2017, Kalliri, C‑409/16, EU:C:2017:767) oder einer bestimmten Körperkraft (vgl. Urteil vom 1. Juli 1986, Rummler, 237/85, EU:C:1986:277), was die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts angeht.

( 20 ) Insbesondere in der Rechtssache, die dem Urteil vom 16. Februar 1978, Kommission/Irland (61/77, EU:C:1978:29), zugrunde lag, musste sich der Gerichtshof mit einer irischen Regelung auseinandersetzen, die Boote, die bestimmte Abmessungen oder eine bestimmte Maschinenstärke überschritten, aus einer Fischereizone ausschloss. Obgleich diese Bedingungen an Abmessungen und Maschinenstärke hinsichtlich der Staatsangehörigkeit wirklich neutral waren, führten sie in der Praxis dazu, dass von den betreffenden Gewässern ein Großteil der französischen und der niederländischen Fischereiflotte ausgeschlossen waren, während die irische und die britische Fischereiflotte, die aus kleineren Schiffen bestand, von diesem Ausschluss großenteils nicht betroffen war.

( 21 ) Wie in der in der vorhergehenden Fußnote angeführten Rechtssache Informationen über die Besonderheiten der Fischereiflotten der Mitgliedstaaten.

( 22 ) Der Betriebsrat ist der Ansicht, dass Arbeitnehmer mit einer anderen Staatsangehörigkeit als der der Republik Österreich immer durch die Regeln des UrlG benachteiligt würden. Die Kommission hatte in ihren schriftlichen Erklärungen dieselbe Ansicht vertreten, ist von ihr aber in der mündlichen Verhandlung abgerückt, wo sie die Ansicht vertreten hat, diese seien in den meisten Fällen benachteiligt.

( 23 ) Ich erinnere daran, dass der Wortlaut von § 3 Abs. 2 Ziff. 1 UrlG, der nur im österreichischen Hoheitsgebiet zurückgelegte Dienstzeiten erfasst – eine solche Voraussetzung stellt unbestreitbar eine mittelbare Ungleichbehandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit dar – durch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs „berichtigt“ wurde, wonach auch in anderen Mitgliedstaaten zurückgelegte Dienstzeiten zu berücksichtigen sind (vgl. Nr. 10 und Fn. 6 der vorliegenden Schlussanträge). Diese „Berichtigung“ durch die Rechtsprechung entbindet den österreichischen Gesetzgeber nicht von einer Änderung dieser Vorschrift. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ergeben sich aus der unveränderten Beibehaltung einer unionsrechtswidrigen nationalen Bestimmung „Unklarheiten tatsächlicher Art, weil die betroffenen Normadressaten bezüglich der ihnen eröffneten Möglichkeiten, sich auf das [Unionsrecht] zu berufen, in einem Zustand der Ungewissheit gelassen werden“ (vgl. Urteile vom 24. März 1988, Kommission/Italien, 104/86, EU:C:1988:171, Rn. 12, und vom 13. Juli 2000, Kommission/Frankreich, C‑160/99, EU:C:2000:410, Rn. 22).

( 24 ) Der Betriebsrat trägt ferner vor, dass laut einer Umfrage im Durchschnitt der Mitgliedstaaten der Union 13 % der Arbeitnehmer noch nie ihren Arbeitsplatz gewechselt hätten, während 60 % bis 66 % von ihnen dies ein- bis fünfmal getan hätten, was insbesondere Saisonarbeitnehmer – wie im vorliegenden Fall im Tourismusbereich – betreffe und die negativen Auswirkungen der streitigen Bestimmungen des UrlG für Arbeitnehmer belege. Ich verstehe dieses Vorbringen so, dass diese Bestimmungen tatsächlich die meisten Arbeitnehmer, insbesondere Saisonarbeitnehmer, benachteiligten, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit.

( 25 ) Insoweit ließe sich eine Ungleichbehandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit unter Umständen anhand nationaler Statistiken feststellen, die sich auf eine ausreichende Zahl von Personen beziehen, nicht nur rein zufällige oder konjunkturelle Erscheinungen widerspiegeln und allgemein gesehen signifikant erscheinen (vgl. entsprechend zur Diskriminierung wegen des Geschlechts Urteil vom 6. April 2000, Jørgensen, C‑226/98, EU:C:2000:191, Rn. 33). Die Statistiken, die von der österreichischen Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen und in der mündlichen Verhandlung vorgelegt worden sind, sind jedoch im Gegenteil eher ein Beleg für die Dynamik des österreichischen Arbeitsmarkts.

( 26 ) Die grundlegende Schwäche einer solchen Überlegung liegt in dem ungleichen Verhältnis von Inländern und Ausländern, die de facto unter die in Rede stehende Regelung fallen. In Anbetracht der Tatsache, dass es wesentlich mehr österreichische Arbeitnehmer gibt, die unter die österreichischen Arbeits- und Sozialrechtsvorschriften fallen – da sich auf dem Arbeitsmarkt dieses Mitgliedstaats vor allem Österreicher befinden –, kommt die vom UrlG vorgesehene sechste Woche bezahlten Urlaubs natürlich mehr Österreichern zugute als Ausländern. Vgl. entsprechend zur Diskriminierung wegen des Geschlechts Urteil vom 9. Februar 1999, Seymour-Smith und Perez (C‑167/97, EU:C:1999:60, Rn. 59), in dem der Gerichtshof klargestellt hat, dass die Prüfung, ob sich eine Maßnahme diskriminierend auswirkt, in der Weise zu erfolgen hat, dass „die Gruppe der männlichen mit der der weiblichen Arbeitskräfte daraufhin [zu vergleichen ist], wie hoch in jeder Gruppe der Anteil der Personen ist, die die nach der streitigen Vorschrift erforderliche Voraussetzung der zweijährigen Beschäftigung erfüllen, und derjenigen, die diese Voraussetzung nicht erfüllen. Es genügt nicht, auf die Zahl der betroffenen Personen abzustellen, da diese Zahl davon abhängt, wie viele Arbeitnehmer insgesamt in diesem Mitgliedstaat tätig sind und wie viele davon Männer und wie viele Frauen sind“ (Hervorhebung nur hier).

( 27 ) Obschon ich durchaus einräume, dass die in absoluten Zahlen ausgedrückte Mehrheit der Arbeitnehmer, die Anspruch auf die in § 2 Abs. 1 UrlG vorgesehene sechste Woche bezahlten Jahresurlaubs haben, Österreicher sind, zweifele ich aber jedenfalls aus den in Nr. 31 der vorliegenden Schlussanträge genannten Gründen stark daran, dass die Mehrheit, die von diesem Gesetz beeinträchtigt werden, Angehörige anderer Mitgliedstaaten sind.

( 28 ) Urteile vom 28. Juni 2012, Erny (C‑172/11, EU:C:2012:399, Rn. 41), vom 20. Juni 2013, Giersch u. a. (C‑20/12, EU:C:2013:411, Rn. 45), und vom 5. Dezember 2013, SALK (C‑514/12, EU:C:2013:799, Rn. 27).

( 29 ) In diesem Kontext lässt sich auch nicht die Auffassung vertreten, wie es der Betriebsrat tut, dass sämtliche ausländischen Arbeitnehmer benachteiligt würden, während dies lediglich bei bestimmten inländischen Arbeitnehmern der Fall sei, gleich wie zahlreich sie seien. Dieses Vorbringen ist offensichtlich übertrieben. Es ist wahrscheinlich, dass eine bestimmte Anzahl von Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten, z. B. Deutsche, ihr Berufsleben in Österreich beginnen. Zudem werden Arbeitnehmer, die ihr Berufsleben in einem anderen Mitgliedstaat begonnen haben und mit weniger als fünf Jahren Berufserfahrung zu ihrem derzeitigen Arbeitgeber gewechselt sind, durch die in § 3 Abs. 3 UrlG vorgesehene Begrenzung nicht benachteiligt.

( 30 ) Vgl. insbesondere Urteile vom 15. Januar 1998, Schöning-Kougebetopoulou (C‑15/96, EU:C:1998:3, Rn. 22), vom 12. März 1998, Kommission/Griechenland (C‑187/96, EU:C:1998:101, Rn. 20 und 21), vom 30. November 2000, Österreichischer Gewerkschaftsbund (C‑195/98, EU:C:2000:655, Rn. 41 bis 44), vom 30. September 2003, Köbler (C‑224/01, EU:C:2003:513, Rn. 70, 71 und 73), vom 12. Mai 2005, Kommission/Italien (C‑278/03, EU:C:2005:281, Rn. 18), vom 26. Oktober 2006, Kommission/Italien (C‑371/04, EU:C:2006:668, Rn. 18), sowie vom 5. Dezember 2013, SALK (C‑514/12, EU:C:2013:799, Rn. 28).

( 31 ) C‑224/01, EU:C:2003:513, Rn. 73 und 85.

( 32 ) Vgl. Urteil vom 30. September 2003, Köbler, (C‑224/01, EU:C:2003:513, Rn. 84). Vgl. insoweit auch Urteile vom 30. November 2000, Österreichischer Gewerkschaftsbund (C‑195/98, EU:C:2000:655, Rn. 49), und vom 5. Dezember 2013, SALK (C‑514/12, EU:C:2013:799, Rn. 40). Der Gerichtshof betrachtet nämlich die verschiedenen öffentlichen Einrichtungen und Verwaltungen eines Mitgliedstaats als rechtlich eigenständige Arbeitgeber.

( 33 ) Vgl. zur umgekehrten Fallkonstellation die dem Urteil vom 10. März 2011, Casteels (C‑379/09, EU:C:2011:131), zugrunde liegende Rechtssache. Dort ging es um einen Tarifvertrag, wonach bei der Gewährung einer Zusatzrente Dienstzeiten eines Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber unterschiedlich angerechnet wurden, je nachdem, ob diese in einem im Ausland belegenen Betrieb oder in einem Betrieb zurückgelegt worden waren, der in dem betreffenden Mitgliedstaat belegen war.

( 34 ) In diesem Zusammenhang weise ich darauf hin, dass der Arbeitsvertrag, soweit das auf ihn anzuwendende Recht nicht durch Rechtswahl bestimmt ist, dem Recht des Staates unterliegt, in dem oder andernfalls von dem aus der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Siehe Art. 8 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) (ABl. 2008, L 177, S. 6).

( 35 ) Es obliegt allein dem vorlegenden Gericht, die Vorschriften des UrlG auszulegen und das Vorbringen der EurothermenResort Bad Schallerbach auf seine Richtigkeit zu überprüfen. Aber selbst wenn sich diese nicht bestätigen sollten, reicht der Umstand allein, dass das UrlG jeden Arbeitgeberwechsel strikt gleich behandelt, meines Erachtens für die Feststellung aus, dass keine mittelbare Diskriminierung vorliegt.

( 36 ) Urteil vom 5. Dezember 2013 (C‑514/12, EU:C:2013:799).

( 37 ) Urteil vom 5. Dezember 2013, SALK (C‑514/12, EU:C:2013:799, Rn. 31).

( 38 ) Urteil vom 5. Dezember 2013 (C‑514/12, EU:C:2013:799).

( 39 ) Vgl. hierzu Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache Bickel und Franz (C‑274/96, EU:C:1998:115, Nr. 38): „Nehmen wir z. B. an, die Ruinen von Pompeji wären nach den einschlägigen Vorschriften für die Einwohner von Neapel und Umgebung außerhalb der Saison frei zugänglich. Es ließe sich schwerlich die Auffassung vertreten, eine solche Bestimmung wirke sich zum besonderen Nachteil von Angehörigen anderer Mitgliedstaaten aus, da auch die große Mehrheit der italienischen Einwohner hiervon betroffen wäre. …“ (Hervorhebung nur hier). Es ist daher bedauerlich, dass der Gerichtshof in seinem Urteil vom 16. Januar 2003, Kommission/Italien (C‑388/01, EU:C:2003:30), eine entgegengesetzte Auslegung befürwortet hat, indem er von lokalen Einrichtungen erlassene Regelungen, wonach der Eintritt in lokale Museen für Personen, die in ihrem Gebiet wohnen, kostenlos ist, als mittelbar diskriminierend aufgrund der Staatsangehörigkeit gewertet hat. In Rn. 14 dieses Urteils hat der Gerichtshof das Argument verworfen, dass die ganz überwiegende Mehrheit der Italiener wahrscheinlich in gleicher Weise wie Ausländer benachteiligt werde, und sich insoweit auch hier darauf beschränkt, auf die in Nr. 34 der vorliegenden Schlussanträge angeführte Rechtsprechung zu verweisen.

( 40 ) Vgl. u. a. Urteile vom 15. Dezember 1995, Bosman (C‑415/93, EU:C:1995:463, Rn. 96), und vom 27. Januar 2000, Graf (C‑190/98, EU:C:2000:49, Rn. 18).

( 41 ) Vgl. u. a. Urteile vom 1. April 2008, Gouvernement de la Communauté française und Gouvernement wallon (C‑212/06, EU:C:2008:178, Rn. 45), vom 10. März 2011, Casteels (C‑379/09, EU:C:2011:131, Rn. 22), und vom 18. Juli 2017, Erzberger (C‑566/15, EU:C:2017:562, Rn. 33).

( 42 ) Urteil vom 18. Juli 2017, Erzberger (C‑566/15, EU:C:2017:562, Rn. 34 und 35).

( 43 ) Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge von Generalanwalt Fennelly in der Rechtssache Graf (C‑190/98, EU:C:1999:423, Nr. 32): „Im Normalfall muss der Wanderarbeitnehmer den einzelstaatlichen Arbeitsmarkt so nehmen, wie er ist.“ Vgl. auch meine Schlussanträge in der Rechtssache Erzberger (C‑566/15, EU:C:2017:347, Nrn. 74 und 78).

( 44 ) Urteile vom 15. Dezember 1995, Bosman (C‑415/93, EU:C:1995:463, Rn. 94 und 95), sowie vom 1. April 2008, Gouvernement de la Communauté française und Gouvernement wallon (C‑212/06, EU:C:2008:178, Rn. 44).

( 45 ) Urteile vom 15. Dezember 1995, Bosman (C‑415/93, EU:C:1995:463, Rn. 96), vom 16. März 2010, Olympique Lyonnais (C‑325/08, EU:C:2010:143, Rn. 34), und vom 5. Dezember 2013, SALK (C‑514/12, EU:C:2013:799, Rn. 30).

( 46 ) Die vorliegende Rechtssache unterscheidet sich daher von der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur sozialen Sicherheit, insbesondere den Urteilen vom 21. Januar 2016, Kommission/Zypern (C‑515/14, EU:C:2016:30), und vom 13. Juli 2016, Pöpperl (C‑187/15, EU:C:2016:550). In den diesen Urteilen zugrunde liegenden Rechtssachen verlor ein Beamter, der seine Stelle im nationalen öffentlichen Dienst aufgegeben hatte und zu einem anderen Arbeitgeber, darunter ein Arbeitgeber eines anderen Mitgliedstaats, gewechselt war, den Anspruch auf einen Vorteil, für den er bereits Beiträge entrichtet hatte und der folglich als erworben angesehen werden konnte. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Zudem sind Ansprüche im Bereich der sozialen Sicherheit potenziell exportierbar, was hingegen beim Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht gegeben ist.

( 47 ) Wahrscheinlich wird ein Arbeitnehmer diesem Gesichtspunkt bei der Abwägung der Vor- und Nachteile einer Eigenkündigung und eines Wegzugs ins Ausland im Allgemeinen nur äußerst geringe Bedeutung beimessen. Sicherlich wird dies vom Alter des betreffenden Arbeitnehmers und den Tätigkeitsjahren abhängen, die er bereits bei seinem derzeitigen Arbeitgeber zurückgelegt hat, je nachdem, ob dieser Arbeitnehmer mehr oder weniger nahe an die nach § 2 Abs. 1 erforderliche Dienstzeit von 25 Jahren herangekommen ist. Trotzdem scheint die Gefahr, einen solchen Vorteil zu verlieren, ein recht belangloser Umstand zu sein im Vergleich zu den existenziellen Fragen, die sich einem Arbeitnehmer stellen können, der beabsichtigt, seinen Herkunftsmitgliedstaat zu verlassen, um sein Glück jenseits der Grenze zu versuchen.

( 48 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Januar 2000, Graf (C‑190/98, EU:C:2000:49, Rn. 25). Vgl. außerdem entsprechend Urteile vom 4. Oktober 1991, Society for the Protection of Unborn Children Ireland (C‑159/90, EU:C:1991:378, Rn. 24), vom 15. Juni 2010, Kommission/Spanien (C‑211/08, EU:C:2010:340, Rn. 72), und vom 12. Juli 2012, SC Volksbank România (C‑602/10, EU:C:2012:443, Rn. 81). Die Frage, ob ein zukünftiges Ereignis zu ungewiss und zu indirekt ist, so dass die nationale Regelung keine Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit darstellen kann, darf nicht mit der Frage der Erheblichkeit der Beschränkung verwechselt werden, zu der der Gerichtshof entschieden hat, dass auch eine unbedeutende Beschränkung verboten ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. Dezember 1989, Corsica Ferries [France], C‑49/89, EU:C:1989:649, Rn. 8, sowie vom 1. April 2008, Gouvernement de la Communauté française und Gouvernement wallon, C‑212/06, EU:C:2008:178, Rn. 52). Denn bei der ersten Frage geht es um den – wahrscheinlichen oder im Gegenteil rein hypothetischen und damit nicht vorhandenen – Einfluss, den diese Regelung auf die Entscheidung eines Arbeitnehmers, seine Freizügigkeit auszuüben, haben kann, während die zweite Frage die Folgen betrifft, die diese Regelung für Arbeitnehmer, die ihre Freizügigkeit ausüben, nach sich zieht.

( 49 ) Urteil vom 30. September 2003 (C‑224/01, EU:C:2003:513, Rn. 74).

( 50 ) Urteile vom 30. September 2003, Köbler (C‑224/01, EU:C:2003:513, Rn. 83), und vom 5. Dezember 2013, SALK (C‑514/12, EU:C:2013:799, Rn. 38). Vgl. auch Beschluss vom 10. März 2005, Marhold (C‑178/04, nicht veröffentlicht EU:C:2005:164, Rn. 34).

( 51 ) Urteile vom 15. Januar 1998, Schöning-Kougebetopoulou (C‑15/96, EU:C:1998:3, Rn. 26 und 27), vom 30. November 2000, Österreichischer Gewerkschaftsbund (C‑195/98, EU:C:2000:655, Rn. 49), vom 30. September 2003, Köbler (C‑224/01, EU:C:2003:513, Rn. 83 und 84), und vom 5. Dezember 2013, SALK (C‑514/12, EU:C:2013:799, Rn. 38).

( 52 ) Vgl. zu Art. 45 AEUV Urteil vom 13. Dezember 2012, Caves Krier Frères (C‑379/11, EU:C:2012:798, Rn. 51). Vgl. ebenfalls in Bezug auf andere Bereiche des Unionsrechts Urteile vom 22. November 2005, Mangold (C‑144/04, EU:C:2005:709, Rn. 63), vom 11. Januar 2007, ITC (C‑208/05, EU:C:2007:16, Rn. 39), und vom 16. Oktober 2007, Palacios de la Villa (C‑411/05, EU:C:2007:604, Rn. 68).

( 53 ) Vgl. u. a. Urteil vom 5. Dezember 2013, SALK (C‑514/12, EU:C:2013:799, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 54 ) Der Gerichtshof sieht nämlich die verschiedenen öffentlichen Einrichtungen und Verwaltungen eines Mitgliedstaats als rechtlich eigenständige Arbeitgeber an. Vgl. Fn. 32 der vorliegenden Schlussanträge und die dort angeführte Rechtsprechung.

( 55 ) Urteile vom 30. September 2003, Köbler (C‑224/01, EU:C:2003:513, Rn. 84), und vom 5. Dezember 2013, SALK (C‑514/12, EU:C:2013:799, Rn. 38). In einigen älteren Rechtssachen hat der Gerichtshof sogar angenommen, dass die in Rede stehenden Maßnahmen nicht wirklich der Erreichung des angegebenen Bindungsziels dienten (vgl. Urteile vom 15. Januar 1998, Schöning-Kougebetopoulou, C‑15/96, EU:C:1998:3, Rn. 26, und vom 30. November 2000, Österreichischer Gewerkschaftsbund, C‑195/98, EU:C:2000:655, Rn. 49).

( 56 ) Es ist daher vollkommen logisch, dass Dienstzeiten bei vorherigen Arbeitgebern im System des UrlG nur marginal berücksichtigt werden, da diese Zeiten im Hinblick auf das verfolgte Bindungsziel nicht mit den beim derzeitigen Arbeitgeber zurückgelegten Zeiten vergleichbar sind. Theoretisch dürften Dienstzeiten bei vorherigen Arbeitgebern überhaupt nicht berücksichtigt werden. Jedoch soll die Anrechnung dieser Zeiten bis zu einer Dauer von fünf Jahren gemäß § 3 Abs. 2 und 3 UrlG meines Erachtens lediglich die Strenge der Regel der 25 Dienstjahre abmildern und trägt so zu deren Verhältnismäßigkeit bei.

( 57 ) Vgl. entsprechend zum freien Dienstleistungsverkehr Urteil vom 10. Mai 1995, Alpine Investments (C‑384/93, EU:C:1995:126, Rn. 51), und die Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache Alpine Investments (C‑384/93, EU:C:1995:15, Nr. 88).

( 58 ) Urteil vom 30. September 2003, C‑224/01, EU:C:2003:513.

( 59 ) Urteil vom 30. September 2003, Köbler (C‑224/01, EU:C:2003:513, Rn. 85 und 86).

( 60 ) Allerdings wird die Bindung immer in gewissem Maße im Widerspruch zur Logik der vom AEU-Vertrag gewährleisteten Grundfreiheiten stehen. Eine Treueprämie honoriert den Immobilismus, während die Grundfreiheiten die Bewegung begünstigen. Dies ist jedoch mit dem Unionsrecht nicht unvereinbar. Das Unionsrecht steht stabilen und dauerhaften Beziehungen, im beruflichen oder persönlichen Bereich, nicht entgegen.