URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer)

19. Juli 2017(*)

„Unionsmarke – Anmeldung der Unionsbildmarke медведь – Absolutes Eintragungshindernis – Fehlende Unterscheidungskraft – Beschreibender Charakter – Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 207/2009“

In der Rechtssache T‑432/16

Lackmann Fleisch- und Feinkostfabrik GmbH mit Sitz in Bühl (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt A. Lingenfelser,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum(EUIPO), vertreten durch P. Ivanov und D. Hanf als Bevollmächtigte,

Beklagter,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des EUIPO vom 17. Mai 2016 (Sache R 240/2016‑1) über die Anmeldung des Bildzeichens медведь als Unionsmarke

erlässt

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Prek, des Richters F. Schalin (Berichterstatter) und der Richterin J. Costeira,

Kanzler: E. Coulon,


aufgrund der am 26. Juli 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 3. November 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

aufgrund des Umstands, dass keine der Hauptparteien innerhalb der Frist von drei Wochen nach Bekanntgabe des Abschlusses des schriftlichen Verfahrens einen Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung gestellt hat, und des gemäß Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 22. Juli 2015 meldete die Klägerin, die Lackmann Fleisch- und Feinkostfabrik GmbH, nach der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eine Unionsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um folgendes Bildzeichen:

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3        Die Marke wurde u. a. für folgende Waren der Klassen 29 bis 31 und 33 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 29: „Fleisch; Fleischwaren, eingesalzen (Pökelfleisch); Wurstwaren; Wurst und Würste; Schinken; Fisch; Wild; Fleischextrakte; Obst (konserviert); Gemüse (konserviert); Gallerten und Gelees, Konfitüren, Kompotte, Frucht- und Gemüseaufstriche; Konfitüren; Eier; Milch; Milchprodukte; Speiseöle und ‑fette; Brotaufstriche aus Gemüse; Brotaufstriche auf Gemüsebasis; Hülsenfrucht-Salate; Caesar-Salate; Antipasti-Salate; Zubereitete Salate; Vorgeschnittenes Gemüse für Salate; Fertiggerichte hauptsächlich bestehend aus Eiern; Fertiggerichte hauptsächlich bestehend aus Fleisch; Fertiggerichte hauptsächlich bestehend aus Hühnchen; Fertiggerichte vorwiegend bestehend aus Wild; Vorwiegend aus Fleischersatz bestehende Fertiggerichte; Hauptsächlich aus Gemüse bestehende, tiefgekühlte Fertiggerichte; Fertiggerichte hauptsächlich bestehend aus Speck; Fertiggerichte aus Fleisch (hauptsächlich bestehend aus Fleisch); Fertiggerichte aus Geflügel (hauptsächlich bestehend aus Geflügel)“;

–        Klasse 30: „Pasteten; Wareniki (gefüllte Teigtaschen); Fertiggerichte, die vorwiegend Teigwaren enthalten; Kaffee; Kaffeeersatzmittel; Tee; Kakao; Reis; Tapioca; Sago; Mehle; Getreidepräparate; Brot; Feine Backwaren; Feine Konditorwaren; Speiseeis; Zucker; Honig; Melassesirup; Hefe; Backpulver; Salz; Senf; Essig; Soßen (Würzen); Gewürze; Kühleis“;

–        Klasse 31: „Samenkörner; Landwirtschaftliche Erzeugnisse, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Gartenwirtschaftliche Erzeugnisse, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Forstwirtschaftliche Erzeugnisse, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Lebende Tiere; Frisches Obst; Frisches Gemüse; Sämereien; Natürliche Pflanzen; Natürliche Blumen; Futtermittel; Malz“;

–        Klasse 33: „Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)“.

4        Mit Entscheidung vom 8. Dezember 2015 wies der Prüfer die Anmeldung der Unionsmarke wegen des Vorliegens der Eintragungshindernisse in Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 in Verbindung mit ihrem Art. 7 Abs. 2 für folgende Waren zurück:

–        Klasse 29: „Fleisch: Fleischwaren, eingesalzen (Pökelfleisch); Wurstwaren; Wurst und Würste; Schinken; Wild; Fleischextrakte; Speisefette; Fertiggerichte hauptsächlich bestehend aus Eiern; Fertiggerichte hauptsächlich bestehend aus Fleisch; Fertiggerichte hauptsächlich bestehend aus Hühnchen; Fertiggerichte vorwiegend bestehend aus Wild; Vorwiegend aus Fleischersatz bestehende Fertiggerichte; Hauptsächlich aus Gemüse bestehende, tiefgekühlte Fertiggerichte; Fertiggerichte hauptsächlich bestehend aus Speck; Fertiggerichte aus Fleisch (hauptsächlich bestehend aus Fleisch); Fertiggerichte aus Geflügel (hauptsächlich bestehend aus Geflügel)“;

–        Klasse 30: „Pasteten; Wareniki (gefüllte Teigtaschen); Fertiggerichte, die vorwiegend Teigwaren enthalten“;

–        Klasse 31: „Lebende Tiere“.

5        Für die übrigen in Rn. 3 des vorliegenden Urteils genannten Waren wurde die Marke zur Eintragung zugelassen.

6        Am 2. Februar 2016 legte die Klägerin beim EUIPO nach den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 Beschwerde gegen die Entscheidung des Prüfers ein.


7        Mit Entscheidung vom 17. Mai 2016 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Erste Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde zurück.

8        Zunächst stellte die Beschwerdekammer fest, dass die für die angemeldete Marke, die aus dem russischen Wort für „Bär“ bestehe, maßgeblichen Verkehrskreise die russischsprachigen Unionsbürger, insbesondere die Einwohner der baltischen Staaten, seien. Die Beurteilung der maßgeblichen Verkehrskreise sei auch nicht auf die Amtssprachen der Union beschränkt.

9        Zudem sei die angemeldete Marke für alle oben in Rn. 4 genannten Waren beschreibend, da sie als unmittelbare und offensichtliche Bezugnahme auf die Art der in Rede stehenden Waren verstanden werden könne und im vorliegenden Fall eine beschreibende Angabe sei, dass diese Waren aus Bärenfleisch bestünden, es enthielten oder dessen Geschmack imitierten.

10      Daher wies die Beschwerdekammer die Eintragung der angemeldeten Marke nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung Nr. 207/2009 für die oben in Rn. 4 genannten Waren zurück.

11      Schließlich kam die Beschwerdekammer zu dem Ergebnis, dass die von der Klägerin für die oben in Rn. 4 angeführten Waren vorgeschlagene negative Beschränkung des Warenverzeichnisses durch die Anbringung des Zusatzes „ausgenommen Bärenfleisch/Bärenwurst“ auf den betroffenen Waren den beschreibenden Charakter der Marke nicht beseitigen könne, da Waren, die kein Bärenfleisch oder keine Bärenwurst enthielten, gleichwohl den entsprechenden Geschmack imitieren könnten. Überdies weise das beantragte Zeichen einen der Eintragung der angemeldeten Marke entgegenstehenden irreführenden Charakter auf, da die Verbraucher annehmen könnten, dass die in Rede stehenden Waren aus Bärenfleisch bestünden, es enthielten oder dessen Geschmack imitierten, während dies tatsächlich nicht der Fall sei.

12      Daher wies die Beschwerdekammer die Eintragung der angemeldeten Marke nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 207/2009 für die oben in Rn. 4 genannten Waren zurück.

 Anträge der Parteien

13      Die Klägerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die angemeldete Marke zur Eintragung zuzulassen.

14      Das EUIPO beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

15      Die Klägerin macht zwei Klagegründe geltend, mit denen sie die Verletzung von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 und die Verletzung von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung rügt.

 Zum ersten Klagegrund: Verletzung von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009

16      Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, die Beschwerdekammer sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die angemeldete Marke für die fraglichen Waren beschreibend im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 sei.

17      Nach dieser Bestimmung sind „Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geografischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können“, von der Eintragung ausgeschlossen. Weiter heißt es in Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009: „Die Vorschriften des Abs. 1 finden auch dann Anwendung, wenn die Eintragungshindernisse nur in einem Teil der Union vorliegen.“

18      Nach der Rechtsprechung verhindert Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009, dass die darin genannten Zeichen oder Angaben aufgrund ihrer Eintragung als Marke einem einzigen Unternehmen vorbehalten werden. Diese Bestimmung verfolgt somit das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass solche Zeichen oder Angaben von jedermann frei verwendet werden können (vgl. Urteil vom 7. November 2014, Kaatsu Japan/HABM [KAATSU], T‑567/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:937, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

19      Außerdem werden Zeichen oder Angaben, die im Verkehr zur Bezeichnung von Merkmalen der Ware oder Dienstleistung dienen können, für die die Eintragung beantragt wird, gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 als ungeeignet angesehen, die wesentliche Funktion der Marke zu erfüllen, die darin besteht, die betriebliche Herkunft der Ware oder Dienstleistung zu identifizieren, um es dem Verbraucher, der die mit der Marke gekennzeichnete Ware oder Dienstleistung erwirbt, damit zu ermöglichen, bei einem weiteren Erwerb seine Entscheidung davon abhängig zu machen, ob er gute oder schlechte Erfahrungen gemacht hat (Urteil vom 7. November 2014, KAATSU, T‑567/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:937, Rn. 28).

20      Folglich fällt ein Zeichen nur dann unter das in Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 aufgestellte Verbot, wenn es zu den fraglichen Waren oder Dienstleistungen einen hinreichend direkten und konkreten Bezug aufweist, der es den betroffenen Verkehrskreisen ermöglicht, unmittelbar und ohne weitere Überlegung eine Beschreibung der in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen oder eines ihrer Merkmale zu erkennen (vgl. Urteil vom 7. November 2014, KAATSU, T‑567/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:937, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

21      Die Beurteilung des beschreibenden Charakters eines Zeichens kann jedoch nur im Hinblick auf seine Wahrnehmung durch die maßgeblichen Verkehrskreise und in Bezug auf die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen vorgenommen werden (vgl. Urteil vom 7. November 2014, KAATSU, T‑567/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:937, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22      Im vorliegenden Fall ist zunächst in Bezug auf die maßgeblichen Verkehrskreise darauf hinzuweisen, dass erstens die von der Beschwerdekammer bestätigte Feststellung des Prüfers, wonach sich die verfahrensgegenständlichen Waren an die breite Öffentlichkeit richteten, von der Klägerin nicht gerügt wird. Zweitens hat die Beschwerdekammer angesichts der Art der in Rede stehenden Waren in Rn. 13 der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt, dass der Aufmerksamkeitsgrad der maßgeblichen Verkehrskreise allgemein als durchschnittlich einzustufen und von einem normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher auszugehen ist; diese Beurteilung wird im Übrigen von der Klägerin nicht in Frage gestellt.

23      Drittens sind nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 die angesprochenen Verkehrskreise, auf die bei der Beurteilung des absoluten Eintragungshindernisses abzustellen ist, nach den von der Beschwerdekammer getroffenen Feststellungen russischsprachig, da das in Rede stehende Zeichen aus einem Wortelement in kyrillischen Schriftzeichen besteht, das aus dem Russischen stammt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juni 2007, MacLean-Fogg/HABM [LOKTHREAD], T‑339/05, nicht veröffentlicht, EU:T:2007:172, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung). Zu diesen russischsprachigen Verkehrskreisen gehören auch Unionsbürger, die wie die Einwohner der baltischen Staaten Estland, Lettland, und Litauen Russisch verstehen.

24      Insoweit wendet die Klägerin ein, der Prüfer und die Beschwerdekammer hätten die Verkehrskreise falsch beurteilt. Die russischen Verkehrskreise seien nämlich von der Anmeldung nicht betroffen, da sie nicht zur Union gehörten und Russisch keine Amtssprache der Union sei. Zudem stellten Personen, denen die kyrillischen Schriftzeichen nicht geläufig seien, den überwiegenden Teil der für die angemeldete Marke maßgeblichen Verkehrskreise dar.

25      Die Eintragung einer Unionsmarke ist ausgeschlossen, wenn diese Marke in einer der Amtssprachen der Union beschreibend ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. September 2002, DKV/HABM, C‑104/00 P, EU:C:2002:506, Rn. 40).

26      Diese Feststellung darf jedoch nicht dahin verstanden werden, dass sich die Prüfung der maßgeblichen Verkehrskreise auf die Amtssprachen der Union beschränken muss. Bei einer solchen Auslegung bliebe die Besonderheit der mehrsprachigen Regionen unberücksichtigt, die einen erheblichen Teil des Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten der Union ausmachen. Außerdem verstieße sie gegen den in Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 aufgestellten Grundsatz, der im gesamten Unionsgebiet gilt.

27      Überdies darf die Verweisung in Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009, wonach die Vorschriften des Abs. 1 auch dann Anwendung finden, wenn die Eintragungshindernisse nur in einem Teil der Union vorliegen, nicht dahin verstanden werden, dass sich die Prüfung auf die Amtssprachen der Union zu beschränken hat. Sie ist vielmehr als Erstreckung des Schutzes der Verordnung Nr. 207/2009 auf die gesamte Union zu verstehen.

28      Somit ist die Beschwerdekammer zutreffend davon ausgegangen, dass die Beurteilung der maßgeblichen Verkehrskreise nicht allein anhand der Amtssprachen der Union vorzunehmen ist, sondern dass dabei sämtliche Sprachen herangezogen werden müssen, die zumindest in einem Teil der Union verstanden werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. Juni 2012, Organismos Kypriakis Galaktokomikis Viomichanias/HABM – Garmo [HELLIM], T‑534/10, EU:T:2012:292, Rn. 38 und 39, und vom 13. September 2012, Sogepi Consulting y Publicidad/HABM [ESPETEC], T‑72/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:424, Rn. 36).

29      Wie die Beschwerdekammer in Rn. 16 der angefochtenen Entscheidung klargestellt hat, versteht ein wesentlicher Teil der Unionsbürger Russisch. Außerdem beherrscht ein erheblicher Teil der Bewohner der baltischen Staaten diese Sprache, und für manche von ihnen ist es sogar die Muttersprache.

30      Ferner weist das Wort „Bär“ im Russischen, wie das EUIPO geltend macht, auch die Besonderheit auf, dass es zahlreichen Verbrauchern, und zwar denen, die Russisch als Fremdsprache gelernt haben, bekannt ist. Es gehört nämlich zum russischen Grundwortschatz und ist in der russischen Kultur, u. a. in der Folklore, der Kunst und der Literatur, sowie im russischen Sport sehr präsent.

31      Folglich hat die Beschwerdekammer zutreffend darauf hingewiesen, dass als maßgebliche Verkehrskreise die russischsprachigen Verbraucher, etwa die Bürger der baltischen Staaten, die Russisch lesen oder verstehen, sowie Unionsbürger anzusehen sind, die sich für die russische Kultur interessieren oder Russisch gelernt haben.

32      Sodann ist im Rahmen der Anwendung von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 auf der Grundlage einer bestimmten Bedeutung der angemeldeten Marke zu prüfen, ob das Zeichen медведь einen hinreichend direkten und konkreten Zusammenhang mit den in Rede stehenden Waren aufweist, der es den betreffenden Verkehrskreisen ermöglicht, unmittelbar und ohne weitere Überlegung eine Beschreibung dieser Waren oder eines ihrer Merkmale zu erkennen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 28. Juni 2011, ReValue Immobilienberatung/HABM [ReValue], T‑487/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:317, Rn. 68, und vom 27. Februar 2015, Universal Utility International/HABM [Greenworld], T‑106/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:123, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33      Erstens ist zu dem in Rede stehenden Zeichen festzustellen, dass es aus einem Wortelement mit schwarzen kyrillischen Schriftzeichen auf weißem Grund besteht. Dieses Wortelement ist ein im Russischen geläufiger Begriff und bedeutet „Bär“.

34      Zur Bedeutung des in Rede stehenden Zeichens hat die Beschwerdekammer ausgeführt, dass die russischsprachigen Verbraucher bei den betroffenen Waren der Klassen 29 und 30, insbesondere bei Fleisch, Fleisch- und Wurstwaren sowie Fertiggerichten, die Fleisch enthalten könnten, das Wort „медведь“ als Hinweis darauf verstehen würden, dass die beanspruchten Waren selbst aus Bärenfleisch bestünden oder zumindest dessen Geschmack imitierten.

35      Die Klägerin wendet hiergegen ein, es sei falsch, die beanstandete Marke gedanklich mit Bärenfleisch oder einem anderen Erzeugnis aus Bärenfleisch in Verbindung zu bringen, weil das in Rede stehende Zeichen nicht auf das Tier selbst abziele, sondern im Sinne der Assoziationen zu verstehen sei, die zu den Eigenschaften eines Bären, etwa dessen Stärke oder Größe, hergestellt würden.

36      Insoweit ist der Beurteilung der Beschwerdekammer zuzustimmen. Nach ständiger Rechtsprechung wird durch die Tatsache, dass ein Begriff mehrere Bedeutungen hat, das Vorliegen eines beschreibenden Charakters nicht ausgeschlossen. Die Eintragung ist also bereits dann nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 ausgeschlossen, wenn die angemeldete Marke in zumindest einer ihrer Bedeutungen für die in Rede stehenden Waren beschreibend verwendet werden kann (vgl. Urteil vom 12. Februar 2004, Koninklijke KPN Nederland, C‑363/99, EU:C:2004:86, Rn. 97 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37      Im vorliegenden Fall wird durch das Zeichen медведь in Verbindung mit Fleisch, Fleisch- und Wurstwaren sowie Fertiggerichten, die Fleisch enthalten können, die Art der Ware oder eines wesentlichen Bestandteils von ihr beschrieben. Wenn das Zeichen aber bereits in zumindest einer seiner potenziellen Bedeutungen eine Eigenschaft der betreffenden Waren beschreibt, ist es unerheblich, dass das russische Wort für „Bär“ nicht nur im Sinne von „Bärenfleisch“ verstanden werden kann, sondern auch im Sinne von „Stärke“ und „Größe“. Die Beschwerdekammer hat das Vorbringen der Klägerin also zu Recht zurückgewiesen.

38      Zweitens ist in Bezug auf die Art des Zusammenhangs zwischen dem in Rede stehenden Zeichen und den in Rede stehenden Waren festzustellen, dass es sich bei den oben in Rn. 4 angeführten Waren, auf die nach Auffassung der Beschwerdekammer Art. 7 Abs. 1 Buchst c der Verordnung Nr. 207/2009 anwendbar ist, um Lebensmittel des täglichen Verbrauchs handelt.

39      Somit hat die Beschwerdekammer angesichts der Wahrnehmung des in Rede stehenden Zeichens durch die maßgeblichen Verkehrskreise rechtsfehlerfrei festgestellt, dass es im Zusammenhang mit den besagten Waren als Hinweis darauf verstanden wird, dass die Waren aus Bärenfleisch bestehen, es enthalten oder danach schmecken.

40      Die Klägerin wendet hiergegen ein, dass die betreffenden Lebensmittel nicht mit Bärenfleisch assoziiert werden könnten. Dies gelte insbesondere für Fertiggerichte hauptsächlich bestehend aus Eiern, Fertiggerichte aus Geflügel, Pasteten und Fertiggerichte, die vorwiegend Teigwaren enthielten.

41      Insoweit ist der Beschwerdekammer beizupflichten, dass die Bedeutung einer Wortmarke nicht abstrakt, sondern im Hinblick auf die in der Anmeldung bezeichneten Waren und Dienstleistungen zu untersuchen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. September 2005, Citicorp/HABM [LIVE RICHLY], T‑320/03, EU:T:2005:325, Rn. 83). Im vorliegenden Fall ist die Bedeutung der Marke медведь ausschließlich im Hinblick auf die in Rede stehenden, oben in Rn. 4 angeführten Waren zu verstehen. Aufgrund dessen ist der Einwand der Klägerin, dass bei der Kennzeichnung eines Autos mit „Bär“ für den Verbraucher nicht die Gefahr bestünde, es gedanklich mit Bärenfleisch in Verbindung zu bringen, als unbeachtlich zurückzuweisen, da die angemeldete Marke keine Autos betrifft.

42      Überdies ist zum Vorbringen der Klägerin, sie vermarkte kein Bärenfleisch, was im Übrigen verboten sei, darauf hinzuweisen, dass Fleisch zu den von ihr beanspruchten Waren gehört, so dass eine gedankliche Verbindung zwischen Fleisch und Bärenfleisch hergestellt werden kann.

43      Was speziell das von der Klägerin erwähnte Verbot der Vermarktung von Bärenfleisch anbelangt, ist die Beschwerdekammer in Rn. 22 der angefochtenen Entscheidung zutreffend davon ausgegangen, dass der Hinweis auf die rechtliche Situation in Deutschland irrelevant ist, da die Klägerin nicht nachgewiesen hat, dass es keinen Markt für Bärenfleisch gibt, etwa weil es nicht genießbar ist oder weil sein Verkauf in allen Mitgliedstaaten der Union verboten ist. Zum Nachweis des Bestehens eines Marktes reicht es nämlich aus, wenn die Vermarktung nur in einem geringen Teil der Union erlaubt ist. Wie die Beschwerdekammer – von der Klägerin unbeanstandet – in Rn. 22 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, sind aber in Estland, wo sich ein erheblicher Teil der von der angemeldeten Marke angesprochenen Verkehrskreise befindet, der Verkauf und die Vermarktung von Bärenfleisch erlaubt und in Fachgeschäften auch üblich. Die maßgeblichen Verkehrskreise sind daher zu der Annahme berechtigt, dass es sich bei den in Rede stehenden Waren um Bärenfleisch handelt oder um Waren, die den Geschmack von Bärenfleisch imitieren.


44      Drittens ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, dass die Suchmaschine Google den Begriff „Bärenfleisch“, anders als den Begriff „Schweinefleisch“, nicht kenne. Eine einfache Internetrecherche belegt insoweit, dass es den Begriff „Bärenfleisch“ gibt. Somit ist den Erwägungen der Beschwerdekammer zuzustimmen und festzustellen, dass dieser Begriff existiert.

45      Schließlich ist die von der Klägerin vorgeschlagene Einschränkung des Verzeichnisses der in Rede stehenden Waren durch den Zusatz „ausgenommen Bärenfleisch“ auf der Verpackung dieser Waren anhand von Art. 43 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 zu beurteilen.

46      Insoweit weist die Beschwerdekammer darauf hin, dass die Einschränkung des Warenverzeichnisses kumulativ drei Anforderungen erfüllen muss: Erstens darf sie das Warenverzeichnis nicht erweitern, zweitens muss das neue Warenverzeichnis die Art der Ware klar erkennen lassen, und drittens darf die Marke nicht gegen ein anderes in Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 vorgesehenes absolutes Eintragungshindernis verstoßen.

47      Durch die von der Klägerin beantragte Einschränkung wird das Warenverzeichnis nicht erweitert. Folglich ist der Einschränkungsantrag im Hinblick auf die zweite und die dritte Anforderung zu prüfen.

48      Zur zweiten Anforderung, wonach das neue Warenverzeichnis die Art der Ware klar und deutlich erkennen lassen muss, trägt das EUIPO vor, dass es sich bei der von der Klägerin vorgeschlagenen Einschränkung um eine negative Einschränkung durch den Ausschluss von Waren mit bestimmten Merkmalen handele. Nach ständiger Rechtsprechung kann eine Einschränkung aber, um das Fortbestehen von Rechtsunsicherheit hinsichtlich des Umfangs des Markenschutzes zu vermeiden, nur eingetragen werden, wenn aus ihr klar das Verzeichnis der Waren hervorgeht, die im Register verbleiben; sie darf nicht zum Ziel haben, Waren mit bestimmten Merkmalen auszuschließen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Februar 2004, Koninklijke KPN Nederland, C‑363/99, EU:C:2004:86, Rn. 115). Zudem müssen gemäß Art. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 in Verbindung mit ihrem Art. 26 Abs. 1 Buchst. c die von der Anmeldung erfassten Waren klar und eindeutig angegeben werden, um in das Register eingetragen werden zu können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Juni 2012, Chartered Institute of Patent Attorneys, C‑307/10, EU:C:2012:361, Rn. 56). Eine Einschränkung, die – wie im vorliegenden Fall – so weit gefasst ist, dass das von ihr erfasste Warenverzeichnis nicht klar und eindeutig angegeben werden kann, erfüllt diese Anforderung nicht.

49      Die Beschwerdekammer weist ferner darauf hin, dass die Einschränkung des Warenverzeichnisses nach der dritten Anforderung nicht gegen ein anderes in Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 vorgesehenes absolutes Eintragungshindernis verstoßen darf. Festzustellen ist aber, dass die Marke im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 beschreibend bleibt, da die maßgeblichen Verkehrskreise annehmen könnten, dass die von der Einschränkung betroffenen Waren zwar kein Bärenfleisch enthalten, aber zumindest dessen Geschmack imitieren. Die angemeldete Marke würde als beschreibende Angabe verstanden, was ihrer Eintragung nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 entgegensteht.

50      Im Übrigen sind jedenfalls nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 207/2009 Marken, die geeignet sind, das Publikum z. B. über die Art, die Beschaffenheit oder die geografische Herkunft der Ware zu täuschen, von der Eintragung ausgeschlossen.

51      Insoweit ist hervorzuheben, dass nach ständiger Rechtsprechung die Ablehnung der Eintragung nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 207/2009 eine tatsächliche Täuschung des Verbrauchers oder eine hinreichend schwerwiegende Gefahr einer solchen Täuschung voraussetzt. Die Hauptfunktion der Marke besteht darin, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der durch die Marke gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung zu garantieren, indem sie ihm ermöglicht, diese Ware oder Dienstleistung ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden. Damit die Marke ihre Aufgabe als wesentlicher Bestandteil des Systems eines unverfälschten Wettbewerbs, das der Vertrag errichten und erhalten will, erfüllen kann, muss sie nämlich die Gewähr bieten, dass alle Waren oder Dienstleistungen, die sie kennzeichnet, unter der Kontrolle eines einzigen Unternehmens, das für ihre Qualität verantwortlich gemacht werden kann, hergestellt oder erbracht worden sind. Eine Marke verliert diese Gewährleistungsfunktion, wenn die Verkehrskreise durch die Information, die sie enthält, getäuscht werden können (Urteil vom 5. Mai 2011, SIMS – École de ski internationale/HABM – SNMSF [esf école du ski français], T‑41/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:200, Rn. 49 und 50).

52      Im vorliegenden Fall ist die Beschwerdekammer davon ausgegangen, dass der Eintragung des angemeldeten Zeichens, selbst wenn es für die betreffenden Waren nach der von der Klägerin beantragten Einschränkung des angemeldeten Warenverzeichnisses durch den Zusatz „ausgenommen Bärenfleisch“ nicht mehr beschreibend wäre, jedenfalls Art. 7 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 207/2009 entgegenstünde. Da die maßgeblichen Verkehrskreise zu Recht erwarten werden, dass die beanspruchten Waren aus Bärenfleisch bestehen oder dessen Geschmack imitieren, ist das Zeichen geeignet, sie über die Eigenschaft der betreffenden Waren zu täuschen, wenn diese kein Bärenfleisch enthalten oder dessen Geschmack nicht imitieren.

53      Die Klägerin führt kein Argument an, um die Gründe in Frage zu stellen, auf die die Beschwerdekammer diese Beurteilung gestützt hat, und trägt selbst vor, dass eine Bezeichnung wie „Bärenfleisch“ für Waren, die anderes Fleisch enthielten, irreführend wäre.


54      Da das angemeldete Zeichen für die in Rede stehenden Waren von den maßgeblichen Verkehrskreisen gedanklich unmittelbar mit Bärenfleisch in Verbindung gebracht wird, besteht eine Täuschungsgefahr im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 207/2009, die durch die von der Klägerin vorgeschlagene Einschränkung des Warenverzeichnisses nicht beseitigt werden kann.

55      Nach alledem hat die Beschwerdekammer rechtsfehlerfrei die Beurteilung des Prüfers bestätigt, dass das in Rede stehende Zeichen beschreibend im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 sei.

56      Daher ist der erste Klagegrund zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: Verletzung von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009

57      In Bezug auf den zweiten Klagegrund, mit dem die Verletzung von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 geltend gemacht wird, ist darauf hinzuweisen, dass ein Zeichen, wie aus Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 hervorgeht, bereits dann von der Eintragung als Unionsmarke ausgeschlossen ist, wenn eines der dort aufgezählten absoluten Eintragungshindernisse gegeben ist (Urteil vom 19. September 2002, DKV/HABM, C‑104/00 P, EU:C:2002:506, Rn. 29).

58      Wie sich aus der Prüfung des ersten Klagegrundes ergibt, hat die Beschwerdekammer aber zu Recht entschieden, dass das angemeldete Zeichen für die betreffenden Waren beschreibend ist, so dass das in Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 vorgesehene absolute Eintragungshindernis seiner Eintragung als Unionsmarke entgegensteht. Somit kann der auf die Verletzung von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 gestützte zweite Klagegrund nicht durchgreifen.

59      Folglich ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen, und die Klage ist insgesamt abzuweisen.

 Kosten

60      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

61      Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des EUIPO die Kosten aufzuerlegen.


Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Lackmann Fleisch- und Feinkostfabrik GmbH trägt die Kosten.

Prek

Schalin

Costeira

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 19. Juli 2017.

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon

 

      A. M. Collins            


* Verfahrenssprache: Deutsch.