SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MANUEL CAMPOS SÁNCHEZ-BORDONA

vom 5. Juli 2018 ( 1 )

Rechtssache C‑328/17

Amt Azienda Trasporti e Mobilità SpA,

Atc Esercizio SpA,

Atp Esercizio Srl,

Riviera Trasporti SpA,

Tpl Linea Srl

gegen

Atpl Liguria – Agenzia regionale per il trasporto pubblico locale SpA,

Regione Liguria

(Vorabentscheidungsersuchen des Tribunale amministrativo regionale della Liguria [Verwaltungsgericht für die Region Ligurien, Italien])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Öffentliche Aufträge – Zulässigkeit – Wegfall des Streitgegenstands – Richtlinie 89/665/EWG – Nachprüfungsverfahren – Teilnahme an der Ausschreibung als Voraussetzung für die Klagebefugnis – Klagebefugnis des Bieters bei absoluter Gewissheit des Ausschlusses“

1.

Kann in einem Verfahren, das sich in der Hauptsache (rechtlich) erledigt hat, so dass zwischen den Parteien in der Sache keine Uneinigkeit mehr besteht und kein Urteil zur Beilegung des Streits erforderlich ist, das Gericht, das darüber zu entscheiden hatte, eine Frage zur Vorabentscheidung vorlegen, die sich nur darauf beschränkt, wer die Verfahrenskosten zu tragen hat?

2.

Dem Gerichtshof stehen zwei Möglichkeiten zur Verfügung:

Er kann sich nach dem Präzedenzfall Reinke ( 2 ) richten und beschließen, dass vor diesem Hintergrund eine Entscheidung über die Vorlagefrage nicht mehr erforderlich und diese somit unzulässig ist.

Er kann jedoch auch über dieses Hindernis hinwegsehen, und in diesem Fall müsste er dem vorlegenden Gericht antworten und die Richtlinien über die Nachprüfungsverfahren bezüglich der Vergabe öffentlicher Aufträge ( 3 ) auslegen. Um diese Auslegung wird ersucht, um sie mit der Auffassung zu vergleichen, die die obersten Gerichtshöfe Italiens (Staatsrat und Verfassungsgerichtshof) in der Frage vertreten, ob ein Unternehmen befugt ist, die Ausschreibungsunterlagen anzufechten, wenn es an dem Vergabeverfahren nicht teilgenommen hat. Nach Angaben des vorlegenden Gerichts hängt es von der Antwort auf diese Frage ab, wem die Gerichtskosten des Ausgangsverfahrens aufzuerlegen sind.

I. Rechtlicher Rahmen

A.   Unionsrecht

1. Richtlinie 89/665 und Richtlinie 92/13 ( 4 )

3.

Art. 1 („Anwendungsbereich und Zugang zu Nachprüfungsverfahren“) lautet:

„(1)   Diese Richtlinie gilt für Aufträge im Sinne der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge [(ABl. 2004, L 134, S. 114)], sofern diese Aufträge nicht gemäß den Artikeln 10 bis 18 der genannten Richtlinie ausgeschlossen sind [Richtlinie 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste (ABl. 2004, L 134, S. 1), sofern diese Aufträge nicht gemäß Artikel 5 Absatz 2, Artikel 18 bis 26, Artikel 29 und 30 oder Artikel 62 der genannten Richtlinie ausgeschlossen sind].

Aufträge im Sinne der vorliegenden Richtlinie umfassen öffentliche Aufträge [Liefer-, Bau- und Dienstleistungsaufträge], Rahmenvereinbarungen, öffentliche Baukonzessionen und dynamische Beschaffungssysteme.

Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass hinsichtlich der in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/18/EG [Richtlinie 2004/17/EG] fallenden Aufträge die Entscheidungen der öffentlichen Auftraggeber wirksam und vor allem möglichst rasch nach Maßgabe der Artikel 2 bis 2f der vorliegenden Richtlinie auf Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder gegen die einzelstaatlichen Vorschriften, die dieses Recht umsetzen, nachgeprüft werden können.

(2)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die in dieser Richtlinie getroffene Unterscheidung zwischen einzelstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung des Gemeinschaftsrechts und den übrigen innerstaatlichen Bestimmungen nicht zu Diskriminierungen zwischen Unternehmen führt, die im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe eines Auftrags einen Schaden geltend machen könnten.

(3)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Nachprüfungsverfahren entsprechend den gegebenenfalls von den Mitgliedstaaten festzulegenden Bedingungen zumindest jeder Person zur Verfügung stehen, die ein Interesse an einem bestimmten Auftrag hat oder hatte und der durch einen behaupteten Verstoß ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht.

…“

4.

Art. 2 („Anforderungen an die Nachprüfungsverfahren“) sieht vor:

„(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass für die in Artikel 1 genannten Nachprüfungsverfahren die erforderlichen Befugnisse vorgesehen werden, damit

b)

die Aufhebung rechtswidriger Entscheidungen, einschließlich der Streichung diskriminierender technischer, wirtschaftlicher oder finanzieller Spezifikationen in den Ausschreibungsdokumenten, den Verdingungsunterlagen oder in jedem sonstigen sich auf das betreffende Vergabeverfahren beziehenden Dokument vorgenommen oder veranlasst werden kann [in der Vergabebekanntmachung, in der regelmäßigen Bekanntmachung, in der Bekanntmachung eines Qualifikationssystems, in der Aufforderung zur Angebotsabgabe, in den Verdingungsunterlagen oder in jedem sonstigen sich auf das betreffende Vergabeverfahren beziehenden Dokument vorgenommen oder veranlasst werden kann];

…“

2. Verordnung Nr. 1370/2007 ( 5 )

5.

Art. 5 („Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge“) bestimmt:

„(1)   Öffentliche Dienstleistungsaufträge werden nach Maßgabe dieser Verordnung vergeben. Dienstleistungsaufträge oder öffentliche Dienstleistungsaufträge gemäß der Definition in den Richtlinien 2004/17/EG oder 2004/18/EG für öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen und Straßenbahnen werden jedoch gemäß den in jenen Richtlinien vorgesehenen Verfahren vergeben, sofern die Aufträge nicht die Form von Dienstleistungskonzessionen im Sinne jener Richtlinien annehmen. Werden Aufträge nach den Richtlinien 2004/17/EG oder 2004/18/EG vergeben, so sind die Absätze 2 bis 6 des vorliegenden Artikels nicht anwendbar.

(7)   Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die gemäß den Absätzen 2 bis 6 getroffenen Entscheidungen wirksam und rasch auf Antrag einer Person überprüft werden können, die ein Interesse daran hat bzw. hatte, einen bestimmten Auftrag zu erhalten, und die angibt, durch einen Verstoß dieser Entscheidungen gegen Gemeinschaftsrecht oder nationale Vorschriften zur Durchführung des Gemeinschaftsrechts geschädigt zu sein oder geschädigt werden zu können.

…“

B.   Italienisches Recht

1. Gesetzesdekret Nr. 138 vom 13. August 2011 ( 6 )

6.

Art. 3 bis sieht als allgemeine Regel vor, dass die Provinz das räumliche Bezugsgebiet für die lokalen öffentlichen Dienstleistungen ist.

2. Regionalgesetz von Ligurien Nr. 33 vom 7. November 2013 ( 7 )

7.

Art. 9 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 sehen vor, dass die Vergabe des Auftrags auf der Grundlage eines einzigen Loses für das gesamte Gebiet der Region zu erfolgen hat ( 8 ).

3. Verwaltungsprozessordnung (Codice del processo amministrativo) ( 9 )

8.

Art. 26 („Verfahrenskosten“) sieht vor:

„1.   Trifft das Gericht eine Entscheidung, so hat es auch über die Verfahrenskosten gemäß den Art. 91, 92, 93, 94, 96 und 97 der Zivilprozessordnung zu befinden, wobei auch die Einhaltung der Grundsätze der Klarheit und der gestrafften Form laut Art. 3 Abs. 2 zu beachten sind. Auf jeden Fall kann das Gericht, auch von Amts wegen, die unterlegene Partei dazu verurteilen, der Gegenpartei einen nach Billigkeit festgelegten Betrag zu zahlen, wenn sich die Gründe als offensichtlich ungerechtfertigt erweisen; dieser Betrag darf aber in keinem Fall höher sein als das Doppelte des mit der Kostenbestimmung festgelegten Betrags.

…“

9.

Art. 39 Abs. 1 sieht vor:

„Wenn in diesem Gesetzbuch eine Regelung fehlt, finden die Bestimmungen der Zivilprozessordnung Anwendung, soweit sie vereinbar oder Ausdruck von allgemeinen Grundsätzen sind.“

4. Zivilprozessordnung (Codice di procedura civile) ( 10 )

10.

Art. 91 sieht für die Zahlung der Verfahrenskosten den Grundsatz des objektiven Unterliegens vor.

11.

Art. 92 bestimmt:

„Das Gericht kann in dem nach dem vorstehenden Artikel gefällten Urteil von der Erstattung der der obsiegenden Partei entstandenen Kosten absehen, wenn es sie für überhöht oder nicht erforderlich ansieht; …

Wenn beide Parteien teils obsiegen, teils unterliegen, die behandelte Frage vollkommen neuartig ist oder sich die Rechtsprechung zu den Streitfragen ändert, kann das Gericht die Kosten ganz oder teilweise zwischen den Parteien aufteilen.

…“

12.

Art. 100 lautet:

„Für die Erhebung einer Klage oder die Verteidigung gegen eine Klage ist ein entsprechendes Interesse erforderlich.“

II. Sachverhalt und Vorlagefrage

13.

Die Region Ligurien veröffentlichte über die Regionalagentur für den öffentlichen Nahverkehr im Amtsblatt der Europäischen Union vom 3. Juni 2015 ( 11 ) eine „Bekanntmachung zur Auswahl der Wirtschaftsteilnehmer“, die in ihrem Gebiet nach dem Regionalgesetz von Ligurien Nr. 33/2013 und der Verordnung Nr. 1370/2007 öffentliche Personenlandverkehrsdienste leisten sollen.

14.

Mehrere Unternehmen (im Folgenden: AMT), die öffentliche Nahverkehrsdienste auf der regionalen, provinziellen und interprovinziellen Ebene leisten, haben beim Tribunale amministrativo regionale della Liguria (Verwaltungsgericht für die Region Ligurien, Italien) ( 12 ) die Unterlagen des Ausschreibungsverfahrens angefochten. Sie begründeten ihre Klage damit, dass ihre Aussichten auf Erhalt des Zuschlags praktisch gleich null gewesen seien, da als räumlicher Bereich für die Dienstleistung allein die Region festgesetzt worden sei.

15.

Da die Vereinbarkeit des Regionalgesetzes von Ligurien Nr. 33/2013 mit der italienischen Verfassung angezweifelt wurde, stellte das TAR Ligurien am 21. Januar 2016 bei der Corte costituzionale (Verfassungsgerichtshof, Italien) eine „Frage nach der Verfassungsmäßigkeit“.

16.

Während die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit anhängig war, erließ die Region Ligurien ein neues Gesetz ( 13 ), mit dem die Festlegung des regionalen Bereichs für den Nahverkehr aufgehoben wurde. Aufgrund dieser Aufhebung sah die zuständige Behörde davon ab, das Ausschreibungsverfahren fortzuführen, und annullierte es.

17.

Unbeschadet dessen erklärte die Corte costituzionale (Verfassungsgerichtshof) mit Urteil Nr. 245/2016 vom 22. November 2016 die vom TAR Ligurien gestellte Frage für unzulässig, weil AMT in Bezug auf Unterlagen eines Ausschreibungsverfahrens, an dem sie selbst nicht teilgenommen habe, nicht klagebefugt sei.

18.

Die Corte costituzionale (Verfassungsgerichtshof) begründete ihre Entscheidung wie folgt:

„Nach den Ausführungen des vorlegenden Gerichts hatten die Klägerinnen – Unternehmen, die bereits öffentliche Nahverkehrsdienste auf Provinzebene erbrachten – nicht an der von der regionalen Verwaltung nach Art. 30 des Gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 163 von 2006[ ( 14 )] bekannt gemachten nicht förmlichen Ausschreibung teilgenommen, sondern sich darauf beschränkt, die Bekanntmachung der Auswahl der Wirtschaftsteilnehmer, in der zur Interessenbekundung aufgefordert wurde, anzufechten, da sie eine Ausschreibung auf regionaler Ebene mit nur einem einzigen Los vorsah.

Nach ständiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte ist ein Unternehmen, das an dem Ausschreibungsverfahren nicht teilgenommen hat, nicht befugt, das Verfahren oder die Vergabe des Auftrags an Drittunternehmen anzufechten, da seine materielle Rechtsposition nicht hinreichend qualifiziert ist, sondern nur auf einem rein tatsächlichen Interesse beruht (Urteil Nr. 2507 des Staatsrats, Dritte Kammer, vom 10. Juni 2016; Urteil Nr. 491 des Staatsrats, Dritte Kammer, vom 2. Februar 2015; Urteil Nr. 6048 des Staatsrats, Sechste Kammer, vom 10. Dezember 2014; Urteil Nr. 9 des Staatsrats, Plenum, vom 25. Februar 2014 und Urteil Nr. 4 des Staatsrats, Plenum, vom 7. April 2011).

Es existiert weiterhin eine ständige Rechtsprechung, nach der ‚Bekanntmachungen von Ausschreibungen und Auswahlverfahren und die Aufforderungen zur Angebotsabgabe normalerweise zusammen mit den Handlungen angefochten werden, mit denen sie umgesetzt werden, da durch diese Handlungen die durch das Verfahren Geschädigten genau identifiziert werden und die Schädigung der subjektiven Stellung des Betroffenen gegenwärtig und konkret wird‘ (Urteil Nr. 1 des Staatsrats, Plenum, vom 29. Januar 2003).

Eine Ausnahme von diesen Regeln, die sich aus der einfachen Anwendung der allgemeinen Grundsätze zur Klagebefugnis und zum Rechtsschutzinteresse auf Ausschreibungsverfahren ergeben, gilt für die Fälle, in denen gerügt wird, dass keine Ausschreibung erfolgt sei oder, umgekehrt, dass eine Ausschreibung durchgeführt worden sei, in denen Klauseln der Bekanntmachung, die das Unternehmen unmittelbar vom Verfahren ausschließen, oder Klauseln gerügt werden, die offensichtlich nicht nachvollziehbare oder völlig unverhältnismäßige Pflichten auferlegen oder die Abgabe eines Angebots unmöglich machen (Urteil Nr. 2507 des Staatsrats, Dritte Kammer, vom 10. Juni 2016; Urteil Nr. 5862 des Staatsrats, Fünfte Kammer, vom 30. Dezember 2015; Urteil Nr. 5181 des Staatsrats, Fünfte Kammer, vom 12. November 2015; Urteil Nr. 9 des Staatsrats, Plenum, vom 25. Februar 2014 und Urteil Nr. 4 des Staatsrats, Plenum, vom 7. April 2011).

In diesen Fällen ist der Antrag auf Teilnahme am Verfahren für die Anfechtung nicht relevant, sei es, weil die Ausschreibung nicht stattgefunden hat, sei es, weil die Anfechtung der Ausschreibung im Ansatz oder die Unmöglichkeit der Teilnahme ex se eine qualifizierte Rechtsposition entstehen lässt (bei dem Unternehmen, das ein mit der Einleitung des neuen Verfahrens unvereinbares Rechtsverhältnis innehat, bzw. dem Unternehmen der Branche, das an der Teilnahme gehindert wird) und zu einem gegenwärtigen und konkreten Schaden führt (Urteil Nr. 4 des Staatsrats, Plenum, vom 7. April 2011).

Der hier untersuchte Fall stellt keinen solchen Ausnahmefall dar, wie aus der Begründung der Vorlageentscheidung selbst hervorgeht. Dort heißt es, dass sich die streitigen Klauseln auf die Wahrscheinlichkeit der Vergabe an die Klägerinnen auswirken, die sich ‚auf nahezu null verringert‘, während bei einer in Lose aufgeteilten Ausschreibung auf Provinzebene die Vergabe an die Klägerinnen ‚sehr wahrscheinlich gewesen wäre, sei es auch nur aufgrund des Vorteils, den sie als bisherige Betreiber hatten‘.

Aus dieser Begründung ergibt sich kein tatsächliches und gegenwärtiges Hindernis für die Teilnahme an der Ausschreibung, sondern nur die Darlegung eines möglichen Schadens, der von den Teilnehmern an dem Verfahren ausschließlich nach dessen Abschluss geltend gemacht werden kann, falls der Auftrag nicht an sie vergeben wird.“

19.

Das TAR Ligurien bezweifelt, dass die von der Corte costituzionale (Verfassungsgerichtshof) vertretene Auslegung mit der Richtlinie 89/665 vereinbar ist. Deshalb hält es, obwohl die Ausschreibung annulliert wurde, eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs für erforderlich, um über die Verfahrenskosten entscheiden zu können.

20.

Das vorlegende Gericht hält zwei Situationen für möglich:

„Würde angenommen, dass die Anfechtungsklage, die sich auf das gesamte Ausschreibungsverfahren bezieht, unter eine der Ausnahmen fällt, in denen ein Wirtschaftsteilnehmer, der nicht am Verfahren teilgenommen hat, als klagebefugt gilt, wäre der Rechtsstreit wegen des Erlasses des Regionalgesetzes Nr. 19/2016 … für erledigt zu erklären … In diesem Fall würden die Verfahrenskosten und die Einheitsgebühr … den Beklagten auferlegt und den Klägerinnen erstattet.“

„Würde hingegen der im Urteil Nr. 245/2016 der Corte costituzionale [Verfassungsgerichtshof] vertretenen Auslegung gefolgt, so dass die Klägerinnen als nicht befugt angesehen würden, gegen die Ausschreibungsunterlagen vorzugehen, wären die Klage wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses für unzulässig zu erklären und die Kosten unter den Klägerinnen aufzuteilen.“

21.

Auf der Grundlage des vorstehend geschilderten Sachverhalts hat das TAR Ligurien die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Stehen Art. 1 Abs. 1, 2 und 3 sowie Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/665 einer nationalen Regelung entgegen, nach der die Möglichkeit, gegen die Unterlagen eines Ausschreibungsverfahrens vorzugehen, nur Wirtschaftsteilnehmern eingeräumt wird, die einen Antrag auf Teilnahme an dieser Ausschreibung gestellt haben, und zwar auch dann, wenn mit der Klage gegen das Verfahren im Ansatz vorgegangen werden soll, weil sich aus den Ausschreibungsbestimmungen ergibt, dass es sehr wahrscheinlich ist, den Zuschlag nicht zu erhalten?

III. Zusammenfassung der Erklärungen der Parteien

22.

Die italienische Regierung spricht sich gegen eine Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens aus:

Erstens lege Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/665 deren Anwendungsbereich durch Verweis auf die Richtlinie 2004/18 fest. Da Gegenstand der streitigen Ausschreibung die Erteilung einer Konzession für öffentliche Personenlandverkehrsdienste gewesen sei, sei die Richtlinie 2004/18, ebenso wie die Richtlinie 89/665, nicht anwendbar.

Zweitens setze, selbst wenn die Richtlinie 89/665 anwendbar wäre, diese Anwendung eine Verletzung der materiell-rechtlichen Vorschriften der Richtlinie 2004/18 voraus. Das vorlegende Gericht habe nicht angegeben, welche Vorschriften verletzt worden seien, und nehme nur ungenau auf eine etwaige übermäßige Wettbewerbsbeschränkung Bezug, ohne die verletzten unionsrechtlichen Vorschriften zu nennen.

23.

Zur Sache führt die italienische Regierung aus, es gelte die allgemeine Regel, dass derjenige, der sich aus freien Stücken nicht an einer Ausschreibung beteiligt habe, nicht befugt sei, das Verfahren anzufechten. Allerdings gebe es Ausnahmen, nämlich wenn i) gegen die Ausschreibung im Ansatz vorgegangen werde; ii) dagegen vorgegangen werde, dass es keine Ausschreibung gegeben habe, weil die Verwaltung den Auftrag direkt vergeben habe, und iii) gegen Klauseln der Bekanntmachung vorgegangen werde, die den Kläger unmittelbar ausschlössen. Dieses Schema sei vollkommen mit den im Urteil Grossmann Air Service ( 15 ) aufgestellten Grundsätzen vereinbar.

24.

Im konkreten Fall habe die Corte costituzionale (Verfassungsgerichtshof) dargelegt, dass die Aussichten von AMT nicht gleich null, sondern nur verringert gewesen seien, so dass eine Beurteilung ihrer Aussichten erst nach Durchführung des Auswahlverfahrens habe erfolgen können, an dem AMT hätte teilnehmen müssen.

25.

Die Regierung der Tschechischen Republik führt, ebenfalls unter Berufung auf das Urteil Grossmann, aus, dass den potenziellen Bietern, falls sie diskriminiert würden, die Klagebefugnis zuerkannt werden müsse, um die diskriminierenden Klauseln anfechten zu können. Würde ihrem Rechtsbehelf stattgegeben, gäbe ihnen dies Aussichten auf die Zuschlagserteilung. Sie könnten die Handlungen in der ersten Phase der Ausschreibung überprüfen lassen, ohne das Ende des Vergabeverfahrens abwarten zu müssen.

26.

Nach Ansicht der spanischen Regierung legt die Richtlinie 89/665 Mindestanforderungen für die Nachprüfungsverfahren fest, die durch das innerstaatliche Recht in den durch die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität vorgegebenen Grenzen ausgestaltet werden. Die spanische Regierung konzentriert ihre Analyse auf den Effektivitätsgrundsatz und verneint eine Verletzung dieses Grundsatzes, da Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665 verlange, dass der betroffenen Person durch einen behaupteten Rechtsverstoß gegen die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts ein Schaden entstanden sei bzw. zu entstehen drohe. Dies sei bei einem Kläger in Bezug auf die Unterlagen einer Ausschreibung, an der er nicht teilgenommen habe, nicht der Fall.

27.

Die spanische Regierung hebt hervor, es gebe im italienischen Recht und in der dieses auslegenden Rechtsprechung Möglichkeiten zur Anfechtung der Ausschreibung, ohne daran teilnehmen zu müssen, und die Klägerinnen hätten die Gelegenheit zur Anfechtung der Ausschreibungsbekanntmachung verstreichen lassen. Die Klägerinnen seien daher nicht befugt, die Unterlagen eines Ausschreibungsverfahrens anzufechten, an dem sie nicht teilgenommen hätten.

28.

Die Kommission hält die Vorlagefrage für unzulässig, da das Problem hypothetischer Natur und das Ausgangsverfahren gegenstandslos sei.

29.

In der Sache ist die Kommission unter Heranziehung des Urteils Grossmann der Meinung, dass die das Nachprüfungsverfahren regelnden nationalen Vorschriften den Effektivitätsgrundsatz wahren müssten und nicht die praktische Wirksamkeit der Richtlinie 89/665, die durch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verstärkt werde, beeinträchtigen dürften.

30.

Die Rechtsprechung der Corte costituzionale (Verfassungsgerichtshof) sei nicht mit diesem Grundsatz vereinbar, da sie die Klagebefugnis eines Klägers, der an der Ausschreibung nicht teilgenommen habe, ausnahmsweise nur dann bejahe, wenn die absolute Gewissheit bestehe, dass er von der Ausschreibung ausgeschlossen worden wäre. Der Gerichtshof habe aber nicht den Nachweis einer absoluten Gewissheit, sondern nur den einer Wahrscheinlichkeit gefordert.

IV. Verfahren vor dem Gerichtshof

31.

Die Vorlageentscheidung ist am 31. Mai 2017 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen.

32.

Die italienische, die spanische und die tschechische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. An der mündlichen Verhandlung am 26. April 2018 haben nur die italienische Regierung und die Kommission teilgenommen.

V. Rechtliche Würdigung

A.   Zulässigkeit der Vorlagefrage

33.

Der Schwerpunkt der Vorlagefrage liegt auf dem Problem der Klagebefugnis eines Klägers, der sich wie AMT nicht an einer öffentlichen Ausschreibung beteiligt hat, weil er der Ansicht war, er werde sehr wahrscheinlich nicht ausgewählt.

34.

Wie bereits erläutert, ist der Gegenstand des Ausgangsverfahrens vor dem nationalen Gericht weggefallen, weil der öffentliche Auftraggeber die Ausschreibung infolge einer Gesetzesreform annulliert hat. Nach Auffassung des nationalen Gerichts ist jedoch eine Entscheidung des Gerichtshofs im Vorabentscheidungsverfahren nach wie vor erforderlich, damit es eine Kostenentscheidung treffen kann.

35.

Nach der Konzeption des Art. 267 AEUV ist es Ziel der Vorlage zur Vorabentscheidung, dem nationalen Gericht die erforderlichen Hinweise für die Entscheidung über einen Rechtsstreit zu bieten, in dem Fragen hinsichtlich der Auslegung des Unionsrechts aufgetreten sind.

36.

Ich habe schon am Anfang meiner Schlussanträge darauf hingewiesen, dass sich der Gerichtshof zu einem ähnlichen Fall geäußert hat, in dem der Gegenstand des Ausgangsverfahrens weggefallen war und die Vorabentscheidung nur im Hinblick auf die Kostenentscheidung relevant war.

37.

Im Beschluss Reinke wurde festgestellt, dass die Entscheidung über die Kosten vom Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache abhängt, in dessen Rahmen die Vorlagefragen gestellt worden sind. Da dieser Rechtsstreit jedoch erledigt war, brauchten die Vorlagefragen nicht mehr beantwortet zu werden ( 16 ).

38.

Die Logik im Beschluss Reinke erscheint mir fehlerfrei ( 17 ), und sie entspricht anderen Ausformungen desselben Grundsatzes (so ist z. B. nach Art. 58 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union ein Rechtsmittel nur gegen die Kostenentscheidung oder gegen die Kostenfestsetzung unzulässig). Wenn sich das Verfahren, in dem die Unionsvorschrift zur Anwendung kommen sollte, erledigt, ist der Streit zwischen den Parteien beendet, und die Auslegung der Unionsvorschrift durch den Gerichtshof ist nicht mehr notwendig, da sie sich nicht auf den (nicht mehr existierenden) Streit auswirken kann.

39.

Das TAR Ligurien führt jedoch aus, dass die Erwägungen des Gerichtshofs zur Befugnis eines Klägers, eine Ausschreibung anzufechten, an der er nicht teilgenommen habe, maßgeblich für seine eigene Entscheidung seien, welche Partei in welcher Höhe die Kosten des erledigten Verfahrens übernehmen müsse.

40.

Ich denke nicht, dass diese indirekten Auswirkungen ausreichen, um eine Verbindung zum Unionsrecht zu bejahen. Worüber hier entschieden wird, gehört eigentlich nicht mehr zum öffentlichen Auftragswesen, sondern in den Bereich der Festsetzung der Gerichtskosten. Sofern nicht eine Vorschrift des Unionsrechts zur Anwendung kommt (was in bestimmten Sachbereichen der Fall ist, auf die ich mich im Anschluss beziehen werde), beruht die Kostenentscheidung ausschließlich auf nationalem Recht und nicht auf Unionsrecht.

41.

Die dem Beschluss Reinke zugrunde liegende Idee steht mit der Funktion des Vorlageverfahrens in Verbindung: Die Auslegung des Unionsrechts muss für die Entscheidung des nationalen Gerichts im Ausgangsverfahren erforderlich sein (Rn. 13 des Beschlusses), so dass bei Erledigung des Verfahrens die Vorlagefragen nicht mehr beantwortet zu werden brauchen (Rn. 16).

42.

Das Unionsrecht enthält keine harmonisierte Regelung zu den Verfahrenskosten. Dieser Bereich fällt vollständig in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Nur auf bestimmten Gebieten hat der Unionsgesetzgeber seinen Willen gezeigt, auf diese Frage einzugehen, sei es, um übermäßige Kosten zu verhindern, die den Zugang zu den Gerichten in bestimmten Bereichen der Rechtsordnung behindern könnten ( 18 ), sei es, um sicherzustellen, dass die in ihren Rechten verletzte Partei von der anderen Partei die angemessenen und zumutbaren Prozesskosten erhält. Auch dies gilt wiederum nur in bestimmten Sachbereichen ( 19 ).

43.

Auch in den Fällen, in denen das Unionsrecht die Verfahrenskosten regelt, hat der Gerichtshof festgestellt, dass „bei einer mangelnden Bestimmtheit des Unionsrechts die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, bei der Umsetzung einer Richtlinie deren vollständige Wirksamkeit zu gewährleisten, und dass sie über einen weiten Wertungsspielraum hinsichtlich der Wahl der Mittel verfügen“. In Bezug auf den damals streitigen Fall auf dem Gebiet des Umweltschutzrechts wurde bestätigt, dass „folglich alle einschlägigen Bestimmungen des nationalen Rechts berücksichtigt werden [müssen], insbesondere ein nationales Prozesskostenhilfesystem sowie eine Kostenschutzregelung“ und die „beträchtlichen Unterschiede …, die in diesem Bereich zwischen den nationalen Rechtsordnungen bestehen“ ( 20 ).

44.

Wenn dieser weite Wertungsspielraum, zu dem die Anerkennung der Eigenheiten des jeweiligen nationalen Systems hinzukommt, in den Fällen besteht, in denen sich das Unionsrecht auf die Festlegung der Prozesskosten auswirkt, muss das Ermessen der Mitgliedstaaten auf einem nicht gemeinschaftlich geregelten Gebiet noch weitreichender sein.

45.

Im vorliegenden Fall beträfe ein etwaiger Streit über die Prozesskosten ( 21 ) ausschließlich die Auslegung der nationalen Vorschriften über die Kostenverteilung zwischen den Parteien sowie über die Zuständigkeit des Gerichts für die Kostenfestsetzung. Ein auf die Prozesskosten beschränkter Rechtsstreit wäre nach Maßgabe des nationalen Rechts zu lösen, nicht jedoch nach Maßgabe des Unionsrechts, das, wie ich hier erneut betonen möchte, insoweit keine Regelung vorsieht.

46.

Obwohl keine gemeinschaftliche Harmonisierung im Bereich der auf diese Art von Rechtsstreitigkeiten anwendbaren Prozesskosten existiert, könnten die Merkmale des Ausgangsverfahrens die Achtung der grundlegenden Vorschriften und der allgemeinen Grundsätze des AEU-Vertrags in Frage stellen. Dies wäre jedoch nur dann der Fall, wenn eine der Grundfreiheiten gefährdet wäre, was in der Vorlageentscheidung nicht einmal angedeutet wird.

47.

Ich möchte nicht die Würdigung des vorlegenden Gerichts durch meine eigene ersetzen oder in seine Freiheit, zwischen den nach nationalem Recht verfügbaren Optionen zu wählen, eingreifen, denn die vorstehend wiedergegebenen Bestimmungen der Zivil- und Verwaltungsprozessordnung bieten ihm ausreichend Unterstützung, um, unabhängig von der Antwort auf die Frage der Klagebefugnis der Klägerinnen, auf einer von diesem Problem unabhängigen Grundlage über die Auferlegung der Kosten zu entscheiden.

48.

Insoweit genügt der Hinweis, dass das Gericht nach nationalem Recht, wenn „die behandelte Frage vollkommen neuartig ist“ oder „sich die Rechtsprechung zu den Streitfragen ändert“ ( 22 ), die Kosten ganz oder teilweise zwischen den Parteien aufteilen kann. Das Gericht genießt somit unabhängig davon, ob es die Klagebefugnis von AMT bejaht oder in Übereinstimmung mit dem Urteil der Corte costituzionale (Verfassungsgerichtshof) ablehnt, bei der Entscheidung uneingeschränkte Freiheit.

49.

Ich halte die Vorabentscheidungsvorlage folglich für unzulässig, da eine Antwort des Gerichtshofs nicht erforderlich und dieser für eine Entscheidung über die Anwendung des rein innerstaatlichen italienischen Prozesskostensystems nicht zuständig ist.

B.   In der Sache

50.

Für den Fall, dass der Gerichtshof doch inhaltlich auf die Vorlagefrage eingehen möchte, werde ich hier hilfsweise meine Meinung darlegen. Dabei werde ich zunächst die anwendbaren Rechtsvorschriften eingrenzen und anschließend eine Antwort auf die gestellte Frage vorschlagen.

1. Anwendbarer Rechtsrahmen

51.

Gegenstand der streitigen Ausschreibung war eine Auftragsvergabe für den öffentlichen Personenlandverkehr. Diese Art von Dienstleistungen fällt in den spezifischen Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1370/2007, deren Art. 5 die „Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge“ im Bereich des Personenverkehrs regelt.

52.

Aus der Vorlageentscheidung ist nicht eindeutig ersichtlich, ob es sich in diesem Fall um eine „Dienstleistungskonzession“ oder um einen „öffentlichen Dienstleistungsauftrag“ handelt. Zwar weisen beide Rechtsfiguren ähnliche Merkmale auf ( 23 ), der Unterschied liegt jedoch in der Gegenleistung, die bei Konzessionen in dem Recht (als solchem oder in Verbindung mit der Zahlung eines Preises) zur Nutzung der Dienstleistung und bei öffentlichen Dienstleistungsaufträgen in der Zahlung vom öffentlichen Auftraggeber unmittelbar an den Dienstleistungserbringer besteht ( 24 ).

53.

Die Einordnung des streitigen Vertrags in eine der beiden Kategorien ist Sache des nationalen Gerichts, das im Gegensatz zum Gerichtshof über alle hierfür erforderlichen tatsächlichen Informationen verfügt. Nach dem Wortlaut von Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1370/2007 ( 25 ) ist die Einstufung durch das nationale Gericht wesentlich, um bestimmen zu können, welche Rechtsvorschriften Anwendung finden.

54.

Ich werde das Problem der Klagebefugnis daher für beide Fälle untersuchen.

a) Konzession für den öffentlichen Personenverkehr

55.

Zunächst könnte davon ausgegangen werden, dass es sich um eine Dienstleistungskonzession handelt, wie dies in einigen der schriftlichen Erklärungen vorgetragen wird und aus der Bekanntmachung der Ausschreibung gefolgert werden könnte, da diese auf Art. 30 des Gesetzbuchs über öffentliche Aufträge verweist, der die „Dienstleistungskonzessionen“ regelt ( 26 ).

56.

Nach Ansicht der italienischen Regierung liegt hier eine Konzession vor, so dass eine Berufung auf die Richtlinie 89/665 nicht möglich sei. Da Art. 1 Abs. 1 dieser Richtlinie deren Anwendungsbereich durch Verweis auf die Richtlinie 2004/18 festlege, sei diese auf Konzessionen nicht anwendbar.

57.

Die Kommission hingegen macht geltend, dass in Italien Art. 30 Abs. 7 des Gesetzbuchs über öffentliche Aufträge die Anwendbarkeit der Richtlinie 89/665 auf öffentliche Dienstleistungskonzessionen erstrecke. Es liege somit eine gemeinschaftliche Verbindung zwischen den nationalen Vorschriften und dem Unionsrecht vor, auf die sich nach ständiger Rechtsprechung die Zuständigkeit des Gerichtshofs für Vorabentscheidungsersuchen stützt ( 27 ).

58.

Auf diesem Weg könnte die Richtlinie 89/665 ins Spiel kommen. Allerdings gilt „[f]ür die Berücksichtigung der Grenzen, die der nationale Gesetzgeber der Anwendung des Gemeinschaftsrechts auf rein interne Sachverhalte, auf die es nur mittelbar kraft des nationalen Gesetzes anwendbar ist, setzen wollte, … das innerstaatliche Recht, so dass dafür ausschließlich die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig sind“; dies zu prüfen ist Sache des vorlegenden Gerichts ( 28 ).

59.

Darüber hinaus machen die spezifischen Vorschriften über öffentliche Personenlandverkehrsdienste in der Verordnung Nr. 1370/2007 die Vergabe der entsprechenden Konzessionen von den Bestimmungen des Art. 5 Abs. 2 bis 6 dieser Verordnung abhängig, und in Abs. 7 heißt es, dass die gemäß diesen Absätzen getroffenen Entscheidungen „wirksam und rasch auf Antrag einer Person überprüft werden können, die ein Interesse daran hat bzw. hatte, einen bestimmten Auftrag zu erhalten, und die angibt, durch einen Verstoß dieser Entscheidungen gegen Gemeinschaftsrecht oder nationale Vorschriften zur Durchführung des Gemeinschaftsrechts geschädigt zu sein oder geschädigt werden zu können“.

60.

Die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1370/2007 und die des Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665 stimmen in diesem Punkt also im Wesentlichen überein. Nicht ohne Grund heißt es im 21. Erwägungsgrund dieser Verordnung: „Ein wirksamer Rechtsschutz sollte nicht nur für Aufträge gelten, die unter die [Richtlinien 2004/17 und 2004/18] fallen, sondern auch für andere gemäß der vorliegenden Verordnung abgeschlossene Verträge gelten. Es ist ein wirksames Nachprüfungsverfahren erforderlich, das mit den entsprechenden Verfahren gemäß der Richtlinie 89/665/EWG … bzw. der Richtlinie 92/13/EWG … vergleichbar sein sollte.“

61.

Das Ergebnis ist, trotz unterschiedlicher Herleitung, dasselbe: Es besteht eine Verpflichtung zur Einführung wirksamer Nachprüfungsverfahren. Von diesem Standpunkt ausgehend ist fraglich, inwieweit diese Nachprüfungsverfahren Unternehmen zur Verfügung stehen müssen, die am Ausschreibungsverfahren nicht teilgenommen haben.

b) Vertrag über Nahverkehrsdienste

62.

Die zweite Möglichkeit wäre, dass das streitige Rechtsgeschäft in die Kategorie eines Vertrags über Nahverkehrsdienste fällt. Tatsächlich wird in der „regelmäßigen nicht verbindlichen Bekanntmachung“ vom 22. Februar 2014 ausschließlich die Richtlinie 2004/17 ( 29 ) zitiert und als Vergabekriterium das wirtschaftlich günstigste Angebot festgelegt. Die Ausschreibungsbekanntmachung vom 29. Mai 2015 nimmt in Punkt 2 Bezug auf eine Gegenleistung für den erfolgreichen Bieter, die in den in Punkt 6 genannten Aufforderungen zur Abgabe eines wirtschaftlichen Angebots endgültig festgesetzt wird.

63.

Es ließe sich daher die Auffassung vertreten, dass diese Merkmale des Vertrags gegen eine Einordnung als Konzession für Nahverkehrsdienste im Sinne der Definition in Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 2004/17 ( 30 ) sprechen und es sich um einen Vertrag über Nahverkehrsdienste handelt. Wäre dies der Fall, würde Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1370/2007 zu einer Anwendung der Richtlinie 2004/17 und somit zu den in den Art. 1 und 2 der Richtlinie 92/13 vorgesehenen Nachprüfungsverfahren führen, die den Verfahren nach der Richtlinie 89/665 entsprechen, zu denen das vorlegende Gericht seine Frage gestellt hat.

2. Beantwortung der Vorlagefrage

64.

Obwohl sich der Kern der Diskussion auf die Klagebefugnis im Hinblick auf die Ausschreibung und damit auf das Recht auf Zugang zum Nachprüfungsverfahren konzentriert, dehnt die Vorlageentscheidung sie auf weitere Inhalte aus, indem eher allgemein Art. 1 Abs. 1, 2 und 3 und Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/665 angeführt werden.

65.

Die Corte costituzionale (Verfassungsgerichtshof) stützt sich auf die Rechtsprechung des Consiglio di Stato (Staatsrat), um im Urteil Nr. 245/2016 einen Grundsatz aufzustellen, dem ich schwer widersprechen kann: Wer sich aus freien Stücken nicht an einer Ausschreibung beteiligt hat, ist grundsätzlich nicht befugt, ihre Annullierung zu verlangen. Dieses Argument steht im Einklang mit der Auslegung des Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665, die der Gerichtshof im Urteil Grossmann vorgenommen hat ( 31 ).

66.

Die obersten Gerichtshöfe Italiens erkennen jedoch an, dass die Nachprüfungsverfahren in bestimmten Ausnahmefällen auch denjenigen offenstehen können, die nicht an der Ausschreibung teilgenommen haben. Zu diesen Ausnahmefällen gehören dem Urteil Nr. 245/2016 des Verfassungsgerichthofs zufolge die Fälle, „in denen gerügt wird, dass keine Ausschreibung erfolgt sei oder, umgekehrt, dass eine Ausschreibung durchgeführt worden sei, in denen Klauseln der Bekanntmachung, die das Unternehmen unmittelbar vom Verfahren ausschließen, oder Klauseln gerügt werden, die offensichtlich nicht nachvollziehbare oder völlig unverhältnismäßige Pflichten auferlegen oder die Abgabe eines Angebots unmöglich machen“.

67.

Wie ausgeführt, scheint mir diese Ausdehnung der Klagebefugnis mit der Ausnahme in Einklang zu stehen, die der Gerichtshof für den Fall zugelassen hat, dass die Klauseln der Bekanntmachung oder der Verdingungsunterlagen als solche so diskriminierend sind, dass sie die Teilnahme eines oder mehrerer Unternehmen verhindern ( 32 ). Wenn diese Unternehmen „aufgrund der genannten [diskriminierenden] Spezifikationen keine Aussicht auf Erteilung des Zuschlags“ ( 33 ) haben, muss ihnen die Klagebefugnis zuerkannt werden, auch wenn sie sich nicht zuvor an der Ausschreibung beteiligt haben ( 34 ).

68.

Ich sehe daher keinen Widerspruch zwischen der Auslegung der Richtlinie 89/665 durch den Gerichtshof und der Auslegung der nationalen Vorschriften durch die obersten Gerichtshöfe Italiens bezüglich der Klagebefugnis von Personen, die, ohne am Ausschreibungsverfahren teilgenommen zu haben, diskriminierende, ihnen den Zugang zum Verfahren vollständig verwehrende Klauseln anfechten.

69.

Beschränkt man die Vorlagefrage auf die abstrakte Klärung eines etwaigen Widerspruchs zwischen der Richtlinie 89/665 und den nationalen Vorschriften, genügen diese Ausführungen, um eine Unvereinbarkeit zu verneinen. Das vorlegende Gericht fasst diese Frage in Worte, die nicht wirklich alle Nuancen des Standpunkts der obersten Gerichtshöfe Italiens wiedergeben, so wie sie sich der nationalen Rechtsprechung entnehmen lassen ( 35 ).

70.

Geht man in der Antwort auf die Eigenheiten des Ausgangsverfahrens ein, in dem das Urteil über die mangelnde Klagebefugnis von AMT bereits rechtskräftig geworden ist, lässt sich zumindest bezweifeln ( 36 ), ob die regionale Reichweite des Nahverkehrs (anstatt einer Unterteilung in Lose auf Provinzebene oder darunter) für sich allein diskriminierend war. Eine andere Frage ist, ob kleine Unternehmen allein über die erforderlichen Ressourcen verfügen, um an einer derartigen Ausschreibung teilzunehmen, was bei solchen großen Ausschreibungen normalerweise nicht der Fall sein wird.

71.

Auf jeden Fall hat die Corte costituzionale (Verfassungsgerichtshof) festgestellt, dass es aufgrund der Gestaltung der Ausschreibung sehr unwahrscheinlich – aber nicht völlig unmöglich – gewesen sei, dass AMT den Zuschlag erhalten würde ( 37 ). Es hat damit verneint, dass ein „tatsächliches und gegenwärtiges Hindernis für die Teilnahme an der Ausschreibung“ vorlag. Da dieses Urteil rechtskräftig ist, binden diese Erwägungen zum Inhalt der entsprechenden Klauseln das vorlegende Gericht und sind auch bei der Beantwortung der Vorlagefrage zugrunde zu legen.

72.

Die Kommission argumentiert mit dem Urteil Grossmann, es sei keine absolute Gewissheit des Ausschlusses von der Ausschreibung, sondern nur die bloße Wahrscheinlichkeit einer Ablehnung erforderlich, damit das Unternehmen die Ausschreibung anfechten könne, ohne selbst an dem Verfahren teilgenommen zu haben.

73.

Meine Auslegung des Urteils Grossmann stimmt nicht ganz mit der Auslegung durch die Kommission überein. Ich halte es für gefährlich, die Berechnung von Wahrscheinlichkeiten als einzigen entscheidenden Faktor für die Lösung dieses Streits heranzuziehen. Denn sonst könnte jedes Unternehmen geltend machen, die Klauseln einer Ausschreibung (auch ohne diskriminierenden Charakter) würden wahrscheinlich zu einer Ablehnung führen, was unbegründeten Anfechtungen durch Personen, die sich entschieden haben, nicht am Ausschreibungsverfahren teilzunehmen, Tür und Tor öffnen würde.

74.

Auf jeden Fall ist es aber nicht Sache des Gerichtshofs, darüber zu entscheiden, ob die Corte costituzionale (Verfassungsgerichtshof) in diesem besonderen Fall die Klagebefugnis von AMT zu Recht abgelehnt hat. Der entscheidende Punkt – und ich betone, dass sich die Frage des vorlegenden Gerichts um den Gegensatz zwischen der nationalen Regelung und der Richtlinie 89/665 dreht – ist, ob die allgemeine Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe Italiens zur Klagebefugnis von Wirtschaftsteilnehmern, die nicht an der Ausschreibung teilgenommen haben (welche grundsätzlich verneint und nur in bestimmten Fällen bejaht wird), mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Ich bin der Meinung, dass dies der Fall ist.

VI. Ergebnis

75.

Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich daher dem Gerichtshof vor,

1.

das Vorabentscheidungsersuchen des Tribunale amministrativo regionale della Liguria (Verwaltungsgericht für die Region Ligurien, Italien) für unzulässig zu erklären;

2.

hilfsweise zu erklären, dass Art. 1 Abs. 1, 2 und 3 sowie Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, nach der – in der Auslegung durch die nationalen obersten Gerichtshöfe – gilt:

Wer sich aus freien Stücken nicht an einer Ausschreibung beteiligt hat, ist grundsätzlich nicht befugt, ihre Annullierung zu verlangen;

von dieser Regel sind die Fälle ausgenommen, in denen das Fehlen einer Ausschreibung oder das Fehlen ihrer Bekanntmachung gerügt wird oder in denen Klauseln der Bekanntmachung mit unmittelbar ausschließendem Charakter oder schließlich Klauseln gerügt werden, die offensichtlich nicht nachvollziehbare oder völlig unverhältnismäßige Pflichten auferlegen oder die Abgabe eines Angebots unmöglich machen.


( 1 ) Originalsprache: Spanisch.

( 2 ) Beschluss vom 14. Oktober 2010 (C‑336/08, nicht veröffentlicht, im Folgenden: Beschluss Reinke, EU:C:2010:604).

( 3 ) Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge (ABl. 1989, L 395, S. 33) sowie Richtlinie 92/13/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften über die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor (ABl. 1992, L 76, S. 14).

( 4 ) In der Fassung der Richtlinie 2007/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007 zur Änderung der Richtlinien 89/665/EWG und 92/13/EWG des Rates im Hinblick auf die Verbesserung der Wirksamkeit der Nachprüfungsverfahren bezüglich der Vergabe öffentlicher Aufträge (ABl. 2007, L 335, S. 31). In eckigen Klammern füge ich die Änderungen hinzu, die am Text der Richtlinie 92/13 im Vergleich zur Fassung der Richtlinie 89/665 vorgenommen wurden.

( 5 ) Verordnung (EG) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates (ABl. 2007, L 315, S. 1).

( 6 ) Gazzetta Ufficiale Nr. 188 vom 13. August 2011, mit Änderungen umgewandelt in das Gesetz Nr. 148 vom 14. September 2011.

( 7 ) Bollettino Ufficiale Nr. 17 vom 8. November 2013, im Folgenden: Regionalgesetz von Ligurien Nr. 33/2013.

( 8 ) Diese Artikel wurden außer Kraft gesetzt durch das Regionalgesetz Nr. 19 vom 9. August 2016 zur „Änderung des Regionalgesetzes Nr. 33 vom 7. November 2013 (Reform des öffentlichen Regional- und Nahverkehrs) und weiterer Vorschriften zum öffentlichen Nahverkehr“ (Gazzetta Ufficiale Nr. 11 vom 18. März 2017, im Folgenden: Regionalgesetz von Ligurien Nr. 19/2016).

( 9 ) Gesetzesvertretendes Dekret Nr. 104 vom 2. Juli 2010 (Gazzetta Ufficiale Nr. 156 vom 7. Juli 2010).

( 10 ) Regio Decreto Nr. 1443 vom 28. Oktober 1940 (Gazzetta Ufficiale Nr. 253 vom 28. Oktober 1940).

( 11 ) ABl. 2015, S 105 vom 3. Juni 2015, Bekanntmachung Nr. 191825. Dieser Bekanntmachung ging die „nicht verbindliche Bekanntmachung“ vom 18. Februar 2014 (2014/S 038‑063550) voraus, in der auf die Richtlinie 2004/17 Bezug genommen wurde.

( 12 ) Im Folgenden: TAR Ligurien.

( 13 ) Vgl. Fn. 8.

( 14 ) Decreto legislativo 12 aprile 2006, n. 163. Codice dei contratti pubblici relativi a lavori, servizi e forniture in attuazione delle direttive 2004/17/CE e 2004/18/CE (Gesetzesvertretendes Dekret Nr. 163 vom 12. April 2006 – Gesetzbuch über öffentliche Bau-, Dienstleistungs- und Lieferaufträge zur Umsetzung der Richtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG [Gazzetta Ufficiale Nr. 100 vom 2. Mai 2006, im Folgenden: Gesetzesvertretendes Dekret Nr. 163 von 2006 oder Gesetzbuch über öffentliche Aufträge]).

( 15 ) Urteil vom 12. Februar 2004 (C‑230/02, im Folgenden: Urteil Grossmann, EU:C:2004:93).

( 16 ) Rn. 16.

( 17 ) Es ließe sich natürlich argumentieren, dass hier andere Umstände vorliegen als beim Beschluss Reinke. Ich bin jedoch der Meinung, dass die Ähnlichkeit der beiden Fälle trotz einiger unbedeutender Unterschiede nicht angezweifelt werden kann.

( 18 ) Art. 10a der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. 1985, L 175, S. 40) und Art. 15a der Richtlinie 96/61/EG des Rates vom 24. September 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (ABl. 1996, L 257, S. 26).

( 19 ) Art. 14 der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. 2004, L 157, S. 45) und Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (ABl. 2011, L 48, S. 1).

( 20 ) Urteil vom 11. April 2013, Edwards (C‑260/11, EU:C:2013:221, Rn. 37 und 38).

( 21 ) Das vorlegende Gericht macht keine Angaben zu einem Streit der Parteien über die Auferlegung und Höhe der (zukünftigen) Prozesskosten. Im Übrigen haben sie alle die Beteiligung am Vorabentscheidungsverfahren abgelehnt, was meines Erachtens ein geringes Interesse an der Entscheidung zeigt.

( 22 ) In der Vorlageentscheidung heißt es, das italienische Recht und die frühere Rechtsprechung des Consiglio di Stato (Staatsrat) zur Klagebefugnis von Personen, die nicht an der Ausschreibung teilgenommen haben, stünden „mit der Gemeinschaftsrechtsprechung im Einklang“. Die Situation habe sich mit dem Urteil des Verfassungsgerichthofs Nr. 245/2016 geändert, bei dem es sich um einen „besonders wichtigen Präzedenzfall“ handele, dem der Consiglio di Stato (Staatsrat) bereits in weiteren Urteilen gefolgt sei.

( 23 ) Vgl. Schlussanträge von Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Hörmann Reisen (C‑292/15, EU:C:2016:480, Nr. 26) und Schlussanträge von Generalanwalt Cruz Villalón in der Rechtssache Norma‑A und Dekom (C‑348/10, EU:C:2011:468, Nrn. 39 ff.).

( 24 ) Hinzu kommt, dass der Konzessionsnehmer das mit der Dienstleistung verbundene Betriebsrisiko übernimmt. Vgl. Urteil vom 10. November 2011, Norma‑A und Dekom (C‑348/10, EU:C:2011:721, Rn. 44).

( 25 )

( 26 ) Nach dieser Vorschrift kommen die „Bestimmungen des Gesetzbuchs über öffentliche Aufträge nicht auf die Dienstleistungskonzessionen zur Anwendung, sofern der vorliegende Artikel nichts anderes vorsieht“. Abs. 3 regelt die Möglichkeit, für die Auswahl des Konzessionsnehmers ein „nicht förmliches Verfahren, zu dem mindestens fünf Bewerber eingeladen werden“, durchzuführen, und dieses Verfahren war im vorliegenden Fall vorgesehen.

( 27 ) „Somit rechtfertigt sich eine Auslegung von Vorschriften des Unionsrechts durch den Gerichtshof in Sachverhalten, die nicht in den Geltungsbereich des Unionsrechts fallen, dann, wenn diese Vorschriften vom nationalen Recht unmittelbar und unbedingt für anwendbar erklärt worden sind, um zu gewährleisten, dass diese und durch das Unionsrecht geregelte Sachverhalte gleich behandelt werden“ (Urteil vom 19. Oktober 2017, Solar Electric Martinique, C‑303/16, EU:C:2017:773, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 28 ) Urteil vom 18. Oktober 1990, Dzodzi (C‑297/88 und C‑197/89, EU:C:1990:360, Rn. 41 und 42).

( 29 ) Diese Bekanntmachungen sind in Art. 41 der Richtlinie geregelt.

( 30 )

( 31 ) Urteil Grossman, Rn. 27: „[Es ist] grundsätzlich zulässig, die Teilnahme an einem Auftragsvergabeverfahren zur Voraussetzung dafür zu machen, dass die betreffende Person sowohl ein Interesse an dem fraglichen Auftrag als auch einen aufgrund der angeblich unrechtmäßigen Zuschlagserteilung drohenden Schaden nachweisen kann. In Ermangelung der Legung eines Angebots kann eine solche Person schwerlich dartun, dass sie ein Interesse an der Anfechtung dieser Entscheidung habe oder dass diese Zuschlagserteilung sie schädige oder zu schädigen drohe.“

( 32 ) Ebd., Rn. 28.: „Falls ein Unternehmen jedoch deshalb kein Angebot gelegt hat, weil es sich durch angeblich diskriminierende Spezifikationen in den Ausschreibungsunterlagen oder im Pflichtenheft gerade daran gehindert gesehen hat, die ausgeschriebene Gesamtleistung zu erbringen, ist es berechtigt, ein Nachprüfungsverfahren unmittelbar gegen diese Spezifikationen einzuleiten, noch bevor das Vergabeverfahren für den betreffenden öffentlichen Auftrag abgeschlossen ist“ (Hervorhebung nur hier).

( 33 ) Ebd., Rn. 29 (Hervorhebung nur hier).

( 34 ) Ebd., Rn. 30: „Es muss einem Unternehmen also möglich sein, ein Nachprüfungsverfahren unmittelbar gegen solche diskriminierenden Spezifikationen durchzuführen, ohne den Abschluss des Vergabeverfahrens abzuwarten.“

( 35 ) Vgl. den Wortlaut in Nr. 18 der vorliegenden Schlussanträge.

( 36 ) Es kann mit Effektivität und den größenbedingten Einsparungen argumentiert werden, die bei den öffentlichen Personenverkehrsdiensten durch die Zusammenlegung von Einsatzbereichen einer bestimmten Größe (z. B. auf regionaler Ebene) anstatt einer Aufteilung in kleinere Bereiche erzielt werden. Die Wahl zwischen den beiden Möglichkeiten ist Sache der zuständigen Behörden, die außerdem abwägen müssen, ob die Wahl eines einzelnen Loses zu unverhältnismäßigen Marktzutrittsschranken für kleinere Wirtschaftsteilnehmer führt. In dieser Rechtssache hat die Wettbewerbs- und Marktaufsichtsbehörde am 25. Juni 2015 die Regionalagentur für den öffentlichen Nahverkehr von Ligurien aufgefordert, „eine Vielzahl von Losen, die eine möglichst zahlreiche Teilnahme an den Auswahlverfahren sicherstellen“, einzuführen.

( 37 ) AMT erklärte in ihrer Klage vor dem TAR Ligurien, die Ausschreibungsbekanntmachung habe „die Möglichkeit der Teilnahme … von Wirtschaftsteilnehmern kleinerer und mittlerer Größe wie lokalen öffentlichen Verkehrsunternehmen deutlich eingeschränkt und sie dazu gezwungen, um jeden Preis den Zusammenschluss mit größeren Teilnehmern zu suchen“ (S. 51 der Klageschrift, Hervorhebung nur hier).