Rechtssache T161/16

(auszugsweise Veröffentlichung)

Puma SE

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum

 Beschluss des Gerichts (Erste Kammer) vom 22. Mai 2019

„Unionsmarke – Widerspruchsverfahren – Internationale Registrierung mit Benennung der Europäischen Union – Bildmarke CMS Italy – Ältere internationale Bildmarken, die eine nach links springende Raubkatze darstellen – Relative Eintragungshindernisse – Bekanntheit der älteren Marken – Art. 8 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 (jetzt Art. 8 Abs. 5 der Verordnung [EU] 2017/1001) – Nachweis für die Bekanntheit – Frühere Entscheidungen des EUIPO, mit denen die Bekanntheit der älteren Marken festgestellt wurde – Berücksichtigung dieser Entscheidungen – Begründungspflicht – Grundsatz der guten Verwaltung“

1.      Unionsmarke – Definition und Erwerb der Unionsmarke – Relative Eintragungshindernisse – Widerspruch des Inhabers einer identischen oder ähnlichen bekannten älteren Marke – Auf nicht ähnliche Waren oder Dienstleistungen erweiterter Schutz der bekannten älteren Marke – Voraussetzungen – Bekanntheit der Marke im Mitgliedstaat oder in der Union – Nachweis der Bekanntheit – Frühere Entscheidungen des EUIPO, mit denen die Bekanntheit der älteren Marke festgestellt wurde

(Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 8 Abs. 5; Verordnung Nr. 2868/95 der Kommission, Art. 1 Regel 19 Abs. 2 Buchst. c)

(vgl. Rn. 30, 31)

2.      Unionsmarke – Entscheidungen des Amtes – Grundsatz der Gleichbehandlung – Grundsatz der guten Verwaltung – Frühere Entscheidungspraxis des Amtes – Gebot rechtmäßigen Handelns – Erforderlichkeit einer strengen und umfassenden Prüfung in jedem Einzelfall

(Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 75)

(vgl. Rn. 32, 33)

3.      Unionsmarke – Definition und Erwerb der Unionsmarke – Relative Eintragungshindernisse – Widerspruch des Inhabers einer identischen oder ähnlichen bekannten älteren Marke – Auf nicht ähnliche Waren oder Dienstleistungen erweiterter Schutz der bekannten älteren Marke – Voraussetzungen – Bekanntheit der Marke im Mitgliedstaat oder in der Union – Entscheidung, mit der von der früheren Entscheidungspraxis des EUIPO in Bezug auf die Bekanntheit der älteren Marke abgewichen wird – Begründungspflicht – Grundsatz der guten Verwaltung

(Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 8 Abs. 5 und Art. 75)

(vgl. Rn. 34, 46, 48)

Zusammenfassung

Die Rechtssache, in der der Beschluss Puma/EUIPO – CMS (CMS Italy) (T‑161/16) vom 22. Mai 2019 ergangen ist, geht auf den Widerspruch zurück, den PUMA auf der Grundlage dreier internationaler Bildmarkeneintragungen – deren einziger Bestandteil oder Hauptbestandteil eine nach links springende Raubkatze ist und die in verschiedenen Mitgliedstaaten Wirkung entfalten – gegen die Eintragung der Bildmarke CMS Italy eingelegt hatte, deren Hauptbildbestandteil eine nach rechts springende Raubkatze ist. Als Widerspruchsgrund war der in Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009(1) (jetzt Art. 8 Abs. 5 der Verordnung 2017/1001(2)) genannte Grund geltend gemacht worden.

Dieser Widerspruch war mit der Begründung zurückgewiesen worden, dass die Bekanntheit der älteren Marken nicht nachgewiesen worden sei. Die Widerspruchsabteilung hatte sich insbesondere geweigert, verschiedene frühere Entscheidungen des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) zu berücksichtigen, in denen die Bekanntheit einiger dieser Marken festgestellt worden war und die von der Widersprechenden als Nachweis angeführt worden waren, weil die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen des EUIPO auf der Grundlage der Verordnung Nr. 207/2009 in ihrer Auslegung durch die Unionsgerichte und nicht auf der Grundlage einer früheren Entscheidungspraxis beurteilt werden müsse. Die Beschwerde gegen diese Entscheidung war von der Beschwerdekammer zurückgewiesen worden, die diese Beurteilung implizit bestätigt und die von der Klägerin vor ihr vorgelegten Beweismittel im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen hatte, dass es sich nicht um zusätzliche Beweise, sondern um Hauptbeweise handele.

Durch seinen mit Gründen versehenen Beschluss, der auf der Grundlage von Art. 132 der Verfahrensordnung ergangen ist, hat das Gericht die Klage angesichts des Urteils vom 28. Juni 2018, EUIPO/Puma (C‑564/16 P, EU:C:2018:509), dessen Erkenntnisse es zusammengefasst hat, für offensichtlich begründet erklärt. Konkret hat das Gericht darauf hingewiesen, dass dann, wenn die früheren Entscheidungen des EUIPO – die ein Widersprechender insofern als Nachweis anführt, als mit ihnen die Bekanntheit der älteren Marke festgestellt wurde, auf die sich sein Widerspruch nach Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 stützt – hinsichtlich der Beweisgrundlage und der Tatsachen, auf die sich diese Feststellung stützt, stichhaltig sind, diese Entscheidungen einen wichtigen Hinweis für die Annahme darstellen, dass diese Marke auch im Rahmen des laufenden Widerspruchsverfahrens als bekannt im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden kann.

Im vorliegenden Fall hat das Gericht festgestellt, dass sich die Klägerin zum Nachweis für die Bekanntheit der älteren Marken konkret auf drei frühere Entscheidungen des EUIPO berufen hat, die eine neuere Entscheidungspraxis darstellen und mit denen festgestellt wurde, dass zwei der drei älteren Marken für Waren, die mit den in Rede stehenden identisch oder ihnen ähnlich sind, und in Bezug auf einige der im vorliegenden Fall in Rede stehenden Mitgliedstaaten Bekanntheit genießen. Es wäre daher Aufgabe der Beschwerdekammer gewesen, diese Entscheidungen des EUIPO zu berücksichtigen und sich zu fragen, ob im gleichen Sinne zu entscheiden ist oder nicht, und wenn nicht, diese unterschiedliche Beurteilung ausdrücklich zu begründen. Die Beschwerdekammer hatte dadurch, dass sie diesen Entscheidungen jede Relevanz abgesprochen hatte, gegen den Grundsatz der guten Verwaltung verstoßen.

Folglich hat das Gericht die angefochtene Entscheidung der Beschwerdekammer aufgehoben.


1      Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1).


2      Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1).