SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

YVES BOT

vom 11. April 2019 ( 1 )

Rechtssache C‑324/17

Strafverfahren

gegen

Ivan Gavanozov

(Vorabentscheidungsersuchen des Spetsializiran nakazatelen sad [Spezialisiertes Strafgericht, Bulgarien])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen – Richtlinie 2014/41/EU – Gerichtliche Entscheidung über eine Europäische Ermittlungsanordnung – Verfahren und Garantien im Anordnungsmitgliedstaat – Sachliche Gründe für den Erlass der Europäischen Ermittlungsanordnung – Fehlen von Rechtsbehelfen im Anordnungsmitgliedstaat – Verfahrensautonomie – Grundsätze der Gleichwertigkeit und der Effektivität – Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Art. 47 – Art. 14 der Richtlinie 2014/41 – Begriff der betroffenen Partei – Person, gegen die eine Anklage erhoben wurde, und Beweiserhebungsmaßnahmen gegenüber einem Dritten“

I. Einleitung

1.

Die Öffnung der Grenzen innerhalb der Europäischen Union hat unvermeidlich die grenzüberschreitende Kriminalität erleichtert und sogar neue Formen von Kriminalität ermöglicht. Dieses Phänomen macht es erforderlich, dafür zu sorgen, dass der rechtliche Rahmen, in dem Ermittlungen stattfinden, und speziell die Ermittlungsbefugnisse der Justizbehörden der Mitgliedstaaten über die nationalen Grenzen hinausgehen können.

2.

Deshalb haben sich die Mitgliedstaaten bemüht, insbesondere hinsichtlich der Beweise eine justizielle Zusammenarbeit zu entwickeln ( 2 ).

3.

Die zunehmende Verrechtlichung der Rechtshilfeverfahren zwischen den Behörden der Mitgliedstaaten hat es zwar ermöglicht, die Zusammenarbeit bei der Beweiserhebung wirksamer zu gestalten, zugleich wurde jedoch, wie der Unionsgesetzgeber festgestellt hat, der europäische rechtliche Rahmen insbesondere aufgrund der Häufung spezifischer Instrumente zu fragmentiert und zu kompliziert ( 3 ). Die Richtlinie 2014/41, die die Instrumente der Zusammenarbeit im Bereich der Beweise ersetzen soll, bezweckt sowohl die Vereinfachung des rechtlichen Rahmens der Beweiserhebung in Ermittlungsverfahren als auch die Verbesserung der Wirksamkeit dieser Verfahren.

4.

Die Richtlinie 2014/41 hat einen allgemeinen und im Vergleich zu den Texten, die sie ersetzen soll, besonders weiten Geltungsbereich. Nach ihrem Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 1 ist eine Europäische Ermittlungsanordnung (im Folgenden: EEA) eine gerichtliche Entscheidung, die von der Justizbehörde eines Mitgliedstaats („Anordnungsstaat“) zur Durchführung einer oder mehrerer spezifischer Ermittlungsmaßnahmen in einem anderen Mitgliedstaat („Vollstreckungsstaat“) zur Erlangung von Beweismitteln gemäß der Richtlinie erlassen oder validiert wird.

5.

Die Behörden der Mitgliedstaaten sind nach dem durch die Richtlinie 2014/41 aufgestellten Rahmen prinzipiell verpflichtet, die Europäischen Ermittlungsanordnungen nach dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung zu vollstrecken ( 4 ).

6.

Die von den zuständigen Behörden zur Erlangung von Beweismitteln in Strafsachen angeordneten Ermittlungsmaßnahmen können besonders invasiv sein, da sie geeignet sind, das Recht der betroffenen Personen auf Achtung ihres Privatlebens zu beeinträchtigen. Deshalb muss das Unionsrecht zwingend einen Ausgleich zwischen der Effizienz und der Zügigkeit der Ermittlungsverfahren einerseits und dem Schutz der Rechte der von den Ermittlungsmaßnahmen betroffenen Personen andererseits finden.

7.

In der vorliegenden Rechtssache wird der Gerichtshof ersucht, die Richtlinie 2014/41 zum ersten Mal auszulegen, und er erhält vor allem Gelegenheit, zu diesem schwierigen, aber entscheidenden Ausgleich Stellung zu nehmen.

8.

So geht es in den Vorlagefragen im Wesentlichen um Art. 14 dieser Richtlinie und die Rechtsbehelfe, mit denen die sachlichen Gründe für die in einer gerichtlichen Entscheidung über eine Europäische Ermittlungsanordnung angegebenen Ermittlungsmaßnahmen angefochten werden können.

9.

Ich werde in den vorliegenden Schlussanträgen die Gründe darlegen, aus denen ich erstens der Auffassung bin, dass Art. 14 der Richtlinie 2014/41 Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegensteht, die es einem Zeugen, der von Ermittlungsmaßnahmen wie einer Durchsuchung, einer Beschlagnahme und einer Vernehmung betroffen ist, nicht ermöglichen, einen Rechtsbehelf einzulegen, um die sachlichen Gründe für diese Ermittlungsmaßnahmen anzufechten oder Schadensersatz zu erhalten. Unter diesen Umständen bin ich weiter der Meinung, dass diese Bestimmung im Licht der Grundrechte dem Erlass einer Europäischen Ermittlungsanordnung durch eine nationale Behörde entgegensteht.

10.

Zweitens bin ich der Ansicht, dass ein Einzelner die sachlichen Gründe für den Erlass einer Europäischen Ermittlungsanordnung nicht unter Berufung auf Art. 14 der Richtlinie 2014/41 vor einem nationalen Gericht anfechten kann, wenn im nationalen Recht in vergleichbaren innerstaatlichen Fällen keine Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen.

11.

Drittens erfasst der Begriff der betroffenen Partei im Sinne der Richtlinie 2014/41 meines Erachtens sowohl einen Zeugen, der von in einer Europäischen Ermittlungsanordnung beantragten Ermittlungsmaßnahmen betroffen ist, da in seiner Wohnung eine Durchsuchung und eine Beschlagnahme durchgeführt werden sollen und er vernommen werden soll, als auch die Person, gegen die eine Anklage erhoben wurde, wenn die Beweiserhebungsmaßnahme, die in dem gegen sie geführten Verfahren beschlossen wurde, einen Dritten betrifft.

II. Rechtlicher Rahmen

A.   Unionsrecht

1. Charta der Grundrechte der Europäischen Union

12.

Art. 47 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ( 5 ) lautet:

„Jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, hat das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen.“

13.

Nach Art. 48 Abs. 2 der Charta wird „jedem Angeklagten … die Achtung der Verteidigungsrechte gewährleistet“.

14.

Art. 52 Abs. 3 der Charta bestimmt:

„Soweit diese Charta Rechte enthält, die den durch die … Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten ( 6 ) garantierten Rechten entsprechen, haben sie die gleiche Bedeutung und Tragweite, wie sie ihnen in der genannten Konvention verliehen wird. Diese Bestimmung steht dem nicht entgegen, dass das Recht der Union einen weiter gehenden Schutz gewährt.“

2. Richtlinie 2014/41

15.

Die Erwägungsgründe 2, 11, 12, 18, 19, 22 und 39 der Richtlinie 2014/41 lauten:

„(2)

Nach Artikel 82 Absatz 1 [AEUV] beruht die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen in der Union auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Urteile und Entscheidungen, der seit der Tagung des Europäischen Rates vom 15. und 16. Oktober 1999 in Tampere allgemein als Eckstein der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen in der Union bezeichnet wird.

(11)

Von der [Europäischen Ermittlungsanordnung (im Folgenden: EEA)] sollte Gebrauch gemacht werden, wenn die Vollstreckung einer Ermittlungsmaßnahme in dem betreffenden Fall verhältnismäßig, angemessen und durchführbar erscheint. Daher sollte sich die Anordnungsbehörde vergewissern, ob das erbetene Beweismittel für den Zweck des Verfahrens notwendig ist und in angemessenem Verhältnis zu diesem Zweck steht, ob die gewählte Ermittlungsmaßnahme für die Erhebung des betreffenden Beweismittels notwendig ist und in angemessenem Verhältnis dazu steht und ob durch den Erlass einer EEA ein anderer Mitgliedstaat an der Erhebung dieses Beweismittels beteiligt werden sollte …

(12)

Die Anordnungsbehörde sollte beim Erlass einer EEA in besonderem Maße darauf achten, dass die in Artikel 48 der [Charta] verankerten Rechte uneingeschränkt gewahrt werden. Die Unschuldsvermutung und die Verteidigungsrechte in Strafsachen sind Eckpfeiler der Grundrechte, die in der Charta im Bereich der Strafgerichtsbarkeit anerkannt werden. Jede Einschränkung derartiger Rechte durch eine nach dieser Richtlinie angeordnete Ermittlungsmaßnahme sollte in jeder Hinsicht den Anforderungen des Artikels 52 der Charta hinsichtlich ihrer Erforderlichkeit, Verhältnismäßigkeit und ihrer Zielsetzungen, insbesondere dem Schutz der Rechte und Freiheiten anderer, entsprechen.

(18)

Wie andere Rechtsakte, die auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung beruhen, berührt auch diese Richtlinie nicht die Verpflichtung zur Achtung der Grundrechte und der allgemeinen Rechtsgrundsätze gemäß Artikel 6 des [EUV] und der Charta. Um dies deutlich zu machen, wurde eine spezifische Bestimmung in den Text aufgenommen.

(19)

Die Schaffung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts innerhalb der Union beruht auf dem gegenseitigen Vertrauen sowie auf der Vermutung, dass andere Mitgliedstaaten das Unionsrecht und insbesondere die Grundrechte einhalten. Diese Vermutung ist jedoch widerlegbar. Wenn berechtigte Gründe für die Annahme bestehen, dass die Vollstreckung einer in der EEA angegebenen Ermittlungsmaßnahme einen Verstoß gegen ein Grundrecht der betreffenden Person zur Folge hätte und der Vollstreckungsstaat seine Verpflichtungen zum Schutz der in der Charta anerkannten Grundrechte nicht achten würde, so sollte die Vollstreckung der EEA verweigert werden.

(22)

Die Rechtsbehelfe gegen eine EEA sollten zumindest den Rechtsbehelfen gleichwertig sein, die in einem innerstaatlichen Fall gegen die betreffende Ermittlungsmaßnahme zur Verfügung stehen. Die Mitgliedstaaten sollten gemäß ihrem nationalen Recht die Anwendbarkeit dieser Rechtsbehelfe sicherstellen, auch indem sie alle Betroffenen rechtzeitig über die Möglichkeiten und Modalitäten zur Einlegung der Rechtsbehelfe belehren. In Fällen, in denen Einwände gegen die EEA von einem Beteiligten im Vollstreckungsstaat in Bezug auf die Sachgründe für den Erlass der EEA geltend gemacht werden, ist es angebracht, dass Informationen über diese Einwände an die Anordnungsbehörde übermittelt werden und der Beteiligte entsprechend unterrichtet wird.

(39)

Diese Richtlinie wahrt die Grundrechte und Grundsätze, die in Artikel 6 EUV und in der Charta, insbesondere deren Titel VI, in ihren jeweiligen Anwendungsbereichen im Völkerrecht und durch internationale Übereinkünfte, bei denen die Union oder alle Mitgliedstaaten Vertragsparteien sind, darunter insbesondere die [EMRK], sowie in den Verfassungen der Mitgliedstaaten anerkannt werden …“

16.

In Art. 1 der Richtlinie 2014/41 heißt es:

„(1)   Eine Europäische Ermittlungsanordnung (im Folgenden ‚EEA‘) ist eine gerichtliche Entscheidung, die von einer Justizbehörde eines Mitgliedstaats … zur Durchführung einer oder mehrerer spezifischer Ermittlungsmaßnahme(n) in einem anderen Mitgliedstaat … zur Erlangung von Beweisen gemäß dieser Richtlinie erlassen oder validiert wird.

Die Europäische Ermittlungsanordnung kann auch in Bezug auf die Erlangung von Beweismitteln, die sich bereits im Besitz der zuständigen Behörden des Vollstreckungsstaats befinden, erlassen werden.

(4)   Diese Richtlinie berührt nicht die Verpflichtung zur Achtung der Grundrechte und der Rechtsgrundsätze, die in Artikel 6 EUV verankert sind, einschließlich der Verteidigungsrechte von Personen, gegen die ein Strafverfahren geführt wird; die Verpflichtungen der Justizbehörden in dieser Hinsicht bleiben unberührt.“

17.

Nach Art. 5 Abs. 1 dieser Richtlinie wird „[d]ie in dem Formblatt in Anhang A wiedergegebene EEA von der Anordnungsbehörde ausgefüllt und unterzeichnet; die Anordnungsbehörde bestätigt ferner die Genauigkeit und inhaltliche Richtigkeit der in der EEA enthaltenen Angaben“.

18.

Art. 6 der Richtlinie bestimmt:

„(1)   Die Anordnungsbehörde darf nur dann eine EEA erlassen, wenn … die folgenden Bedingungen erfüllt sind:

a)

Der Erlass der EEA ist für die Zwecke der Verfahren nach Artikel 4 unter Berücksichtigung der Rechte der verdächtigen oder beschuldigten Person notwendig und verhältnismäßig und

(2)   Die in Absatz 1 genannten Bedingungen werden von der Anordnungsbehörde in jedem einzelnen Fall geprüft.

(3)   Hat eine Vollstreckungsbehörde Grund zu der Annahme, dass die in Absatz 1 genannten Voraussetzungen nicht erfüllt sind, so kann sie die Anordnungsbehörde zu der Frage konsultieren, wie wichtig die Durchführung der EEA ist. Nach dieser Konsultation kann die Anordnungsbehörde entscheiden, die EEA zurückzuziehen.“

19.

Art. 11 in Kapitel III („Verfahren und Schutzgarantien für den Vollstreckungsstaat“) der Richtlinie 2014/41 bestimmt:

„(1)   Unbeschadet des Artikels 1 Absatz 4 kann die Anerkennung oder Vollstreckung einer EEA im Vollstreckungsstaat versagt werden, wenn

f)

berechtigte Gründe für die Annahme bestehen, dass die Vollstreckung einer in der EEA angegebenen Ermittlungsmaßnahme mit den Verpflichtungen des Vollstreckungsstaats nach Artikel 6 EUV und der Charta unvereinbar wäre;

(4)   Bevor die Vollstreckungsbehörde in den Fällen des Absatzes 1 Buchstaben a, b, d, e und f beschließt, eine EEA ganz oder teilweise nicht anzuerkennen oder nicht zu vollstrecken, konsultiert sie in geeigneter Weise die Anordnungsbehörde und ersucht sie gegebenenfalls um unverzügliche Übermittlung aller erforderlichen zusätzlichen Angaben.

…“

20.

Art. 14 der Richtlinie lautet:

„(1)   Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass gegen die in der EEA angegebenen Ermittlungsmaßnahmen Rechtsbehelfe eingelegt werden können, die den Rechtsbehelfen gleichwertig sind, die in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall zur Verfügung stehen.

(2)   Die sachlichen Gründe für den Erlass der EEA können nur durch eine Klage im Anordnungsstaat angefochten werden; dies lässt die Garantien der Grundrechte im Vollstreckungsstaat unberührt.

(3)   Wird das Erfordernis der Gewährleistung der Vertraulichkeit einer Ermittlung nach Artikel 19 Absatz 1 dadurch nicht untergraben, so ergreifen die Anordnungsbehörde und die Vollstreckungsbehörde die geeigneten Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass Informationen über die nach nationalem Recht bestehenden Möglichkeiten zur Einlegung der Rechtsbehelfe bereitgestellt werden, sobald diese anwendbar werden, und zwar so rechtzeitig, dass die Rechtsbehelfe effektiv wahrgenommen werden können.

(4)   Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die Fristen für die Einlegung eines Rechtsbehelfs mit denen identisch sind, die in vergleichbaren innerstaatlichen Fällen zur Verfügung stehen, und so angewendet werden, dass gewährleistet ist, dass die betroffenen Parteien diese Rechtsbehelfe wirksam ausüben können.

(5)   Die Anordnungsbehörde und die Vollstreckungsbehörde unterrichten einander über die Rechtsbehelfe, die gegen den Erlass bzw. die Anerkennung oder Vollstreckung einer EEA eingelegt werden.

(6)   Die rechtliche Anfechtung bewirkt nicht, dass die Durchführung der Ermittlungsmaßnahme aufgeschoben wird, es sei denn, dies ist in vergleichbaren innerstaatlichen Fällen vorgesehen.

(7)   Der Anordnungsstaat berücksichtigt eine erfolgreiche Anfechtung der Anerkennung oder Vollstreckung einer EEA im Einklang mit seinem nationalen Recht. Unbeschadet der nationalen Verfahrensvorschriften stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass in einem Strafverfahren im Anordnungsstaat bei der Bewertung der mittels einer EEA erlangten Beweismittel die Verteidigungsrechte gewahrt und ein faires Verfahren gewährleistet werden.“

21.

In Art. 24 der Richtlinie heißt es:

„(1)   Befindet sich eine Person im Hoheitsgebiet des Vollstreckungsstaats und soll diese Person als Zeuge oder Sachverständiger von den zuständigen Behörden des Anordnungsstaats vernommen werden, so kann die Anordnungsbehörde eine EEA erlassen, um den Zeugen oder Sachverständigen per Videokonferenz oder sonstiger audiovisueller Übertragung nach Maßgabe der Absätze 5 bis 7 zu vernehmen.

(2)   Zusätzlich zu den Gründen für die Versagung der Anerkennung oder der Vollstreckung nach Artikel 11 kann die Vollstreckung einer EEA versagt werden, wenn

a)

die verdächtige oder beschuldigte Person nicht zustimmt oder

b)

die Durchführung dieser Ermittlungsmaßnahme in einem spezifischen Fall im Widerspruch zu den wesentlichen Grundsätzen des Rechts des Vollstreckungsstaats stünde.

…“

22.

Art. 34 Abs. 1 bis 3 der Richtlinie 2014/41 bestimmt:

„(1)   Diese Richtlinie ersetzt ab dem 22. Mai 2017 die entsprechenden Bestimmungen der zwischen den Mitgliedstaaten, die durch diese Richtlinie gebunden sind, geltenden folgenden Übereinkommen, unbeschadet von deren Anwendbarkeit zwischen den Mitgliedstaaten und Drittstaaten und deren vorübergehender Anwendbarkeit nach Artikel 35:

a)

das Europäische Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen des Europarats vom 20. April 1959 sowie die zugehörigen beiden Zusatzprotokolle und die nach Artikel 26 jenes Übereinkommens geschlossenen zweiseitigen Vereinbarungen;

b)

das Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen[ ( 7 )];

c)

das Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und das zugehörige Protokoll[ ( 8 )].

(2)   Der Rahmenbeschluss [2008/978] wird für diejenigen Mitgliedstaaten, die durch diese Richtlinie gebunden sind, ersetzt. Die Bestimmungen des Rahmenbeschlusses [2003/577] werden für diejenigen Mitgliedstaaten, die in Bezug auf die Sicherstellung von Beweismitteln an diese Richtlinie gebunden sind, ersetzt.

Für diejenigen Mitgliedstaaten, die durch diese Richtlinie gebunden sind, sind die Bezugnahmen auf den Rahmenbeschluss [2008/978] und, in Bezug auf die Sicherstellung von Beweismitteln, auf den Rahmenbeschluss [2003/577] als Bezugnahmen auf die vorliegende Richtlinie zu lesen.

(3)   Über diese Richtlinie hinaus dürfen die Mitgliedstaaten nach dem 22. Mai 2017 nur dann bilaterale oder multilaterale Übereinkünfte oder Vereinbarungen mit anderen Mitgliedstaaten schließen oder weiterhin anwenden, wenn diese Übereinkünfte oder Vereinbarungen die Möglichkeit bieten, die Vorschriften dieser Richtlinie weiter zu verstärken, oder zu einer weiteren Vereinfachung oder Erleichterung der Verfahren zur Beweiserhebung beitragen, und sofern das in dieser Richtlinie niedergelegte Schutzniveau gewahrt ist.“

23.

Art. 36 Abs. 1 der Richtlinie lautet: „Die Mitgliedstaaten treffen die Maßnahmen, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie bis zum 22. Mai 2017 nachzukommen.“

B.   Bulgarisches Recht

24.

Nach Art. 160 Abs. 1 des Nakazatelno-protsesualen kodeks (Strafprozessordnung) können die Durchsuchung und die Beschlagnahme durchgeführt werden, wenn hinreichende Gründe für die Annahme vorliegen, dass sich an einem bestimmten Ort bestimmte Sachen (Dokumente, Gegenstände, Computer u. a.) befinden, die für das Verfahren relevante Informationen enthalten.

25.

Nach Art. 107 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 13 der Strafprozessordnung erfolgt die Vernehmung eines Zeugen, der in der vorgerichtlichen Phase des Strafverfahrens noch nicht vernommen wurde, auf Anordnung des Gerichts. Die Durchsuchung und die Beschlagnahme werden in der gerichtlichen Phase des Strafverfahrens auf Anordnung des Gerichts durchgeführt.

26.

Die gerichtliche Anordnung von Beweiserhebungsmaßnahmen wie die Durchsuchung, die Beschlagnahme und die Zeugenvernehmung kann weder von den Verfahrensbeteiligten noch von den durch diese Maßnahmen betroffenen Parteien angefochten werden und unterliegt keiner Kontrolle.

27.

Auch eine indirekte, d. h. eine zugleich mit der Überprüfung des Strafurteils vorgenommene Kontrolle dieser Anordnungen ist nicht möglich.

28.

Erstens wird das Strafurteil nach Art. 318 der Strafprozessordnung nur auf ein Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft oder des Angeklagten hin überprüft. Personen, deren Räumlichkeiten durchsucht oder deren Sachen beschlagnahmt wurden oder die als Zeugen vernommen wurden, können nicht beantragen, dass zusammen mit dem Strafurteil auch die Rechtmäßigkeit der gerichtlichen Anordnung der Durchsuchung, Beschlagnahme oder Zeugenvernehmung überprüft wird.

29.

Zweitens betrifft die Entscheidung des Gerichts erster Instanz gemäß Art. 305 in Verbindung mit Art. 301 der Strafprozessordnung nur die Schuld des Angeklagten und nicht das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung einer Durchsuchung, Beschlagnahme oder Zeugenvernehmung. Gegenstand des zweitinstanzlichen Urteils sind nur die Fragen, die in der ersten Instanz geprüft wurden. Das Gericht zweiter Instanz prüft insbesondere die Art und Weise, in der die Ermittlungsmaßnahmen durchgeführt wurden, speziell die Einhaltung der Verfahrensvorschriften, nicht dagegen die Frage, ob hinreichende Gründe für die Anordnung der Ermittlungsmaßnahmen vorlagen.

30.

Art. 2 des Zakon za otgovornostta na darzhavata i obshtinite za vredi (Gesetz über die Haftung des Staates und der Gemeinden für verursachte Schäden) ( 9 ) sieht Ersatz für Schäden vor, die durch bestimmte gegen den Angeklagten gerichtete Gerichtsentscheidungen verursacht wurden, deren Rechtswidrigkeit festgestellt worden ist.

31.

Die Entscheidungen, mit denen eine Durchsuchung, Beschlagnahme oder Zeugenvernehmung angeordnet wird, sind nicht gegen den Angeklagten gerichtet, und es ist rechtlich unmöglich, ihre Rechtswidrigkeit festzustellen. Diese Fälle gehören also nicht zu denen, in denen Schadensersatz zu leisten ist.

32.

Der Zakon za evropeyskata zapoved za razsledvane (Gesetz über die Europäische Ermittlungsanordnung) ( 10 ) setzt die Richtlinie 2014/41 in bulgarisches Recht um.

33.

Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass Art. 18 des Gesetzes über die Europäische Ermittlungsanordnung zwar Rechtsbehelfe gegen die Vollstreckung einer von den Justizbehörden eines anderen Mitgliedstaats erlassenen Europäischen Ermittlungsanordnung durch die bulgarischen Behörden vorsieht, nicht dagegen Rechtsbehelfe im Verfahren des Erlasses einer solchen Anordnung.

III. Sachverhalt und Vorlagefragen

34.

Die bulgarischen Justizbehörden beschuldigen Herrn Ivan Dimov Gavanozov, Rädelsführer einer kriminellen Vereinigung zu sein, zu der noch drei andere Personen gehörten und die bezweckte, durch die Ausstellung und die Benutzung von Dokumenten mit falschem Inhalt und durch unrechtmäßigen Vorsteuerabzug die Festsetzung und die Entrichtung von Mehrwertsteuer zu umgehen. Herrn Gavanozov wird insbesondere vorgeworfen, über Scheinfirmen Zucker aus anderen Mitgliedstaaten, darunter Zucker des Lieferers X – einer Gesellschaft aus der Tschechischen Republik, die durch den Zeugen Y vertreten wurde –, nach Bulgarien importiert (innergemeinschaftlicher Erwerb) und sodann ohne Dokumente auf dem Inlandsmarkt verkauft zu haben, ohne dass er dafür Steuern berechnet und entrichtet hätte. Nach im Besitz der Justizbehörden befindlichen Dokumenten exportierte Herr Gavanozov mittels innergemeinschaftlicher Lieferung Zucker nach Rumänien. Die nicht berechnete und nicht entrichtete Mehrwertsteuer belaufe sich auf insgesamt 1128664,49 bulgarische Lewa (BGN) (577085,85 Euro).

35.

In der vorgerichtlichen Phase des Verfahrens wurden keine Ermittlungsmaßnahmen zur Beweiserhebung in Bezug auf die Gesellschaft X und den Zeugen Y beschlossen.

36.

Es wurden jedoch persönliche und geschäftliche Kontakte zwischen Herrn Gavanozov und dem Zeugen Y nachgewiesen, die entweder über einen Dolmetscher oder auf Englisch miteinander kommunizierten, da keiner der beiden die Muttersprache des anderen beherrschte. Gleichwohl stellte sich heraus, dass Herr Gavanozov einen ausschließlich in bulgarischer Sprache abgefassten Alleinvertretungsvertrag mit der durch den Zeugen Y vertretenen Firma X unterzeichnet hatte.

37.

Um den Umfang der Beziehungen zwischen Herrn Gavanozov und Y zu ermitteln, ordnete das vorlegende Gericht, der Spetsializiran nakazatelen sad (Spezialisiertes Strafgericht) die Erhebung neuer Beweise an.

38.

So ordnete es eine Durchsuchung und eine Beschlagnahme in den Geschäftsräumen der Gesellschaft X an, um festzustellen, ob sich der vom Zeugen Y vorgelegte Vertrag unter deren Unterlagen befand und ob Dokumente im Zusammenhang mit seiner Erfüllung erstellt worden waren. Es ordnete ferner eine Durchsuchung und eine Beschlagnahme in der Wohnung von Y an, um festzustellen, ob dieser dort mit der vorgeworfenen Handlung in Zusammenhang stehende Dokumente aufbewahrte, und beschloss, diesen Zeugen per Videokonferenz zu vernehmen, da er nicht in Bulgarien vernommen werden wollte.

39.

Da die Geschäftsräume der Gesellschaft X und die Wohnung von Y im Hoheitsgebiet der Tschechischen Republik liegen, beschloss das vorlegende Gericht, die tschechischen Justizbehörden im Wege einer Europäischen Ermittlungsanordnung um die Durchführung dieser Ermittlungsmaßnahmen zu ersuchen.

40.

Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass es beim Erlass dieser Anordnung Schwierigkeiten gehabt habe, den die Rechtsbehelfe betreffenden Abschnitt J des Formblatts der Europäischen Ermittlungsanordnung in Anhang A der Richtlinie 2014/41 ( 11 ) auszufüllen.

41.

Dazu hat es in der Vorlageentscheidung erläutert, dass das bulgarische Recht keinen Rechtsbehelf gegen den Erlass derartiger Ermittlungsmaßnahmen vorsehe.

42.

Seiner Meinung nach verstößt das bulgarische Recht gegen Art. 14 der Richtlinie 2014/41 und gegen den Grundsatz der Effektivität, da den Personen, die von Beweiserhebungsmaßnahmen betroffen seien, kein Rechtsbehelf gegen deren Anordnung zur Verfügung stehe.

43.

Unter diesen Umständen hat der Spetsializiran nakazatelen sad (Spezialisiertes Strafgericht) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.

Sind das nationale Recht und die nationale Rechtsprechung mit Art. 14 der Richtlinie 2014/41 vereinbar, wenn danach die sachlichen Gründe für die gerichtliche Entscheidung über den Erlass einer Europäischen Ermittlungsanordnung, die die Durchführung einer Durchsuchung in einer Wohnung und in Geschäftsräumen sowie die Beschlagnahme bestimmter Gegenstände bzw. die Zulassung der Vernehmung eines Zeugen zum Gegenstand hat, weder unmittelbar mit einem Rechtsbehelf gegen die gerichtliche Entscheidung noch im Wege einer gesonderten Klage auf Schadensersatz angefochten werden können?

2.

Verleiht Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2014/41 der betroffenen Partei unmittelbar das Recht, die gerichtliche Entscheidung über die Europäische Ermittlungsanordnung anzufechten, obwohl das nationale Recht keine solche prozessuale Möglichkeit vorsieht?

3.

Ist die Person, gegen die die Anklage erhoben wurde, unter Berücksichtigung von Art. 14 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 Buchst. a und Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 2014/41 eine betroffene Partei im Sinne von Art. 14 Abs. 4 der Richtlinie, wenn sich die Beweiserhebungsmaßnahme gegen einen Dritten richtet?

4.

Ist die Person, die die Räumlichkeiten bewohnt oder nutzt, in denen die Durchsuchung und die Beschlagnahme durchzuführen sind, bzw. die Person, die als Zeuge zu vernehmen ist, eine betroffene Partei im Sinne von Art. 14 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 2 der Richtlinie 2014/41?

IV. Untersuchung

A.   Zulässigkeit

44.

Die tschechische und die österreichische Regierung haben ausdrücklich bzw. konkludent die Unzulässigkeit der Vorlagefragen geltend gemacht. Die Vorlageentscheidung sei zum Zeitpunkt des Ablaufs der Frist für die Umsetzung der Richtlinie 2014/41 ergangen. Zu diesem Zeitpunkt sei die Richtlinie in der Tschechischen Republik und in der Republik Bulgarien noch nicht umgesetzt gewesen, und ihre direkte Anwendung sei nicht möglich.

45.

Dazu möchte ich erstens bemerken, dass die Vorlageentscheidung, die das Datum vom 23. Mai 2017 trägt, nach Ablauf der in Art. 36 Abs. 1 der Richtlinie 2014/41 auf den 22. Mai 2017 festgesetzten Frist für die Umsetzung der Richtlinie erlassen wurde.

46.

Zweitens wurde die Richtlinie 2014/41 während des Verfahrens vor dem Gerichtshof sowohl in der Republik Bulgarien als auch in der Tschechischen Republik umgesetzt. Deshalb hat das vorlegende Gericht dem Gerichtshof während des bei diesem anhängigen Verfahrens eine Kopie des Umsetzungsgesetzes sowie ein Begleitschreiben übersandt. Zudem hat die Tschechische Republik der Europäischen Kommission nach Ablauf der Umsetzungsfrist die Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie 2014/41 bekannt gegeben ( 12 ).

47.

Drittens ist die vom vorlegenden Gericht erbetene Auslegung nicht nur sachdienlich, sondern für dieses Gericht auch erforderlich.

48.

Die vom vorlegenden Gericht bezeichneten Maßnahmen der Durchsuchung, der Beschlagnahme und der Vernehmung des Zeugen Y betreffen nämlich ein in Bulgarien anhängiges Verfahren und dienen der Feststellung, ob Herr Gavanozov tatsächlich einen Mehrwertsteuerbetrug begangen hat.

49.

Im Übrigen betreffen die dem Gerichtshof vorgelegten Fragen eine unionsrechtliche Bestimmung und entsprechen einem vom vorlegenden Gericht dargelegten objektiven Bedürfnis, da sie ihm das Ausfüllen von Abschnitt J ermöglichen.

50.

Deshalb sind die Vorlagefragen meines Erachtens zulässig.

B.   Zum Inhalt der Fragen

1. Zur ersten Vorlagefrage

51.

Mit der ersten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 14 der Richtlinie 2014/41 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die keinen Rechtsbehelf vorsieht, mit dem die sachlichen Gründe für den Erlass einer Europäischen Ermittlungsanordnung, die eine Durchsuchung, die Beschlagnahme bestimmter Gegenstände und eine Zeugenvernehmung zum Gegenstand hat, angefochten werden können.

52.

Dazu ist festzustellen, dass die Anforderungen dieser Richtlinie hinsichtlich der Rechtsbehelfe zeigen, dass die Mitgliedstaaten derartige Rechtsbehelfe nach Auffassung des Unionsgesetzgebers zwingend vorsehen müssen.

53.

So folgt aus Art. 13 Abs. 2 der Richtlinie, wonach „[d]ie Übermittlung des Beweismittels … so lange ausgesetzt werden [kann], bis über einen Rechtsbehelf entschieden wurde“, dass der Unionsgesetzgeber eindeutig vom Vorhandensein von Rechtsbehelfen ausging.

54.

Ferner hat der Unionsgesetzgeber in Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2014/41 gefordert, „dass gegen die in der EEA angegebenen Ermittlungsmaßnahmen Rechtsbehelfe eingelegt werden können, die den Rechtsbehelfen gleichwertig sind, die in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall zur Verfügung stehen“. Damit ist meines Erachtens eindeutig, dass er – entgegen dem Vorbringen der tschechischen Regierung – vorausgesetzt hat, dass in innerstaatlichen Fällen Rechtsbehelfe gegen Ermittlungsmaßnahmen gegeben sind ( 13 ), und den Mitgliedstaaten aufgegeben hat, im Bereich der Europäischen Ermittlungsanordnungen gleichwertige Rechtsbehelfe vorzusehen.

55.

Daher zwingt Art. 14 Abs. 1 dieser Richtlinie die Mitgliedstaaten zwar nicht, über die in vergleichbaren innerstaatlichen Fällen gegebenen Rechtsbehelfe hinausgehende Rechtsbehelfe vorzusehen ( 14 ), er verpflichtet sie jedoch zumindest „spiegelbildlich“, gegen die in einer Europäischen Ermittlungsanordnung angegebenen Ermittlungsmaßnahmen Rechtsbehelfe einzuführen, die denen gleichwertig sind, die in vergleichbaren innerstaatlichen Fällen zur Verfügung stehen ( 15 ).

56.

Diese Auslegung der Richtlinie 2014/41 ist in meinen Augen besonders dadurch gerechtfertigt, dass strafrechtliche Ermittlungsmaßnahmen, die die zuständigen Behörden zu dem legitimen Zweck der Beweiserhebung anordnen, invasiv sein und die u. a. von der Charta anerkannten Grundrechte der betroffenen Personen beeinträchtigen können. Zudem müssen angesichts der Besonderheiten der strafrechtlichen Sanktionen für das gesamte Verfahren, das zu ihrer Verhängung führt, notwendigerweise besondere Garantien gelten, damit die Grundrechte der an dem Verfahren beteiligten Personen gewahrt werden ( 16 ).

57.

Folglich ist die Notwendigkeit einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle mit dem Ziel, die Achtung der Grundrechte durch die nationalen Gerichte sicherzustellen ( 17 ), die mehrfach hervorgehoben wurde ( 18 ), im Rahmen der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen besonders wichtig, und die Möglichkeit, die sachlichen Gründe für eine Europäische Ermittlungsanordnung anzufechten, besitzt deshalb ganz besondere Bedeutung.

58.

Dieser Auslegung steht auch nicht entgegen, dass die Beweiserhebung einen Dritten betrifft, der den Status eines Zeugen hat.

59.

In Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 2014/41 hat der Unionsgesetzgeber nämlich die Verpflichtung zur Achtung der Grundrechte eindeutig nicht auf die Verteidigungsrechte von Personen beschränkt, gegen die ein Strafverfahren anhängig ist.

60.

Im Übrigen regeln einige Bestimmungen der Richtlinie wie Art. 6 Abs. 1 Buchst. a ausdrücklich die Rechte der „verdächtigen oder beschuldigten Person“, während andere Bestimmungen der Richtlinie, u. a. Art. 5 Abs. 1 Buchst. c, Art. 13 Abs. 2 sowie die Art. 14 und 22 den Begriff der „betroffenen Person“ bzw. der „betroffenen Partei“ verwenden.

61.

Zudem ergibt sich aus Art. 11 Abs. 1 Buchst. f im Zusammenhang mit dem 19. Erwägungsgrund und aus Art. 14 der Richtlinie 2014/41, dass die vom Unionsgesetzgeber in Form von Rechtsbehelfen oder Gründen für die Versagung der Anerkennung oder der Vollstreckung vorgesehenen Garantien dem Schutz der „betroffenen Person“ und nicht der „verdächtigen oder beschuldigten Person“ dienen sollen.

62.

Meines Erachtens ist die Verwendung verschiedener Begriffe keineswegs zufällig, zumal im Rahmen der Richtlinie 2014/41 die in der Europäischen Ermittlungsanordnung angegebenen Ermittlungsmaßnahmen sowohl die „verdächtige oder beschuldigte Person“ als auch Dritte betreffen und somit deren Rechte verletzen können.

63.

Im Rahmen der Ermittlungen gegen Herrn Gavanozov im Ausgangsverfahren ist Y Zeuge. Er ist jedoch von den geplanten Ermittlungsmaßnahmen, die der Erhebung von Beweisen gegen Herrn Gavanozov dienen sollen, betroffen, denn die Durchsuchung und die Beschlagnahme würden in seiner Wohnung vorgenommen und er würde vernommen werden.

64.

Folglich erfasst der Begriff „betroffene Partei“ im Sinne der Richtlinie 2014/41 auch einen Zeugen wie Y, der von den in einer Europäischen Ermittlungsanordnung beantragten Ermittlungsmaßnahmen betroffen wäre.

65.

Wie aus der Wiedergabe des innerstaatlichen Rechts in der Vorlageentscheidung und der dort erwähnten mehrfachen Verurteilung der Republik Bulgarien durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ( 19 ) hervorgeht, sieht das bulgarische Recht keinen Rechtsbehelf vor, der es einem Zeugen ermöglichen würde, die sachlichen Gründe für Ermittlungsmaßnahmen wie Durchsuchungen und Beschlagnahmen in nationalen Verfahren anzufechten oder im Wege einer Schadensersatzklage tatsächlich irgendeine Entschädigung zu erhalten ( 20 ).

66.

Auch bei der Umsetzung der Richtlinie 2014/41 in bulgarisches Recht wurde es nach den Angaben des vorlegenden Gerichts ( 21 ) einem Zeugen wie Y, der von einer Durchsuchung, einer Beschlagnahme und einer Vernehmung betroffen war, nicht ermöglicht, die sachlichen Gründe für diese Ermittlungsmaßnahmen anzufechten.

67.

Aus allen diesen Überlegungen sind meines Erachtens zwei Konsequenzen zu ziehen.

68.

Erstens schließe ich daraus, dass die bulgarische Regelung nicht mit Art. 14 der Richtlinie 2014/41 vereinbar ist.

69.

Zweitens steht diese Bestimmung im Licht der Grundrechte dem Erlass einer Europäischen Ermittlungsanordnung durch eine Behörde, hier einer bulgarischen Behörde, entgegen.

70.

Denn da die Richtlinie 2014/41 Garantien vorsieht ( 22 ), u. a. einen Rechtsbehelf, mit dem die sachlichen Gründe für die in der Europäischen Ermittlungsanordnung angegebenen Ermittlungsmaßnahmen angefochten werden können, kann der Mechanismus der Europäischen Ermittlungsanordnung bei Fehlen solcher Garantien nicht in Gang gesetzt werden.

71.

Diese Auffassung ergibt sich erstens aus der Auslegung des Abschnitts J.

72.

Ungeachtet der Abweichungen zwischen den verschiedenen Sprachfassungen des Abschnitts J ( 23 ) verlangt dieser, wenn man ihn nach der allgemeinen Systematik und dem Zweck der Richtlinie 2014/41 auslegt ( 24 ), meines Erachtens nach seinem Abs. 1 von der Ausstellungsbehörde, ihren Amtskollegen im Vollstreckungsstaat mitzuteilen, ob gegen den Erlass der in dem Formblatt in Anhang A dieser Richtlinie bezeichneten Europäischen Ermittlungsanordnung ein Rechtsbehelf eingelegt wurde, und nach seinem Abs. 2, Auskünfte über die Rechtsbehelfe und die Möglichkeiten der Unterstützung im Anordnungsstaat zu erteilen.

73.

Insoweit ist mir zum einen keineswegs klar, ob die Information, dass im Anordnungsstaat bereits ein Rechtsbehelf gegen eine Europäische Ermittlungsanordnung im Sinne jeder beliebigen Europäischen Ermittlungsanordnung eingelegt wurde, für den Vollstreckungsstaat überhaupt von Nutzen ist.

74.

Dagegen bildet ein gegen die Europäische Ermittlungsanordnung eingelegter Rechtsbehelf im Fall einer Ermittlungsmaßnahme, die keiner Geheimhaltung bedarf ( 25 ), eine wichtige Information für den Vollstreckungsstaat, da der Erfolg dieses Rechtsbehelfs diese Maßnahme in Frage stellen könnte.

75.

Zum anderen impliziert Abschnitt J Abs. 2 in Verbindung mit Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2014/41, dass die Behörden des Vollstreckungsstaats die von den Ermittlungsmaßnahmen betroffene Partei über die Möglichkeit, im Anordnungsstaat die sachlichen Gründe für den Erlass der Europäischen Ermittlungsanordnung anzufechten, unterrichten und ihr gegebenenfalls Auskünfte über die ihr in diesem Staat zur Verfügung stehende rechtliche und sprachliche Unterstützung erteilen können ( 26 ).

76.

Im Übrigen garantiert die Notwendigkeit, in Abschnitt J Abs. 2 Auskünfte über die Rechtsbehelfe im Anordnungsstaat zu erteilen, auch die Wirksamkeit der Gründe für die Versagung der Anerkennung oder der Vollstreckung Europäischer Ermittlungsanordnungen, insbesondere des in Art. 11 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie angeführten Grundes.

77.

Wenn im Anordnungsstaat keine Rechtsbehelfe existieren, kann das Formblatt in Anhang A der Richtlinie nicht ausgefüllt werden, der vollständige rechtliche Zusammenhang der Europäischen Ermittlungsanordnung kann nicht dargelegt werden ( 27 ), und die Anordnung kann nicht formuliert und erst recht nicht vollstreckt werden.

78.

Zweitens steht die bulgarische Regelung, die die Grundrechte nur unzureichend schützt, der Anwendung des Mechanismus der gegenseitigen Anerkennung im Weg, die das Herzstück der Europäischen Ermittlungsanordnung bildet.

79.

Die gegenseitige Anerkennung beruht auf der Prämisse, dass zwischen den Mitgliedstaaten ein gegenseitiges Vertrauen besteht im Sinne „der Gewissheit …, dass alle europäischen Bürger Zugang zu einem Justizwesen haben, das hohe Qualitätsnormen erfüllt“ ( 28 ). Folglich verlangt sie, dass die Mitgliedstaaten, abgesehen von außergewöhnlichen Umständen, davon ausgehen, dass alle anderen Mitgliedstaaten die im Unionsrecht anerkannten Grundsätze beachten ( 29 ), und impliziert, dass „die Mitgliedstaaten … verpflichtet sein können, die Beachtung der Grundrechte durch die übrigen Mitgliedstaaten zu unterstellen“ ( 30 ).

80.

Die Verwendung des Verbs „können“ durch den Gerichtshof macht jedoch klar, dass es sich insoweit nicht um eine Verpflichtung handelt, und im 19. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/41 wird darauf hingewiesen, dass die durch das Wort „unterstellen“ zum Ausdruck gebrachte Vermutung widerlegbar ist ( 31 ).

81.

Angesichts der wiederholt festgestellten Verstöße der Republik Bulgarien gegen die Art. 3, 8 und 13 EMRK, des Umstands, dass das Strafverfahrensrecht nicht geändert wurde, der Zweifel, die das vorlegende Gericht selbst an der Wahrung der Grundrechte durch die bulgarische Regelung hat, sowie der Tatsache, dass bei der Umsetzung der Richtlinie 2014/41 kein Rechtsbehelf eingeführt wurde, greift meiner Meinung nach hier keineswegs die Vermutung, dass dieser Mitgliedstaat die einschlägigen Grundrechte beachtet.

82.

Dass ein Dritter, gegen den Ermittlungsmaßnahmen wie Durchsuchungen oder Beschlagnahmen, die ihrem Wesen nach das Recht auf Wahrung des Privatlebens beeinträchtigen, eingeleitet wurden, in Bulgarien keine Möglichkeit hat, die sachlichen Gründe für diese Maßnahmen anzufechten, bedeutet nämlich, wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wiederholt entschieden hat, dass offenkundig kein wirksamer Schutz des Rechts auf Achtung des Privatlebens besteht ( 32 ).

83.

Wenn die Vermutung, dass ein Mitgliedstaat die Grundrechte beachtet, nicht greift, kann das gegenseitige Vertrauen von den anderen Mitgliedstaaten nicht gefordert werden, so dass die gegenseitige Anerkennung nicht in die Praxis umgesetzt werden und diesem Mitgliedstaat Vorteile bringen kann.

84.

In diesem Fall reicht auch die von der ungarischen Regierung aufgezeigte Möglichkeit für den Vollstreckungsstaat, sich auf Art. 11 der Richtlinie 2014/41 zu berufen, nicht aus.

85.

Abgesehen davon, dass die Berufung auf die Gründe für die Versagung der Vollstreckung oder der Anerkennung eine eng auszulegende Ausnahme ( 33 ) von dem in Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2014/41 aufgestellten Grundsatz der Vollstreckung der Europäischen Ermittlungsanordnungen bildet, setzt die Berufung auf Art. 11 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie dem 19. Erwägungsgrund zufolge voraus, dass die Vermutung der Beachtung der Grundrechte durch eine Einzelfallprüfung widerlegt wird.

86.

Auch wenn die Beurteilung der Wirksamkeit der Rechtsbehelfe die Anwendung des Art. 11 Abs. 1 Buchst. f im Einzelfall rechtfertigen kann, könnte das völlige Fehlen von Rechtsbehelfen, wie die österreichische Regierung zu Recht bemerkt hat, zu einer systematischen Berufung auf diese Bestimmung führen, wodurch das praktische Interesse an der Europäischen Ermittlungsanordnung in Frage gestellt würde.

87.

Zudem birgt die Anwendung des Art. 11 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2014/41 unter Umständen wie denen, die in Bulgarien gegeben sind, das nicht unbedeutende Risiko einer Versagung der Anerkennung oder der Vollstreckung mit variabler Geometrie zwischen den Mitgliedstaaten und bürdet letztlich den Vollstreckungsbehörden, die dann Gefahr laufen, die Bestimmungen der EMRK zu verletzen, eine erhebliche Verantwortung auf ( 34 ).

88.

Schließlich steht die von mir befürwortete Auslegung der Richtlinie 2014/41 im Einklang mit der notwendigen Wirksamkeit des Mechanismus der Europäischen Ermittlungsanordnung.

89.

Der Unionsgesetzgeber hat die Durchführung der Europäischen Ermittlungsanordnung nämlich mit Garantien versehen, durch die die Rechte der von den Ermittlungsmaßnahmen betroffenen Parteien geschützt werden sollen. Deshalb kann ein Mitgliedstaat nicht vom Mechanismus der Europäischen Ermittlungsanordnung profitieren, wenn er sich dafür entscheidet, die Richtlinie 2014/41 insoweit nicht umzusetzen, diese Garantien nicht einzuführen und somit den durch diese Richtlinie begründeten Ausgleich zwischen der invasiven Natur der Ermittlungsmaßnahmen und der Möglichkeit, diese anzufechten, nicht zu respektieren.

90.

Nach alledem bin ich der Auffassung, dass Art. 14 der Richtlinie 2014/41 zum einen der bulgarischen Regelung entgegensteht und zum anderen im Licht der Grundrechte dem Erlass einer Europäischen Ermittlungsanordnung durch eine bulgarische Behörde entgegensteht.

2. Zur zweiten Vorlagefrage

91.

Die zweite Frage des vorlegenden Gerichts geht dahin, ob ein Einzelner die sachlichen Gründe für den Erlass einer Europäischen Ermittlungsanordnung unter Berufung auf Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2014/41 vor einem einzelstaatlichen Gericht anfechten kann, wenn im nationalen Recht keine entsprechenden Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen.

92.

Meines Erachtens will der Unionsgesetzgeber, der davon ausgeht, dass in den Mitgliedstaaten Rechtsbehelfe zur Anfechtung der sachlichen Gründe für den Erlass einer Europäischen Ermittlungsanordnung zur Verfügung stehen, mit der Regelung des Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie vermeiden, dass diese Gründe im Vollstreckungsstaat angefochten und von einem Gericht dieses Staates kontrolliert werden ( 35 ).

93.

Deshalb führt Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie als solcher im Anordnungsstaat und erst recht im Vollstreckungsstaat keinen Rechtsbehelf ein, mit dem die sachlichen Gründe für den Erlass einer Europäischen Ermittlungsanordnung angefochten werden können.

94.

Dies ändert aber nichts an der sich aus Art. 14 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 der Richtlinie 2014/41 ergebenden Verpflichtung der Mitgliedstaaten, im System der Europäischen Ermittlungsanordnung einen solchen Rechtsbehelf vorzusehen.

95.

Diese Verpflichtung darf nicht wirkungslos bleiben, nur weil die Richtlinie unzulänglich umgesetzt wurde.

96.

Insoweit möchte ich daran erinnern, dass sich nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Einzelne in all den Fällen, in denen die Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, vor den nationalen Gerichten gegenüber dem Staat auf diese Bestimmungen berufen kann, wenn der Staat die Richtlinie nicht fristgemäß oder unzulänglich in nationales Recht umgesetzt hat ( 36 ).

97.

Somit ist es nicht ausgeschlossen, dass sich die von den Ermittlungsmaßnahmen betroffene Partei auf die in Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2014/41 postulierte Gleichwertigkeit berufen kann, wenn der Anordnungsstaat zwar keinen Rechtsbehelf vorgesehen hat, mit dem die sachlichen Gründe für den Erlass einer Europäischen Ermittlungsanordnung angefochten werden können, wohl aber Rechtsbehelfe zur Anfechtung der sachlichen Gründe in vergleichbaren innerstaatlichen Fällen.

98.

Enthält das nationale Recht jedoch keinen Rechtsbehelf in vergleichbaren innerstaatlichen Ermittlungsverfahren, vermag die unmittelbare Wirkung dieser Bestimmung die Schaffung eines Rechtsbehelfs gegen eine Europäische Ermittlungsanordnung ex nihilo nicht zu rechtfertigen.

99.

Dieser Umstand rechtfertigt erst recht, dass eine bulgarische Behörde mangels jeder Anfechtungsmöglichkeit keine Europäische Ermittlungsanordnung erlassen kann, und müsste zur Erhebung einer Vertragsverletzungsklage durch die Kommission wegen unzulänglicher Umsetzung der Richtlinie führen.

100.

Deshalb bin ich der Auffassung, dass ein Einzelner die sachlichen Gründe für den Erlass einer Europäischen Ermittlungsanordnung nicht unter Berufung auf Art. 14 der Richtlinie 2014/41 vor einem einzelstaatlichen Gericht anfechten kann, wenn im nationalen Recht in vergleichbaren innerstaatlichen Fällen keine Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen.

3. Zur dritten und zur vierten Vorabentscheidungsfrage

101.

Die dritte und die vierte Fragen gehen dahin, ob die Person, gegen die die Anklage erhoben wurde, eine „betroffene Partei“ im Sinne der Richtlinie 2014/41 ist, wenn sich die Beweiserhebungsmaßnahmen gegen einen Dritten richten, und ob auch dieser Dritte, im vorliegenden Fall die Person, die die Räumlichkeiten bewohnt oder nutzt, in denen die Durchsuchung und die Beschlagnahme durchzuführen sind, bzw. die Person, die als Zeuge zu vernehmen ist, eine „betroffene Partei“ im Sinne der Richtlinie ist.

102.

Das vorlegende Gericht hat ausgeführt, dass im Fall der Bejahung der zweiten Frage Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2014/41 die Grundlage für einen den betroffenen Parteien zur Verfügung stehenden Rechtsbehelf bilden würde. Unter Berücksichtigung der von mir vorgeschlagenen Antwort auf die zweite Vorabentscheidungsfrage erscheint daher die Beantwortung dieser Vorabentscheidungsfragen auf den ersten Blick nicht erforderlich.

103.

Die Auslegung des Begriffs der betroffenen Partei im Sinne der Richtlinie 2014/41 erscheint mir jedoch nützlich, damit das vorlegende Gericht die Voraussetzungen dieser Richtlinie bestimmen kann.

104.

Die Kommission hat zu Recht geltend gemacht, dass die Richtlinie die Harmonisierung des rechtlichen Rahmens der Ermittlungsmaßnahmen und der entsprechenden Rechtsbehelfe in den Mitgliedstaaten weder bezweckt noch bewirkt. Folglich unterliegt die Ausgestaltung dieser Rechtsbehelfe der Verfahrensautonomie jedes Mitgliedstaats.

105.

Aus dem Umstand, dass die Richtlinie 2014/41 Garantien zugunsten der von den Ermittlungsmaßnahmen betroffenen Parteien enthält, ergibt sich gleichwohl, dass der Begriff der betroffenen Partei Gegenstand einer autonomen Auslegung nach der Richtlinie 2014/41 zu sein hat.

106.

Hinsichtlich der Person, die von den Ermittlungsmaßnahmen betroffen ist, aber im Strafverfahren den Status eines Dritten hat, genügt der Hinweis darauf, dass sie nach meinen Ausführungen in den Nrn. 58 bis 64 dieser Schlussanträge unter den Begriff der betroffenen Partei im Sinne von Art. 14 der Richtlinie 2014/41 fällt.

107.

Betroffene Partei im Sinne der Richtlinie ist auch die Person, gegen die die Anklage erhoben wurde, die aber nicht von den in der Europäischen Ermittlungsanordnung angegebenen Beweiserhebungsmaßnahmen betroffen ist, denn diese Maßnahmen können ihre Interessen in dem in Rede stehenden Verfahren insoweit berühren, als z. B. die zusammengetragenen Beweisstücke als Beweis gegen sie dienen können.

V. Ergebnis

108.

Aufgrund dieser Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Spetsializiran nakazatelen sad (Spezialisiertes Strafgericht) zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

1.

Art. 14 der Richtlinie 2014/41/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats und dem Erlass einer Europäischen Ermittlungsanordnung durch eine Behörde dieses Mitgliedstaats entgegensteht, wenn diese Regelung so wie die bulgarische keine Möglichkeit vorsieht, die sachlichen Gründe für eine in der Europäischen Ermittlungsanordnung angegebene Ermittlungsmaßnahme anzufechten.

2.

Ein Einzelner kann die sachlichen Gründe für den Erlass einer Europäischen Ermittlungsanordnung nicht unter Berufung auf Art. 14 der Richtlinie 2014/41 vor einem innerstaatlichen Gericht anfechten, wenn im nationalen Recht in vergleichbaren innerstaatlichen Fällen keine Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen.

3.

Der Begriff der betroffenen Partei im Sinne der Richtlinie 2014/41 erfasst sowohl einen Zeugen, gegen den in einer Europäischen Ermittlungsanordnung Ermittlungsmaßnahmen beantragt wurden, als auch die Person, gegen die die Anklage erhoben wurde, die jedoch von den mit der Europäischen Ermittlungsanordnung beantragten Ermittlungsmaßnahmen nicht betroffen ist.


( 1 ) Originalsprache: Französisch.

( 2 ) Zunächst durch den Rechtsakt des Rates vom 29. Mai 2000 über die Erstellung des Übereinkommens – gemäß Artikel 34 des Vertrags über die Europäische Union – über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (ABl. 2000, C 197, S. 1) und das vom Rat gemäß Art. 34 EUV erstellte Protokoll zu dem Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (ABl. 2001, C 326, S. 2), sodann durch den Rahmenbeschluss 2003/577/JI des Rates vom 22. Juli 2003 über die Vollstreckung von Entscheidungen über die Sicherstellung von Vermögensgegenständen oder Beweismitteln in der Europäischen Union (ABl. 2003, L 196, S. 45) und den Rahmenbeschluss 2008/978/JI des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Europäische Beweisanordnung zur Erlangung von Sachen, Schriftstücken und Daten zur Verwendung in Strafsachen (ABl. 2008, L 350, S. 72).

( 3 ) Vgl. den fünften Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/41/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen (ABl. 2014, L 130, S. 1).

( 4 ) Im Sinne der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates (Tampere) vom 15. und 16. Oktober 1999 und des „Stockholmer Programms – ein offenes und sicheres Europa im Dienste und zum Schutz der Bürger“ (ABl. 2010, C 115, S. 1) sowie gemäß Art. 82 Abs. 1 AEUV beruht die Richtlinie 2014/41 auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung. Nach ihrem 38. Erwägungsgrund ist das Ziel der Richtlinie die gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen zur Erlangung von Beweismitteln, und nach Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten jede Europäische Ermittlungsanordnung nach dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung vollstrecken.

( 5 ) Im Folgenden: Charta.

( 6 ) Unterzeichnet in Rom am 4. November 1950, im Folgenden: EMRK.

( 7 ) Übereinkommen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen, unterzeichnet in Schengen (Luxemburg) am 19. Juni 1990 (ABl. 2000, L 239, S. 19).

( 8 ) Vgl. Fn. 2 der vorliegenden Schlussanträge.

( 9 ) DV Nr. 60 vom 5. August 1988.

( 10 ) DV Nr. 16 vom 20. Februar 2018.

( 11 ) Im Folgenden: Abschnitt J.

( 12 ) Im Einzelnen können diese Maßnahmen unter folgender Internetadresse aufgerufen werden: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/NIM/?uri=celex:32014L0041.

( 13 ) Diese Auffassung wird offenbar von der österreichischen Regierung und von der Kommission geteilt.

( 14 ) Nach dem 22. Erwägungsgrund dieser Richtlinie haben die Mitgliedstaaten allerdings die Möglichkeit, zusätzliche Rechtsbehelfe vorzusehen, mit denen eine Europäische Ermittlungsanordnung angefochten werden kann.

( 15 ) Diese Auslegung findet eine Stütze im 22. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/41, der nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs den Inhalt der Richtlinie präzisieren kann (vgl. Urteil vom 11. Juni 2015, Zh. und O., C‑554/13, EU:C:2015:377, Rn. 42). Daraus ergibt sich meines Erachtens, dass die Richtlinie, auch wenn sie die Mitgliedstaaten verpflichtet, Rechtsbehelfe vorzusehen, die zumindest denen gleichwertig sind, die gegen ähnliche interne Maßnahmen gegeben sind, grundsätzlich und vorbehaltlich der Beachtung des Grundsatzes der Effektivität nicht die Befugnis der Mitgliedstaaten einschränkt, gegen Ermittlungsmaßnahmen, die ein Grundrecht einschränken, derartige Rechtsbehelfe vorzusehen.

( 16 ) Vgl. Hagueneau-Moizard, C., Gazin, F., und Leblois-Happe, J., Les fondements du droit pénal européen, Larcier, Brüssel, 2015, S. 55.

( 17 ) Insoweit erinnere ich daran, dass es nach Auffassung des Gerichtshofs u. a. Sache der nationalen Gerichte ist, die volle Anwendung des Unionsrechts in allen Mitgliedstaaten und den Schutz der Rechte, die den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsen, zu gewährleisten (vgl. Urteil vom 25. Juli 2018, Minister for Justice and Equality [Mängel des Justizsystems], C‑216/18 PPU, EU:C:2018:586, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 18 ) Ich verweise dazu auf den zwölften Erwägungsgrund und auf Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 2014/41. Dieses Erfordernis ist zu unterscheiden von der Verpflichtung der Union, bei der Ausübung der ihr vom Vertrag verliehenen strafrechtlichen Zuständigkeit die Grundrechte zu beachten.

( 19 ) In der Vorlageentscheidung wird nach der Wiedergabe des innerstaatlichen Rechts darauf hingewiesen, dass sich die Republik Bulgarien nach dem Erlass der Urteile des EGMR vom 26. Juli 2007, Peev/Bulgarien (CE:ECHR:2007:0726JUD006420901), und vom 22. Mai 2008, Iliya Stefanov/Bulgarien (CE:ECHR:2008:0522JUD006575501), verpflichtet hat, das bulgarische Recht zu ändern, um eine nachträgliche gerichtliche Kontrolle der gerichtlichen Anordnung einer Durchsuchung und einer Beschlagnahme zuzulassen, die von den von der Durchsuchung und der Beschlagnahme betroffenen Personen beantragt werden kann. Der Vorlageentscheidung zufolge sind diese Änderungen des bulgarischen Rechts noch nicht erfolgt.

( 20 ) Zwar ist die Möglichkeit, die sachlichen Gründe für strafrechtliche Ermittlungsmaßnahmen anzufechten, etwas anderes als die Möglichkeit, Ersatz für einen durch solche Maßnahmen verursachten Schaden zu verlangen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bildet jedoch die Möglichkeit, im Fall der rechtswidrigen Anordnung oder Vornahme einer Durchsuchung oder Beschlagnahme Schadensersatz zu erhalten, einen Bestandteil des Rechts auf wirksame Beschwerde im Sinne von Art. 13 EMRK. Bei der Prüfung des bulgarischen Rechts sind die Rolle und die Bedeutung der Schadensersatzklage nicht zu unterschätzen, denn wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ausgeführt hat, ist mangels eines Rechtsbehelfs, mit dem die Rechtswidrigkeit bereits vorgenommener Durchsuchungen und Beschlagnahmen geltend gemacht werden kann, die Möglichkeit der Erhebung einer Klage auf Schadensersatz unerlässlich (Urteile des EGMR vom 22. Mai 2008, Iliya Stefanov/Bulgarien [CE:ECHR:2008:0522JUD006575501, § 59], und vom 19. Januar 2017, Posevini/Bulgarien [CE:ECHR:2017:0119JUD006363814, § 84]).

( 21 ) So hat das vorlegende Gericht den Gerichtshof mit einem Schreiben über die Umsetzung dieser Richtlinie informiert und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Art. 18 des Gesetzes über die Europäische Ermittlungsanordnung zwar bei der Durchführung einer von den Justizbehörden eines anderen Mitgliedstaats erlassenen Europäischen Ermittlungsanordnung durch die bulgarischen Behörden einen Rechtsbehelf vorsieht, nicht dagegen im Verfahren des Erlasses einer solchen Anordnung.

( 22 ) Die in Art. 14 der Richtlinie 2014/41 eingeräumte Möglichkeit, die sachlichen Gründe für den Erlass einer Europäischen Ermittlungsanordnung anzufechten, und allgemeiner die in dieser Bestimmung vorgesehenen Garantien sind nicht die einzigen vom Unionsgesetzgeber eingeführten Garantien. So stellt bereits der Umstand, dass eine Europäische Ermittlungsanordnung eine gerichtliche Entscheidung ist, die von einer Justizbehörde eines Mitgliedstaats erlassen oder validiert wurde, als solcher eine Garantie dar. Ferner bestimmt Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie, dass im Rahmen der geltenden Verteidigungsrechte eine verdächtige oder beschuldigte Person den Erlass einer Europäischen Ermittlungsanordnung beantragen kann. Zudem berührt zwar die Richtlinie nach Art. 1 Abs. 4 nicht die Verpflichtung zur Achtung der Grundrechte, verschiedene Verpflichtungen des Anordnungsstaats und des Vollstreckungsstaats sollen aber diese Achtung der Grundrechte gewährleisten. Insbesondere darf nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2014/41 eine Europäische Ermittlungsanordnung nur dann erlassen werden, wenn sie für die Zwecke der Verfahren, in die sie sich einfügen kann, unter Berücksichtigung der Rechte der verdächtigen oder beschuldigten Person notwendig und verhältnismäßig ist. Nach Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie kann eine Vollstreckungsbehörde, die Grund zu der Annahme hat, dass diese Voraussetzung nicht erfüllt ist, die Anordnungsbehörde zu der Frage konsultieren, wie wichtig die Durchführung der Europäischen Ermittlungsanordnung ist. Nach dieser Konsultation kann die Anordnungsbehörde entscheiden, die Europäische Ermittlungsanordnung zurückzuziehen. Schließlich kann der Vollstreckungsstaat nach Art. 11 der Richtlinie die Anerkennung oder Vollstreckung einer Anordnung aus verschiedenen Gründen ablehnen, z. B. wegen Verstoßes gegen den Grundsatz ne bis in idem oder wegen seiner Verpflichtung zur Wahrung der Grundrechte.

( 23 ) Die französische Fassung des Abschnitts J lautet: „Veuillez indiquer si un recours a déjà été formé contre l’émission d’une décision d’enquête européenne …“. Ähnlich heißt es in der englischen Fassung: „Please indicate if a legal remedy has already been sought against the issuing of an EIO …“. Die spanische Fassung des Abschnitts J bestimmt dagegen: „Sírvase indicar si ya se ha interpuesto algún recurso contra la emisión de la OEI …“ (Hervorhebung nur hier).

( 24 ) Vgl. Urteil vom 29. April 2015, Léger (C‑528/13, EU:C:2015:288, Rn. 35).

( 25 ) Im Gegensatz z. B. zur Beschlagnahme oder Durchsuchung, für deren Wirksamkeit ein Überraschungseffekt nötig ist und die deshalb vor ihrer Vornahme geheim bleiben muss.

( 26 ) Diese Auskunftspflicht der Mitgliedstaaten ergibt sich auch aus dem 22. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/41.

( 27 ) Ich weise zu diesem Punkt auf Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2014/41 hin, wonach die in dem Formblatt in Anhang A wiedergegebene Europäische Ermittlungsanordnung von der Anordnungsbehörde ausgefüllt und unterzeichnet wird; die Anordnungsbehörde bestätigt ferner die Genauigkeit und inhaltliche Richtigkeit der in der Europäischen Ermittlungsanordnung enthaltenen Angaben. Ferner unterrichtet die Vollstreckungsbehörde die Anordnungsbehörde nach Art. 16 Abs. 2 Buchst. a unverzüglich in beliebiger Form davon, dass sie nicht über die Anerkennung oder Vollstreckung entscheiden kann, weil das im Anhang A vorgesehene Formblatt nicht vollständig oder offensichtlich unrichtig ausgefüllt wurde. Daraus folgt, dass das im Anhang A der Richtlinie vorgesehene Formblatt die Europäische Ermittlungsanordnung formalisiert und dass die dort verlangten Informationen den Vollstreckungsstaat über die beantragten Ermittlungsmaßnahmen, die Ermittlungen, in die sie sich einfügen, und ihren rechtlichen Zusammenhang informieren sollen.

( 28 ) Vgl. das Haager Programm zur Stärkung von Freiheit, Sicherheit und Recht in der Europäischen Union (ABl. 2005, C 53, S. 1) (Teil III, Abschnitt 3.2). Vgl. ebenfalls Urteil vom 25. Juli 2018, Minister for Justice and Equality (Mängel des Justizsystems) (C‑216/18 PPU, EU:C:2018:586, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 29 ) Vgl. Urteil vom 25. Juli 2018, Minister for Justice and Equality (Mängel des Justizsystems) (C‑216/18 PPU, EU:C:2018:586, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 30 ) Vgl. Urteil vom 25. Juli 2018, Minister for Justice and Equality (Mängel des Justizsystems) (C‑216/18 PPU, EU:C:2018:586, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 31 ) Auch andere kürzlich im Rahmen des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts erlassene Vorschriften enthalten einen Hinweis auf eine Vermutung der Beachtung der Grundrechte durch die Mitgliedstaaten, u. a. der 34. Erwägungsgrund der Verordnung (EU) 2018/1805 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 über die gegenseitige Anerkennung von Sicherstellungs- und Einziehungsentscheidungen (ABl. 2018, L 303, S. 1).

( 32 ) Vgl. Urteile des EGMR vom 15. Oktober 2013, Gutsanovi/Bulgarien (CE:ECHR:2013:1015JUD003452910, § 67 und §§ 208 bis 212), 16. Februar 2016, Govedarski/Bulgarien (CE:ECHR:2016:0216JUD003495712, §§ 38 bis 40 und §§ 72 bis 75), 31. März 2016, Stoyanov u. a./Bulgarien (CE:ECHR:2016:0331JUD005538810, §§ 114 bis 116), und 9. Juni 2016, Popovi/Bulgarien (CE:ECHR:2016:0609JUD003965111, §§ 49, 89 und 93). Insoweit erinnere ich für alle Fälle daran, dass sich das in Art. 47 Abs. 1 der Charta garantierte Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf den Erläuterungen zur Charta (ABl. 2007, C 303, S. 17) zufolge auf Art. 13 EMRK stützt. Nach Art. 52 Abs. 3 der Charta haben die in ihr enthaltenen Rechte die gleiche Bedeutung und Tragweite, wie sie ihnen in der EMRK verliehen werden; der in den Erläuterungen zur Charta erwähnte Umstand, dass im Unionsrecht ein umfassenderer Schutz gewährt wird, da ein Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf garantiert wird, ist im vorliegenden Fall unerheblich.

( 33 ) Vgl. entsprechend die Rechtsprechung zum Europäischen Haftbefehl, insbesondere die Urteile vom 25. Juli 2018, AY (Haftbefehl – Zeuge) (C‑268/17, EU:C:2018:602, Rn. 52), und vom 25. Juli 2018, Minister for Justice and Equality (Mängel des Justizsystems) (C‑216/18 PPU, EU:C:2018:586, Rn. 41).

( 34 ) In diesem Zusammenhang weise ich darauf hin, dass das Risiko einer Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angesichts des Urteils des EGMR vom 21. Januar 2011, M. S. S./Belgien und Griechenland (CE:ECHR:2011:0121JUD003069609, §§ 358, 360 und 367), keineswegs ungewiss ist und dass es vom Unionsgesetzgeber im Rahmen des Art. 11 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2014/41 berücksichtigt und ernst genommen wurde.

( 35 ) Vgl. die Begründung der Initiative des Königreichs Belgien, der Republik Bulgarien, der Republik Estland, des Königreichs Spanien, der Republik Österreich, der Republik Slowenien und des Königreichs Schweden für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen (Dokument Nr. 9288/10, ADD 1, vom 3. Juni 2010, verfügbar unter folgender Internetadresse: https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-‑9288-2010-ADD‑1/de/pdf, S. 14).

( 36 ) Vgl. u. a. Urteil vom 21. November 2018, Ayubi (C‑713/17, EU:C:2018:929, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).