SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MANUEL CAMPOS SÁNCHEZ-BORDONA

vom 27. Juni 2018 ( 1 )

Rechtssache C‑219/17

Silvio Berlusconi,

Finanziaria d’investimento Fininvest SpA (Fininvest)

gegen

Banca d’Italia,

Istituto per la Vigilanza Sulle Assicurazioni (IVASS),

Streithelfer:

Ministero dell’Economia e delle Finanze,

Banca Mediolanum SpA,

Holding Italiana Quarta SpA,

Fin. Prog. Italia di E. Doris & C. s.a.p.a.,

Sirefid SpA,

Ennio Doris

(Vorabentscheidungsersuchen des Consiglio di Stato [Staatsrat, Italien])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Aufsicht über Kreditinstitute – Einheitlicher Aufsichtsmechanismus – Erwerb einer qualifizierten Beteiligung an einem Kreditinstitut – Mehrphasige Verwaltungsverfahren der Union – Gerichtliche Überprüfung mehrphasiger Verwaltungsverfahren – Für eine Klage gegen Maßnahmen einer nationalen Behörde zuständiges Gericht – Grundsatz der Rechtskraft“

1.

Seit Einführung der Einheitswährung stellt die Bankenunion einen der wichtigsten Marksteine im Prozess der europäischen Integration dar. Trotz ihrer enormen technischen Komplexität ist ihre gesetzliche Regelung als Antwort auf die große Finanzkrise von 2008 außerordentlich schnell erfolgt.

2.

Die Mitgliedstaaten haben Zuständigkeiten im Bereich der Aufsicht über Kreditinstitute und deren Auflösung bei Solvabilitätszwängen auf die Organe der Union übertragen. Der Europäischen Zentralbank (im Folgenden: EZB) wurde der größte Teil der Befugnisse zur Wahrnehmung dieser von den Mitgliedstaaten übertragenen Zuständigkeiten zugewiesen, deren nationale Aufsichtsbehörden aber weiterhin essenzieller Bestandteil des einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism, im Folgenden: SSM) sind.

3.

Die Vorschriften der Union zur Regelung des SSM sehen verschiedene Verwaltungsverfahren vor, an denen die EZB und die nationalen Aufsichtsbehörden beteiligt sind. Diese Verfahren sind im Unionsrecht nichts Neues: Es gab sie beispielsweise bereits auf dem Gebiet der Strukturfonds, im Agrarbereich und bei der Benennung der Mitglieder des Europäischen Parlaments. Im Rahmen der Bankenunion wird von ihnen erheblich intensiver und häufiger Gebrauch gemacht als in anderen Bereichen.

4.

Wenn ich mich nicht irre, gibt dieser Rechtsstreit dem Gerichtshof erstmals Gelegenheit, sich zu einem dieser neuen Verfahren, dem Verfahren zur Genehmigung des Erwerbs oder der Erhöhung qualifizierter Beteiligungen an Kreditinstituten, zu äußern.

5.

Das Problem, das in diesem Vorabentscheidungsverfahren zu lösen ist, besteht darin, zu klären, wer die richterliche Kontrolle über die im Rahmen dieses Verfahrens getroffenen Maßnahmen ausübt. Konkret wird danach gefragt, ob bestimmte Beschlussentwürfe oder Beschlussvorschläge, die die nationalen Aufsichtsbehörden der EZB vorlegen, vor den nationalen Gerichten angefochten werden können, oder ob nicht vielmehr die Prüfung ihres Inhalts und des anschließenden endgültigen Beschlusses der EZB ausschließlich dem Gerichtshof der Europäischen Union obliegt.

I. Rechtlicher Rahmen

A.   Unionsrecht

6.

Mit dem Verfahren, in dem die vor dem vorlegenden Gericht angefochtenen Entscheidungen ergangen sind, befassen sich folgende Vorschriften des Unionsrechts:

die Art. 22 und 23 der Richtlinie 2013/36/EU ( 2 ), durch die die Basel‑III-Vorschriften des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht, der bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich ( 3 ) angesiedelt ist, in das Unionsrecht übernommen wurden,

Art. 1 Abs. 5 und Art. 15 der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 ( 4 ),

die Art. 85 bis 87 der Verordnung (EU) Nr. 468/2014 ( 5 ).

1. CRD IV

7.

Art. 22 („Anzeige und Beurteilung eines geplanten Erwerbs“) bestimmt:

„(1)   Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass eine natürliche oder juristische Person oder gemeinsam handelnde natürliche oder juristische Personen (im Folgenden ‚interessierter Erwerber‘), die beschlossen hat bzw. haben, an einem Kreditinstitut eine qualifizierte Beteiligung direkt oder indirekt zu erwerben oder eine derartige qualifizierte Beteiligung direkt oder indirekt zu erhöhen, mit der Folge, dass ihr Anteil an den Stimmrechten oder am Kapital 20 %, 30 % oder 50 % erreichen oder überschreiten würde oder das Kreditinstitut ihr Tochterunternehmen würde (im Folgenden ‚beabsichtigter Erwerb‘), den für das Kreditinstitut, an dem eine qualifizierte Beteiligung erworben oder erhöht werden soll, zuständigen Behörden diese Tatsache vor dem Erwerb schriftlich unter Angabe des Umfangs der geplanten Beteiligung zusammen mit den einschlägigen Informationen nach Artikel 23 Absatz 4 anzuzeigen hat bzw. haben. …

(2)   Die zuständigen Behörden bestätigen dem interessierten Erwerber umgehend, in jedem Fall jedoch innerhalb von zwei Arbeitstagen nach Erhalt der Anzeige sowie dem etwaigen anschließenden Erhalt der in Absatz 3 genannten Informationen schriftlich deren Eingang.

(3)   Die zuständigen Behörden können erforderlichenfalls – spätestens am 50. Arbeitstag des Beurteilungszeitraums – weitere Informationen anfordern, die für den Abschluss der Beurteilung erforderlich sind. Eine derartige Anforderung ergeht schriftlich und führt die benötigten Informationen im Einzelnen auf.

… Es liegt im Ermessen der zuständigen Behörden, weitere Ergänzungen oder Klarstellungen zu den Informationen anzufordern, doch führt dies nicht zu einer Aussetzung des Beurteilungszeitraums.

(5)   Entscheiden die zuständigen Behörden nach Abschluss der Beurteilung, Einspruch gegen den beabsichtigten Erwerb zu erheben, so setzen sie den interessierten Erwerber innerhalb von zwei Arbeitstagen und innerhalb des Beurteilungszeitraums schriftlich unter Angabe der Gründe davon in Kenntnis. Vorbehaltlich nationaler Rechtsvorschriften kann eine Begründung der Entscheidung auf Antrag des interessierten Erwerbers der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Diese Bestimmung hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, den zuständigen Behörden zu gestatten, derartige Informationen auch ohne entsprechenden Antrag des interessierten Erwerbers der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

(6)   Erheben die zuständigen Behörden innerhalb des Beurteilungszeitraums keinen schriftlichen Einspruch gegen den beabsichtigten Erwerb, so gilt dieser als genehmigt.

(7)   Die zuständigen Behörden können eine Frist für den Abschluss eines beabsichtigten Erwerbs festlegen und diese Frist gegebenenfalls verlängern.

(8)   Die Mitgliedstaaten stellen an die Anzeige eines direkten oder indirekten Erwerbs von Stimmrechten oder Kapital an die zuständigen Behörden und die Genehmigung eines derartigen Erwerbs durch diese Behörden keine strengeren Anforderungen, als in dieser Richtlinie vorgesehen ist.

…“

8.

Art. 23 („Beurteilungskriterien“) sieht vor:

„(1)   Bei der Beurteilung der Anzeige nach Artikel 22 Absatz 1 und der Informationen nach Artikel 22 Absatz 3 haben die zuständigen Behörden im Interesse einer soliden und umsichtigen Führung des Kreditinstituts, an dem der Erwerb beabsichtigt wird, und unter Berücksichtigung des voraussichtlichen Einflusses des interessierten Erwerbers auf jenes Kreditinstitut die Eignung des interessierten Erwerbers und die finanzielle Solidität des beabsichtigten Erwerbs anhand folgender Kriterien zu prüfen:

a)

Leumund des interessierten Erwerbers,

b)

Leumund, Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrung gemäß Artikel 91 Absatz 1 aller Mitglieder des Leitungsorgans und aller Mitglieder der Geschäftsleitung, die die Geschäfte des Kreditinstituts infolge des beabsichtigten Erwerbs führen werden,

c)

finanzielle Solidität des interessierten Erwerbers, insbesondere in Bezug auf die Art der tatsächlichen und geplanten Geschäfte des Kreditinstituts, an dem der Erwerb beabsichtigt wird,

(2)   Die zuständigen Behörden können gegen den beabsichtigten Erwerb nur dann Einspruch erheben, wenn es dafür berechtigte Gründe auf der Grundlage der in Absatz 1 genannten Kriterien gibt oder die vom interessierten Erwerber vorgelegten Informationen unvollständig sind.

…“

9.

Art. 119 („Einbeziehung von Holdinggesellschaften in die Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis“) bestimmt in Abs. 1:

„Die Mitgliedstaaten treffen alle erforderlichen Maßnahmen, um Finanzholdinggesellschaften und gemischte Finanzholdinggesellschaften gegebenenfalls in die Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis einzubeziehen.“

2. SSM-Verordnung

10.

Im elften Erwägungsgrund heißt es:

„Es sollte … eine Bankenunion in der Union geschaffen werden, die sich auf ein umfassendes und detailliertes einheitliches Regelwerk für Finanzdienstleistungen im Binnenmarkt als Ganzes stützt und einen einheitlichen Aufsichtsmechanismus sowie neue Rahmenbedingungen für die Einlagensicherung und die Abwicklung von Kreditinstituten umfasst.“ Innerhalb des SSM weist diese Verordnung der EZB besondere Befugnisse für die Aufsicht über Kreditinstitute zu.

11.

Art. 1 („Gegenstand und Geltungsbereich“) sieht vor:

„Durch diese Verordnung werden der EZB mit voller Rücksichtnahme auf und unter Wahrung der Sorgfaltspflicht für die Einheit und Integrität des Binnenmarkts auf der Grundlage der Gleichbehandlung der Kreditinstitute mit dem Ziel, Aufsichtsarbitrage zu verhindern, besondere Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute übertragen, um einen Beitrag zur Sicherheit und Solidität von Kreditinstituten sowie zur Stabilität des Finanzsystems in der Union und jedem einzelnen Mitgliedstaat zu leisten.

Diese Verordnung berührt nicht die Verantwortlichkeiten und dazu gehörenden Befugnisse der zuständigen Behörden der teilnehmenden Mitgliedstaaten zur Wahrnehmung von Aufsichtsaufgaben, die der EZB nicht durch diese Verordnung übertragen wurden.

…“

12.

In Art. 4 heißt es:

„(1)   Im Rahmen des Artikels 6 ist die EZB im Einklang mit Absatz 3 ausschließlich für die Wahrnehmung der folgenden Aufgaben zur Beaufsichtigung sämtlicher in den teilnehmenden Mitgliedstaaten niedergelassenen Kreditinstitute zuständig:

c)

Beurteilung der Anzeige über den Erwerb oder die Veräußerung von qualifizierten Beteiligungen an Kreditinstituten, außer im Fall einer Bankenabwicklung und vorbehaltlich des Artikels 15;

(3)   Zur Wahrnehmung der ihr durch diese Verordnung übertragenen Aufgaben und mit dem Ziel, hohe Aufsichtsstandards zu gewährleisten, wendet die EZB das einschlägige Unionsrecht an, und wenn dieses Unionsrecht aus Richtlinien besteht, wendet sie die nationalen Rechtsvorschriften an, mit denen diese Richtlinien umgesetzt wurden. Wenn das einschlägige Unionsrecht aus Verordnungen besteht und den Mitgliedstaaten durch diese Verordnungen derzeit ausdrücklich Wahlrechte eingeräumt werden, wendet die EZB auch die nationalen Rechtsvorschriften an, mit denen diese Wahlrechte ausgeübt werden.

…“

13.

Gemäß Art. 6 Abs. 2 unterliegen sowohl die EZB als auch die nationalen zuständigen Behörden (National Competent Authorities, im Folgenden: NCA) der Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit und zum Informationsaustausch und stellen unbeschadet der Befugnis der EZB, Informationen, die von den Kreditinstituten regelmäßig zu übermitteln sind, direkt zu erhalten oder direkt auf sie zuzugreifen, der EZB insbesondere alle Informationen zur Verfügung, die sie zur Wahrnehmung der ihr durch die genannte Verordnung übertragenen Aufgaben benötigt.

14.

Art. 15 („Beurteilung des Erwerbs von qualifizierten Beteiligungen“) sieht vor:

„(1)   Ungeachtet der Ausnahmen nach Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe c werden alle Anzeigen über den Erwerb einer qualifizierten Beteiligung an einem in einem teilnehmenden Mitgliedstaat niedergelassenen Kreditinstitut und alle damit zusammenhängenden Informationen im Einklang mit dem einschlägigen, auf die Rechtsakte nach Artikel 4 Absatz 3 Unterabsatz 1 gestützten nationalen Recht an die nationalen zuständigen Behörden gerichtet, in dem das Kreditinstitut niedergelassen ist.

(2)   Die nationale zuständige Behörde prüft den geplanten Erwerb und leitet die Anzeige gemeinsam mit einem Vorschlag für einen Beschluss, mit dem der Erwerb auf Grundlage der in den Rechtsakten nach Artikel 4 Absatz 3 Unterabsatz 1 festgelegten Kriterien abgelehnt oder nicht abgelehnt wird, der EZB … zu und unterstützt die EZB nach Maßgabe des Artikels 6.

(3)   Die EZB beschließt auf Grundlage der Beurteilungskriterien des Unionsrechts und im Einklang mit den darin geregelten Verfahren und innerhalb des darin festgelegten Beurteilungszeitraums, ob der Erwerb abzulehnen ist.“

3. SSM-Rahmenverordnung

15.

Die gemäß Art. 4 Abs. 3 der SSM-Verordnung erlassene SSM-Rahmenverordnung regelt das Rahmenwerk für die Zusammenarbeit zwischen der EZB und den NCA innerhalb des SSM.

16.

Art. 85 („Anzeige des Erwerbs einer qualifizierten Beteiligung gegenüber der NCA“) lautet:

„(1)   Eine NCA, die eine Anzeige über den geplanten Erwerb einer qualifizierten Beteiligung an einem in diesem teilnehmenden Mitgliedstaat niedergelassenen Kreditinstitut erhält, unterrichtet die EZB spätestens fünf Arbeitstage nach der Bestätigung ihres Eingangs gemäß Artikel 22 Absatz 2 der Richtlinie 2013/36/EU über die Anzeige.

(2)   Die NCA unterrichtet die EZB, wenn sie den Prüfungszeitraum aufgrund eines Ersuchens um zusätzliche Informationen aussetzen muss. Die NCA übermittelt der EZB solche weiteren Informationen innerhalb von fünf Arbeitstagen nach deren Eingang bei der NCA.

(3)   Die NCA teilt der EZB auch das Datum mit, an dem der Beschluss, mit dem der Erwerb einer qualifizierten Beteiligung abgelehnt oder nicht abgelehnt wird, dem Antragsteller nach einschlägigem nationalem Recht mitzuteilen ist.“

17.

Art. 86 („Prüfung des geplanten Erwerbs“) bestimmt:

„(1)   Die NCA, der ein geplanter Erwerb einer qualifizierten Beteiligung an einem Kreditinstitut angezeigt wird, prüft, ob der geplante Erwerb alle im einschlägigen Unions- und nationalen Recht vorgesehenen Bedingungen erfüllt. Nach dieser Prüfung arbeitet die NCA einen Beschlussentwurf für die EZB aus, mit dem der Erwerb abgelehnt oder nicht abgelehnt wird.

(2)   Die NCA übermittelt der EZB den Entwurf des Beschlusses, mit dem der Erwerb abgelehnt oder nicht abgelehnt wird, mindestens 15 Arbeitstage vor Ablauf des nach einschlägigem Unionsrecht festgelegten Prüfungszeitraums.“

18.

Art. 87 („Beschluss der EZB über den Erwerb“) lautet:

„Die EZB beschließt, ob sie den Erwerb auf Grundlage ihrer Prüfung des geplanten Erwerbs und des Beschlussentwurfs der NCA ablehnt oder nicht ablehnt. Das in Artikel 31 vorgesehene Recht auf rechtliches Gehör findet Anwendung.“

B.   Italienisches Recht

1. Vorschriften über die Finanzaufsicht: Bankengesetz ( 6 )

19.

Durch Art. 19 TUB wurde die Zuständigkeit für die Erteilung von Genehmigungen zum Erwerb qualifizierter Beteiligungen auf die Banca d’Italia übertragen. Konkret stellt sein Abs. 5 klar, dass diese Genehmigungen erteilt werden, wenn „bei Würdigung der Eignung des potenziellen Erwerbers und der finanziellen Solidität des geplanten Erwerbs anhand nachstehender Kriterien geeignete Voraussetzungen für eine solide und umsichtige Führung der Bank vorliegen: der Leumund des potenziellen Erwerbers im Sinne von Art. 25“.

20.

Gemäß Art. 25 („Kapitalbeteiligungen“) Abs. 1 müssen Inhaber von Beteiligungen im Sinne von Art. 19 Anforderungen hinsichtlich ihres Leumunds genügen und Kompetenz- und Zuverlässigkeitskriterien erfüllen, die eine solide und umsichtige Führung der Bank gewährleisten ( 7 ).

21.

Übergangsweise sah Art. 2 Abs. 8 des Gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 72 von 2015 vor, dass die bisherigen Bestimmungen über die Anforderungen an den Leumund der Inhaber von Beteiligungen an Kreditinstituten weiterhin anzuwenden sind.

22.

Diese Bestimmungen waren im Ministerialdekret Nr. 144 vom 18. März 1998 ( 8 ) enthalten, in dessen Art. 1 die Verurteilungen aufgeführt waren, die sich negativ auf den Leumund auswirken und dazu führen, dass diese Anforderung nicht erfüllt ist.

23.

Art. 2 des Dekrets Nr. 144 von 1998 bestimmte übergangsweise, dass „für Rechtssubjekte, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der vorliegenden Regelung am Kapital einer Bank beteiligt sind, die Nichterfüllung der in Art. 1 genannten Anforderungen, die nicht in der bisher geltenden Regelung vorgesehen waren, keine Rolle spielt, wenn sie bereits vor diesem Zeitpunkt gegeben war; dies gilt jedoch nur für bereits gehaltene Beteiligungen“.

24.

Für qualifizierte Teilhaber an gemischten Finanzholdinggesellschaften galten nach Art. 63 dieselben Verpflichtungen wie für qualifizierte Teilhaber an Kreditinstituten. Art. 67a Abs. 2 TUB regelt, dass die Banca d’Italia und das Istituto per la Vigilanza Sulle Assicurazioni (im Folgenden: IVASS) gemeinsam die Einhaltung dieser Verpflichtungen sicherstellen müssen, wenn diese Gesellschaften ihren Sitz in Italien haben und ganz oder zum Teil Muttergesellschaften italienischer Finanzkonglomerate sind.

2. Vorschriften über den Verwaltungsprozess

25.

Der italienische Verwaltungsprozess kennt den sogenannten „giudizio di ottemperanza“ (Umsetzungsverfahren), in dessen Rahmen der Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) die vorliegenden Fragen gestellt hat.

26.

Gemäß Art. 21g Abs. 1 des Gesetzes Nr. 241 vom 7. August 1990 ( 9 )„ist eine Verwaltungsentscheidung, die … unter Verletzung oder Umgehung der Rechtskraft erlassen worden ist, nichtig“.

27.

Gemäß Art. 112 Abs. 1 der Verwaltungsprozessordung ( 10 ) ist „[d]en Verfügungen des Verwaltungsgerichts … von der öffentlichen Verwaltung und von den anderen Prozessparteien Folge zu leisten“.

28.

Art. 112 Abs. 2 sieht vor:

„Die Umsetzungsklage kann erhoben werden für die Durchführung:

c)

der in Rechtskraft erwachsenen Urteile sowie der anderen diesen gleichgestellten Verfügungen des ordentlichen Gerichts, um die Erfüllung der Verpflichtung seitens der öffentlichen Verwaltung zu erzielen, der rechtskräftigen Entscheidung im Rahmen der entschiedenen Sache nachzukommen.

…“

29.

Gemäß Art. 114 Abs. 4 Buchst. b der Verwaltungsprozessordnung erklärt das Gericht, das über die Umsetzungsklage entscheidet, für den Fall, dass der Klage stattgegeben wird, „die Nichtigkeit der Verwaltungsakte, welche gegebenenfalls die rechtskräftige Entscheidung verletzen oder umgehen“.

30.

Art. 2909 des italienischen Zivilgesetzbuchs bestimmt, dass die Feststellungen in einem rechtskräftigen Urteil für die Parteien, ihre Erben und ihre Rechtsnachfolger in allen Teilen bindend sind.

II. Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

31.

Herr Berlusconi hielt seit Mitte der Neunzigerjahre über die Tochtergesellschaft Fininvest eine qualifizierte Beteiligung an der SpA Mediolanum (im Folgenden: Gesellschaft Mediolanum) von über 30 %. Letztere war eine börsennotierte gemischte Finanzholdinggesellschaft und Muttergesellschaft des Finanzkonglomerats Mediolanum, zu dem die vollständig von der Gesellschaft Mediolanum gehaltene SpA Banca Mediolanum gehörte.

32.

Mit Urteil Nr. 35729/13 verurteilte die Corte suprema di cassazione (Oberster Kassationsgerichtshof, Italien) Herrn Berlusconi wegen Steuerbetrugs zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren (von denen ihm drei Jahre erlassen wurden) und zur Nebenstrafe eines zweijährigen Verbots der Wahrnehmung öffentlicher Ämter und der Leitung juristischer Personen und Unternehmen. Das Urteil wurde am 1. August 2013 rechtskräftig.

33.

Nach dem Erlass des Gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 53 vom 4. März 2014 ( 11 ) stellte Fininvest (für Herrn Berlusconi) einen Antrag auf Genehmigung des Haltens einer qualifizierten Beteiligung an der Gesellschaft Mediolanum.

34.

Mit Entscheidung Nr. 976145/14 vom 7. Oktober 2014 lehnte die Banca d’Italia im Einvernehmen mit dem IVASS diesen Antrag ab, da Herr Berlusconi nicht die Leumundsanforderung erfülle, die für das Halten einer qualifizierten Beteiligung an einem Finanzvermittler vorgesehen sei.

35.

Über die Ablehnung des Antrags hinaus ordnete die Banca d’Italia die Aussetzung der Stimmrechte und die Veräußerung der (den gesetzlich vorgesehenen Schwellenwert von 9,999 % übersteigenden) Beteiligungen an der Gesellschaft Mediolanum an. Sie stimmte aber dem von Fininvest unterbreiteten Vorschlag zu, einen Trust zu errichten, auf den die streitigen Beteiligungen übertragen werden sollten, und setzte Fininvest eine Frist von 20 Tagen, um ihre Zustimmung zu den Bedingungen zu erklären, die für diesen Trust gelten sollten.

36.

Herr Berlusconi focht diese Entscheidung vor dem Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Regionales Verwaltungsgericht Latium, Italien) an, das die Klage mit Urteil Nr. 7966/2015 vom 5. Juni 2015 abwies.

37.

Gegen dieses Urteil legte Herr Berlusconi Berufung (und Fininvest eine Anschlussberufung) zum Consiglio di Stato (Staatsrat) ein. Die Banca d’Italia rügte in diesem Verfahren das mangelnde Rechtsschutzinteresse der Berufungsführer nach der Verschmelzung durch „umgekehrte Übernahme“ der Gesellschaft Mediolanum durch die Banca Mediolanum.

38.

Tatsächlich hatten die Verwaltungsräte während des Rechtsstreits eine Verschmelzung durch „umgekehrte Übernahme“ der Gesellschaft Mediolanum durch die Banca Mediolanum ( 12 ) beschlossen. Dieses Verschmelzungsvorhaben wurde der Banca d’Italia am 26. Mai 2015 mitgeteilt, um die Genehmigung nach Art. 57 TUB zu erhalten. Infolgedessen erwarb Fininvest eine qualifizierte Beteiligung an einem Kreditinstitut ( 13 ).

39.

Mit Entscheidung Nr. 7969932/21 vom 21. Juli 2015 genehmigte die Banca d’Italia die vorgeschlagene Verschmelzung. In dem Schreiben vom 23. Juli 2015, mit dem sie diese Entscheidung mitteilte, bestätigte sie die Entscheidung vom 7. Oktober 2014 und erläuterte, dass die dort festgelegte Veräußerungsverpflichtung so zu verstehen sei, „dass sie sich auf Aktien der Banca Mediolanum bezieht, die infolge der Verschmelzung im Austausch gegen Aktien der [Gesellschaft] Mediolanum [Fininvest] zugeteilt werden“.

40.

Mit Urteil Nr. 882/2016 vom 3. März 2016 gab der Consiglio di Stato (Staatsrat) den Berufungen von Herrn Berlusconi und von Fininvest statt und hob die Entscheidung der Banca d’Italia vom 7. Oktober 2014 auf ( 14 ).

41.

Nach Auffassung des Consiglio di Stato (Staatsrat) war die Entscheidung vom 7. Oktober 2014 wegen Verstoßes gegen das Rückwirkungsverbot rechtswidrig, da die mit der Richtlinie 2007/44/EG ( 15 ) in die CRD IV eingeführten Prüfungskriterien für qualifizierte Beteiligungen auf bereits vor ihrem Inkrafttreten gehaltene Beteiligungen angewandt worden seien. Die Richtlinie 2007/44 sei auf künftige Beteiligungen anwendbar, während sich Art. 2 des Dekrets Nr. 144 von 1998 auf „bereits gehaltene Beteiligungen“ beziehe ( 16 ). Da der Sachverhalt vor dem Inkrafttreten der neuen Vorschriften liege, könnten die Leumundsanforderungen nicht für Fininvest gelten.

42.

Mit Schreiben Nr. 491595/16 vom 4. April 2016 teilte die Banca d’Italia der EZB mit, dass Herr Berlusconi infolge der Verschmelzung der Banca Mediolanum und der Gesellschaft Mediolanum über seine Tochtergesellschaft Fininvest Anteilseigner des Kreditinstituts Banca Mediolanum geworden sei. Nach dem Erlass des Urteils des Consiglio di Stato (Staatsrat) vom 3. März 2016 seien darüber hinaus die Verpflichtung, den Teil ihrer Aktien, der 9,999 % des Kapitals dieser Bank übersteige, zu veräußern, sowie die Aussetzung der damit verbundenen Stimmrechte weggefallen. Die Banca d’Italia war daher der Ansicht, dass Fininvest gemäß den Art. 22 ff. CRD IV und den Art. 19 ff. TUB einen Antrag auf Genehmigung ihrer qualifizierten Beteiligung an der Banca Mediolanum stellen müsse.

43.

Entsprechend den Vorgaben der EZB (Schreiben vom 24. Juni 2016) forderte die Banca d’Italia Fininvest am 14. Juli 2016 auf, binnen 15 Tagen einen Genehmigungsantrag zu stellen. Dieser Aufforderung wurde nicht nachgekommen, so dass die Banca d’Italia am 3. August 2016 entschied, das Verwaltungsverfahren von Amts wegen einzuleiten, wobei sie darauf hinwies, dass die Entscheidungskompetenz auf diesem Gebiet gemäß Art. 4 der SSM-Verordnung bei der EZB liege.

44.

Nach Erhalt der Unterlagen von Fininvest legte die Banca d’Italia der EZB gemäß Art. 15 Abs. 2 der SSM-Verordnung einen Beschlussvorschlag vor, in dem die Beurteilung des Leumunds der Käufer negativ ausfiel und die EZB aufgefordert wurde, den Erwerb abzulehnen.

45.

Das EZB-Aufsichtsgremium schloss sich den Argumenten der Banca d’Italia an und billigte einen Beschlussentwurf, den es Fininvest und Herrn Berlusconi zur Stellungnahme übermittelte. Nach Abschluss dieses Verfahrensabschnitts billigte es den Beschluss vom 25. Oktober 2016 ( 17 ), gegen den der EZB-Rat keine Einwände erhob.

46.

In diesem Beschluss stellte die EZB fest, dass begründete Zweifel hinsichtlich des Leumunds der Erwerber der Beteiligung an der Banca Mediolanum bestünden. Da Herr Berlusconi, kontrollierender Anteilseigner und tatsächlicher Eigentümer von Fininvest, der indirekte Erwerber der Beteiligung an der Banca Mediolanum sei und wegen Steuerbetrugs rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt worden sei, erfülle er nicht die Leumundsanforderung, die das nationale Recht an die Inhaber qualifizierter Beteiligungen stelle. Herr Berlusconi habe zudem weitere Unregelmäßigkeiten begangen, und gegen ihn und andere Mitglieder der Leitungsorgane von Fininvest seien weitere Verurteilungen ergangen.

47.

Infolgedessen gelangte die EZB zu dem Ergebnis, dass die Erwerber der qualifizierten Beteiligung an der Banca Mediolanum die Leumundsanforderung nicht erfüllten und ernsthafte Zweifel an ihrer Fähigkeit bestünden, in Zukunft eine solide und umsichtige Führung dieses Kreditinstituts zu gewährleisten. Sie lehnte deshalb den Erwerb der qualifizierten Beteiligung an der Banca Mediolanum durch Fininvest und Herrn Berlusconi ab.

48.

Fininvest und Herr Berlusconi fochten den Beschluss der EZB von 2016 vor drei Gerichten an:

Sie erhoben eine Klage beim Gericht ( 18 ), das das Verfahren bis zu einer Entscheidung über das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen ausgesetzt hat.

Fininvest rief auch das Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Regionales Verwaltungsgericht Latium) an, um die Nichtigerklärung der Maßnahmen der Banca d’Italia zur Vorbereitung der Entscheidung der EZB zu erwirken.

Sie erhoben beim Consiglio di Stato (Staatsrat) eine Klage auf „ottemperanza“ (Umsetzungsklage), da die genannten Maßnahmen wegen Verstoßes gegen das rechtskräftige Urteil Nr. 882/2016 vom 3. März 2016 nichtig seien.

49.

Die Banca d’Italia rügt, das nationale Gericht sei für die Entscheidung des Rechtsmittels unzuständig, da es gegen vorbereitende Maßnahmen gerichtet sei, die keinen Entscheidungscharakter hätten und auf den Erlass einer Entscheidung gerichtet gewesen seien, für die ausschließlich die EZB zuständig sei. Die endgültige Entscheidung dieses Unionsorgans sei der Kontrolle durch den Gerichtshof vorbehalten.

50.

Nach Verbindung der Rechtsmittel von Herrn Berlusconi und Fininvest meint der Consiglio di Stato (Staatsrat), dass es keine spezifische Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Frage der Zuständigkeitsverteilung zwischen nationalen Gerichten und Unionsgerichten bei Rechtsstreitigkeiten gebe, in denen die Ungültigkeit von Maßnahmen der NCA im Rahmen dieser Art von Verfahren geltend gemacht werde. Darüber hinaus sei die Frage objektiv streitig, da sie sowohl Elemente eines einzigen Verfahrens (Standpunkt der Banca d’Italia) als auch Elemente eines mehrphasigen Verfahrens (Standpunkt von Herrn Berlusconi und Fininvest) enthalte. Der Verfahrensabschnitt, der vor der nationalen Behörde durchgeführt werde, ende jedenfalls nicht mit einer Maßnahme, die für die Unionsbehörde, die den abschließenden Beschluss erlassen müsse, verbindlich sei.

51.

Vor diesem Hintergrund hat der Consiglio di Stato (Staatsrat) dem Gerichtshof folgende Vorabentscheidungsfragen vorgelegt:

Ist Art. 263 Abs. 1, 2 und 5 in Verbindung mit Art. 256 Abs. 1 AEUV dahin auszulegen, dass eine Klage gegen Maßnahmen – Einleitung von Verfahren, Ermittlungsmaßnahmen und die Unterbreitung nicht bindender Vorschläge (wie in § 1 des vorliegenden Beschlusses genauer dargestellt) –, die die zuständige nationale Stelle im Rahmen eines Verfahrens nach den Art. 22 und 23 der Richtlinie 2013/36, Art. 1 Abs. 5, Art. 4 Abs. 1 Buchst. c und Art. 15 der Verordnung Nr. 1024/2013, den Art. 85, 86 und 87 der Verordnung Nr. 468/2014 und den Art. 19, 22 und 25 TUB getroffen hat, in die Zuständigkeit der Unionsgerichte fällt, oder dahin, dass eine solche Klage in die Zuständigkeit der nationalen Gerichte fällt?

Sind insbesondere die Unionsgerichte zuständig, wenn gegen solche Maßnahmen keine allgemeine Anfechtungsklage, sondern eine Nichtigkeitsklage wegen einer behaupteten Verletzung oder Umgehung der Rechtskraft des Urteils Nr. 882/2016 vom 3. März 2016 des Consiglio di Stato (Staatsrat) erhoben wird, die im Rahmen eines Verfahrens zur Umsetzung eines Urteils im Sinne der Art. 112 ff. des Codice del processo amministrativo (italienische Verwaltungsprozessordung) – d. h. im Rahmen eines besonderen Rechtsinstituts der nationalen Verwaltungsprozessordung – erfolgt und deren Entscheidung die Auslegung und Feststellung der objektiven Grenzen der Rechtskraft dieses Urteils nach den nationalen Rechtsvorschriften voraussetzt?

III. Prüfung der Vorlagefragen

52.

Die Vorlagefragen des vorlegenden Gerichts müssen, wie die Kommission ausführt, für eine sachdienliche Antwort des Gerichtshofs leicht umformuliert werden.

53.

Im Rahmen einer Klage nach Art. 263 AEUV ist der Gerichtshof nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich nicht für die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit von Maßnahmen zuständig, die von nationalen Behörden getroffen wurden ( 19 ).

54.

Es ist daher davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht mit seiner ersten Frage wissen möchte, ob die nationalen Gerichte durch die ausschließliche Zuständigkeit für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Handlungen der Union, die Art. 263 AEUV auf den Gerichtshof überträgt, daran gehindert sind, die Rechtmäßigkeit nationaler Maßnahmen – Einleitung von Verfahren, Ermittlungsmaßnahmen und die Unterbreitung nicht bindender Vorschläge – zu überprüfen, die eine NCA im Rahmen eines Verfahrens nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. c und Art. 15 der SSM-Verordnung und den Art. 85, 86 und 87 der SSM-Rahmenverordnung, das mit einem verbindlichen Beschluss der EZB endet, ergriffen hat.

55.

Mit der zweiten, hilfsweise gestellten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Gerichtshof für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit nationaler Maßnahmen zur Vorbereitung der abschließenden Entscheidung der EZB zuständig ist, wenn diese Maßnahmen nicht mit einer „allgemeinen Anfechtungsklage“, sondern einer (spezifischen) Nichtigkeitsklage wegen einer behaupteten Verletzung oder Umgehung der Rechtskraft des Urteils eines nationalen Gerichts angefochten werden, die im Rahmen eines „giudizio di ottemperanza“ erhoben wird.

56.

Bevor ich die beiden Vorlagefragen prüfe, halte ich es für erforderlich,

noch einmal die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur gerichtlichen Überprüfung von Rechtsakten, die im Rahmen mehrphasiger oder gemischter Verwaltungsverfahren ergehen, an denen Organe der Union und nationale Behörden der Mitgliedstaaten beteiligt sind, durchzugehen und

die Merkmale des Verwaltungsverfahrens darzustellen, das die EZB und die NCA zur Genehmigung des Erwerbs bzw. der Erhöhung von qualifizierten Beteiligungen an Kreditinstituten durchführen.

A.   Gerichtliche Überprüfung von Maßnahmen, die in mehrphasigen oder gemischten Verwaltungsverfahren ergehen, im Unionsrecht

57.

Die Anwendung des Unionsrechts ist im Allgemeinen Sache der Behörden der Mitgliedstaaten. Bedienen sie sich Verwaltungsverfahren, die im innerstaatlichen Recht geregelt sind, sind für die Prüfung ihrer Maßnahmen die nationalen Gerichte zuständig, die die Möglichkeit haben, den Gerichtshof um Vorabentscheidung zu ersuchen. Bei einer beschränkten Anzahl von Materien, die normalerweise in der ausschließlichen Zuständigkeit der Union liegen, erfolgt die Anwendung des Unionsrechts im Verwaltungsweg unmittelbar und durch ihre Organe, Einrichtungen oder sonstige Stellen, die ihre eigenen Verfahren unter der gerichtlichen Kontrolle des Gerichts und des Gerichtshofs durchführen.

58.

Allerdings kommt das Unionsrecht in immer mehr Fällen in Verfahren zur Anwendung, an denen Organe, Einrichtungen oder sonstige Stellen sowohl der Union als auch der Mitgliedstaaten beteiligt sind ( 20 ). Sie sind im Unionsrecht nicht allgemein geregelt ( 21 ), aber in der Literatur eingehend untersucht worden ( 22 ).

59.

Der Gerichtshof hat bislang ( 23 ) fallbezogen und nicht erschöpfend zur gerichtlichen Überprüfung dieser zusammengesetzten Verfahren sowie der Handlungen, mit denen sie beendet werden, Stellung genommen und die Frage, welches Gericht zuständig ist, in Anbetracht der anfechtbaren Maßnahmen beantwortet ( 24 ). Die Behandlung solcher Verfahren im Bereich der Bankenunion ist ein Meilenstein für diese Rechtsprechung ( 25 ).

60.

Als allgemeine Regel muss für die Feststellung, welches Gericht zuständig ist, ermittelt werden, wer im mehrphasigen Verwaltungsverfahren die tatsächliche Entscheidungsbefugnis innehat. Nach dieser Regel prüfen die nationalen Gerichte die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten der nationalen Behörden, wenn diese die Entscheidung erlassen, mit der ein solches Verfahren endgültig abgeschlossen wird. Parallel dazu entscheidet der Gerichtshof über die Verwaltungsakte der Unionsorgane, die mehrphasige Verfahren abschließen.

61.

Die Klarheit dieser Regel kann jedoch in zwei Fällen getrübt sein, wenn in dieser Art von Verfahren

eine das Verfahren abschließende Maßnahme der Union auf vorangegangene oder vorbereitende Handlungen nationaler Behörden gestützt wird, deren Rechtmäßigkeit streitig ist,

umgekehrt eine das Verfahren abschließende Maßnahme der nationalen Behörden durch eine mutmaßlich rechtswidrige vorangegangene Handlung der Union, auf die sie zurückgeht, kontaminiert sein kann.

62.

Der zweite Fall bereitet keine größeren Schwierigkeiten: Die nationalen Gerichte sind weiterhin für die ihnen zugewiesene gerichtliche Überprüfung zuständig, wenngleich sie verpflichtet sind, dem Gerichtshof ein Ersuchen um Vorabentscheidung über die Gültigkeit vorzulegen, wenn sie der Auffassung sind, dass die Handlung der Union ungültig sein könnte ( 26 ).

63.

Im ersten Fall sind die Probleme hingegen delikater. Welches Gericht (das nationale oder das der Union) für die Ausübung der richterlichen Kontrolle zuständig ist, hängt von den Merkmalen des in Rede stehenden Verfahrens ab, und zwar insbesondere von der Aufteilung der Entscheidungsbefugnis im Rahmen dieses Verfahrens. Bei Anwendung dieses Kriteriums führt eine Untersuchung der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Unterscheidung von zwei Fällen:

komplexe Verwaltungsverfahren der Union, bei denen die Entscheidungsbefugnis in den Händen der nationalen Behörden liegt (Rechtsprechung nach dem Urteil Borelli);

komplexe Verwaltungsverfahren der Union, bei denen die Entscheidungsbefugnis in den Händen der Unionsorgane liegt (Rechtsprechung nach dem Urteil Schweden/Kommission).

1. Rechtsprechung nach dem Urteil Borelli

64.

Das Urteil Oleificio Borelli/Kommission ( 27 ) betraf ein mehrphasiges Verwaltungsverfahren, in dem die Entscheidungsbefugnis den nationalen Behörden zugewiesen war. Der Gerichtshof entschied, dass ein Vorhaben nur dann für einen Zuschuss aus dem EAGFL in Betracht kommt, wenn es von dem Mitgliedstaat befürwortet wird, in dessen Hoheitsgebiet es durchgeführt werden soll. Demzufolge konnte die Kommission im Fall einer ablehnenden Stellungnahme das Verfahren der Prüfung des Vorhabens nicht fortsetzen und erst recht nicht die Rechtmäßigkeit der Stellungnahme überprüfen.

65.

Der Gerichtshof gelangte zu dem Schluss, dass er für die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit einer von einer nationalen Behörde vorgenommenen Handlung auch dann nicht zuständig ist, wenn diese Handlung Teil eines gemeinschaftlichen Entscheidungsprozesses ist, in dem sie die Organe der Union bindet. Etwaige Fehler der nationalen Stellungnahme konnten sich nicht auf die Gültigkeit der Entscheidung auswirken, mit der die Kommission den beantragten Zuschuss abgelehnt hat ( 28 ).

66.

Damit schloss der Gerichtshof aus, dass sich die Rechtswidrigkeit einer nationalen Handlung in einem mehrphasigen Verfahren, in dem die Entscheidungsbefugnis der nationalen Behörde überwiegt, auf eine Handlung der Union auswirken kann. Diese scheinbar unlogische Lösung wurde damit gerechtfertigt, dass verhindert werden muss, dass Verwaltungsakte der Union infolge einer Nichtigerklärung nationaler Verwaltungsakte durch nationale Gerichte wegen eines Verstoßes gegen nationale Vorschriften für ungültig erklärt werden können.

67.

Um in diesen Fällen Lücken in der richterlichen Kontrolle zu vermeiden, stellte der Gerichtshof fest, dass es Sache der nationalen Gerichte ist, gegebenenfalls im Anschluss an eine Vorlage an den Gerichtshof über die Rechtmäßigkeit der in Frage stehenden nationalen Handlung zu entscheiden, wobei sie dieselben Prüfungsmaßstäbe wie bei anderen endgültigen Entscheidungen anzuwenden haben, die von der betreffenden nationalen Behörde erlassen werden und Rechte Dritter verletzen können ( 29 ).

68.

Der Gerichtshof hat diese Rechtsprechung auf mehrphasige Verfahren ausgedehnt, in denen die Entscheidungsbefugnis der nationalen Behörden überwiegt, wenn sie die Verwaltung der Strukturfonds, den Schutz geografischer Bezeichnungen oder die Bekanntgabe der Wahl oder des Verzichts der Mitglieder des Europäischen Parlaments zum Gegenstand haben. Ich gehe sogleich auf einige von ihnen ein.

69.

Im Urteil Liivimaa Lihaveis ( 30 ) entschied der Gerichtshof, dass ein von einem Begleitausschuss im Rahmen eines operationellen Programms gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 ( 31 ) zur Förderung der europäischen territorialen Zusammenarbeit zwischen zwei Mitgliedstaaten erstellter „Programmleitfaden“ keine Handlung eines Organs, einer Einrichtung oder einer sonstigen Stelle der Union ist, so dass der Gerichtshof für die Prüfung seiner Gültigkeit nicht zuständig ist. Dieser Verwaltungsakt konnte aber vor den nationalen Gerichten angefochten werden, die den Gerichtshof um Vorabentscheidung über seine Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht ersuchen konnten ( 32 ).

70.

Im Bereich der geschützten geografischen Bezeichnungen gibt es ebenfalls Beispiele für mehrphasige Verwaltungsverfahren, in denen den nationalen Behörden ein höheres Gewicht zukommt ( 33 ). Im Urteil Carl Kühne u. a. ( 34 ) stellte der Gerichtshof fest, dass die Zuständigkeitsverteilung zwischen der Kommission (die die angemeldete Bezeichnung einträgt) und den nationalen Behörden (die zuvor geprüft haben, ob die Anforderungen der Verordnung erfüllt sind, und über den Antrag entschieden haben) dazu führt, dass eine etwaige Rechtswidrigkeit des nationalen Verwaltungsakts die Rechtmäßigkeit der Verordnung Nr. 590/1999 nicht in Frage stellt ( 35 ).

71.

Weiter führte der Gerichtshof – wie im Urteil Borelli – aus, dass es Sache der nationalen Gerichte ist, über die Rechtmäßigkeit eines Eintragungsantrags zu entscheiden, wobei sie dieselben Prüfungsmaßstäbe wie bei anderen endgültigen Entscheidungen anzuwenden haben, die von der betreffenden nationalen Behörde erlassen werden und Rechte verletzen können, die Dritte aus dem Unionsrecht ableiten; eine entsprechende Klage ist folglich als zulässig anzusehen, selbst wenn die innerstaatlichen Verfahrensvorschriften dies in einem solchen Fall nicht vorsehen ( 36 ).

72.

Für die Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments sind ebenfalls mehrphasige Verfahren vorgesehen, in denen den nationalen Behörden Vorrang zukommt. Der Gerichtshof hat, nachdem er die jeweiligen Zuständigkeiten des Parlaments und der nationalen Behörden zur Prüfung des Mandats von Europaparlamentariern voneinander abgegrenzt hat, entschieden, dass es Sache der nationalen Behörden ist, die Ergebnisse nach den nationalen Vorschriften, die mit dem Unionsrecht im Einklang stehen müssen, bekannt zu geben. Folglich musste das Europäische Parlament gemäß Art. 12 des Aktes von 1976 die erfolgte Bekanntgabe zur Kenntnis nehmen und durfte davon nicht wegen angeblicher Mängel dieser nationalen Handlung abweichen ( 37 ).

2. Rechtsprechung nach dem Urteil Schweden/Kommission

73.

Der Gerichtshof hat sich auch zu mehrphasigen Verwaltungsverfahren geäußert, bei denen die endgültige Entscheidungsbefugnis den Organen der Union übertragen ist und die nationalen Behörden an Vorverfahren oder vorbereitenden Verfahrensabschnitten beteiligt sind.

74.

In diesen Fällen liegt die Verantwortung für den Erlass der endgültigen Maßnahme, die das Verfahren abschließt, bei dem Unionsorgan, so dass ihre gerichtliche Überprüfung zwingend durch das Gericht und den Gerichtshof erfolgen muss. Außerdem haben die Maßnahmen der nationalen Behörden in diesen Verfahren nur vorbereitenden Charakter, so dass ihre Überprüfung durch die nationalen Gerichte oder den Gerichtshof im Allgemeinen unnötig ist ( 38 ).

75.

Im Urteil Niederlande/Kommission ( 39 ) unterschied der Gerichtshof mehrphasige Verfahren, bei denen die Entscheidungsbefugnis bei den Organen der Union liegt, von solchen, bei denen die Beteiligung der nationalen Behörden entscheidend ist. Konkret stellte er fest, dass die gemeinsame Marktorganisation für Bananen nicht auf einer dezentralisierten Verwaltung des Zollkontingents beruht, bei der den Mitgliedstaaten eine Entscheidungsbefugnis zustünde ( 40 ).

76.

Ein anderes mehrphasiges Verfahren, bei dem die endgültige Entscheidungsbefugnis bei den Unionsorganen liegt, wurde im Urteil Greenpeace u. a. geprüft ( 41 ); konkret ging es um die Zustimmung für eine genetisch veränderte Maisart nach der Richtlinie 90/220 ( 42 ). Der Gerichtshof entschied, dass das nationale Gericht, wenn es feststellt, dass die zuständige nationale Behörde infolge von Unregelmäßigkeiten im Ablauf der in Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 90/220 vorgesehenen Prüfung der Anmeldung durch diese Behörde die Akte nicht gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung mit einer befürwortenden Stellungnahme an die Kommission weiterleiten durfte, nicht bereits deshalb die Gültigkeit der Handlung der Kommission prüfen darf, sondern dass diese Befugnis über den indirekten Weg des Ersuchens um Vorabentscheidung über die Gültigkeit dem Gerichtshof vorbehalten ist ( 43 ).

77.

Schließlich hat sich der Gerichtshof im Urteil Schweden/Kommission ( 44 ) zu einer weiteren Modalität des mehrphasigen Verfahrens unter der Kontrolle der Unionsbehörden geäußert. Dabei ging es um den Antrag auf Zugang zu Dokumenten der Organe, wenn diese Dokumente von den Mitgliedstaaten stammen, wie in den Art. 4 und 5 der Verordnung Nr. 1049/2001 ( 45 ) geregelt. Das Organ der Europäischen Union erlässt mit vorheriger Zustimmung des Herkunftsmitgliedstaats die Entscheidung, mit der der Zugang zu dem angeforderten Dokument abgelehnt oder gewährt wird.

78.

Der Gerichtshof führte aus, dass es sich dabei um ein Verfahren handelt, an dem das Gemeinschaftsorgan und der Mitgliedstaat beteiligt sind, um darüber zu entscheiden, ob der Zugang zu einem Dokument nach einer der Ausnahmeregelungen des Art. 4 Abs. 1 bis 3 der genannten Verordnung zu verweigern ist.

79.

Unter diesen Umständen, so der Gerichtshof, „ist der Gemeinschaftsrichter dafür zuständig, auf Antrag des Betroffenen, dem das mit der Sache befasste Organ den Zugang verweigert hat, zu prüfen, ob die Weigerung wirksam auf diese Ausnahmen gestützt werden durfte; dies gilt unabhängig davon, ob die Verweigerung des Zugangs auf die Beurteilung der Ausnahmen durch das Organ selbst oder durch den Mitgliedstaat zurückzuführen ist. Für den Antragsteller ändert die Beteiligung des Mitgliedstaats nichts am Gemeinschaftscharakter der Entscheidung, die das Organ letztlich ihm gegenüber auf seinen an das Organ gerichteten Antrag auf Zugang zu einem Dokument, das sich im Besitz dieses Organs befindet, erlässt.“ ( 46 )

B.   Verwaltungsverfahren zur Genehmigung qualifizierter Beteiligungen an Kreditinstituten

80.

Mit der (zwingend vorgeschriebenen) Genehmigung der qualifizierten Beteiligungen soll sichergestellt werden, dass der Bankensektor nur natürlichen oder juristischen Personen zugänglich ist, die sein ordnungsgemäßes Funktionieren nicht gefährden. Gegenstand der Prüfung ist insbesondere die Feststellung, ob der interessierte Erwerber über einen guten Leumund und die unverzichtbare finanzielle Solidität verfügt, so dass das Institut, an dem die Beteiligungen erworben werden sollen, weiterhin seine aufsichtsrechtlichen Anforderungen erfüllt. Die Prüfung trägt auch dazu bei, zu verhindern, dass die Transaktion aus Mitteln finanziert wird, die aus illegalen Aktivitäten stammen.

81.

Art. 2 Nr. 8 der SSM-Verordnung verweist auf die Definition der „qualifizierten Beteiligung“ in Art. 4 Abs. 1 Nr. 36 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 ( 47 ). Man versteht darunter „das direkte oder indirekte Halten von mindestens 10 % des Kapitals oder der Stimmrechte eines Unternehmens oder eine andere Möglichkeit der Wahrnehmung eines maßgeblichen Einflusses auf die Geschäftsführung dieses Unternehmens“.

82.

Nach Art. 22 CRD IV ist für den Erwerb oder die Erhöhung ( 48 ) qualifizierter Beteiligungen die vorgeschriebene Genehmigung notwendig. Sämtliche Aufsichtsbehörden der Union, sowohl diejenigen der Staaten, die der Bankenunion angehören, als auch diejenigen der Staaten, die dies nicht tun, müssen das Genehmigungsverfahren einhalten.

1. Kriterien für die Erteilung der Genehmigung

83.

Art. 23 CRD IV harmonisiert die wesentlichen Kriterien für die Beurteilung des Erwerbs oder der Erhöhung einer qualifizierten Beteiligung ( 49 ). Dabei handelt es sich allerdings um eine Teilharmonisierung, denn die Richtlinie regelt nicht im Einzelnen, wie die einzelnen Kriterien, die in Anwendung der nationalen Vorschriften zu beurteilen sind, zu erfüllen sind.

84.

Zur Angleichung der Praxis in den Staaten haben die europäischen Aufsichtsbehörden im Jahr 2016 Gemeinsame Leitlinien zur aufsichtsrechtlichen Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von qualifizierten Beteiligungen im Finanzsektor ( 50 ) erlassen. Für die Bankinstitute findet sich die Rechtsgrundlage für die Leitlinien in Art. 16 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1093/2010 ( 51 ), wonach die Europäische Bankenaufsichtsbehörde Leitlinien und Empfehlungen für die zuständigen Behörden und die Finanzinstitute herausgibt, um innerhalb des ESFS kohärente, effiziente und wirksame Aufsichtspraktiken zu schaffen und eine gemeinsame, einheitliche und kohärente Anwendung des Unionsrechts sicherzustellen.

85.

Auch wenn es sich bei den Leitlinien um Rechtsakte handelt, die nicht verbindlich sind, verpflichten sich die Staaten, sie (und die Empfehlungen) so weit wie möglich mittels der als „comply or explain“ bekannten Technik zu befolgen ( 52 ). Nach den Angaben in der mündlichen Verhandlung haben die italienischen Behörden in einer im Jahr 2017 ergangenen Entscheidung des Comitato Interministeriale per il Credito ed il Risparmio (Interministerieller Ausschuss für Kredit- und Sparwesen) beschlossen, die Leitlinien von 2016 anzuwenden.

2. Genehmigungsverfahren

86.

Das Verfahren zur Erteilung dieser Art von Genehmigungen ist in Art. 4 Abs. 1 Buchst. c, Art. 6 Abs. 4 und Art. 15 der SSM-Verordnung geregelt, die durch die Art. 85 bis 87 der SSM-Rahmenverordnung ergänzt werden.

87.

Gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. c in Verbindung mit Art. 6 Abs. 4 der SSM-Verordnung ist die EZB ausschließlich für die Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von qualifizierten Beteiligungen an Kreditinstituten, die dem einheitlichen Aufsichtsmechanismus unterliegen, zuständig, unabhängig davon, ob sie mehr oder weniger bedeutend sind und unter der unmittelbaren Aufsicht der EZB oder der NCA stehen.

88.

Daran wird deutlich, dass durch die SSM-Verordnung ein „wirklich integrierter Aufsichtsmechanismus“ errichtet wurde, in dem die wesentlichen Prozesse für alle Kreditinstitute unabhängig davon, ob sie „bedeutend“ oder „weniger bedeutend“ sind, gelten und sowohl die EZB als auch die NCA beteiligt sind.

89.

Die durch die SSM-Verordnung eingeführten gemeinsamen Verwaltungsverfahren werden durchgeführt, wenn es um die Zulassung zur Aufnahme der Tätigkeit eines Kreditinstituts oder ihren Entzug sowie die Beurteilung des Erwerbs oder der Erhöhung qualifizierter Beteiligungen geht.

90.

Konkret übt die EZB ihre Zuständigkeit für die Kontrolle über den Erwerb und die Erhöhung qualifizierter Beteiligungen nach Maßgabe des Art. 15 der SSM-Verordnung, ergänzt durch die Art. 85 bis 87 der SSM-Rahmenverordnung, aus. An dem Verfahren, das insoweit durchzuführen ist, sind die EZB als das die Entscheidung treffende Organ und die NCA als die mit der Vorbereitung der Entscheidungen beauftragten Stellen beteiligt.

91.

Dieses Verfahren wird folgendermaßen durchgeführt ( 53 ):

Der Antragsteller übermittelt Anzeigen über den Erwerb oder die Erhöhung einer qualifizierten Beteiligung an die betreffende NCA, d. h. die NCA des Mitgliedstaats, in dem das zu erwerbende Institut seinen Sitz hat.

Die NCA benachrichtigt die EZB über die Anzeige der Absicht des Erwerbs oder der Erhöhung einer qualifizierten Beteiligung maximal fünf Werktage nach Absenden der Eingangsbestätigung an den Antragsteller. Das Verfahren kann erst abgeschlossen werden, wenn die erforderlichen Angaben eingereicht werden. Die Antragsteller sollten aus diesem Grund sicherstellen, dass ihre Anträge vollständig und gut strukturiert sind. Weist der Antrag bei der ersten Überprüfung Lücken oder Widersprüche auf, fordert die betreffende NCA den Antragsteller unverzüglich auf, die erforderlichen Änderungen vorzunehmen.

Sobald die Anträge eingereicht wurden und ihre Vollständigkeit bestätigt wurde, unterliegen sie einer komplementären Bewertung durch die betreffende NCA, die EZB und etwaige andere beteiligte NCAs. Durch die Bewertung soll sichergestellt werden, dass alle betroffenen Parteien ein umfassendes Verständnis des Geschäftsmodells und seiner Durchführbarkeit erhalten. Hierzu bezieht sie sämtliche Kriterien ein, die in den nationalen und europäischen Gesetzen festgelegt sind.

Die NCA reicht einen Beschlussentwurf ein, in dem sie der EZB eine Ablehnung oder Genehmigung des Erwerbs oder der Erhöhung der qualifizierten Beteiligung empfiehlt. Der endgültige Beschluss über die Genehmigung oder Ablehnung wird dann von der EZB gefasst. Soll ein Antrag abgelehnt werden oder müssen zusätzliche Bedingungen aufgestellt werden, kommt es zu einem Anhörungsverfahren.

Die EZB erlässt den Beschluss, mit dem das Verfahren beendet wird, und bedient sich dabei des üblichen Beschlussfassungsverfahrens im Bereich der Bankenunion, das in Art. 26 Abs. 6 und 8 der SSM-Verordnung geregelt ist: Das Aufsichtsgremium der EZB legt dem EZB-Rat den vollständigen Beschlussentwurf vor, der als angenommen gilt, wenn der EZB-Rat nicht innerhalb einer Frist von höchstens zehn Tagen widerspricht.

Der Antragsteller wird durch die EZB vom endgültigen Beschluss in Kenntnis gesetzt. Wird der Erwerb abgelehnt oder ist der interessierte Erwerber der Auffassung, dass der Beschluss in irgendeiner Weise für ihn nachteilig ist, kann er seine Überprüfung durch den in Art. 24 der SSM-Verordnung vorgesehenen administrativen Überprüfungsausschuss der EZB beantragen.

C.   Erste Vorlagefrage: gerichtliche Überprüfung nationaler vorbereitender Maßnahmen im Verfahren zur Genehmigung des Erwerbs qualifizierter Beteiligungen an Kreditinstituten

92.

Das Verfahren zur Genehmigung des Erwerbs oder der Erhöhung qualifizierter Beteiligungen an Finanzinstituten ist, wie ich soeben dargestellt habe, mehrphasiger Natur, da die EZB als Behörde, die entscheidet, und die NCA als Instanzen, die mit der Vorbereitung der Beschlüsse beauftragt sind, beteiligt sind. Ich wende mich zunächst den Fragen im Zusammenhang mit der Entscheidungsbefugnis zu und befasse mich sodann mit der gerichtlichen Überprüfung der in diesem Verfahren ergehenden endgültigen Entscheidung.

1. Endgültige Entscheidungsbefugnis

93.

Nach Eingang des Antrags beschränkt sich die Beteiligung der NCA auf die Prüfung, ob die im Unionsrecht und im nationalen Recht niedergelegten Voraussetzungen für die Genehmigung der Transaktion erfüllt sind. Ihre Aufgabe ist erledigt, wenn sie der EZB einen Beschlussentwurf oder Beschlussvorschlag vorlegen, der für dieses Organ in keinem Fall bindend ist.

94.

Mit diesem Vorschlag beginnt die Entscheidungsphase des mehrphasigen Verfahrens, die bereits in der alleinigen Verantwortung der EZB liegt, die den Antrag auf Erwerb oder Erhöhung der qualifizierten Beteiligung schließlich ablehnt oder ihm stattgibt. Meines Erachtens handelt es sich um eine ausschließliche Entscheidungsbefugnis der EZB, wofür folgende Gründe sprechen.

95.

Erstens schreibt Art. 87 der SSM-Rahmenverordnung vor, dass „[d]ie EZB beschließt, ob sie den Erwerb auf Grundlage ihrer Prüfung des geplanten Erwerbs und des Beschlussentwurfs der NCA ablehnt oder nicht ablehnt“. Wie die Banca d’Italia vorträgt, ergibt sich aus dieser Bestimmung, dass die EZB beim Erlass ihres endgültigen Beschlusses über ein umfassendes Ermessen hinsichtlich der tatsächlichen und rechtlichen Umstände verfügt. Der Vorschlag, den ihr die NCA übermittelt, ist nur ein weiteres Beurteilungselement, aber nicht unbedingt das einzige. Nichts hindert die EZB daran, selbst Ermittlungen oder Untersuchungen durchzuführen ( 54 ) und zu einem Ergebnis zu gelangen, das von dem für sie nicht verbindlichen Vorschlag der NCA abweicht ( 55 ).

96.

Der spätere Beschluss der EZB wird, wie bereits ausgeführt, durch den Entwurf der NCA rechtlich nicht bedingt. Dieser kann, je nach seinem Inhalt, die EZB mehr oder weniger beeinflussen, aber diese Eigenschaft weisen auch andere Verfahrensabschnitte (z. B. eine unverbindliche Stellungnahme) in anderen Verfahren auf. Die NCA besitzt, abgesehen davon, dass sie für die Ermittlungen im ersten Abschnitt des Verfahrens nach Eingang des Antrags auf Genehmigung zuständig ist, keine spezifische Entscheidungsbefugnis. Es handelt sich also nicht, wie Herr Berlusconi in seinen schriftlichen Erklärungen offenbar zum Ausdruck bringen will, um ein Mitentscheidungsverfahren unter Beteiligung der NCA und der EZB.

97.

Zweitens besteht die Möglichkeit, dass die EZB entscheidet, ihren endgültigen Beschluss abzuändern und von dem von ihr übernommenen Vorschlag der NCA abzuweichen, nachdem der administrative Überprüfungsausschuss ( 56 ) eingegriffen und einer Beschwerde des potenziellen Erwerbers ganz oder zum Teil abgeholfen hat ( 57 ). Die EZB kann darüber hinaus Bedingungen für die Genehmigung des Erwerbs oder der Erhöhung einer qualifizierten Beteiligung in ihren endgültigen Beschluss aufnehmen, die im Vorschlag der NCA nicht enthalten sind.

98.

Drittens bedeutet der Umstand, dass die Anfangsphase des Verfahrens vor der NCA durchgeführt wird, nicht, dass die EZB damit nichts zu tun hätte. Nach Art. 85 Abs. 1 der SSM-Rahmenverordnung muss eine NCA, die eine Anzeige über den geplanten Erwerb einer qualifizierten Beteiligung an einem Kreditinstitut erhält, die EZB spätestens fünf Arbeitstage nach der Bestätigung ihres Eingangs unterrichten. Außerdem sieht Art. 6 Abs. 2 der SSM-Verordnung vor, dass sowohl die EZB als auch die NCA der Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit und zum Informationsaustausch unterliegen.

99.

Viertens wird der Beschlussentwurf, den die NCA der EZB vorlegt, dem Antragsteller von der nationalen Behörde nicht übermittelt, was seine Eigenschaft als rein interne Handlung zur Vorbereitung des endgültigen Beschlusses der EZB, die weder für den Antragsteller noch für Dritte rechtliche Bedeutung hat ( 58 ), bestätigt.

100.

Fünftens unterscheidet sich das Verfahren zur Genehmigung des Erwerbs oder der Erhöhung qualifizierter Beteiligungen von anderen ähnlichen Verfahren, wie dem der Zulassung zur Aufnahme der Bankentätigkeit. In Letzterem ist die NCA gemäß Art. 14 Abs. 2 der SSM-Verordnung ( 59 ) befugt, eigenständig den Beschluss über die Ablehnung des Zulassungsantrags zu erlassen, den sie dem Antragsteller mitteilt und der diesem und Dritten gegenüber Wirkungen entfaltet. Dabei handelt es sich um eine endgültige Maßnahme, die von den nationalen Gerichten überprüft werden kann, die wiederum dem Gerichtshof ein Vorabentscheidungsersuchen vorlegen können. Im Verfahren zur Genehmigung des Erwerbs qualifizierter Beteiligungen verfügen die NCA hingegen nicht über diese Befugnisse.

101.

Sechstens gilt nach Art. 22 Abs. 6 CRD IV der beabsichtigte Erwerb als genehmigt, wenn die zuständigen Behörden innerhalb des Beurteilungszeitraums keinen schriftlichen Einspruch gegen ihn erheben. Bleibt die NCA untätig, kann die EZB (gemäß Art. 9 Abs. 1 Satz 3 der SSM-Verordnung ( 60 )) eingreifen, um eine solche stillschweigende Genehmigung zu verhindern, und die NCA auffordern, zu dem Antrag auf Genehmigung des Erwerbs oder der Erhöhung einer qualifizierten Beteiligung Stellung zu nehmen. Daran wird deutlich, dass die EZB von Anfang an in dieses Verfahren eingeschaltet ist und dass dieses Organ die ausschließliche Kontrolle darüber ausübt.

2. Gerichtliche Überprüfung der in diesen Verfahren ergangenen Entscheidungen

102.

Nachdem feststeht, dass die Frage der Genehmigung des Erwerbs oder der Erhöhung qualifizierter Beteiligungen an Finanzinstituten in einem komplexen Verfahren geprüft wird, bei dem die endgültige Entscheidung ausschließlich der EZB zukommt, ist die gerichtliche Überprüfung der in diesem Verfahren ergangenen Entscheidungen zu klären.

103.

Bei der Frage, nach welcher Regelung sich die gerichtliche Kontrolle richtet, stellen sowohl die Rechtsprechung nach dem Urteil Borelli als auch die Rechtsprechung nach dem Urteil Schweden/Kommission auf die konkrete Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den nationalen Behörden und den Unionsorganen ab. Steht die Entscheidungsbefugnis den nationalen Behörden zu, ist die Rechtsprechung nach dem Urteil Borelli einschlägig, liegt sie in den Händen der Unionsbehörde, kommt die Rechtsprechung nach dem Urteil Schweden/Kommission ins Spiel.

104.

Der SSM ist eine komplexe und mehrstufige, aus der EZB und den NCA gebildete Struktur, in der die EZB eine Schlüsselposition einnimmt, die Verantwortung für das Funktionieren des Systems trägt und sämtliche Aufgaben des Mechanismus kontrolliert ( 61 ). Zur Erreichung dieser Ziele verfügt die EZB im Rahmen des SSM über ausschließliche Befugnisse. Die Beteiligung der NCA ist der Logik einer dezentralisierten Ausübung dieser Befugnisse geschuldet, nicht einer Verteilung eigener Zuständigkeiten zwischen der EZB und den nationalen Behörden ( 62 ).

105.

Im Verfahren zur Genehmigung qualifizierter Beteiligungen ist die endgültige Entscheidungsbefugnis – wie in der Mehrzahl der komplexen Verwaltungsverfahren der Bankenunion – ausschließlich bei der EZB konzentriert. Dementsprechend sind ausschließlich das Gericht und der Gerichtshof für die gerichtliche Überprüfung der Ausübung dieser konzentrierten Befugnis zuständig ( 63 ).

106.

Diese Feststellung lässt sich meines Erachtens kaum widerlegen. In der Tat hat Fininvest gegen den Beschluss, mit dem die EZB den Erwerb der qualifizierten Beteiligung an Banca Mediolanum ablehnte, eine Nichtigkeitsklage erhoben, die beim Gericht anhängig ist (T‑913/16).

107.

Der Vorbereitungscharakter der Handlungen der NCA in der Anfangsphase des Verfahrens bestätigt erforderlichenfalls, dass der Gerichtshof die ausschließliche richterliche Kontrolle sowohl über die Beschlüsse zur Genehmigung des Erwerbs oder der Erhöhung von qualifizierten Beteiligungen an Bankinstituten als auch die ihnen vorausgehenden Vorschläge ausübt.

108.

Nach gefestigter Rechtsprechung des Gerichtshofs kann nur die Gültigkeit von Handlungen der Organe angefochten werden, die – unabhängig von ihrer Rechtsnatur oder Form – dazu bestimmt sind, verbindliche Rechtswirkungen zu erzeugen, die die Interessen des Klägers durch eine qualifizierte Änderung seiner Rechtsstellung berühren. Handelt es sich also um Handlungen oder Entscheidungen, die in einem mehrphasigen Verfahren ergehen, sind sie nur anfechtbar, wenn sie den Standpunkt (normalerweise der Kommission oder des Rates) zum Abschluss dieses Verfahrens endgültig festlegen. Nicht anfechtbar sind Zwischenmaßnahmen, die die abschließende Entscheidung vorbereiten sollen ( 64 ).

109.

Diese Rechtsprechung lässt sich auf Verfahren übertragen, bei denen die vorbereitende Maßnahme mit reinem Hilfscharakter von einer nationalen Behörde stammt. Ist die Maßnahme dieser Behörde auf einen Vorschlag beschränkt, der definitionsgemäß keinen Entscheidungscharakter aufweist, ist sie nicht geeignet, die Rechtsstellung einer natürlichen oder juristischen Person zu beeinträchtigen. Es fehlt ihr also der Charakter, der ihre eigenständige Anfechtung erlauben würde. Die Fehler, die bei der Ausarbeitung des Vorschlags möglicherweise unterlaufen sind, können zudem im Rahmen der Anfechtung der endgültigen Entscheidung, in die sein Inhalt übernommen wird, geltend gemacht werden.

110.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die nationalen Gerichte über rein vorbereitende Maßnahmen der NCA, die Teil eines mehrphasigen Verfahrens sind, bei dem die abschließende Entscheidung der EZB zugewiesen ist, nicht entscheiden dürfen. Denn sonst würden faktisch die nationalen Gerichte die inhaltliche Kontrolle über Entscheidungen ausüben, die nicht Sache der NCA, sondern der EZB sind, was überdies zu widersinnigen Situationen führen könnte ( 65 ).

111.

Meiner Meinung nach ist die gerichtliche Überprüfung sämtlicher Maßnahmen im Rahmen des Verfahrens zur Genehmigung des Erwerbs und der Erhöhung von qualifizierten Beteiligungen an Bankinstituten daher den Unionsgerichten und nicht den nationalen Gerichten zuzuweisen.

112.

Diese Zuweisung der Rechtsprechungskompetenz ist selbstverständlich nicht frei von Schwierigkeiten. Zur Wahrung des Anspruchs der Betroffenen auf effektiven Rechtsschutz müssen die Unionsgerichte, wenn dieser Einwand vor ihnen erhoben wird, prüfen, ob die vorbereitenden Handlungen der NCA, deren Inhalt die EZB später übernommen hat, die Nichtigkeit begründende Mängel aufweisen, die so schwerwiegend sind, dass sie das gesamte Verfahren unheilbar kontaminiert haben.

113.

Unter diesem Gesichtspunkt muss das Gericht im Rahmen der Nichtigkeitsklage gegen die abschließende Entscheidung der EZB (Rechtssache T‑913/16) die mögliche Rechtswidrigkeit des Vorschlags der Banca d’Italia prüfen, da die EZB bei der Entscheidung, ob sie den Vorschlag der NCA übernimmt oder nicht, über ein Ermessen verfügte.

114.

Diese Lösung steht außerdem im Einklang mit Art. 4 Abs. 3 der SSM-Verordnung ( 66 ). Mit dieser Bestimmung wird der EZB die Anwendung des nationalen Rechts zur Umsetzung von Richtlinien und – ausnahmsweise – Verordnungen auf dem Gebiet der Bankenunion anvertraut, was bestätigt, dass sich die gerichtliche Prüfung durch den Gerichtshof auf diese Fälle erstreckt ( 67 ).

115.

In Anbetracht dieser Erwägungen bin ich der Ansicht, dass Art. 263 AEUV

dem Gerichtshof die ausschließliche Zuständigkeit für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahmen zuweist, die im Rahmen des in Art. 4 Abs. 1 Buchst. c und Art. 15 der SSM-Verordnung sowie den Art. 85, 86 und 87 der SSM-Rahmenverordnung vorgesehenen Verfahrens getroffen werden, und

es den nationalen Gerichten verwehrt, die nationalen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Verfahrenseinleitung, Ermittlung und Unterbreitung von Vorschlägen, die die nationale zuständige Behörde im Rahmen dieses Verfahrens trifft, das mit einem endgültigen Beschluss der EZB endet, auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen.

D.   Zweite Vorlagefrage: Auswirkungen rechtskräftiger nationaler Urteile auf die gerichtliche Überprüfung nationaler Vorbereitungshandlungen

116.

Aus der Antwort, die ich auf die erste Frage vorschlage, ergibt sich konsequenterweise die Antwort auf die zweite. Da die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichts und des Gerichtshofs für die gerichtliche Überprüfung der in diesen Verfahren ergriffenen Maßnahmen bejaht wird, während sie für die nationalen Gerichte verneint wird, ist es unerheblich, dass Letztere möglicherweise im Rahmen des „giudizio di ottemperanza“ oder eines anderen gerichtlichen Verfahrens des innerstaatlichen Rechts entscheiden müssen.

117.

Die Zuweisung der Zuständigkeit ist eine unverzichtbare Voraussetzung für die Gültigkeit des späteren gerichtlichen Handelns. Ist ein Gericht nicht zuständig, kann es schlicht und einfach nicht entscheiden, weder in dem einen Verfahren noch in einem anderen. Der „giudizio de ottemperanza“ ist eines dieser Verfahren, mit dem die italienische Rechtsordnung gewährleisten will, dass die Rechtskraft einer vorangegangenen gerichtlichen Entscheidung beachtet wird ( 68 ).

118.

Herr Berlusconi und Fininvest wollen dieses Verfahren unter Berufung auf das Urteil des Consiglio di Stato (Staatsrat) vom 3. März 2016 als Grund für die Nichtigkeit des Beschlussvorschlags, den die Banca d’Italia der EZB im Rahmen des Genehmigungsverfahrens vorgelegt hat, betreiben. Wenn aber, wie ich bereits ausgeführt habe, die italienischen Gerichte für die Prüfung der Vorbereitungshandlungen der NCA nicht zuständig sind, muss dieser Einwand vor dem Gericht erhoben werden (wie in der Rechtssache T‑913/16 erfolgt), nicht aber vor den nationalen Gerichten.

119.

Meines Erachtens ist es somit nicht möglich, sich auf die Verfahrensautonomie des italienischen Staates zu berufen, um zu begründen, dass die (mögliche) Rechtskraftwirkung des Urteils vom 3. März 2016 einem nationalen Gericht die Zuständigkeit für die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Handlungen der Banca d’Italia zur Vorbereitung des endgültigen Beschlusses der EZB verleiht.

120.

Ich glaube daher nicht, dass der Gerichtshof weiter gehen und in die noch nicht entschiedene Debatte über die Auswirkungen dieses Urteils auf die vorliegende Rechtssache eingreifen muss. Als bloße Hilfserwägung lege ich aber dar, weshalb ich der Meinung bin, dass der durch das Urteil vom 3. März 2016 entschiedene und der jetzige Rechtsstreit weder subjektiv noch objektiv identisch sind (was für die Feststellung der Rechtskraftwirkung erforderlich ist).

121.

Zur objektiven Identität:

Die vorangegangene Klage betraf die Entscheidung der Banca d’Italia und des IVASS Nr. 976145/14 vom 7. Oktober 2014, mit der festgestellt wurde, dass Herr Berlusconi die für den Besitz qualifizierter Beteiligungen an Finanzvermittlern vorgesehene Leumundsanforderung nicht erfülle.

Im jetzigen Rechtsstreit geht es um die Rechtmäßigkeit des Vorschlags der Banca d’Italia (der dann in den Beschluss der EZB von 2016 übernommen wurde), in dem der indirekte Erwerb einer qualifizierten Beteiligung an der Banca Mediolanum durch Herrn Berlusconi über Fininvest abgelehnt wurde. Der Grund für diese Ablehnung liegt in seiner rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren wegen Steuerbetrugs, auf die das Urteil des Consiglio di Stato (Staatsrat) Bezug nahm. Aber sowohl die Banca d’Italia als auch die EZB haben sich bei ihrer Beurteilung, dass die Erwerber die Leumundsanforderung nicht erfüllten, auch auf weitere hinzutretende Gesichtspunkte gestützt, von denen einige zeitlich nach dem Urteil vom 3. März 2016 lagen ( 69 ).

122.

Zur subjektiven Identität:

Die EZB war an dem Verfahren, das in das Urteil vom 3. März 2016 mündete, nicht beteiligt und konnte es auch nicht sein, während ihr in dem hier in Rede stehenden Verfahren eine entscheidende Rolle zukommt.

Im Beschluss der EZB von 2016 wird der fehlende gute Leumund nicht nur des „kontrollierenden Gesellschafters und indirekten Erwerbers Herrn Berlusconi, sondern auch eines weiteren Mitglieds des Verwaltungsrats und eines Mitglieds des Aufsichtsrats der Fininvest sowie der Fininvest selbst“ ( 70 ) festgestellt.

123.

Zudem handelt es sich um unterschiedliche Erwerbe qualifizierter Beteiligungen, die anzuwendenden Vorschriften weichen voneinander ab, und das Verfahren, für dessen Abschluss nunmehr ausschließlich die EZB zuständig ist, hat sich geändert.

124.

Da der durch das rechtskräftige Urteil des Consiglio di Stato (Staatsrat) vom 3. März 2016 entschiedene und der nunmehr anhängige Rechtsstreit weder objektiv noch subjektiv identisch sind, lässt sich der Grundsatz der Rechtskraft schwerlich anwenden.

125.

Darüber hinaus und höchst hilfsweise scheidet eine Berufung auf den Grundsatz der Rechtskraft aus, wenn es darum geht, die Durchführung von Urteilen zu gewährleisten, die unter eindeutiger Verletzung unionsrechtlicher Vorschriften ergangen sind ( 71 ), wie es bei Urteilen der Fall wäre, die in die ausschließliche Zuständigkeit der EZB für die Genehmigung des Erwerbs qualifizierter Beteiligungen eingreifen könnten.

IV. Ergebnis

126.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen des Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) wie folgt zu beantworten:

1.

Art. 263 AEUV in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 Buchst. c und Art. 15 der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates vom 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank und den Art. 85, 86 und 87 der Verordnung (EU) Nr. 468/2014 der Europäischen Zentralbank vom 16. April 2014 zur Einrichtung eines Rahmenwerks für die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Zentralbank und den nationalen zuständigen Behörden und den nationalen benannten Behörden innerhalb des einheitlichen Aufsichtsmechanismus

weist dem Gerichtshof der Europäischen Union die ausschließliche Zuständigkeit für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahmen zu, die im Rahmen des in den angeführten Artikeln der beiden Verordnungen vorgesehenen Verfahrens zur Genehmigung des Erwerbs und der Erhöhung qualifizierter Beteiligungen an Bankinstituten getroffen werden, und

verwehrt es den nationalen Gerichten, die nationalen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Verfahrenseinleitung, Ermittlung und Unterbreitung von Vorschlägen, die die nationale zuständige Behörde im Rahmen dieses Verfahrens trifft, bei dem die abschließende Entscheidung der Europäischen Zentralbank zusteht, auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen.

2.

Die fehlende Zuständigkeit der nationalen Gerichte für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der im Rahmen dieses Verfahrens getroffenen Maßnahmen kann nicht durch die Erhebung einer Nichtigkeitsklage („giudizio de ottemperanza“) unterlaufen werden, mit der die Verletzung oder Umgehung der Rechtskraft eines früheren Urteils eines nationalen Gerichts geltend gemacht wird.


( 1 ) Originalsprache: Spanisch.

( 2 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG (ABl. 2013, L 176, S. 338, auch bekannt als Eigenkapitalrichtlinie oder CRD IV).

( 3 ) Bei den als Basel III bezeichneten Abkommen handelt es sich um eine Reihe auf internationaler Ebene getroffener Maßnahmen, die der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht als Reaktion auf die Finanzkrise entwickelt hat. Ihr Ziel besteht in einer Verstärkung der Regulierung, der Aufsicht und des Risikomanagements von Banken. Vgl. hierzu die Informationen auf der Website des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht https://www.bis.org/bcbs/basel3.htm.

( 4 ) Verordnung des Rates vom 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank (ABl. 2013, L 287, S. 63, im Folgenden: SSM-Verordnung).

( 5 ) Verordnung der Europäischen Zentralbank vom 16. April 2014 zur Einrichtung eines Rahmenwerks für die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Zentralbank und den nationalen zuständigen Behörden und den nationalen benannten Behörden innerhalb des einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM-Rahmenverordnung) (ABl. 2014, L 141, S. 1).

( 6 ) Decreto legislativo 1 settembre 1993, n. 385, Testo unico delle leggi in materia bancaria e creditizia (Testo unico bancario) (Gesetzvertretendes Dekret Nr. 385 vom 1. September 1993, kodifizierte Fassung der Gesetze über das Bank- und Kreditwesen [Testo unico bancario – Bankengesetz], im Folgenden: TUB). Zum im Ausgangsrechtsstreit maßgebenden Zeitpunkt fanden sich die Vorschriften über qualifizierte Beteiligungen in Titel II TUB in der Fassung des Gesetzvertretenden Dekrets Nr. 72 vom 12. Mai 2015, mit dem die CRD IV in das italienische Recht umgesetzt wurde.

( 7 ) Abs. 2 verwies für die konkrete Festlegung dieser Anforderungen auf eine zukünftige Regelung (die das Ministerium für Wirtschaft und Finanzen nach Anhörung der Banca d’Italia erlassen sollte), die aber nicht ausgearbeitet wurde.

( 8 ) Decreto 18 marzo 1998, n.o 144, regolamento recante norme per l’individuazione dei requisiti di onorabilità dei partecipanti al capitale sociale delle banche e fissazione della soglia rilevante (Ministerialdekret vom 18. März 1998, Nr. 144, Regelung mit Bestimmungen zur Feststellung der Anforderungen hinsichtlich des Leumunds der Teilhaber am Gesellschaftskapital der Banken und zur Festlegung des relevanten Schwellenwerts, im Folgenden: Dekret Nr. 144 von 1998).

( 9 ) Legge 7 agosto 1990, n. 241, nuove norme in materia di procedimento amministrativo e di diritto di acceso ai documenti amministrativi, come modificata dalla legge 11 febbraio 2005, n. 15 (Gesetz Nr. 241 vom 7. August 1990 mit neuen Vorschriften für das Verwaltungsverfahren und das Recht auf Zugang zu Verwaltungsunterlagen in der durch das Gesetz Nr. 15 vom 11. Februar 2005 geänderten Fassung).

( 10 ) Codice del processo amministrativo, decreto legislativo 2 luglio 2010, n. 104 (Verwaltungsprozessordnung, Gesetzvertretendes Dekret Nr. 104 vom 2. Juli 2010).

( 11 ) Decreto legislativo 4 de marzo 2014, n. 53, attuazione della direttiva 2011/89/UE (Gesetzvertretendes Dekret Nr. 53 vom 4. März 2014, mit dem die Richtlinie 2011/89/EU [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 zur Änderung der Richtlinien 98/78/EG, 2002/87/EG, 2006/48/EG und 2009/138/EG hinsichtlich der zusätzlichen Beaufsichtigung der Finanzunternehmen eines Finanzkonglomerats (ABl. 2011, L 136, S. 113)]), durch die die Leumundsanforderungen an das Leitungspersonal von Bankinstituten auf gemischte Finanzholdinggesellschaften erstreckt wurden, in das italienische Recht umgesetzt wurde.

( 12 ) Es handelte sich um eine „konzerninterne Verschmelzung mit Aktienaustausch 1 : 1“ mit dem Ziel, angesichts der Tatsache, dass die Gesellschaft Mediolanum 100 % des Kapitals der Banca Mediolanum hielt, eine vereinfachte Gesellschaftsstruktur zu schaffen und die Organisation des Bankkonzerns zu rationalisieren.

( 13 ) Fininvest kontrollierte von da an ungefähr 30,124 % des Kapitals der Banca Mediolanum, übte aber eine effektive Kontrolle nur über 9,999 % aus, da die Banca d’Italia die Aussetzung der Stimmrechte und die Veräußerung der restlichen Beteiligungen von 20,125 % angeordnet hatte.

( 14 ) Zu der von der Banca d’Italia erhobenen Einrede des mangelnden Rechtsschutzinteresses führte der Consiglio di Stato (Staatsrat) aus, dass das Schreiben vom 23. Juli 2015 rein bestätigenden Charakter habe, da es ohne eine neue und eigenständige Beurteilung die zuvor für die Aktien der Gesellschaft Mediolanum festgelegte Veräußerungsverpflichtung ausdehne. Eine Aufhebung der bestätigten Entscheidung bewirke daher automatisch die Hinfälligkeit der bestätigenden Maßnahme.

( 15 ) Richtlinie 2007/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007 zur Änderung der Richtlinie 92/49/EWG des Rates sowie der Richtlinien 2002/83/EG, 2004/39/EG, 2005/68/EG und 2006/48/EG in Bezug auf Verfahrensregeln und Bewertungskriterien für die aufsichtsrechtliche Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von Beteiligungen im Finanzsektor (ABl. 2007, L 247, S. 1).

( 16 ) Der Consiglio di Stato (Staatsrat) war der Auffassung, die Dekretsbestimmung sei durch die Richtlinie 2007/44 nicht stillschweigend aufgehoben worden. Eine stillschweigende Aufhebung setze als unerlässliche Voraussetzung die Identität der durch die Vorschriften geregelten Sachverhalte voraus, wohingegen im vorliegenden Fall die beiden Regelungen einen unterschiedlichen Anwendungsbereich hätten: Die Gemeinschaftsregelung beziehe sich auf den Erwerb einer Beteiligung, während sich das Dekret Nr. 144 von 1998 auf eine bereits erworbene und somit gegenwärtig gehaltene Beteiligung beziehe.

( 17 ) ECB/SSM/20016-7LVZJ6XRIE7VNZ4UBX81/4 (im Folgenden: EZB-Beschluss von 2016).

( 18 ) Rechtssache Fininvest und Berlusconi/EZB (T‑913/16).

( 19 ) Urteile vom 3. Dezember 1992, Oleificio Borelli/Kommission (C‑97/91, EU:C:1992:491, Rn. 9), vom 25. Januar 2007, Dalmine/Kommission (C‑407/04 P, EU:C:2007:53, Rn. 62), vom 18. Dezember 2007, Schweden/Kommission (C‑64/05 P, EU:C:2007/802, Rn. 91), und vom 17. September 2014, Liivimaa Lihaveis (C‑562/12, EU:C:2014:2229, Rn. 48).

( 20 ) Diese Art von Verfahren entspricht dem, was die Lehre als gemeinsame oder integrierte Verwaltung bezeichnet. Vgl. Ziller, J., „Les concepts d’administration directe, d’administration indirecte et de coadministration et les fondements du droit administratif européen“, Auby, J.‑B., Dutheil de la Rochère, J. (Hrsg.), Traité de Droit Administratif Européen, Bruylant, Brüssel, 2014, S. 327 ff., Hofmann, H. C. H., „Conclusions: Europe’s integrated administration“, Hofmann, H. C. H., Türk, A. (Hrsg.), EU Administrative Governance, S. 583, Schmidt-Aßmann, E., „Introduction“, Jansen, O., Schöndorf-Haubold, B. (Hrsg.), The European Composite Administration, Intersentia, Brüssel, 2011, S. 6 bis 8.

( 21 ) Ein ehrgeiziger Vorschlag zur Kodifizierung der Verwaltungsverfahren der Union in der Lehre stammt von Mir, O., Hofmann, H. C. H., Schneider, J.‑P., Ziller, J., u. a. (Hrsg.), Código ReNEUAL de procedimiento administrativo de la Unión Europea, INAP, Madrid, 2015 [deutsche Fassung: Hofmann, H. C. H., Schneider, J.‑P., Ziller, J., u. a. (Hrsg.), ReNEUAL – Musterentwurf für ein EU-Verwaltungsverfahrensrecht, C. H. Beck, München, 2015]. Art. I‑4 (4) des ReNEUAL-Musterentwurfs definiert das „Verbundverfahren“ als ein Verwaltungsverfahren, in dem EU-Behörden und Behörden eines Mitgliedstaats oder mehrerer Mitgliedstaaten getrennte, aber wechselseitig voneinander abhängige Aufgaben haben. Ein Verbundverfahren umfasst auch die Verknüpfung zweier Verwaltungsverfahren, die in direktem Zusammenhang zueinander stehen.

( 22 ) Alonso de León, S., Composite administratives procedures in the European Union, Iustel, Madrid, 2017; Della Cananea, G., „I procedimenti amministrativi composti dell’Unione europea“, Bignami, F., Cassese, S. (Hrsg.), Il procedimento amministrativo nel diritto europeo, Milano, Giuffrè, 2004; Mastrodonato, G., I procedimenti amministrativi composti nel diritto comunitario, Bari, Cacucci, 2007; Hofmann, H. C. H., „Composite decision-making procedures in EU administrative law“, Hofmann, H. C. H., Türk, A., Legal challenges in EU administrative Law. Towards an Integrated Administration, Edward Elgar, Cheltenham, 2009, S. 136.

( 23 ) Eine Untersuchung aus jüngster Zeit findet sich bei Brito Bastos, F., „Derivative illegality in European composite administrative procedures“, Common Market Law Review, 2018, Nr. 1, S. 101 bis 134.

( 24 ) Alonso de León, S., Composite administratives procedures in the European Union, Iustel, Madrid, 2017, S. 273 bis 318. Vgl. auch die Arbeiten von Eliantonio, M., „Judicial Review in an Integrated Administration: the Case of ‚Composite Procedures‘“, Review of European Administrative Law, 2014 Nr. 2, S. 65 bis 102, und von Türk, A., „Judicial Review of integrated administration in the EU“, Hofmann, H. C. H., Türk, A., Legal challenges in EU administrative Law. Towards an Integrated Administration, Edward Elgar, Cheltenham, 2009, S. 218 bis 256, insbesondere S. 222 bis 224.

( 25 ) Vgl. Prechal, S., Widdershoven, R., Jans, J., „Introduction“, Jans, J., Prechal, S., Widdershoven, R. (Hrsg.), Europeanisation of Public Law, Europa Law Publishing, Amsterdam, 2015, S. 33.

( 26 ) Urteil vom 22. Oktober 1987, Foto-Frost (314/85, EU:C:1987:452, Rn. 14 und 15). Vgl. auch Urteile vom 10. Januar 2006, IATA und ELFAA (C‑344/04, EU:C:2006:10, Rn. 27 und 30), und vom 3. Oktober 2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat (C‑583/11 P, im Folgenden: Urteil Inuit I, EU:C:2013:625, Rn. 95).

( 27 ) Urteil vom 3. Dezember 1992 (C‑97/91, im Folgenden: Urteil Borelli, EU:C:1992:491).

( 28 ) Urteil Borelli, Rn. 9 bis 12, und Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 13. Januar 2009, Occhetto und Parlament/Donnici (C‑512/07 P[R] und C‑15/08 P[R], EU:C:2009:3, Rn. 50).

( 29 ) Urteil Borelli, Rn. 13. Nach dem Urteil ist eine entsprechende Klage auch dann zulässig, wenn die innerstaatlichen Verfahrensvorschriften dies für einen solchen Fall nicht vorsehen.

( 30 ) Urteil vom 17. September 2014 (C‑562/12, EU:C:2014:2229, Rn. 56).

( 31 ) Verordnung des Rates vom 11. Juli 2006 mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds und den Kohäsionsfonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1260/1999 (ABl. 2006, L 210, S. 25).

( 32 ) Der Gerichtshof entschied, dass „die Verordnung Nr. 1083/2006 in Verbindung mit Art. 47 der Charta dahin auszulegen ist, dass sie einer Bestimmung eines von einem Begleitausschuss im Rahmen eines zwischen zwei Mitgliedstaaten vereinbarten operationellen Programms zur Förderung der europäischen territorialen Zusammenarbeit erlassenen Programmleitfadens entgegensteht, soweit diese Bestimmung nicht vorsieht, dass eine Entscheidung dieses Begleitausschusses, mit der ein Beihilfeantrag zurückgewiesen wird, vor einem Gericht eines Mitgliedstaats angefochten werden kann“ (Urteil vom 17. September 2014, Liivimaa Lihaveis, C‑562/12, EU:C:2014:2229, Rn. 76).

( 33 ) Durch die Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 des Rates vom 14. Juli 1992 zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (ABl. 1992, L 208, S. 1) wurde ein komplexes Verfahren eingeführt, in dem die Erzeugervereinigungen bei ihren nationalen Behörden Anträge auf Eintragung einer g.U. oder einer g.g.A. stellen. Diese Behörden müssen prüfen, ob der Antrag gerechtfertigt ist, und diesen, wenn sie der Auffassung sind, dass die Anforderungen der Verordnung erfüllt sind, der Kommission übermitteln, die nur förmlich prüft, ob diesen Anforderungen nachgekommen wurde.

( 34 ) Urteil vom 6. Dezember 2001 (C‑269/99, EU:C:2001:659, Rn. 57 und 58). Ebenso Urteil vom 2. Juli 2009, Bavaria und Bavaria Italia (C‑343/07, EU:C:2009:415, Rn. 55 bis 57).

( 35 ) Es ging um die Eintragung der Bezeichnung „Spreewälder Gurken“ auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 590/1999 der Kommission vom 18. März 1999 zur Ergänzung des Anhangs der Verordnung (EWG) Nr. 1107/96 der Kommission zur Eintragung geografischer Angaben und Ursprungsbezeichnungen gemäß dem Verfahren nach Artikel 17 der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 des Rates (ABl. 1999, L 74, S. 8).

( 36 ) Urteil vom 6. Dezember 2001, Carl Kühne u. a. (C‑269/99, EU:C:2001:659, Rn. 57 und 58). In diesem Sinne auch Urteil vom 2. Juli 2009, Bavaria und Bavaria Italia (C‑343/07, EU:C:2009:415, Rn. 64 bis 67).

( 37 ) Dies war der Fall bei den Bekanntgaben des italienischen Wahlbüros, die Gegenstand des Urteils vom 30. April 2009, Italien und Donnici/Parlament (C‑393/07 und C‑9/08, EU:C:2009:275, Rn. 74 und 75), und des Beschlusses des Präsidenten des Gerichtshofs vom 13. Januar 2009, Occhetto und Parlament/Donnici (C‑512/07 P[R] und C‑15/08 P[R], EU:C:2009:3), waren. Der angefochtene Beschluss verstieß gegen Art. 12 dieses Aktes, da er entgegen der Bekanntgabe das Mandat von Herrn Donnici für ungültig erklärte und das Mandat von Herrn Occhetto bestätigte.

( 38 ) Urteile vom 11. November 1981, IBM/Kommission (60/81, EU:C:1981:264, Rn. 12), und vom 13. Oktober 2011, Deutsche Post und Deutschland/Kommission (C‑463/10 P und C‑475/10 P, EU:C:2011:656).

( 39 ) Urteil vom 17. Oktober 1995 (C‑478/93, EU:C:1995:324, Rn. 34 bis 40).

( 40 ) Weder der Rat noch die Kommission hatten den Mitgliedstaaten eine Entscheidungsbefugnis bei der Verwaltung des Einfuhrkontingents übertragen, sondern sie sollten bestimmte technische Aufgaben im Auftrag und unter der Kontrolle der Kommission wahrnehmen (z. B. die Liste der Marktbeteiligten erstellen und die durchschnittliche Bananenmenge bestimmen, die jeder Marktbeteiligte in den letzten drei Jahren, für die Angaben vorlagen, abgesetzt hatte). Diese Rolle der Mitgliedstaaten bei der Erhebung und Weiterleitung der Daten konnte die Kommission, die die laufende Verwaltung der gemeinsamen Marktorganisation zu gewährleisten hatte, aber nicht daran hindern, die Richtigkeit dieser Daten zu überprüfen und sie zu korrigieren, wenn sich zeigte, dass Doppelbuchungen die Grundlage der Einfuhrregelung zu verfälschen drohten.

( 41 ) Urteil vom 21. März 2000 (C‑6/99, EU:C:2000:148).

( 42 ) Richtlinie 90/220/EWG des Rates vom 23. April 1990 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt (ABl. 1990, L 117, S. 15) in der Fassung der Richtlinie 97/35/EG der Kommission vom 18. Juni 1997 zur zweiten Anpassung der Richtlinie 90/220 (ABl. 1997, L 169, S. 72). Die Genehmigung genetisch veränderter Samen setzte einen Antrag bei der zuständigen nationalen Behörde voraus. Nach Prüfung ihrer Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt übermittelte diese Behörde der Kommission den Antrag mit einer befürwortenden Stellungnahme. Die Kommission wiederum übermittelte diesen Antrag allen Mitgliedstaaten, damit sie gegebenenfalls Einwände erheben konnten. Traf die Kommission einen „positiven Beschluss“ gemäß Art. 13 Abs. 4 der Richtlinie, war die zuständige Behörde verpflichtet, „schriftlich ihre Zustimmung“ zum Inverkehrbringen des Produkts zu erteilen.

( 43 ) Urteil vom 21. März 2000, Greenpeace France u. a. (C‑6/99, EU:C:2000:148, Rn. 57).

( 44 ) Urteil vom 18. Dezember 2007 (C‑64/05 P, EU:C:2007:802).

( 45 ) Verordnung (EG) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. 2001, L 145, S. 43).

( 46 ) Urteil vom 18. Dezember 2007, Schweden/Kommission (C‑64/05 P, EU:C:2007:802, Rn. 94); in diesem Sinne auch Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 13. Januar 2009, Occhetto und Parlament/Donnici (C‑512/07 P[R] und C‑15/08 P[R], EU:C:2009:3, Rn. 53).

( 47 ) Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. 2013, L 176, S. 1).

( 48 ) Art. 22 CRD IV macht keinen Unterschied bei der Behandlung des Erwerbs einer qualifizierten Beteiligung und der direkten oder indirekten Erhöhung einer solchen Beteiligung mit der Folge, dass ihr Anteil an den Stimmrechten oder am Kapital 20 %, 30 % oder 50 % erreichen oder überschreiten würde oder das Kreditinstitut zum Tochterunternehmen würde.

( 49 ) Dies sind der Leumund des interessierten Erwerbers, der Leumund und die Erfahrung des vorgeschlagenen neuen Leitungspersonals, die finanzielle Solidität des interessierten Erwerbers, der Einfluss in dem Institut und die Gefahr von Verbindungen zu Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung.

( 50 ) Gemeinsame Leitlinien der EBA, der EIPOA und der ESMA zur aufsichtsrechtlichen Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von qualifizierten Beteiligungen im Finanzsektor (JC/GL/2016/01, S. 15 bis 24). Die verschiedenen Sprachfassungen können auf der Website des Joint Committee of the European Supervisory Authorities unter https://esas-joint‑committee.europa.eu/Pages/Guidelines/Joint-Guidelines-on-the-prudential-assessment-of-acquisitions-and-increases-of-qualifying-holdings-in-the-banking,-insuranc.aspx eingesehen werden.

( 51 ) Verordnung (EU) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/78/EG der Kommission (ABl. 2010, L 331, S. 12, im Folgenden: EBA-Verordnung).

( 52 ) Art. 16 Abs. 3 Unterabs. 2 der EBA-Verordnung bestimmt: „Binnen zwei Monaten nach der Herausgabe einer Leitlinie oder Empfehlung bestätigt jede zuständige Behörde, ob sie dieser Leitlinie oder Empfehlung nachkommt oder nachzukommen beabsichtigt. Kommt eine zuständige Behörde der Leitlinie oder Empfehlung nicht nach oder beabsichtigt sie nicht, dieser nachzukommen, teilt sie dies der Behörde unter Angabe der Gründe mit.“

( 53 ) EZB, Leitfaden zur Bankenaufsicht, 2014, S. 29 bis 31.

( 54 ) In der vorliegenden Rechtssache änderte die EZB aufgrund der Stellungnahme von Fininvest im Rahmen der Anhörung bei der EZB einige Passagen des von der Banca d’Italia vorgelegten Beschlussvorschlags. Dieser Umstand bestätigt, sollte dies nötig sein, die Unabhängigkeit der EZB, wenn sie in dieser Art von Verfahren endgültig entscheiden muss.

( 55 ) In diesem Sinne auch Lackhoff, K., Single Supervisory Mechanism. A Practitioner’s Guide, Beck, Hart, Nomos, München, 2017, S. 172: Das Genehmigungsverfahren für qualifizierte Beteiligungen „does not consist in a two-step procedure (with a national and an ECB part) as the authorization procedure but is in its entirety an ECB supervisory procedure“.

( 56 ) Beschluss der EZB vom 14. April 2014 zur Einrichtung eines administrativen Überprüfungsausschusses und zur Festlegung der Vorschriften für seine Arbeitsweise (ABl. 2014, L 175, S. 47). Zur Tätigkeit dieses internen Kontrollorgans der Verwaltung vgl. Brescia Morra, C., Smits, R., Magliari, A., „The Administrative Board of Review of the European Central Bank: Experience After 2 Years“, European Business Organisation Law Review, 2017, S. 567 bis 589.

( 57 ) In der mündlichen Verhandlung hat die EZB angegeben, dass eine solche Fallgestaltung unüblich sei.

( 58 ) Der Beschlussentwurf der NCA wird zur Vorlage an die EZB in sämtlichen Fällen in englischer Sprache verfasst, da dies die Sprache ist, in der die NCA und die EZB im Rahmen des SSM miteinander kommunizieren (Art. 23 der SSM-Rahmenverordnung). Der endgültige Beschluss der EZB wird aber in die Sprache des Antragstellers übersetzt.

( 59 ) Diese Vorschrift bestimmt: „Erfüllt der Antragsteller alle Zulassungsbedingungen des einschlägigen nationalen Rechts [des] Mitgliedstaats, so erlässt die nationale zuständige Behörde innerhalb der im einschlägigen nationalen Recht festgelegten Frist einen Beschlussentwurf, mit dem der EZB die Erteilung der Zulassung vorgeschlagen wird. Der Beschlussentwurf wird der EZB und dem Antragsteller mitgeteilt. Andernfalls lehnt die nationale zuständige Behörde den Antrag auf Zulassung ab.“

( 60 ) Dort heißt es: „Soweit zur Wahrnehmung der ihr durch diese Verordnung übertragenen Aufgaben erforderlich, kann die EZB die nationalen Behörden durch Anweisung auffordern, gemäß und im Einklang mit ihrem jeweiligen nationalen Recht von ihren Befugnissen in den Fällen Gebrauch zu machen, in denen diese Verordnung der EZB die entsprechenden Befugnisse nicht übertragen hat. Die nationalen Behörden unterrichten die EZB in vollem Umfang über die Ausübung dieser Befugnisse.“

( 61 ) Vgl. die Untersuchungen von Chiti, E., Recine, F., „The Single Supervisory Mechanism in Action: Institutional Adjustment and the Reinforcement of the ECB Position“, European Public Law, 2018, Nr. 24, S. 103 bis 108, und von Lamandini, M., Ramos Muñoz, D., EU Financial Law, CEDAM Legal Studies, Wolters Kluwer, 2016, S. 183 bis 212.

( 62 ) Dieser Gedanke wurde vom Gericht in seinem Urteil vom 16. Mai 2017, Landeskreditbank Baden-Württemberg/EZB (T‑122/15, EU:T:2017:337, Rn. 54), hervorgehoben, gegen das ein Rechtsmittel anhängig ist (Rechtssache C‑450/17 P). Vgl. die Anmerkungen von D’Ambrosio, R, Lamandini, M., „La ‚prima volta‘ del Tribunale dell’Unione europea in materia di Meccanismo di Vigilanza Unico“, Giurisprudenza commerciale, 2017, S. 594 bis 599, und von Adalid, S., „Le MSU, nouveau sous-système de droit de l’Union européenne“, Revue des affaires européennes, 2017, Nr. 2, S. 373 bis 370.

( 63 ) Urteil vom 18. Dezember 2007, Schweden/Kommission (C‑64/05 P, EU:C:2007:802, Rn. 93 und 94); in diesem Sinne auch Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 13. Januar 2009, Occhetto und Parlament/Donnici (C‑512/07 P[R] und C‑15/08 P[R], EU:C:2009:3, Rn. 53).

( 64 ) Vgl. insbesondere Urteile vom 11. November 1981, IBM/Kommission (60/81, EU:C:1981:264, Rn. 9 und 10), vom 9. September 2015, Lito Maieftiko Gynaikologiko kai Cheirourgiko Kentro/Kommission (C‑506/13 P, EU:C:2015:562, Rn. 16), und vom 20. September 2016, Mallis u. a./Kommission und EZB (C‑105/15 P bis C‑109/15 P, EU:C:2016:702, Rn. 51).

( 65 ) So könnten die Urteile des nationalen Gerichts und des Gerichtshofs zu einer vorbereitenden Maßnahme der NCA, die denselben Inhalt hat wie die der EZB, voneinander abweichen. Dazu könnte es kommen, wenn in der vorliegenden Rechtssache ein Urteil des italienischen Gerichts und ein Urteil des Gerichts mit sich widersprechenden Ergebnissen ergingen.

( 66 ) Dort heißt es: „Zur Wahrnehmung der ihr durch diese Verordnung übertragenen Aufgaben und mit dem Ziel, hohe Aufsichtsstandards zu gewährleisten, wendet die EZB das einschlägige Unionsrecht an, und wenn dieses Unionsrecht aus Richtlinien besteht, wendet sie die nationalen Rechtsvorschriften an, mit denen diese Richtlinien umgesetzt wurden. Wenn das einschlägige Unionsrecht aus Verordnungen besteht und den Mitgliedstaaten durch diese Verordnungen derzeit ausdrücklich Wahlrechte eingeräumt werden, wendet die EZB auch die nationalen Rechtsvorschriften an, mit denen diese Wahlrechte ausgeübt werden.“

( 67 ) Sogar in Bereichen der Bankenaufsicht, die im nationalen Recht der Mitgliedstaaten geregelt und im Unionsrecht nicht ausdrücklich vorgesehen sind, geht die EZB von ihrer Zuständigkeit zur Wahrnehmung der Aufsichtsfunktion aus und wendet ausgiebig nationale Bestimmungen an. Dies wird in einer Mitteilung an die NCA klargestellt: EZB, Additional clarification regarding the ECB’s competence to exercise supervisory powers granted under national law, letter SSM/2017/0140, vom 31. März 2017, einsehbar unter https://www.bankingsupervision.europa.eu/banking/letterstobanks/shared/pdf/2017/Letter_to_SI_Entry_point_information_letter.pdf?abdf436e51b6ba34d4c53334f0197612. Vgl. die Anmerkungen von Smits, R., „Competences and alignment in an emerging future. After L‑Bank: how the Eurosystem and the single Supervisory Mechanism may develop“, ADEMU Working Papers Series 2017/077, S. 16 bis 24.

( 68 ) Wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung auf die entschiedene Verteidigung der Einzigartigkeit dieses italienischen Verfahrensinstruments durch die Anwälte von Herrn Berlusconi erwidert hat, gibt es auch in vielen anderen Mitgliedstaaten gerichtliche Verfahren, die der Wahrung der Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen dienen.

( 69 ) In Nr. 2.2.1 ihres Beschluss von 2016 berücksichtigte die EZB die laufenden oder mit teils rechtskräftigen Verurteilungen abgeschlossenen Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen Herrn Ubaldo Livolsi, Herrn Ferdinando Superti Furga und Herrn Silvio Berlusconi sowie gegen Fininvest, um festzustellen, dass die Erwerber der qualifizierten Beteiligung die Leumundsanforderung nach den Vorschriften des italienischen Rechts und des Unionsrechts nicht erfüllten, die gemäß den Gemeinsamen Leitlinien der EBA, der EIPOA und der ESMA zur aufsichtsrechtlichen Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von qualifizierten Beteiligungen im Finanzsektor angewandt worden seien.

( 70 ) Nr. 2.2.2 in fine des EZB-Beschlusses von 2016.

( 71 ) Im Urteil vom 18. Juli 2007, Lucchini (C‑119/05, EU:C:2007:434), stellte der Gerichtshof im Wesentlichen fest, dass das Unionsrecht der Anwendung einer auf die Verankerung des Grundsatzes der Rechtskraft abzielenden Vorschrift des nationalen Rechts wie Art. 2909 des Codice civile entgegensteht, soweit ihre Anwendung die Rückforderung einer unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht gewährten staatlichen Beihilfe behindert, deren Unvereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt durch eine bestandskräftig gewordene Entscheidung der Europäischen Kommission festgestellt worden ist (Urteile vom 3. September 2009, Fallimento Olimpiclub, C‑2/08, EU:C:2009:506, Rn. 25, vom 10. Juli 2014, Impresa Pizzarotti, C‑213/13, EU:C:2014:2067, Rn. 61, und vom 11. November 2015, Klausner Holz Niedersachsen, C‑505/14, EU:C:2015:742, Rn. 45).