Rechtssache T‑260/16

Königreich Schweden

gegen

Europäische Kommission

„EGFL und ELER – Von der Finanzierung ausgeschlossene Ausgaben – Entkoppelte Direktbeihilfen – Vor‑Ort‑Kontrollen – Fernerkundung – Beurteilung der Risikofaktoren – Vom betreffenden Mitgliedstaat zu treffende Abhilfemaßnahmen – Bewertung des finanziellen Schadens – Verhältnismäßigkeit“

Leitsätze – Urteil des Gerichts (Zweite Kammer) vom 25. September 2018

  1. Landwirtschaft – Finanzierung durch den EGFL – Rechnungsabschluss – Zeitraum, für den eine finanzielle Berichtigung vorgenommen werden kann – Zeitraum vor dem Zeitpunkt der schriftlichen Mitteilung der Ergebnisse der Prüfungen – Zulässigkeit

    (Verordnung Nr. 885/2006 der Kommission, Art. 11)

  2. Landwirtschaft – Finanzierung durch den EGFL – Rechnungsabschluss – Ablehnung der Übernahme von Ausgaben, die durch Unregelmäßigkeiten bei der Anwendung der Unionsregelung veranlasst worden sind – Bestreiten durch den betroffenen Mitgliedstaat – Beweislast – Verteilung zwischen der Kommission und dem Mitgliedstaat

    (Verordnung Nr. 1290/2005 des Rates, Art. 31 Abs. 1 bis 3)

  3. Landwirtschaft – Finanzierung durch den EGFL – Gewährung von Beihilfen und Prämien – Pflicht der Mitgliedstaaten zur Schaffung eines wirksamen Systems von Verwaltungskontrollen und Vor‑Ort‑Kontrollen – Umfang – Anwendung der Fernerkundung für die Kontrolle der Flächen von Betrieben, die Beihilfen erhalten – Verpflichtung zur Durchführung von Vor‑Ort‑Kontrollen bei Mängeln der Fernerkundungskontrollen – Umfang

    (Verordnung Nr. 1122/2009 der Kommission, Art. 33 und 35)

  4. Nichtigkeitsklage – Nichtigkeitsurteil – Tragweite – Teilweise Nichtigerklärung eines Unionsrechtsakts – Voraussetzung – Abtrennbarkeit der für nichtig erklärbaren Teile des angefochtenen Rechtsakts – Entscheidung der Kommission über den Abschluss der Rechnungen für die vom EAGFL, vom EGFL und vom ELER finanzierten Ausgaben – Abtrennbarkeit der Begründung und des verfügenden Teils einer Entscheidung über eine finanzielle Berichtigung – Teilnichtigerklärung – Folgen

    (Art. 263 AEUV und 266 AEUV; Richtlinie Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 52 Abs. 2)

  5. Landwirtschaft – Finanzierung durch den EGFL – Rechnungsabschluss – Ablehnung der Übernahme von Ausgaben, die durch Unregelmäßigkeiten bei der Anwendung der Unionsregelung veranlasst worden sind – Feststellung der Verluste der Fonds – Nicht ordnungsgemäße Ausgaben, die nicht mit hinreichender Genauigkeit bestimmt werden können – Feststellung aufgrund pauschaler Berichtigungen – Zulässigkeit

    (Richtlinie Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 52 Abs. 2)

  6. Landwirtschaft – Finanzierung durch den EGFL – Rechnungsabschluss – Ablehnung der Übernahme von Ausgaben, die durch Unregelmäßigkeiten bei der Anwendung der Unionsregelung veranlasst worden sind – Pauschale finanzielle Berichtigung – Weigerung der Kommission, die von dem betreffenden Mitgliedstaat vorgetragenen Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die eine Berechnung durch Extrapolation ermöglichen, ohne deren Zuverlässigkeit oder die Möglichkeit zu prüfen, sie mit angemessenem Aufwand auszuwerten – Unzulässigkeit

    (Richtlinie Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 52 Abs. 2)

  1.  Beim Rechnungsabschlussverfahrens des Europäischen Ausrichtungs‑ und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) muss die Kommission in der ersten Mitteilung im Sinne von Art. 11 der Verordnung Nr. 885/2006 der Kommission mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung Nr. 1290/2005 des Rates hinsichtlich der Zulassung der Zahlstellen und anderen Einrichtungen sowie des Rechnungsabschlusses für den EGFL und den ELER den Gegenstand der von ihren Stellen durchgeführten Überprüfungen und die dabei festgestellten Mängel hinreichend genau angeben. Auf diese kann sie sich dann später berufen, um glaubhaft zu machen, dass an von den nationalen Verwaltungen durchgeführten Kontrollen oder den von diesen vorgelegten Zahlen ernsthafte und vernünftige Zweifel bestehen, und so die finanziellen Berichtigungen rechtfertigen, die in der endgültigen Entscheidung vorgenommen werden, mit der bestimmte von dem betreffenden Mitgliedstaat im Rahmen des EGFL getätigte Ausgaben von der Unionsfinanzierung ausgeschlossen werden. Jedoch ist die Kommission im Falle des Fortbestehens von Unregelmäßigkeiten, die die Vornahme einer finanziellen Berichtigung rechtfertigen, nach dem Zeitpunkt der schriftlichen Mitteilung der Ergebnisse der Überprüfungen befugt, ja sogar verpflichtet, dies bei der Festlegung des Zeitraums, auf den sich die betreffende finanzielle Berichtigung bezieht, zu berücksichtigen.

    Aus Art. 11 der Verordnung Nr. 885/2006 ergibt sich nämlich, dass die Kommission, wenn der betreffende Mitgliedstaat in Bezug auf die von ihr festgestellten Unregelmäßigkeiten keine Abhilfemaßnahmen durchführt, die entsprechenden Ausgaben bis zur tatsächlichen Anwendung der von ihr auferlegten Abhilfemaßnahmen wegen Nichtbeachtung der Unionsvorschriften ausschließen kann.

    (vgl. Rn. 40, 41, 54)

  2.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 69-72, 106)

  3.  Im Rahmen des Rechnungsabschlussverfahrens des Europäischen Ausrichtungs‑ und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) dürfen, wie aus den Art. 33 und 35 der Verordnung Nr. 1122/2009 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung Nr. 73/2009 hinsichtlich der Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen, der Modulation und des integrierten Verwaltungs‑ und Kontrollsystems im Rahmen der Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe gemäß der genannten Verordnung und mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung Nr. 1234/2007 hinsichtlich der Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen im Rahmen der Stützungsregelung für den Weinsektor hervorgeht, die Fernerkundungskontrollen und die Vor‑Ort‑Kontrollen von den Mitgliedstaaten verwendet werden, doch sind Vor‑Ort‑Kontrollen für alle Parzellen obligatorisch, bei denen aus der Fernerkundung nicht geschlossen werden kann, dass die Angaben korrekt sind.

    Auch wenn die Verordnung Nr. 1122/2009 nicht ausdrücklich vorsieht, dass beide Kontrollmethoden zu ähnlichen Ergebnissen führen müssen, sind die Schwächen der Fernerkundungskontrollen jedoch durch Vor‑Ort‑Kontrollen abzumildern, damit eine wirksame Überprüfung der Einhaltung der Voraussetzungen für die Gewährung von Beihilfen gewährleistet ist. Wenn die Verwendung einer der beiden Kontrollmethoden zu erheblichen Unterschieden bei der Ermittlung von Fehlern führt, kann es sich daher nur um einen vorübergehenden Zustand handeln, der durch eine Weiterentwicklung der Berücksichtigung der Risikofaktoren korrigiert werden muss, so dass sich die Fehlerquoten schließlich ähneln oder zumindest annähern. Insoweit ist das Fortbestehen der erheblichen Unterschiede zwischen den Fehlerquoten der verwendeten Kontrollmethoden ein Beweiselement für die ernsthaften und berechtigten Zweifel, die die Kommission – angesichts der Zahl der berücksichtigten Risikofaktoren und der Notwendigkeit ihrer Überprüfung und jährlichen Aktualisierung – an der Methode hat, die die nationalen Behörden zur besseren Ermittlung des Risikos für den EGFL verwendeten.

    (vgl. Rn. 78, 79, 81)

  4.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 103, 104)

  5.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 108, 110)

  6.  Ihren eigenen Leitlinien über die finanziellen Auswirkungen von Mängeln der mitgliedstaatlichen Kontrollen im Bereich des Rechnungsabschlusses des Europäischen Ausrichtungs‑ und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) zufolge kann die Kommission die Pauschalmethode nur dann anwenden, wenn die Anwendung der anderen Methoden, insbesondere die Berechnung durch Extrapolation, ausgeschlossen war. Die Methode der pauschalen Berechnung hat nämlich Auffangcharakter im Hinblick auf Art. 52 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1306/2013 über die Finanzierung, die Verwaltung und das Kontrollsystem der Gemeinsamen Agrarpolitik, auch wenn die Kommission in der Praxis häufig von ihr Gebrauch gemacht hat.

    Wenn die Behörden des betroffenen Mitgliedstaats der Kommission relevante Gesichtspunkte vortragen, die eine Berechnung der zu Unrecht gezahlten Beträge durch Extrapolation ermöglichen, verkennt die Kommission den subsidiären Charakter der Pauschalmethode, wie er sich aus Art. 52 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1306/2013 ergibt, wenn sie es ablehnt, die vorgetragenen Gesichtspunkte zu berücksichtigen, ohne den Grad ihrer Zuverlässigkeit und die Frage zu prüfen, ob ein unverhältnismäßiger Aufwand für ihre Auswertung erforderlich wäre, weil diese in jedem Fall nicht relevant seien.

    (vgl. Rn. 112, 116, 118)